Die Karriere des Inkakorns

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Die Karriere des Inkakorns
Die Karriere des Inkakorns
 Die Auswirkungen des Exportbooms auf die Landwirtschaft und den Handel
                              in Bolivien

                          Bachelor Thesis 2019

Auftraggeberschaft:   Agrarinfo,ch, Frau Hürlimann Christine & Frau Minkner Ulrike

Autorinnen:           Ramona Mentha & Yasmin Müller

Dozent:               Prof. Dr. Mathias Binswanger

Ort, Datum:           Brugg, 08. August 2019
Die Karriere des Inkakorns
Die Karriere des Inkakorns

Die Auswirkungen des Exportbooms auf die Landwirtschaft und den Handel in Bolivien

Autorinnen:

Ramona Mentha, Schaffhauserstrasse 10, 8006 Zürich

Yasmin Müller, Kreuzäckerstrasse 2, 8957 Spreitenbach

Auftraggeberschaft:

Agrarinfo.ch
Frau Christine Hürlimann
Toblerstrasse 76
8044 Zürich
christine.hurlimann@agrarinfo.ch

Dozent:

Prof. Dr. Matthias Binswanger
Fachhochschule Nordwestschweiz
mathias.binswanger@fhnw.ch

Bild auf Titelseite:

Abb. 1 Quinoaplantage (Junker, 2019)
Die Karriere des Inkakorns
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Ehrenwörtliche Erklärung

Wir versichern, dass wir die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne Benutzung anderer als der
im Literaturverzeichnis angegebenen Quellen und Hilfsmittel angefertigt haben. Die wörtlich oder
inhaltlich den im Literaturverzeichnis aufgeführten Quellen und Hilfsmitteln entnommenen Stellen
sind in der Arbeit als Zitat bzw. Paraphrase kenntlich gemacht. Diese Bachelorarbeit ist noch nicht
veröffentlicht worden. Sie ist somit weder anderen Interessierten zugänglich gemacht noch einer
anderen Prüfungsbehörde vorgelegt worden.

Zürich, 08. August 2019

Ramona Mentha                       Yasmin Müller

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Management Summary

Hat die westliche Welt durch ihren hohen Quinoakonsum der Bevölkerung in Bolivien geschadet?

In den Andenregionen, vor allem Altiplano, gehört Quinoa seit Jahrtausenden zu den Hauptnah-
rungsmitteln. Mit der steigenden Nachfrage der westlichen Länder sind auch die Produktion und der
Preis drastisch gestiegen. In den goldenen Zeiten des Quinoas stieg der Preis über 85 Prozent.
Folglich ist der Export von Bolivien und Peru nach Europa zwischen dem Jahr 2013 und 2015 um
227 Prozent gestiegen. Die Exportwirtschaft wirkte sich unterschiedlich auf die Kleinbauern und
Kleinbäuerinnen aus. Zum einen wurde der Export lukrativ für die Bauern und Bäuerinnen und zum
anderen kann ein solcher enormer Preisanstieg eine Bedrohung der Ernährungssicherheit der är-
meren Bevölkerung darstellen. Der steigende Mehrwert der Anbauflächen entfacht ebenso einen
Konkurrenzkampf zwischen den Kleinbauern und Kleinbäuerinnen und den grossen Produzenten.
Das primäre Ziel dieser Bachelorarbeit ist herauszufinden, wie sich der Exportboom explizit auf die
kleinbäuerliche Gesellschaft, die Landwirtschaft und den Handel ausgewirkt hat. Daraus werden
zum Schluss Handlungsempfehlungen abgeleitet, die aufzeigen wie auf einen solchen Boom rea-
giert werden könnte, um den Kleinbauern und Kleinbäuerinnen nicht zu schaden.

Durch Literaturrecherchen, diversen Interviews mit Grosshändlern und Grosshändlerinnen, Klein-
händlern und Kleinhändlerinnen sowie Forschern, welche direkt oder indirekt mit dem Quinoahandel
in Bolivien zu tun haben, konnte herausgefunden werden, wie sich der Quinoaboom auf die Klein-
bauern und Kleinbäuerinnen sowie die bolivianische Wirtschaft im Allgemeinen auswirkte. Basierend
auf diesen Recherchen konnten Empfehlungen dazu abgegeben werden, was ergänzend zu den
bereits unternommenen Handlungen gemacht werden könnte, um den Kleinbauern und Kleinbäue-
rinnen einen angemessenen Lebensstandard zu gewähren und somit die Ernährungssicherheit si-
cherzustellen.

Anhand des Beispiels Quinoa ist zu erkennen, dass nicht jedes Nahrungsmittel, das von den Indust-
rieländern in hohem Masse konsumiert wird, einen schlechten Einfluss auf die Bevölkerung hat.
Dabei ist die Bevölkerung gemeint, die ursprünglich das landwirtschaftliche Produkt anpflanzte. Die
Lebenssituation der Kleinbauern und Kleinbäuerinnen verbesserte sich grundsätzlich. Ein Zusam-
menhang zwischen dem Exportboom des Quinoas und einem vermehrten Landkauf durch Gross-
unternehmen und Konzerne konnte, nach Angaben der Autorinnen, nicht nachgewiesen werden.
Somit kann ebenfalls eine Machtkonzentration durch die Grossunternehmen im Produktionsbereich
Quinoa ausgeschlossen werden. Die Ernährungssicherheit wurde durch die hohen Exportmengen
nicht wesentlich bedroht. Lediglich im Gebiet Altiplano kam es zu Fehlernährungen in der

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Bevölkerung, da Quinoa vor dem Boom in diesen Regionen als Grundnahrungsmittel galt. Aufgrund
der landwirtschaftlichen Formation von Bolivien war das Interesse an Landübernahmen von Gross-
konzernen nicht so gross, wie zum Beispiel in afrikanischen Ländern. Von der ökologischen Seite
betrachtet, hatte die Erweiterung der Anbaufläche negative Folgen wie steigende Bodenerosion und
Pestizidkontamination. Es wurden viele Weideflächen in Ackerland umgewandelt. Dennoch sind auf-
grund des ab 2015 immer weiter sinkenden Quinoapreises und der steigenden Konkurrenz, Hand-
lungen aus Sicht der Gesellschaft, NGO’s und der Politik notwendig. Mit der Konsumierung von Fair-
Trade Quinoa kann bereits eine einzelne Person, die Kleinbauern und Kleinbäuerinnen und die
nachhaltige Produktion unterstützen. Mit dem stetig wachsenden offenen Welthandel (beispiels-
weise die Einigung am 28. Juni 2019 zwischen MERCOSUR und der EU über einen Handelsvertrag)
sollen Initiativen, in den jeweiligen internationalen Verträgen, ergriffen werden. In den Verträgen
sollen Standards zur Erreichung von Nachhaltigkeit und zum Schutz von Kleinbauern und Kleinbäu-
erinnen fest verankert werden. Wie bereits erwähnt sollte auch der Staat handeln, um seinem Volk
Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Durch die Unterstützung von Kleinbauern und Kleinbäue-
rinnen kann gegen die Ernährungsunsicherheit angekämpft werden. Beispielweise kann die Politik
durch die Bezahlung von Ökosystemdienstleistungen den biologischen Anbau und die Reduktion
von Monokulturen unterstützen. Unter Ökosystemdienstleistungen wird das Bereitstellen von gefil-
tertem Wasser zur Bewässerung der Anbauflächen verstanden. Dies sind nur einige Handlungen
die Kleinbauern und Kleinbäuerinnen schützen und unterstützen.

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Inhaltsverzeichnis

1.   Einleitung .................................................................................................................................8

2.   Definition Kleinbauern und Kleinbäuerinnen ...........................................................................10

3.   Definition Agrarökologie .........................................................................................................12

4.   Das Leben der Menschen in Bolivien .....................................................................................14

     4.1.      Soziokulturelle und ökonomische Charakteristiken ......................................................14

     4.2.      Ernährungssicherheit ...................................................................................................14

     4.3.      Landwirtschaftliche Charakteristiken ............................................................................16

               4.3.1.         Quinoa Produktionsbereiche .......................................................................17

     4.4.      Die Bedeutung von Quinoa für die Bevölkerung ..........................................................17

5.   Von der Subsistenz zum Exporteur ........................................................................................19

     5.1.      Folgen der Entwicklung zum Exporteur ........................................................................22

               5.1.1.         Die Auswirkung auf den Wohlstand .............................................................22

               5.1.2.         Die Auswirkung auf den Import....................................................................24

6.   Der Handel und deren Einflüsse .............................................................................................25

     6.1.      Der Exportboom...........................................................................................................25

     6.2.      Der Handelsweg – von Bolivien in die Welt ..................................................................27

               6.2.1.         Finanzierungsmöglichkeiten ........................................................................30

     6.3.      Die Macht der Weltkonzerne ........................................................................................31

     6.4.      Handelsabkommen ......................................................................................................33

               6.4.1.         Zölle und Zollbestimmungen .......................................................................34

               6.4.2.         Die Beziehung zur Europäischen Union ......................................................35

               6.4.3.         Die Beziehung zur USA ...............................................................................36

               6.4.4.         Die Beziehung mit der Schweiz ...................................................................37

               6.4.5.         Liberalisierung durch Mercosur und der EU ................................................38

7.   Politische Einflussnahme auf Exportwirtschaft ........................................................................40

     7.1.      Politische Grundlagen der Agrarpolitik .........................................................................40

     7.2.      Handelspolitik ..............................................................................................................41

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      7.3.      Die Rolle des Staatspräsidenten Evo Morales .............................................................41

8.    Projekte und Organisationen zur Unterstützung der Kleinbauern und Kleinbäuerinnen ..........43

      8.1.      Direktes Unterstützungsprogramm der bolivianischen Politik (CRIAR) .........................43

      8.2.      Genossenschaften .......................................................................................................44

                8.2.1.         Ein Genossenschaftsbeispiel anhand von Anapqui .....................................45

      8.3.      Private Organisationen ................................................................................................47

      8.4.      Unterstützung der Schweiz ..........................................................................................48

9.    Zukunftsaussichten – Fluch oder Segen.................................................................................51

10. Handlungsempfehlungen........................................................................................................53

      10.1. Mögliche Handlungen und Interventionen ....................................................................55

                10.1.1.        Zugang zum Export für Kleinbauern und Kleinbäuerinnen ...........................55

                10.1.2.        Liberalisierung des Weltmarktes..................................................................57

                10.1.3.        Politische Herausforderungen .....................................................................58

                10.1.4.        Diverse Handlungsempfehlungen................................................................60

11. Schlusswort ............................................................................................................................62

Literaturverzeichnis .......................................................................................................................64

Abbildungsverzeichnis ...................................................................................................................76

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1.       Einleitung

Das Inkakorn Quinoa hat sich in den letzten Jahren zum absoluten Superfood entwickelt. Das Trend-
korn stammte ursprünglich aus Südamerika und wird vor allem in Bolivien und Peru produziert
(Meadows, 2017). Zur Verdeutlichung wurde im Jahr 2008 über 92 Prozent der weltweiten Quinoa-
produktion durch Bolivien und Peru abgedeckt (FAO, o. J.). Durch den wachsenden Boom stieg
auch die weltweite Nachfrage, welche im Jahr 2013 ihren Höhepunkt fand. Im Jahr 2013 bezeichnete
die UNO (Vereinte Nationen), auf Bestreben des Staatspräsidenten Evo Morales von Bolivien, als
das internationale Jahr der Quinoa (Hoffmann, 2019). Durch die weltweite Nachfrage stieg ab dem
Jahr 2006 bis ins Jahr 2014 auch der Marktpreis, welcher einen positiven Einfluss auf das Einkom-
men der bäuerlichen Bevölkerung sowie auf die Gesamtwirtschaft hatte. Die Bauern und Bäuerinnen
konnten sich dadurch vermehrt Luxusgüter und Lebensmittel wie Fleisch und Gemüse leisten (Diaz,
2015, S. 8). Der Preis verfiel jedoch zu Anbeginn des Jahres 2015, was grosse Konsequenzen für
die Kleinbauern und Kleinbäuerinnen hatte. So konnte sich ein Bauer oder eine Bäuerin im Jahr
2013 ein Auto kaufen, wohingegen sie im Jahr 2015/2016 kaum noch das Benzin bezahlen konnten
(Ismar, 2017). Dieses Beispiel verdeutlicht, was für einen Einfluss der Superfood Quinoa auf die
kleinbäuerliche Bevölkerung hat sowie den Einfluss eines Trendkorns auf das Wirtschaftssystem in
Bolivien. Bis anhin wurde meist im Bereich Entwicklung, Umwelt und Ethik geforscht. Diese Arbeit
verfolgt das Ziel die Fragestellung, was für Auswirkungen der Exportboom auf die Landwirtschaft
und den Handel in Bolivien hat, beantworten zu können. Zudem konzentriert sich die Arbeit auf die
Kleinbauern und Kleinbäuerinnen. Themen wie das Leben in Bolivien ist, welche Bedeutung Quinoa
für die Bevölkerung hat, wie sie in die Wertschöpfungskette des Quinoahandels eingebunden sind,
sowie Projekte und Organisationen, welche die kleinbäuerliche Bevölkerung in diesem Wirtschafts-
system unterstützen sollen, werden in dieser Bachelorthesis behandelt. Zu erwähnen ist, dass sich
diese wissenschaftliche Arbeit primär auf die ökonomischen Komponenten (Veränderungen, Aus-
wirkungen) konzentriert. Die ökologischen Auswirkungen werden erwähnt, aber nicht genauer un-
tersucht. Ebenfalls liegt beim Handel mit Quinoa der Fokus auf Bolivien. So werden Peru und andere
Länder nur im wirtschaftlichen Zusammenhang mit Bolivien erwähnt. Die Analysen beruhen auf ver-
schiedenen literaturbasierten Quellen, fachmännischen Auskünfte der einzelnen Autoren und Auto-
rinnen sowie Unternehmen und Behörden, welche direkt oder indirekt mit dem Quinoahandel in Bo-
livien zu tun haben. Ebenfalls bestehen vor allem die Handlungsempfehlungen aus eigenen Ein-
schätzungen der Autorinnen, welche sie aus den literaturbasierten Recherchen ableiten konnten. Zu
Beginn dieser Bachelorthesis werden zwei grundlegende Begriffe wie die bereits erwähnten Klein-
bauern und Kleinbäuerinnen und die Agrarökologie definiert. Folgend wird auf das Leben der Men-
schen in Bolivien sowie auf den Stellenwert von Quinoa näher eingegangen. Danach werden die
Folgen der Entwicklung zum Exporteur aufgezeigt. Nachdem folgt das Kapitel der Handel und deren

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Einflüsse. Unter anderem wird in diesem Kapitel der Handelsweg – von Bolivien in die Welt aufge-
zeigt, ob überhaupt und wie weit Konzerne und Unternehmen in den Quinoahandel vorgedrungen
sind und wie sich der Export in der Landwirtschaft entwickelt hat. Zudem wird auf die Handelsab-
kommen eingegangen. Nachfolgend wird im Kapitel 7. der politische Einfluss beschrieben. Zudem
werden im folgenden Kapitel wesentliche Organisationen und Projekte vorgestellt. Die Zukunftsaus-
sichten im 9. Kapitel sollen aufzeigen, wie sich der Trend nach Einschätzungen von Experten ent-
wickeln wird. Abschliessend werden Handlungsempfehlungen abgegeben, inwiefern sich einzelne
Teilnehmer (Staat, Finanzinstitute) verhalten sollen, um den Kleinbauern und Kleinbäuerinnen eine
optimale Unterstützung zu bieten.

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2.         Definition Kleinbauern und Kleinbäuerinnen

Es leben weltweit 1.5 Milliarden Menschen in kleinbäuerlichen Verhältnissen. Eine einheitliche Defi-
nition, was unter einem Kleinbauern oder einer Kleinbäuerin verstanden wird, existiert jedoch nicht.
Die Messung des Landbesitzes zur Bestimmung eines Kleinbauern oder einer Kleinbäuerin kann
aufgrund der Grösse des Landes, wie in Abbildung 2 ersichtlich, irreführend sein. Zudem besteht
keine Relation zwischen der Landesfläche und der durchschnittlichen Bauernhofgrösse. So kann
beispielsweise ein Bauernhof in Brasilien mit 200 Hektar Fläche als Kleinbauer und Kleinbäuerin
angesehen werden, obwohl die durchschnittliche Grösse 63 Hektar beträgt (Beutler, 2017). Da die
Definition von agrarökologischen, technologischen, ökonomischen und demographischen Faktoren
abhängig ist, wird in diesem Abschnitt der Begriff Kleinbauer und Kleinbäuerin geltend für diese
Bachelorarbeit kurz festgehalten.

 Land                                    Landesfläche                           Ø Bauernhofgrösse
 Bolivien                                1.098 Millionen km²                    1,1 ha
 Peru                                    1.285 Millionen km²                    1.85 ha
 Europäische Union                       4.5 Millionen km²                      12.6 ha
 Schweiz                                 41’285 km2                             20.0 ha
 Brasilien                               8.514 Millionen km²                    63.0 ha
 USA                                     9.826 Millionen km²                    169 ha
 China                                   9.596 Millionen km²                    0.78 ha
Abb. 2 Eigendarstellung der ø Bauernhofgrösse von ein paar auserwählten Ländern (Gollin, 2018, S. 13), (Bento de
Souza Ferreira Filho, 2016), (Scroccob & Pisania, 2016), (EDA Präsenz Schweiz, 2017), (Bundeszentrale für politische
Bildung, 2018), (Lexas, 2019), (OECD Food and Agricultural Reviews , 2018)

In der Schweiz kann man grundsätzlich davon ausgehen, dass die Anbaufläche durchschnittlich 20
Hektar misst. Liegen die Bauern und Bäuerinnen unter diesem Mittelwert, werden sie als Kleinbau-
ern und Kleinbäuerinnen definiert (B. Küttel, persönliche Kommunikation, 24. April 2019). Im Ver-
gleich zu Bauern und Bäuerinnen in Lateinamerika gibt es in der Schweiz nur Kleinbauern und Klein-
bäuerinnen. In Bolivien bewirtschaftet ein Kleinbauer und eine Kleinbäuerin im Durchschnitt 0.89
Hektar Land (Rapsomanikis, 2015, S. 5). Gesamthaft betrachtet hat ein durchschnittlicher Bauernhof
eine Landfläche von 1.1 Hektar. Es gibt total 0.65 Millionen Kleinbauernhöfe und 0.3 Millionen an-
dere Bauernhöfe (Rapsomanikis, 2016, S. 244, 245).

Die Definition zur Bestimmung eines Kleinbauern und einer Kleinbäuerin hängt im Allgemeinen nicht
von der Grösse des landwirtschaftlichen Besitzes ab. Auch materielle und immaterielle Faktoren
haben einen Einfluss. Zum Beispiel haben sie einen eingeschränkten Zugang zur Ausrüstung, Inf-
rastruktur und sozialen Dienstleistungen, welche wiederum einen negativen Einfluss haben bzw. die
Produktivität verringern. Deshalb werden oftmals zusätzliche Off-Farm-Tätigkeiten ausgeübt. Dieser

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eingeschränkte Zugang zu den erwähnten Produktionsfaktoren lässt sich durch fehlendes Kapital
und/oder fehlendes Angebot erklären (Beutler, 2017). Kleinbauern und Kleinbäuerinnen üben bäu-
erliche Landwirtschaft aus und deren Bauernhöfe gelten meistens als subsistenzwirtschaftliche Be-
triebe. Nach der Meinung von Ploeg, Professor für ländliche Soziologie, befindet sich die heutige
Bauernschaft in einer «Grauzone» zwischen unternehmerischer und Subsistenzwirtschaft (siehe Ka-
pitel 5 Von der Subsistenz zum Exporteur) (Tschopp, o. J.).

Zudem ist zu erwähnen, dass Kleinbauern und Kleinbäuerinnen keinen oder einen schlechten Zu-
gang zum Exportmarkt haben (P. Fuhrimann, persönliche Kommunikation, 12.05.2019).

Die Situation in der Schweizer Landwirtschaft zeigt, dass die Bauern und Bäuerinnen einen besse-
ren Zugang zu Produktionsfaktoren haben als im Ausland, auch wenn sie als Kleinbauern und Klein-
bäuerinnen definiert werden. Dennoch sind sie meist in finanzieller Notlage und auf Subventionen
angewiesen (Landwirtschaftsverlag GmbH , 2015).

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3.            Definition Agrarökologie

Die Agrarökologie ist ein wissenschaftlich fundiertes Konzept1, das den Schwerpunkt auf Agraröko-
systeme, auf die Ernährungssicherheit und auf das Menschenrecht der angemessenen Nahrung
setzt (von Massenbach, 2019, S. 5). Die Agrarökologie hält Prinzipien d.h. Richtlinien fest, welche
die alternativen Agrar- und Ernährungssystemen unterstützen sollen. Da die Agrarökosysteme län-
derspezifisch sehr unterschiedlich und komplex sind, ist ein vordefinierter Transformationsprozess
nicht möglich. Die Transformationsprozesse basieren auf einem Bottom-up Ansatz. Das bedeutet,
dass die Bauern und Bäuerinnen, lokale Bevölkerung, Verarbeiter und Verarbeiterinnen sowie Ver-
markter und Vermarkterinnen die Veränderungen selber gestalten können, unabhängig des Staates,
der Organisationen und Unternehmen (von Massenbach, 2019, S. 5). Zur Unterstützung der Ag-
rarökologie, sollten die heutigen verfehlten Agrar-, Handels-, Forschungs- und Subventionspolitiken
schnellstmöglich geändert werden (von Massenbach, 2019, S. 4). Ziel der Agrarökologie ist ein har-
monischer Einklang zwischen dem Menschen, den Tieren und der Natur. Zudem fördert das Konzept
eine ganzheitliche Wechselwirkung der einzelnen Sphären und nutzt Synergieeffekte.

Soziokulturelle Sphäre

Die Agrarökologie fördert die Selbstregulierungskräfte des Bodens. Dadurch müssen weniger künst-
liche Pestizidmittel eingesetzt werden, welche die Landwirte und Landwirtinnen unabhängiger von
externen Betriebsmitteln und somit von den Unternehmen/Konzernen macht (von Massenbach,
2019, S. 6). Durch Verkürzung von Transportwegen und Förderung von Stadt-Landverbindungen
können neue Beziehungsnetze zwischen Landwirten und Landwirtinnen, Händler und Händlerinnen
und Konsumenten und Konsumentinnen entstehen. Dies unterstützt ein lokaler und vielfältiger
Markt.

Die Agrarökologie fordert auch einen Schutz für kollektive Besitz- und Bewirtschaftungsformen, um
den Bauern und Bäuerinnen, Hirten und Hirtinnen, indigenen Gesellschaften und ländlichen Ge-
meinden ihre Unabhängigkeit über die Ökosysteme zu gewährleisten und somit ebenso die Autono-
mie der Erzeuger und Erzeugerinnen gegenüber den Grosskonzernen zu stärken. Durch neuorga-
nisierte Anbausysteme sind die Bauern und Bäuerinnen anpassungsfähiger gegenüber Krisen wie
dem Klimawandel oder Preisschwankungen.

Ebenso relevant ist die Gleichberechtigung der Geschlechter, auf welche auch die Politik einen star-
ken Einfluss hat. Mit der Gleichberechtigung soll sichergestellt werden, dass sowohl Mann als auch
Frau gleiche Entwicklungsmöglichkeiten haben, das bedeutet Zugang zur Bildung und agrarökolo-
gischer Beratung (von Massenbach, 2019, S. 6).

1   Ein klar definierter Plan, der länderspezifisch angepasst wird.

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Ökonomische Sphäre

Der Aufbau von Beziehungsnetzen zwischen den Erzeugern und Erzeugerinnen und Verbraucher
und Verbraucherinnen sowie kurze Transportwege zum Markt fördern eine faire, kurze Vermarktung
und gerechte Entlohnung. Durch die Diversifizierung von landwirtschaftlichem Einkommen sind die
Bauern und Bäuerinnen autonomer und auch widerstandsfähiger gegenüber der Gesamtwirtschaft.
Dies wiederum macht die lokalen Märkte leistungsfähiger und unterstützt die Idealvorstellung einer
solidarischen und sozialen Wirtschaft (Delvaux, 2018).

Ökologische Sphäre

Die Agrarökologie setzt auf einen ökologischen Landbau, welcher die Vielfalt im Boden, das heisst
die Bodenfruchtbarkeit bewahren sollte (von Massenbach, 2019, S. 5). Durch die Verbesserung der
Bodenqualität, kann der Boden Treibhausemissionen besser speichern und somit verringern. Das
kommt wiederum dem Klimawandel zugute.

Ebenso wird die Artenvielfalt gefördert, Pflanzen sowie Tiere werden als Ökosystem verstanden und
akzeptiert. Durch die neu gewonnene Biodiversität wird das Risiko von Schädlingen und Krankheiten
reduziert und wie bereits in der soziokulturellen Sphäre erwähnt, werden die Selbstregulierungs-
kräfte gestärkt (von Massenbach, 2019, S. 6).

Durch die Förderung eines lokalen Marktes und die kurzen Transportwege, wird die Umwelt durch
die Reduktion von Emissionen geschont.

Politische Sphäre

Durch den Aufbau von Netzwerken wie beispielsweise Bauernorganisationen kann Einfluss auf die
Politik ausgeübt werden (von Massenbach, 2019, S. 7). Die gewonnene Beteiligung hilft zudem den
Bauern und Bäuerinnen die Kontrolle über ihr Land und ihre Territorien zu behalten (Delvaux, 2018).

Die Agrarökologie benötigt ebenso die Unterstützung der Politik durch Schaffung von politischen
Rahmenbedingungen und Förderung der bäuerlichen Vermarktung und Diversifizierung sowie Un-
terstützung durch Subventionsbeiträge (Delvaux, 2018).

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4.         Das Leben der Menschen in Bolivien

4.1.       Soziokulturelle und ökonomische Charakteristiken
Bolivien wird im Jahr 2017 als mittelständiges Land mit einem HDI2 von 0.693 eingestuft, und besetzt
somit den Platz 118 von 188 erfassten Ländern. Die Schweiz im Gegensatz liegt auf Platz 2 mit
einem HDI von 0.944 und wird somit als sehr hoch entwickeltes Land angesehen (UNDP, 2018, S.
22, 24). Im Jahr 2011 lag der HDI noch bei 0.663, wobei 60 Prozent der Bevölkerung unter der
nationalen Armutsgrenze lebten (UNDP, 2011, S. 143 & 150). Heute sind es noch 39.5 Prozent,
jedoch hat Bolivien immer noch die höchste Armutsgrenze in Südamerika (UNDP, 2018, S. 42). Dies
führt auch dazu, dass die Vermögensverteilung in Bolivien im Ungleichgewicht ist. Der Gini-Koeffi-
zient lag im Jahr 2010 bei 57.3 und im Jahr 2018 bei 44.60. Eine Verbesserung ist ganz klar zu
erkennen, optimal ist die Vermögensverteilung aber nicht. Zur Verdeutlichung liegt der Gini-Koeffi-
zient bei 0 ist die Vermögensverteilung perfekt ausgeglichen und bei maximal 100 sehr unausgegli-
chen. Die Berechnung des Gini-Koeffizienten geht aus der so genannten Lorenzkurve hervor. Aus
der Lorenzkurve lässt sich ablesen, wie das Gesamtvermögen einer Volkswirtschaft auf einen be-
stimmten Anteil der Bevölkerung entfällt (z.B. 90 Prozent des Einkommens fallen auf zehn Prozent
der Bevölkerung etc.) (UNDP, 2011, S. 136; UNDP, 2018, S. 32).

In einem Land, das früher durch eine hohe Ungleichheit in der Einkommens- und Vermögensvertei-
lung geprägt war, haben hohe Rohstoffpreise kombiniert mit entsprechender Regierungspolitik zu
wesentlichen Verbesserungen geführt. Das Wirtschaftswachstum entwickelte sich in der Zeit von
2006 – 2015 positiv und stieg um fünf Prozent pro Jahr. Ein Grund für das positive Wachstum in
diesem Zeitraum ist zum Beispiel die Preisentwicklung von Erdöl und Rohstoffen und das hohe Ex-
portvolumen auf dem Weltmarkt. Dies zeigte sich auch in der positiven Haushalts- und Aussenhan-
delsbilanz. Jedoch ist davon auszugehen, dass die Entwicklung in den kommenden Jahren zu nied-
rigeren Wachstumsraten führen wird. Die zweite Hälfte des Jahres 2015 zeigte einige Schwächen
in der bolivianischen Wirtschaft. Dies als Folge des im Jahr 2014 eingetretenen Rohstoffpreisver-
falls. Im selben Jahr schliesst Bolivien mit einem Haushaltsdefizit von 3.4 Prozent des BIP ab
(Hoffmann, 2019).

4.2.       Ernährungssicherheit
Wie im obenstehenden Abschnitt erwähnt wurde, hat sich die Einkommens- und Vermögensvertei-
lung der Bevölkerung in Bolivien verbessert. Ebenfalls hat sich das Wirtschaftswachstum seit 2006

2 Der «Human Development Index» ist ein zusammenfassendes Mass für die durchschnittliche Leistung in Schlüsseldi-
mensionen der menschlichen Entwicklung: ein langes und gesundes Leben, Bildung und einen angemessenen Lebens-
standard. Der HDI ist das geometrische Mittel der normalisierten Indizes für jede der drei Dimensionen (UNDP, 2018).

                                                                                               Seite 14 / 77
Die Karriere des Inkakorns

bis 2015 positiv entwickelt. Wird dadurch der Zugang zu Lebensmitteln in der Bevölkerung erleich-
tert? Im folgenden Abschnitt wird vertieft auf die Ernährungssicherheit eingegangen.

Ernährungssicherheit ist gegeben, wenn alle Menschen jederzeit physischen, sozialen und wirt-
schaftlichen Zugang zu ausreichenden, sicheren und nahrhaften Lebensmitteln haben, um ihre Er-
nährungsbedürfnisse und Nahrungspräferenzen für ein aktives und gesundes Leben befriedigen zu
können. Die vier Säulen der Nahrungsmittelsicherheit sind Verfügbarkeit, Zugang, Nutzung und Sta-
bilität (CFS (Committee on World Food Security), 2009, S. 1).

Wie sieht die Ernährungssicherheit in Bolivien aus?

Auch wenn Bolivien in den letzten zehn Jahren erhebliche Fortschritte in Bezug auf die wirtschaftli-
che und soziale Entwicklung erzielt hat, bleibt es das zweitärmste Land Südamerikas und steht vor
einer Reihe von ernährungsbedingten Herausforderungen wie hohe chronische Unterernährung in
ländlichen Gebieten, zunehmendem Übergewicht und Fettleibigkeit, insbesondere bei Frauen, sowie
eine alarmierende Kinderanämie3. Diese Krankheiten und Fehlernährungen lassen sich dadurch er-
klären, dass mehr als die Hälfte der bolivianischen Bevölkerung (total ca. 11 Millionen) in ländlichen
Gemeinschaften leben. Zudem werden den Bürgern und Bürgerinnen in ländlichen Gemeinden kein
Zugang zu einer Vielzahl von Ressourcen gewährt, beispielsweise zu Nahrungsmitteln, Wasser und
Infrastruktur. Zur Verdeutlichung 75 Prozent der bolivianischen Bevölkerung haben keinen regel-
mässigen Zugang zu Nahrungsmitteln. Dieser fehlende Zugang ist die Hauptursache für die Ernäh-
rungsunsicherheit in Bolivien. Die Landbevölkerung ist stark von der Landwirtschaft abhängig und
versorgt sich meistens selbst mit Nahrungsmitteln. Viele Bauern und Bäuerinnen besitzen kleine
Grundstücke, die kaum oder gar keinen Zugang zur Infrastruktur oder anderen Nahrungsquellen
haben. Häufige Naturkatastrophen können die Landwirtschaft zu einer unzuverlässigen Einkom-
mensquelle machen. So verdienen knapp zwei Drittel der Haushalte nicht genug Geld, um sich eine
ausreichende Menge an Lebensmittel leisten zu können. Dies hat zur Folge, dass die Haushalte
nicht in der Lage sind die Mindestkalorienaufnahme für ein gesundes Leben aufzubringen. Folglich
leiden ca. 60 Prozent der Kinder an Unterernährung. Viele arme Familien ernähren sich ebenso
unzureichend mit billigen Kohlenhydraten wie Reis oder Mais. Der Hunger in Bolivien hat nicht nur
einen Einfluss auf das körperliche Wohlbefinden der Kinder sondern auch auf deren Leistungsfähig-
keit in der Schule (Quelle, 2018).

Um die Ernährungssicherheit zu erreichen/stabilisieren und das Recht auf Nahrung zu realisieren ist
die Grundvoraussetzung die Ernährungssouveränität (La Via Campesina, 1996, S. 1). Die

3 tritt bei einem Mangel an roten Blutkörperchen (Erythrozyten) ein. Dies kann zu gesundheitlichen Problemen führen, da
Hämoglobin ein eisenhaltiges Protein ist, das den eingeatmeten Sauerstoff in den gesamten Körper transportiert
(kinderblutkrankheiten.de, 2019).

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Die Karriere des Inkakorns

Grundsätze der Ernährungssouveränität sind der Agrarökologie gleichzusetzen, daher werden sie
in dieser Arbeit nicht weiter ausgeführt. Für weitere Informationen siehe Kapitel 3. Definition Ag-
rarökologie.

Mit dem politischen Umbruch im Jahr 2009, den die Regierung als cambio bezeichnet, wurde eine
neue Verfassung juristisch verankert und der Staat offiziell als plurinationaler Staat Bolivien bezeich-
net. Der plurinationale Staat anerkennt die Existenz mehrerer ethnischer Identitäten innerhalb seiner
Grenzen und deren Unterschiedlichkeit institutionell. Er spricht einzelnen ethnischen Gruppen poli-
tische Rechte sowie Autonomie in Bezug auf ein bestimmtes Territorium zu, wodurch diese zu Nati-
onen werden. Verbunden sind die einzelnen Nationen durch die gemeinsame Staatsbürgerschaft
(Olivia, 2019). In den Artikeln 255, 309, 405 und 407 der Verfassung wurde die Verwirklichung von
Ernährungssicherheit mit Ernährungssouveränität für das bolivianische Volk verfasst (Sinuraya, et
al., 2017, S. 101).

4.3.      Landwirtschaftliche Charakteristiken
                                     Bolivien ist mit einer Fläche von 1’098’580 km2 das 28. grösste
                                     Land der Welt. Das Land lässt sich in drei topografische Grossre-
                                     gionen unterteilen. Dazu zählt das Andenhochland mit dem Al-
                                     tiplano und den Andenketten, die innerandinen Trockentäler und
                                     Yungas sowie das im Nordosten Boliviens gelegene Tiefland, wel-
                                     ches rund zwei Drittel der Landesfläche ausmacht (Hoffmann,
                                     2019).

                                     Von der FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der
                                     Vereinten Nationen) im Jahr 2016 geschätzt beträgt die landwirt-
Abb. 3 Topografische Grossregionen   schaftliche Nutzfläche 37'685'000 km2 und die Waldfläche
Bolivien (Hoffmann, 2019)
                                     54'475'000 km2 (FAO, 2016).

Zirka 2.8 Millionen Menschen leben auf Kleinbauernhöfe, und pflanzen mehr als 13 Kulturen an. Die
Kartoffeln, das traditionelle Grundnahrungsmittel des Landes, machen fast die Hälfte der gesamten
Haushaltsproduktion aus. Das Hauptgetreide Mais deckt 17 Prozent ab. Kleinbauern und Kleinbäu-
erinnen produzieren jedoch auch anderen Getreidearten wie beispielsweise Reis, Gerste, Weizen
und Quinoa sowie Gemüse, Hülsenfrüchte und Obst (Rapsomanikis, 2015, S. 6-8). 83 Prozent der
Kleinbauern und Kleinbäuerinnen gelten als arm (Rapsomanikis, 2015, S. 22). Wohingegen interes-
santerweise die Hektarertragskraft bei Kleinbauern und Kleinbäuerinnen höher ist als bei anderen
Bauern und Bäuerinnen (Rapsomanikis, 2015, S. 11).

                                                                                    Seite 16 / 77
Die Karriere des Inkakorns

4.3.1.    Quinoa Produktionsbereiche
                                              Das Hauptproduktionsgebiet des Landes ist das Al-
                                              tiplano. Im südlichen Teil dieses Plateaus werden
                                              grosse Flächen für den Export angebaut, da aufgrund
                                              agroökologischer Bedingungen der Anbau anderer
                                              Kulturen unmöglich ist. Unter agroökologischen Be-
                                              dingungen ist beispielsweise der geringe Sauerstoff-
                                              anteil in den Berghöhen gemeint. Die grössten An-
                                              bauflächen befinden sich jedoch im zentralen Al-
                                              tiplano. Wohingegen der nördliche Altiplano kleinere
                                              Anbauflächen mit größerer Kulturvielfalt aufweist.
                                              Weitere wichtige Expansionsgebiete sind die interin-
                                              dischen Täler, in denen der Boden fruchtbarer ist und
Abb. 4 Quinoa-Anbaugebiete in Bolivien
(Gandarillas, 2015, S. 353)                   bessere Ernten erzielt werden können. Ein neueres
Interessensgebiet für den Quinoa-Anbau ist die aride und semiaride Puna. Ein weiteres Gebiet sind
die östlichen Ebenen (Gandarillas, 2015, S. 352). Wer dieses neue Interessensgebiet für sich ent-
deckt und beansprucht hat, ebenso wie man auf das neue Gebiet aufmerksam wurde, konnte nicht
herausgefunden werden. Welche landwirtschaftlichen Produkte durch die Quinoa verdrängt wurden
und wie die Landverteilung in Bolivien geregelt ist, wird in dem Kapitel 6.3. Die Macht der Weltkon-
zerne erläutert.

4.4.      Die Bedeutung von Quinoa für die Bevölkerung
Wie der vorangegangene Abschnitt erklärt, wird die Quinoa auf grossen Flächen im Altiplano für den
Export angebaut. Die Exportwirtschaft hat weitreichende Folgen für die Bevölkerung. Nach der Mei-
nung des Experten Wilfried Bommert vom Institut für Welternährung, muss die Bevölkerung aufgrund
des hohen Preises, ausgelöst durch die Exportwirtschaft, ihr Grundnahrungsmittel auf Reis oder
Mais wechseln. Diese Nahrungsmittel decken jedoch nicht die ernährungsphysiologische Bandbreite
der Quinoa ab. Die Folgen daraus können Mangel- und Fehlernährung sein, was, wie bereits er-
wähnt, die Ernährungssicherheit gefährdet (Hartmann, 2014).

Doch wie sehen dies die Bauern und Bäuerinnen in Bolivien? Ist effektiv eine Umstellung der
Grundernährung sichtbar? War die Bedeutung im letzten Jahrhundert noch anders?

Wie Katharina Hager in ihrer Masterarbeit "vom Arme-Leute-Essen zum andinen Superfood" berich-
tete, spielte das Nahrungsmittel Quinoa für die bolivianische Bevölkerung bis in die 1990er Jahre
eine nebensächliche Rolle. In den Städten wurde es sogar als Essen für die Armen assoziiert

                                                                                 Seite 17 / 77
Die Karriere des Inkakorns

(Hager, 2017, S. 19). Diese Assoziation wertete das Nahrungsmittel Quinoa ab und übertrug sich
auf die indigene Bevölkerung. Als Folge sahen diese die Quinoa ebenfalls als Armen-Essen an und
bevorzugten bis ins späte 20. Jahrhundert importierte moderne Produkte (Hager, 2017, S. 18).

Die Organisation responsAbility berich-
                                                     Jährlicher Quinoakonsum pro
tete in ihrer Fallstudie, dass diverse Un-                    Kopf (2012)
tersuchungen darauf hindeuten, dass           2.5    2.37

das Nahrungsmittel Quinoa in der allge-         2
                                              1.5            1.15
meinen Ernährung der bolivianischen
                                                1
Bevölkerung keinen solchen hohen              0.5
                                                                    0.13   0.04   0.03      0.02    0.02
Stellenwert hat. Dies zeigt sich darin,         0

dass der Quinoaverbrauch in den An-
denregionen sehr überschaubar ist. Je-
doch ist der Pro-Kopf-Verbrauch von Abb. 5 Jährlicher Quinoakonsum pro Kopf in kg (2012) (Gandarillas,
                                             2015, S. 325)
0.35 kg im Jahr 2008 auf bis zu 2.00 kg
im Jahr 2014 angestiegen (Diaz, 2015, S. 8). Wie in Abbildung 5 ersichtlich, war der Konsum im
Jahr 2012 sogar bei 2.37 kg pro Kopf, was deutlich über dem internationalen Quinoakonsum liegt.
Ein Grund, weshalb der Konsum gestiegen ist, zeigt sich in der Tatsache, dass nicht die gesamte
Produktion von Quinoa die Anforderungen für den Export erfüllt (Diaz, 2015, S. 7). Zudem hat die
starke internationale Produktionsausweitung zu einer Ausweitung des lokalen Angebots geführt.
Ebenso wurde von den Produzenten erwähnt, dass sie zwar durch den Export weniger Mengen für
den Eigenkonsum haben, jedoch mehr Geld für gelegentliche Luxusgüter sowie Fleisch und Gemüse
(Diaz, 2015, S. 8).

Herr Fuhrimann von der swipala GmbH bestätigt die Aussage der Fallstudie von der Organisation
responsAbility, dass die Quinoa keine grosse Bedeutung für die Gesamtbevölkerung hat. Konkret
bedeutet dies, dass im Tiefland sogar keine Quinoa gegessen wird und in den Grossstädten wie La
Paz, Cochabamba, Santa Cruz ist es ein Nischenprodukt. Jedoch gilt es für die Produzenten der
Hochebene     Altiplano   als   Lebensgrundlage        (P.   Fuhrimann,    persönliche     Kommunikation,
12.05.2019). Dies ist auch das Gebiet, in welchem Quinoa angebaut wird (siehe Kapitel 4.3. Land-
wirtschaftliche Charakteristiken).

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Die Karriere des Inkakorns

5.       Von der Subsistenz zum Exporteur

Durch Veränderung des Statuswandels von Quinoa als Armen-Essen zum modischen internationa-
len Gourmetnahrungsmittel der urbanen Bevölkerung, veränderte sich die nationale und internatio-
nale Nachfrage (Hager, 2017, S. 51). Ebenso wurde die Quinoa in den 1980er Jahre für die Land-
wirtschaftsministerien von Peru und Bolivien interessant, da die Pflanze ein hohes Nährwertpoten-
zial hat. Daraufhin wurde mit Unterstützung der Entwicklungsprogramme der Europäischen Gemein-
schaft (EG), der vereinigten Staaten und der Weltbank, intensiv in Forschung und Entwicklung in-
vestiert. Nachdem die FAO die Quinoa im Jahr 1986 als strategisches Nahrungsmittel der Andenre-
gionen deklariert hatte, wurde über "das Korn des Inkas" national und international berichtet (Hager,
2017, S. 18). Das Pseudogetreide wurde als strategisches Nahrungsmittel definiert, da Quinoa ein
hohes Potential versprach, für die Ernährungssicherheit zu sorgen. Die Quinoa gilt laut den For-
schungen der FAO als sogenanntes «Qualitätsnahrungsmittel». Es enthält besondere Nährwertei-
genschaften und der Anbau ist relativ anspruchslos, z. B. braucht die Pflanze sehr wenig Wasser.
Der Quinoaanbau ist seither stark angestiegen. Zur Verdeutlichung wurden im Jahr 2002 überwie-
gend in den Andenregionen rund 80'000 Hektar für den Anbau von Quinoa verwendet. Als Haupt-
produzenten gelten Bolivien und Peru, sodass sie im Jahr 2008 über 92 Prozent der weltweiten
Quinoaproduktion abdeckten. Die restlichen acht Prozent wurden in Amerika, Ecuador, Argentinien
und Kanada produziert. Dies deckte jedoch die allgemeine Nachfrage der Bevölkerung nach Quinoa
in diesen Ländern nicht ab, so mussten sie gar von Bolivien und Peru importieren.

      Abb. 6 Entwicklung der Produktionsmenge und des Preises von Quinoa in den drei Hauptproduktionslän-
      der (FAO, 2019)

                                                                                           Seite 19 / 77
Die Karriere des Inkakorns

Dies wird im Kapitel «Der Exportboom» vertieft. Die Abbildung 6 zeigt einen leichten Rückgang der
Produktion im Jahr 2008. Dieser Rückgang lässt sich anhand von Umwelteinflüssen oder sonstigen
Einflüssen, die den Output verringert haben könnten, erklären. Folglich sind die Preise im Jahr 2009
gestiegen und haben sich kurz darauf wieder auf dem Vorjahrespreis stabilisiert. Da konkrete Infor-
mationen fehlen, basiert diese Erklärung nur auf Annahmen der Autorinnen. Im Jahr 2009 wurden
über 70'000 Tonnen Quinoa in den Andenregionen hergestellt (FAO, o. J.). Gemäss obenstehender
Grafik stieg das Angebot ab dem Jahr 2009 bis ins Jahr 2012 stetig weiter an (siehe Abbildung 6).
Dies ist auf die steigende internationale Nachfrage zurückzuführen, welche durch das zunehmende
Gesundheitsbewusstsein der Weltbevölkerung ausgelöst wurde (Diaz, 2015, S. 6). Trotz steigendem
Angebot produzierten rund 55‘000 Kleinbauern und Kleinbäuerinnen Quinoa hauptsächlich für den
Eigengebrauch, 13‘000 Kleinbauern und Kleinbäuerinnen zusätzlich noch für den Vertrieb und le-
diglich 2000 Kleinbauern und Kleinbäuerinnen produzieren Quinoa explizit für den Verkauf. Dabei
ist zu beachten, dass die Quinoa zum grössten Teil von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen produziert
wird. In Südamerika gibt es mindestens 130‘000 Kleinbauern und Kleinbäuerinnen, welche Quinoa
anpflanzen (Abbassian, 2013, S. 63-64).

                 Abb. 7 Entwicklung der Anbaufläche von Quinoa in Bolivien (FAO, 2019)

Durch die steigende Nachfrage, steigt auch das Interesse von Grossunternehmen und Konzerne.
Somit besteht die Gefahr, dass die Grossunternehmen/Konzerne das Geschäft der Kleinbauern
und Kleinbäuerinnen durch Landkauf übernehmen. Mehr dazu im Kapitel 6.3. Die Macht der Welt-
konzerne.

Das Jahr 2013 wurde von den Vereinigten Nationen (UNO) zum „Internationalen Jahr des Quinoas“
(IYQ) erklärt, in Anerkennung der indigenen Völker der Anden, die Quinoa als Nahrung für die heu-
tige Generation und deren Nachkommen erhalten und geschützt haben. Die Generalversammlung
der UNO wies in der Erklärung zum „Internationalen Jahr des Quinoas“ auf die ernährungs-

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Die Karriere des Inkakorns

physiologischen Eigenschaften und die Anpassungsfähigkeit des Quinoas an verschiedene ag-
rarökologische Bedingungen hin, sowie die Möglichkeit damit Hunger zu bekämpfen und die Ernäh-
rungssicherheit zu steigern (FAO, 2013). Die genauen sozioökologischen Auswirkungen des
Quinoa-Booms lassen sich, laut Maurice Tschopp, Sabin Bieri und Stephan Rist der Universität
Bern, schwer abschätzen (Tschopp, Bieri, & Rist, 2018, S. 402–427). Die Anbaufläche stieg, wie in
Abbildung 7 dargestellt, konstant an. Darunter litt vor allem die Viehhaltung. Unmengen von Weide-
land wurden für den Quinoaanbau in Ackerland umgewandelt. Dadurch gaben landwirtschaftliche
Erzeuger und Erzeugerinnen die Viehhaltung aufgrund des Mangels an vorhandenem Weideland
auf. Der Quinoa-Boom stellte viele Regionen vor grosse Herausforderungen, darunter zählen die
steigende Bodenerosion4 und Pestizidkontamination5. Trotz des hohen Anstiegs der Produktions-
menge, die sich seit dem Jahr 2006 bis 2014 mehr als verdoppelte, konnte das Angebot der hohen
Nachfrage nicht standhalten. Dabei ist zu beachten, dass 653'000 Kleinbauernhöfe (Total 0.63 Mil-
lionen) 85 Prozent des Lebensmittelbedarfs des Landes decken. Dieses strukturelle Ungleichge-
wicht führte zu hohen Preissteigerungen (Diaz, 2015, S. 6). Aber auch die Ankündigung des Inter-
nationalen Jahres der Quinoa im Jahr 2013 der Vereinten Nationen, trieb die Preise in die Höhe. In
dieser Zeitspanne wurde die Quinoa dadurch etwa viermal teurer als eine Tonne Weizen, Reis oder
Soja. Für die Bauern und Bäuerinnen war dieser Preisanstieg sehr lukrativ. So stieg der Anteil an
der weltweiten Produktion von Bolivien und Peru in dieser Zeit auf 95 Prozent an (Diaz, 2015, S. 6).
Kurz darauf entdeckten auch andere Länder das Potential der Quinoapflanze und stiegen in das
Geschäft ein. Im Jahr 2010 waren es total 40 Länder, die Quinoa anbauten und heute sind es über
100 Länder (Muzaffer, 2019). Hohe Preise zu verlangen ist für die Anbieter und Anbieterinnen zwar
verlockend, jedoch ist zu beachten, dass kurz darauf mit zunehmendem Wettbewerb um die Res-
sourcen wie Arbeitskräfte, Pestizide, Dünger und Maschinen, die Produktionskosten gestiegen sind
(Diaz, 2015, S. 6). Obwohl Quinoa ein anspruchsloses landwirtschaftliches Produkt ist, wurde uns
durch Herrn Fuhrimann der swipala GbmH mitgeteilt, dass Dünger und Pestizide lediglich für Regi-
onen unterhalb der Hochebene Altiplano eingesetzt werden (P. Fuhrimann, persönliche Kommuni-
kation, 12.07.2019). Die Autorinnen gehen davon aus, dass daher nur geringe Mengen eingesetzt
werden. Die Technologie konnte mit dem Wachstum nicht Schritt halten, insbesondere in Bezug auf
die Bewirtschaftung der Bewässerung, die Nutzung von Weiden und Futtermitteln sowie den ökolo-
gischen Pflanzenschutz. Der Rückgang des Angebots nach dem Jahr 2015 kann womöglich auch
auf die starke Dürre, verursacht durch das Wetterphänomen El Niño/La Niña und Effekte des Klima-
wandels zurückzuführen sein (Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten,
2017, S. 1). Im Vergleich zu anderen Bauern und Bäuerinnen in Bolivien ist bei Kleinbauern und

4 Abtrag von Bodenmaterial durch Wind und Wasser. Bodenerosion ist oft eine Folge von Bodenverdichtung
(Agrarbericht, 2018).
5 Verschmutzung, Verseuchung, Verunreinigung

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Kleinbäuerinnen die Produktivität pro Hektar grösser, jedoch nicht pro Kopf. Je mehr Familienmit-
glieder auf dem Bauernhof arbeiten desto niedriger ist die Pro-Kopf-Produktion und somit auch das
landwirtschaftliche Einkommen. Es wurde beobachtet, dass die Familienmitglieder eines Familien-
betriebes in ländlichen Gebieten meist überlastet werden, da gut bezahlte Möglichkeiten fehlen.
Durch die Überlastung sind auch die Löhne auf den Bauernhöfe niedrig. Dies widerspiegelt sich in
einem niedrigen Bildungsniveau. Auf Familienbetrieben arbeiten durchschnittlich 2.5 Personen pro
Hektar und auf grösseren Betrieben 0.1 Personen pro Hektar (Rapsomanikis, 2016, S. 247).

5.1.      Folgen der Entwicklung zum Exporteur

5.1.1.    Die Auswirkung auf den Wohlstand
                                             Wie im oberen Abschnitt erwähnt und in der Abbildung 6
                                             ersichtlich, ist der Preis für Quinoa sehr volatil. Die Studie
                                             der Organisation „International Trade Centre (ITC) kommt
                                             zum Schluss, dass die Bevölkerung in den Anden von ei-
                                             nem hohen Weltmarktpreis für Quinoa profitiert und nicht
                                             von einem niedrigen. Der Wohlstand der Haushalte in tra-
                                             ditionellen Anbaugebieten wie z. B. Altiplano, steigt und
                                             fällt mit den Preisen (Bellamare, Gitter, Kasterine,
                                             Obregon, & Zotz, 2016).

                                             In westlichen Ländern traten Befürchtungen auf, dass der
                                             rasche Preisanstieg den armen Anden-Bewohnern eher
Abb. 8 Mitglied der Genossenschaft Anapqui
(GEPA, o. J.)                                schadet als nützt, weil sie sich das traditionelle Nahrungs-
mittel selbst nicht mehr leisten könnten (öko-Test Magazin, 2017, p. 20). Gemäss den Erläuterungen
in Kapitel 4.4. ist dem jedoch nicht so. Aufgrund der höheren Konsumausgaben der Quinoabauern
und -bäuerinnen profitierten Kleinbauern und Kleinbäuerinnen, örtliche Gemeinden und Bewohner
der Quinoa-Regionen, welche selbst kein Quinoa anbauten (Bellamare, Gitter, Kasterine, Obregon,
& Zotz, 2016). Auch bemerkenswert ist, dass im Gegensatz zu den anderen landwirtschaftlichen
Produkten, wie z.B. Sojabohnen, zirka 60-70 Prozent der Gewinne des Quinoa-Exports direkt an die
Kleinbauern und Kleinbäuerinnen gehen. Im Jahr 2013 waren es über USD 100 Mio. (Gandarillas,
2015, S. 350). Die Forschungen von Bellemare und Co. haben gezeigt, dass während des Booms
von 2013, das Wohlbefinden von Quinoaproduzenten und Produzentinnen gestiegen ist. Ein Preis-
anstieg von zehn Prozent resultierte in einem Anstieg des Wohlstandes von durchschnittlich 0.7
Prozent. Diese Forschungen beziehen sich unter anderem auf den peruanischen Teil des Altiplanos

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Die Karriere des Inkakorns

(Bellamare, Gitter, Kasterine, Obregon, & Zotz, 2016, p. 13). Da das Altiplano Gebiet grösstenteils
zu Bolivien gehört, kann dieses Resultat gut für Bolivien adaptiert werden.

Bereits im Jahr 2015 ist der Preis wieder massiv gesunken, zurückzuführen auf die massive Pro-
duktionssteigerung. Daraufhin lagerten die Quinoaproduzenten- und produzentinnen die Quinoa ein,
in der Hoffnung eines Preisanstiegs. Bei einer solchen Reaktion der Bauern und Bäuerinnen ist die
Gefahr eines Preisrückgangs jedoch grösser und trat, wie in der Abbildung 6 ersichtlich ist, auch
tatsächlich ein (The Economist, 2016). Fast 70 Prozent der Einwohner und Einwohnerinnen des
bolivianischen Hochlandes – von denen die grosse Mehrheit amerindischer Herkunft ist – leben von
weniger als USD 1 pro Tag (Diaz, 2015, S. 7). Kleinbauern und Kleinbäuerinnen verdienten im Jahr
2014 ca. USD 4.3 pro Tag, wobei 25 Prozent der grösseren Bauernhöfe USD 5.6 pro Tag verdienen
(Rapsomanikis, 2016, S. 250). Für viele dieser Menschen ist Quinoa die wichtigste Einkommens-
quelle (Diaz, 2015, S. 7). Zu den Preisen im Jahr 2015 konnten Kleinbauer und Kleinbäuerinnen mit
einem Hektar Land einen jährlichen Reingewinn von USD 1‘470 bis 2‘780 erwirtschaften. Mit Fair-
Trade Quinoa konnte sogar fast das Doppelte erwirtschaftet werden (Diaz, 2015, S. 12) & (IBCE,
2013, S. 16). Mit einer Anbaufläche von zwei Hektaren können ein Kleinbauer und eine Kleinbäuerin
also fast das 1.5-Fache des jährlichen nationalen Mindestlohns erwirtschaften, der im Jahr USD
2014 bei 2‘500 lag (Diaz, 2015, S. 12). Daten bezüglich der Profitabilität sind für die heutige Zeit
nicht verfügbar. Im Jahr 2018 ist der jährliche nationale Mindestlohn auf über USD 3‘500 angestie-
gen (Trading Economics, 2019). In Relation mit den sinkenden Quinoapreisen ist davon auszuge-
hen, dass Quinoa nicht mehr gleich rentabel ist wie in den Jahren 2013/2014. Da die Autorinnen
keine Daten für Bolivien gefunden haben soll hier am Beispiel von Peru gezeigt werden, welchen
Einfluss sinkende Quinoapreise auf den Wohlstand von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen haben. In
Peru gingen in den Jahren 2014 und 2015, in denen die Preise um ca. 40 Prozent gesunken sind
die Einkommen in den traditionellen Anbaugebieten um fünf Prozent und die Ausgaben für Nahrung
um zehn Prozent zurück (Bellamare, Gitter, Kasterine, Obregon, & Zotz, 2016, p. 13). Zu beachten
ist, dass weiter fallende Preise zu einem Verdrängungswettbewerb führen können, den vermutlich
die traditionellen Quinoabauern und -bäuerinnen verlieren würden. Spricht man mit Importeuren,
welche Fair-Trade Quinoa beziehen, sieht die Profitabilität wieder etwas anders aus. Sowohl swipala
GmbH als auch die Fair-Trade-Label Max Havelaar & The Fair Trade Company (GEPA) welche
beide mit der Genossenschaft Anapqui zusammenarbeiten (mehr zu Anapqui im Kapitel 8.2.1. Ein
Genossenschaftsbeispiel anhand von Anapqui) sagen, dass die Preise für Kleinbauern und Klein-
bäuerinnen fair sind und somit für eine angemessene Lebensqualität sorgen (GEPA, o. J.) & (Max
Havelaar-Stiftung, 2019). Beispielsweise konnten konventionelle Kleinbauern und Kleinbäuerinnen
in Bolivien ihre Quinoa für weniger als 0,45 USD / kg verkauften, verkauften sie zertifizierte Bio-
Produkte erhielten sie USD 0,80 und für zertifizierten Fair-Trade sogar USD 1,30 (Globally Cool -

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International Business Made Easy, 2016, S. 16). Interessanterweise deckt die Bioquinoa 50 Prozent
des Welthandels ab. Fair-Trade Quinoa hingegen lediglich fünf Prozent (Globally Cool - International
Business Made Easy, 2016, S. 4). Laut Freek Jan Koekoek ist der Abwärtszyklus, der bereits 2014
begonnen hat, im Oktober 2018 zumindest vorübergehend zu Ende gegangen. Hauptgründe für den
Preisanstieg sind zum einen die geringere Ernte als erwartetet in Peru und zum anderen die chine-
sischen Kaufaktivitäten. Der Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Bolivien hat die
Erwartungen an die Chinesen Bioquinoa aus Bolivien zu kaufen, geweckt. China hat seinen Markt
für bolivianische Quinoa per Januar 2019 liberalisiert und chinesische Importeure haben in der Tat
begonnen, sowohl in Bolivien als auch in Peru Quinoa zu kaufen (Koekoek, 2019).

5.1.2.     Die Auswirkung auf den Import
Wie im Kapitel 5. Von der Subsistenz zum Exporteur erwähnt, stellte Quinoa einer der grössten
Exportgüter im Lebensmittelsektor dar. Nun stellt sich die Frage, ob mehr Lebensmittel importiert
werden müssen, wenn die Kleinbauern und Kleinbäuerinnen nicht mehr überwiegend für ihren Ei-
genbedarf produzieren.

Die Autorinnen konnten keinen direkten Zusammenhang zwischen der steigenden Importquote und
der Quinoa-Produktion herleiten. Wie aus der untenstehenden Tabelle ersichtlich ist, stiegen der
Warenexport sowie der Warenimport in Bolivien mit Ausnahme des Jahres 2016. Ein Grund für den
Rückgang der Warenexporte in diesem Jahr waren die sinkenden Rohstoffpreise (Eidgenössisches
Departement für auswärtige Angelegenheiten, 2017, S. 1). Die Importe beschränkten sich haupt-
sächlich auf Maschinen, Fahrzeuge, Eisen und Stahl, Kunststoffe und Kunststoffartikel sowie che-
mische Produkte (Workman, 2019).

Ebenfalls zu erwähnen ist, dass die Quinoa (siehe Kapitel 4.4 Die Bedeutung von Quinoa für die
Bevölkerung) nur einen hohen Stellenwert auf der Hochebene Altiplano hat. So gehen die Autorin-
nen davon aus, dass die Erhöhung der Exportmenge keine wesentliche Einschränkung auf die Er-
nährungsvielfalt für die bolivianische Bevölkerung bedeutet.

 Aussenhandel              2005           2010            2015            2016            2017            2018
 Einfuhr                    2.4             5.6            9.6             8.4             9.3            10.0
 Ausfuhr                    2.8             6.4            8.7             7.1             7.9                9.0
 Saldo                      0.4             0.8            -0.9            -1.3            -1.4           -1.0
Abb. 9 Entwicklung der Handelsbilanz von Agrarprodukten von Bolivien (2005 bis 2018) (Kusche, 2019, S. 3) &
(UNCTADSTAT, 2019)

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