FORSCHUNGS BERICHT CLUBKULTUR WIEN - Stefan Niederwieser Yasmin Vihaus gefördert durch
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VORWORT Alles, was an Clubkultur fad ist, in einem Text? Ja, das geht. Der Grund ist einfach. DJ-Sets, Partys und Clubveranstaltungen stehen nicht einfach über Nacht im Falter- Programm, sie werden von langer Hand vorbereitet und viel früher schon werden sie überhaupt möglich oder unmöglich gemacht. Es sind Gesetze, Genehmigungen, Abga- ben, Regeln und Vorschriften, die darüber bestimmen, was in Wien möglich ist. Ob man nun auf einem weißen Pferd in den Club einreitet, ob man um sieben Uhr in der Früh noch tanzt, wie lautstark es dann sein darf oder ob eine Razzia mit einer gepanzerten Ordnungsdiensteinheit das Ganze auflöst, wird nicht erst am Abend selbst entschieden. All das hängt auch von zuvorkommenden Beamt*innen ab, von ihren Ressourcen oder von jenen, die denken, sie müssten sich mit einer Aktion scharf bekannt machen. Und nicht zuletzt von den Diskussionen darüber, wie eine Stadt aussehen soll, in der wir leben wollen. Alles, was an Clubkultur fad ist, führt am Ende des Tages dazu, dass sie lebt. Oder dass sie stirbt. Kultur entsteht ganz generell nicht in einem luftleeren Raum. Wien hat sich seinen her- vorragenden Ruf erarbeitet. In der Stadt gibt es drei Häuser für Musiktheater, das größte Open Air der Welt, gut besuchte Festivals, große und kleine Bühnen mit erstklassigen Konzerten aus allen Genres. Wien ist tatsächlich eine Weltstadt der Musik. Nur das mit der Clubkultur hinkt, sie ist nicht wirklich der oberste Grund, warum Menschen nach Wien kommen. Das Zeug dazu hat sie. Es gab schon einmal Jahre, da sind viele Fans elektronischer Musik aus der Welt nach Wien gereist, um moderne Bars, innovative Fes- tivals oder gehypte Clubs zu erleben. Heute wird eher gesudert, die alten Locations wären nicht mehr das, was sie mal waren, und die wenigen neuen könnten sich nicht halten. Schuld sind Nachbarn, Inspektoren oder allerlei Spaßbremsen. Andere Städte haben die Lösung gefunden, allen voran jene, die für ihre Clubkultur bekannt sind. Sie haben einen Night Mayor installiert, eine Clubcommission oder eine Art Vereinte Nationen der Clubkultur. Damit würden sich Konflikte befrieden lassen. Sie schicken Disco-Blauhelme in die Nachbarschaft hinaus und halten Wache in der Nacht. So einfach ist es selbstverständlich nicht. Die Hoffnung aber lebt. 2 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
Denn Wien muss jünger, attraktiver und noch lebenswerter sein. Kann Clubkultur das überhaupt leisten? Wie sehen dort tatsächliche Probleme aus, wer redet mit, was macht das mit dem kulturellen Angebot und wie machen das andere Städte wie Berlin oder Amsterdam genau? Solche Fragen soll dieser Forschungsbericht beantworten. Sollte sich in Wien tatsächlich der Wille finden für ein solches Projekt, was braucht es außer- dem dazu, wie kann es gelingen? Dass sich die Stadt Wien solche Fragen nicht nur stellen lässt, sondern das auch noch fördert, ist nicht selbstverständlich. An dieser Stelle muss großer Dank an die Personen ergehen, die das ermöglicht haben. Das sind konkret Kulturstadträtin Veronica Kaup- Hasler mit ihrem gesamten Büro, außerdem der Kultursprecher der Wiener Grünen Martin Margulies sowie Alexander Ostleitner und die Kulturabteilung der Stadt Wien in Person von Patricio Canete-Schreger und Maria Müllner. Ganz unmöglich wäre dieser Forschungsbericht ohne Yasmin Vihaus gewesen. Sie hat auf einen angenehmen Sommer verzichtet und ihn stattdessen mit Analysen, Recherchen und Diskussionen über Methoden, Stakeholder und Formulierungen ver- bracht. Noch dazu musste sie unzureichendes Projektmanagement erdulden. Ich danke ihr aus ganzem Herzen für ertragreiche Diskussionen, für ihre Zielstrebigkeit und ihr Engagement, das über das Zumutbare weit hinausging. Der gesamte Forschungsbericht konnte außerdem durch das gründliche, ausführliche Feedback der folgenden Personen wesentlich verbessert werden: Magdalena Augus- tin, Martina Brunner, _willi hejda, jopa, Walter Gössinger, Tobias Kovar, Stefan Stürzer, Martin Wagner. Folgende Kapitel wurden darüber hinaus ausgearbeitet oder wesentlich gestaltet durch: Konkrete Issues - Tobias Kovar. Nutzen - Tobias Kovar. Tabelle Interna- tionaler Vergleich - Martina Brunner. Finanzierung - _willi hejda. Auch ihnen möchte ich für ihr unermüdliches Engagement danken. Außerdem möchte ich meinen Eltern danken. Stefan Niederwieser Wien, 22. September 2019 3 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
“Wenn ich jedes Mal warte, bis ich eine Betriebsanlagengenehmigung habe, kann ich zusperren, bevor ich aufsperr“, sagt ein Clubbetreiber über seine Erfahrungen mit Wiener Behörden. Er organisiert Ausstellungen, Partys oder Filmabende, er bietet Ateliers an und Raum für humanitäre Projekte. Clubkultur hat in Wien heute gleichermaßen kulturelle, wirtschaftliche und soziale Relevanz. Gleichzeitig tragen Betriebe ein hohes Risiko, es kommt immer wieder zu Schließungen, das künftige Rauchverbot und ein neues Veranstaltungsgesetz sorgen für Verunsicherung. Dieser Forschungsbericht untersucht deshalb Stärken und Schwächen von Wiens Clubkultur sowie die Rolle ihrer mehr als 50 Stakeholder. Erstmals kann ein systematischer Abriss der Probleme gegeben werden, mit denen EXECUTIVE SUMMARY Veranstalter*innen in Wien konfrontiert sind. Sie werden durch Auflagen und komplexe Verfahren belastet, Beratungen sind lückenhaft, Schallschutz stellt eine erhebliche Herausforderung dar und führt in der Szene zu Ungleichheit und Unsicherheit. Dabei hat die Clubkultur ein deutliches Potenzial zu wachsen, sie ist relevant für Wien als Musikstadt, für das kulturelle Leben, für hohe Lebensqualität und als Arbeitgeberin. Weltweit sind in über 40 Städten bereits Club Commissions oder Night Mayors tätig. Ein internationaler Vergleich untersucht deshalb erfolgreiche Modelle, insbesondere jene in Berlin und Amsterdam. Dort kommen Beratungen aus einer Hand, Lösungen werden mit Politik und Verwaltung erarbeitet. Heute gibt es dort weniger Lärmbeschwerden, Freiräume sind einfacher nutzbar, Standorte wurden gesichert. Zusätzlich lassen sich für Wien Konfliktlösungen ableiten, etwa zum Schutz von Nachbarn. Sollte Wien diesen Beispielen folgen und sich der politische Wille für eine Förderung durch die öffentliche Hand finden, so stellen Ziele, die sich evaluieren lassen, sicher, dass tatsächlich Wirkung erzielt wird. Diese Ziele klar abzugrenzen, Verantwortung und Prozesse zu definieren und zuletzt eine gründliche Personalauswahl, entschärfen dabei bedeutende Risiken. Vorerst wird eine Vereinsform empfohlen und zudem Beiräte, um Koordination mit Stakeholdern zu gewährleisten.
INHALT Executive Summary 4 Methodik 7 Ausgangssituation 8 SWOT Analyse 17 Stakeholder 19 Stakeholder Analyse 23 Konkrete Issues 25 Relevanz 30 Nutzen 32 Internationaler Vergleich 34 Potenzial 42 Konfliktlösung 44 Risikoanalyse 49 Hauptaufgaben 51 Arbeitspakete 52 Evaluierbare Projektziele 59 Rechtsform 60 Schnittstellen 67 Kommunikation 69 Finanzierung 73 Quellen 77 Endnoten 80 Anhang 86 5 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
ABKÜRZUNGS VERZEICHNIS AKM - Autoren, Komponisten, Musikverleger BKA - Bundeskanzleramt BMF - Bundesministerium für Finanzen BMI - Bundesministerium für Inneres BMVIT - Bundesministerium für Verkehr, Infrastruktur und Technologie IFT - Institut für Freizeit- und Tourismusforschung Österreich IGKW - IG Kultur Wien IMAS - Institut für Markt- und Sozialanalysen KIS - Kulturinfoservice der IG Kultur Wien MICA - Music Information Center Austria ÖPNV - Öffentlicher Personennahverkehr RIS - Rechtsinformationssystem SKE - Soziale und Kulturelle Einrichtungen SVA - Sozialversicherungsanstalt SWOT - Akronym für Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats VVAT - Veranstalterverband Österreich WKO - Wirtschaftskammer Österreich WKW - Wirtschaftskammer Wien 6 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
METHODIK Dieser Forschungsbericht untersucht Clubkultur in Wien, wie Städte international in diesem Bereich aktiv werden und wie vergleichbare Ziele in Wien erreicht werden können. Berichte und Studien zu diesen Themen gibt es in Österreich kaum, in Deutschland oder Großbritannien liegen hingegen einige Studien vor (siehe Quellen). Der Forschungsbericht beruht auf qualitativen und quantitativen Methoden. Für Stakeholder Analyse, Risikoanalyse oder SWOT Analyse wurde auf einschlägige Methoden zurückgegriffen. Die Methoden werden zu Beginn des jeweiligen Kapitels erläutert. Darüber hinaus beruht der Forschungsbericht auf auf über 30 Einzelinterviews mit Clubbetreiber*innen und Veranstalter*innen sowie mit Expert*innen, auf kollektiven Feedbackrunden, Rücksprachen mit entsprechenden Behörden (Primärdaten), auf Recherche von Rechtsgrundlagen, Artikeln, Statistiken und vorhandener Studien (Sekundärdaten). Die so entwickelten Hypothesen wurden im Sinne einer Grounded Theory in mehreren Feedbackrunden weiterentwickelt. Die Einzelinterviews fanden semi-strukturiert statt, Rücksprachen erfolgten gezielt, kollektive Feedbackrunden fanden offen zwischen März 2019 und August 2019 statt. Weitere Feedbackrunden fanden semi-strukturiert von Juli 2019 bis September 2019 statt. Die Aufzeichnungen erfolgten über Mitschriften, Protokolle und Transkripte. Die Recherche wurden laufend zwischen Juli 2019 und September 2019 durchgeführt. Angesichts der Größe des Feldes und begrenzter Zeit beruhen manche Hypothesen nicht auf ausreichend Feedback. Sie bedürfen weiterer Überprüfung. Dies betrifft insbesondere die späteren Kapitel. Schlussfolgerungen im Forschungsbericht sind insofern als Optionen zu verstehen, nicht als Handlungsanweisung. Der Forschungsbericht wurde gefördert durch die MA 7 - Kulturabteilung der Stadt Wien. Es erfolgte keine Beauftagung. Eine Beeinflussung der Ergebnisse durch die Auftraggeberin war insofern nicht möglich. 7 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
Wien ist eine Stadt der Musik, eine Stadt großer Todessehnsucht und großer Lebensfreude. Es wurden opulente Bälle gefeiert, in der Ersten Republik blühten das Kabarett und Varieté auf. In den Sechzigern, Siebzigern und Achtzigern brachten Diskotheken, Clubs und Bars den Klang der neuen Welt nach Österreich. In der Wahrnehmung junger Menschen war Wien aber oft eine tote Stadt. Das änderte sich mit Fall des Eisernen Vorhangs. In den Neunzigern wurde Wien zu einem sehr wichtigen Zentrum elektronischer Musik. Vienna Downtempo - und allen voran Kruder & Dorfmeister - wurde in Europa, in Japan und den USA gefeiert. Zusätzlich schuf sich die elektronische Avantgarde in Wien eine globale Nische. AUSGANGSSITUATION Künstler wie Fennesz, Radian, Peter Rehberg, das Label Mego, die Festivals Phonotaktik und Wien Modern oder die Rhiz Bar waren weit über Landesgrenzen bekannt. Man blickte nach Wien. An Akademien und Universitäten wurde zu Techno über utopische Potenziale geredet, den Patrick Pulsinger oder Electric Indigo spielten, während die Türme des Gasometer und die Sophiensäle von Clubbings widerhallten. Und an geheimen Orten der Peripherie wurden Illegal Micro Raves veranstaltet. Das Netzwerk Female Pressure gründete sich und wuchs schnell. Die A-Prominenz kam aus aller Welt zum Life Ball, die Regenbogenparade führte verkehrt um die Ringstraße, die queere Szene blühte auf. In den Nuller Jahren machten in Wien vor allem Clubs von sich reden, die den Geist Berlins beschworen. Die Loveparade war für drei Jahre zu zu Gast. Clubs wie das Flex, Fluc, später Pratersauna und Grelle Forelle wie auch der wandernde Club Icke Micke spielten Berliner Sound. Die Akteure arbeitete professioneller, Social Media machte Marketing und Kampagnen einfach verfügbar. Die internationale Strahlkraft Wiens ging aber verloren. Man feierte wieder unter sich. Ein Boom setzte Ende der Nuller Jahre ein. Zahlreiche Clubs wurden eröffnet, die sich mit Raum-, Sound- und Eventkonzepten übertrumpften. Während Pratersauna, Sass oder Grelle Forelle einen Spagat zwischen wirtschaftlichen und kulturellen Aspekten versuchen, fanden in Morisson, Celeste, Werk oder Loft längst nicht nur Partys statt. Es entwickelte sich eine künstlerische Szene, die viele Genres und Nischen bespielt. Die Nacht-U-Bahn, die seit 2010 am Wochenende fährt, hat die Mobilität in der Nacht deutlich erhöht. Nicht alle neuen Locations konnten sich halten, einige mussten wieder schließen oder wurden neu übernommen. Das 8 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
WIEN Festival Sound:frame erkundete die künstlerischen Möglichkeiten der audiovisuellen Szene. Clubkultur professionalisierte sich weiter, gehypte Orte und X Veranstalter*ìnnen wechselten sich immer schneller ab, die Arbeitsverhältnisse blieben jedoch weiterhin CLUBKULTUR oft prekär. Musik wird in Clubs dabei nicht nur aufgeführt, sondern über Improvisationen oder DJ-Sets erst geschaffen. Clubs etablierten sich als Orte mit hoher gesellschaftlicher Relevanz, die auch für nahe Donaufestival für internationale Perspektiven Performances, Foto-Ausstellungen, Lesungen, auf hohem Niveau. Wien profitiert dabei von seiner Stre e t A r t oder bi l dende Ku nst, T heater, zentralen geografischen Lage und günstiger Installationen, offene Labore und diskursive Verkehrsanbindung. Formate Raum boten. Kulturelle Aspekte treten Gleichzeitig wurden die behördlichen Auflagen heute deutlich stärker hervor. Gleichzeitig strenger, Genehmigungen wurden aufwändiger, gibt es ein größeres politisches Bewusstsein, Kontrollen wurden genauer exekutiert, was den gesellschaftliche Debatten werden auch innerhalb längerfristigen Betrieb erheblich erschwert. Die der Clubkultur geführt. Diversität, Repräsentation, Auflagen können oft nur kommerzielle Anbieter Safe Spaces, feministische Clubkultur, wer nimmt er füllen, für kulturelle Angebote stellen sie Räume in Besitz, wem gehören sie, solche Themen teils unüberwindbare Hürden dar. Viele sind standen mitunter im Fokus der Szene. gezwungen auf Räume zurückzugreifen, die über Mavi Phoenix, HVOB, Dorian Concept, Soap&Skin, alte Genehmigungen verfügen, aber für kulturelle Camo & Krooked, Joyce Muniz, Leyya, 5K HD, Ebow, Veranstaltungen nur bedingt geeignet sind. Es Ankathie Koi, filous und andere Künstler*innen sind stehen nur wenige freie Räume zur Verfügung. heute international erfolgreich. Rap hat teilweise Open-Airs wurden oft als politische Versammlungen Charts in Österreich und Deutschland dominiert. angemeldet, die das Recht auf Party und Freiräume Währenddessen machen Rojin Sharafi, Fauna, im Mittelpunkt hatten (“Spontan-Rave“). Die Reihen Jung an Tagen, Conny Frischauf, Alpha Tracks Basstrace und Heimlich etwa sind international oder Farce avanciert elektronische Musik, die aus stark vernetzt. lokalen Szenen gewachsen ist. Labels wie Editions Länger schon wird gefordert, dass behördliche Mego, Neubau, Duzz Down San und Ashida Park Wege einfacher sein sollten. Seit rund zwei Jahren erfahren hohe internationale Aufmerksamkeit macht insbesondere die Idee einer Service- und und Vernetzung. Selbst Bands wie Wanda und Vermittlungsstelle in Wien die Runde, die Know Bilderbuch haben auf Bühnen von Clubs wichtige How bündeln und behördliche Entscheidungen Erfahrungen gesammelt. nachvollziehbar machen soll. Als Auslöser kann das Neben künstlerischer Nahversorgung durch Clubs Scheitern des Festivals Aufwind gelten, das durch und Veranstalter*innen sorgen Festivals wie das bürokratische und politische Wirren mitverursacht Hyperreality, Wien Modern, Waves Vienna oder das wurde.1 9 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
Im Juli 2019 wurde eine Studie zur Wiener Versammlungen vereinzelt nicht erteilt. Mehrere N a c h t w i r ts c h a f t vo rg e s t e l l t , d i e vo n d e r Clubs oder Bars mussten wegen Lärmbeschwerden Wirtschaftskammer Wien beauftragt wurde. 2 durch Anrainer*innen schließen. Außerdem haben Sie sieht eine sehr positive Entwicklung, die in jüngster Zeit keine großen oder mittelgroßen Nachtwir tschaft sei kulturell, wir tschaftlich, Clubs eröffnet. Heute würde es zu wenig Freiräume touristisch und sozial eine Bereicherung. Zudem geben und zu viele Vorschriften, die es vielen wäre sie ein enorm wichtiger Faktor im umkämpften Veranstalter*innen unmöglich machen würden, Städtetourismus-Markt. Im Herbst 2019 kommen sinnvoll zu arbeiten.4 Sie würden für den Nährboden bedeutende Veränderungen auf Clubs und sorgen, aus dem alternative Kultur wie auch Veranstalter*innen zu. Diese stellen sie teils vor musikalische Erfolge entstehen.5 Herausforderungen, sie sollen teils ihre Anliegen Clubkultur deckt heute eine breite Palette unterstützen, teils sorgen sie für Verunsicherung. menschlicher Bedürfnisse ab. Sie ist Arbeitgeberin Am 1. November 2019 tritt ein neues Tabak- und und bietet Orte eines solidarischen Miteinander. Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz Sie etabliert Freiräume, utopische Räume, Räume (kurz: Rauchverbot) in Kraft, das aller Voraussicht von Widerstand, Hedonismus, Begierde, Freiheit zu Belastungen von Nachtlokalen führen wird, weil und Räume, um Grenzen auszuloten. Sie schafft Raucher verstärkt vor Lokalen für Lärm, Müll und sozialen Mehrwert, ökonomischen Mehrwert und Geruchsentwicklung sorgen werden. sie schafft künstlerischen Mehrwert. Ein neues Ve r a n s t a l t u n g s g e s e t z in W i e n s o l l 2 0 2 0 i n K r a f t t r e t e n 3. D a b e i we rd e n Ve r a n s t a l t u n g s s t ä t t e n g e s e t z u n d Veranstaltungsgesetz fusioniert. Ziel ist eine Vereinfachung. In einer Übergangsphase dürfte es mindestens zu erhöhtem Informationsbedarf kommen. Die Wirtschaftskammer Wien hat im Juli 2019 den Plan für eine zentrale Anlaufstelle für Veranstalter*innen und Unternehmer*innen in Wien vorgestellt, die in Zusammenarbeit von Wirtschaftsagentur, Wirtschaftskammer und Stadt Wien entstehen und bis 2020 arbeiten soll. Ein Eventboard soll sich zusätzlich um internationale Vermarktung kümmern. Der Life Ball fand 2019 zum letzten Mal statt, damit verlor die Stadt ihren international wohl meist beachteten Event. Darüber hinaus wurden Genehmigungen von Open Airs als politische 10 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
COMMUNITYS In Wien findet sich eine Vielzahl von Subkulturen, die sich global verbreitet haben und lokal adaptiert wurden. Sie entwickeln sich an konkreten Orten sowie durch konkrete Menschen weiter und spiegeln sich international zurück. So gibt es Musik und dazuge- hörige Communitys, die großen Widerhall finden, andere, die vor allem lokal weiterleben. Es ist schwer möglich, diese Szenen und Communitys in ihren Verästelungen vollständig zu beschreiben. Diese Aufzählung aktiver Szenen in Wien beruht deshalb auf subjektiven Beobachtungen von Programmen, Facebook-Gruppen und medialer Berichterstattung sowie Gesprächen mit Vertreter*innen aus der Clubkultur. Darüber hinaus finden in Locations der Clubkultur auch andere Communitys Möglich- keiten, zu proben, aufzutreten oder auszustellen. Einige dieser Orte bieten auch Ateliers, Proberäume oder Ausstellungsflächen für Theater, Performance, Street Art, bildende Kunst, Visualisierungen, Design oder Filmschaffende. Das untersuchte Feld betrifft also nicht nur elektronische und Live-Musik, sondern viele andere kreative Sparten. After Hours, Autonome Szene, Avantgarde Elektronik, Balkan Szene, Burlesque, Drum’n’Bass, Dub / Reggae / Dancehall, DIY-Szene, Free Tek, Freie Musik / Improv-Szene, Goa / Psytrance, Hip Hop (Classic Hip Hop, Trap Cloud Rap, Feministischer Rap), House, Hybrid Club, Indie / Garage / Punk, Jazz, LGBTQ (Queer, Homo Partys, Techno, Trash Partys), Neues Downtempo, New New Beat (New Beat / EBM / Wave), Open Airs, Sex Positive Partys, Soul / Funk, Techno, Tech House / EDM, World Music / Outernational 11 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
LANDKARTE CLUBKULTUR Diese Karten dienen als Indizien für die Verteilung und Konzentration von Orten der Club- kultur innerhalb der Stadt. Die entsprechenden Daten sind einem nicht abgeschlossenen Forschungsprojekt des Autors Stefan Niederwieser entnommen und nicht vollständig. Geöffnete Clubs und Bars mit Tanzfläche in Wien, Stand Frühjahr 2018: 12 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
LANDKARTE CLUBKULTUR Geöffnete Clubs und Bars mit Tanzfläche in Wien (gelb), Orte, die teils noch für Kulturprogramm aber nicht mehr als Clubs genutzt werden (hellgelb), prominente temporäre Veranstaltungen (rot) und U-Bahn-Linien (blau), Stand Frühjahr 2018: 13 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
CLUBKULTUR zu vermeiden. Stattdessen sollen Behörden für die Bedürfnisse der Nachtwirtschaft sensibilisiert und bessere Vernetzung und Kommunikation unter den POLITISCH Stakeholdern geschaffen werden. Gleichzeitig wur- den Anlaufstellen für das Nachtleben angekündigt, nämlich ein Eventboard sowie ein One-Stop-Shop für Veranstalter*innen. Im Kulturbericht der Stadt Wien wird Clubkultur Die Einstellung der Öffentlichkeit zu Clubkultur ist bisher nicht aufgeschlüsselt. Seit 2018 gibt aller- gespalten. Es gibt viel Publikum, das kulturelles dings ein Musikfachbeirat Empfehlungen ab, auf Angebot auch in seiner unmittelbaren Nachbar- deren Grundlage auch viele Projekte im Bereich der schaft schätzt. Lärmbelastung gilt allerdings als Clubkultur gefördert werden. Dabei waren unge- größtes Problem. Einzelne Anrainer*innen können fähr ein Viertel aller Projekte der urbanen Kultur mit Lärmbeschwerden die Existenz von Kultur- und der Clubkultur zuzurechnen (€ 270.000 von € schaffenden, Freiräumen und Betrieben gefährden. 1.043.000 bei drei Einreichterminen seit Mai 20186). Es kam immer wieder zu Schließungen oder Ein- Im Rahmen des Programms Shift zur Förderung schränkungen im Betrieb. Zudem hält sich in Foren innovativer Kunst und Kultur kamen Förderungen von Boulevardmedien das Vorurteil, dass spon- nur am Rande der Clubkultur zu Gute. tane Open-Air-Partys sich nicht um Müll kümmern würden, oder die Meinung, dass Feiernde einfach Das Magistrat der Stadt Wien wiederum arbeitet weniger feiern sollten und indirekt den österreichi- im Rahmen des Programms “Wien gibt Raum” für schen Sozialstaat ausnutzen würden. Dass diese Grätzlfeste sowie kleine und große Veranstaltungen Meinungen aber mehrheitsfähig sind, darf ange- im öffentlichen Raum an einem One-Stop-Shop. zweifelt werden. Dieser Online-Assistent soll alle nötigen Formulare für Veranstalter*innen zentral ausgeben. Die Reali- Insgesamt wächst bei Behörden, Interessenvertre- sierung ist für 2021 bzw. 2022 angekündigt7. tungen und politischen Parteien das Bewusstsein für die kulturelle wie auch wirtschaftliche Bedeu- Die Wirtschaftsagentur Wien fördert Clubs und tung der Clubkultur. Eine IG Fort hat sich formiert Veranstalter*innen aktuell nur am Rande. Die und intern Forderungen und Interessen formuliert. Förderschiene “Standortinitiative”8, die für Betriebs- CLUBKULTUR ansiedlungen oder Standortveränderungen zur Verfügung steht, weist eine Förderquote von 10% bis 20% auf, die Fördersumme beträgt maximal € RECHTLICH 500.000. Einen Call, der auf die Bedürfnisse der Clubkultur zugeschnitten ist, gab es bisher nicht. Die Wirtschaftskammer Wien hat im Juli 2019 eine Studie zur wirtschaftlichen Bedeutung der Nacht- wirtschaft vorgestellt.9 Diese rät dazu, eine neue Vorschriften bestimmen den Rahmen, unter denen Struktur in der Nachtwirtschaft und neue Bürokratie die lokale Szene arbeitet. Wie streng sie exekutiert 14 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
werden, ändert sich von Zeit zu Zeit. Während Interpretationsspielraum, die sie vom subjektiven gewisse Regeln gelockert wurden und als Erleich- Urteil einzelner Beamt*innen abhängig machen terung empfunden werden, schaffen andere würden, die diese Regeln nicht gleichermaßen Ungleichheit, Unsicherheit oder Intransparenz. transparent exekutieren können. Die Sperrstunde wurde im Jahr 2011 ausgewei- Ein einheitliches Veranstaltungsgesetz für ganz tet. Dafür wurden die Betriebsarten “Diskothek” Österreich gibt es nicht. Es wird allerdings von und “Clubbinglounge” neu geschaffen, die erst der Wirtschaftskammer Wien seit einiger Zeit spätestens um 6 Uhr schließen müssen. Kriterien gefordert.14 für Diskotheken und Clubbinglounges sind laut Betriebsanlagengenehmigungen gelten in Wien als Wirtschaftskammer, dass Musik lauter als nur komplex und langwierig (siehe Konkrete Issues). Hintergrundbeschallung gespielt wird und Speise- Viele Genehmigungen sind teilweise alt und gelten angebote nicht typisch sind.10 Für Bars gilt weiterhin nach den Bestimmungen ihrer Zeit. Eine Neuver- 4 Uhr als Sperrstunde.11 Bei Belästigungen, die für handlung ist oft nicht zielführend, weil sie mit Anrainer*innen “unzumutbar“ sind, kann die Sperr- zahlreichen Auflagen verbunden wäre, die seit der stunde verkürzt werden. Genehmigung hinzugekommen sind. Dies führt zu Die Vergnügungssteuer wurde 2016 abgeschafft. einer Ungleichheit. Neue Betriebe müssen sich an Zwei Jahre zuvor wurde bereits das “kleine Regeln halten, die für alte teils nicht gelten. Die Glücksspiel“ abgeschafft, die Einnahmen aus der entsprechenden Rechtsgrundlagen sind dabei auf Vergnügungssteuer waren deshalb in Wien um über unterschiedliche Gesetze verteilt. 90 Prozent zurückgegangen. Das Rauchverbot wird mit 1. November 2019 in Die Registrierkassenpflicht wurde 2016 eingeführt. Kraft treten. Gäste müssen ab dann das Lokal Betriebe ab einem Umsatz von € 15.000 und einem zum Rauchen verlassen. Eine höhere Belastung für Barumsatz von € 7.500 jährlich müssen ihre Barum- Clubs und Veranstalter*innen gilt als wahrschein- sätze elektronisch erfassen. Es gibt Erleichterungen lich. Sie könnten gezwungen sein, mehr Personal für Vereinskantinen und Vereinsfeste gemeinnützi- vor der Tür einzusetzen, um das Lärmaufkommen ger Vereine. 12 zu minimieren. Zudem ist nicht klar, ab wann Per- sonen einem Lokal zugerechnet werden (Kriterien Das Veranstaltungs- und Veranstaltungsstät- wie Umkreis, rauchende Personen, Personen mit ten-gesetz gilt in seiner aktuellen Form bei Clubs Getränken, etc. sind nicht einheitlich). Deshalb und Veranstalter*innen als problematisch (siehe haben sich über 700 Lokale zusammengeschlos- Konkrete Issues). Die Stadt Wien arbeitet deshalb sen, um eine Verfassungsklage einzubringen. Ziel an einem neuen Veranstaltungsgesetz, das 2020 in ist eine Ausnahmeregelung für Nachtlokale.15 In Kraft treten soll. Ziel ist eine Vereinfachung. 13 seiner aktuellen Form kann das Rauchverbot in bestimmten Fällen existenzbedrohend werden. Einige Clubs und Veranstalter*innen sind dennoch verunsichert, sie befürchten einerseits strengere Regeln, die ihnen Kosten und bürokratische Hür- den auferlegen, andererseits Regeln mit großem 15 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
BEHÖRDLICHE angemeldet werden. Für die Lizenz fallen Gebühren an, die von der AKM gemäß Tarifregelungen errech- net werden. Diese Gebühr kann unter sehr speziellen STRUKTUREN Voraussetzungen entfallen.16 Veranstaltungsstät- ten zahlen häufig eine Pauschale. Über mögliche Rabatte herrscht keine Transparenz. Veranstaltungen müssen angemeldet werden. Eignungsfeststellung von Veranstaltungsstätten: Dafür gelten Fristen bei unterschiedlichen Behör- Eine Eignung muss festgestellt werden, wenn in den, oft müssen zahlreiche Voraussetzungen erfüllt Gebäuden mehr als 200 Teilnehmer*innen erwartet sein, bevor gespielt werden darf. Zuständig für die werden oder wenn im Freien mehr als 300 Teilneh- Anmeldung von Veranstaltungen sowie für die Eig- mer*innen erwartet werden. Sofern Zweifel an der nungsfeststellung von Veranstaltungsstätten ist die Eignung bestehen, etwa durch Lärmbeschwerden MA 36. Mit dem Eventcenter betreibt die MA 36 oder Gefährdung, kann die Eignungsfeststellung zudem eine Beratungsstelle für Veranstalter*innen. auch für kleinere Stätten nachgefordert werden. Betriebsanlagen (Musikanlage, Lüftung, etc.) müs- Die Eignung einer Veranstaltungsstätte ist nicht zu sen vom Magistratischen Bezirksamt genehmigt verwechseln mit der Betriebsanlagengenehmigung, werden. Veranstaltungen müssen außerdem bei der die von dem Magistratischen Bezirksamt bewilligt AKM angemeldet werden. wird.17 Die Eignungsfeststellung gilt für bestimmte Arten von Veranstaltungen. Der Antrag ist zusam- Anmeldung einer Veranstaltung bei der MA 36: men mit Plänen und Beschreibungen einzureichen. Diese ist erforderlich, wenn mehr als 200 Teilneh- Das Magistrat prüft, zieht eventuell andere Fach- mer *innen erwartet werden oder die Veranstaltung dienststellen, Polizei und Arbeitsinspektorat hinzu im Freien stattfindet. und führt fast immer einen Lokalaugenschein durch. Die Eignungsfeststellung gilt, solange keine bauli- Fristen für Anmeldungen: Eine Anmeldung muss chen Veränderungen durchgeführt werden. Auch der spätestens eine Woche vor dem Tag der Veran- Stadtrechnungshof stellte fest, dass es sich hierbei staltung einlangen, wenn eine Eignungsfeststellung um eine vielfältige und teils sehr komplexe Materie bereits vorliegt. Wenn eine Verlängerung der Sperr- handelt. 18 stunde beantragt wird (im Freien gilt 22 Uhr, in Räumen 2 Uhr, in Bars 4 Uhr, in Diskotheken und Betriebsanlagengenehmigung: Betriebsanlagen Clubbinglounges 6 Uhr), muss die Anmeldung zwei müssen vom Magistratischen Bezirksamt geneh- Wochen vorher einlangen. Eine Anmeldung für eine migt werden. Darunter fallen alle Anlagen, von denen Veranstaltung im Freien kann bis zum Tag vor der Gefahren für Gäste und Umwelt ausgehen könnten, Veranstaltung erfolgen, wenn weniger als 100 Teil- etwa Musikanlagen, Abluft, Lüftungen, Gästelärm, nehmer*innen erwartet werden. Das Magistrat stellt uvm.19 Die Genehmigung muss mit Beschreibungen, eine Berechtigung für die Veranstaltung aus. umfangreichen Plänen und Abfallwirtschaftskon- zept beantragt werden, bevor die Betriebsanlage Anmeldung einer Veranstaltung bei der AKM: Jedes installiert wird. Alle Änderungen der Betriebsanlage öffentliche Konzert und jeder Auftritt eines DJs müssen neu genehmigt werden. muss mindestens drei Tage vor der Veranstaltung 16 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
Clubkultur in Wien ist anders. Das liegt zum einen an den handelnden Personen, ihren Interessen, Vorlieben und wie sie Partys veranstalten, zum anderen an Umständen, die sie zwar schwer beeinflussen können, aber ihre Arbeit erleichtern oder erschweren. Dieses Kapitel, in dem Stärken der Clubkultur (günstige interne Faktoren), interne S Schwächen (ungünstige interne Faktoren) sowie Chancen (günstige externe Fakto- ren) und Risiken (ungünstige externe Faktoren) gegenübergestellt werden, dient laut Methodenpool von Salzburg Research zum besseren Verständnis der Wiener Clubkul- tur, ihrer signifikanten Faktoren und zur strategischen Planung.20 STRENGTH –STÄRKEN Kulturelle Vielfalt, Hohe Aktivität in künstlerischen Nischen, Vernetzung innerhalb der Szene, Niederschwelligkeit von Locations für Publikum und Veranstalter*innen, Hohes politisches Bewusstsein in der Szene, Solidarischer Umgang mit Ressourcen, Bewusstsein für Leerstand und Zwischennutzung, Rücksichtnahme auf Bedürfnisse von Anrainer*innen SWOT-ANALYSE W WEAKNESSES – SCHWÄCHEN Diversität bei Bookings, Diversität bei Clubbetreiber*innen, Diversität bei Betreuung technischer Tätigkeiten, Vernetzung innerhalb der Nachtwirtschaft, Mangelnde Professiona- lisierung, Know How Defizite der Akteur*innen (Gesetze, Rechte, Zuständigkeiten), Qualität von Beratungsangeboten, Prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Ausstattung von Clubs, Angebot in der städtischen Peripherie, Entwicklung neuer Club- und Veranstaltungskonzepte, Hohe Fixkosten, Wenig mittelgroße Clubs, Fehlende Sensibilität bei Sicherheitspersonal, Hoher Druck zur Kommerzialisierung, Konzentration der Uhrzeiten mit hohem Umsatz 17 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
O OPPORTUNITIES – CHANCEN Anzahl potenzieller Förderinstrumente, Höheres Aufkommen von Tourist*innen, Größte Uni- versitätsstadt im deutschen Sprachraum, Gesellschaftliche Akzeptanz von LGBTQ Communities, Bewusstsein für Nachhaltigkeit, Erschließung der städtischen Peripherie, Innovationspotenzial, Hohes publizistisches Interesse, Hohe Bekanntheit Wiens als Musikstadt, Hohe Qualität musi- kalischer Ausbildung, Arbeitnehmer*innenschutz, Verkehrsinfrastruktur, Sicherheit der Stadt, Altersvielfalt der Zielgruppe, Digitaler One-Stop-Shop Veranstaltungsanmeldung, Neues Veran- staltungsgesetz, Freigabe der Sperrstunde T THREATS – RISIKEN Komplexe behördliche Auflagen, Lange behördliche Fristen, Angebot von geeigneten Freiflächen und Locations, Komplexe Freigabe von freien Veranstaltungsflächen, Qualität und Zahl von Forschungs- ergebnissen, Treffsicherheit der Förderinstrumente, Treffsichere Ausbildungsangebote, Bewertung von Kultur nach ökonomischen Kriterien, Verstärkte Lärmbeschwerden durch Rauchverbot, Gesellschaftliche Akzeptanz von Clubkultur, Rechtssicherheit, Neues Veranstaltungsgesetz, Verdrängung durch Immobi- lienprojekte, Städtische Verdichtung, Abhängigkeit von subjektiven Entscheidungen von Behörden und Magistraten, Steigende Mieten, Abhängigkeit von Social Media, Verändertes Freizeitverhalten, Demo grafischer Wandel, Klimakrise 18 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
AKM - Autoren, Komponisten, Musikverleger Nimmt Rechteverwertung für Urheber*innen an Aufführungen (Konzerte) wahr, wickelt LSG-Gebühren ab Anrainer*innen Genießen Rechte, um vor Lärm geschützt zu werden, können mit Beschwerden den Betrieb teils erheblich einschränken Arbeitnehmer*innen im Club- und Veranstaltungsbereich Barpersonal, Technik, Buchhaltung, uvm., die meist nicht nur Angestellte sind und Arbeitnehmer*innenschutz genießen, sondern die Teil eines eingespielten Teams sind Arbeitsinspektorat Das Arbeitsinspektorat kontrolliert die Einhaltung der Vorschriften zum Arbeitnehmer*innenschutz vor Ort, darunter fallen Vorschriften zur Belastung durch Lärmeinwirkung, Gestaltung von Arbeitsplätzen, zum Lichteinfall, zu Arbeitsräumen und sanitären Anlagen sowie Arbeitszeit und Arbeitsruhe Bezirksvertretungen Kultur Sind für kulturelles Programm in den Bezirken mitverantwortlich und mögliche Fördergeber*innen, die Beträge sind i.d.R. aber gering Bundeskanzleramt Fördert Reisekosten für Künstler*innen sowie vereinzelt kulturelle Einrichtungen wie WUK oder Porgy & Bess Check-It Drogen-Info- und Beratungsstelle der Suchthilfe Wien, bei der einmal im Monat bei Veranstaltungen gratis und anonym Drogen auf ihre Inhaltsstoffe getestet werden können Clubs und Locations STAKEHOLDER Orte, die aus einer Szene heraus mit musikalischem Programm bespielt werden sowie Treffpunkte, um in geschütztem Rahmen zu tanzen, Musik zu hören und sich auszutauschen Festivals Veranstaltungen, die meistens jährlich stattfinden, die sowohl Clubs wie auch öffentliche Flächen bespielen und mit einem Leitgedanken kuratiert werden Gruppe Sofortmaßnahmen Städtische Stelle, die bei Lärmbeschwerden akut eingreifen kann IG Fort Bündnis von Akteur*innen der Wiener Clubszene, die IG Kultur Wien, N8BM sowie Clubs, Veranstalter*innen, Sound- systeme und Räume umfasst IG Kultur Wien Vertritt die Interessen freier und autonomer Kulturschaffender, veröffentlicht Informationsbroschüren (Gründung Kulturverein, Finanzierung, Veranstalten in Wien), betreibt Kulturinfoservice mit Beratungsangeboten für Mitglieder und Nicht-Mitglieder, vergibt den Preis der Freien Szene, gefördert durch MA 7 KIS - Kulturinfoservice der IG Kultur Wien Beratung zur Organisation von Veranstaltungen, Gründung und Betrieb von Kulturvereinen, Publikation von Leitfäden Kreative Räume Wien Serviceagentur für Zwischennutzungen, die Raumsuchende in rechtlichen Fragen zu Zwischennutzungen berät 19 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
Künstler*innen Musiker*innen, DJs, VJs und Kreative, die musikalisches oder audiovisuelles Programm bieten Landespolizeidirektion Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz müssen hier angemeldet werden. Open Airs werden aktuell häufig als Versammlung angemeldet. In der Praxis wird beurteilt, ob es sich um eine Veranstaltung oder eine Versammlung handelt, wenn Transparente vorhanden sind und Forderungen artikuliert werden LSG - Leistungsschutzgesellschaft Nimmt Rechteverwertung für Interpret*innen und Produzent*innen an Aufführungen wahr (etwa mit Tonträgern, digitalen Files, Streaming oder Radio), für diese Aufführungsrechte fallen 23% der AKM-Gebühren zusätzlich an MA 7 Kultur Kulturabteilung der Stadt Wien, vergibt Förderungen, seit September 2018 erstmals 1.000.000 Euro jährlich für innova- tives, zeitgenössisches, urbanes Musikschaffen (Musikbeirat macht Vorschläge, die von Stadträtin i.d.R. angenommen werden), beauftragt IG Kultur Wien mit Kulturinfoservice MA 15 Gesundheitsdienste Beurteilt mögliche Gesundheitsgefährdungen in medizinischer Hinsicht, etwa durch Schall, führt Schallmessungen in Bezug auf Anrainer*innen durch. Die Beurteilung schädigender Wirkung erfolgt nach Einschätzung des Arztes / der Ärztin MA 18 Stadtentwicklung Für Flächenwidmung und Bebauungspläne verantwortlich, arbeitet Stadtentwicklungsplan STEP 2025 aus, der 2019 eva- luiert wird, außerdem Stadtforschung und Raumanalysen MA 19 Architektur und Stadtgestaltung Außengestaltung von Lokalen kann durch Gutachter*innen vorgeschrieben werden, dies betrifft insbes. Gastgärten und Fassaden, in Wien etwa relevant für Gürtellokale MA 28 Straßenverwaltung und Straßenbau Die bei der MA 28 angesiedelte Koordinationsstelle für das Zielgebiet Donaukanal ist bei Begehungen und Verhandlungen von Clubs und Locations am Donaukanal i.d.R. anwesend MA 36 Veranstaltungswesen Ist für die Anmeldung von Veranstaltungen und Eignungsfeststellung von Veranstaltungsstätten zuständig (Personen- anzahl, Feuerschutz, Schallschutz, Notausgänge, uvm.), erteilt Auflagen, zieht andere Fachdienststellen hinzu und führt Lokalaugenscheine durch. Mit dem Eventcenter bietet die MA 36 eine Beratungsstelle für Veranstalter*innen an MA 37 Baupolizei Zuständig für Bauansuchen, Einreichungen mit Plänen, Genehmigungen, Statik, Brandschutz. Betrifft nur große Bauvor- haben (tragende Wände, statische Gutachten), nicht bei Arbeiten im Bestand (wie Lüftung, Heizung, kleine Adaptionen) MA 42 Wiener Stadtgärten Öffentliche Parkanlagen werden in Wien fast immer von den Wiener Stadtgärten erhalten, dementsprechend müssen dort geplante Veranstaltungen bei der MA 42 mindestens vier Wochen im Voraus angemeldet werden MA 45 Wiener Gewässer Erteilt Benützungsbewilligungen für Wiener Gewässer und ist für die Liegenschaftsverwaltung von Flächen, die an Wiener Gewässern liegen, zuständig. Davon ausgenommen sind die Alte Donau und der Donaukanal, die unter die Zuständigkeit der Via Donau fallen MA 46 Verkehrsorganisation und technische Verkehrsangelegenheiten Veranstaltungen auf öffentlichen Verkehrsflächen müssen ebenfalls bewilligt werden. Anträge müssen mindestens vier Wochen vorab eingereicht werden 20 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
MA 48 Abfallwirtschaft Bietet ein Komplettservice für Veranstalter*innen, berät im Vorfeld, sorgt während und nach der Veranstaltung für Entsorgung MA 57 Frauenservice Wien Fördert Fraueneinrichtungen und Genderprojekte. Das Projekt “Rettungsanker“ gegen sexuelle Belästigung wurde im Mai 2019 als Pilotprojekt auf Nachtlokale ausgeweitet21 MA 58 Wasserrecht Ist einzubeziehen, wenn Veranstaltungen direkt auf dem Wasser stattfinden und den Schiffsverkehr beeinflussen MA 59 Marktservice und Lebensmittelsicherheit Kontrolliert Rauchverbot sowie Einhaltung von Hygienestandards Magistratisches Bezirksamt Erteilt Genehmigungen von Betriebsanlagen. Als Betriebsanlagen gelten alle Gebäude, Räume, Flächen und betrieblichen Einrichtungen, in denen nicht nur vorübergehend ein Gewerbe ausgeübt wird. Darunter zählen im Kontext von Clubs und Gastronomie etwa Musik- und Lüftungsanlagen. Medien und Presse Berichten über Entwicklungen der Clubkultur, beeinflusst öffentliche Akzeptanz von Clubs und Kulturräumen Music Information Center Austria Beratung von Musiker*innen sowie Veranstalter*innen von Konzerten und Festivals, Rechtsberatung, etwa auch zur Registrierkassenpflicht Musikfachbeirat der Stadt Wien Gibt seit 2018 Empfehlungen zur Förderung durch die MA 7 ab. Förderungen betrugen bisher insgesamt knapp über € 1.000.000, etwa ein Viertel davon können urbaner Kultur und Clubkultur zugerechnet werden Nest - Agentur für Leerstandsmanagement Nest erarbeitet Konzepte zur Nutzung von Leerständen und öffentlichen Räumen. Nest vermittelt Orte und kann Ansprech- partner für Veranstalter*innen sein, etwa die Creau N8BM Initiative, die öffentlich am sichtbarsten fordert, dass eine Service-, Anlauf- und Vermittlungsstelle geschaffen wird, die Interessen nächtlicher Akteur*innen bündelt. Internationale Vernetzung, Diskussionsveranstaltungen, sammelt Unter- stützer*innen und via Petition Unterschriften Open Airs Veranstaltungen, die meistens unter freiem Himmel auf öffentlichen Flächen stattfinden und häufig als politische Demonstration angemeldet werden Politische Parteien Stellen die Legislative, den Bürgermeister / die Bürgermeisterin und Stadträt*innen, die gegenüber der Verwaltung weisungsbefugt sind. Außerdem gestalten sie den rechtlichen Rahmen, in dem Clubkultur arbeitet Polizei, Ordnungskräfte Überprüfen Einhaltung aller Auflagen, können den laufenden Betrieb empfindlich einschränken und teils erhebliche Strafen aussprechen 21 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
Publikum / Gäste Sorgen als Konsument*innen für Nachfrage, sind oft auch Teil einer lebendigen Szene Security und Awareness Teams Sorgen auf Veranstaltungen für eine Atmosphäre, in der sich alle Besucher*innen sicher fühlen, können außerdem Tür- politik ausführen Shift Fördert innovative Kunst und Kultur in der städtischen Peripherie. Drei Fördercalls seit 2015, der jüngste Call mit einem Volumen von € 1.500.000, die von Basis.Kultur.Wien abgewickelt werden. Clubkultur kommt in geförderten Projekten nur am Rande vor SKE - Soziale und Kulturelle Einrichtungen Vergibt Jahresstipendien an Künstler*innen und Förderungen an Klein-Labels, die teils der Clubkultur zuzurechnen sind. Außerdem fördern sie Aufführungen, im Jahr 2018 etwa mit € 195.000 Soundbase Die Musik-Schiene von WienXtra (ein durch die Stadt Wien geförderter Verein) vermittelt jungen Menschen in Wien Probe- räume und Tonstudios zu günstigen Konditionen Universität für angewandte Kunst - Master für Social Design-Arts as Urban Innovation Forscht zum Thema urbane Freiräume mit Bekenntnis zu langfristigem Engagement (gibt Reader Spaces Of Urgency, Land- karte Map Of Urgency mit einem Fokus auf Wien heraus, veranstaltet Summer School und Fokus Wochen) Veranstalter*innen Organisieren Veranstaltungen sowohl an gemieteten Orten auf regelmäßiger und unregelmäßiger Basis wie auch an öffentlichen oder zur Verfügung gestellten Flächen Via Donau Liegenschaftsverwaltung an der Alten Donau und am Donaukanal sowie Teile der Donauinsel. Bei Veranstaltungen kommt es zu einer privatrechtlichen Vereinbarung, für einmalige Veranstaltungen werden Tagessätze vereinbart, bei langfristiger Nutzung (Lokalbetrieb) ist eine Umsatzbeteiligung der Via Donau erforderlich VVAT - Veranstalterverband Österreich Beizeiten Förderung von Podiumsdiskussionen zum Thema Veranstalten / Clubkultur Wien gibt Raum Programm des Magistrats der Stadt Wien, das an einem One-Stop-Shop für Genehmigungen kleiner Veranstaltungen (geplante Realisierung 2021) und für große Veranstaltungen (geplante Realisierung 2022) arbeitet WienTourismus Der Wiener Tourismusverband betreibt Standortmarketing, ist Ansprechpartner für alle Tourismusbetriebe, leistet Presse- arbeit und vertritt die Stadt und auch ihre Clubkultur international, letztere aber nur am Rande Wirtschaftsagentur Wien Die Wirtschaftsagentur vergibt Förderungen im Bereich der Kreativwirtschaft. Über geförderte Projekte herrscht aus Grün- den des Datenschutz keine Transparenz, Clubkultur kommt aller Voraussicht nach nur am Rande vor Wirtschaftskammer Wien Vertritt die Interessen der Wiener Unternehmer*innen und bietet verschiedene Beratungsstellen, etwa zum Thema Grün- dung. Ist über das Betriebsanlagenservice bei Verhandlungen anwesend. Zudem plant die Wirtschaftskammer einen One-Stop-Anlaufstelle für Unternehmer*innen der Wiener Nachtwirtschaft sowie ein Eventboard (siehe Politische Ausgangssituation) 22 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
In der Clubkultur Wiens sind mehr als fünfzig Stakeholder involviert. Um ihre Rolle zu verstehen und einen besseren Überblick zu schaffen, sollen diese Stakeholder analysi- ert werden. Dieses Kapitel stellt typologisch dar, welche Stakeholder die Wiener Clubkultur in welcher Art und Weise beeinflußen. Sie werden nach der Methode von Mitchell, Agle und Wood kategorisiert.22 Stakeholder können in Hinsicht auf die Clubkultur drei Attribute haben, Macht (formelle, wirtschaftli- STAKEHOLDER-ANALYSE che oder politische Macht), Legitimität (Handlungen werden als erwünscht und richtig gesehen), Dringlichkeit (Forderungen finden Aufmerksamkeit). Die Bedeutung eines Stakeholders ist je höher, umso mehr Attribute dieser aufweist. In diesem Modell kann sich die Einordnung sowohl nach Themenstellung wie auch im Laufe der Zeit ändern. Die Analyse veranschaulicht, welchen Einfluss Stakeholder auf die Wiener Clubkultur haben und auf wessen Forderungen und auf wessen Anliegen mit welcher Priorität reagiert werden soll. Auf Forderungen und Anliegen definitiver Stakeholder sollte sofort und mit hoher Priorität reagiert werden. Dominante, gefährliche und abhängige Stake- holder verdienen jedenfalls Aufmerksamkeit, auf ihre Anliegen sollte reagiert werden. Betrachtet man die Grafik der nächsten Seite, sieht man, dass die Regierungsparteien auf Landesebene sowie MA 7, MA 36 und Magistratisches Bezirksamt aktuell für die Szene jene Stakeholder mit höchster Priorität sind. Gibt es Wünsche, Forderungen oder Probleme, ist man auf Zusammenarbeit mit ihnen angewiesen. Weiters verfügen die Magistratsämter von Gesundheitsdiensten, Verkehr und Architektur im Bereich der Club- kultur über beachtliche Kompetenzen. Musikfachbeirat, Shift, Bundeskanzleramt und Wirtschaftskammer Wien könnten bedeutende Fördergeber sein, während auf Anliegen von Anrainer*innen, Gesundheitsdiensten, Arbeitsinspektorat wie auch von AKM und LSG fast immer reagiert werden muss. 23 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
24 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
Stakeholder gestalten die Voraussetzungen, die Clubkultur in Wien begünstigen oder behindern. Dabei sind manche Hürden folgenreicher als andere. Dieses Kapitel beschreibt die größten Probleme, mit denen Wiener Clubkultur konfron- tiert ist. Diese Issues betreffen nun die Clubkultur insgesamt, sie gehen also über das Feld elek- tronischer und Live-Musik hinaus und berühren alle Felder, in denen heute im Rahmen von Clubkultur kreativ gearbeitet wird (siehe Ausgangssituation, Communitys). AUFLAGEN Von Wiens Clubbetreiber*innen und Veranstalter*innen werden behördliche Rahmenbe- dingungen heute stärker als Einschränkung wahrgenommen als früher. Gesetze würden heute strenger exekutiert werden. Da für eine Mehrheit der Veranstalter*innen Gewinn KONKRETE ISSUES nicht im Vordergrund steht, sondern Kultur- und kreative Arbeit, stellen Auflagen und Risiken, die damit einhergehen, wie auch potenzielle Strafen für sie eine Hürde dar, die eine langfristige Perspektive deutlich einschränkt. SCHALL Die Auflagen, um eine Location zu betreiben, gelten als schwer erfüllbar. Gerade in Bezug auf Schallschutz werden sie als unverhältnismäßig und kaum praktikabel wahr- genommen. Das Betreiben von Soundanlagen, die in Lautstärke und Soundqualität den internationalen Standards entspricht, gestaltet sich als enorme Herausforderung. Die Lösungsvorschläge, die von Seiten der Stadt vorgeschlagen werden (Plombierungen, etc.), beeinträchtigen das Erlebnis vor Ort erheblich, sie verändern es drastisch und können zudem sehr kostspielig sein. Bei Auffassungsunterschieden zwischen Veranstal- ter*innen und Behörden gibt es keine Möglichkeit der Schlichtung oder der Mediation. Auch etablierte Clubs können über Nacht mit Beschwerden konfrontiert sein und durch Auflagen existenziell bedroht sein. Zum einen können Geldstrafen nach Anzeigen diese belasten, zum anderen sind Schallschutzkonzepte, Dämmungen und Messungen äußerst kostspielig und können keine Verbesserung der Situation garantieren. Genehmigungen für Live-Musik werden nur selten erteilt, dadurch fehlen Räume für kulturelles Angebot. Seitens der Stadt gibt es keine unterstützende Expertise oder Förderungen, um notwen- dige Maßnahmen zum Schallschutz zu planen und umzusetzen. Internationale Standards 25 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
sind deshalb gerade für Veranstalter*innen kaum zu erreichen. Auch die Auflage, dass Arbeitnehmer*innen zu keinem Zeitpunkt einer Lärmbelastung von 85 dB (A) ausgesetzt werden dürfen23, gilt als kaum umsetzbar. Besonders kleine und mittlere Clubs und solche, die ihren Fokus auf kulturelle Angebote legen, belasten diese Auflagen, während es sich oft nur finanzkräftige Player leisten können, diese zu erfüllen. Einige mussten deswegen schließen, etwa Sub, Prime, Mar- ket, Au, altes Werk, Volksgarten Pavillon, Morisson, Ost Club, Cabaret Renz oder der Ragnarhof. In mittleren Größen ist dadurch ein Vakuum entstanden. Niederschwellige, organisch wachsende Orte wären allerdings notwendig, damit lokalen Szenen entstehen und sich entwickeln können. Clubs und Bars können zudem nicht nur für die Lautstärke im Betrieb, sondern auch für lärmende Gäste vor dem Lokal zur Verantwortung gezogen werden. Dabei ist nicht klar geregelt, wann Gäste einem Club zugeordnet werden sollen. Gerade im Hinblick auf das kommende Rauchverbot in der Gastronomie wird dies als sehr problematisch gesehen. FASSUNGSVERMÖGEN Die Stadt spricht nur selten Eignungen aus, die das Fassungsvermögen praxis- nah abbilden. Gründe sind in seltenen Fällen der Brandschutz und Notausgänge, häufiger allerdings das vorgeschriebene Lüftungsvolumen. Dieses wird in der Szene als zu hoch wahrgenommen. Im laufenden Betrieb wird das offizielle Fas- sungsvermögen deshalb regelmäßig überschritten, da die Wirtschaftlichkeit sonst nicht garantiert werden kann. Behörden können bei Veranstaltungen das Fas- sungsvermögen unangekündigt kontrollieren und die Zahl der Gäste begrenzen, Veranstalter*innen tragen dadurch ein schwer kalkulierbares, finanzielles Risiko. BETRIEBSANLAGE GENEHMIGUNG Alle Auflagen werden in der Betriebsanlagengenehmigung festgehalten. Ohne diese ist kein Betrieb möglich. Die dreimonatige Frist zur Behandlung eines Antrages durch die 26 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
Behörden verlängert sich bei jeder Beanstandung um weitere drei Monate, dadurch können Verfahren sehr lange dauern. Für Genehmigungen der Betriebsarten Diskothek oder Clubbinglounge sind Auflagen aufgrund der Sperrstundenverlängerung bis sechs Uhr besonders hoch. Zuweilen geben verschiedene Beamte des selben Ressorts unter- schiedliche Empfehlungen und Auflagen zu denselben Problemstellungen. Auflagen der Betriebsanlagengenehmigung widersprechen gelegentlich denen der Eignungsfeststel- lung. Bei Auffassungsunterschieden gibt es keine Möglichkeit der Schlichtung oder der Mediation. Anrainer*innen können Bedenken anmelden, deren Grundlage nicht überprüft wird, die dennoch zu erheblichen Auflagen führen können. Mittels Berufung können einzelne Anrainer*innen die rechtskräftige Genehmigung einer Betriebsanlage teils um Jahre verzögern. Während dieser Zeit sind notwendige Adaptierungen fast nicht möglich. EIGNUNG Auch Veranstaltungsorte, deren Eignung schon einmal festgestellt wurde, brauchen eine erneute Eignungsfeststellung, wenn die Eignung nicht für den laufenden Betrieb festgestellt wurde und über 200 Gäste erwartet werden. Die deshalb erforderliche Schallpegelmessung kostet alleine zwischen € 1.500 und € 2.500. Es müssen zahlreiche Vorschriften betreffend Heizung, Lüftung, Stromversorgung, Wandbelägen, Dämmung, Stiegen, Toiletten, Notausgänge, Notbeleuchtung, Breite der Türen, Anzahl von Tür-Per- sonal, uvm. erfüllt werden. Selbst von der Stadt geförderte, kulturelle Veranstaltungen erfahren mitunter von anderen Stellen der Stadt unverhältnismäßige Auflagen, sodass öffentliche Ressourcen vergeudet werden. Aufgrund geltender Fristen zur Anmeldung von Veranstaltungen ist es außerdem nicht möglich, Veranstaltungen im Bedarfsfall spontan an einen anderen Ort zu verlegen. Die WKW schlägt deshalb vor, dass eine Genehmigung für Veranstal- tungen nicht nötig sein sollte, wenn die Betriebsanlage bereits genehmigt ist.24 27 F O R S C H U N G S B E R I C H T C L U B K U LT U R W I E N
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