Die letzte Trockenperiode des Neusiedler See 1865-1871

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               Die letzte Trockenperiode
              des Neusiedler See 1865-1871
                                        (aus einer alten Chronik)
   Der Neusiedler See war nachweislich vor                      zwischen den schlammigen Vertiefungen
zwei Jahrtausenden wie auch im Mittelalter                      gewählt.
und später (z. B. 1736, 1811) zum Teil oder                        Soweit das Auge reichte, sah man vom Ufer
ganz ausgetrocknet. In keinem dieser Fälle                      aus kein Wasser im Seebecken. Der Bach bei
aber war das Schwinden des Wassers von so                       Winden und die Wulka zwischen Donners­
langer Dauer wie bei der letzten Aus­                           kirchen und Oggau sandten zwar ihr Wasser
trocknung, welche von 1865—1871 das ganze                       ins Seebecken, konnten aber den dahinge­
Seebecken fast wasserlos erscheinen ließ.                       gangenen See vor dem Austrocknen nicht
   Schon 1864 war der Wasserstand im See                        retten. An der Einmündungsstelle der Bäche
nieder und große Flächen waren praktisch                        bildeten sich kleinere und größere Pfützen,
wasserfrei. Der Sommer des Jahres 1865                          der See aber schien dem Tode geweiht zu
bereitete dann durch heiße Tage, Föhnwinde                      sein. Die einströmenden Bäche waren also
bei andauerndem Regenmangel dem See ein                         nicht imstande, den See mit Wasser zu füllen.
rasches Ende. Von Mitte Juni an schwand                            Über zwei Erscheinungen, die während
alles Wasser, in der ganzen Seebreite wurde es                  der Trockenheit des Sees häufig beobachtet
trocken, nur an der tieferen Stelle zwischen                    werden konnten, verwunderten sich die
Apetlon und Esterhaz schimmerte ein                             Leute der Umgebung sehr. Die erste Er­
schmaler Wasserstreifen. Der Bodenschlamm                       scheinung bestand darin, daß Objekte, die
trocknete bald auf und entwickelte mit dem                      man aus der Ferne im Seegebiete beobachtete,
herauskristallisierten Salze viel Staub, den                    stark vergrößert erschienen. Die auf­
der leiseste Wind emporwirbelte und große                       steigenden Dünste und die heiße Luft
Staubwolken bildete, welche den Leuten wie                      schienen die Eigenschaft eines Vergröße­
Rauchwolken erschienen und oft die                              rungsglases zu haben. Wandelte jemand im
Meinung weckten, daß am drüberen Seeufer                        ausgetrockneten Seebecken, so erschien
eine Feuersbrunst wüte.                                         diese Gestalt vom Ufer wie eine Stange,
   Die Oberfläche des Seebodens war glatt                       welche sich bewegte und umso höher wurde,
wie eine Tenne. Durch Eintrocknung bildete                      je mehr sie sich vom Beschauer entfernte.
sich eine Kruste von sechs bis sieben Zenti­                    Die Gestalt schien ganz von Wasser umgeben
meter Dicke, welche den 60 bis 80 Zentimeter                    zu sein.
tiefen Schlamm bedeckte. Die Sprünge der                           Noch mehr Aufsehen erregte die andere
Schlammkruste teilten dieselbe in mehr oder                     Erscheinung, die von den Physikern Luft­
weniger regelmäßige Quadrate. Das Gehen                         spiegelung oder Fata Morgana genannt
auf dem Seeboden war sehr unsicher, weil                        wird. Mit Staunen sahen die Seeuferbe­
die Kruste unter den Füßen leicht einbrach                      wohner öfters an sonnigen, windstillen
und der Wanderer bis über die Knie in den                       Tagen hoch in der Luft das verkehrte
Schlamm sank. Ein gewisser Mayrhofer                            Spiegelbild einer gegenüberliegenden Ge­
versuchte mit einem Begleiter eine Fußpartie                    meinde so, als ob sie von Wasser umgeben
von Weiden nach Oggau über das aus­                             wäre. Die Podersdorfer sahen oft die Pur­
getrocknete Seebecken am 24. September                          bacher oder Weidner Kirche mit umgekehrter
1864. Der Versuch gelang nach Überwindung                       Turmspitze, umgeben von Häusern gleich­
großer Schwierigkeiten, da die Kruste oft                       sam in der Luft schweben, wobei alle
durchbrach und die Wanderer ihre Füße aus                       Einzelheiten des Bildes beobachtet werden
dem Schlamme nur mit großer Kraft­                              konnten.
anstrengung herausziehen konnten. Die                              Diese Erscheinung kommt am ausge­
sandigen Stellen boten ein sicheres Gehen                       trockneten Hansag auch jetzt oft vor und ist
und wurden darum zum Weiterschreiten                            besonders in der ungarischen Tiefebene keine

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Seltenheit. Die Naturlehre sucht die Er­                         saurem Kalk. Es fehlen aber größtenteils
klärung darin, daß auf großen Flächen die                        die Kalisalze, weshalb der Boden des See­
untere Luftschichte mehr erwärmt wird                            beckens nur dann zum Fruchtbau geeignet
als die obere. Die Sonnenstrahlen brechen                        wäre, wenn diese fehlenden Stoffe ersetzt
sich in der unteren Schichte und werden von                      würden.
der oberen reflektiert, wodurch das ver­                            Da nun das Seebett schon drei Jahre lang
kehrte Spiegelbild entsteht. Das ausgetrock­                     trocken dalag, meinte man, es würde über­
nete Seebecken bildete eine große ebene                          haupt kein Wasser mehr kommen. Aus dieser
Fläche und besaß im hohen Grade die                              Meinung wuchs der Plan heraus, die große
Eigenschaft, welche die Erscheinung der                          Fläche des Seebodens für die Landwirtschaft
Luftspiegelung begünstigte.                                      nutzbar zu machen, was tatsächlich im Jahre
    Am unliebsamsten wurde es empfunden,                         1868 durchgeführt wurde. Am nordwest­
daß zur Zeit der Trockenheit des Sees der am                    lichen Ufer, besonders an jenen Stellen, wo
Seeboden entstandene Salzstaub überallhin                        früher Rohr wuchs, wurden Anbauversuche
durch die Winde verweht wurde, das                               unternommen, die gut gelangen. Bei Winden
ganze Ufergelände bedeckte und sich zu                           wuchs der schönste Weizen auf einge­
Hügeln anhäufte. Besonders Podersdorf                            trocknetem Schlamme und das Ufergelände
litt viel unter diesen Salzstaubverwehungen.                     von hier bis Wolfs erwies sich als überaus
Die meist nördlichen Winde brachten viel                         fruchtbarer Boden, Frucht und Rüben
solchen Staub, umhüllten die Gemeinde mit                        ergaben reichliche Ernten. Doch bald folgte
Wolken und verwehten oft ganze Wein­                             eine arge Enttäuschung, die Wirtschaften
gärten und Äcker. Die Leute in Podersdorf                        mußten schon nach 2 Jahren außer Betrieb
bekamen fast alle Augenentzündungen                              gesetzt werden, da wider Erwarten das
durch die Einwirkung des ,,Zickstaubes“                          Wasser zurückkehrte und die Kulturen
                                                                 überflutete.
   Im Jahre 1860 war der Seeboden schon                             Im Jahre 1868 entwickelte sich ein regel­
mit Pflanzen bedeckt. Die Professoren der                       mäßiger Verkehr auf dem trockenen See­
landwirtschaftlichen       Akademie    unter­                    boden zwischen den gegenüberliegenden
suchten und bestimmten diese Sumpfge­                           Ortschaften und es führten ausgefahrene
wächse im ausgetrockneten Seebecken und                          Wege von Illmitz nach Rust, von Podersdorf
gaben ihre botanischen Namen an als                              nach Oggau und Winden.
Äspidium Th., Cypsis ac., Dactylis glom.,
Carex (Breitschilf), Salicornia herb., rumex                        In den sechs Jahren der Trockenheit des
maritimus, silene multiflora, usw. Alle diese                    Sees hatten die Bewohner des östlichen
Pflanzen kommen sonst nur am Meeres­                             Ufers sich sehr über schlechte Ernten zu
strande vor und setzen einen salzreichen                         beklagen. Als Ursache des Mißwuchses
Boden voraus.                                                    gaben sie die große Dürre und den vielen
                                                                Flugsand an, mit welchem die Winde ihre
   Die genannten Professoren untersuchten                        Felder und Weingärten verwehten. In
im Jahre 1865 auch das Wasser und den                            Podersdorf kam dazu im Jahre 1864 ein
Untergrund des Seebettes und fanden, daß                         schrecklicher Hagel und ein Jahr später ein
das Wasser des hohen Schwefelgehaltes                            arger Frost, der ihre Hoffnung auf eine gute
wegen zu den Sulphat-Salz-Wassern gehöre.                        Weinernte zunichte machte. Die Bewohner
Dieselben Salze enthält auch der Untergrund,                     der Orte am See gingen händeringend umher
welcher aus Lehm, Sand, erdigen Teilen und                       und klagten bitter, daß sie verhungern
aus kohlensauren und schwefelsauren                             müßten, wenn die Trockenheit des Sees noch
Salzen besteht. Unter den vorkommenden                           lange andauern würde, denn ihr schrieben
Salzen im Boden herrscht das Glaubersalz                         sie den Mangel an Niederschlägen zu, auch
(schwefelsaures Natron) vor, kohlensaures                        den Hagel hätte der See angezogen, weil es
Natron (Soda), vom Volk „Zick“ ge­                               solchen auf ihren Feldern nie gegeben hatte,
nannt, ist sehr wenig vorhanden. Die                             solange der See mit Wasser gefüllt war. Der
Kohlensäure ist an Calzium gebunden,                             See regulierte die Temperatur und schützte
weswegen der Boden reich ist an kohlen­                          vor Frost, milderte das Klima, weswegen sie

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überzeugt waren, daß sie nur darum kein                         Sees mittels Tauchschlitten überfahren,
gutes Weinjahr in diesen 6 Jahren zu ver­                       um den gegenüber in Winden wohnenden
zeichnen hatten, weil der See trocken war.                      Mitbruder durch einen Besuch auf so
   Unter solchen Umständen begrüßte man                         seltenem Wege zu überraschen. In Folge des
mit Freuden das Wasser, welches sich im Jahre                   niedrigen Wasserstandes und des starken
1870 zuerst an den tieferen Stellen des                         Frostes starben 1892 sämtliche Fische im See
Seebeckens zeigte. Durch Schneeschmelze                         aus. Schon ein Jahr vorher konnte der
und Regen wurde das Wasser im folgenden                         Schreiber dieses Aufsatzes in Podersdorf
Frühjahr bedeutend vermehrt.                                    das interessante Schauspiel beobachten, wie
  Im Jahre 1872 erhielt der See viel Wasser                     aus dem Dorfe groß und klein zum See eilte
von der Rabnitz und Raab über den Hansag                        und massenhaft Fische sammelte, um selbe in
her. Es war nämlich damals der Wasserstand                      Körben und Tüchern nach Hause zu tragen
in der kleinen Donau so hoch, daß der                           und als Schweinefutter zu verwenden. Zu
Abfluß von der Raab her gehemmt wurde                           Tausenden schwammen die Fische am
und die rückstauenden Gewässer die Dämme                        Rücken, sie waren krank infolge des all zu
durchbrachen und in den See gedrängt                            schlammigen Wassers, das bei dem seichten
wurden. Der See näherte sich Podersdorf                         Stande sich nicht klären konnte, da die
auf etwa 200 Meter und hatte eine Tiefe von                     fortdauernden Winde es nicht zur Ruhe
60 bis 80 cm erreicht. In Kroisbach wurden                      kommen ließen. Der größte Fisch, den ich aus
die neuen Acker überschwemmt. Bald kamen                        dem See heraustragen sah, war ein Scheiden,
die Wasservögel wieder in großen Mengen                         welcher 30 kg wog. Acht jahre später
und es zeigten sich auch wieder die ersten                      meldeten die Windener Fischer voll Freuden,
Fische. Das rege Leben des zahlreichen                          daß kleine Fischlein im See sich zeigten. Vom
Wasserwildes kehrte wieder.                                     Jahre 1901 an wurde die Fischerei wieder auf­
                                                                genommen und ward von Jahr zu Jahr
   Vom Jahre 1873—1875 stieg das Wasser                         ergiebiger. Karpfen und Hechte bis zu
allmählich und im Jahre 1876 erreichte der                      2—3 Kilogramm wurden in Mengen
See schon seine ursprüngliche Größe. Er                         gefangen und waren auf dem Wiener
war nun von Podersdorf nur mehr 40—50                           Markt eine gesuchte Ware. Die Fische
Meter weit entfernt und hatte eine durch­                       kamen in den neuen See wahrscheinlich von
schnittliche Tife von über 1 Meter. In den                      der Rabnitz und es ist auch nicht unmöglich,
folgenden Jahren 1877 und 1878 breitete                         daß die Annahme mancher Leute richtig war,
sich der See immer mehr aus, so daß er sich in                  und Fischlaich durch das Wassergeflügel in
Podersdorf fast den Häusern näherte und                         den See gebracht wurde. Beim verminderten
die neue Kapelle bei Kroisbach unter Wasser                     Wasserstand 1912/1913 gingen die Fische
setzte. Auch die Gebäude der während der                        wieder größtenteils zugrunde.
Trockenheit in Mexika eingerichteten
Wirtschaft wurden unterwaschen und
stürzten des hohen Wasserstandes wegen in                        Ursachen der Schwankungen des Neusiedler Sees
den Jahren 1879—1880 ein. Die Seetiefe                             Der auffallende Wechsel im Wasserstande
betrug damals 2—3 Meter.                                         des Neusiedler Sees, das Schwinden und
   Im Jahre 1881 trat eine Wendung ein, das                      Kommen des Wassers erregte sowohl bei den
Wasser fing an ein wenig zu sinken, und der                      Seeuferbewohnern wie in den gelehrten
See ging um 40—50 Meter zurück. Er war                           Kreisen das lebhafteste Interesse. Als man
bald kleiner, bald größer, je nach den                           nach den Ursachen dieser merkwürdigen
Mengen der Niederschläge. Am geringsten                          Erscheinungen forschte, kam man zu
war der Wasserstand 1891 und 1892. Im                            verschiedenen Annahmen, deren Stich­
letzteren Jahre fror während des überaus                         haltigkeit keinesfalls vollauf bewiesen
strengen und lange andauernden Winters                           werden konnte. In der spärlichen Literatur
das Wasser des Sees bis zum Boden auf. Am                        über diesen Gegenstand finden sich Vertreter
4. März d. J. konnte der Pfarrer von Poders­                     von dreierlei Meinungen über die Schwan­
dorf noch über das Eis die ganze Breite des                      kungen des Sees. Einige meinen, daß die

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Niederschläge und die einströmenden                             So kam im Jahre 1837 im Frühjahr das Wasser
Bäche allein die Veränderungen verursachen                      in so gewaltigen Strömen, daß es den Damm
können, andere schreiben sie der Raab zu,                       bei Pamhagen durchbrach und sich in den
manche aber maßen dem Grundwasser die                           See ergoß. Auch im Jahre 1878 kam den
größte Bedeutung zu. Inwiefern diese                            ganzen Winter über viel Wasser und unter­
Annahmen ihre Berechtigung haben,                               wusch die Gebäude bei Mexika. Die Über­
wollen wir im folgenden einer Prüfung                           schwemmungen dieser Flüsse brachten
unterziehen:                                                    also tatsächlich einstens viel Wasser in den
   Unter den Bächen, welche sich in den See                     See. Seit aber die Raab und Rabnitz reguliert
ergießen, sind nennenswert die Wulka, der                        sind, können diese Flüsse auf den Wasser­
Kroisbach und der Windener Bach; die                            stand keinen Einfluß mehr ausüben; da aber
übrigen ganz kleinen Quellen, die am west­                      die Schwankungen auch in der neuesten
lichen Ufer zahlreich sind, liefern nur                          Zeit noch Vorkommen, so muß ein anderer
wenig Wasser. Doch alle diese Bächlein                          Faktor dies verursachen.
wären samt den Niederschlägen nicht                                 Die Hauptursache im Wechsel des Wasser­
imstande, den See mit Wasser zu füllen. Das                     standes kann nunmehr im Grundwasser
Wassergebiet des Sees kann mit 700 Quadrat­                     liegen. Am nördlichen und westlichen
kilometer angenommen werden. Die Nieder­                         Seeufer finden sich unzählige Quellen, die
schlagsmenge dieser Fläche gab man im                           aus dem Boden hervorsprudeln. Gräbt man
Austrocknungsplan mit 450 Millimeter                            auf Metertiefe in die Erde, findet man da
Durchschnitt an. Auf das ganze Seegebiet                        überall reichlich Wasser. Als in Winden im
gelangt nach fachmännischer Berechnung                          Jahre 1905 die Bachregulierung in Ver­
eine Wassermenge von 324 Millionen                              bindung mit einer Entwässerungsanlage
Kubikmeter durch die Niederschläge und                          durchgeführt wurde, konnte man nicht
Bäche. Diese Wassermenge würde einen                            genug staunen, wieviel Wasser sich in den
Wasserstand in der Höhe von 1 Meter                             Drainagegräben ansammelte. Besonders am
8 cm erzeugen, (abgerechnet die jährliche                       Abhange des Hackelberges mündete Quelle
Verdunstung mit 62 cm in der Theorie, in                         auf Quelle in den Saugkanal und füllten ihn
Wirklichkeit ist dieselbe noch niedriger). Bei                  so mit Wasser, daß es vorerst abgeleitet
Erwägung dieser Umstände muß es uns                             werden mußte, um die Arbeit fortsetzen zu
klar werden, daß das Zu- und Abnehmen des                       können. Und bis auf den heutigen Tag
Wassers in so großer Veränderlichkeit die                       fließt von dort aus der Rohrmündung jahrein
Niederschläge und die kleinen Bäche nicht                       jahraus das Wasser armdick hervor.
haben allein bewirken können. Beweis ist
auch die Austrocknung des Sees, während                           Daß das Grundwasser bei den Schwan­
welcher auch einige Bächlein in das Seebett                     kungen des Neusiedler Sees eine große
flössen.                                                        Rolle spielt, geben auch die Professoren der
   Die Raab war, wie an anderer Stelle mehr­                    Altenburger landwirtschaftlichen Akademie,
fach nachgewiesen wurde, in früherer Zeit                       Dr. Moser und Heeke, zu, welche im Jahre
Mitursache der Schwankungen des Sees. Bei                       1865 Untersuchungen am trockenen See­
hohem Wasserstande der Donau konnte das                         bette anstellten. In ihren „Gutachtlichen
Wasser der Raab nicht abfließen, weswegen                       Äußerungen über den See“ äußerten sich die­
es die Ufer durchbrach und dem natürlichen                      se Gelehrten also: „Bei der geringen Aus­
Gefälle folgend, durch den Hansag in den                        dehnung des Gefälles muß der See den
See gelangte. Dies ist umso leichter erklärbar,                 größten Teil seines Wassers aus dem Unter­
als das Niveau des Sees um 40,3 Meter tiefer                    gründe durch Aufsaugung gewonnen
liegt als die Raab bei Sarvar, und um 20 cm                     haben, und da sein Bett tiefer liegt, als die
tiefer als der Wasserspiegel des Über­                          Leitha und Donau, kann er auch von diesen
schwemmungsgebietes der Donau. Die Raab                         Flüssen gespeist worden sein. Es kann aber
und Rabnitz konnten also das Wasser des                         auch ein anderer Weg der Wasserzunahme
Sees vermehren, wie dies nach mehrfachen                        gedacht werden, nämlich der Zusammenhang
Berichten auch wirklich geschehen war.                          der unteren Schichten des Seebodens mit den

                                                                                                              91
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wässerleitenden Schichten des Wiener                             schreiend erhebt sich das Wassergeflügel,
Beckens. Durch das Steigen des unter­                            der Schatten eines Reihers wird bemerkbar,
irdischen Wassers im Wiener Becken kann                          eine verscheuchte Ente fliegt von dannen.
ein Steigen im See stattgefunden haben.“                         Unter solchen Wechselerscheinungen geht
Ebenso, meinen die genannten Professoren,                        es fort, bis man auf den offenen See gelangt.
kann das Sinken des Grundwassers in der                          Hier zeigt sich eine wundervolle Landschaft.
weiten Umgebung des Sees das Schwinden                           Am mondvergoldeten Wasserspiegel er­
des Wassers verursacht haben.                                    scheinen wie grüne Kränze die Wände der
   Südlich von Bruck a. L. zieht ein schmales                    Rohrinsel, bezaubernd erscheint die große
Tal gegen Parndorf und wendet sich von                           Wasserfläche in mattem Glanze des Mondes,
hier gegen Westen bis zur Preßburg-Öden-                         die geheimnisvolle Stille unterbricht hie und
                                                                 da der Laut eines unsichtbaren Wasservogels.
burger Straße und mündet über das sogenann­
te Hanftal bei Neusiedl in den See. Durch                        All dieses erweckt eine Stimmung, in welcher
                                                                 Nikolaus Lenau seine Schilflieder dichtete,
dieses Tal, so behauptet Joh. Pauer, erhielt
                                                                 von denen eines beginnt:
der Neusiedler See 1830 viel Wasser aus der
Leitha und Donau.                                                       „Auf dem Teich, dem regungslosen
   Es ist unstreitig, daß der Neusiedler See                            Ruht des Mondes holder Glanz,
viele landschaftlichen Schönheiten aufweist.                            Flechtend seine bleichen Rosen
24 Gemeinden liegen rund um den See; von                                In des Schilfes grünen Kranz.
welcher aus immer gesehen, bietet er ein                                Leise regt sich das Geflügel
anziehendes Bild. Am Ende des 19. Jahr­
hunderts wurde besonders bei Neusiedl                              Wassergeflügel gab es allzeit in großen
der Segel- und Rudersport eifrig betrieben.                     Massen am Neusiedler See und was am
Jedem, der eine Segelfahrt über den See bis                     meisten das Interesse des Naturfreundes
bis Rust mitmachte, war entzückt über die                       erweckt, ist die Verschiedenartigkeit der
Schönheiten, die er hier genießen konnte.                       Vogelwelt je nach der Jahreszeit. Im Sommer
Majestätisch breitet sich die rauschende                        nistet in dem Röhricht die große Saatengans
Wasserfläche aus, die umrahmt ist mit saftig                    und zieht im Herbst von dannen gegen
grünen Rohrwäldern. An verschiedenartig                          Süden, um See und Feld den viel zahlreicher
geformten Rohrinseln gleitet das Schiff                         erscheinenden Wintergänsen zu räumen.
vorbei, bald da bald dort erheben sich                          Anfang Oktober kommen diese von Norden
unter wildem Geschrei Scharen des Wasser­                       her in großen Scharen in V-Form geflogen
geflügels. Wohin das Auge blickt, ringsum                       und erfüllen die Lüfte mit ihrem
                                                                Geschrei und streben dem See zu, um zu
erscheinen am Ufergelände die Ortschaften,
                                                                ruhen. Von hier ziehen sie zweimal des Tags
und den großartigen Rahmen des fesselnden
                                                                zu Tausenden weit hinaus auf die Fluren,
Bildes bilden die verschiedenen Gebirge.
Der Schneeberg erhebt mächtig sein Haupt                        Körnerreste zu suchen, oder die grünenden
um herniederzuschauen auf die Seegefilde, in                    Herbstsaaten abzuweiden. Außer den Gänsen
                                                                beleben unzählbare Arten von Wildenten
seinem Gefolge ist die Rax, und aus weiter                       See und Tümpel in der Nähe des Sees.
Ferne lugt auch der Wechsel herüber. Das                        Im Frühjahr erscheinen die Möven, die
Leithagebirge bildet rechts die grünende                        mannigfaltigen Reiher, ausnahmsweise auch
Augenweide. Eine ergreifende Schönheit der                      Kraniche, Schwäne, Ibise. Verschiedenartige
Natur bietet sich hier dar, die sich mit der                    Wasserschnepfen und Sandläufer machen
eines Gebirgssees wohl messen kann.                             sich am Seeufer bemerkbar und hoch in den
   Ein Vollmondabend zur Sommerzeit am                          Lüften kreisen die trauten Störche, deren
 See bleibt jedem unvergeßlich, der Ge­                         Nester manchen Schornstein zieren und die
legenheit hatte, einen solchen mitzumachen.                     als wahre Hausvögel sich des Schutzes der
Durch die Gasse eines Rohrwaldes bewegt                         Bewohner erfreuen. Mit einem Worte, die
sich der Kahn in gleichen Ruderstößen, der                      Vogelwelt am Neusiedler See ist einzig in
klagende Laut der Rohrdommel tönt                               ihrer Mannigfaltigkeit. Nach dem Ornitho­
geheimnisvoll aus dem Dickicht, laut auf­                       logen, Professor Stefan Fassei OSB, der viel

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Mühe und Zeit dafür verwendete, die Vögel                         Auch die Fischerei bildete ehedem eine
des Neusiedler Sees zu studieren und zu                        nicht unbedeutende Einnahmsquelle für
sammeln, befinden sich von den 330 Vogel­                      mehrere Seegemeinden. Jetzt beklagen sie
arten Ungarns 250 an diesem See und im                         den niedrigen Wasserstand, welchen der
Hansag.                                                        Ableitungskanal verursachte, denn die
                                                               Fische sind aus dem See geschwunden.
  Der ungemein große Reichtum an Wasser­                       Noch trägt aber der Fischer die Hoffnung,
geflügel, wie das andere Wild im Dickichte                     daß der See wieder wasserreich sein wird,
der Rohrwälder, wo Füchse und Rehe sich                        was das Emporblühen ihres Gewerbes zur
verborgen halten, übte seit jeher eine große                   Folge haben würde. So ist es begreiflich, daß
Anziehungskraft auf die Jagdliebhaber aus                      auch die Fischerzunft die Trockenlegung des
und so statteten dem Neusiedler See                            Sees verwünschet.
höchststehende Jäger ihre Besuche ab. So                          Daß der See ohne Einfluß auf den Weinbau
jagte am 18. Juli 1854 Se. Majestät Kaiser                     wäre, wird kein Sachkundiger behaupten.
Franz Josef bei Pamhagen und am 26. Juli                       Die Rebe ist eben eine Strandpflanze und
1876 Kronprinz Rudolf bei Breitenbrunn                         gedeiht am besten am Ufergelände von
am See.                                                        Gewässern, und auch berühmteste Weinlagen
                                                               liegen an der Küste des Meeres, im Fluß­
   Von der Pflanzenwelt ist am Neusiedler                      gebiete des Rheines, am Plattensee usw.
See das Schilfrohr am meisten vertreten. In                    Die Gegend des Neusiedler Sees ist rund­
2—3 Kilometer breiten Streifen ziehen sich                     herum mit der edlen Rebe bepflanzt und der
am nördlichen Ufer undurchdringliche                           Weinbau ist die beste Grundlage des Wohl­
Schilfwälder hin, von Neusiedl bis Rust und                    standes der Bevölkerung. Zur Zeit der
Wolfs. Das Schilfrohr bildet einen gesuchten                   Trockenperiode des Sees 1865—1871 hatte
Handelsartikel, der in Dielen- und Matten­                      man sich über sehr schlechte Weinernten zu
fabriken Verwendung findet. Vielfach wird                      beklagen. Die Weingärten litten am Früh­
es auch als Deckmaterial auf Gebäuden                          jahrsfroste, Hagel usw. Man schrieb diese
gebraucht. Ein Rohrbund von 1 Meter im                         üblen Einwirkungen der Trockenheit des
Umfange, 2 Meter lang wurde verwertet um                       Sees zu. Erfahrung und Naturgesetze
30—60 Heller, und das Schneiden und Binden                     lehren es, daß eine so große Wassermenge,
ist ein guter Verdienst der Uferbewohner im                    wie sie ein See enthält, viel Wärme zu binden
Winter. Sobald der See fest gefroren ist,                      vermag und auf das Klima großen Einfluß
sieht man tausende Menschen, wie sie am Eise                   ausübt, also imstande ist, vor Frost zu
das Rohr mit Stoßeisenschlitten schneiden,                     schützen.
binden und an das Ufer herausziehen. Diese                        Auch auf die Niederschläge bleibt der See
Leute sind gegen die Austrocknung des                          nicht ohne Wirkung. Man ist aus diesen
Sees, denn ohne Wasser gäbe es kein Rohr,                      Gründen der Überzeugung, daß es ohne See
und ohne Rohr gingen sie des guten Ver­                        keinen ergiebigen Weinbau in dieser Gegend
dienstes verlustig. Jungrohr wird im Sommer                    geben würde, wie man es auch dem See zu­
geschnitten und als Viehfutter verwendet,                      schreibt, daß in Rust und Umgebung so
wohl auch in die Städte geliefert, wo es                       sehr berühmte Qualitätsweine erzielt werden.
gehäxelt guten Absatz findet. Hundert­                         Es ist somit klar, daß auch die Weinbau
tausende Kronen bringt das Schilfrohr in                       treibende Bevölkerung sich mit dem
die Seegegend herein, was nicht der Fall                       Gedanken einer Abzapfung des Sees ganz
wäre nach einer geschehenen Entwässerung.                      und gar nicht befreunden kann.

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