Die letzte Trockenperiode des Neusiedler See 1865-1871
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
©Österr. Fischereiverband u. Bundesamt f. Wasserwirtschaft, download unter www.zobodat.at Die letzte Trockenperiode des Neusiedler See 1865-1871 (aus einer alten Chronik) Der Neusiedler See war nachweislich vor zwischen den schlammigen Vertiefungen zwei Jahrtausenden wie auch im Mittelalter gewählt. und später (z. B. 1736, 1811) zum Teil oder Soweit das Auge reichte, sah man vom Ufer ganz ausgetrocknet. In keinem dieser Fälle aus kein Wasser im Seebecken. Der Bach bei aber war das Schwinden des Wassers von so Winden und die Wulka zwischen Donners langer Dauer wie bei der letzten Aus kirchen und Oggau sandten zwar ihr Wasser trocknung, welche von 1865—1871 das ganze ins Seebecken, konnten aber den dahinge Seebecken fast wasserlos erscheinen ließ. gangenen See vor dem Austrocknen nicht Schon 1864 war der Wasserstand im See retten. An der Einmündungsstelle der Bäche nieder und große Flächen waren praktisch bildeten sich kleinere und größere Pfützen, wasserfrei. Der Sommer des Jahres 1865 der See aber schien dem Tode geweiht zu bereitete dann durch heiße Tage, Föhnwinde sein. Die einströmenden Bäche waren also bei andauerndem Regenmangel dem See ein nicht imstande, den See mit Wasser zu füllen. rasches Ende. Von Mitte Juni an schwand Über zwei Erscheinungen, die während alles Wasser, in der ganzen Seebreite wurde es der Trockenheit des Sees häufig beobachtet trocken, nur an der tieferen Stelle zwischen werden konnten, verwunderten sich die Apetlon und Esterhaz schimmerte ein Leute der Umgebung sehr. Die erste Er schmaler Wasserstreifen. Der Bodenschlamm scheinung bestand darin, daß Objekte, die trocknete bald auf und entwickelte mit dem man aus der Ferne im Seegebiete beobachtete, herauskristallisierten Salze viel Staub, den stark vergrößert erschienen. Die auf der leiseste Wind emporwirbelte und große steigenden Dünste und die heiße Luft Staubwolken bildete, welche den Leuten wie schienen die Eigenschaft eines Vergröße Rauchwolken erschienen und oft die rungsglases zu haben. Wandelte jemand im Meinung weckten, daß am drüberen Seeufer ausgetrockneten Seebecken, so erschien eine Feuersbrunst wüte. diese Gestalt vom Ufer wie eine Stange, Die Oberfläche des Seebodens war glatt welche sich bewegte und umso höher wurde, wie eine Tenne. Durch Eintrocknung bildete je mehr sie sich vom Beschauer entfernte. sich eine Kruste von sechs bis sieben Zenti Die Gestalt schien ganz von Wasser umgeben meter Dicke, welche den 60 bis 80 Zentimeter zu sein. tiefen Schlamm bedeckte. Die Sprünge der Noch mehr Aufsehen erregte die andere Schlammkruste teilten dieselbe in mehr oder Erscheinung, die von den Physikern Luft weniger regelmäßige Quadrate. Das Gehen spiegelung oder Fata Morgana genannt auf dem Seeboden war sehr unsicher, weil wird. Mit Staunen sahen die Seeuferbe die Kruste unter den Füßen leicht einbrach wohner öfters an sonnigen, windstillen und der Wanderer bis über die Knie in den Tagen hoch in der Luft das verkehrte Schlamm sank. Ein gewisser Mayrhofer Spiegelbild einer gegenüberliegenden Ge versuchte mit einem Begleiter eine Fußpartie meinde so, als ob sie von Wasser umgeben von Weiden nach Oggau über das aus wäre. Die Podersdorfer sahen oft die Pur getrocknete Seebecken am 24. September bacher oder Weidner Kirche mit umgekehrter 1864. Der Versuch gelang nach Überwindung Turmspitze, umgeben von Häusern gleich großer Schwierigkeiten, da die Kruste oft sam in der Luft schweben, wobei alle durchbrach und die Wanderer ihre Füße aus Einzelheiten des Bildes beobachtet werden dem Schlamme nur mit großer Kraft konnten. anstrengung herausziehen konnten. Die Diese Erscheinung kommt am ausge sandigen Stellen boten ein sicheres Gehen trockneten Hansag auch jetzt oft vor und ist und wurden darum zum Weiterschreiten besonders in der ungarischen Tiefebene keine 88
©Österr. Fischereiverband u. Bundesamt f. Wasserwirtschaft, download unter www.zobodat.at Seltenheit. Die Naturlehre sucht die Er saurem Kalk. Es fehlen aber größtenteils klärung darin, daß auf großen Flächen die die Kalisalze, weshalb der Boden des See untere Luftschichte mehr erwärmt wird beckens nur dann zum Fruchtbau geeignet als die obere. Die Sonnenstrahlen brechen wäre, wenn diese fehlenden Stoffe ersetzt sich in der unteren Schichte und werden von würden. der oberen reflektiert, wodurch das ver Da nun das Seebett schon drei Jahre lang kehrte Spiegelbild entsteht. Das ausgetrock trocken dalag, meinte man, es würde über nete Seebecken bildete eine große ebene haupt kein Wasser mehr kommen. Aus dieser Fläche und besaß im hohen Grade die Meinung wuchs der Plan heraus, die große Eigenschaft, welche die Erscheinung der Fläche des Seebodens für die Landwirtschaft Luftspiegelung begünstigte. nutzbar zu machen, was tatsächlich im Jahre Am unliebsamsten wurde es empfunden, 1868 durchgeführt wurde. Am nordwest daß zur Zeit der Trockenheit des Sees der am lichen Ufer, besonders an jenen Stellen, wo Seeboden entstandene Salzstaub überallhin früher Rohr wuchs, wurden Anbauversuche durch die Winde verweht wurde, das unternommen, die gut gelangen. Bei Winden ganze Ufergelände bedeckte und sich zu wuchs der schönste Weizen auf einge Hügeln anhäufte. Besonders Podersdorf trocknetem Schlamme und das Ufergelände litt viel unter diesen Salzstaubverwehungen. von hier bis Wolfs erwies sich als überaus Die meist nördlichen Winde brachten viel fruchtbarer Boden, Frucht und Rüben solchen Staub, umhüllten die Gemeinde mit ergaben reichliche Ernten. Doch bald folgte Wolken und verwehten oft ganze Wein eine arge Enttäuschung, die Wirtschaften gärten und Äcker. Die Leute in Podersdorf mußten schon nach 2 Jahren außer Betrieb bekamen fast alle Augenentzündungen gesetzt werden, da wider Erwarten das durch die Einwirkung des ,,Zickstaubes“ Wasser zurückkehrte und die Kulturen überflutete. Im Jahre 1860 war der Seeboden schon Im Jahre 1868 entwickelte sich ein regel mit Pflanzen bedeckt. Die Professoren der mäßiger Verkehr auf dem trockenen See landwirtschaftlichen Akademie unter boden zwischen den gegenüberliegenden suchten und bestimmten diese Sumpfge Ortschaften und es führten ausgefahrene wächse im ausgetrockneten Seebecken und Wege von Illmitz nach Rust, von Podersdorf gaben ihre botanischen Namen an als nach Oggau und Winden. Äspidium Th., Cypsis ac., Dactylis glom., Carex (Breitschilf), Salicornia herb., rumex In den sechs Jahren der Trockenheit des maritimus, silene multiflora, usw. Alle diese Sees hatten die Bewohner des östlichen Pflanzen kommen sonst nur am Meeres Ufers sich sehr über schlechte Ernten zu strande vor und setzen einen salzreichen beklagen. Als Ursache des Mißwuchses Boden voraus. gaben sie die große Dürre und den vielen Flugsand an, mit welchem die Winde ihre Die genannten Professoren untersuchten Felder und Weingärten verwehten. In im Jahre 1865 auch das Wasser und den Podersdorf kam dazu im Jahre 1864 ein Untergrund des Seebettes und fanden, daß schrecklicher Hagel und ein Jahr später ein das Wasser des hohen Schwefelgehaltes arger Frost, der ihre Hoffnung auf eine gute wegen zu den Sulphat-Salz-Wassern gehöre. Weinernte zunichte machte. Die Bewohner Dieselben Salze enthält auch der Untergrund, der Orte am See gingen händeringend umher welcher aus Lehm, Sand, erdigen Teilen und und klagten bitter, daß sie verhungern aus kohlensauren und schwefelsauren müßten, wenn die Trockenheit des Sees noch Salzen besteht. Unter den vorkommenden lange andauern würde, denn ihr schrieben Salzen im Boden herrscht das Glaubersalz sie den Mangel an Niederschlägen zu, auch (schwefelsaures Natron) vor, kohlensaures den Hagel hätte der See angezogen, weil es Natron (Soda), vom Volk „Zick“ ge solchen auf ihren Feldern nie gegeben hatte, nannt, ist sehr wenig vorhanden. Die solange der See mit Wasser gefüllt war. Der Kohlensäure ist an Calzium gebunden, See regulierte die Temperatur und schützte weswegen der Boden reich ist an kohlen vor Frost, milderte das Klima, weswegen sie 89
©Österr. Fischereiverband u. Bundesamt f. Wasserwirtschaft, download unter www.zobodat.at überzeugt waren, daß sie nur darum kein Sees mittels Tauchschlitten überfahren, gutes Weinjahr in diesen 6 Jahren zu ver um den gegenüber in Winden wohnenden zeichnen hatten, weil der See trocken war. Mitbruder durch einen Besuch auf so Unter solchen Umständen begrüßte man seltenem Wege zu überraschen. In Folge des mit Freuden das Wasser, welches sich im Jahre niedrigen Wasserstandes und des starken 1870 zuerst an den tieferen Stellen des Frostes starben 1892 sämtliche Fische im See Seebeckens zeigte. Durch Schneeschmelze aus. Schon ein Jahr vorher konnte der und Regen wurde das Wasser im folgenden Schreiber dieses Aufsatzes in Podersdorf Frühjahr bedeutend vermehrt. das interessante Schauspiel beobachten, wie Im Jahre 1872 erhielt der See viel Wasser aus dem Dorfe groß und klein zum See eilte von der Rabnitz und Raab über den Hansag und massenhaft Fische sammelte, um selbe in her. Es war nämlich damals der Wasserstand Körben und Tüchern nach Hause zu tragen in der kleinen Donau so hoch, daß der und als Schweinefutter zu verwenden. Zu Abfluß von der Raab her gehemmt wurde Tausenden schwammen die Fische am und die rückstauenden Gewässer die Dämme Rücken, sie waren krank infolge des all zu durchbrachen und in den See gedrängt schlammigen Wassers, das bei dem seichten wurden. Der See näherte sich Podersdorf Stande sich nicht klären konnte, da die auf etwa 200 Meter und hatte eine Tiefe von fortdauernden Winde es nicht zur Ruhe 60 bis 80 cm erreicht. In Kroisbach wurden kommen ließen. Der größte Fisch, den ich aus die neuen Acker überschwemmt. Bald kamen dem See heraustragen sah, war ein Scheiden, die Wasservögel wieder in großen Mengen welcher 30 kg wog. Acht jahre später und es zeigten sich auch wieder die ersten meldeten die Windener Fischer voll Freuden, Fische. Das rege Leben des zahlreichen daß kleine Fischlein im See sich zeigten. Vom Wasserwildes kehrte wieder. Jahre 1901 an wurde die Fischerei wieder auf genommen und ward von Jahr zu Jahr Vom Jahre 1873—1875 stieg das Wasser ergiebiger. Karpfen und Hechte bis zu allmählich und im Jahre 1876 erreichte der 2—3 Kilogramm wurden in Mengen See schon seine ursprüngliche Größe. Er gefangen und waren auf dem Wiener war nun von Podersdorf nur mehr 40—50 Markt eine gesuchte Ware. Die Fische Meter weit entfernt und hatte eine durch kamen in den neuen See wahrscheinlich von schnittliche Tife von über 1 Meter. In den der Rabnitz und es ist auch nicht unmöglich, folgenden Jahren 1877 und 1878 breitete daß die Annahme mancher Leute richtig war, sich der See immer mehr aus, so daß er sich in und Fischlaich durch das Wassergeflügel in Podersdorf fast den Häusern näherte und den See gebracht wurde. Beim verminderten die neue Kapelle bei Kroisbach unter Wasser Wasserstand 1912/1913 gingen die Fische setzte. Auch die Gebäude der während der wieder größtenteils zugrunde. Trockenheit in Mexika eingerichteten Wirtschaft wurden unterwaschen und stürzten des hohen Wasserstandes wegen in Ursachen der Schwankungen des Neusiedler Sees den Jahren 1879—1880 ein. Die Seetiefe Der auffallende Wechsel im Wasserstande betrug damals 2—3 Meter. des Neusiedler Sees, das Schwinden und Im Jahre 1881 trat eine Wendung ein, das Kommen des Wassers erregte sowohl bei den Wasser fing an ein wenig zu sinken, und der Seeuferbewohnern wie in den gelehrten See ging um 40—50 Meter zurück. Er war Kreisen das lebhafteste Interesse. Als man bald kleiner, bald größer, je nach den nach den Ursachen dieser merkwürdigen Mengen der Niederschläge. Am geringsten Erscheinungen forschte, kam man zu war der Wasserstand 1891 und 1892. Im verschiedenen Annahmen, deren Stich letzteren Jahre fror während des überaus haltigkeit keinesfalls vollauf bewiesen strengen und lange andauernden Winters werden konnte. In der spärlichen Literatur das Wasser des Sees bis zum Boden auf. Am über diesen Gegenstand finden sich Vertreter 4. März d. J. konnte der Pfarrer von Poders von dreierlei Meinungen über die Schwan dorf noch über das Eis die ganze Breite des kungen des Sees. Einige meinen, daß die 90
©Österr. Fischereiverband u. Bundesamt f. Wasserwirtschaft, download unter www.zobodat.at Niederschläge und die einströmenden So kam im Jahre 1837 im Frühjahr das Wasser Bäche allein die Veränderungen verursachen in so gewaltigen Strömen, daß es den Damm können, andere schreiben sie der Raab zu, bei Pamhagen durchbrach und sich in den manche aber maßen dem Grundwasser die See ergoß. Auch im Jahre 1878 kam den größte Bedeutung zu. Inwiefern diese ganzen Winter über viel Wasser und unter Annahmen ihre Berechtigung haben, wusch die Gebäude bei Mexika. Die Über wollen wir im folgenden einer Prüfung schwemmungen dieser Flüsse brachten unterziehen: also tatsächlich einstens viel Wasser in den Unter den Bächen, welche sich in den See See. Seit aber die Raab und Rabnitz reguliert ergießen, sind nennenswert die Wulka, der sind, können diese Flüsse auf den Wasser Kroisbach und der Windener Bach; die stand keinen Einfluß mehr ausüben; da aber übrigen ganz kleinen Quellen, die am west die Schwankungen auch in der neuesten lichen Ufer zahlreich sind, liefern nur Zeit noch Vorkommen, so muß ein anderer wenig Wasser. Doch alle diese Bächlein Faktor dies verursachen. wären samt den Niederschlägen nicht Die Hauptursache im Wechsel des Wasser imstande, den See mit Wasser zu füllen. Das standes kann nunmehr im Grundwasser Wassergebiet des Sees kann mit 700 Quadrat liegen. Am nördlichen und westlichen kilometer angenommen werden. Die Nieder Seeufer finden sich unzählige Quellen, die schlagsmenge dieser Fläche gab man im aus dem Boden hervorsprudeln. Gräbt man Austrocknungsplan mit 450 Millimeter auf Metertiefe in die Erde, findet man da Durchschnitt an. Auf das ganze Seegebiet überall reichlich Wasser. Als in Winden im gelangt nach fachmännischer Berechnung Jahre 1905 die Bachregulierung in Ver eine Wassermenge von 324 Millionen bindung mit einer Entwässerungsanlage Kubikmeter durch die Niederschläge und durchgeführt wurde, konnte man nicht Bäche. Diese Wassermenge würde einen genug staunen, wieviel Wasser sich in den Wasserstand in der Höhe von 1 Meter Drainagegräben ansammelte. Besonders am 8 cm erzeugen, (abgerechnet die jährliche Abhange des Hackelberges mündete Quelle Verdunstung mit 62 cm in der Theorie, in auf Quelle in den Saugkanal und füllten ihn Wirklichkeit ist dieselbe noch niedriger). Bei so mit Wasser, daß es vorerst abgeleitet Erwägung dieser Umstände muß es uns werden mußte, um die Arbeit fortsetzen zu klar werden, daß das Zu- und Abnehmen des können. Und bis auf den heutigen Tag Wassers in so großer Veränderlichkeit die fließt von dort aus der Rohrmündung jahrein Niederschläge und die kleinen Bäche nicht jahraus das Wasser armdick hervor. haben allein bewirken können. Beweis ist auch die Austrocknung des Sees, während Daß das Grundwasser bei den Schwan welcher auch einige Bächlein in das Seebett kungen des Neusiedler Sees eine große flössen. Rolle spielt, geben auch die Professoren der Die Raab war, wie an anderer Stelle mehr Altenburger landwirtschaftlichen Akademie, fach nachgewiesen wurde, in früherer Zeit Dr. Moser und Heeke, zu, welche im Jahre Mitursache der Schwankungen des Sees. Bei 1865 Untersuchungen am trockenen See hohem Wasserstande der Donau konnte das bette anstellten. In ihren „Gutachtlichen Wasser der Raab nicht abfließen, weswegen Äußerungen über den See“ äußerten sich die es die Ufer durchbrach und dem natürlichen se Gelehrten also: „Bei der geringen Aus Gefälle folgend, durch den Hansag in den dehnung des Gefälles muß der See den See gelangte. Dies ist umso leichter erklärbar, größten Teil seines Wassers aus dem Unter als das Niveau des Sees um 40,3 Meter tiefer gründe durch Aufsaugung gewonnen liegt als die Raab bei Sarvar, und um 20 cm haben, und da sein Bett tiefer liegt, als die tiefer als der Wasserspiegel des Über Leitha und Donau, kann er auch von diesen schwemmungsgebietes der Donau. Die Raab Flüssen gespeist worden sein. Es kann aber und Rabnitz konnten also das Wasser des auch ein anderer Weg der Wasserzunahme Sees vermehren, wie dies nach mehrfachen gedacht werden, nämlich der Zusammenhang Berichten auch wirklich geschehen war. der unteren Schichten des Seebodens mit den 91
©Österr. Fischereiverband u. Bundesamt f. Wasserwirtschaft, download unter www.zobodat.at wässerleitenden Schichten des Wiener schreiend erhebt sich das Wassergeflügel, Beckens. Durch das Steigen des unter der Schatten eines Reihers wird bemerkbar, irdischen Wassers im Wiener Becken kann eine verscheuchte Ente fliegt von dannen. ein Steigen im See stattgefunden haben.“ Unter solchen Wechselerscheinungen geht Ebenso, meinen die genannten Professoren, es fort, bis man auf den offenen See gelangt. kann das Sinken des Grundwassers in der Hier zeigt sich eine wundervolle Landschaft. weiten Umgebung des Sees das Schwinden Am mondvergoldeten Wasserspiegel er des Wassers verursacht haben. scheinen wie grüne Kränze die Wände der Südlich von Bruck a. L. zieht ein schmales Rohrinsel, bezaubernd erscheint die große Tal gegen Parndorf und wendet sich von Wasserfläche in mattem Glanze des Mondes, hier gegen Westen bis zur Preßburg-Öden- die geheimnisvolle Stille unterbricht hie und da der Laut eines unsichtbaren Wasservogels. burger Straße und mündet über das sogenann te Hanftal bei Neusiedl in den See. Durch All dieses erweckt eine Stimmung, in welcher Nikolaus Lenau seine Schilflieder dichtete, dieses Tal, so behauptet Joh. Pauer, erhielt von denen eines beginnt: der Neusiedler See 1830 viel Wasser aus der Leitha und Donau. „Auf dem Teich, dem regungslosen Es ist unstreitig, daß der Neusiedler See Ruht des Mondes holder Glanz, viele landschaftlichen Schönheiten aufweist. Flechtend seine bleichen Rosen 24 Gemeinden liegen rund um den See; von In des Schilfes grünen Kranz. welcher aus immer gesehen, bietet er ein Leise regt sich das Geflügel anziehendes Bild. Am Ende des 19. Jahr hunderts wurde besonders bei Neusiedl Wassergeflügel gab es allzeit in großen der Segel- und Rudersport eifrig betrieben. Massen am Neusiedler See und was am Jedem, der eine Segelfahrt über den See bis meisten das Interesse des Naturfreundes bis Rust mitmachte, war entzückt über die erweckt, ist die Verschiedenartigkeit der Schönheiten, die er hier genießen konnte. Vogelwelt je nach der Jahreszeit. Im Sommer Majestätisch breitet sich die rauschende nistet in dem Röhricht die große Saatengans Wasserfläche aus, die umrahmt ist mit saftig und zieht im Herbst von dannen gegen grünen Rohrwäldern. An verschiedenartig Süden, um See und Feld den viel zahlreicher geformten Rohrinseln gleitet das Schiff erscheinenden Wintergänsen zu räumen. vorbei, bald da bald dort erheben sich Anfang Oktober kommen diese von Norden unter wildem Geschrei Scharen des Wasser her in großen Scharen in V-Form geflogen geflügels. Wohin das Auge blickt, ringsum und erfüllen die Lüfte mit ihrem Geschrei und streben dem See zu, um zu erscheinen am Ufergelände die Ortschaften, ruhen. Von hier ziehen sie zweimal des Tags und den großartigen Rahmen des fesselnden zu Tausenden weit hinaus auf die Fluren, Bildes bilden die verschiedenen Gebirge. Der Schneeberg erhebt mächtig sein Haupt Körnerreste zu suchen, oder die grünenden um herniederzuschauen auf die Seegefilde, in Herbstsaaten abzuweiden. Außer den Gänsen beleben unzählbare Arten von Wildenten seinem Gefolge ist die Rax, und aus weiter See und Tümpel in der Nähe des Sees. Ferne lugt auch der Wechsel herüber. Das Im Frühjahr erscheinen die Möven, die Leithagebirge bildet rechts die grünende mannigfaltigen Reiher, ausnahmsweise auch Augenweide. Eine ergreifende Schönheit der Kraniche, Schwäne, Ibise. Verschiedenartige Natur bietet sich hier dar, die sich mit der Wasserschnepfen und Sandläufer machen eines Gebirgssees wohl messen kann. sich am Seeufer bemerkbar und hoch in den Ein Vollmondabend zur Sommerzeit am Lüften kreisen die trauten Störche, deren See bleibt jedem unvergeßlich, der Ge Nester manchen Schornstein zieren und die legenheit hatte, einen solchen mitzumachen. als wahre Hausvögel sich des Schutzes der Durch die Gasse eines Rohrwaldes bewegt Bewohner erfreuen. Mit einem Worte, die sich der Kahn in gleichen Ruderstößen, der Vogelwelt am Neusiedler See ist einzig in klagende Laut der Rohrdommel tönt ihrer Mannigfaltigkeit. Nach dem Ornitho geheimnisvoll aus dem Dickicht, laut auf logen, Professor Stefan Fassei OSB, der viel 92
©Österr. Fischereiverband u. Bundesamt f. Wasserwirtschaft, download unter www.zobodat.at Mühe und Zeit dafür verwendete, die Vögel Auch die Fischerei bildete ehedem eine des Neusiedler Sees zu studieren und zu nicht unbedeutende Einnahmsquelle für sammeln, befinden sich von den 330 Vogel mehrere Seegemeinden. Jetzt beklagen sie arten Ungarns 250 an diesem See und im den niedrigen Wasserstand, welchen der Hansag. Ableitungskanal verursachte, denn die Fische sind aus dem See geschwunden. Der ungemein große Reichtum an Wasser Noch trägt aber der Fischer die Hoffnung, geflügel, wie das andere Wild im Dickichte daß der See wieder wasserreich sein wird, der Rohrwälder, wo Füchse und Rehe sich was das Emporblühen ihres Gewerbes zur verborgen halten, übte seit jeher eine große Folge haben würde. So ist es begreiflich, daß Anziehungskraft auf die Jagdliebhaber aus auch die Fischerzunft die Trockenlegung des und so statteten dem Neusiedler See Sees verwünschet. höchststehende Jäger ihre Besuche ab. So Daß der See ohne Einfluß auf den Weinbau jagte am 18. Juli 1854 Se. Majestät Kaiser wäre, wird kein Sachkundiger behaupten. Franz Josef bei Pamhagen und am 26. Juli Die Rebe ist eben eine Strandpflanze und 1876 Kronprinz Rudolf bei Breitenbrunn gedeiht am besten am Ufergelände von am See. Gewässern, und auch berühmteste Weinlagen liegen an der Küste des Meeres, im Fluß Von der Pflanzenwelt ist am Neusiedler gebiete des Rheines, am Plattensee usw. See das Schilfrohr am meisten vertreten. In Die Gegend des Neusiedler Sees ist rund 2—3 Kilometer breiten Streifen ziehen sich herum mit der edlen Rebe bepflanzt und der am nördlichen Ufer undurchdringliche Weinbau ist die beste Grundlage des Wohl Schilfwälder hin, von Neusiedl bis Rust und standes der Bevölkerung. Zur Zeit der Wolfs. Das Schilfrohr bildet einen gesuchten Trockenperiode des Sees 1865—1871 hatte Handelsartikel, der in Dielen- und Matten man sich über sehr schlechte Weinernten zu fabriken Verwendung findet. Vielfach wird beklagen. Die Weingärten litten am Früh es auch als Deckmaterial auf Gebäuden jahrsfroste, Hagel usw. Man schrieb diese gebraucht. Ein Rohrbund von 1 Meter im üblen Einwirkungen der Trockenheit des Umfange, 2 Meter lang wurde verwertet um Sees zu. Erfahrung und Naturgesetze 30—60 Heller, und das Schneiden und Binden lehren es, daß eine so große Wassermenge, ist ein guter Verdienst der Uferbewohner im wie sie ein See enthält, viel Wärme zu binden Winter. Sobald der See fest gefroren ist, vermag und auf das Klima großen Einfluß sieht man tausende Menschen, wie sie am Eise ausübt, also imstande ist, vor Frost zu das Rohr mit Stoßeisenschlitten schneiden, schützen. binden und an das Ufer herausziehen. Diese Auch auf die Niederschläge bleibt der See Leute sind gegen die Austrocknung des nicht ohne Wirkung. Man ist aus diesen Sees, denn ohne Wasser gäbe es kein Rohr, Gründen der Überzeugung, daß es ohne See und ohne Rohr gingen sie des guten Ver keinen ergiebigen Weinbau in dieser Gegend dienstes verlustig. Jungrohr wird im Sommer geben würde, wie man es auch dem See zu geschnitten und als Viehfutter verwendet, schreibt, daß in Rust und Umgebung so wohl auch in die Städte geliefert, wo es sehr berühmte Qualitätsweine erzielt werden. gehäxelt guten Absatz findet. Hundert Es ist somit klar, daß auch die Weinbau tausende Kronen bringt das Schilfrohr in treibende Bevölkerung sich mit dem die Seegegend herein, was nicht der Fall Gedanken einer Abzapfung des Sees ganz wäre nach einer geschehenen Entwässerung. und gar nicht befreunden kann. 93
Sie können auch lesen