DIE MASSAI - OSTAFRIKA - VÖLKERKUNDLICHE STUDIE - BEI DUEPUBLICO

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DIE MASSAI - OSTAFRIKA - VÖLKERKUNDLICHE STUDIE - BEI DUEPUBLICO
A. Heckhoff
Folkwangschule für Gestaltung, Abteilung Architektur
Essen-Werden, WS 1969/70

Völkerkundliche Studie

Die MASSAI - Ostafrika
Untersuchung der typischen Behausung einer naturvölkischen Kultur heutiger Zeit

Massaihütte (Oliver, S. 78)

“Die Karte zeigt das Wohngebiet der Massai (ocker):mit Gras
bewachsene Hochebenen, die ein ausgezeichnetes Gebiet für die
Rinderzucht sind.“ (10, 1965,, S. 61)
DIE MASSAI - OSTAFRIKA - VÖLKERKUNDLICHE STUDIE - BEI DUEPUBLICO
Siehe earth.google.de

Inhaltsverzeichnis
          Einleitung
          I. Gegebenheiten des Umsystems (Link > Umsysstem)
A. Geschichtliche, rassische, sprachliche und ethnische Einordnung
B. Bevölkerungsdichte und klimatische Bedingungen, im Zusammenhang mit der Vegetation
C Lebensweise der Massai
C.1 Politischer und sozialer Aufbau innerhalb eines Stammes
C.2 Ehe und Familie
C.3 Glaube und Charakter
C.4 Das Wirtschaftsleben
C.5 Kleidung und Schmuck

          II. Beschreibung des Objektsystems (Link > Objektsystem)
                    A. Behausung
                    B. Kral
                    C. Schmiede
                    Modellaufnahme
                    Stellungnahme

Literaturnachweis
DIE MASSAI - OSTAFRIKA - VÖLKERKUNDLICHE STUDIE - BEI DUEPUBLICO
Einleitung
Die folgenden Ausführungen befassen sich mit dem Stamm der Massai. Da mir die
Lebensweise der Massai bisher unbekannt war, entstand diese Arbeit mit Hilfe von
völkerkundlichen Literaturen. Hauptträger waren dabei die Bücher von H. A. Bernatzik (6)
und M. Merker (7). Obwohl letztere Studie schon 1907 verfaßt und 1910 herausgegeben
wurde, enthält diese keine wesentlich unterschiedlichen Aussagen zu späteren Quellen.
Infolge dessen gab mir M. Merker die Grundlage zu meinen Ausführungen.

Wohngebiete des Massaivolkes (7, Anhang)
Der Erdteil Afrika ist zu einem Begriff geworden, mit dem die Europäer früher die
Erforschung des Unbekannten verbanden und später dann zur Kolonisierung dieses
Kontinents führte. Heute jedoch, verläuft die Entwicklung der Länder in Richtung zu
selbständigen Staaten, die die Fürsorge und politische Verantwortung selbst zu tragen haben.
Man beauftragt Entwicklungshelfer aus allen Berufssparten, die Eingeborenen auf ihre neue
Aufgabe, Bürger eines Staates zu sein, vorzubereiten. Doch erhebt sich immer wieder die
Frage: Sind die Menschen bereit, einen Sprung von Jahrhunderten zu leisten, und der
Zivilisation Eintritt zu gewähren?
Zweifellos hat sich in den letzten Jahren in dieser Beziehung viel geändert, jedoch gibt es
noch Naturvölker, die im scharfen Gegensatz zur Zivilisation stehen. Ein solches Volk finden
wir in den Massai: „Die Massai sind wohl der originellste Stamm Ost-Afrikas. Sie
widerstehen den Lenkungen der europäischen Zivilisation am besten.“ (1, S. 35)
Wieweit die Massai durch ihre ablehnende Haltung die Lebensgewohnheiten ihrer Urväter
behalten haben, zeigt diese völkerkundliche Studie.

           I. Gegebenheiten des Umsystems
A. Rassische, sprachliche, ethnische und geschichtliche Einordnung
Die Massai gehören sprachlich zu den Hamito-Niloten (= Die Völker mit hamitonil. Sprache,
sie leben im Quellgebiet des Nil und seiner oberen Nebenflüsse), „ein Zeichen ihrer
Mittelstellung zwischen den Völkern am Oberen Nil (Niloten) und jenen Nordost-Afrikas
(Gulla, Somali), den eigentlichen Osthamiten“ (2, S. 317), jedoch zählt man sie zu der
äthiopischen Rasse. Sie entsprechen einer Verbindung der äthiopischen mit der nigerischen
Rasse. Diese Menschen weisen Merkmale wie hoher Körperwuchs, langes Gesicht mit hohen
Nasen und ausgeprägtem Kinn, aber oft mit wulstigen Lippen und Krauhaar, sowie eine
dunkle Hautfarbe auf.
Die Massai werden als einer der hochmütigsten Völker bezeichnet: Sie sind schlank und
erwecken den Eindruck eleganter, elastischer Beweglichkeit. Besonders die Gliedmaße sind
sehr lang, Gelenke dünn, Hände und Füße klein und zierlich.
Die Massai sprechen trotz vieler Untergruppen, Teilgruppen, trotz der weit ausgebreiteten
Massai-Gebiete dieselbe Sprache. Auch in ihrer religiösen Anschauung und der Sitte der
Beschneidung stimmen alle Massai überein. Bei diesem Naturvolk finden wir folgende
Einteilungen:
„Die Massai sind in fünf Bezirke eingegliedert:
   1. Kuputiei
   2. Enaiposcha
   3. Laikipia
   4. Nasin-Gischa und
   5. Kisongo.
Daneben besteht eine genealogische Einteilung in vier Großsippen (oder Stämme):
   1. Aiser
   2. Mengana
   3. Mokesen und
   4. Moleljan“. (2, S. 5 und S. 318-319)
Die Aiser sind der vornehmste Teilstamm, aus dem auch das allgemeine Oberhaupt, genannt
„ol oriboni“, hervorgeht. Zugleich verkörpern die Aiser mit all ihren Eigenschaften und
Gewohnheiten die typischen Massai; darum beschäftige ich mich hauptsächlich nur mit ihnen.
Die große Völkerwanderung der Massai fand im 16. und 17. Jahrhundert statt. Sie zogen aus
ihrer eigentlichen Heimat zwischen Nil und Rudolfsee durch den ostafrikanischen Graben,
fast drei Breitengrade südlich. Die in Kenia und Tanganjika lebenden sesshaften Bauern
wurden des Viehs beraubt und durch die Massai-Krieger nach Westen (Ostufer des Viktoria-
Sees), und nach Süden und in die östlichen Bergländer abgedrängt. Nach Tischner (3, S. 173)
Nur die Tschagga und Pare konnten sich den räuberischen Massai widersetzen und einer
weiteren Ausbreitung dieses Stammes Einhalt gebieten.
Wie ich aus anderen Lektüren ersehen konnte, sind die Massai noch heute so gefürchtet, dass
man sich mit Schutzmauern um den Kral absichern muß. Doch Ende des 19ten Jahrhunderts
verbreitete sich eine große Rinderpest, die ein Großteil der Herden und sogar des Massai-
Volkes selbst ausrottete. Da diese von jeher ein nomadisierendes Hirtenvolk sind, ließ der
Verlust der Herden einige von ihnen sesshaft werden, zu diesen zählen die Kwawi (Mruscha)
und die Notorobo, die inzwischen zu Jägern und Sammlern geworden sind.
Das durch die Völkerwanderung gewonnene Gebiet erstreckt sich heute in die Staaten Kenia
und Tansania. 1902 hatten die Engländer den Massai zwei voneinandergetrennte Reservate,
um den Naivasha-Graben zugeteilt. Der Stamm erhob jedoch die Forderung, das nördliche
Gebiet (in Kenia) den Weißen zu überlassen. Diesem wurde 1914 Folge geleistet, und die
Massai siedelten an den Südrand Kenias über. (4, S. 329)
Das Steppengebiet, das ihnen in Tanganjika zugeteilt wurde, trägt den Namen Massai-Steppe.
Diese gras- und dornenbewachsene Steppe wird von Hügelländern begrenzt und gilt als eines
der wildreichsten Territorien der Erde, in der Antilopen, Gnus, Zebras, Giraffen, Strauße, in
Herden von manchmal 10 000 Stück vorkommen.

A. Bevölkerungsdichte und klimatische Bedingungen, im
   Zusammenhang mit der Vegetation
Nach Berger (5, S. 1008) wird die Kopfzahl der Massai auf 85 000 geschätzt, davon leben
etwa 50 000 in Kenia und 35 000 in Tanganjika. Davon wiederum existieren 27 000 Kwavi,
die sich am Südfuß des Meruberges angesiedelt haben; Bananen, Milch und Fleischwirtschaft
betreiben. Außerdem rechnet Berger zu der Gesamtzahl von 85 000 Massai auch noch die im
Massai-Gebiet jagenden und sammelnden Noterobo. Die Bevölkerungsdichte erreicht jedoch
in der Massai-Steppe nur 1,23 Personen pro Quadratkilometer (laut Statistiken von 1931).
Das vorwiegend trockene, warme Steppenklima der Massai-Gebiete gehört zu den Tropen,
wird jedoch als zur Viehzucht geeignet bezeichnet. Da ohne Wasser nun einmal kein Leben
besteht, ist der Niederschlag für dieses Volk von großer Bedeutung. Der Niederschlag verteilt
sich über vier bis sechs Monate und beträgt 500 - 750 cbmm jährlich. (5, S. 78)
Die Temperaturen betragen sowohl im Januar als auch im Juli 14° - 18° C., der Niederschlag
jedoch bis 1000 cbmm jährlich.
In dem Lebensbereich der Massai ist außer der Viehzucht auch der Anbau von Kaffee im
Norden, Tee und Bananen im Süden möglich.

B. Lebensweise der Massai
C.1 Politischer und sozialer Aufbau innerhalb eines Stammes
Die Stammeszugehörigkeit beruht auf der gleichen Mundart, den gleichen Sitten,
Heiratsbedingungen, Geboten und Verboten und der gleichen Geschichte.
Bei den Massai existiert ein erbliches Häuptlingssystem. Die Aiser stellen den obersten
Häuptling, den „ol oriboni“. Er herrschst mittelbar, durch den starken Glauben seiner
Untertanen an sein Prophetentum und seine überirdischen Kräfte, wie der Zauberei und des
„Regenmachens“. Er ist ein Heiliger, dessen Volk voller Erfurcht von ihm spricht. Das Ziel
des „ol oriboni“ ist es, den Massai Einigkeit und Stärke zu vermitteln. Das kriegerische
Hirtenvolk ist ihm verfallen, denn es glaubt an seine geheime Macht der Kriegsmedizin und er
sieht Sieg oder Niederlage voraus. Er heilt Kranke mittels einer Zaubermedizin und ruft zu
Bittfesten zu Ehren des Massai-Gottes „Nygui“ auf. „Die Weissagungen liest er aus einem
Orakelspiel nach Art des Abzählens an den Knöpfen. Aus einem mit lederndem Deckel
versehenen Rinderhorn (siehe Abb.) nimmt er eine Handvoll kleiner Flusskiesel, legt einen
oder einige davon beiseite und wirft den Rest zurück. Nachdem er dies mehrere Male
wiederholt hat, verkündet er seinen Seherspruch, der oft genug mit pythischer Zweideutigkeit
abgefasst ist.“ (7, S. 18 ff.) Diese Handlung heißt „en gidon”. Der „ol oriboni“ gibt auch den
Anstoß zu kriegerischen Raubzügen, obwohl er selbst kein Krieger ist.

Diese Unternehmungen sind den Massai jedoch immer willkommen, denn es gilt, den
Viehbestand, dem sie ihre größte Fürsorge entgegenbringen, zu vermehren.

                                  Rinderhorn (7, S. 19)

Das Staatswesen und die militärische Altersklassenorganisation beruht auf einem besonderen
Altersklassensystem. „Das Altersklassensystem baut auf der genauen Kenntnis der
Generationszugehörigkeit eines jeden auf, und so wird ersichtlich, das zur Zeit in der gleichen
Altersklasse z.B. bei den „batoga“ nicht weniger als vier verschiedene Generationen
nebeneinander leben, nämlich die dreizehnte, vierzehnte, fünfzehnte und sechszehnte
Generation, wenn man die entfernteste noch benannte Generation als erste Generation
bezeichnet.“ (7, S. 980) Jede Generation wird anders benannt. Einen Ehepartner darf man nur
aus der gleichen, der zweitvorhergehenden oder übernächsten, nie aber aus der
vorangegangenen oder folgenden Generation wählen.

C.2 Ehe und Familie
Die ehelichen Verhältnisse der Massai sind locker, da ausschließlich Vielweiberei herrscht.
Die Zahl der Frauen des Mannes ist nicht begrenzt, sie hängt eher von der Finanzkraft des
Bräutigams ab, denn er hat bei seiner Werbung eine Anzahl von Vieh an die Brauteltern zu
geben. Ehe auf Probe gibt es nicht. Diese besteht ein Leben lang, kann jedoch gegebenenfalls
wieder getrennt werden.
Früher sollte die Braut nicht dem Stamm ihres Bräutigams angehören, was jedoch durch die
großen Viehseuchen heute nicht mehr zutrifft. Danach darf der Mann eine Frau heiraten, die
zwar zu seinem Stamm gehört, nicht jedoch zu seinem Geschlecht. Ferner soll die Frau nicht
vom Geschlecht der Schwiegermutter sein, noch soll ihre Mutter dem Geschlecht des
Bräutigams angehören.. Die Ehe zwischen Milchgeschwistern (Kinder, die von einer Amme
ernährt wurden) ist nicht erlaubt, sowie ein Bund zwischen Angehörigen der Schmieden und
Nicht-Schmieden. Witwen und geschiedenen Frauen ist ebenfalls untersagt, sich wieder zu
verheiraten, dürfen jedoch in wilder Ehe leben.
Die Väter kleiner Kinder verloben diese häufig, jedoch nur um eine Art Versicherung
abzuschließen, denn der Vater des anderen Kindes ist nun verpflichtet, seinem Freund Hilfe
bei einer Verarmung zu gewährleisten. Meistens aber tritt eine Brautwerbung ein, wenn der
Jüngling 20 bis 22 Jahre alt ist und das Mädchen ein Alter von 8 bis 10 Jahre erreicht hat. Der
Vater des Bräutigams wirbt bei der Mutter des Mädchens, die dann den Kopf der Braut mit
Butter und Rinderfett einreibt, als Zeichen der Gültigkeit der Verlobung. Während der
Verlobungszeit leben sie in zwei voneinander getrennten Kriegerkralen: der junge Mann
befindet sich mit anderen Kriegern in seinem Altersklassenverband, während das gleiche für
die Mädchen zutrifft; es lebt in einem anderen Kriegerverband. Wird das Mädchen während
dieser Zeit schwanger, so gilt dieses als Schande und die Verlobung wird sofort gelöst.
Gefäß zur Zubereitung von Honigbier (M = 1:10)
                                  (7, S. 35)

Der Krieger heiratet erst dann, wenn seine kriegerischen Kräfte nicht hinter denen der anderen
zurückstehen.
Ein wichtiges Element der Ehe ist der Brautpreis. Jeder Jüngling arbeitet so lange, bis er eine
kleine Herde besitzt. Als Brautpreis bezahlt der Bräutigam dem Vater der Braut zunächst
einige Töpfe Honig, aus denen Bier gebraut wird, ferner noch drei Kühe und einen Ochsen,
der zur Hochzeitsfeier verzehrt wird. Man löst Honig in Wasser auf und setzt ein Stück
Wurzel der Steppenaloe oder ein geschältes und ausgekochtes Stück Frucht als sogenannten
Leberwurstbaum sowohl als Geschmackskorrigierens als auch zur Bescheunigung der Gärung
zu. Das Gemisch lässt man dann drei bis fünf Tage an einem warmen Ort, etwa in der Nähe
des Herdfeuers stehen und gären.
Die Mutter erhält ein männliches und ein weibliches Schaf. Bald danach wiederholt sich die
Schenkung. Da durch die Viehsterblichkeit der Reichtum der Massai geschwunden ist, muß
sich der Brautvater oft genug mit ein paar Töpfen Honig begnügen.
In der ersten Zeit der Eheschließung erhält die Schwiegermutter des Mannes noch Honig,
Felle zur Bekleidung und Eisendraht zur Herstellung des Arm- und Beinschmucks. Durch die
traditionelle Überbringung des Honigs entstand die Gestalt des Kruges. Durch die Schlaufe
wird eine Stange gesteckt; an deren Enden der Bräutigam und dessen Freund die Stange samt
Krug hochheben und transportieren.

                                  Tragbarer Honigtopf (M = 1/10) (7, S. 38)

Auf die beiden Öffnungen einer etwa fußlangen und 20 – 25 cm dicken Holzröhre bindet man
je ein Stück frischer Rinderhaut, zieht dann das eine, nachdem es getrocknet und hart
geworden ist, als Deckel ab und bindet diesen mit einem Riemen an dem nun fertigen Gefäß
an.
Häufig kommt es vor, dass dem Bräutigam der Brautpreis gestundet werden muß. Trotzdem
geht die Frau, sowie deren Kinder in seinen Besitz über. Die Braut erhält keine Aussteuer und
der Bräutigam kein Geschenk seitens des Schwiegervaters.
Häufig flieht das heiratsfähige Mädchen aus dem elterlichen Kral zu ihrem Auserwählten in
den Kriegerkral. Der Mann verlässt sofort mit ihr diesen und zieht in den Wald. Dort
verspeisen sie ein Rind und kehren dann in das Dorf zurück, wo sie ohne großen Aufwand
verheiratet werden. Traditionsgemäß finden die Hochzeitfeierlichkeiten am dritten Monatstag
statt. Die Hochzeitsgesellschaft besteht aus den Verwandten und Bekannten des Paares, sowie
aus den Bewohnern des Krals der Brauteltern. Die Festmahlzeit setzt sich aus einem
geschlachteten Rind, einem Schaf und einer Ziege, aus Honig, Milch oder Honigbrei
zusammen. Das Brautpaar hat sich festlich geschmückt, in dem sie ihre Körper mit roter Erde
und Rindertalg eingerieben haben. Nach beendigter Feier ziehen sich die Neuvermählten in
eine neue Hütte zurück, wo eine Nachbarin mit einem Säugling auf sie wartet. Diese Geste
soll der Ehefrau zu einer hohen Fruchtbarkeit anregen. Stirbt der Mann, so wird die Ehe auf
den Bruder übertragen.
Geschieden wird eine Ehe nur dann, wenn die Frau von ihrem Partner verstoßen wird oder
wenn sie fortläuft und eine Rückkehr verweigert. Unfruchtbarkeit und Untreue sind keine
Scheidungsgründe.
Während der Schwangerschaft leben die Eheleute bis zur „Entwöhnung“ des Babys (d.h. es
wird nicht gesäugt) getrennt. Diese Zeitspanne soll jedoch nicht eingehalten werden, denn die
„Entwöhnung“ geschieht meist dann, wenn die Mutter wieder ein Kind erwartet. Während

dieser Zeit ernährt sich die Frau mit einer bestimmten Diät: Lunge-, Leber-, Nierenbrühe und
Milch. Der werdende Vater darf zu dieser Zeit den Kral nicht verlassen. Bei der Geburt leistet
die Hebamme Hilfestellung. Diese praktiziert weitgehend die gleichen Entbindungsmethoden
wie die in Europa. Erwünscht ist die Geburt eines Knaben, noch mehr jedoch die eines
Zwillingspaares. Wird jedoch ein missgestaltetes oder totes Kind geboren, so verprügelt und
beschimpft man die Wöchnerin, denn man glaubt, die Frau hätte während der
Schwangerschaft den ehelichen Verkehr aufrecht gehalten.
Vor dem zweiten Lebensjahr schlagen die Massai ihre Kinder nie. Auch später ist die Prügel
sehr selten. Wenn eine Züchtigung notwendig ist, so schlägt nur die Mutter mit dem Riemen,
den sie nach jeder Entbindung trägt, auf das Gesäß. Die Kinder sind den ganzen Tag sich
selbst überlassen und betreten die Hütte nur zum Essen, Trinken und Schlafen. Sie wachsen
schnell heran und entwickeln sich zu intelligenten Jugendlichen. Die sehr gelehrigen Massai
besuchen gerne eine von den Missionaren geleitete Schule, kehren jedoch seltsamer Weise
immer wieder zu ihrem nomadisierenden Hirtenvolk zurück. Hierin besteht das Massai-
Problem für die Regierung, das ich noch später näher erläutern werde.
Die Geschlechtsreife bei den Massai tritt im Alter von zwölf Jahren ein. Sobald die Knaben
kräftig genug sind, um an einem Kriegszug teilnehmen zu können, werden sie beschnitten.
Diese ist nach dem Glauben der Massai ein Gebot Gottes, und trifft sowohl für die Jungen als
auch für die Mädchen zu. Zu dieser Sitte muß der Jüngling bereits im Besitz eines
Viehbestandes sein, denn jeder von ihnen muß abwechselnd ein Rind zu ihrem Fleischmahl
geben.
Die Beschneidung ist eine öffentliche Angelegenheit und wird vom „ol oriboni“ angeordnet.
Die beschnittenen Knaben teilen sich in Altersklassen, die vom Häuptling einen Namen
erhält. Die Beschneidungszeit, die immer in Intervallen von vier bis fünf Jahren wiederholt
wird, beendet ein großes Fest, das ungefähr einen Monat dauert. Die Knaben kleiden sich wie
Krieger und versuchen während des Eingriff ebenso standhaft zu sein wie diese.
Sowie die Mädchen geschlechtsreifen Alters sind, kommen sie (bisher lebten sie
ungezwungen im Kriegerkral) zu ihrer Mutter zurück. Die Beschneidung ist für Jungen und
Mädchen die Voraussetzung, eine Ehe eingehen zu können. Die Klitorektomie findet nur im
Beisein der Mutter und einer erfahrenen Frau statt, die diese Operation ausführt. Sobald der
Bräutigam erfährt, dass die Auserwählte davon genesen ist, zahlt er den letzten Teil des
Brautpreises.
Durch die Beschneidung erwirbt der junge Massai eine soziale Stellung. Vor der
Beschneidung wird das männliche Individuum Knabe genannt, danach wird er zwei Jahre
lang für das Kriegerleben vorbereitet. Nach dieser Absolvierung genießt er das Ansehen eines
Kriegers. Im Alter von 28 - 30 Jahren verlässt er diesen Stand, um zu heiraten. Er betrachtet
die Frau als tief unter sich stehend, als Arbeitkraft, die seine Kinder gebiert.

C.3 Glaube und Charakter
Der hervorstechende Zug des Massai-Charakters ist der Nationalstolz, der auf ihrem Glauben,
das auserwählte Volk des Gottes „Ng ai“ zu sein, beruht. Sie betrachten alle anderen Stämme,
die nichts von der Existenz ihres Gottes wissen, als Untertanen, deren Besitz nur ihnen, den
Massai, gehört. Ihr Gott sorgt für sie, damit sie nicht zu arbeiten brauchen. Geben die anderen
Völker ihnen nicht das Geforderte, so nehmen sie es mit Gewalt, denn sie fühlen sich durch
ihre Überzeugung im Recht.
Im Gegensatz zu anderen Naturvölkern glauben die Massai nur an einen Gott, dem
körperlosen Wesen „Ng ai“. Ihn kann man mit dem Gott der Christen vergleichen. Die
Gesetze des Stammes sind Ausdruck seines Willens. Doch da die Menschen oft gegen seine
Gebote handeln, müssen sie durch Krankheit, Dürre und Viehseuchen bestraft werden. In der
Vorstellung der Massai schützt „Ng ai“ ihr Volk durch Engel, geflügelte Wesen von
menschlicher Gestalt, die demselben Geschlecht wie seinen Bedürftigen angehören. Stirbt ein
Massai, so nimmt dieser Engel seine Seele ins Jenseits und schützt von nun an einen an
diesem Tag geborenen Menschen. „Ng ai“ ist allwissend, allmächtig, gütig und ewiglich. Die
guten und schlechten Menschen, sogar die Feinde kommen ins Paradies vor Gott, der über sie
richten wird. Während die einen in ein fruchtbares Gebiet mit vielen Rinderherden Eintritt
erhalten, kommen die anderen in eine öde, wasserlose Wüste.

Die Sonne gilt als ein Abglanz Gottes, während die Wolken das Antlitz „Ng ai“ vor den
Menschen verbirgt. Den Regen bringt die Erstgeburt, Donner und Blitz entsteht durch seinen
ältesten Sohn.
Die Gläubigsten sind die Frauen, die Männer beten nur selten. Bittfeste finden jeden Monat
statt. Die Massai glauben auch an die Wirkung einer Zaubermedizin unter Aufsagen von
bestimmten Zauberformeln. Ferner benutzen sie eine Anzahl von Amuletten, die sie vor
Krankheiten oder sonstigen Schicksalsschlägen behüten.
Allgemein verbreitet ist auch der Glaube an den bösen Blick, der Mensch und Vieh erkranken
lässt.
Der Massai ist sehr eitel: nur er trägt blanke Waffen, nämlich Speer und Schwert.
Mit List und Tücke begegnet er untergeordneten Stämmen, dagegen seinen Stammesgenossen
gegenüber ist er stets freundlich und zuvorkommend. In der Familie verbindet Anhänglichkeit
und Liebe die einzelnen Mitglieder, besonders Mutter und Kind.
Die Männer verschmähen jede Arbeit, außer der des Kriegswesens. Große Viehherden, viele
Frauen und Kinder sind das Glück der Massai. Hat ein Massai diesen Vorzug, so unterstützt er
die ärmeren seiner Familie. Da die Frau jeden Mann, der der gleichen Altersklasse ihres
Ehemannes angehört, zu eigen ist, kann man eigentlich nicht von einem Familienleben
sprechen. Rechtlos steht die Frau auch im öffentlichen Leben, doch sie empfindet keine
Knechtschaft.
C.4 Das Wirtschaftsleben
Der Verheiratete lebt in einem eigenen Kral. Er hat fünf oder sechs Frauen, die reichen
Männer besitzen noch Nebenfrauen, deren Versorgung dadurch gesichert ist. Jede der Frauen
wohnt in einer eigenen Hütte, zusammen mit den Kleinkindern. Die Hauptfrau wird, indem
sie Geschenke an Schmuck und Kleidung erhält, außerdem ihr ein Großteil des Viehs
übertragen wird, hervorgehoben. Diese übt die Aufsichtspflicht über die Nebenfrauen aus. Ihr
ältester Sohn tritt die Erbfolge an und erst nach ihrem Ableben wird eine andere der Frauen
zur Hauptfrau. Durch diese Zustände existiert kein familiäres, allgemeines Gesamtvermögen.
Als Besitztum gelten Rinder, Ziegen, Schafe und Esel. Das Familienoberhaupt gibt seinem
zwölfjährigen Sohn erst dann einige Rinder, wenn er beim Hüten entbehrlich ist. Der Sohn
verlässt den Kral des Vaters und errichtet, einige Kilometer entfernt, einen neuen Kral mit
Hilfe seiner Mutter. Hütte und Haurat sind ebenfalls Eigentum des Vaters.
Verbraucht die Ehefrau nicht ihren Vorrat an Milch, Fleisch und Fellen, so tauscht sie diese
gegen Lebensmittel und Gegenstände, die sie nicht selbst herstellt. Hierbei ist sie vollkommen
unabhängig und niemandem Rechenschaft schuldig. Alle drei Tage treffen Karawanen, die die
Massai mit Bananen, Mais usw. beliefern ein. Sondergüter stellen Kleider und Schmuck dar.
Wie schon betont, ist das Familienoberhaupt der Vater. Lebt jedoch noch ein älteres,
männliches Mitglied der Familie, so trifft dieser die Entscheidungen. Das Oberhaupt kann
jedoch wegen Misswirtschaft und Unfähigkeit seines Amtes enthoben werden.
Im Kral der Verheirateten herrscht meist eine gewisse Eintönigkeit und Langeweile. Das
Leben beginnt in den frühen Morgenstunden, in denen die Frauen die Kälber zu den Kühen
bringen, wo sie bis zum Austrieb bleiben. Nach dem Melken nehmen die Massai das
Frühstück ein, das aus Milch und einer Suppe besteht. Die Lieblingsspeisen sind Milch,
Fleisch und Blut. Die flüssige Nahrung wird mittels einer Kürbisflasche zu sich genommen.
Schmatzen und Aufstoßen gehört zum guten Ton. Männer und Frauen essen getrennt, und
benutzen verschiedene Eß- und Trinkgeräte.
Ist das Vieh aus dem Kral auf die Weide getrieben, so säubern die Frauen und Kinder
denselben. Danach beginnen die Frauen sogleich das Mittagessen zu kochen. Zwischen drei
Steinen wird ein Feuer angezündet und ein mit Wasser gefüllter Topf, in dem Vegetabilien
zum Kochen gebracht werden, darauf gestellt. Die Massai verwenden heute aus
gesundheitlichen Gründen lieber vegetarische Nahrung, die sie von benachbarten Stämmen
erwerben. Butter stellen sie durch Schütteln des Rahms her, die Käsezubereitung ist jedoch
noch unbekannt. Das geschmolzene Fett wird als Zutat zu anderen Speisen benutzt; man trinkt
es aber auch ohne einen Zusatz. Fleisch kocht man entweder oder grillt es mittels einen durch
das Bratenstück gebohrten Stock am offenen Feuer. Die Massai verschmähen jede Art von
Wild, seien es Vögel oder Fische.
Diese Massai-Frauen kochen im Freien, um dem Rauch und der Hitze
in den Fellhütten zu entgehen. (Weyer, S. 85)

Beispiele für eine vegetarische Kost:
1. Bataten unter Zusatz von Steppensalz in Wasser kochen lassen, dieses abgießen. Die Masse
mit einem Quirl zerkleinern und Milch beigeben
2. Unreife Bananen schälen, schneiden und mit Salz in Wasser kochen, Wasser abgießen und
mit Milch und Butter verfeinern.
Die Massai essen den reinen Honig, der auch zur Beimischung von Medikamenten von
Nutzen ist.
Den Tabak kaufen sie von einheimischen Negern, die die Tabakblätter, vermischt mit
Bananenblättern, in bastumwickelten Beuteln anbieten. Die Massai bezahlen für ½ Pfund oder
für zehn Kugeltabak, der ebenfalls von den Negern angepriesen wird, mit einem Ziegenfell.
Während die Männer den Tabak eifrig rauchen, begnügen sich die Frauen mit Schnupfen oder
Kauen des Tabaks. Der zum Rauchen bestimmte Tabak wird grob geschnitten und in eine
etwa 30 cm lange Pfeife gestopft. Die Tabakpfeifen bestehen aus einer etwa 25 cm langen
Röhre und konisch geformten Ton- oder Holzköpfen, die die Massai selbst schnitzen. Den
gleichen Tabak verwendet man auch unter Zusatz von Natron.

                                Arten von den Massai benutzten Tabakpfeifen (7, S. 35)
Die Tabakpfeifen bestehen aus einer etwa fußlangen dünnen hölzernen Röhre und einem konisch
geformten Ton- oder Holzkopf. Letztere schnitzen die Massai selbst, während sie die Tonköpfe
kaufen.

Zum Schnupfen zermahlt man den Rauchtabak mittels eines runden Steins, und setzt auch
ihm Natronsalz oder Rinderfett bei. Zur Aufbewahrung dienen kleine Holz-, Bambus-,
Rinder- oder Schafshorndosen, die oft mit Perlen verziert sind und an einem
Eisendrahtkettchen um den Hals gehängt werden.

                                            Tabakdosen der Massai (M = 1:5) (7, S. 35)

Als Dosen dienen kleine, aus Holz, Bambus, Rinder- oder Schafshorn oder auch aus dem
Horn des Rhinozeros gearbeitete Büchschen, die oft recht hübst geschnitzt und mit Perlen
verziert sind. Sie werden an dünnen Kettchen aus Eisendraht um den Hals getragen.
Ein weiteres Genussmittel ist das Honigbier. Dieses Bier ist sehr stark und ein Genuß davon
endet meist mit vollkommener Trunkenheit.
Um die Langeweile zu vertreiben, spielen die Massai ein Brettspiel, während die Frauen sich
mit einer Handarbeit, z.B. mit der Herstellung von Kleidungs- und Schmuckstücken,
beschäftigen.
Da das Hausgerät sehr dürftig ist, denn es gibt außer zwei bis drei Tontöpfen nur
Kürbisflaschen im Haushalt. Die Formen sind ebenso verschieden wie die Größen. Sie
erfüllen die verschiedensten Zwecke: Aufbewahren von Milch, Blut usw. Oft werden sie aus
in Längsstreifen geschnittenem Rindsleder genäht. Holztöpfe kaufen die Massai von anderen
einheimischen Stämme, die Honigtöpfe machen sie jedoch selbst. (7, 1910, S. 37-38)
Kürbisflaschen (7, S. 37)

                              Holznäpfe (M = 1/12) (7, S. 38)

In jeder Hütte findet man auch zwei bis drei fußhohe, runde, vierbeinige Schemel, die von den
Massai selbst angefertigt werden, auf denen die Leute beim Essen sitzen. Zunächst wird ein
Klotz roh behauen und dann mit einem Messer in Form gebracht. Ferner benutzt jede Frau
einige Kochlöffel, Quirle, Löffel und Messer.

                                            Vierbeinige Holzschemel (7, S. 38)

                                     Quirle (7, S. 38)

Als Feuerzeug dient ein Brettchen aus weichem und ein Quirlstab aus hartem Holz. Durch
Reibung des Stabes auf dem Brett entstehen Funken, auf die man sofort trockenen Rindermist
streut und später Reisig daraufgelegt.
Feuerbrettchen (7, S. 40)

Große Ledertaschen gehören ebenfalls zum Hausrat. Diese wurden früher nur auf Esel
geladen, jetzt aber auch von den Frauen auf dem Rücken getragen.

                                 Große Ledertasche (7, S. 35)

C.5 Kleidung und Schmuck
Die Kleidung besteht zumeist aus Rinderfell. Die Felle, die nicht enthaart werden sollen,
werden mit Fetten eingerieben und gewalkt. Andere werden mit einer scharfen Axt geschoren
und mit einem Gerbextrakt behandelt.
Der Kriegerumhang ist das einzige Kleidungsstück der Krieger und zugleich das, welches nie
enthaart wird. Es besteht aus 1 m langen und 65 cm breiten Streifen eines Kalbsfelles, die
entweder zusammengenäht oder an den vier Enden gebunden werden. Knaben und Männer
tragen ein dreieckiges Sitzleder aus Rinds- oder Kalbsfell, zum Schutze gegen überall in der
Steppe verstreuten Dornen und stachligen Grannen des Grases beim Niedersetzen.
Sitzleder (7, S. 137)
Ferner bekleiden sich die Knaben mit einem kurzen Umhang, der nur Bauch und Rücken
bedeckt. Die Verheirateten und Beschnittenen einen weit längeren.
Die Bekleidung der Frau besteht aus zwei Lederschürzen aus zusammengenähten
Ziegenhäuten. Der untere wird um die Hüften gelegt und meist mit einem perlenbesetzten
Riemen festgehalten, andere dagegen über der rechten Schulter zusammengeknüpft. Meist ist
das Unterkleid mit Perlen besetzt.
Die Fußbekleidung besteht bei Männern und Frauen aus Sandalen, die aus der dicken
Rückenhaut der Stiere gearbeitet werden.
Wie bei allen wilden Stämmen, steht auch bei den Massai der Schmuck im Vordergrund. Der
in der folgenden Abb. dargestellte, mit Straußenfedern umsteckte Gesichtsrahmen ist der
Lieblingsschmuck der Krieger. Daneben gibt es auch noch solche Rahmen aus dem
gebogenen Holz einer Lianenranke. Beim Tanz benutzen die Krieger oft die fußhohen, spitzen
Kriegsmützen aus dem Fell wilder Tiere oder haubenähnliche, aus dem Netzmagen des
Rindes gefertigte. Die Krieger nähen ihre Kopfbedeckung selbst. Als Nadel wird eine Ale und
als Faden eine gedrehte Rindersehne benutzt.

                                                 Gesichtsrahmen
Straußenfedern umsteckte Gesichtsrahmen. (8, Abb. 139)
Haubenmütze

Eine andere von Kriegern getragene Mütze hat die Form einer Babyhaube; sie ist aus dem
Netzmagen eines Rindes gefertigt. (7, S´. 141)
Alle Massai tragen von Kindheit an Ohrenschmuck. Dem Kleinkind werden mit einem
Akazien-Dorn die Ohrläppchen durchbohrt und Holzpflöcke zur Dehnung derselben
eingesteckt. Durch den immer zahlreicher werdenden Ohrenschmuck hängt das Ohrläppchen
zuletzt etwa zehn Zentimeter herunter. Auch der obere Ohrenrand wird an einer oder zwei
Stellen durchlöchert, in denen die Frauen Bündel von vier bis acht, etwa zwanzig Zentimeter
lange, Kettchen tragen, die Männer dagegen benutzen einen schlüsselförmigen Schmuck.
Um den unteren Teil des Ohrläppchens tragen die Männer eine vier Zentimeter lange Röhre,
aus Eisendraht gewunden, an der eine Anzahl von Kettchen befestigt sind. Häufig sieht man
jedoch auch nussförmigen Schmuck. Verheiratete Frauen tragen häufig eine Doppelspirale
oder mehrere, die jedoch mit einem über den Scheitel gelegten Lederriemen gehalten werden,
da das Ohrläppchen durch die Schwere sonst reißen würde.
Um den Hals tragen die Männer und Frauen die verschiedensten Ringe aus Eisen, Kupfer oder
Messing. Andere Halsringe bestehen aus Perlen.
Was für den Hals gilt, das gilt auch für die Arme und Beine. Die Krieger tragen um das
Handgelenk eine große Manschette, die Frauen bepanzern ihre Arme und Beine, mit
Ausnahme der Oberschenkel, mit Kupfer- oder Messingspiralen; je nach Reichtum des
Ehemannes.
Ein mit Schmuck behangenes Massaiweib (7, S. 11)

Zum Kriegs- und Tanzschmuck gehören schließlich die langen weißen und schwarzen
Fellstreifen, die sich der Krieger um die Fußknöchel bindet.
Die Haartracht wird zum Sinnbild der Altersklassen. Während sich die Krieger die Haare
wachsen lassen und zu Zöpfen flechten, schneiden sich die verheirateten Männer ihr Haar in
Zoll-Länge, die Frauen dagegen rasieren die Köpfe.
Bei allen festlichen Angelegenheiten bemalen sich die Massai. Die Jugendlichen benutzen vor
allem rote und weiße Erde. Häufig findet man bei den Kriegern ein rotes Dreieck, das von den
Nasenflügeln bis zu den Wangen aufgetragen wird.
Auch die Tätowierung dient ausschließlich der Verschönerung des Körpers. Sie setzt sich aus
gekrümmten Linien, die ein Muster ergeben, zusammen. Die häufigsten Ziernarben, die mit
einem Rasiermesser in die Haut eingeritzt werden, befinden sich auf dem Delta-Muskel der
Männer; bei den Frauen sind die Tätowierungsstellen verschieden.
Männer Tätowierung                    Frauen Tätowierung (7, S. 153)

Den Knaben und Mädchen stellt man künstlich eine Zahnlücke her, indem die mittelsten
beiden unteren Schneidezähne gezogen werden.

II. Beschreibung des Objektsystems
Die Massai-Dörfer findet man immer im Schatten einiger Bäume und in der Nähe einer
Bademöglichkeit. Die eng aneinander gebauten Hütten bilden einen Kral, der circa zwanzig
Behausungen fasst. Da die Massai ständig neue Viehweiden brauchen und somit nie lange
Zeit an einem Ort verbleiben, sind die Hütten aus leichtem Material erbaut.
A. Behausung
Der Hüttenbau obliegt der Frau. Zunächst säubert sie den Platz von Gestrüpp und
Dornengebüsch, dann kratzt sie mit dem Fuß einen spiral-ovalen Grundriß in den Boden. 1 ½
m lange Pfähle werden in die vorgegebene Umgrenzung geschlagen, in einem Abstand von
etwa 25 cm. Diese Pfähle werden dann durch Querruten gitterartig verbunden. In die
Längsdiagonale werden sieben bis acht Stützen eingegraben, über die die Frau von einem
Ende bis zum anderen eine Längsstange legt. Die äußersten Pfähle werden dann über diese
gewölbt und mit Papyrus-Gras zusammengebunden. Durch das Geflecht fingerdicker Ruten
werden sowohl Wände, als auch Decke dichter gemacht. Die Ausmaße betragen etwa in der
Höhe 1 ½ bis 1 ¼ m; in der Breite etwa 3 m und in der Länge etwa 4 bis 5 m.

Ein Holzgerüst bildet die Grundkonstruktion einer Hütte (Oliver, S. 75)
Rinderhäute oder eine 15 bis 20 cm dicke Schicht von getrocknetem Gras bedecken das
Gerüst. Schließlich bestreicht die Frau ihre neue Behausung mit frischem Rindermist.
Zeitweise werden dann auch noch getrocknete und enthaarte Rinderhäute daraufgelegt, die
vor starkem Regen schützen sollen.
Kuhmist dient als Deckmaterial (Abb.4, Gloria-Verlag AG, 8957 Spreitenbach)

Betritt man die Behausung durch die Tür so befindet sich Schlafgelegenheit für die Frau und
ihre Kleinkinder befindet auf der entgegengesetzten Seite der Tür; daneben, durch ein
Flechtwerk von Ruten und Pfählen getrennt, befindet sich die Schlafstätte des Mannes. Die
Ruhelager bestehen aus getrocknetem Gras und Rinderhäuten. Es gibt keine Fenster.
Die einzige Luftquelle ist die Tür.

B. Kral
Im Kral stehen die einzelnen Hütten nur etwa ½ Meter entfernt voneinander. Dadurch
erscheint der Kral als eine in sich geschlossene Anlage. Nach außen wird er von einem
dichten Dornenheckenwall umschlossen, der vor wilden Tieren schützt. Innerhalb des Krals
befindet sich ein oval - ringförmiger Dornenverhau, hinter dem das Vieh während der Nacht
steht. Großvieh, Kälber und Kleinvieh sind durch Dornenhecken getrennt untergebracht.
Grundriß eines Krals (7, 1910, S. 24)

                                                 Grundriß einer Massaihütte
                                                 (Oliver, S. 78)

Man unterscheidet die Krale der verheirateten von denen der unverheirateten Krieger. In den
zuerst genannten wohnen die verheirateten Männer mit ihren Familien, in den anderen die
Krieger mit ihren Müttern und den unbeschnittenen Mädchen.
Die Massai haben ihre Behausungen und ihre Siedlungsform den gegebenen Bedingungen
angepasst. Der geringe Aufwand zur Errichtung ihres Heims ermöglicht es ihnen, das
Nomadenleben nicht aufzugeben.

Modellaufnahme

C. Schmiede
Trotz der großen Begabung der Waffenschmiede, trotz ihrer Notwendigkeit für die Massai-
Krieger nehmen die Schmiede die niedrigste soziale Stellung unter den Massai ein. Sie gelten
als unrein, schon ihr Anwesen bringt Unheil über den Stamm. Deswegen leben sie, von den
übrigen getrennt, in einem eigenen Kral. Obwohl die Massai von ihnen Speere, Schwerter und
Handwerkzeug beziehen, bleiben die Schmiede - mögen sie noch so große Künstler in ihrem
Fach sein - mit ihren Familien das verpönte und verspottete Volk. Ihr Handwerk ist erblich.
Während die Krale der Massai-Krieger, die an gute Weideplätze gebunden sind, immer
wieder verschwinden, bleiben die Schmiede an einem Ort, denn sie benötigen für ihren Beruf
Holzkohle und eisenhaltigen Sand.

Stellungnahme
Die Massai sind ein Volk, das trotz den bitteren Erfahrungen der Vergangenheit, ihren
Charakter und ihre Lebensweise nicht geändert hat. Hungersnöte, Rinderpesten, die hohe
Kindersterblichkeit, hervorgerufen durch Infektionen und mangelnde Hygiene,
Geschlechtskrankheiten und die berüchtigte Schlafkrankheit, konnten die Stämme nicht

vernichten. Obwohl man in Tanganjika und Kenia Schulen zur Fortbildung der Eingeborenen
errichtet hat, werden die gelehrigen Massai nicht sesshaft, sondern kehren zu ihren
Angehörigen zurück. Vielleicht sollte man nicht versuchen die Massai sesshaft zu machen,
eher sollte man darauf hinzielen, den zur Schule gehenden soviel zu lehren, dass sie ihr
erworbenes Wissen auch ihrem Stamm vermitteln können.

Literaturnachweis:
   (1) Schmid, Walter:
   Selbander zum Kilimandscharo
   Bern 1959
(2) Bernatzik, Hugo, A.:
   Neue große Völkerkunde - Afrika, Europa
   (3) Tischner, Herbert:
   Völkerkunde
   Fischer-Bücherei
   Frankfurt am Main, 1959
   (4) Schiffers, Heinrich:
   Harms Erdkunde - Afrika
   Band V
   5. Auflage
   Paul List Verlag
   1973
   (5) Bernatzik, Hugo, A. (Hrsg.):
   Afrika - Handbuch der angewandten Völkerkunde
   Bearbeitet von Klute, Fritz
   Band I
   Gießen und Graz 1947
   (6) Bernatzik, Hugo, A. (Hrsg.):
   Afrika - Handbuch der angewandten Völkerkunde
   Bearbeitet von Berger P.
   Band II
   Graz 1947
   (7) Merker, M.:
   Die Massai
   2. verbesserte und vermehrte Auflage
   Berlin 1910
   (8) Weyer, Eduard jun.:
   Primitive Völker heute
   Gütersloh 1959
   (9) Duly, Colin:
   The Houses of Mankind
   London 1979
   (10) Burland, Cottie:
   Naturvölker - gestern und heute
   Otto Maier Verlag Ravensburg
   1966

Weiterführende Literatur:
Andersen, Kaj Blegvad:
African Traditional Architecture
London New York 1977, S. 169-186
Habimana, Gérard:
Das Rundhaus und die Kultur in Ostafrika
Der Einfluß der Alltagskultur auf die Haus- und Wohnform. Am Beispiel der Massai in
Kenya
Dissertation im Fachbereich Architektur der Gesamthochschule Kassel
1. Juli 1987
Oliver, Paul:
Dwellings
London 2003, S. 75
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