Ashcraft - Kapitel 8: Using Knowledge in the Real World
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Ashcraft – Kapitel 8: Using Knowledge in the Real World Dieses Kapitel beschäftigt sich im Gegensatz zu Kapitel 7 nicht um die Schnelligkeit des Gedächtnisses, sondern um die Genauigkeit, wie jenes arbeitet. Außerdem wird in den jeweiligen Versuchen immer beutungsvoller Inhalt verwendet, also keine ausgedachten Pseudowörter etc. Die 7 „Sünden“ des Gedächtnisses Schacter (1999) schrieb in einem Essay über Gattungen der Zerbrechlichkeit des Gedächtnisses, in dem er 7 Wege beschrieben hat, in denen uns das LZG im Stich lässt. Diese 7 Wege hat er in 3 Gruppen eingeteilt: 1. „sins of omission“ (Unterlassungssünden) – man will sich an etwas erinnern, aber kann es nicht a. „transience“: Tendenz den Zugriff auf Informationen über Zeit zu verlieren – durch Vergessen, Interferenzen oder Speicherungsfehler. Dieses Vergehen des Gedächtnisses muss aber nicht unbedingt schlecht sein, da man so Informationen verliert, die man schon lange Zeit nicht mehr benutzt hat und nicht mehr benötigt. b. „absent-mindedness“: Fehler in Alltagserinnerungen – Vergessen von Informationen (Vergangenheit) und beabsichtigten Aktivitäten (Zukunft) durch Unaufmerksamkeit während des Enkodierens oder aufgrund von Automatismen, die während des Enkodierens ablaufen. c. „blocking“: Temporärer Verlust auf den Zugriff von Informationen, z.B. in Stresssituationen (Prüfungen) – „tip-of-the-tongue“ Phänomen („mir liegt es auf der Zunge“). Vor allem Problem bei Älteren, die sich an Namen erinnern wollen. 2. „sins of comission“ – fehlerhafte Erinnerung durch Vertauschen von Personen, Zeit, Kontext d. „misattribution“: Korrekte Erinnerung einer vergangenen Erfahrung in falschem Kontext. e. „suggestibility“: Tendenz eine Information in das Gedächtnis/in die eigene Erinnerung einzufügen, die man von anderen bekommen hat. f. „bias“: Tendenz zur Verzerrung von Erinnerungen/Erfahrungen durch Wissen, Glauben und Gefühlen und somit die Beeinflussung von momentanen und zukünftigen Beurteilungen und Erinnerungen – ist ein Top-Down-Prozess. 3. Schacter’s letzter Punkt der 7 Wege ist „persistance“, womit er (lästige) Erinnerungen meint, die man nicht vergessen kann, obwohl man will – wie häufig nach traumatischen Erlebnissen. Bartlett’s Forschung Bartlett (1932) hat durch Experimente untersucht, wie das Gedächtnis für bedeutungsvolle Informationen brauchbar ist, in dem er Vpn Volksmärchen gegeben hat, die sie sich durchlesen und sie zu verschiedenen Zeitpunkten (nach kurzer Zeit/mehreren Monaten) reproduzieren sollten. Er hat solche Volksmärchen (z.B. von Eskimos) verwendet, weil sie unbekannt waren, viele irrationale Informationen enthielten und bestimmte, unbekannte Namen für Personen und Orte enthielten.
Seine Ergebnisse zeigen, dass das menschliche Gedächtnis nicht besonders reproduktiv, im Sinne von einer wortwörtlichen Wiedergabe („verbatim“), sondern rekonstruktiv („reconstructive memory“) arbeitet, d.h. dass es eher die Bedeutung/Sinn der Geschichte speichert. Zwei wichtige Aspekte haben ihn zu dieser These geführt: 1. Auslassen von Details, Wiedergabe nur von den „großen“ Ereignissen, Nacherzählung viel kürzer als Original signifikante Verluste von Informationen! 2. starke Tendenz die Ereignisse in den Nacherzählungen zu normalisieren und rationalisieren, also ein Hinzufügen und Abändern von Informationen, die im Original nicht vorhanden waren Volksmärchen wurde modernisiert und vernünftiger gemacht, das Mystische wurde abgeschwächt. (nach Schacter: zusätzliche Infos aus dem Gedächtnis der Vpn = bias) Schemata Bartlett hat sich mit dem Begriff des Schemas/Skript bedient, um zu erklären, warum man die Geschichten in dieser Art umändert. Für ihn ist ein Schema eine aktive Organisation von vergangenen Reaktionen und Erfahrungen, die man als Allgemeinwissen bezeichnen könnte. Bestimmte Themen sind in solchen Schemas gespeichert. Wenn man neue Informationen bekommt, dann versucht man diese in ein passendes Schema zu legen. Sind die Infos, wie z.B. eines Volksmärchens aber unpassend für alle Schemata, die man besitzt, dann wird die Geschichte/Volksmärchen für das Schema angepasst. Somit kann man sagen, dass Nacherzählungen keine wahren, exakten Wiedergaben des Originals sind, sondern eine Rekonstruktion von Elementen, die aus dem Original und aus den existierenden Schemata zusammengesetzt sind. Also hat Vorwissen einen starken Einfluss auf das Erinnern von neuen Infos. Erweiterungen von rekonstruktiven Effekten Einerseits kann es sein, dass Vorwissen unser Erinnerungsvermögen für eine neue Information verbessert, andererseits kann es aber auch sein, dass dieses Vorwissen zusätzliche Informationen liefert, die nicht in der neuen Information enthalten waren. Ein Beispiel ist eine Demonstration von Sulin & Dooling (1974). Sie haben Vpn einige Sätze über eine fiktive Person gezeigt, die sie sich merken sollten. Die Kontrollgruppe hat die gleichen Sätze bekommen, jedoch mit dem Namen Adolf Hitler. Die Sätze waren so konstruiert, dass sie auf Adolf Hitler passten. Nach 5-minütiger Pause sollten die Vpn nun eine Liste von Sätzen nach Alt/Neu beurteilen. Die Experimentalgruppe (Adolf Hitler) zeigte viel mehr Alt-Antworten als die KG. Es wurden Sätze für alt gehalten, die gar nicht in der Geschichte vorkamen, sondern nur im Vorwissen der Vpn. Solche „thematischen Effekte“ waren noch stärker bei Vpn, die erst nach einer Woche die Liste der Sätze vorgesetzt bekamen. Ein Problem der Erklärung dieser Effekte ist, dass man nicht genau weiß, ob die Vpn schon beim Lesen der Hitler-Sätze an z.B. die deutsche Regierung dachten, als sie nur Regierung gelesen haben oder ob dieser Zusatz „deutsch“ erst in der Nacherzählung hinzugefügt wurde. Weitere Nacherzählungen werden zudem auch von den vorherigen beeinflusst, sodass dadurch die Sache noch komplexer gemacht wird. Die Interaktion von semantischen und episodischen Gedächtnis ist im nächsten Absatz zu lesen, da diese beiden Gedächtnisarten stark zusammenhängen – denn das semantische Wissen beeinflusst die episodische Speicherung, wie oben beschrieben. Semantische Integration Eine Studie von Bransford und Franks (1971) befasste sich mit der Frage, wie zusammengehörende Informationen im Gedächtnis gespeichert werden. Dazu sollten die Vpn 24 Sätze lesen und hinterher eine Liste von 28 Sätzen nach alt/neu beurteilen und angeben,
wie sicher sie sich ihrer Entscheidung sind. Der Trick dieser Geschichte war, dass die Sätze aus 4 Gruppenarten zusammengestellt waren. Um zu verdeutlichen, wie Gruppen in diesem Kontext stehen, hier ein Beispiel: „The ants in the kitchen ate the sweet jelly that was on the table.” Dieser Satz stellt eine Gruppe mit 4 Informationen dar (“The ants were in the kitchen”, “The ants ate the jelly”, “The jelly was sweet”, “The jelly was on the table”). Die Sätze, die sich die Vpn in der Lernphase durchlesen sollten, bestanden aus 1-4 zusammengesetzten Informationen – 2 Infos: “The sweet jelly was on the kitchen table“. Bei den Ergebnissen ist festzustellen, dass die Vpn meinten vor allem die Sätze wieder erkannt zu haben, die aus 3-4 zusammengesetzten Informationen bestanden. Bei diesen Sätzen waren sie sich ziemlich sicher mit ihrer Entscheidung, obwohl diese größtenteils „falsche Alarme“ waren, also sie für alt gehalten wurden, obwohl sie neu waren. Je weniger Informationen zusammengesetzt waren, desto unsicherer waren die Vpn mit ihren Entscheidungen. Zudem waren die Vpn sehr sicher die Sätze ablehnen zu können, in der Informationen aus verschiedenen Gruppen kombiniert wurden. Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass neue Inforationen gruppen-/ideenweise gespeichert werden, d.h. dass individuelle Infos (in diesem Fall die Ein-Info-Sätze „Ones“) verallgemeinert bzw. zusammengefügt werden. Sie nannten dieses Gedächtnis „memory for meaning“, das auf der semantischen Integration von zusammengehörenden Informationen beruht. Technische und Inhaltliche Genauigkeit Zwei generelle Aspekte sind nach diesem Abschnitt zu nennen. Einmal, dass das Gedächtnis keine technische Genauigkeit („technical accuracy“) aufweist Dargebotenes exakt wiederzugeben, sondern andererseits die inhaltliche Genauigkeit („content accuracy“), Informationen sinngemäß wiedergeben zu können. Jetzt stellt sich die Frage, welche der beiden Genauigkeiten denn besser bzw. wichtiger ist. Einerseits gibt es zahlreiche Situationen, wo technische Genauigkeit nötig ist, z.B. beim Einloggen mit einem Passwort. Hier benötigt man die genaue Information. Andererseits ist diese Genauigkeit aber gar nicht so erwünscht, z.B. wenn man jemanden fragt, was der Prof in der letzten Vorlesung erzählt hat. Hierbei erwartet man keine wortwörtliche, sondern eine sinngemäße Wiedergabe. Jedoch können in solchen Situationen auch Schlüsselbegriffe auftauchen, die wörtlich vom Professor gesagt worden sind. Außerdem ist es nicht hilfreicher in Kontexten zu denken, anstatt alle Informationen einzeln zu betrachten? Denn dann würden wir die Einzelaspekte nicht zusammenführen können und wir würden meistens den Sinn einer Situation gar nicht erkennen. Z.B. zum Satz oben: Wir wissen, dass die Ameisen die Marmelade gegessen haben und das die Marmelade süß war. Da wir kontextbezogen speichern, wissen wir, dass es sich um die gleiche Marmelade handelt, was wichtig ist, um Zusammenhänge zu verstehen. Beide Genauigkeiten haben ihre Vor- und Nachteile und so gesehen, braucht man beide. Propositionen Nun stellt sich die Frage, was wir mit dem Begriff „Bedeutung/Sinn“ (meaning) meinen. Als Grundidee hat man angenommen, dass die semantische Einheit, die „Bedeutung“ kodiert, Proposition genannt wird. Nach Anderson’s Worten ist eine Proposition die kleinste Wissenseinheit, die als separate Behauptung stehen kann, z.B. die kleinste Einheit, über die man wahr/falsch-Aussagen machen kann. In Kapitel 7 haben wir schon gelesen, dass eine Proposition eine einfache Verbindung zwischen zwei Konzepten darstellt. Wenn man dies in ein Diagramm umwandeln würde, dann würde eine simple Netzwerkrepräsentation ausreichen.
Robin property Wings simple Netzwerkrepräsentation des Satzes „A robin has wings“ Aber weil Sätze oft mehr als nur einfache Verbindungen ausdrücken, benutzt man eine weitere Art einen Satz in ein Diagramm aus Propositionen zu gestalten. Hier arbeitet man mit Netzwerk-Knoten und Pfaden. Zuerst setzt man einen zentralen Knoten in das Diagramm, der den kompletten Satz darstellt. Dann erstellt man für jedes Konzept des Satzes einen eigenen Knoten mit jeweils eigenem beschriebenen Pfad. Der Begriff Proposition musste somit genauer definiert werden und zwar als ein „Set von semantischen Knoten, die mit beschriebenen Pfaden verknüpft sind, in der die gesamte Sammlung von Konzepten und Verbindungen die Bedeutung des (Neben-)Satzes ausdrückt“. Mit diesem System können alle bedeutungshaltigen Verbindungen über Konzepte repräsentiert werden. Robin has Wings Hier der gleiche Satz in dem üblicherem Diagramm. Relation Agent Recipient Semantic Cases and Pathway Labels Mit diesem überarbeiteten Diagramm kann man mehr Verbindungen darstellen und der wichtigste Unterschied ist der, dass die Pfade benannt bzw. gekennzeichnet sind. Da ein Satz mehrere Verbindungen haben kann, brauchen wir auch eine längere Liste an so genannten Labels (Kennzeichnungen der Pfade). Der Ausgangspunkt dieser Verbindungen war eine Theorie namens „Case grammar“ von Fillmore. Diese besagt, dass ein Satz in Terme zerlegt werden kann, die aus semantischen Rollen bestehen, wobei jede Rolle von einem Wort „gespielt“ wird. Diese unterschiedlichen Rollen werden in den Diagrammen durch die Labels dargeboten. Durch diese Labels kann man eine Modifikation eines Satzes leicht in das Diagramm einfügen, in dem man das Label ergänzt, z.B. das Label „Time“ oder „Location“. Diese Diagramme helfen die Bedeutung eines Satzes zu verstehen, d.h. je mehr Bestandteile der Satz hat, desto mehr Labels, Pfade und Knoten werden benötigt. Somit wird die gesamte Bedeutung eines Satzes nur durch die Proposition bzw. durch das Set von Propositionen gezeigt, welche den Satz repräsentieren. Was sind jedoch die Vorteile einer Theorie für das LZG, die auf Propositionen basiert? 1. Propositionen geben die Bedeutung des Satzes akkurat wieder. 2. Die Satzstellung bzw. Satzart (passiv/aktiv) spielt bei Propositionen keine Rolle, da die Speicherung auf der Bedeutung des Satzes beruht, die bei unterschiedlicher Satzstellung identisch ist. 3. Mit Propositionen kann man von simplen semantischen Verbindungen („ROBIN has WINGS“) bis hin zu komplexen satz-basierten Verbindungen („The hippie touched the debutante in the park“) darstellen. 4. Außerdem kann man einen weiteren Satz, der in Verbindung zum 1. Satz steht einfach in das Diagramm einbauen. Dadurch ist die Repräsentation des 2. Satzes kodiert, da pro Satz ein neuer Knoten gebildet wird. Zusätzlich kann man einen übergeordneten
Knoten einzeichnen, der z.B. für einen Ursache-Wirkung-Effekt zwischen den beiden Sätzen widerspiegelt. 5. Weil die gesamte Bedeutung der beiden Sätze in den 3 Knoten (s.u.) dargestellt ist, sind auch alle Nebensätze mit inbegriffen. Ohne solche Verbindungen könnte man gar nicht nachvollziehen, wie man einen simplen Paragraphen oder eine Geschichte versteht, da hier jeder Satz auf den nächsten aufbaut. Die übergeordneten Knoten sind ebenfalls hierarchisch aufgebaut und können in Einzelteile zerlegt werden. Übergeordnete Knoten kann man als Kategorie-Knoten im semantischen Netzwerk bezeichnen.
Regeln für abgeleitete Propositionen („derived propositions“) Propositions-basierende Theorien, wie oben beschrieben, repräsentieren komplexe Bedeutungsinhalte und weil diese Bedeutungsinhalte so entscheidend für das Verstehen sind, hat man sich auch mit den Regeln auseinandergesetzt. Um die Regeln zu verdeutlichen, nehmen wir folgendes Beispiel: „The hungry lion ate Max, who starved him.“ Regeln bzw. Ablauf: 1. Finde alle verbindenden Begriffe; das sind in der Regel Verben, Adjektive oder aber auch Präpositionen. In diesem Beispiel wären es „hungry“, „ate“ und „starved“. 2. Schreibe für jeden dieser Begriffe einen simplen Satz, der nur aus einer Verbindung und der dazugehörigen Behauptung besteht. Nummeriere diese Verbindungen. (1) The lion was hungry. (2) The lion ate Max. (3) Max starved the lion. 3. Zeichne für jeden Einzelsatz einen Knoten und nummeriere jeden genauso. Schreibe die Verbindungen in neue Knoten und verbinde jeweils die passenden Knoten miteinander. Schreibe neben die verbindenden Pfade die Beschreibung dieses (hier: „relation“). 4. Füge einen neuen Knoten für jedes Nomen oder nomenähnliche Wort hinzu (hier: Max, lion). Wenn ein Nomen für eine bestimmte Person steht, dann schreibe das Nomen in den Knoten (wie bei Max). Wenn das Nomen aber für eine Kategorie steht, dann zeichne einen neuen Knoten, den man mit X ausfüllt – das X steht für die Kategorie (wie bei lion). Nun verbinde den X-Knoten und den lion-Knoten mit einem Pfad, den man mit „isa“ beschriftet. Wichtig: Jedes Nomen erhält nur einen Knoten, auch wenn es in mehreren Sätzen vorkommt. 5. Verbinde alle Behauptungen durch Pfade/Pfeile mit den nummerierten Knoten, die für die Sätze stehen. Kennzeichne die Pfeile mit entsprechenden semantischen Beschriftungen. (6. Nun stell das Diagramm so um, dass es durchschaubar und ordentlich ist.)
Solche Propositionen helfen uns zwar die Speicherungsweise des Gedächtnisses zu verstehen, aber es wirkt recht abstrakt. Deshalb stellt sich die Frage, ob es solche Propositionen überhaupt gibt. Man kann diese Frage mit ja beantworten, da es einige Beweise für Propositionen gibt, die man durch Experimente herausgefunden hat. In einer klassischen Studie von Sachs (1967) haben die Vpn einen zusammenhängenden Text gehört und wurden dann für einen bestimmten Satz getestet. Dieser Satz konnte nach 0, 80 oder 160 nachgefolgten Silben gehört worden sein. Es gab 4 Alternativen, nach welchen Kriterien die Vpn den Satz erkennen sollten. Die erste Alternative war eine wortwörtliche Wiederholung des Satzes. Die zweite Alternative war eine Vorgabe von Sätzen, die den gehörten Sätzen weder in Bedeutung noch in Form glichen. Die letzten beiden Alternativen zeigten nur formabgewandelte Sätze, also umgestellte Sätze (z.B. passiv). Sachs fand heraus, dass nach 0 Silben zwischen gehörtem und dargebotenem Satz die Vpn die wortwörtliche Wiederholung des Satzes erkannten. Liegen jedoch 80 Silben dazwischen, dann wurden nur noch die Sätze abgelehnt (nicht mehr als „erkannt“ betrachtet), in denen die Bedeutung des Satzes verändert wurde. In anderen Worten, die Vpn konnten nicht mehr zwischen Originalsatz und umgeformten Satz unterscheiden. Seine Schlussfolgerung war, dass man schnell die wortwörtliche Anordnung vergisst, aber die Bedeutung beibehält. Dadurch kann man davon ausgehen, dass man anhand von Propositionen speichert, denn wie oben schon gesagt, kann jeder Satz mit der gleichen Bedeutung mit dem gleichen Diagramm gezeichnet werden. Nur in besonderen Fällen, wie bei Witzen, wird oft wortwörtlich gespeichert. So hat man auch in weiteren Studien gesehen, dass die wortwörtliche Speicherung für Details und belanglose Kommentare besser ist als das wortwörtliche Gedächtnis für allgemeingültige Meinungsäußerungen. Dies nennt man auch Isolations- oder „von Restorff“-Effekt. Gerlacher fand zusätzlich heraus, dass selbst bei nonverbalen Informationen wie Bildern oberflächliche Informationen verloren gehen und Details besser behalten werden. Daraus schloss sie, dass Menschen ein schlechtes Gedächtnis für oberflächliche Informationen haben, weil es eine Verarbeitungsverlagerung während des Verstehens gibt. Also man versteht den Text/Satz, in dem man eine Proposition nach der anderen bildet. Man wechselt also von Proposition zu Proposition. Durch dieses Wechseln werden die vorherigen Substrukturen immer weniger greifbar, sodass evtl. nur die Information bleibt, die die Propositionen bilden, nämlich die Bedeutung. Denn je mehr Propositionen in einem Satz/Text enthalten sind, desto ungenauer wird die Nacherzählung ( größerer Verlust an Details). Propositionen und Priming Ratcliff und McKoon (1978) haben ein Experiment durchgeführt, das die Möglichkeit von Primingeffekten mit Propositionen testet, wenn wir einen Satz verstehen. Den Vpn wurden 2 Sätze gezeigt, die sie für einen späteren Gedächtnistest lernen sollten. Die Sätze sahen so aus, dass jeder 2 Propositionen beinhaltet. „Geese crossed the horizon as wind shuffled the clouds“ “The chauffeur jammed the clutch when he parked the truck.” In der Testphase wurden den Vpn Wörter (Targets) dargeboten, über die sie entscheiden sollten, ob sie in einem der beiden Sätze dargeboten wurden. Es gab 3 Manipulationen des vorangegangenen Hinweisreizes (Primes). Den Vpn wurde ein Wort/ein „Knoten“ (Prime) dargeboten, das entweder aus dem einen (geese-clouds/horizon) oder dem anderen Satz stammte (chauffeur-horizon). Manchmal stammten Prime und Target aus dem gleichen Satz, manchmal aus verschiedenen. Als weiteres konnte der Prime noch aus der gleichen
Proposition sein (geese-horizon). Die KG bekam Primes, die weder in dem einen noch in dem anderen Satz enthalten waren („unprimed condition“). Die Ergebnisse zeigten, dass Wörter/Knoten aus dem gleichen Satz schnellere Reaktionszeiten (RT) bewirkten. Denn wenn der Prime aus dem gleichen Satz stammte wie das Target, dann waren die Vpn ca. 95ms schneller als bei der Bedingung, in der ein Prime aus einem anderen Satz gezeigt wurde. Diese Bedingung wurde als „baseline“ genommen. Weiterhin wurde deutlich, dass die Vpn noch schneller reagierten, wenn der Prime und das Target in einer Proposition waren. Dann brauchten die Vpn 138ms weniger Zeit, um richtig zu reagieren. Und das obwohl die Wörter „geese“ und „horizon“ im engen Sinne semantisch nicht miteinander verbunden sind. Also primen Wörter, die in einem Satz zu Propositionen zusammengefasst werden, andere Wörter. Diese Studie gilt als wichtige Stütze, um zu beweisen, dass die Idee einer Propositions- Theorie, also das wir Verstehen, indem wir propositionale Repräsentationen von Sätzen speichern und uns dann an diese Propositionen erinnern, real ist. Propositions, Semantic Networks, and Scripts Versucht man einen Satz zu verstehen, so konstruiert man nicht nur die Repräsentation der einzelnen Worte, sondern aktiviert auch die Konzepte die mit den Worten verknüpft sind. Dies erlaubt uns mögliche semantische Rollen von Worten und Konzepten von unmöglichen zu unterscheiden (Bsp.: “The lion ate Max, who starved it.” Vs. “The mouse ate Max, who starved it.”). In diesem Beispiel würde man die Konzepte von „LION“, „EAT“ und „HUMAN“ abrufen und feststellen, dass ein Löwe groß und gefährlich genug ist um einen Menschen zu fressen, Fressen etwas ist was Löwen tun können usw. Man geht davon aus, dass dieser semantische Abruf stattfindet, weil uns unmögliche Sätze stutzig machen und wir sie nicht ohne weiteres annehmen. Man hat außerdem beobachtet, dass Probanden die einen Satz oder eine Geschichte beschreiben sollen Details aus aktivierten Konzepten hinzufügen, ohne sie vorher gehört oder gelesen zu haben. Scripts Skripte sind umfassende semantische und episodische Wissensstrukturen, die unserer Interpretation und unserem Verständnis alltäglicher Erfahrungen zu Grunde liegen (z.B. Skript „in ein Restaurant gehen“, „einen Arzttermin vereinbaren“ usw.). Sie bestimmen unsere Erwartungen, unser Verständnis für eintretende Ereignisse und unser Verhalten in bestimmten Situationen. Von einem Arzt würde man z.B. erwarten, dass er einem intime Fragen stellt, von einem Kellner nicht. Diese Erwartung beeinflusst in welcher Situation wir die intime Frage beantworten würden und in welcher nicht. Skripte und Gedächtnis In unserem Gedächtnis sind generalisierte Abläufe und Repräsentationen (= Skripte) von erlebten Situationen gespeichert. Dieses Skript wird erneut aufgerufen, wenn eine neue Erfahrung zu einem alten Skript passt. Eine Funktion von Skripten besteht darin, dass sie als Kurzfassung einer (erzählten oder geschriebenen) Geschichte dienen können. Man muss nicht immer jedes Detail erklären,
sondern kann das geschehene verständlich machen, indem man ein bestimmtes Skript bei seinem Publikum aktiviert. Beispiele nach Schank & Abelson, 1977, pp.38-40: a) John went to a restaurant. He asked for a hamburger. He paid the check and left. b) John went to a restaurant. He asked the waiter for a hamburger. He paid the check and left. c) John went into the restaurant. He ordered a BigMac. He paid it and then ate it while driving to work. Die Sätze a) und b) aktivieren ein typisches Skript, „in ein Restaurant gehen“, und sind dadurch für uns verständlich. Satz c) aktiviert eine bestimmte Variante dieses Skripts, die „Fast Food“ Variante. Nach Schank und Abelson besitzt jeder eine große Zahl separater Skripte mit zusätzlichen unterschiedlichen Varianten. Jedes Mal wenn ein Skript erneut aktiviert wird, kommt es zu priming. Konsequenzen und Folgen des Ereignisses werden je nach gerade aktiviertem Skript interpretiert (dem Arzt würden wir die intime Frage beantworten, dem Kellner nicht). Sätze und Worte die ein bestimmtes Skript aktivieren nennt man header. Diese benennen entweder das Skript oder beschreiben semantisch verwandte Konzepte. Jeder header ist also ein prime, der unser gesamtes Wissen in Verbindung mit dem Konzept aktiviert. Zwei header sind ausreichend um sicher festzustellen welches Skript aktiviert werden muss. In Satz a) aktivieren die Worte „restaurant“ und „hamburger“ das Skript. In Satz b) ist die zusätzliche Bennenung des „waiters“ also unnötig. Sollen Skriptvarianten aktiviert werden, benötigt man umfassenderes und spezifischeres Wissen. Satz c) ist uns nur dann verständlich, wenn man weiß, was der header „BigMac“ bedeutet. d) John was feeling very hungry as he entered the restaurant. He settled himself at a table and noticed that the waiter was nearby. Suddenly, however, he realized that he’d forgotten his reading glasses. Jeder der die Geschichte liest wird denken, dass Johns Problem darin liegt, dass er die Karte nicht lesen kann. Obwohl die Karte nicht erwähnt wurde, wird sie über das Restaurantskript mit aktiviert. Sie ist Teil eines frames (oder slots), gespeicherte Details über ein spezifisches Ereignis innerhalb eines Skripts. Wird ein bestimmtes Detail nicht genannt, wird der Bezug über das Skript hergestellt. Die Karte ist hier der default value des frames, das typische Konzept des frames. Nicht genannte Details werden mit solchen default values aufgefüllt. Wird im Alltag etwas erzählt, heißt das normalerweise, dass solange kein Detail erwähnt wird, man die default values die durch das skript festgelegt werden annimmt. Wird ein Detail erwähnt, werden die default values durch dieses ersetzt. Eine Fortsetzung der Geschichte könnte also so aussehen: d1) Rather than go to his car to get his glasses, John asked the waiter to tell him what kinds of sandwiches they had. d2) But then the waiter told him that he wouldn’t need his glasses because tonight’s dinner was a buffet. Predictions Ein Skript erlaubt uns Sequenzen von Ereignissen vorherzusehen. Jemand mit einer anderen oder weniger Erfahrung hat eventuell Schwierigkeiten zu verstehen was um ihn herum passiert. Unser Verständnis für eine Situation ist somit abhängig vom Grad der Abweichung
unserer bisherigen Erfahrung und unseren Skripten. In dieser Situation kommt es meist zu Verständnis- und Wiedergabeschwierigkeiten des passierten. Besitzt jemand eine bestimmte Skriptvariante nicht, kommt es dagegen zu Verstehensversuchen, die auf dem generellen Skript beruhen. Da wir nicht erwähnte Details durch default values und frames ersetzen, kann dies unsere Erinnerung beeinflussen. Dadurch kommt es häufig zu neu hinzugefügten Inhalten, die wir zwar annehmen, nie aber so gehört, gesehen oder gelesen haben. Beweise Smith & Grasser (1981) fanden heraus, dass untypischer Ereignisse innerhalb einer Geschichte schneller und häufiger abgerufen und als bereits gesehen erkannt werden, als typische Ereignisse. Dies wird durch die schema-copy-plus-tag Hypothese beschrieben: Man speichert eine Kopie eines allgemeinen Skripts als Repräsentation eines Ereignisses im Langzeitgedächtnis ab und hängt diesem spezifische, untypische Details an. Hannigan & Reinitz (2001) zeigten, dass sich Versuchspersonen, die entweder nur ein Bild einer Ursache oder eines Effektes eines Ereignisses gesehen hatten, später auch von dem jeweils anderen behaupteten es zuvor gesehen zu haben. Dies galt im Versuch zwar technisch als Fehler, im Alltag zeigt sich dies jedoch durch unser allgemeines Ursache-Wirkungs- Verständnis (irgendetwas muss ja zu einem Ereignis führen und eine Ursache muss irgendeinen Effekt haben). False Memories, Eyewitness Memory and „Forgotten Memories“ False Memories Falsche Erinnerungen sind Erinnerungen an Ereignisse die nie stattgefunden haben. Roediger & McDermott (1995) zeigten ihren Probanden eine 12-Item-Liste mit Worten die alle mit einem kritischen Wort eng assoziiert waren. Z.B die Items bed, rest, pillow, snooze assoziiert mit dem kritischen Item sleep. Das kritische Item wurde in den Listen nicht erwähnt. In direktem Anschluss gaben jedoch 40% der Probanden dieses Items als zuvor gesehen wieder. Bei einem späteren Wiedererkennungstest nahm die Zahl der Versuchspersonen, die behaupteten das Item zuvor gesehen zu haben, weiter zu. In einer Folgestudie wurden den Probanden mehrere solcher Listen gezeigt. Die Wiedererkennung erfolgte in zwei Gruppen, entweder nach einer sofortigen freien Wiedergabe oder nach einer Rechenaufgabe. 55% der Versuchspersonen gaben die kritischen Items in der freien Wiedergabe an. Im darauf folgenden Wiedererkennen waren die Ergebnisse noch extremer als in dem vorangegangenen Experiment. Erkennen der gelernten Items nahm zu (ca. 70%), wurde aber von den Falschen Alarmen noch übertroffen (81% beim sofortigen Abruf). Wurden die kritischen Items bereits in der freien Wiedergabe genannt, stärkte dies die Erinnerung der Probanden für das Wort und erhöhte so ihre Falsche Alarm Rate gegenüber der Rechengruppe (ca. 70% Falsche Alarme). Die meisten gaben an sich erinnern an die assoziierten Items erinnern zu können, nicht aber es genau zu wissen. Das Einprägen der eng assoziierten Worte aktivierte die kritischen Items mit und machten es den Probanden später unmöglich zwischen diesen und den gelernten Items zu unterscheiden. Leading Questions and Memory Distortion
Inferenzen bei Zeugenaussagen wurden von Loftus und Palmer (1974) durch eine Studie mit gezielter Falschinformation untersucht. Collegeschüler sahen einen Film über Verkehrssicherheit und sollten danach den gezeigten Autounfall frei beschreiben und Fragen dazu beantworten. Eine der Fragen behandelte die geschätzte Geschwindigkeit der Autos („About how fast were the cars going when they hit each other?“). In vier anderen Gruppen wurde das Verb „hit“ durch „smashed“, „collided“, „bumped“ oder „contracted“ ersetzt. Wie erwartet gaben die Gruppen mit den stärkeren Verben (bes. „smashed“ und „collided“) höhere Geschwindigkeiten an. Liest man eine Frage aktiviert das unsere Konzepte, unser semantisches Wissen und unsere Skripte die damit verknüpft sind. Die Fragestellung leitete die Probanden zu einer Antwort, die auf unserer semantischen Interpretation der beinhaltenden Worte basiert (z.B. „smash“). Neben diesem Effekt untersuchten Loftus und Palmer auch das Phänomen des memory impairment: der Umwandlung und Anpassung einer Erinnerung aufgrund späterer Ereignisse (auch retroaktive Inferenz). Eine Woche nach dem ersten Experiment sollten die Schüler einen zweiten (anderen) Fragebogen beantworten, ohne den Film noch einmal gesehen zu haben. Eine der Fragen lautete: „Did you see the broken glass?“. Die richtige Antwort wäre „Nein“ gewesen. 34% der „smashed“ Gruppe antworteten jedoch mit „Ja“, verglichen mit 14% der „hit“ Gruppe. Die Wahrscheinlichkeit einer positiven Antwort nahm mit zunehmender Stärke des präsentierten Verbs zu. Die Manipulation des Verbs in der ersten Frage führte also nicht nur zu einer gezielten Falschinformation, sondern fungierte auch als Quelle irreführender Informationen in späteren Ereignissen. Misinformation Effect In einigen Versuchsabläufen wird der Experimentalgruppe nach der Präsentation eines Films oder ähnlichem im Gegensatz zu der Kontrollgruppe eine falsche Information präsentiert (z.B. durch gezieltes Versprechen des Versuchleiters, Tippfehler auf einem Fragebogen usw.). In einem anschließenden Wiedererkennungstest geben einige Probanden die falsche Information als Teil des Originalmaterials an (= misinformation effect). Belli (1989) fand, dass die irregeführten Probanden eine 20% niedrigere Genauigkeit in den Wiedererkennungstests zeigten, Loftus et al. (1989) zeigten zudem, dass sie ihre falsche Einschätzung schneller abgaben als die Kontrollgruppe. Der misinformation effect geht demnach mit einer irreführenden Selbstsicherheit der Probanden einher. Source Misattribution and Misinformation Acceptance Source Misattribution Dieser Effekt beschreibt, dass man sich nicht daran erinnern kann wo man eine Information zuerst wahrgenommen hat. Dies gilt auch dann, wenn man entscheiden soll, ob die Originalsituation oder ein späteres Ereignis die Quelle der (Mis-)Information war. Misinformation Acceptance Loftus (1991a) zeigte, dass Probanden oft zusätzliche Informationen als Teil des Originalmaterials akzeptierten, ohne sich daran erinnern zu können. Das Annehmen von Informationen aus Sekundärquellen nimmt mit fortschreitender Zeit immer mehr zu und macht den Zugriff auf die eigentliche Erinnerung schwieriger.
Implanted Memories In mehreren Untersuchungen wurden den Probanden Kindheitsgeschichten, die die Versuchsleiter von den jeweiligen Eltern erfahren hatten, erzählt. Die Probanden sollten danach beurteilen, ob sie sich daran erinnern könnten oder nicht. Bei einer dieser Geschichten handelte es sich um ein Pseudo-Ereignis das niemals stattgefunden hatte, aber plausibel schien. In einer Untersuchung von Hyman et al (1995) verneinten alle Probanden sich an die Geschichte erinnern zu können, nach nur drei Sitzungen behaupteten jedoch 25% Erinnerungen daran wiedergefunden zu haben. Wade, Garry, Read und Lindsay (2002) boten ihren Versuchspersonen ein digital verändertes Bild dar, das die Probanden mit sechs Jahren bei einer Heißluftballonfahrt zeigten (die niemals stattgefunden hatte). 50% der nun Erwachsenen Probanden behaupteten sich daran erinnern zu können. Nach viel Kritik an diesem eventuell zu sehr beeinflussenden Verfahren untersuchten Lindsay et al. (2004) das gleiche Phänomen mit einem anderen Verfahren. Den Probanden wurden drei Kindheitsgeschichten erzählt, von denen eine ein Pseudo-Ereignis über einen Schulstreich war. Der Hälfte der Probanden wurden Klassenfotos ihrer damaligen Mitschüler als „Gedächtnishilfen“ gezeigt. Alle Probanden sollten berichten, woran sie sich bei den drei Geschichten noch erinnerten. In der Gruppe ohne Foto konnten sich mehr als 50% der Probanden nicht an das Pseudo-Ereignis erinnern (richtig), 15% berichteten sich erinnern zu können. In der Gruppe mit Fotos konnten sich nur 33% nicht an das Ereignis erinnern, 30% behaupteten jedoch Erinnerungen daran zu haben. Nach einer Woche, in der die Probanden über die Ereignisse nachdenken sollten, wurden sie erneut befragt. In der Gruppe mit Foto stieg der Anteil der Probanden, die sich fälschlicherweise erinnern konnte von 30% auf 70% an. Ein Hinweisreiz, wie etwa das Foto, scheint die Bereitschaft falsche Informationen anzunehmen zu steigern und verfestigte die falsche Erinnerung stärker und sicherer. Overconfidence in Memory Wie zuvor gezeigt ist das Gedächtnis nicht nur einfach zu beeinflussen, falsche Erinnerungen gehen auch meist mit einer hohen Selbstsicherheit einher. Dafür sind vermutlich zwei Faktoren verantwortlich. Source memory beschreibt die Erinnerung an die exakte Quelle einer Information. Dass dies einfach zu beeinflussen ist, zeigen die vorangegangenen Untersuchungen. Der zweite Faktor scheint etwas mit processing fluency zu tun zu haben, der Geschwindigkeit mit der etwas verarbeitet wird oder es aktivieren werden kann. Je schneller etwas ins Gedächtnis gerufen wird, desto eher wird es als wahr anerkannt, obwohl dies kein Indikator dafür ist. Stronger Memory Distortion Effects g. Wiederholte Präsentation von Fehlinformationen erhöht deren Gedächtniswiedergabe und, zumindest wenn sie in Form einer Geschichte dargeboten wurde, erhöht auch die Tendenz zu glauben man habe die Information schon zuvor gekannt. h. Wiederholtes Abfragen von Fehlinformationen und wiederholte Erinnerungsversuche erhöhen die Wahrscheinlichkeit sich später daran zu erinnern und die Sicherheit die mit der Information einhergeht.
i. Wiederholte Befragung zu einem Ereignis verstärkt die Aktivierung bestimmter Details und fördert das Vergessen anderer, auch wenn keine Fehlinformationen präsentiert wurden. Sie stärken außerdem das Vertrauen in die Erinnerung unabhängig ob sie wahr oder falsch ist. j. Die Vorstellung das etwas passiert sei (Imagination inflation), verstärkt spätere Erinnerungsabrufe die besagen, dass etwas tatsächlich passiert ist. Genauso wie die Aufforderung etwas als wahr zu akzeptieren. k. Fehlinformationseffekte werden auch dann gefunden, wenn die Probanden darauf hingewiesen wurden besonders achtsam für falsche Informationen zu sein. Sie sind besonders resistent gegen jegliche Veränderungen in der Instruktion und treten auch bei vollkommen unabhängigen Testungen auf. l. Beeinflussung durch andere wirkt unterstützend für das Vertrauen in eine Erinnerung. Repressed and Recovered Memory Verdrängung beschreibt das bewusste Vergessen eines schmerzhaften und traumatischen Ereignisses (Freud, 1953/1905). Bisher gibt es jedoch nur wenig empirische Befunde wie und wie oft dies geschieht. In einigen Fällen traumatischer Ereignisse ist außerdem das Gegenteil (die genaue und dauerhafte Erinnerung an das traumatische Ereignis) eingetreten. Inwiefern diese verdrängten und später wieder gefundenen Erinnerungen der Wahrheit entsprechen ist bisher nicht geklärt. Ob solche Aussagen z.B. vor Gericht überhaupt geltend gemacht werden dürften ist ebenfalls unklar. Besonders fraglich ist es aber dann, wenn die Erinnerung mit Hilfe von psychotherapeutischen Techniken „wiedergefunden“ wurde. Viele dieser Techniken beinhalten Faktoren, die in den zuvor erläuternden Untersuchungen zu falschen Erinnerungen geführt haben (Bildmaterial, beeinflussende Befragung, ständige Wiederholungen usw.) Autobiographical Memory The Bahrick Work Bahrick, Bahrick und Wittlinger (1975) In der Studie „Fifty Years of Memory for Names and Faces” wurde das Erinnerungsvermögen für Namen und Gesichter der eigenen Abschlussklasse (High School graduation class) an 400 Versuchspersonen zwischen 17 und 74 Jahren getestet (Zeit die seit dem Schulabschluss vergangen war: 2 Wochen bis 57 Jahre). Die durchschnittliche Klassengröße betrug 294 Personen. Nach einem ersten Test, in dem die Versuchspersonen die Namen frei aus dem Gedächtnis wiedergeben sollten, wurden fünf weitere durchgeführt: Wiedererkennung der Namen, Wiedererkennung anhand von Fotos, Zuordnung von Namen zu Fotos, Zuordnung von Fotos zu Namen und freier Namensabruf mit Fotos als Hinweisen. Im ersten Durchgang (freier Abruf der Namen) erinnerten sich Probanden, die ihren Abschluss vor drei Monaten gemacht hatten, an durchschnittlich 50 Namen (~15%). Die älteste Gruppe kam auf durchschnittlich 18 Namen (~ 6%). Fotos als Hinweise konnten die freie Abrufleistung nicht verbessern.
Die Leistung in den Wiedererkennungstests war dagegen wesentlich besser. 3 Monate nach dem Abschluss wurden 90% der Namen und Bilder wieder erkannt, das Erinnerungsvermögen für Namen nahm erst ab 15 Jahren vergangener Zeit ab, Fotos wurden zu 80 - 90% noch bis zu 35 Jahren später wieder erkannt. Die Abnahme der Leistung in den Ältestengruppen sprechen Bahrick et al. vor allem Faktoren des physischen Alterns zu. Wie kommt es zu solch einer hohen Leistung im Wiedererkennen von Namen und Personen? Da die Probanden mindestens vier Jahre mit den Personen aus ihrer Abschlussklasse zur Schule gegangen waren, befanden sie sich in einer verlängerten Lernphase (prolonged aquisition), die bisher noch in keinem Laborexperiment untersucht werden konnte. Im Gegensatz zu Laboruntersuchungen fand das Lernen außerdem über die Zeit hinweg statt und nicht zu bestimmten Lernzeitpunkten in einem festen (kurzen) Zeitraum. Das Ergebnis dieses Prozesses war die wesentlich höhere Wiedererkennungsleistung. Bahrick konnte mit dieser und weiteren Untersuchungen (Gedächtnis bei Fremdsprachen, 1984; Gedächtnis für Schulmathematik, 1991; Gedächtnis für Straßennamen und Ortsangaben nach 50 Jahren, 1983) zeigen, dass verteiltes, kontinuierliches Lernen am effizientesten ist um sich langfristig daran zu erinnern. Bahrick geht außerdem davon aus, dass sich dieser Effekt nicht auf lebensnahe Dinge beschränkt, sondern bei ihnen lediglich besonders stark ausgeprägt ist. Psychologists as Subjects Viele Psychologen haben ihre Gedächtnisleistung nach Ebbinghaus’ Beispiel an sich selbst getestet. Ein Unterschied war jedoch, dass nicht alle Laborstimuli nutzten, sondern natürliche Ereignisse als Lerngrundlage wählten. Wagenaar (1986) zeichnete 6 Jahre lang alltägliche Ereignisse auf (insg. 2400) und testete dann sein Erinnerungsvermögen in Verbindung mit vier Hinweisreizen: was für ein Ereignis es war, welche Personen involviert waren, wo und wann es passiert war. Er fand, dass er sich in kurzen Abrufintervallen besser an angenehme Ereignisse erinnern konnte, als an unangenehme. Zeitgestützte Hinweise waren außerdem besonders hilfreich. Die Zeitspanne, die seit dem Ereignis vergangen war, konnte nicht so viel über die Erinnerungsleistung vorhersagen wie die Salienz oder Wichtigkeit des Ereignisses und die subjektive emotionale Beteiligung. Sehulster (1989) fand, dass bei seinem Gedächtnistest zu 25 Jahren Aufführungen an der Metropolitan Opera vor allem die Wichtigkeit und Intensität der Darbietungen ausschlaggebend für seine Erinnerungsleistung war. The Relationship of Laboratory to Real-World Memory In den späten 1970er Jahren kam die Diskussion über den Wert der traditionellen Laboruntersuchungen zum episodischen Gedächtnis und dem Ansatz zum autobiographischen Gedächtnis auf. Die Kritik gegen die Laboruntersuchungen drehte sich vor allem um die externe Validität und die Frage ob man das „wahre“ Gedächtnis untersuchte, wenn man mit willkürlichen Aufgaben und Stimuli in nicht repräsentativen Laborumgebungen arbeitet. Banaji und Crowder (1989), zwei Verfechter der Laborforschung, kritisierten den autobiographischen Ansatz in zwei Punkten. Da das Gedächtnis ein komplexes Themengebiet sei und von einer großen Zahl an Variablen beeinflusst wird, die man bis heute kaum versteht, könne die Forschung im Labor nicht aufgegeben werden, da sie Störvariablen eliminieren oder konstant halten kann. Des Weiteren habe der autobiographische Ansatz keine neuen Entdeckungen hervorgebracht, die man nicht auch schon aus Laboruntersuchungen gekannt hätte. Heute scheint sich so etwas wie ein „Waffenstillstand“ der beiden Seiten durchgesetzt zu haben. Die Diskussion über den Wert laborgestützter Forschung ist gemäßigter und auch dem
autobiographischen Gedächtnisansatz wird offener und toleranter begegnet. Seit den ersten Ergebnissen dieses Ansatzes zeigen sich immer mehr Verbindungen und Ähnlichkeiten zu anderen akzeptierten Bereichen. Er wird weiterhin Zeit brauchen um sich weiterzuentwickeln und sich letztendlich zu beweisen. The Irony of Memory Is Human Memory So Awful? Man beklagt sich schnell darüber, dass Erinnerungen verblassen, man sich nichts merken kann und wie schwer es ist neues zu lernen und es zu behalten. Die meisten Bedauern die unser Gedächtnis betreffen sind jedoch übertrieben. Die große Menge an Fakten und Informationen auf die wir direkten Zugriff haben und ihre Komplexität werden in der Regel unterschätzt. Wenn man sagt, man habe etwas vergessen, meint man meist man könne es nur nicht direkt abrufen. Der Abruf aus dem Gedächtnis ist jedoch nur eine Möglichkeit sein Erinnerungsvermögen zu testen. Wiedererkennen und wiedererlernen zeigen, dass das meiste noch in unserem Gedächtnis gespeichert ist. Conway, Cohen und Stanhope (1991) untersuchten Studenten 12 Jahre nachdem sie einen Kurs über Kognitive Psychologie belegt hatten. Sie wurden auf ihr Erinnerungsvermögen für Konzepte, spezifische Fakten, Namen usw. getestet. Der Abruf des gelernten Materials fiel über die 12 Jahre von 60% auf 25% für gelernte Konzepte ab. Das Wiedererkennen desselben Materials sank jedoch nur von 80% auf etwa 65 – 70% und lag damit weit über dem Zufall. Special Flashbulb Memories Viele Menschen behaupten besonders lebhafte und genaue Erinnerungen an bestimmte Ereignisse zu haben, vor allem wenn diese unerwartet und ausgefallen waren. In mehreren Untersuchungen konnte jedoch gezeigt werden, dass die Überraschung über ein Ereignis nichts mit dem Erhalt der Information im Gedächtnis zu tun hat, die Deutlichkeit oder Klarheit des Ereignisses dagegen schon (Vergleich Kapitel 6). Einige Untersuchungen behaupten außerdem, dass „flashbulb memories“ sich nicht von normalen Erinnerungen unterscheiden. In Tests zum Abruf solch einer flashbulb – Erinnerung und einem alltäglichen Ereignis nahm die Leistung für beide bereits nach kurzer Zeit kontinuierlich ab, die Probanden berichteten jedoch sich nach wie vor genau zu erinnern. Obwohl man sich de facto nicht besser erinnert, nimmt man die Erinnerung aber als genauer wahr (Talarico und Rubin, 2003). Conway et al. (1994) fanden gegensätzliche Beweise. Sie untersuchten Probanden und ihre subjektiven (Alltags-) Erinnerung an die Zeit als Margaret Thatcher zurücktritt, zwei Wochen und ein Jahr nach dem Ereignis. 86% der Probanden aus dem Vereinten Königreich berichteten über „flashbulb memories“ im Gegensatz zu 36% der Probanden aus anderen Ländern. Conway et al. schlossen daraus, dass solche flashbulb memories entstehen können, in Abhängigkeit von der Wichtigkeit des damit verbundenen Ereignisses und dem Ausmaß der affektiven Reaktion darauf. Bildhafte Erinnerungen und Emotionen beeinflussten außerdem die Art der Erinnerung. Schmidt (2004) konnte dies bestätigen, als er herausfand, dass die Emotionalität seiner Probanden die Erinnerung an 9/11 beeinflusste. Aber ist das nicht die Ironie des Gedächtnisses?! Die Umstände die dazu führen, dass man besonders klare, lebhafte und deutliche Erinnerungen formt – subjektive Wichtigkeit und eine starke emotionale Reaktion auf das Ereignis – charakterisieren auch Erinnerungen an traumatische Ereignisse, die sich vor allem durch Verdrängung auszeichnen.
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