Die neue Öffentlichkeit und die Rolle des Publikums Medientagung in Bayreuth - EAM
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EAM Evangelische Arbeitsgemeinschaft Medien Die neue Öffentlichkeit und die Rolle des Publikums Medientagung in Bayreuth Zum neunten Mal lud die Evangelische Arbeitsge- Google-Übersetzung meinschaft Medien (EAM) in Kooperation mit der Aka- von „gefällt mir“ in Su- demie für politische Bildung Tutzing zu einer Tagung aheli. Mimikama ist nach Bayreuth ein. Diesmal beschäftigten sich die hauptsächlich mit „Zu- Teilnehmenden mit dem durch die Digitalisierung ra- erst denken – dann kli- dikalen Strukturwandel der öffentlichen und privaten cken“ in Social-Media- Kommunikation und den Folgen für die Mediendemo- Angeboten unterwegs. kratie. Wie gehabt führten Dr. Michael Schröder und André Wolf (Presse- Sabine Jörk durch das Tagungsprogramm. sprecher, Content und Prof. Bertram Scheufele Social Media Koordi- (Universität Hohenheim) nator von Mimikama) Prof. Bertram Scheufele erläuterte anschaulich, André Wolf betonte ausdrücklich, wie wichtig es ist, sich mit dass man den Begriff Frames und Narrativen „Social Media“ nicht mit sozialen Medien übersetzen auseinanderzusetzen. Der darf, sondern als ein gesellschaftliches Konstrukt be- Begriff Framing stammt aus greifen muss, in welchem jeder zum Sender und Emp- dem englischen „to frame“ fänger von Nachrichten wird, welche wiederum sofort (dt. einrahmen) und bedeu- Resonanz erfahren. Jeder von uns hat ein digitales Ich, tet einfach ausgedrückt, dessen Privatsphäre unbedingt vor Missbrauch ge- dass eine Information, in einen bestimmten Rahmen schützt werden muss. Nur wer möglichst wenig von eingebettet, weiterverbreitet wird und so entspre- sich preisgibt, ist zum Beispiel vor Profilduplikaten chend von dem Empfänger interpretiert wird. Zum Bei- geschützt. Auch gilt es, wichtige Rechte im Netz zu spiel: „mein Bauch gehört mir“ versus „Töten von unge- beachten wie das Urheberrecht, Nutzungsrecht, Recht borenen Leben“; oder zur EU-Ost-Erweiterung: „Kosten am eigenen Bild sowie die Panoramafreiheit (Autos und Kriminalität“ versus „Demokratiezuwachs“. und Kennzeichen auf öffentlichem Grund genießen in Bei der Aussage „der Stress unter Schülern nimmt zu“ Deutschland keinen Schutz). haben Eltern gleich die Assoziationen Lehrplanüber- Starke Passwörter schützen besser als ständiger Pass- frachtung, Lehrermangel, Freizeitmangel bei Schülern. wortwechsel. Bei der sicheren Nutzung von Social Me- Entscheidend bei Framing ist die Wortwahl, die die dia gilt das zwei-Faktorenprinzip: Hinterlegung eines Entscheidung beeinflussen kann: So könne der von Passwortes und einer Handynummer (für SMS-Be- dem AfD-Politiker Gauland im Zusammenhang mit nachrichtigung eines Codes durch den Anbieter), nur der Zeit des Nationalsozialismus verwendete Begriff so können Dritte ein Social Media-Konto nicht einfach „Vogelschiss“ als Einordnung dieser geschichtlichen hacken. Allerdings versuchen Betrüger heute, über Ära Assoziationen hervorrufen, die entweder zu ei- Phishing an sensible Daten heranzukommen. ner Ablehnung der AfD oder zu einer Befürwortung Challenges, Fauxtire, Clickbaits & Co.: führen. Frames funktionieren aber nur dann, wenn sie „im Kopf schon angelegt“ sind. Scheufele zeigte aber Aufklärung tut not! auch, wie sie sich in den Medien etablieren, etwa „Dö- Der klassische Kettenbrief hat auch bei Social Media nermorde“ für NSU-Terror, oder „Wählerwillen“ für „Ja- eine hohe Verbreitung: Zum Beispiel die Warnung maika“ oder „Groko“. vor einer Freundschaftsanfrage von „Ute Lehr“, die Warnung vor den Horror-Clowns an Halloween. Be- Ein Narrativ hingegen ist eine sinnstiftende Erzählung, sonders bedenklich sind dabei die „Blue Whale Chal- die darüber entscheidet, wie eine Information beim lenge“ oder die „Momo Challenge“ (vorher Theresa Empfänger wahrgenommen und interpretiert wird. Vidalgo), in welchen Jugendliche als letzte Challenge Tom Wannenmacher gründete 2011 „Mimikama – angeblich zum Freitod aufgefordert werden. Wichtig: Verein zur Aufklärung über Internetmissbrauch“, Momo kann bei WhatsApp nicht mit Namen Kontakt nachdem er bei Facebook in eine Abofalle geraten aufnehmen, da „sie“ nicht in Kontakten gespeichert war. Mimikama ist ein Kunstwort, entstanden aus der ist. André Wolf wies ausdrücklich darauf hin, dass es www.def-bayern.de juli 2019 / def aktuell 23
diese Challenges nicht gibt! Hier muss dringend mehr Zum Schluss diskutierten drei Journalisten über ihre Aufklärung stattfinden, damit diese bewusste Falsch- veränderte Rolle und die neue Rolle des Publikums. meldung nicht Eltern, Schule, Betreuungseinrichtun- Mathias Wagner (Mittelbayerische Zeitung, Regens- gen und Kinder in Hysterie versetzt! burg) erklärte, dass heutzutage Journalisten sowohl Auch „Fauxtire“ (Falset Satire) - eine Mischung aus Print als auch Digital beherrschen müssen. Die Tren- Falschmeldung und Satire - ist in Social Media weit nung der Redaktionen wurde dort 2016 abgeschafft. verbreitet. Insgesamt haben viele Menschen Proble- Zu jedem digitalen Beitrag gibt es auch sofort immer me, Satire zu erkennen und richtig einzuordnen. einen Kommentar. Aufgrund schwindender Abozah- len sei man gezwungen, neue Verkaufsmodelle zu fin- Wolf erläuterte anschaulich, was ein „Clickbait“ (Köder) den; man denke auch über die Personalisierung von ist, der das Bedürfnis zum Anklicken einer Nachricht Nachrichten nach. auslöst, wie z.B. „Niemand darf die Wohnung der alten Frau betreten“. Clickbaits arbeiten mit reißerischen Gudrun Riedl (stellvertretende Leiterin BR24, Müchen) Überschriften, Emotionen und sog. Cliffhangern (es berichtete, dass die Trimedialität zu einer krassen Ver- wird eine große Spannung aufgebaut, die hohe Neu- änderung ihrer Arbeit führte. Heute sind Twitter, aber gier weckt weiterzulesen). Er zeigte auch viele Bei- auch Alexa oder TikTok wichtige Informationsquellen; spiele für Narrative, wie z.B. das Narrativ für Traditi- dennoch folge man immer noch dem Zwei-Quellen- onsverlust „Wintermarkt statt Weihnachtsmarkt“ oder Prinzip, um glaubwürdig zu bleiben. Viele Kommen- „Schmunzelhase statt Osterhase“. tare fallen unter „Hate Speech“. Um Hassnachrichten auszufiltern, setze man auch künstliche Intelligenz Achtung Fake News! (Conversario) ein. Auch BR24 arbeitet schon lange mit Der Begriff Fake News (bewusste Falschmeldung, ma- der Möglichkeit, als Nutzer personalisierte Informatio- nipulativ, erfunden) wird bei Mimikama erst seit der nen zu bekommen. Präsidentschaft Donald Trumps verwendet. Auch hier Peter Engelbrecht (Nordbayerischer Kurier, Bayreuth) zeigte Wolf sehr viele Beispiele zur Veranschaulichung: kämpft zusätzlich noch mit dem Problem des flächen- „Bürgerkrieg in Schweden“, „Friedhofsschändung deckenden Internetempfangs. Einig war man sich, durch Migranten“, „Austausch von Deutschen durch dass die Möglichkeit, in direkten Dialog mit den Nut- Afrikaner“, „Organmafia“, gefälschtes BAMF-Plakat. Be- zern zu gehen, als Chance zu sehen ist, gleichzeitig trüger nutzen Fake News, um Nutzer auf bestimmte jedoch viele eigentlich kompetente Menschen sich Seiten zu locken. Mittels eines pseudoredaktionellen aus Angst vor den digitalen Medien nicht in den ge- Inhalts einer angeblichen Finanz-Site wird man z.B. sellschaftlichen Diskurs einbringen und somit das Feld beim Anklicken auf eine Casino-Site geleitet. den Radikalen überlassen. Wolf stellte sechs Möglichkeiten des Erkennens von Das online basierte Quiz Fake News vor: zur Mediendemokratie (ein- 1. Eigenen Standpunkt kennen gestellt von Dr. Michael 2. Wahrnehmung schulen Schröder auf der Plattform Kahoot) gewann sehr zur 3. Wer schreibt? Freude der EAM Luitgard 4. Inhaltlicher Gegencheck Herrmann! Katharina Geiger 5. Bildercheck (z. B. mit Greenshot) erreichte den zweiten Platz! 6. Experten fragen! Gratulation an Beide! Sabine Jörk, EAM-Vorsitzende Insgesamt leistete Wolf drei Stunden sehr gute Aufklä- rung, vor allem durch seine vielen praktischen Beispiele zur Veranschaulichung. 24 def aktuell / juli 2019 www.def-bayern.de
EAM Evangelische Arbeitsgemeinschaft Medien Warum ändert sich so Untermalt mit Fakten und Medienbeispielen, stieg Dr. Maya Götz mit ihrem Vortrag in das Thema ein. „Junge wenig? EFB-Rundfunk- Frauen wachsen mit dem Gefühl auf, alles ist möglich! Du musst perfekt sein, streng dich an und pass‘ dich tagung im Bayerischen an!“ So zelebrieren sie eine Weiblichkeit ohne Einge- ständnis von Defiziten - und damit ein postfeministi- Rundfunk sches Leitbild! Die Sozialisation der Jungen läuft anders: Wenn sie die Warum ändert sich so wenig an der Präsenz von Frauen Ansprüche nicht erfüllen können, dann unterlaufen vor und hinter der Kamera und an den Rollenbildern? sie diese mit Humor, Sport und Muskelkraft. Das ist Das war die alte und dennoch hoch aktuelle Frage der eine viel clevere Strategie, und ihr Körper wird ihnen diesjährigen Rundfunktagung, zu der die Delegierte der so nicht zum Problem. Evangelischen Frauen in Bayern in den BR-Rundfunkrat, Elke Beck-Flachsenberg, eingeladen hatte. Die jungen Mädchen dagegen finden in Models und vor allem in Medien Leitbilder, die hypersexualisiert Dr. Maya Götz und damit unerreichbar sind. Das führt sie in eine Krise. So meint die Hälfte aller Mädchen, sie seien zu dick. Selbstoptimierung heißt das Reizwort, und die Selbstinszenierung auf Instagram zur Vertuschung von angeblichen Schönheitsfehlern und Einstudie- rung von bestimmten Gesten führt statt zur Individu- alität zum Stereotyp. Die vorläufige Schlussfolgerung von Maya Götz: „Wir brauchen Widerstand, Gegenbil- der, neue Vorbilder!“ Warum sich so wenig an den Rollenleitbildern für Bevor diese Gegenbilder gezeigt wurden, wurde Me- Mädchen und Jungen ändert, das machte die Haupt- litta Müller-Hansen als Beauftragte der Landeskirche referentin und Medienexpertin Dr. Maya Götz entmu- für den BR gefragt: Gibt es Ähnlichkeiten zwischen der tigend und gleichzeitig motivierend deutlich: Solange Genderkonstruktion in unserer und in der biblischen Mode und Schönheitsindustrie die jungen Mädchen Geschichte? Ihre schlechte Nachricht lautete: Ja, Frau- und Frauen zur ständigen Selbstoptimierung und da- en werden, so sie erwähnt werden, oft nicht mit Namen mit zur Anpassung an ein nicht erreichbares Ideal ver- genannt, Männer sind die Helden und Regelbrecher. führen, gibt es keine Emanzipation und keine neuen Das Leistungsprinzip für die Frau heißt: Du musst ei- Rollenleitbilder. Und solange wir alle die geschlechts- nen Sohn gebären! Jesus eröffnet Frauen neue Rollen, spezifische Sozialisation von Mädchen und Jungen die wirklich gute Nachricht aber zeigt sich beispielhaft nicht beenden, bei der wir Jungen und Mädchen in der Gestalt seiner Mutter Maria, die als Gesamtper- einengen und ihre und unsere Zukunft begrenzen, sönlichkeit und als ebenbildliches Gegenüber zu Gott wird sich nichts ändern. Der Weg zur Veränderung gesehen wird. Die Selbstoptimierung, der Versuch des sind Medienpädagogik als notwendige Fortbildung Menschen, wie Gott sein zu wollen, wird als Verlassen von Grundwissen zur Gendersensibilität und Digita- der Beziehung zu Gott und den Menschen gesehen; lisierung. Und wir als Multiplikatorinnen und verant- nicht Leistung, sondern nur Liebe kann aus dieser Ich wortungsbewusste Bürgerinnen müssen politische - Fixierung erlösen. Forderungen stellen nach Sendungen, die dem gesell- schaftlichen Auftrag zur Gleichstellung und Chancen- gerechtigkeit ohne Quotendruck nachkommen. Warum ändert sich so wenig? Nach der Begrüßung der über neunzig Teilnehmerin- nen, darunter einer Schulklasse, durch Elke Beck- Flachsenberg überbrachte Prof. Dr. Dr. Birgit Spanner- Ulmer, einzige BR-Direktorin und dies für Produktion Quelle: pixabay.com und Technik, die Grüße des Hauses und leitete das Thema ein mit ihren persönlichen Erfahrungen, der Scheu junger Mädchen vor den sogenannten MINT- Fächern, Forderungen nach neuen Rollenbildern und Entwicklung eigener weiblicher Ansprüche. www.def-bayern.de juli 2019 / def aktuell 25
Dass es Gegenbilder gibt, das machte die Regisseu- rin, Autorin und Produzentin Uschi Reich deutlich Smart TV – Risiken und Möglichkeiten des schlauen mit wunderbaren Ausschnitten aus ihren Filmen. So zeigen z.B. die „Wilden Hühner“ vielfältige Heldinnen, Fernseherlebnisses Kästners „Pony Hütchen“ ein bestimmendes Mädchen und „Geliebte Schwestern“ zwei emanzipiert handeln- EAM-Beitrag zur Messe de Schwestern in ihrer Liebe zu Schiller. „Die 66“ Sabine Jörk, EAM-Vorsitzende, erklärte auf der Messe „Die 66“ in München die Umwandlung der Medienwelt von gestern in die heutige digitale Medienwelt. Früher „lebten“ wir analog mit einem Röhrenfernseher, einem Plattenspieler und sonstigen Aufnahme- und Wieder- gabegeräten, aber alle analog. In unserer heutigen Welt sind die meisten Geräte digital, das Smart TV, das digitale Radio, Hybrid-Geräte als Alleskönner. Man benötigt kei- ne Extrageräte mehr für das WLAN, da sich die anderen v.l.n.r.: Dr. Maya Götz, Uschi Reich, Daniela Boehm Geräte über die Bluetooth-Schnittstellen miteinander verbinden. Die Decoder sind integriert, mit Breitband auf- Auch „Dahoam is Dahoam“, die tägliche BR-Serie, die rüstbar und steuerbar über Alexa oder andere Sprachas- unterhalten will, hat erstaunlich viele und tatkräftig nicht sistenten. nur mitmischende, sondern eigenständig agierende Frauengestalten. Das demonstrierte zu aller Überra- Über das Smart TV sind Twitter, Instagram, YouTube zu schung die Redakteurin Daniela Boehm, die in einem empfangen, sogar Emails. Das normale Fernsehpro- überwiegend mit Frauen besetzten Team arbeitet. gramm kann man aufnehmen, anhalten oder später über die Mediathek ansehen. Das HbbTV mit seinem Teletext Auch Sybille Giel als Leiterin des „Notizbuches“ in Bay- liefert heute viel mehr Informationen als früher, da es ak- ern2 führte mit Ausschnitten aus Radiosendungen tuell sein will. Abgesehen davon wollen die Sender wis- Alternativmöglichkeiten zum traditionellen Frauen- sen, wo unsere Interessen liegen, um uns Programmvor- rollenbild vor, was von Anfang an das Ziel des Notiz- schläge zu machen. buches gewesen war. „Wir wollen Anstoß erregen, wachrütteln, mit den Menschen sprechen, nicht über Es hat also eine „Revolution“ in unserem Wohnzimmer sie!“, so Giel. Menschen in ihrer Vielfalt sollen gesehen stattgefunden. Alles ist einfacher geworden, bis auf die und in ihrer Unterschiedlichkeit als gleichwertig wahr- Bedienung ohne Sprachassistent vielleicht. Doch dieses genommen werden. digitale Leben hat auch seine Schattenseiten, nicht nur bei der Bedienung mit Hilfe von Alexa oder über das ein- Sandra David als Gleichstellungsbeauftragte des Bay- gebaute Mikrofon. Inwieweit nimmt Alexa/das Mikrofon erischen Rundfunks führte sowohl die Defizite im BR Gespräche auf und leitet sie weiter – und wohin? Ähnli- in der Gleichstellungspolitik als auch die Fortschritte ches gilt für die im Fernseher eingebaute Kamera. Spio- auf und verwies auf viele Maßnahmen, die der BR zur niert uns die Kamera aus und wozu? Gleichstellung unternehme, wie „Girls‘- und Boys‘-Day“, flexible Arbeitszeitmodelle, Telearbeit, Gender-Semi- Wir müssen also wachsam gegenüber all den Neuerun- nare für Führungskräfte. Gegen Voreingenommenheit gen sein, so Jörk in ihrem Vortrag. Zur Sicherheit kann und fest zementierte Vorstellungen wünschte sie sich man die Kamera abdecken und Alexa oder das Mikrofon ein Selbstverständnis aller, Gleichstellung leben. Denn: nur dann einschalten, wenn man sie in Anspruch nehmen „Machen ist wie wollen, nur krasser!“ will. Wichtig ist, möglichst keine privaten Daten einzuge- ben und mit einem sicheren Passwort das Heimnetzwerk Abschließend ging es um Initiativen, die Dr. Maya Götz zu schützen. Wenn man dann die Software regelmäßig eindringlich forderte, und gemeinsame Überlegun- aktualisiert und Apps nur aus vertrauenswürdigen Quel- gen, wie eine Gendersensibilität zu fördern ist zum len herunterlädt, kann diese „Revolution“ eine friedliche Wohle aller. sein. Aber: Eine 100 prozentige Sicherheit ist nur gege- Elke Beck-Flachsenberg, Delegierte der Evangelischen ben, wenn man das Internet nicht nutzt. Frauen in Bayern in den BR-Rundfunkrat Lilo Wendler, EAM-Vorstandsmitglied 26 def aktuell / juli 2019 www.def-bayern.de
EAM Evangelische Arbeitsgemeinschaft Medien Quelle: pixabay.de Die Bayerische Staatsministerin für Digitales, Judith Gerlach, sprach in ihrer Videobotschaft von der rasan- ten Entwicklung in der Digitalen Transformation, die manchen vielleicht zu schnell gehe. Bei der digitalen Teilhabe brauche man eine gesamtgesellschaftliche Lösung, einen Wertekompass, so die Ministerin weiter. Dr. Barbara Keck, die Geschäftsführerin der BAGSO-Ser- Neue Anlaufstelle für ältere vice GmbH, Bonn, verlieh ihrer Freude Ausdruck, dass in München nicht nur ein Standort Digital-Kompass Menschen – Eröffnung des eröffnet werde, als einer der ersten in Deutschland, sondern dass sie nach häufigen Zusammentreffen in Standorts Digital-Kompass Bonn im Rahmen der bisherigen Digital-Kompass-Pro- jekte, bei denen Sabine Jörk seit den Anfängen 2015 als Beirätin mitgewirkt habe, nun auch einmal einen in München Besuch in München machen konnte. Sie schilderte die Vorzüge des Digital-Kompasses und hob die digi- Freundlich begrüßt mit einem Glas Sekt konnten die tale Teilhabe von Seniorinnen und Senioren im Netz etwa sechzig Besucherinnen und Besucher des Deut- als wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe hervor. schen Evangelischen Frauenbundes Landesverband Dem neuen Standort wünschte sie viele interessierte Bayern in dessen Geschäftsstelle in München ein in- Besucherinnen und Besucher. teressantes Programm zur Eröffnung des Münchner Hauptpunkt der Einladung war der praktische Teil Standorts Digital-Kompass erleben. Die Medientoch- mit der Durchführung eines sogenannten Digital- ter des Verbandes, die Evangelische Arbeitsgemein- Stammtisches, eines Angebots im Rahmen des Digi- schaft Medien (EAM), ist seit Mitte April 2019 lokale tal-Kompasses. Bei diesem Format wird ein Experte Partnerin dieses bundesweiten Projekts unter Feder- zu einem bestimmten Thema einer quasi als Stamm- führung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senio- tisch fungierenden Besuchergruppe via Skype zuge- ren-Organisationen (BAGSO). Dessen Vorstandsmit- schaltet. Die Moderation des Digital-Stammtisches glied Irmtraut Pütter hatte die Teilnahme der EAM am übernahm nach einführenden Worten Sabine Jörk. Sie Projekt Digital-Kompass vor einigen Jahren initiiert. führte die Besucherinnen und Besucher zunächst mit Sie hatte es sich trotz der weiten Anfahrt aus Ratingen Guido Steinke, dem Projektleiter des Digital-Kompass nicht nehmen lassen, an der Einweihungsfeier des von der Verbraucher-Initiative e.V. zusammen. Zum Standorts persönlich teilzunehmen. ausgewählten Stammtisch-Thema „Bezahlen mit dem Die EAM-Vorsitzende Sabine Jörk, Kommunikations- Smartphone“ wurde dann ein Experte hinzugenom- wissenschaftlerin und Leiterin des Standorts, begrüß- men, der in einem allgemeinen Teil das Thema auf- te die Gäste und stellte das Projekt vor. Ein „Standort fächerte, um dann einzelne Anbieter genauer vorzu- Digital-Kompass“ dient als gut erreichbare lokale stellen. Schließlich konnten ihm vorher gesammelte Anlaufstelle für ältere Menschen, die sich zu Fragen Fragen, vor allem zur praktischen Handhabung, den des Internets, der IT-Sicherheit und zu den digitalen Systemvoraussetzungen und zur Datensicherheit, Diensten informieren und beraten lassen möchten. vorgelegt werden. Fragen direkt aus dem Publikum Auch die sogenannten „Internetlotsen“, die anderen beschlossen die Runde. Zum Ausklang konnten die Seniorinnen und Senioren im Internet behilflich sind, Gäste noch bei einem kleinen Imbiss netzwerken. können von diesem Beratungs- und Bildungsangebot vor Ort Gebrauch machen. „Wir werden regelmäßig digitale Sprechstunden für Einzelpersonen rund um das Thema mobile Medien und digitale Helfer anbie- ten. Des Weiteren bieten wir Workshops und digitale Stammtische an. Ferner können Sie bei uns alle Ma- terialen des Digital-Kompasses kennenlernen und bei Bedarf bestellen“, konkretisierte Sabine Jörk das künf- tige Angebot des Standorts Digital Kompass. Die Grußworte zur Eröffnungsfeier wurden passen- derweise sowohl digital als auch analog abgehalten. www.def-bayern.de juli 2019 / def aktuell 27
Werte im Netz Das zweite Modul des Digitalen Medientrainers Aus dem privaten und beruflichen Alltag sind heu- che Überwachung und Zensur dar, hinzukommen die te digitale Medien nicht mehr wegzudenken. Da im medienethischen Herausforderungen wie die Ethik Zeitalter der Digitalisierung auch die Frage nach den des Journalismus, Mediennutzungs- und Bildethik, Werten im Netz gestellt werden muss, beschäftigte Medien und Gewalt. Die Selbstverantwortung spielt sich das zweite Modul der Seminarreihe zum Digitalen bei all diesen Herausforderungen eine große Rolle. Medientrainer mit diesem Thema: Wie stehen wir als Man muss sich immer die Frage stellen, ob man sich Christinnen im Netz zu unseren Werten, welche Rolle am nächsten Tag nach einem Post oder Kommentar spielen Soziale Netzwerke und wie können Falschmel- noch im Spiegel anschauen kann, ob man ihn in der dungen erkannt werden. Zeitung lesen möchte und ob man in Anbetracht ei- nes solchen Posts vor seinen Chef treten kann. Die Umwälzung der technologischen Ge- sellschaftsstruktur durch Digitalisierung In Anbetracht des Tempos und der Fülle der aktuellen neuen Informationen ist man gezwungen, zu filtern Kirchenrat Prof. Dr. Thomas Zeilinger, Beauftragter und zu sortieren. Eine Vernetzung ist wichtig, die Ver- für Ethik im Dialog mit Technologie und Naturwissen- antwortung der Nutzung allerdings liegt bei der Nut- schaft, erklärte die Digitalisierung, die eine Umwäl- zerin, beim Nutzer. zung der technologischen Struktur der Gesellschaft bedeutet. Als Einstieg wurde die Methode „Medien- Ältere ans Netz - aber wie? mensch“ angewendet, ein Blatt mit dem Umriss eines Letztendlich tauchen in diesem Zusammenhang die Menschen verteilt, und die Teilnehmerinnen ordneten Fragen auf „Wo sind die ‚Seniorinnen und Senioren‘?“ dem Herzen, dem Gehirn, der ausgestreckten Hand „Wie nehme ich sie mit?“ „Werden sie Bedenken im nach oben (positiv) und unten (negativ) sowie dem Umgang mit den neuen Medien haben oder naiv da- Bauch die Medien zu, die man jeweils damit verbindet. mit umgehen?“ Eine Aufgabe besteht in der Schaf- Das Ergebnis zeigte, wie weit die Digitalisierung schon fung attraktiver Angebote, um sie neugierig zu ma- Teil unseres Lebens ist. Dieser Wandel vollzieht sich in chen und sie Spaß am Erkunden bekommen. Jede/r der Kommunikation bei den Medien und in der Politik. Einzelne muss also die Nutzung der digitalen Medien In der Produktion und Distribution bieten die Daten erlernen und sollte Medienkompetenz erlangen, um die Grundlage zur Innovation und es entstehen neue kritisch mit ihnen umgehen zu können. Geschäftsmodelle soziotechnischer Systeme. Beispiel- haft ist Amazon als größter Einzelhändler, der kein Der Wandel von Medienlandschaft Produktspezialist ist und dennoch über keine eigene Pfarrer Christoph Breit, in der Social Media Redaktion Lagerfläche verfügt. Selbst bei den Organisationen, von Kirche digital tätig, zeigte die Möglichkeiten mo- wie Behörden, Wissenschaft und Kirche, hat die Digi- derner Netzwerke im Kirchenbereich. Lässt sich der PC talisierung bereits Einzug gehalten, wie z.B. die digi- privat einfach ausschalten, ist eine Internet-Präsenz tale Personalakte und das Speichern von Daten auf im dienstlichen Rahmen inzwischen unabdingbar. digitale Datenträger. Schließlich haben wir noch den Die Online-Nutzung ist seit 1997 immens gestiegen, Bereich Mensch und Maschine. Es gibt viele Tätigkei- ebenso die tägliche Nutzungsdauer. Dabei ist der An- ten, besonders bei Heilberufen, wo Roboter Aufgaben teil der Jugend im Vergleich zu den Älteren selbstver- übernehmen können und den Menschen dadurch ständlich viel höher. Nimmt der Anteil der Älteren im entlasten. Aber wohin geht die Entwicklung? Netz inzwischen kontinuierlich zu, ist auch festzustel- len, dass ist die Nutzungsdauer bei Frauen und Män- Die große Rolle der nern prozentual inzwischen gleich ist. Den größten Selbstverantwortung im Netz Anteil bilden die 30- bis 49-Jährigen. Viele netzpolitische Herausforderungen stellen der Betrachtet man diese Zahlen, erklärt sich von selbst, Datenschutz, das Urheberrecht, Plattformökonomie dass sich die Öffentlichkeitsarbeit wandelt. Der Zei- und Überwachungskapitalismus (wie Google), staatli- tungen- und Zeitschriftenkonsum als Printmedium 28 def aktuell / juli 2019 www.def-bayern.de
EAM Evangelische Arbeitsgemeinschaft Medien sinkt, währenddessen deren Online-Nutzung sowie „sozial“ - gemeinnützig oder hilfsbereit - zu tun haben. das Internet als Informationsquelle steigen. Redakti- Sie unterstützen lediglich die Kommunikation und onsteams werden verkleinert und Pressemeldungen den interaktiven Austausch der Nutzer über digita- ersetzen die Recherche. Institutionen verlieren an le Kanäle. Es muss im Bewusstsein sein, dass mit der Wichtigkeit und Personen gewinnen an Bedeutung. Nutzung alle ein digitales „Ich“ bekommen, geschützt Das Schema Produzent einerseits und Konsument durch ein starkes Passwort, und auf Urheberrecht, Pri- andererseits löst sich auf, der Konsument wird inzwi- vatsphäre, Persönlichkeits- und Nutzungsrecht sowie schen auch zum Produzenten, dem Prosumer. Cyber Security zu achten ist. Wichtig ist und bleibt, die Menschen zu erreichen, die Auch hier ist Medienkompetenz erforderlich: Wichtig man erreichen will. Aber wie? Personen und Institutio- ist, den eigenen Standpunkt zu kennen und die eige- nen müssen selbst publizieren, Plattformen bedienen, ne Wahrnehmung zu schulen, um Falschmeldungen im Internet erreichbar sein, auch in den Social Media (Fake News/Lügen) zu erkennen, denn sie klingen be- Kanälen, denn hier kann ich meine Meinung äußern, sonders glaubhaft, wenn sie „erzählt“ werden. Falsch- Gedanken teilen und andere Meinungen kommen- meldungen sind schlecht zu erkennen. Sie werden tieren. Und natürlich wird dann auch meine Meinung weitergeleitet und verändert, auch durch die Wort- geteilt, „geliked“ und kommentiert, also wahrgenom- wahl. Eine Überprüfung inhaltlicher Fakten, der Bilder men und verbreitet. Es gehört zur Medienkompetenz, und des Impressums hilft dabei. nur die eigenen Wertvorstellungen kundzutun und Wichtig ist weiterhin die Sensibilisierung hinsichtlich das mitzuteilen, was andere interessieren könnte, der elektronischen Kettenbriefe, erkennbar durch worauf ich aufmerksam machen möchte – wahllose die Aufforderung zur schnellen Weiterleitung, damit Kommentare, hasserfüllte Kommentare und Beleidi- nichts passiert. gungen sog. Trolls disqualifizieren! Bei Fake News handelt es sich um pseudoredaktio- Öffentlichkeitsarbeit als nell erstellte Inhalte ohne Wahrheitsgehalt, die aber Leitungsaufgabe Verlangen oder Angst ansprechen. Framing erzeugt Als Institution, Verein oder Gruppe muss am Anfang „mindsetting“, das manipulativ sein kann, denn die einer Kommunikation diese als Leitungsaufgabe an- Wahrnehmung wird auf bestimmte Realitäten beein- genommen werden, Zuständigkeit und Ressourcen flusst. sind zu klären, die Zielgruppe ist zu definieren. Mit der Bei Facebook ist Vorsicht bei gesponserten Artikeln Planung müssen die geeigneten Medien ausgewählt geboten. Das ist kein Prädikat für Qualität. Geködert und anhand der vorhandenen Inhalte geprüft wer- wird mit Glücks- oder Gewinnspielen. Nicht nur des- den, inwieweit diese jeweils geeignet sind. halb lautet der Kernsatz bei Nutzung der Social Media An einem Beispiel beschrieb der Referent die Vorge- „Erst denken, dann klicken“. hensweise: Beginn kann die eigene Internetadresse Lilo Wendler, EAM-Vorstandsmitglied mit ansprechenden Bildern sein, die auch auf Insta- gram und auf Google Maps veröffentlicht werden kön- nen. Über Facebook wird eine Umfrage zum Glauben gestartet und schließlich per YouTube ein Livestream einer Landessynode veröffentlicht. WhatsApp ist der größte Messenger-Dienst, im kirch- lichen Bereich wird Threema empfohlen. Wachsende Dienste sind Twitter für die Aktualität, YouTube mit seinen Videos. Erwähnenswert ist Instagram durch die Verbreitung von Bildern und Spotify zur Auswahl ge- wünschter Musik, auch Kirchenmusik. Social media - erst denken, dann klicken! Von André Wolf, mimikama - Verein zur Aufklärung über Internetmissbrauch, erfuhren die Kursteilneh- mer die Bedeutung von Social Media, die nichts mit www.def-bayern.de juli 2019 / def aktuell 29
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