Die neue Welt-Unordnung - USA Donald Trump vollzieht die Abkehr vom Westen und wendet sich einem Diktator zu - Spiegel

Die Seite wird erstellt Jannik Rohde
 
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Die neue Welt-Unordnung - USA Donald Trump vollzieht die Abkehr vom Westen und wendet sich einem Diktator zu - Spiegel
Ausland

     Die neue Welt-Unordnung
      USA Donald Trump vollzieht die Abkehr vom Westen und wendet sich einem Diktator zu.
                 Es ist der Aufstieg einer Ego-Politik, die kein Gewissen und keine
        Partner kennt. Rettet der US-Präsident damit die Welt – oder stürzt er sie ins Chaos?

D
           as Treffen mit dem Diktator lag      nern gemacht. Es gibt nur Gewinner und           Die US-Regierung scheut nicht den
           bereits einige Stunden zurück,       Verlierer, jeder für sich, alle gegen alle.   Bruch mit den einstigen Alliierten, mit
           aber Donald Trump wirkte im-            Das Magazin »The Atlantic« zitierte An-    dem Westen, diesem Gerüst von Allian-
           mer noch wie frisch verliebt. »Es    fang der Woche einen hochrangigen Be-         zen, internationalen Organisationen und
gab eine großartige Chemie zwischen             amten aus dem Weißen Haus, der die Stra-      Abkommen, das mit Unterstützung der
uns«, schwärmte er. Es gebe Leute, zu de-       tegie auf den Punkt brachte: »We’re Ame-      USA nach dem Zweiten Weltkrieg errich-
nen könne er überhaupt keine Beziehung          rica, bitch.« Wir sind Amerika und tun,       tet wurde. All das bedeutet Donald Trump
aufbauen, aber bei Kim Jong Un verhalte         was uns gefällt. Das ist die Trump-Doktrin.   nichts.
sich das völlig anders. »Das funkte bei uns
von Anfang an«, sagte Trump.
   Als sich der Herrscher aus Nordkorea und
der US-Präsident vormittags zum ersten Mal
die Hand reichten, auf der Insel Sentosa vor
Singapur, lächelte Kim: »Nice to meet you,
Mister President.« Der nette Kim. Lustig,
clever, äußerst talentiert, ein würdiger Ver-
handler – so beschreibt Trump einen Mann,
der sein Volk unterdrückt und der Welt noch
vor wenigen Monaten mit einer nuklearen
Apokalypse drohte. Aber aus Trumps Sicht
ist der Diktator ein effizienter, wenn auch
etwas strenger Manager seines Landes.
   Drei Tage zuvor, in Kanada, auf dem
G-7-Gipfel mit den Anführern der größten
Industrienationen, wirkte der Präsident
dagegen, als wäre er von Feinden umzin-
gelt. Erst beschwerte sich Trump wieder
einmal darüber, wie ungerecht die USA
behandelt würden. »Wir sind wie ein Spar-
schwein, das jeder plündert.« Dann reiste
er nach anderthalb Tagen vorzeitig ab.
   Als Trump gerade mit der Air Force
One nach Singapur flog, trat Kanadas Pre-
mier Justin Trudeau vor die Kameras. Er
kündigte an, als Reaktion auf Trumps
Zwangsabgaben seinerseits Zölle auf US-
Produkte zu erheben. »Kanadier sind höf-
lich, vernünftig, aber wir lassen uns nicht
herumschubsen.« Trump wütete auf Twit-
ter, Trudeau sei »unehrlich und schwach«,
und zog seine Zustimmung zur G-7-Ab-
schlusserklärung zurück.
   Trudeau, der Verräter. Kim, der Freund.
   So sieht sie aus, die neue Welt-Unord-
nung von Trump. Sie ist illiberal, weil da-
rin der Stärkere seinen Willen den Schwä-
cheren aufzwingt. Sie ist unkooperativ,
weil Entscheidungen unilateral getroffen
und Partnerschaften durch Interessen er-
setzt werden. Sie ist militaristisch, weil
Kampfkraft gleich Macht ist.
   Trumps Blick auf die Welt ist ohne Mo-
ral, ohne Gewissen, ohne Vergangenheit.
                                                 REUTERS

Seine Außenpolitik kennt keine Regeln,
sie wird per Handschlag zwischen Män-

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Die neue Welt-Unordnung - USA Donald Trump vollzieht die Abkehr vom Westen und wendet sich einem Diktator zu - Spiegel
Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte       doch schicken sie uns ihre Mercedes, ihre        ligt war. Freihandelsverträge, Iran-Deal,
Trumps Verhalten »ernüchternd«. Weit          BMWs, millionenfach«. Sehr unfair sei das.       Klimaabkommen – das ist alles böse und
deutlicher wurde EU-Ratspräsident Do-            Mercedes, BMW, Merkel – sie sind              falsch, ausgehandelt zum Schaden Ameri-
nald Tusk: »Am meisten beunruhigt mich        schuld an der amerikanischen Misere, so          kas. Gleichzeitig glorifiziert er seine eige-
die Tatsache, dass die regelbasierte inter-   sieht es der Präsident. Der Feind sitzt zwar     nen Deals, wie nun in Singapur.
nationale Ordnung diesmal nicht von den       auch in China, mit dem die USA ein noch             Zumindest auf den ersten Blick scheint
üblichen Verdächtigen infrage gestellt        größeres Handelsdefizit haben als mit der        der Gipfel Trumps Politik ja zu bestätigen:
wird, sondern von den USA, dem Archi-         EU; seinen Lieblingsgegner aber findet           Bei allen Unklarheiten ist die Angst vor
tekten und Bewahrer dieser Ordnung.«          Trump im Westen, in den Demokratien.             einem Atomkrieg erst einmal gebannt.
   Bei seiner Pressekonferenz in Singapur        Das Problem ist leider, dass Trump die        Sogar seriöse Außenpolitikexperten in
sagte Trump, die USA hätten 800 Milliar-      falschen Zahlen verwendet. Er lässt Dienst-      Washington gaben sich erleichtert. Das ist
den Dollar beim Handel mit anderen Län-       leistungen außen vor – den grenzüber-            die positive Seite von Trumps disruptiver
dern verloren. »151 Milliarden mit der Eu-    schreitenden Service, den Banken, Reise-         Außenpolitik, die mit allen Regeln und Ge-
ropäischen Union!« Der Gipfel mit Kim         büros oder Konzerne wie Amazon anbie-            pflogenheiten bricht – und der Komplexi-
Jong Un war da gerade zu Ende gegangen.       ten. Bezieht man all das mit ein, ist das        tät der Weltpolitik mit vermeintlich »ge-
Aber der Präsident konnte es nicht lassen,    Handelsdefizit mit der EU deutlich gerin-        sundem Menschenverstand« begegnet:
sich über die vermeintliche Ungerechtig-      ger, mit Kanada halten sich Im- und Ex-          Zwei mächtige Männer reden miteinander,
keit beim Handel aufzuregen. Die Euro-        porte sogar die Waage.                           und am Ende wird alles gut.
päer würden kaum amerikanische Produk-           Doch Trump neigt nun mal dazu, alles             Diese Reduktion von Komplexität er-
te auf ihre Märkte lassen, sagte er, »und     zu verdammen, woran er nicht selbst betei-       scheint in Zeiten vieler scheinbar unlös-
                                                                                               barer Konflikte erfrischend. Das macht
                                                                                               Trumps Politik so verführerisch. Und so
                                                                                               gefährlich. Denn zum einen weiß niemand,
                                                                                               ob Nordkorea wirklich seine 60 Atombom-
                                                                                               ben und die Raketen abgeben will – oder
                                                                                               die Zeit nicht sogar nutzt, um sie weiterzu-
                                                                                               entwickeln. Und ob Trump da nicht einen
                                                                                               Despoten gestärkt hat, der die Region nun
                                                                                               erst recht destabilisieren könnte.
                                                                                                  Zum anderen könnte sich der US-Präsi-
                                                                                               dent bei seinen Alleingängen bestärkt füh-
                                                                                               len und künftig noch öfter nach dem Prin-
                                                                                               zip handeln, erst massiv zu drohen und
                                                                                               dann mittels eines diplomatischen Egotrips
                                                                                               einen »Deal« zu vereinbaren. Einen Deal,
                                                                                               bei dem Menschenrechte weniger eine Rol-
                                                                                               le spielen als künftige Bauprojekte.
                                                                                                  »Denken Sie das mal von der Immobilien-
                                                                                               perspektive her«, sagte Trump bei seinem
                                                                                               einstündigen Auftritt vor Journalisten in
                                                                                               Singapur; er könne sich Hotels an Nord-
                                                                                               koreas Stränden vorstellen.
                                                                                                  Um auch Kim und die Welt von dieser
                                                                                               Zukunft zu überzeugen, hatte Trump dem
                                                                                               »Vorsitzenden Kim« zuvor ein Video vor-
                                                                                               gespielt. Vier Minuten lang, wie aus der
                                                                                               Propagandaabteilung einer Bananenrepu-
                                                                                               blik, produziert jedoch im Auftrag der US-
                                                                                               Regierung. Wolkenkratzer, Schnellboote,
                                                                                               Hochgeschwindigkeitszüge, gegengeschnit-
                                                                                               ten mit Raketen und Kampfflugzeugen.
                                                                                               Ein Erzähler sagt: »Die Vergangenheit
                                                                                               muss nicht die Zukunft sein.«
                                                                                                   Der Gipfel enthielt alles, was Reality-
                                                                                               Fernsehen ausmacht: ein Aufeinandertref-
                                                                                               fen einstiger Feinde, maximale Spannung
                                                                                               und ein Happy End mit zwei Männern, die
                                                                                               sich als Gewinner sehen. Falls die Show je-
                                                                                               doch dazu dienen sollte, Kim Zugeständ-
                                                                                               nisse zu entlocken, ist Trump gescheitert.
                                                                                                  Die Abschlusserklärung hat eine Länge
                                                                                               von wenig mehr als einem DIN-A4-Blatt
                                                                                               und enthält keine konkreten Schritte. Zwar

                                                                                             Gesprächspartner Kim, Trump
                                                                                             »Das funkte bei uns von Anfang an«

                                                                                                                                         77
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ist darin von einer »kompletten Denuklea-      das war vor allem der Propaganda-Coup          kündete er eine Strategie, die er »Byung-
risierung der koreanischen Halbinsel« die      eines Despoten. Und so feierte man es in       jin« nennt, »parallele Entwicklung«. Das
Rede. Doch diese Formulierung bleibt zu-       Nordkorea auch. Das Parteiorgan »Ro-           heißt: Neben dem Nuklearprogramm will
rück hinter der ursprünglichen Forderung       dong Sinmun« widmete dem Gipfel die            er die Wirtschaft entwickeln. In seiner dies-
der USA nach einer »kompletten, verifi-        Hälfte seiner Ausgabe. Kim habe den US-        jährigen Neujahrsansprache sagte Kim, in
zierbaren und unumkehrbaren« Abrüs-            Präsidenten aufgefordert, hieß es, »die        Anspielung auf das Atomarsenal: »Wir ha-
tung. Was genau das bedeutet, wie es           mutige Entscheidung zu treffen, militäri-      ben ein mächtiges Schwert geschaffen, um
erreicht werden soll und wie sich das über-    sche Aktionen einzustellen, welche die         den Frieden zu verteidigen.« Nun jedoch
prüfen lässt? Diese Fragen bleiben unbe-       Gegenseite provozieren und als Feind be-       wolle er die Wirtschaft stärker wachsen
antwortet.                                     trachten«.                                     lassen.
   Ähnliche, zum Teil sogar weitergehende         In dieser Erzählung ist Kim der Held           Es gibt zumindest Indizien dafür, dass
Zusicherungen hatte bereits Kims Vater         und Trump derjenige, der klein beigibt. In-    Kim sich von seinen Vorgängern unter-
gemacht, gegenüber dem damaligen Prä-          nenpolitisch stärkt das den Herrscher in       scheidet. Zwar führt er Nordkorea weiter-
sidenten Bill Clinton in den Jahren 1994       Pjöngjang noch. Das ist aus Kims Sicht         hin wie einen Mafiastaat, er hat Familien-
und 2000. Im Geheimen lief das Atom-           auch nötig, wenn er sein Land wirtschaft-      mitglieder ermorden lassen und allzu
programm jedoch weiter, und das Regime         lich entwickeln und gleichzeitig an der        mächtige Funktionäre ausgetauscht. Aber
verfügte bald über spaltbares Material.        Macht bleiben will. Denn je mehr sich der      seit er vor gut sechs Jahren die Herrschaft
2006 testete Nordkorea die erste Atom-         Norden für die Welt öffnet, desto stärker      übernahm, entfachte er trotz Sanktionen
bombe, es folgten fünf weitere Tests sowie     droht die Autorität des gottähnlichen Herr-    einen Bauboom. In der Hauptstadt ließ er
zahlreiche Raketenstarts.                      schers Kim zu wanken.                          Straßen teeren und Hochhäuser errichten,
   Dass Kim seine Ziele so                                                                                 in den Bergen ein Skigebiet an-
leicht erreicht hat, meinen man-                                                                           legen. Er gestattete verstärkt
che Experten, könnte ihn sogar                                                                             private Märkte, mehr als 400
dazu verleiten, im nun folgen-                                                                             im Land, auf denen mit Le-
den Verhandlungsprozess noch                                                                               bensmitteln und Waren gehan-
weniger Zugeständnisse zu ma-                                                                              delt werden darf.
chen. Stattdessen könnte es                                                                                   »Nordkorea ist längst nicht
sein, dass er die Verhandlungen                                                                            mehr kommunistisch«, berich-
mit dem impulsiven Trump le-                                                                               tete Kenji Fujimoto, der einsti-

                                                                                                       JESCO DENZEL / BUNDESREGIERUNG / LAIF
diglich nutzen will, um die har-                                                                           ge Leibkoch des Kim-Clans,
ten Sanktionen abzuschütteln.                                                                              bereits vor zwei Jahren. Der
   Dieses Kalkül dürfte aufge-                                                                             Japaner kennt Kim aus dessen
hen. Denn selbst wenn die USA                                                                              Jugendzeit. Schon als 17-Jähri-
an ihren Strafmaßnahmen fest-                                                                              ger habe Kim auf einer gemein-
halten, China und Russland                                                                                 samen Zugfahrt durch das
werden wohl unter dem Ein-                                                                                 Land die Rückständigkeit be-
druck der Entspannungspoli-                                                                                klagt, so Fujimoto. Auch des-
tik ihre Sanktionen lockern.                                                                               halb sei Kim an Reformen
Und die beiden Länder gehö-         Kontrahenten Merkel, Trump, G-7-Teilnehmer: »We’re America, bitch«     nach chinesischem Vorbild in-
ren zu den wichtigsten Han-                                                                                teressiert. Mittlerweile ist der
delspartnern Nordkoreas.                                                                                   Koch auf Einladung des Dikta-
   Noch ein weiteres Geschenk machte              Noch hat das 25-Millionen-Volk keinen       tors nach Pjöngjang zurückgekehrt und
Trump dem Despoten: Er sicherte ihm zu,        Zugang zum globalen Internet oder zu aus-      führt dort ein edles Sushi-Restaurant.
für den Verlauf der Verhandlungen Mili-        ländischen Medien. Die wichtigste Infor-          Auf der Suche nach Geld ist Kim nicht
tärmanöver mit Südkorea einzustellen.          mationsquelle sind Staatsmedien. Doch je       zimperlich. Für ihn zählten Resultate, sagt
Wobei er sich mit dem Begriff »Kriegsspie-     mehr sich das Land öffnet und der Wohl-        der übergelaufene Diplomat Han Jin Myung.
le« so unklar ausdrückte, dass am Ende         stand zunimmt, desto weniger wird sich        »Kim betreibt die nordkoreanischen Bot-
niemand wusste, ob er nur die halbjährli-      diese Kontrolle aufrechterhalten lassen.       schaften im Ausland als Profitzentren.«
chen Großübungen meinte – oder alle ge-           Schon jetzt sehen viele Nordkoreaner        Die Diplomaten müssen sich ihren Unter-
meinsamen Manöver. Und er stellte zu-          südkoreanische Filme, die per DVD oder         halt selbst verdienen und nebenbei für
dem in Aussicht, die 28 500 US-Soldaten        USB-Stick ins Land geschmuggelt werden.        das Regime Devisen heranschaffen, durch
in Südkorea eines Tages abzuziehen. Mehr       Immer mehr wissen, wie es in der Welt          Geldwäsche, Drogenschmuggel oder Auto-
hätten sich die Nordkoreaner, aber auch        aussieht – und dass ihr Land eine Hunger-      handel. Eine wichtige Rolle spielt auch
die Chinesen nicht wünschen können.            diktatur ist. Wer mit den Filmen erwischt      Nordkoreas Hackerarmee, die weltweit
   »Sollte Trump tatsächlich beabsichtigen,    wird, kommt ins Arbeitslager. Überläufer       Banken und Bitcoin-Börsen ausraubt.
alle Manöver mit den Südkoreanern zu be-       berichten, dass Sicherheitskräfte Hochhäu-        Dass Kim also nun versucht, den Status
enden, dann wird darüber vor allem China       sern den Strom abstellen und systematisch      seines Landes als Atommacht in bare Mün-
glücklich sein«, sagt Zhao Tong, Nordko-       Wohnungen nach verbotenem Material             ze umzuwandeln, ist offensichtlich. Die
rea-Experte des Carnegie-Tsinghua-Zen-         durchsuchen. Selbstkritikgruppen sind          wichtigste Frage aber, ob er tatsächlich
trums in Peking. »In Wahrheit ist China        Pflicht, wer dabei nicht freimütig über sich   auch bereit ist, seine Atombomben abzu-
an der Reduktion der US-Präsenz im West-       und die eigenen Gedanken berichtet,            geben, ist nach wie vor unbeantwortet.
pazifik insgesamt interessiert.«               macht sich verdächtig.                            Es ist jetzt an den Diplomaten, die Er-
   Dass Kim ohne größere Gegenleistung            Weil sich das Land aber nicht mehr voll-    klärung von Singapur in eine konkrete Ver-
ein Treffen mit Trump erreicht hat, dazu       kommen abschotten lässt, ist Kim offenbar      einbarung zu gießen. Das dürfte ein müh-
die Aussetzung von Militärmanövern und         zu dem Schluss gekommen, dass er seine         sames Geschäft werden – und könnte Ex-
eine Einladung nach Washington, das            Macht langfristig nur sichern kann, indem      perten zufolge ein Jahrzehnt dauern. Was
macht ihn zum großen Sieger. Singapur,         er Wohlstand schafft. Vor fünf Jahren ver-     jedoch US-Außenminister Mike Pompeo

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Die neue Welt-Unordnung - USA Donald Trump vollzieht die Abkehr vom Westen und wendet sich einem Diktator zu - Spiegel
nicht davon abhielt, am Mittwoch zu ver-
künden, man sei »hoffnungsvoll«, dass
Nordkorea schon Ende 2020 den Großteil
seiner Atomwaffen abgegeben haben wer-
de. Bereits kommende Woche sollen die
Gespräche beginnen.
   Man müsse nun zunächst die Nachbarn
beteiligen – Südkorea, China, Japan und
Russland –, sagt der Nordkorea-Experte
und frühere Diplomat Joel Wit. So war es
auch bei bisherigen Verhandlungen mit
dem Kim-Regime, die jedoch letztendlich
stets scheiterten. Eine Alternative dazu,
so Wit, gebe es jedoch nicht.
   Im Idealfall stünde am Ende ein Abkom-
men ähnlich der Rahmenvereinbarung
von 1994. Darin hatte Pjöngjang eingewil-
ligt, sein Atomprogramm zurückzufahren
im Austausch für Leichtwasserreaktoren,
die wenig geeignet sind, atomwaffenfähi-
ges Material zu produzieren. Wit war da-
mals im US-Außenministerium dafür zu-
ständig, die Einhaltung zu überwachen.
   Allerdings war Nordkorea damals noch
nicht Atommacht. Und es hielt sich auch
damals nicht an die Vereinbarung und um-
ging Kontrollen. Ende der Neunzigerjahre
begann das Regime dann heimlich mit der
Produktion von hochangereichertem Uran.
Die Annäherung scheiterte letztlich.
   Was, wenn es wieder so kommt?
   In Singapur antwortete Donald Trump
auf diese Frage: »Ich könnte in sechs Mo-
naten vor Ihnen stehen und sagen: ›Hey,
ich lag falsch.‹ Vermutlich würde ich das
aber nie zugeben. Ich finde schon eine Aus-
rede.«
   Denn nach all diesen schönen Bildern,
der öffentlich zelebrierten Freundschaft,
würde ein Scheitern den US-Präsidenten
schlecht aussehen lassen. Er hat sich per-
sönlich sehr weit hinausgelehnt. Und damit
hat er, anders als es ein guter Dealmaker
tun würde, auch seine Druckmittel ver-
schenkt. Denn es dürfte Trump nun äu-
ßerst schwerfallen, Pjöngjang erneut mit
Militärschlägen zu drohen.
   Am Mittwochmorgen landete Trump
dann wieder in Washington. Er twitterte:
»Alle können sich jetzt viel sicherer füh-
len«, denn: »Es gibt keine nukleare Bedro-
hung aus Nordkorea mehr.«
   Die Bedrohung sieht er woanders, wie
er später ebenfalls twitterte: bei den Me-
dien. Vor Kurzem hätten sie noch um einen
Deal mit Nordkorea »gebettelt«, nun rede-
ten sie seinen Erfolg kaputt. Die Medien
seien »der größte Feind unseres Landes«.
  Christoph Scheuermann, Wieland Wagner,
  Bernhard Zand

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  Warum China der
  größte Gewinner ist
  spiegel.de/sp252018nordkorea
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