Tipps & Wissenswertes - Litz & Kollegen Steuerberater

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Tipps & Wissenswertes
06/ 2021

Corona-Krise verlängert Frist zur Abgabe der Steuer-
erklärungen
Alle Jahre wieder heißt es: Abgabe der Steuererklärungen für das abgelaufene Steuerjahr.
Bis zum Veranlagungsjahr 2018 musste dies spätestens am 31. Mai des Folgejahres erfol-
gen. Seit 2019 wurde diese Frist um 2 Monate verlängert. Damit müssen Steuererklärungen,
die nicht mit Unterstützung durch Steuerberater erstellt werden, spätestens bis 31. Juli des
Folgejahres eingereicht werden. Wird die Steuererklärung mit Unterstützung eines Steuerbe-
raters oder eines Lohnsteuerhilfevereins erstellt, so verschiebt sich die Abgabefrist auf den
letzten Tag im Februar des übernächsten Jahres. Soviel zur Theorie.

Bereits Ende 2020 wurde die Abgabefrist für Steuererklärungen 2019, an denen Steuerbera-
ter mitwirken, zusätzlich um 6 Monate verlängert. Damit ist der späteste Abgabetermin für
2019er Steuererklärungen der 31. August 2021. Werden die Steuererklärungen erst danach
abgegeben, fallen in der Regel Verspätungszuschläge von 0,25 % der rückständigen Steuer
(aber mindestens 25 Euro) je Monat an. Das gilt nur dann nicht, wenn die Steuer auf null
Euro oder auf einen negativen Betrag festgesetzt wird oder wenn die festgesetzte Steuer die
Summe der festgesetzten Vorauszahlungen und der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge
nicht übersteigt.

Nun wird auch die Abgabefrist für die Steuererklärungen 2020 verlängert. Mit dem Gesetz
zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz) wird die
reguläre Abgabefrist um 3 Monate verschoben. Damit haben Steuerpflichtige, die ihre Steu-
ererklärung allein anfertigen, bis zum 31. Oktober 2021 Zeit. Für steuerlich beratene Steuer-
pflichtige wird die reguläre Abgabefrist für die Steuererklärung 2020 auf den 31. Mai 2022
verschoben. Doch nicht nur die Abgabefrist wird um 3 Monate verlängert, auch der Beginn
des Zinslaufs und der Festsetzung eines Verspätungszuschlags wird um 3 Monate verscho-
ben.

Wer ist eigentlich abgabepflichtig?

Jeder Selbständige, aber auch jeder Rentner oder Vermieter ist zur Abgabe einer Steuerer-
klärung verpflichtet, wenn das Einkommen den geltenden Grundfreibetrag des Jahres über-
steigt. Die Abgabepflicht für 2019 beginnt für Singles bei einem Einkommen von 9.168 Euro.
Für zusammenveranlagte Ehepaare verdoppelt sich der Betrag auf 18.336 Euro. Die Abga-
bepflicht für 2020 besteht ab einem Einkommen von 9.408 Euro bzw. 18.816 Euro für Ehe-
paare.

Für Arbeitnehmer besteht eine Abgabeverpflichtung, wenn sie neben ihren Lohneinkünften
weitere Einkünfte von mehr als 410 Euro oder Lohnersatzleistungen (Krankengeld, Arbeits-
losengeld, Kurzarbeitergeld oder Elterngeld) erhalten haben, in einem Jahr nebeneinander
bei mehreren Arbeitgebern beschäftigt waren, Freibeträge auf der Lohnsteuerkarte eingetra-
gen wurden oder Vergütungen (Entschädigungen, Gratifikationen etc.) für mehrere Jahre
gezahlt wurden. Auch Ehepaare sind in der Regel zur Abgabe einer Steuererklärung ver-
pflichtet. Ausnahme: Die Steuerklassenkombination IV/IV ohne Faktorverfahren.

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    Eine Abgabepflicht kann auch bestehen, wenn Kreditinstituten zu hohe Sparerfreibeträge
    erteilt wurden, bei Kapitaleinkünften keine Abgeltungsteuer einbehalten wurde oder wenn
    das Finanzamt zur Abgabe einer Erklärung auffordert.

    Arbeitnehmer, die ausschließlich Arbeitslohn beziehen und auf die keine der vorgenannten
    Sachverhalte zutrifft, sind nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet. Sie dürfen
    dennoch eine Steuererklärung abgeben und haben dafür bis zu 4 Jahre Zeit. Eine Steuerklä-
    rung für 2020 muss dem Finanzamt dann bis zum 31. Dezember 2024 vorliegen.

    Lagerräumung: Spenden nicht immer umsatzsteuer-
    pflichtig

    Durch den Lockdown der vergangenen Monate haben Einzelhändler ihre Lager voll mit Sai-
    sonware, die nicht an die Frau oder den Mann gebracht werden konnte. Was tun mit diesen
    Waren? Vernichten oder spenden? Sinnvoll ist das Spenden an Bedürftige.

    Dabei ist die unentgeltliche Abgabe der Waren aus dem Unternehmensvermögen grundsätz-
    lich eine umsatzsteuerpflichtige Wertabgabe, wenn der Wareneinkauf mit Vorsteuerabzug
    erfolgte. Als Bemessungsgrundlage gilt der fiktive Einkaufspreis zum Zeitpunkt der Spende.
    Damit fällt in der Regel Umsatzsteuer auf die unentgeltliche Abgabe an. Laut einem Erlass-
    schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 18.März 2021 gilt dies nicht für
    Saisonwaren, die Einzelhändler als Sachspenden an gemeinnützige Organisationen im Zeit-
    raum 1. März 2020 bis 31.Dezember 2021 abgeben. Einzelhändler können diese Regelung
    auch rückwirkend in Anspruch nehmen, wenn sie unmittelbar von der Corona-Krise wirt-
    schaftlich betroffen sind und die Waren an steuerbegünstige Organisationen gespendet wur-
    den. Damit können Einzelhändler ihre Warenlager steuergünstig leeren, um wieder Platz für
    die neue Kollektion zu haben.

    Hinweis:
    Der Erlass der Umsatzsteuer auf Sachspenden gilt nicht für Spenden aus dem Anlagever-
    mögen, sondern nur für Saisonwaren. Für Waren, die im Zeitpunkt der unentgeltlichen
    Wertabgabe aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht mehr oder nur noch stark eingeschränkt
    verkehrsfähig sind, fällt ebenfalls keine Umsatzsteuer an. Als Beispiele nennt das BMF fol-
    gende Fälle:

•   Lebensmittel kurz vor dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums
•   Frischwaren, wie Backwaren, Obst und Gemüse, wenn wegen Mängeln die Verkaufsfähig-
    keit nicht mehr gegeben ist
•   Non-Food-Artikel mit Mindesthaltbarkeitsdatum wie z. B. Kosmetika, Drogerieartikel, phar-
    mazeutische Artikel, Tierfutter oder Bauchemieprodukte wie Silikon sowie Blumen und ande-
    re verderbliche Waren
•   Waren mit erheblichen Material- oder Verpackungsfehlern (z. B. Befüllungsfehler, Falscheti-
    kettierung, beschädigte Retouren)
    Waren mit fehlender Marktgängigkeit (z. B. Vorjahresware oder saisonale Ware wie Weih-
    nachts- oder Osterartikel), die nicht mehr oder nur noch schwer verkäuflich sind.

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LAG Niedersachsen ändert Urteil des ArbG Emden zur Dar-
legungslast im Überstundenprozess ab
Arbeitgeber trifft (unverändert) die Darlegungs- und Beweislast
Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat über die Berufung gegen ein vielbeachtetes Teilurteil
des Arbeitsgerichts Emden entschieden (LAG Niedersachsen, Urt. v. 06.05.2021 – 5 SA
1292/20). Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der als Auslieferungsfahrer bei der Beklagten (=
Arbeitgeber) gearbeitet hatte. Der Kläger machte Überstundenvergütung für einen Zeitraum
von 1,5 Jahren auf der Grundlage von der Beklagten erstellter technischer Zeitaufzeichnun-
gen geltend. Ob diese Aufzeichnungen zur Erfassung der vergütungspflichtigen Arbeitszeit
erstellt worden waren, war zwischen den Parteien streitig.

In der Pressemitteilung des Gerichts v. 10.05.2021 heißt es weiter:

„Das Arbeitsgericht Emden als Vorinstanz hatte der Klage insoweit stattgegeben und zur
Begründung ausgeführt, die Beklagte sei in europarechtskonformer Auslegung des § 618
BGB zur Erfassung und Kontrolle der Arbeitszeiten des Klägers verpflichtet gewesen. Da sie
dieser Verpflichtung nach ihrem eigenen Vortrag nicht nachgekommen sei, reichten die vor-
gelegten technischen Aufzeichnungen als Indiz für die geleistete Arbeitszeit aus. Diese Indi-
zien habe die Beklagte nicht, z. B. durch Darlegung von Pausenzeiten, entkräften können.

Diese Auffassung teilte die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts nicht. Das Urteil des EuGH
vom 14.5.2019 – C-55/18 – habe keine Aussagekraft für die Darlegungs- und Beweislast im
Überstundenprozess im Hinblick auf die Frage der Anordnung, Duldung oder Betriebsnot-
wendigkeit von Überstunden. Dem EuGH komme keine Kompetenz zur Entscheidung über
Fragen der Vergütung zu. Dies ergebe sich aus Art. 153 AEUV. Die Voraussetzungen ei-
nes Anspruchs auf Überstundenvergütung habe der Kläger daher nicht dargelegt. Die Revi-
sion zum Bundesarbeitsgericht hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts in ihrer Ent-
scheidung zugelassen.“

Ergänzende Hinweise
Das Arbeitsgericht Emden hatte gleich durch mehrere Entscheidungen aufmerksam ge-
macht, wonach einer Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2019 weitreichende und unmit-
telbare Folgen für die Rechtslage in Deutschland zukommen sollte. Diese Auffassung des
Arbeitsgerichts Emden teilt die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen nicht.
Damit bleibt erst einmal alles beim Alten. Wir warten gespannt auf die Entscheidung des
Bundearbeitsgerichts – wenn es denn dazu kommt. Das LAG jedenfalls hat die Revision zu-
gelassen. Vielleicht erledigt sich das Ganze auch dadurch, dass der Gesetzgeber die Ent-
scheidung des EuGH zum Anlass nimmt, das Recht entsprechend den Vorgaben des EuGH
anzupassen. So oder so: Es bleibt spannend.

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06/ 2021

AUTOR(EN)

Dr. Stefan Müller-Thele
Rechtsanwalt

Mail: koeln@etl-rechtsanwaelte.de

Dr. Uwe P. Schlegel
Rechtsanwalt

Mail: koeln@etl-rechtsanwaelte.de

Anträge auf Vorsteuer-Vergütung aus Drittstaaten für 2020
jetzt stellen
Unternehmer erwerben immer häufiger Waren oder beziehen Leistungen im Ausland, ohne
dass die Firma selbst in diesem ausländischen Staat umsatzsteuerpflichtige Umsätze er-
bringt. In dem jeweiligen Land ist dann keine Registrierung für umsatzsteuerliche Zwecke
erforderlich. Damit die für die bezogenen Lieferungen und Leistungen in Rechnung gestellte
ausländische Umsatzsteuer das Unternehmen wirtschaftlich nicht belastet, kann die Vor-
steuer regelmäßig im Rahmen des Vorsteuer-Vergütungsverfahrens erstattet werden. Dabei
ist für jedes Land ein gesonderter Vergütungsantrag erforderlich. Wie das eigentliche Vor-
steuer-Vergütungsverfahren abläuft, hängt davon ab, ob es sich um einen EU-Staat handelt
oder nicht. Innerhalb der Europäischen Union gilt ein elektronisches Erstattungsverfahren.
Unternehmer haben für Rechnungen aus 2020 noch bis zum 30. September 2021 Zeit. Ver-
gütungsanträge gegenüber Staaten außerhalb der Europäischen Union (Drittstaaten) sind
dagegen schriftlich einzureichen und für Erstattungsanträge für 2020 verbleibt auch nur noch
wenig Zeit: Am 30. Juni 2021 ist Fristablauf. Dabei handelt es sich um eine Ausschlussfrist,
d. h., es gibt keine Verlängerungsmöglichkeit.

Die Vergütung der Vorsteuern erfolgt nur von Ländern, mit denen ein Abkommen auf Ge-
genseitigkeit besteht. Das sind Länder, für deren Unternehmer im Gegenzug auch Deutsch-
land die Vorsteuern vergütet. Das Bundesfinanzministerium hat ein Verzeichnis der Drittstaa-
ten veröffentlicht, mit denen Gegenseitigkeit gegeben ist. Keine Vorsteuer-Vergütung ist bei-
spielsweise mit Brasilien, Indien, Mexiko, Russland und der Türkei vereinbart. Auch für sons-
tige Leistungen, bei denen nicht der leistende Unternehmer, sondern der Empfänger die
Umsatzsteuer schuldet, z. B. bei Beratungsleistungen eines schweizerischen Unternehmers,
gibt es kein Vorsteuer-Vergütungsverfahren. In diesen Fällen ist der Leistungsempfänger in
Deutschland verpflichtet, die Umsatzsteuer in Deutschland anzumelden. Er darf dann aber
auch die Vorsteuer im Rahmen seiner Umsatzsteuervoranmeldungen geltend machen.

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Hinweis:
Die Anträge auf Erstattung der Umsatzsteuer aus Drittstaaten sind direkt bei der ausländi-
schen Erstattungsbehörde zu stellen. Das Bundeszentralamt für Steuern ist in diesem Erstat-
tungsverfahren nur für die ausländischen Unternehmen, die deutsche Vorsteuer erstattet
bekommen, zuständig. Die ausländischen Finanzbehörden stellen meist eigene Antragsvor-
drucke in ihrer Landessprache zur Verfügung. Einige Staaten bestehen auf deren Verwen-
dung.
Großbritannien gehört seit 1. Februar 2020 zum Drittland

Aufgrund des Brexit wurde die Mitgliedschaft Großbritanniens in der Europäischen Union mit
Ablauf des 31. Januar 2020 beendet. Doch bis zum 31. Dezember 2020 waren die unions-
konformen Regelungen zur Umsatzsteuer im Geschäftsverkehr mit dem Vereinigten König-
reich anzuwenden. Die in 2020 angefallene Vorsteuer konnte bis zum 31. März 2021 beim
BZSt im Vorsteuer-Vergütungsverfahren beantragt werden. Vorsteuerbeträge, die ab Januar
2021 anfallen, können nur noch auf der Grundlage der Gegenseitigkeit mit dem Vereinigten
Königreich von Großbritannien zurückgefordert werden. Achtung: Nordirland gilt bezüglich
der Warenlieferungen von und nach Nordirland weiterhin zum Gebiet der Europäischen Uni-
on. Für sonstige Leistungen wird Nordirland hingegen bereits als Drittland behandelt.

Schützt Starkregen vor Fahrverboten?
Starkregen und feuchte Fahrbahnen verlängern den Bremsweg und erfordern eine erhöhte
Aufmerksamkeit des Fahrzeuglenkers und im Zweifel eine Vergrößerung des Abstands zum
Vordermann. Massenkarambolagen bei schlechten Sicht- und Wetterverhältnis-
sen zeigen immer wieder, welche Folgen die Missachtung dieses Gebots haben kann. Zu-
dem rutschen Fahrzeuge immer wieder nicht nur in den Vordermann hinein, sondern auch
über die Haltelinien roter Ampeln hinweg. Regelmäßig kommt dann die Frage auf, ob und
wie sich eine witterungsbedingte Verlängerung des Bremswegs auf die Verhängung von
Bußgeldern oder Fahrverboten auswirken kann.

Die Fahrweise ist den Witterungsverhältnissen anzupassen

In der Rechtsprechung wird die Ansicht vertreten, bei einsetzendem Regen sei vorherseh-
bar, dass die Fahrbahn „schmierig“ sein und Anlass zu einer Fahrt mit herabgesetzter Ge-
schwindigkeit geben kann. Zudem seien Fahrzeugführer ohnehin zu einer vorausschauen-
den und vorsichtigen Fahrweise verpflichtet, die eine Gefährdung anderer Verkehrsteilneh-
mer ausschließt (§ 1 Abs. 1 und 2 StVO). Die Geschwindigkeit ist daher nicht nur an die je-
weiligen Straßen-, Witterungs- und Sichtverhältnisse (§ 3 Abs. 1 StVO) anzupassen, son-
dern auch so zu wählen, dass das Fahrzeug sicher gefahren und jederzeit gefahrlos ange-
halten werden kann (vgl. LG Bonn, Urt. v. 28.02.2020, Az. 1 O 21/19). Die Hürde für ein
Absehen von einem Fahrverbot liegt daher eher hoch.

Von Fahrverboten kann abgesehen werden!

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Dennoch hatte das OLG Dresden bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß, der eben auch
darauf zurückzuführen war, dass sich der Bremsweg bei winterlichen Straßenverhältnissen
aufgrund des Eingreifens des ABS verlängert hatte, von einem Fahrverbot abgesehen und
lediglich eine Regelgeldbuße verhängt (Beschl. v. 15.02.2001, Az. Ss (OWi) 523/00). Das
AG Tiergarten hatte ebenfalls von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen (Urt. v.
14.12.2015, Az. 288 OWi 1234/15). Allerdings legte die Amtsanwaltschaft hier Beschwerde
ein und das Kammergericht Berlin änderte die Entscheidung ab und verhängte – neben dem
Bußgeld in Höhe von 200 € – zusätzlich ein einmonatiges Fahrverbot (Beschl. v.
26.05.2016, Az. 3 Ws (B) 269/16).

Die Umstände des Einzelfalls entscheiden

Das Absehen von der Verhängung eines Regelfahrverbots kann nicht aus „Kulanz“ erfolgen.
Dem Beurteilungsspielraum des Richters sind daher enge Grenzen gesetzt und die schriftli-
chen Urteilsgründe müssen konkrete, nachvollziehbare und auf Tatsachen gestützte Fest-
stellungen enthalten, die die Annahme eines besonderen Ausnahmefalles nachvollziehbar
erscheinen lassen.

Ein solcher kann gegeben sein, wenn das Fahrverbot für den Betroffenen eine ganz außer-
gewöhnliche Härte darstellen würde oder der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen so er-
hebliche Abweichungen vom Normalfall aufweist, dass die Annahme eines Ausnahmefalles
gerechtfertigt erscheint (BayObLG, Beschl. v. 17.09.2019, Az. 201 ObOWi 1580/19). Dies
gilt nicht nur für die im Urteil genannten Aspekte, sondern insbesondere auch für die Ge-
samtschau aller Umstände (vgl. KG Berlin, Beschl. v. 24.02.2016, Az. 3 Ws (B) 95/16).
Aber selbst ein drohender Verlust des Arbeitsplatzes ist noch keine Garantie dafür, dass das
Gericht von der Verhängung eines Fahrverbots absieht (vgl. BayObLG, Beschl. v.
11.06.2019, Az. 202 ObOWi 874/19). Einer der Gründe dafür ist, dass Betroffene die Mög-
lichkeit haben, den Beginn der Wirksamkeit des Verbots gem. § 25 Abs. 2a StVG in einem
Zeitraum von vier Monaten selbst zu bestimmen und damit z. B. in die Ferien zu verlegen (z.
B. KG Berlin, Beschl. v. 06.03.2018, Az. 3 Ws (B) 73/18).

Selbständige, Handwerker oder Freiberufler, bei denen kein Arbeitgeber den drohenden Ver-
lust des Arbeitsplatzes bestätigen kann, müssen hinreichend aussagekräftige Unterlagen
(Bilanzen, Kontounterlagen, Steuerbescheide oder Gewinnermittlungen) vorlegen (OLG
Bamberg, Beschl. v. 17.07.2012, Az. 3 Ss OWi 944/12).

In jedem Fall muss das Absehen von einem Fahrverbot aber auf einer eingehenden und
nachvollziehbaren, auf Tatsachen gestützten Begründung beruhen (KG, Beschl. v.
15.12.2020, Az. 3 Ws (B) 289-290/20).

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Zusammenfassung

Wer eine rote Ampel über- oder auf den Vordermann auffährt, weil sich der Bremsweg auf-
grund von Nässe verlängert hat, ist nicht vor der Verhängung eines Fahrverbots gefeit. An-
gesichts der Hürden, die vor dem Absehen von einem Fahrverbot zu überwinden sind, soll-
ten Betroffene sich keinesfalls auf das Geratewohl auf eine Diskussion mit den Behörden
einlassen, sondern von Anfang an einen Anwalt damit beauftragen.

AUTOR(EN)

Michael Schacht
Rechtsanwalt

Mail: hannover@kanzlei-voigt.de

Dr. Wolf-Henning Hammer
Rechtsanwalt

Mail: zentrale@kanzlei-voigt.de

Darf Ihre Bank Ihre Religionszugehörigkeit kennen?
Sperrvermerk rechtzeitig beantragen

Seit 2015 müssen Banken, Versicherungen und andere Gesellschaften, die Kapitalerträge
ausschütten, nicht nur die Kapitalertragsteuer als Abgeltungsteuer, sondern auch die Kir-
chensteuer automatisch und anonymisiert an das Finanzamt abführen. Dabei soll die Kir-
chensteuer natürlich nur für Steuerpflichtige, die einer Religionsgemeinschaft angehören,
einbehalten und abgeführt werden. Zu diesem Zweck sind die ausschüttenden Unternehmen
verpflichtet, jedes Jahr im September und Oktober für alle Sparer und Anteilseigner eine Ab-
frage der Kirchensteuerabzugsmerkmale (KiStAM) beim Bundeszentralamt für Steuern
(BZSt) zu stellen (sogenannte Regelabfrage). Im Ergebnis der Abfrage werden in einer 6-
stelligen Ziffernfolge die Religionsgemeinschaft und der anzuwendende Kirchensteuersatz
übermittelt.

Doch nicht jeder Steuerpflichtige möchte, dass die Bank, die Versicherung oder die Kapital-
gesellschaft (an der er beteiligt ist) seine Religionszugehörigkeit kennt. Für diesen Fall kann
auf Antrag ein Sperrvermerk beim BZSt gesetzt werden. Ist in der bundesweiten Datenbank
des BZSt keine Konfession gespeichert, so wird bei der Anfrage eine Nullmeldung ausge-
stellt. Auch bei einem Sperrvermerk wird eine Nullmeldung an die anfragenden Institutionen
(Bank, Kreditinstitut, Versicherung, etc.) weitergegeben.

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Tipps & Wissenswertes
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Jedoch erhält das Wohnsitz-Finanzamt des Kirchensteuerpflichtigen eine Mitteilung über den
Abruf eines bestehenden Sperrvermerks durch Weitergabe von Name und Anschrift des ab-
rufenden Instituts oder der abrufenden Gesellschaft, denn mit dem Sperrvermerk wird auch
die Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung ausgelöst.

Ein einmal beantragter Sperrvermerk gilt bis zu seinem Widerruf fort. Wer für die Datenab-
frage 2021 dem Abruf seiner KiStAM widersprechen oder einen gesetzten Sperrvermerk lö-
schen will, der kann noch bis zum 30. Juni 2021 den Vordruck „Erklärung zum Sperrvermerk
§ 51a EStG“ unter Angabe der persönlichen Steueridentifikationsnummer ausfüllen und mit
eigenhändiger Unterschrift versehen per Post an das BZSt schicken. Der Vordruck steht im
Internet unter www.formulare-bfinv.de zum Abruf bereit. Da Anträge, die verspätet (nach
dem 30. Juni 2021) beim BZSt eingehen, erst für die Regelabfrage 2022 gelten, sollte der
zum Teil regional längere Postlauf berücksichtigt werden.

Tipp:

Eine Erklärung zum Sperrvermerk sollte sorgsam überlegt werden. All denjenigen, die nicht
kirchensteuerpflichtig sind oder deren Kapitalerträge unter dem Sparer-Pauschbetrag von
801 EUR bzw. 1.602 Euro (bei Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnerschaften) lie-
gen, empfehlen wir, keinen Sperrvermerk zu beantragen. Sie ersparen sich damit unnötige
Nachfragen des Finanzamtes und vermeiden die Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteu-
ererklärung, soweit nicht andere Gründe zur Abgabepflicht führen.

Zur formwirksamen Ergänzung eines handschriftlichen
Testaments
Das Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf hat entschieden (OLG Düsseldorf, Beschl. v.
22.01.2021 – 3 Wx 194/20):

„§ 2247 Abs. 1 BGB fordert, dass der Erblasser sein Testament unterschreibt. Grundsätz-
lich muss die Unterschrift den Text abschließen. Bei mehreren Blättern, auch wenn diese
lose sind, muss nicht jedes einzelne Blatt unterschrieben werden; es genügt die Unterschrift
auf der letzten Seite, wenn an der Zusammengehörigkeit der einzelnen Seiten – beispiels-
weise wegen einer Nummerierung oder wegen eines fortlaufenden textlichen Zusammen-
hangs – kein Zweifel besteht (vgl. BeckOGK/Grziwotz, BGB, Stand: 1. Oktober 2020, § 2247
Rn. 45, m.w.N.).

Die Unterschrift muss nicht der zeitlich letzte Akt der Testamentserrichtung sein. Es ist ohne
Bedeutung, in welcher zeitlichen Reihenfolge die einzelnen Bestandteile eines Testaments
niedergeschrieben sind. Nachträgliche Ergänzungen oder Veränderungen des Textes brau-
chen nicht unterzeichnet zu werden, wenn sie rein äußerlich durch die vorhandene Unter-
schrift mitgedeckt werden (BGH NJW 1974, 1083 ff.; KG BeckRS 2017, 111490 m.w.N.;
BeckOGK/Grziwotz, a.a.O., § 2247 Rn. 52, m.w.N.).

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Tipps & Wissenswertes
06/ 2021

Die Frage, ob die auf dem Testament bereits befindliche Unterschrift solche nachträglichen
Ergänzungen und Änderungen, die sich auf demselben Bogen/Blatt befinden, auf dem auch
das Testament ursprünglich niedergeschrieben ist, deckt, ist im Wege der Auslegung des
Testaments zu ermitteln. Festzustellen ist, ob nach dem Willen des Erblassers die nachträg-
liche Ergänzung durch seine bereits vorhandene Unterschrift gedeckt sein sollte; das äußere
Erscheinungsbild der Urkunde darf dem nicht entgegenstehen (vgl. BGH, a.a.O.). Von Be-
deutung sein kann in diesem Zusammenhang beispielsweise auch ein im Testamentstext
aufgenommener Hinweis auf die Ergänzung (BecKOGK/Grziwotz, a.a.O., § 2247 Rn. 52).“

AUTOR(EN)

Pia Roggendorff-Jentsch
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht

Mail: koeln@etl-rechtsanwaelte.de

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 Ein Unternehmen der ETL-Gruppe                      doch nicht übernommen werden.

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