DIE UNTERSCHÄTZTE HORIZONTALE. DAS GESIMS IN KUNST UND ARCHITEKTUR - GRAPHISCHE SAMMLUNG ETH ZÜRICH, RÄMISTRASSE 101

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DIE UNTERSCHÄTZTE HORIZONTALE. DAS GESIMS IN KUNST UND ARCHITEKTUR - GRAPHISCHE SAMMLUNG ETH ZÜRICH, RÄMISTRASSE 101
Meister GA mit der Fussangel, Dorisches Gesims, 1530–1540, Kupferstich, 21.7 × 13.6 cm, Graphische Sammlung ETH Zürich

DIE UNTERSCHÄTZTE
HORIZONTALE.           GRAPHISCHE SAMMLUNG
                       ETH ZÜRICH, RÄMISTRASSE 101

DAS GESIMS IN KUNST    25. AUGUST —
                      14. NOVEMBER 2021
UND ARCHITEKTUR
DIE UNTERSCHÄTZTE HORIZONTALE. DAS GESIMS IN KUNST UND ARCHITEKTUR - GRAPHISCHE SAMMLUNG ETH ZÜRICH, RÄMISTRASSE 101
EINFÜHRUNG

                                  Gesimse finden sich überall. Die Trauflinie jeder urba­    Die unterschätzte Horizontale steht für einmal im
                                  nen Strasse stellt ein Sammelsurium von Gesimsen in        Fokus und lädt nicht zuletzt auch dazu ein, über sich
                                  verschiedensten Ausgestaltungen, Materialien und           verändernde Ausdrucksformen in einer Kultur zu
                                  Wartungszuständen dar. Fenster, Türen, Decken, Spie­       sprechen. Das Gesims ist sowohl in realer als auch
                                  gel und Wandverkleidungen aus allen Jahrhunder­            in gedachter Form Architektur, und daher ein wich­
                                  ten schmücken sich mit kunstvollen Profilen. Autos,        tiges Element nicht nur der gebauten Umwelt, son­
                                  Kleidung, Möbel und Haushaltsgegenstände weisen            dern ebenso der Druckgraphik und Zeichnung. Diese
                                  ihre eigenen gesimsartigen Elemente auf. Streifen,         Aspekte lassen sich in der Graphischen Sammlung
                                  Bänder und Linien aus Farbe wirken wie Gesimse,            ETH Zürich anhand einer einzigartigen Auswahl von
                                  wenn sie Artefakte jeglicher Art einrahmen oder krö­       über 150 Zeichnungen, Drucken, Büchern und Objek­
                                  nen. In Gemälden, Radierungen und Fotografien von          ten vom 15. Jahrhundert bis heute entdecken. Dabei
                                  Gebäuden und Strassen bilden Gesimse ein kompo­            folgt die Präsentation nicht einer chronologischen
                                  sitorisches Element und können den Rahmen für eine         Ordnung, sondern gruppiert sich in verschiedene The­
                                  Szene sein, die sich darin abspielt.                       men, die unterschiedliche in der Geschichte stets wie­
                                                                                             derkehrende ästhetische und kulturelle Phänomene
                                  Gesimse erzählen viel über unsere Geschichte. Ein          reflektieren. Diese Themenbereiche stellen Werke aus
                                  wesentliches Anliegen der Ausstellung ist es daher,        verschiedensten Stilrichtungen, historischen Epochen
                                  die Aufmerksamkeit auf die Persistenz des Gesimses         und Ländern nebeneinander und erlauben es so den
                                  in der europäischen Architektur und Bildkultur zu len­     Besucher*innen das Phänomen «Gesims» aus ver­
                                  ken und aufzuzeigen, wie dieses grössere kulturelle        schiedenen Blickwinkeln zu entdecken.
                                  und ästhetische Bewegungen reflektiert. Als zentra­
                                  ler Bestandteil der klassischen Architektur wurde das      Kuratiert von der Graphischen Sammlung ETH Zürich,
                                  Gesims seit der Antike gezeichnet, vermessen, entwor­      Dr. Linda Schädler, und der Professur für Geschichte
                                  fen, fabriziert, konstruiert und diskutiert. Dabei stand   und Theorie der Architektur ETH Zürich, Prof. Dr.
                                  es erstaunlich oft im Zentrum der Aufmerksamkeit:          Maarten Delbeke
                                  von Kritiker*innen, die ihre Architekturvorstellungen      Assistenzkurator*innen: Anneke Abhelakh (gta), David
                                  formulierten, von Architekt*innen, die ein gebautes        Bühler (gta) und Dr. Emma Letizia Jones (ehemals gta)
                                  Statement abgaben, sowie von Kunstschaffenden, die
                                  das Potential ihres Mediums ausloteten. So eröffnet
                                  die Geschichte des Gesimses einen neuen Blickwinkel
                                  auf die grössere Geschichte der Architektur und ihrer
                                  bildlichen Umsetzungen.

                                  Weit davon entfernt, ein nur für Fachpersonen inter­
                                  essantes Detail zu sein, verkörpert das Gesims durch
                                  seine Allgegenwärtigkeit viele Schnittstellen zwischen
                                  Gebäuden und ihrem grösseren Kontext. Gesimse for­
                                  men gleichsam die Silhouette von Strassenzügen und
                                  die Ränder von Innenräumen. Sie machen Eigentums­
                                  grenzen sichtbar und verweisen auf soziale Aspira­
                                  tionen. Sie zeigen, wie Formen aus Gewohnheit fort­
                                  bestehen, selbst wenn sich Herstellungsmethoden
                                  ändern. Sie veranschaulichen die Art und Weise, wie
                                  die bruchstückhaften Geister der klassischen Archi­
                                  tektur popularisiert werden und über verschiedene
                                  Massstäbe, Materialien und Medien hinweg mutie­
                                  ren. Sie erzählen von den unterschiedlichen Absichten
                                  ihrer Urheber*innen, wenn diese Räume dekorieren,
                                  Fugen artikulieren, technische Installationen ver­
Mit freundlicher Unterstützung:   stecken, Fassaden verschönern, Möbel monumenta­
                                  lisieren, Kostbarkeiten einrahmen und Ereignisse in
                ORAC, Oostende    Szene setzen.                                                                                                 3
DIE UNTERSCHÄTZTE HORIZONTALE. DAS GESIMS IN KUNST UND ARCHITEKTUR - GRAPHISCHE SAMMLUNG ETH ZÜRICH, RÄMISTRASSE 101
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DAS GESIMS IN DER KRISE                                                                                                                                                                      DER STOFFWECHSEL DES GESIMSES

Im Jahr 1930 hielt Frank Lloyd Wright einen Vortrag         (ca. 30–15 v. Chr.) zu verstehen. So etwa bei Francesco                                                                          Der beständige Charakter bestimmter Gesimsformen
mit dem Titel The Passing of the Cornice (dt. Das Ver­      di Giorgio ­Martini. Das erste volkstümliche (nicht­                                                                             kann materielle, zeitliche und sogar geografische
schwinden / Hinscheiden des Gesimses). Wright for­          lateinische) Kompendium zur klassischen Architektur,                                                                             Grenzen transzendieren und dabei Fragen dazu auf­
derte die völlige Abschaffung des Gesimses, da es           der spanische Medidas del Romano (1526) von Diego                                                                                werfen, wie das Gesims durch fortwährende Mate­
sich um eine aus der Vergangenheit übernommene             ­Prévost Sagredo, enthält zwei Holzschnitte, die erklä­                                                                           rialerneuerung zeitgenössisch bleibt und wie das
und aufgesetzte Form der Gebäudedekoration han­             ren, wie die verschiedenen Teile des Gesimses den                                                                                architektonische Ornament seine Relevanz für das
dele. Le Corbusier äusserte ähnliche Gedanken, als          Gesichts­zügen entsprechen. Diese Bilder verbreiteten                                                                            heutige Leben bewahrt. Das Gesims ist ein beständi­
er seinen Fünf Punkten zu einer neuen Architektur als       sich dank der zahlreichen Übersetzungen und Aus­                                                                                 ges Zeugnis alchemistischer Stoffwechsel, nicht nur
sechsten die «Unterdrückung des Gesimses» hinzu­            gaben des Werks in ganz Europa, so auch über die hier                                                                            von Holz zu Stein, sondern auch von Stein zu anderen
gefügt hatte, da er die Meinung vertrat, dass dieses        gezeigte französische Übersetzung von 1555.                                                                                      hier ausgestellten Materialien wie Keramik, Polystyrol,
durch die modernen Konstruktionsweisen überflüssig                                                                                                                                           Glasfaser und Gips.
geworden sei. Diese extreme Ablehnung des Gesim­           Doch im 20. Jahrhundert interessierten sich die Archi­
ses durch die Architekt*innen des frühen 20. Jahrhun­      tekten weniger für dekorative Architektur und deren                                                                               Als ein Fragment, das sein Material im Laufe der Zeit
derts illustriert, wie dieses Element, weit mehr als die   über lange Zeit hinweg geglaubten Ausdrucksformen                                                                                 verändert, aber seine wesentlichen formalen Aspekte
Säule oder das Gebälk, das symbolisierte, was die          des Charakters. Argumente für ihre Beibehaltung, wie                                                                              beibehält, kann das Gesims vor dem Hintergrund
Modernisten als grösstes Hindernis zur Verwirklichung      beispielsweise die Wirkung von Gesimsornamenten             Jacques-François Blondel, Entablement Toscan de S    ­ cammozy (li)   der Stoffwechseltheorie des deutschen Architekten
ihrer Architektur betrachteten: Konservatismus, Macht      in Bezug zum menschlichen Antlitz, erschienen zuneh­       und Entablement Toscan de Vignole (re) aus: Blondel,                   Gottfried Semper aus dem neunzehnten Jahrhundert
                                                                                                                      ­Jacques-François; Patte, Pierre: Cours d’architecture, ou Traité
der Gewohnheit, Irrationalität und das gedankenlose        mend irrational. Dennoch verblieb das Gesims wei­           de la décoration, d
                                                                                                                                         ­ istribution & construction des bâtiments,         betrachtet werden. Sempers Theorie, die er in Der Stil
Kopieren historischer Formen ohne die Erfordernisse        terhin ein Thema in der Genealogie der modernen             Paris 1771–1777, Tome 1 (1771), Pl. 11 & 12.                          in den technischen und tektonischen Künsten (1860–
der Gegenwart zu berücksichtigen. Indem sie die            Architektur. Dies vielleicht nirgendwo so sehr wie          ETH-Bibliothek Zürich, RAR 441,                                       1862) aufgestellt hatte, untersuchte das Phänomen,
                                                                                                                       https://doi.org/10.3931/e-rara-366 / Public Domain Mark
Abschaffung des Gesimses als eine radikale Geste           beim Abriss der frühen Wolkenkratzer in Chicago                                                                                   dass die Architektur ihre charakteristischen Formen
darstellten, anerkannten die Modernisten dessen            (entworfen von Wrights Mentoren Adler & Sullivan)                                                                                 bei Übergängen von einem Baumaterial zum ande­
Macht, während sie gleichzeitig stillschweigend ein­       in den 1960er und 1970er Jahren. In dieser Zeit wurde                                                                             ren beibehält. Bei der Verwendung neuer Materia­
gestanden, dass das Gesims mit seinen dekorativen          das Gesims erneut zum Symbol einer kulturellen Krise,                                                                             lien werden Gesimsprofile manchmal beibehalten, in
Elementen menschliche Empfindungen ansprach, die           wobei es aber dieses Mal zum Ausdruck einer zu                                                                                    anderen Fällen aber auch so verändert, dass sie neue
sich einer Rationalisierung entziehen.                     Unrecht aufgegebene Architektur wurde, deren Orna­                                                                                Bedeutungen annehmen und hybride kulturelle und
                                                           ment und Raffinesse in starkem Kontrast zur Tristesse                                                                             technologische Erinnerungen erzeugen. So weisen
In seiner Publikation Cours d‘Architecture versuchte       des übertriebenen Rationalismus der Nachkriegssied­                                                                               beispielsweise Gesimsfragmente, die in der indischen
der französische Architekt und Lehrer Jean-François        lungen stand.                                                                                                                     und buddhistischen Tempelarchitektur zu finden sind,
Blondel im 18. Jahrhundert diese «menschlichen»                                                                                                                                              auf den reichen indisch-hellenistischen Austausch hin,
Qualitäten, die das Gesims seiner Meinung nach                                                                                                                                               der über Persien stattfand. In anderen Fällen sind die
besitzt, zu vermitteln, indem er die Gesimsprofile                                                                                                                                           Gesimse über ihre ornamentale Kategorisierung hin­
verschiedener Säulenordnungen mit menschlichen                                                                                                                                               ausgewachsen und zu Skulpturen geworden, in wel­
Gesichtern verglich. Blondels Darstellung suggeriert,                                                                                                                                        chen zeitgenössische Künstler*innen und Architekt*in­
dass das Gesims idealerweise im Schnitt komponiert                                                                                                                                           nen neue, persönliche Interpretationen des Gesimses
wird, damit es, sobald es sich in der Horizontalen aus­                                                                                                                                      inszenieren. Das Gesims ist nun nicht länger nur ein
dehnt, dem Gebäude wortwörtlich ein Gesicht ver­                                                                                                                                             Fragment, das auf seine Vervollständigung wartet,
leiht. Durch diese Analogie wird das Gesims zum zen­                                                                                                                                         sondern es ist zu einem eigenständigen Kunstobjekt
tralen Element für die nach Auffassung von Blondel                                                                                                                                           geworden.
wichtigste Qualität eines Gebäudes: seinen «Charak­
ter». Gemeint ist hier, dass bei einem Gesims dieser
Art den Betrachter*innen dessen Funktion und Zweck
vermittelt werden können und gleichzeitig die ent­
sprechenden Emotionen ausgelöst werden, damit
es angemessen wahrgenommen und wertgeschätzt
wird.

Diese eindrücklichen Bilder stehen in einer Tradi­                                                                    Francesco di Giorgio Martini (1439–1501), ­
tion, welche in zahlreichen früheren Versuchen der                                                                    Trattato di a
                                                                                                                                  ­ rchitettura, ms., 1480
Renaissance wurzelt, die aus der römischen Antike                                                                     Firenze, Biblioteca Nazionale Centrale,
                                                                                                                      Fondo Nazionale, II.I. 141
stammenden anthropomorphen Beschreibungen von                                                                         Su concessione del Ministero della Cultura /
Gebäuden aus Vitruvs Zehn Büchern über Architektur                                                              4     Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze                                                                                   5
DIE UNTERSCHÄTZTE HORIZONTALE. DAS GESIMS IN KUNST UND ARCHITEKTUR - GRAPHISCHE SAMMLUNG ETH ZÜRICH, RÄMISTRASSE 101
3                                                                                                             4
DIE TEKTONIK DES GESIMSES                                                                                     DAS GESIMS IN DER STADTPERSPEKTIVE

Das Gesims, das wie das massive Gesims der Opera                                                              Im Massstab der Stadt wird das Gesims zu einem urba­
Garnier in der Fotografie aus dem 19. Jahrhundert                                                             nen Element, das den Strassenraum perspektivisch
von Louis-Émile Durandelle aus der Fassade her­                                                               rahmt und den Blick der Strasse entlangführt – sowohl
vorragt und mit seinem Überhang oftmals der Schwer­                                                           im gebauten Umfeld wie auch auf Bildern. Beim Auf­
kraft zu trotzen scheint, ist das perfekte Element, um                                                        kommen der Zentralperspektive wurde die Beziehung
einen verborgenen konstruktiven Erfindergeist zu                                                              zwischen der Architektur als Motiv und als Technik zur
veranschaulichen. Auf den Seiten der hier gezeigten                                                           Gestaltung des Bildraums besonders stark ausgeprägt.
Bücher dekonstruieren Constantin Uhde und Johann                                                              Unter anderen hat insbesondere Johannes Grave dar­
Mathäus Mauch das Gesims in seine grundlegenden                                                               auf hingewiesen, dass Architektur – sobald sie in einer
materiellen Bestandteile und legen die ihrer Ansicht                                                          zweidimensionalen Darstellung vorkommt – nicht nur
nach universellen Konstruktionsregeln dar, die den                                                            zeigt, was dargestellt wird, sondern immer auch, wie
verschiedenen Stilen und Profilen zugrunde liegen.                                                            es dargestellt ist. Dies trifft auch auf Gesimse zu. Sie
Dieser Ansatz ist typisch für viele Versuche von Archi­                                                       geben einen erhellenden Einblick in Darstellungs­
tekt*innen des 19. Jahrhunderts, vor allem im deutsch­                                                        konventionen, vor allem in der Zeit der Renaissance,
sprachigen Raum, das Studium historischer Architek­                                                           als die Zentralperspektive dominant war. Dieses auf
turbeispiele in eine Lehre universeller Baugesetze zu                                                         mathematischen Regeln fussende Perspektivsystem            Joannes van Doetecum (d. Ä.) (gest. 1605) und Lucas van
überführen. Durch die Herausarbeitung der tektoni­                                                            kreiert die Illusion des Renaissance-­Stadtraums, der      Doetecum (gest. 1575/1589), nach Hans Vredeman de Vries,
                                                                                                                                                                         Ansicht einer aufsteigenden Strasse zu einem zweitürmigen
schen Prinzipien, die allen Stilen der Vergangenheit                                                          in einem zentralen Fluchtpunkt konvergiert. Diese          Gebäude hin, Blatt der Folge «Kleine perspektivische
zugrunde liegen, hoffte man zu dieser Zeit, neue Stil-                                                        Perspektiven idealisieren und überhöhen (oder ver­         Architek ­t ur­ansichten», 1562
Lösungen für die Gegenwart finden zu können. Indem                                                            fälschen) die Wahrnehmung der Stadt – von der Radie­       Radierung auf Papier vergé, NHD II/II
                                                                                                                                                                         Graphische Sammlung ETH Zürich
diese Darstellungen die Geheimnisse seiner Konstruk­                                                          rung von Johannes van ­Doetecum bis zur Fotomon­
tion enthüllen, verleihen sie dem Gesims eine neue                                                            tage von Mies van der Rohe.
und möglicherweise zeitgenössischere Bedeutung,
die von seinem früheren symbolischen oder reprä­                                                               Bei der Nachtansicht der Saruwakastrasse des aus
sentativen Stellenwert als Teil des klassischen Systems                                                        Edo (Tokyo) stammenden Utagawa Andô H        ­ iroshige
losgelöst ist.                                                                                                ­Ichiryûsai handelt es sich um einen Holzschnitt im
                                                          Constantin Uhde (1836–1905), Die Konstruktion        Stil von ukiyo-e, oder «Bilder einer fliessenden Welt».
                                                          und die Kunstformen der Architektur, 1902            Die geometrische Perspektive der Gebäude, die
                                                          Herausgeber: Ernst Wasmuth, Berlin
                                                          ETH-Bibliothek Zürich                                einfachen Linien der Figuren und die Inschriften im
                                                                                                               Rechteck verleihen dem Werk eine abstrakte Qualität
                                                                                                               wie sie für japanische Holzschnitte typisch ist. Trotz­
                                                                                                               dem erinnern die ausgeprägte Tiefenperspektive der
                                                                                                               Strasse, die fliehenden Gesimse und die Schatten am
                                                                                                               Boden auch an idealisierte europäische Perspektiven.

                                                                                                                                                                         Giovanni Battista Piranesi (1720–1778), Ansicht des Palazzo
                                                                                                                                                                         Odescalchi, Blatt der Folge «Ansichten von Rom», 1753
                                                                                                                                                                         Radierung auf Papier vergé, Hind II/V
                                                                                                                                                                         Graphische Sammlung ETH Zürich

                                                                                                          6                                                                                                                            7
DIE UNTERSCHÄTZTE HORIZONTALE. DAS GESIMS IN KUNST UND ARCHITEKTUR - GRAPHISCHE SAMMLUNG ETH ZÜRICH, RÄMISTRASSE 101
5                                                                                                                            6
DAS GESIMS ALS BÜHNE                                                                                                         GESIMSFRAGMENTE
                                                                                                                             DER ANTIKEN RUINEN

Architektur übernimmt in der frühneuzeitlichen                                                                               Das ikonische Gesims der Castor & Pollux-Kolonnade
Druckgraphik oft auch die Funktion eines Komposi­                                                                            ist eines von vielen immer wieder abgebildeten Frag­
tionselements. So findet man sie als Bühne für die                                                                           menten des antiken Roms, die als Ausgangspunkt für
Inszenierung bedeutender religiöser oder kultureller                                                                         die Architektur der Renaissance und nachfolgende
Ereignisse. In den Beispielen von Marco Dente (nach                                                                          Epochen dienten. Die Radierungen von Stefano della
Raffael), ­Marcantonio Raimondi und Albrecht Dürer                                                                           Bella und Jan Gerritsz. van Bronchorst veranschau­
verbindet sich das Gesims mit den anderen Elementen                                                                          lichen die Omnipräsenz der Antike in Rom, indem sie
des klassischen Gebälks und ruht auf offenen Säulen­                                                                         die Ruinen in Szenen des alltäglichen Lebens einge­
gängen, die den statischen Rahmen für dramatische                                                                            bettet zeigen. Die Gesimse verweisen auf die vergan­
figurative Szenen mit biblischen Themen schaffen:                                                                            gene Pracht des Römischen Reiches, wobei die Ero­
ein vernichtendes Feuer, das Martyrium der Heiligen                                                                          sion ihrer feinen Ornamente gleichzeitig deren Verfall
­Cäcilia oder der Eintritt der Jungfrau Maria in den                                                                         im Laufe der Zeit spürbar macht. Mitte des 18. Jahr­
 Tempel. In diesen Fällen ist das Gesims die unschein­                                                                       hunderts hob Giovanni Battista Piranesi in seinem           Johann Baptist Marzohl (1792–1863)
 bare Horizontale, die den Körpern in den virtuos                                                                            Buch De Romanorum magnificentia et architectura             Forum Romanum, um 1810–1863
                                                                                                                                                                                         Aquarell und ­Bleistift auf Velin
 komponierten Szenen als erdende Kraft dient. Doch                                                                           die einstmals kraftvolle Massivität der römischen Bau­      Graphische Sammlung ETH Zürich
 wenn Pablo Picasso im 20. Jahrhundert das Gemälde                                                                           werke hervor, indem er ihre Gesimse fast massstabs­
 David und Bathseba (1526) von Lucas Cranach d. Ä.                                                                           getreu als beeindruckende individuelle Fragmente
 inter­pretiert, verliert bei ihm das Gesims, den umge­   Albrecht Dürer (1471–1528), Mariens Tempelgang,                    abbildete, von denen er sich versprach, dass sie die
 benden Figuren entsprechend, seine Stabilität und        Blatt 6 der Folge «Das Marien­leben», um 1503                      Grundlage für eine neue Architektur bilden würden.
                                                          Holzschnitt auf Papier vergé, Meder f-g, Ausgabe ohne Text
 beginnt zu kollabieren. Dadurch reflektiert es seinen    Graphische Sammlung ETH Zürich
 unsicheren Status in der sich verändernden Architek­                                                                         Mit der Wiederentdeckung der Polychromie (die Pra­
 tursprache der Nachkriegsmoderne.                                                                                            xis der farbigen Bemalung von Architektur, Skulptur
                                                                                                                              und Keramik in der Antike) im 19. Jahrhundert erhielt
Im Gegensatz dazu zeigt eine indische Miniatur-­                                                                              das Gesims, das zuvor nur mittels Licht und Schatten
Pigment­malerei aus dem 18. Jahrhundert von ­Shrihathi                                                                        moduliert worden war, durch die neue farbige Dar­
Ragini eine ruhigere und idyllischere Szene. Auch hier                                                                        stellung eine paradoxe kompositorische Flächigkeit.
rahmen das Gesims und die Säulen das Geschehen in                                                                             Gottfried Sempers Zeichnungen zeigen Gesimse in
einer Weise ein, welche eine Vertrautheit der indischen                                                                       zahlreichen spekulativen Farben, die teils auf archäo­
Miniaturisten jener Zeit mit westlichen künstlerischen                                                                        logischen Forschungen beruhten und teils ein Produkt
Vorbildern und Konventionen nahelegt, auch wenn                                                                               der Phantasie des Architekten waren. Neue Druck­
sie dabei einem völlig anderen Blickregime folgen.                                                                            techniken, wie die Möglichkeit, mit der Chromolitho­
Die Beziehung des Gesimses zu den Körpern wird in                                                                             graphie farbig zu drucken, erleichterten die Verbrei­
diesem Fall nicht durch perspektivische Konstruktio­                                                                          tung der Theorie der Polychromie weiter, wie die bunt
nen mit einer hohen Tiefenwirkung geprägt, sondern                                                                            leuchtenden Gesimse in den Büchern von Jacques
durch ein flächigeres Arrangement der einzelnen Ele­      Marcantonio Raimondi (um 1470/1482 – um 1527/1534),                 Ignace Hittorff oder Georges Perrot und Charles
mente und den kraftvollen Einsatz von Farbe in einer      nach Raffael, Martyrium der ­H eiligen Cäcilia, um 1520–1525       ­Chipiez zeigen. Später nutzte Constantin Uhde die
                                                          Kupferstich, dubliert
Ebene. Diese werden so kombiniert, dass ein hierar­       Graphische Sammlung ETH Zürich                                      neue Technik der Fotomontage, um die plastische            Stefano della Bella (1610–1664), Tempel des Vespasian
chisches Grössenverhältnis auf einer Ebene entsteht,                                                                          Wirkung von Gesimsen in den Mittelpunkt zu stellen         und das Forum Romanum, 1656, Blatt 4 der Folge
                                                                                                                                                                                         «Die grossen römischen Ansichten»
in der das Gesims nicht in den Hintergrund rückt, son­                                                                        und sie als ruinöse Fragmente einer vergangenen Zeit       Radierung auf Papier vergé, De Vesme/Massar II/II
dern im Vordergrund eine dominante Rolle spielt und                                                                           und einer potentiellen architektonischen Zukunft zu        Graphische Sammlung ETH Zürich
mit den menschlichen und tierischen Körpern selbst                                                                            isolieren, genauso wie dies ­Piranesi bereits zwei Jahr­
rivalisiert und wetteifert.                                                                                                   hunderte zuvor getan hatte.

                                                                                                                         8                                                                                                                       9
DIE UNTERSCHÄTZTE HORIZONTALE. DAS GESIMS IN KUNST UND ARCHITEKTUR - GRAPHISCHE SAMMLUNG ETH ZÜRICH, RÄMISTRASSE 101
7                                                                                                                            8
DIE VERMESSUNG DES GESIMSES                                                                                                  URSPRUNGSMYTHEN

In der klassischen Architektur ist das Gesims ein Teil                                                                       Als die Architekt*innen der Renaissance mit der
des Gebälks, das die Säulen überspannt und nebst                                                                             Rekon­struktion der idealen klassischen Vergangenheit
dem Gesims aus Architrav und Fries besteht. Ab dem                                                                           beschäftigt waren, entstanden im architektonischen
späten 15. Jahrhundert versuchten Architekt*innen                                                                            Diskurs Ursprungsmythen, die erklären sollten, warum
diese antiken architektonischen Ordnungssysteme                                                                              die Griechen und Römer der Antike so bauten, wie sie
und ihre dekorativen Schemata wiederzubeleben.                                                                               es taten. Diese Mythen entwickelten sich zunächst aus
Neben den erhaltenen Relikten antiker römischer Bau­                                                                         Renaissance-Interpretationen von Vitruv, wie zum Bei­
ten, die vermessen werden konnten, griffen die Archi­                                                                        spiel der frühen illustrierten Ausgabe der Zehn Bücher
tekten auch auf andere Quellen zurück. So enthält zum                                                                        von Cesare Cesariano. Allerdings hielten sie sich bis
Beispiel das Vitruv-Manuskript aus der Bibliothèque                                                                          ins 20. Jahrhundert und finden sich auch in den Schrif­
Humaniste Sélestat die erste bekannte Zeichnung                                                                              ten und grafischen Arbeiten von Frank Lloyd Wright.
eines Gesimses. Sie basiert auf einer Beschreibung,                                                                          In den Narrativen dieser Mythen ist das Gesims ein
die im einzigen überlieferten Text aus der Antike                                                                            wichtiges Element der klassischen Architektur, das
zu finden ist, den Zehn Bücher[n] über Architektur                                                                           häufig als «Beweis» für den Wahrheitsgehalt der
von Vitruv. Die Gesimszeichnungen von ­Giovanni                                                                              Ursprungslegenden herangezogen wird. Das als
Antonio Dosio und Meister GA mit der Fussangel                                                                               Hypnerotomachia Polyphili (1499) bekannte Buch,
stellen ebenfalls einige der frühen Versuche dar, die                                                                        welches von Poliphilos traumartigen Wanderungen
komplexen Profile des Gesimses anhand der ihnen                                                                              durch eine fantastische Landschaft erzählt, enthält die
zur Verfügung stehenden schriftlichen und physi­                                                                             erste bekannte gedruckte Darstellung eines Gesimses
schen Fragmente zu definieren und zu benennen. Es                                                                            als fetischisiertes Fragment einer verlorenen klassi­
handelt sich dabei noch nicht um perfekt proportio­                                                                          schen Welt. Später versuchten die aufklärerischen
nierte Kompositionen, da ihre Autor*innen vor allem                                                                          Autoren Jacques-François Blondel, Marc-Antoine
damit beschäftigt waren, Darstellungskonventionen        Giovanni Antonio Dosio (1533–1611),                                 Laugier und Giovanni Battista Piranesi, die klas­
für zukünftige, präzisere Architekturbetrachtungen       Gesimse und Profile, um 1550                                        sische Architektur auf ihre sogenannten primitiven         Charles Dominique Joseph Eisen (1720–1778),
                                                         Feder und Tusche auf Büttenpapier                                                                                              Die Urhütte, Design für das Frontispiz von ­
zu etablieren. Solche Drucke und Zeichnungen, die        Drawing Matter Collections (UK)                                     Ursprünge zurückzuführen, indem sie das Gesims
                                                                                                                                                                                        Marc-Antoine Laugiers «Essai sur l‘architecture», um 1755
Architekturdetails aus der Antike abbildeten, spielten                                                                       gänzlich von seinen dekorativen Profilen befreiten.        Feder und Tusche, grau laviert
jedoch im 16. Jahrhundert für die Verbreitung eines                                                                          Laugier formulierte in seinem Essai sur l’architecture     Drawing Matter Collections (UK)
standardisierten klassischen Formenvokabulars über                                                                           (1753) den Ursprungsmythos der «Primitiven Hütte»
ganz Europa eine sehr wichtige Rolle.                                                                                        als Urform des klassischen Tempels: ein Ort der ele­
                                                                                                                             mentarsten Behausung, dessen biblischer Vorläufer in
Dieses Formenvokabular wurde von nachfolgenden                                                                               Nicoletto da Modenas rudimentärer Beherbergung
Architekten wie Sebastiano Serlio, Andrea Palladio                                                                           für die Geburt Christi zu finden ist.
und Vignola als Fundament der «wahren» Architek­
tur der klassischen Antike aufgefasst, wie er nach der                                                                       In Charles Dominique Joseph Eisens berühmter
Stilpluralität des Mittelalters wiederentdeckt worden                                                                        Druckgraphik, die zum Frontispiz der zweiten Auf­
war. Diese Architekten begannen Traktate zu verfas­                                                                          lage von Laugiers Buch werden sollte, erhebt sich im
sen, die als architektonische Regelwerke fungierten,                                                                         hinteren Teil des Bildes die primitive, aus einfachen
in denen Gesimse in ihren vielfältigen Variationen                                                                           Holzstämmen gebaute Hütte. Wie die ausgestellte
akribisch bildlich festgehalten wurden. Wie man im                                                                           vorbereitende Zeichnung zeigt, liegt bereits bei ihr ein
Vergleich der verschiedenen Versionen unschwer                                                                               Gesimsfragment im Vordergrund. Es ist hier sowohl
feststellen kann, herrschte allerdings nicht immer ein                                                                       eine Andeutung des zukünftigen architektonischen
Konsens über die «richtige» Gestaltung.                                                                                      Potentials der primitiven Urhütte als auch ein Abbild
                                                                                                                             der immer wiederkehrenden Zerstörung der Archi­
                                                         Meister GA mit der Fussangel, (um 1538 tätig), Korinthischer        tektur: ein Zeichen ihrer ständigen Rückkehr zu ihren
                                                         Sims mit Akanthusblättern verzierter Konsole, 1530–1540             Ursprungsmythen.
                                                         Kupferstich
                                                         Graphische Sammlung ETH Zürich

                                                                                                                                                                                        Nicoletto da Modena (um 1488 – um 1512),
                                                                                                                                                                                        Geburt Christi, 1500–1506
                                                                                                                                                                                        Kupferstich, Gegenüber Hind I/II überarbeiteter Zustand
                                                                                                                                                                                        ohne die Verlegeradresse «Petri de Nobilibus ­Formis»
                                                                                                                        10                                                              Graphische Sammlung ETH Zürich                              11
DIE UNTERSCHÄTZTE HORIZONTALE. DAS GESIMS IN KUNST UND ARCHITEKTUR - GRAPHISCHE SAMMLUNG ETH ZÜRICH, RÄMISTRASSE 101
9                                                                                                                                                                                  10
VOM MUSTER ZUM PRODUKT                                                                                                                                                             DAS FUNKTIONALE GESIMS

 Die im späten 15. und vor allem im 16. Jahrhundert       einen späten Versuch dar, der Kommerzialisierung                                                                         Architekten*innen haben sich dem Gesims sowohl aus
 aufkommende Druckgraphik spielte bei der Heraus­         des Bauwesens entgegenzutreten. Visuell reflektie­                                                                       ästhetischer als auch aus funktionaler Sicht angenä­
 bildung eines visuellen Gedächtnisses in Europa sowie    ren die aufeinander gestapelten Gesimse die neue                                                                         hert. So wurde etwa in der Zeichnung von Herman
 bei der Verbreitung einer künstlerischen und architek­   Tendenz hin zu einer Serialisierung und Vorfabrika­                                                                      Spielberg das Gesims nicht nur wegen seiner ästhe­
 tonischen Formensprache eine entscheidende Rolle.        tion des Bauelements. Doch konzeptionell lieferte                                                                        tischen Qualität gewählt, sondern ebenso aufgrund
 Mehr als jedes andere Medium ermöglichte sie eine        die zugehörige Publikation dekorative Vorbilder, die                                                                     seiner Funktion als Regenwassersammler. Ähnlich
 neue Mobilität von Bildern. Mit ihr konnten geografi­    von Hand­werker*innen nachgeahmt werden sollten –                                                                        geht Theodor Fischer vor, wenn er das Gesimse als
 sche, zeitliche, ja gar mediale Distanzen überbrückt     eine Reminiszenz an die alten Musterbücher, die einst                                                                    idealen Ort bestimmt um einer Glühbirne eine archi­
 werden. Dies führte – gemeinsam mit den gelegentli­      in ganz Europa verbreitet waren. Indem sie den Ein­                                                                      tektonische Fassung zu verleihen, damit sie von einem
 chen Reisen der Kunstschaffenden – zu einem Transfer     fluss des Architekt*innen wieder in die Produktions­                                                                     diskreten Platz aus ihr Licht ausstrahlt. Diese Überla­
 der Darstellungskonventionen wie auch zu einem Wis­      kette der industriell gefertigten Gesimse und anderer                                                                    gerung von ästhetischen und praktischen Qualitäten
 senstransfer. Dies hatte ebenfalls einen Einfluss auf    Details einbrachten, erhofften sich die Herausgeber                                                                      von Gesimsen ist sogar in einigen Architekturentwür­
 die Verbreitung der Formensprache der Renaissance-­      des Buches den Erhalt eines qualitätsvolleren gestal­                                                                    fen von Le ­Corbusier zu entdecken, der zumindest
 Architektur mit ihren typischen Gesimsen. Bald tauch­    terischen Standards.                                                                                                     theoretisch das Gesims als irrelevant abqualifizierte,
 ten solche Elemente nicht nur im Süden sondern auch                                                                                                                               da es in modernen Konstruktionsweisen nicht mehr
 im Norden in Drucken auf (und davon ausgehend                                                                                                                                     nötig sei. Trotzdem hielt er in einigen Entwürfen daran
 wiederum in gebauter Architektur), allerdings eher                                                                                                                                fest. So zum Beispiel bei der Villa Schwob, wo er das
 als Anregung für innovative Entwicklungen, denn                                                                                                                                   Gesims dazu einsetzte, die Fassade in seinem Sinne
 als buchstabengetreue Übernahme der klassischen                                                                                                                                   zu gestalten, ihm dabei jedoch eine rein ästhetische
 Regeln. So veränderten zum Beispiel deutschsprachige                                                                                                                              Verwendung absprach. Während das Gesims nämlich
 Handwerker*innen und Künstler*innen die klassischen                                                                                                                               die Anmutung seiner Fassade aufwertete, wurde es
 Details und trans­formierten sie in eigenwillige, lan­                                                                                                                            gleichzeitig zu einer Sitzbank, welche die Verwendung
 destypische Interpretationen. Die Eisen­radierungen                                                                                                                               in seinem Entwurf als funktionales Element recht­
 von Daniel Hopfer aus Augsburg und das Muster­                                                                                                                                    fertigte.
 buch des in Strassburg und Stuttgart tätigen Wendel
­Dietterlin sind wichtige Beispiele dafür. Die beiden                                                                                                                              Das Foto aus Le Corbusiers modernistischem Mani­
 Möbelstücke aus dem Landesmuseum illustrieren das                                                                                                                                 fest Vers une Architecture (1923), das Michelangelos
 für Nordeuropa typische ambivalente und lockere Ver­                                                                                                                              Gesimse an der Rückseite des Petersdoms in Rom
 hältnis zwischen der freien Verwendung von Gesimsen                                                                                                                               zeigt, ist Teil eines weiteren visuellen Arguments, mit
 für alle möglichen handwerklichen Anwendungen und                                                                                                                                 dem der Architekt seine Zeitgenossen dazu auffor­
 den aus Italien übernommenen kanonischen Regeln                                                                                                                                   derte, die Architektur nicht länger in chronologischen
 der klassischen Architektur.                                                                                                                                                      historischen Stilen zu denken. Michelangelos Gesimse
                                                                                                                  Daniel Hopfer (um 1470–1536), Ornamentstich mit W­ aschschrank   und andere Bilder aus der griechischen Antike und
Mit dem Durchbruch der Industrialisierung im 19. Jahr­                                                            und zwei Waschbassins, aus «Opera Hopferiana [...]»,1505–1536    dem Rom der Renaissance bringen die Chronologie
                                                                                                                  Eisenradierung, Metzger III/V
hundert wurden die alten handgezeichneten und                                                                     Herausgeber: David Funck, Abzug 1684                             zum Einsturz und verbinden das Dekorative mit dem
gedruckten Musterbücher, die Gesimsvorlagen zur                                                                   Graphische Sammlung ETH Zürich                                   Funktionalen und Technologischen, indem sie Bildern
freien Nachahmung durch Handwerker*innen zur Ver­                                                                                                                                  aus der modernen Welt wie Flugzeugen, Autos und
fügung stellten, zunehmend von Katalogen abgelöst,                                                                                                                                 Ozeandampfern, gegenübergestellt werden.
in denen die Gesimse direkt von Firmen zum Verkauf
angeboten wurden. Durch diese Veränderungen in
der Druck- und Bautechnologie verloren die Gesimse
als reproduzierbare Muster zwar an Bedeutung, wur­
den ab dann aber zu urheberrechtlich geschützten
Produkten. In den Katalogen von George Jackson &
Sons, Chicago Decorative Supply Co. und Daniel
D. Badger‘s Eisengiesserei wurden Gesimse in den
verschiedensten Stilen und Materialien den Kunden­
wünschen entsprechend als Fertigteile zum Verkauf
angeboten. Johann Mathäus Mauchs Kupferstich
für das Buch Vorbilder für Handwerker und Fabrikan-
ten (1821–1837) nach einem Entwurf des berühmten
preussischen Architekten Karl Friedrich Schinkel stellt                                                    12                                                                                                                         13
DIE UNTERSCHÄTZTE HORIZONTALE. DAS GESIMS IN KUNST UND ARCHITEKTUR - GRAPHISCHE SAMMLUNG ETH ZÜRICH, RÄMISTRASSE 101
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DAS GESIMS ALS BILD                                                                                               DAS GESIMS ALS ZEICHEN

Gesimse lassen sich am besten im Profil oder im          Herzog & de Meuron das Ricola Lagerhaus Ende             Während der Moderne zumindest theoretisch ver­
Schnitt verstehen. In diesen Darstellungen erschei­      der 1980er-Jahren entwarfen, stellten sie visuelle       bannt, kehrte das Gesims in den 1970er Jahren im
nen sie endlich und begrenzt. In der Ansicht von vorne   Bezüge zur Tradition her, gesägtes Holz zu stapeln,      Zuge der Postmoderne mit aller Macht zurück. Post­
jedoch, also im Aufriss, wirken sie völlig anders: Sie   so wie es in den zahlreichen Sägewerken in der Nähe      moderne Architekt*innen lehnten die in ihren Augen
fallen optisch auf eine Ebene zusammen, verlieren ihre   des Gebäudes gemacht wird. Ebenso schufen sie eine       sterile, internationale moderne Architektur ab und
Körperlichkeit und werden zu grafischen Bildern ihrer    Referenz zur horizontalen Schichtung des Kalkstein­      blickten stattdessen auf die klassische europäische
selbst, die sich horizontal potenziell ins Unendliche    bruchs, demgegenüber das Lagerhaus zu stehen kam.        Baukunst zurück, welche sie bewusst (und zugleich
ausdehnen. Diese langgezogene Ansicht des Gesim­         In direkter Nachbarschaft mit Tathams Zeichnung und      spielerisch) in ihre Arbeit integrierten. Infolgedessen
ses war vom 16. bis zum 20. Jahrhundert immer wieder     vor dem Hintergrund des Themas Gesims scheint der        taucht das Gesims in ihren Entwürfen als kraftvolle
Thema. In Innenräumen wurden Gesimse auf flache          Entwurf für die Ricola-Fassade dieses architektonische   kompositionelle Verzierung, als ironisches Statement,
Wände gemalt, um deren grosse Flächen – ähnlich          Element über die gesamte Gebäudehöhe zu verviel­         als Kritik an der historischen Architektur und manch­
wie in antiken pompejanischen Wanddekorationen –         fältigen und die vermeintliche Hierarchie zu unterlau­   mal sogar als Mittel des persönlichen und individuel­      Ordinary Architecture (Charles Holland and Elly Ward),
zu unterteilen. Mit den Fortschritten der industriel­    fen, mit der das Gesims als privilegierter, krönender    len Ausdrucks auf. Die digitale CAD -­Zeichnung des        Essex Coast Cornice, Axonometrische ­Zeichnung, deren
                                                                                                                                                                             Umriss der Küstenlinie in Essex (GB), entspricht, 2016
len Produktion im 19. Jahrhundert wurden Gesimse         Abschluss der Fassade etabliert wurde.                   britischen Architekturbüros Ordinary Architecture         ­C AD-Zeichnung
nicht mehr von Hand gemalt, sondern auf Tapeten                                                                   (Charles Holland & Elly Ward) hingegen stellt den          © Ordinary Architecture (Charles Holland and Elly Ward)
gedruckt und einschliesslich der optischen Illusion                                                               provokanten Versuch einer kritischen Neuinterpre­
eines Schattens direkt auf die Wände geklebt. Die                                                                 tation des Gesimses dar. Ihr Gesimsprofil lässt eine
Bordüre von 1810 eines anonymen Künstlers ist ein                                                                 Darstellungstradition aus früheren Jahrhunderten
gutes Beispiel für ein derartiges Versatzstück einer                                                              anklingen, als zum Beispiel Jacques-François ­Blondel
Scheinarchitektur.                                                                                                das Gesims mit dem Profil eines menschlichen Kopfes
                                                                                                                  überlagerte. Doch statt einer Bezugnahme auf das
Die horizontale Ebene, welche das Gesims in der                                                                   Anthropomorphe, stellen die Architekt*innen nun
Ansicht erzeugt, wird auch als Element zur Fassa­                                                                 einen starken Bezug zu ihrem Wohnort und damit
denkomposition verwendet, um einen Bezug zum                                                                      zu ihrer Biographie her: Das Profil des Gesims folgt
menschlichen Massstab herzustellen. So zeigt Charles                                                              dem Umriss der Küste in ihrem Heimatland England.
Heathcote Tathams seltsam modernes Beispiel aus                                                                   Dadurch widerspiegelt der Entwurf das territoriale
dem 18. Jahrhundert eine reduzierte Fassade, in der                                                               Interesse der Architekt*innen.
das Gesims sowie die Fenster und Türen als grafische
Elemente verwendet werden. Sie dienen nicht zuletzt
dazu, einer ansonsten schmucklosen Wand einen
Massstab zu verleihen. Als die Schweizer Architekten

Herzog & de Meuron, Lagerhaus Ricola (Nr. 038),
Laufen, Schweiz, Projekt 1986, Realisierung 1987,
Nordfassade, Massstab 1:350
Pause vom Originalplan, Überarbeitung mit
Bleistift und Buntstift
Jacques Herzog und Pierre de Meuron Kabinett, Basel                                                        14                                                                                                                          15
DIE UNTERSCHÄTZTE HORIZONTALE. DAS GESIMS IN KUNST UND ARCHITEKTUR - GRAPHISCHE SAMMLUNG ETH ZÜRICH, RÄMISTRASSE 101
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GESIMSE IN FRONTISPIZES                                                                                                       BAROCKE UND GEKRÜMMTE GESIMSE
UND ANDACHTSBILDERN

In Frontispizen – auf grossen Einzelblattdrucken oder                                                                         In der Barockarchitektur des 17. Jahrhunderts wurde
in Auszügen aus Büchern der frühen Neuzeit – werden                                                                           das Gesims zu einem Schlüsselelement des archi­
die Gesimse oft zu einem Teil einer architektonischen                                                                         tektonischen Ausdrucks. Statt lediglich eine Struk­
Miniatur­komposition, die Porträts von Autor*innen,                                                                           tur aus Wänden und Säulen zu krönen, formte und
Mentor*innen oder Künstler*innen umrahmen und                                                                                 definierte das Gesims Fassaden und Innenräume. In
diese huldigen. Wenn sie das tun, krönen sie oft den                                                                          der Nachfolge Michelangelos vervielfältigten und
Horizontalbalken eines klassischen Architektursystems,                                                                        manipulierten Architekten wie Francesco Borromini
das als Fenster zu weiteren Szenen dient: Ein Bild im                                                                         und ­Gian­lorenzo Bernini die Gesimse in alle drei
Bild wird gerahmt. Diese kleinen architektonischen                                                                            Dimensionen. Im Falle Borrominis war das Gesims
Studien entstehen unabhängig von einem bestimmten                                                                             ein Mittel, um eine visuelle und materielle Synthese
Gebäude oder einem Design für ein Gebäude und kön­                                                                            der seiner Architektur zugrunde liegenden Geome­
nen daher – manchmal ziemlich deutlich – von den archi­                                                                       trie zu schaffen. Das S-förmige Gesims im Treppen­
tektonischen und statischen Gesetzen abweichen, wie                                                                           haus des Palazzo di Propaganda Fide (1646) zeigt, wie
sie in der gebauten Umwelt zu gelten haben. Dadurch                                                                           das System der architektonischen Ordnungen dazu
werden sie zu einem Ort der architektonischen Erfin­                                                                          gezwungen wurde, die Höhenversätze im Treppenlauf
dung. In solchen Darstellungen entwickeln Gesimse                                                                             zu überwinden. Auf der Kuppel seiner Kirche Sant‘ Ivo
gleichsam ein Eigenleben.                                                                                                     della Sapienza (1642) wird das Gesims symbolisch
                                                                                                                              eingesetzt und verweist sowohl auf den Turmbau zu
Das Gesims im Kupferstich Maria ihr Kind anbetend in                                                                          Babel als auch auf das Pfingstfest.
Altarrahmung, im Tympanon Christus als Schmerzens­
mann (Anonym) zum Beispiel ist in erster Linie Teil einer                                                                     Dieser barocke Erfindungsreichtum hat zahlreiche
grösseren Komposition und erst in zweiter Linie Archi­                                                                        Kritiker*innen mit Abscheu erfüllt und trug zur all­
tektur. Das Gesims, der Rundbogen und die Pilaster                                                                            gemeinen Ablehnung der Barock- und Rokokoarchi­
sind alle reich mit Ornamenten versetzt und die ver­                                                                          tektur ab dem späten 17. Jahrhundert bei. Mit dem
schiedenen Gesteinstypen durch unterschiedliche                                                                               Argument, dass die Form architektonischer Elemente
Schraffuren herausgearbeitet. Sie bilden den Rahmen                                                                           ihren ursprünglichen Zweck widerspiegeln sollte,
um das Andachtsbild und suggerieren einen Perspektiv­                                                                         erachtete man in solchen Kritiken das Gesims als Teil
raum – eine Darstellungsform, die von den illuminierten                                                                       des Gebälks, welches die Verbindung des Balkens mit
Büchern des Mittelalters inspiriert ist. Allerdings wer­      Cherubino Alberti (1553–1615),                                  dem Dach und dessen Lastabtragung auf die Säulen
den die Gesimse hier ebenfalls als Elemente verwendet,        Büste des Giacomo ­Barozzi in Säulenarchitektur, 1583           ausdrücken sollte, wobei ein gebogenes Gesims, das        Pierre-Edmé Babel (1720–1775),
                                                              Kupferstich auf Papier vergé, Bartsch I/III                                                                               Fontaine Décorée à Paris, 1735–1775
auf denen sich kleine Szenen abspielen: im oberen Teil        Herausgeber: Francesco Zanetti                                  keine offensichtliche strukturelle Funktion hat, natür­
                                                                                                                                                                                        Herausgeber: Jacques II Chereau, Paris
befindet sich der Sarkophag mit Jesus als Schmerzens­         Graphische Sammlung ETH Zürich                                  lich einen solchen Zweck verfehlt. Sie beklagten, dass    Sammlung Prof. Maarten Delbeke
mann auf dem Gesims, im unteren Bildteil die Nelken,                                                                          gedruckte Vorlagen diese absurden Erfindungen noch
welche die Passion Christi symbolisieren. Beide Ele­                                                                          befeuerten und kritisierten die Bildhauer*innen und
mente gehören zu den biblischen Szenen, die in den                                                                            Handwerker*innen, welche architektonische Orna­
Bildfeldern darstellt sind. Damit werden die Gesimse                                                                          mente mit einer derart grossen künstlerischen Frei­
zu wichtigen Teilen der sich abspielenden Szenen. Der                                                                         heit ausführten.
Effekt dieser Struktur ist, dass die Gesimse einerseits als
rahmendes Element auftreten, der die ­Betrachter*innen                                                                        Einige dieser barocken Schöpfungen sind auf den hier
von den Szenen distanziert, die einzig von «ausser­                                                                           gezeigten Glasdias festgehalten, die im Lehrarchiv
halb» betrachtet werden können, dass sie jedoch auf                                                                           ehemaliger ETH -Architekturprofessoren wiederent­
der anderen Seite zugleich durch die hergestellten                                                                            deckt wurden. Sie sind zudem auch auf digitalen Foto­
Relationen über die Platzierung des Sarkophags und                                                                            grafien zu sehen, wie sie in heutigen Vorlesungen ver­
der Nelken die Betrachter*innen wieder näher ans Bild                                                                         wendet werden. Sie geben Aufschluss darüber, wie
bringen. Damit werden insbesondere über die Gesimse                                                                           diese erfinderischen, aber umstrittenen Momente der
visuelle Transformationen vom realen Raum zum Bild­                                                                           Architekturgeschichte sowohl damals wie auch heute
raum möglich.                                                                                                                 in der zeitgenössischen Lehre des architektonischen
                                                                                                                              Entwerfens nachwirken.

                                                              Anonym, Maria ihr Kind anbetend in Altarrahmung,
                                                              im ­Tympanon Christus als Schmerzensmann, um 1470–1480
                                                              Kupferstich [Neudruck nach der Platte im British Museum]
                                                              Graphische Sammlung ETH Zürich                             16                                                                                                      17
DIE UNTERSCHÄTZTE HORIZONTALE. DAS GESIMS IN KUNST UND ARCHITEKTUR - GRAPHISCHE SAMMLUNG ETH ZÜRICH, RÄMISTRASSE 101
15                                                                                                                       16
SEMPERS GESIMSE FÜR DAS                                                                                                  DAS GESIMS IM BAU
HAUPTGEBÄUDE DER ETH ZÜRICH

Im Hauptgebäude der ETH Zürich sind wir von                                                                              Das Gesims bildet meist den oberen Abschluss eines
Gesimsprofilen umgeben, auch wenn diese nicht                                                                            Bauabschnittes und ist durch seine Auskragung im
immer auf den ersten Blick auffallen. Eine Sammlung                                                                      Bau entsprechend anspruchsvoll zu erreichen. Um
von Konstruktions­plänen des Architekten Gottfried                                                                       es in Position zu halten, ist daher während seiner
Sempers hebt diese hervor und rückt das Schnittprofil                                                                    Konstruktion ein Gerüst notwendig. Einmal aufge­
des Gesimses auf sehr graphische Weise ins Zentrum                                                                       stellt und mit der Hauptstruktur verbunden, kann die
der Aufmerksamkeit. Diese Zeichnungen zeugen von                                                                         Auskragung eines Gesimses jedoch selbst wieder als
dem hohen Qualitätsanspruch, den Semper und sein                                                                         Gerüst für weitere Konstruktionen dienen. Das Buch
Büro bis hin zur Perfektion kleinster Details bei der                                                                    Contignationes, ac Pontes von Nicolai Zabaglia und
Realisierung des Gebäudes verfolgten. In einigen                                                                         Dominicum Fontana et. al. aus dem Jahr 1743 ver­
Zeichnungen verweisen unterschiedlich übereinan­                                                                         sammelt Gerüstentwürfe verschiedener Autoren, die
der verlaufende, teils ausradierte und neu gezeich­                                                                      als eigenständige Architekturformen erscheinen und
nete Linien auf die gestalterische Suche nach dem                                                                        auf einfallsreiche Weise mit den Schwierigkeiten der
idealen Gesimsprofil. Die Zeichnungen im Massstab                                                                        Gesimskonstruktion umgehen. Ein Stich zeigt eine
1 : 1 stellen dabei die unmittelbare Schnittstelle zur                                                                   Holzbaulösung, welche die Arbeit an einem sich im
konstruktiven Ausführung der Bauteile dar. Dies ver­     Gottfried Semper (1803–1879)                                    Bau befindlichen Gesims ermöglicht, während ein
deutlichen die Einstichlöcher, welche beim schablo­      ETH Zürich, Vestibül, 2. Obergeschoss, Gurt Treppenhaus,        anderer illustriert, wie das Gesims zum Auflager für
                                                         um 1860–1872
nenartigen Übertragen der Konturen auf die Stein­        Planzeichnung in Bleistift und Feder, aquarelliert              eine nachfolgende Gerüstung, beispielsweise eines
blöcke als Grundlage für den Zuschnitt entstanden.       (Nr. 20-0300-448)                                               Gewölbes, wird. In diesem Fall wirkt das Gerüst selbst
Ausgestellt im Gebäude, das sie abbilden, vermitteln     gta Archiv / ETH Zürich                                         wie eine temporäre Erweiterung des Gesimses. Die
die Gesimsdetails zwischen der abstrakten Repräsen­                                                                      Gegenüberstellung dieses Buches mit den Fotos
tation der Architektur in der Zeichnung und der rohen                                                                    von Christiane Pinatel zeigt die Konstruktion von
materiellen Realität der Baustelle.                                                                                      Gesimsen in Relation zum menschlichen Massstab der
                                                                                                                         Arbeiter. Ihre überraschende Massivität erinnert an
                                                                                                                         den Bericht des Architekten Frank Lloyd Wright, der in
                                                                                                                         seinem Essay The Passing of the Cornice aus dem Jahr
                                                                                                                         1931 von einem schweren Unfall berichtet, bei dem         Niccola Zabaglia (1674–1750), Domenico F  ­ ontana
                                                                                                                         ein Gesims, das gerade restauriert wurde, aufgrund       ­(1543–1607) et. al., Contignationes ac pontes […], 1743
                                                                                                                                                                                   Herausgeber: Ex typographia Palladis, escudebant
                                                                                                                         seiner schieren Grösse und seines Gewichts aus seiner     ­Nicolaus et Marcus Palearini […], Rom
                                                                                                                         Verankerung fiel und einen Arbeiter verletzte. Als er      Graphische Sammlung ETH Zürich
                                                                                                                         Zeuge dieser grausamen Szene wurde, war Wright
                                                                                                                         mehr denn je davon überzeugt, dass Gesimse aus der
                                                                                                                         modernen Architektur verbannt werden sollten.

                                                         Gottfried Semper (1803–1879)
                                                         ETH Zürich, Gewände Sturz, Verdachung der Fenster 1. OG,
                                                         um 1860–1864
                                                         Planzeichnung in Bleistift und Feder, aquarelliert
                                                         (Nr. 20-0300-296)
                                                         gta Archiv / ETH Zürich                                    18                                                                                                                       19
17
DAS GESIMS IN DER WAHRNEHMUNG

 Im 18. Jahrhundert erörterten Jacques-François
­Blondel und Johann Georg Sulzer in ihren geschrie­
 benen und gezeichneten Abhandlungen, wie Gesimse
 auf den Betrachter wirken sollten. Durch eine sorgfäl­
 tige Komposition und Ausgestaltung der Gesimse an
 der Fassade sollten die Augen der ­Betrachter*innen
 erfreut werden. Im 1926 erschienen Buch The Theory
 of Mouldings von Howard ­Walker wird die ange­
 messene Verwendung von Gesimsprofilen akribisch
 genau aus der Perspektive der Betrachter*innen sowie
 deren Physiologie erörtert. Dies erfolgt nun in der
 Sprache der Wahrnehmungspsychologie (Theorie der
 Raumgestaltung), die ab der Mitte des neunzehnten
 Jahrhunderts entwickelt wurde. Anhand von Schema­
 zeichnungen erläutert Walker, dass das Gesims oft
 den krönenden Abschluss eines Gebäudes darstelle.
 Das Gesims vermag die Wahrnehmung der Betrach­
 ter*innen zu lenken. Seine Winkel und Profile lassen
 sich in Bezug zu deren schweifenden Blicken konzi­
 pieren, da die konkaven und konvexen Formen das          Howard Charles Walker (1857–1936),
 Auge mit optischen Illusionen manipulieren. So kann      The Theory of ­M ouldings, 1926
                                                          Verlag: J. H. Jansen, Cleveland
 zum Beispiel die Grösse eines Gesimses ein Indikator     Sammlung Professur Maarten Delbeke
 für seine Wirkungskraft sein. Je grösser der Massstab,
 desto weniger architektonische Details benötigt das
 Gesims.

Nach Walker besteht der primäre Zweck von Gesims­
profilen darin, die realen strukturellen Gegebenheiten
abzubilden und zu akzentuieren. Der sekundäre Zweck
ist die Erzeugung von harmonischen Licht- und Schat­
teneffekten, wobei dafür keine Methode so zufrieden­
stellend ist wie eine Gestaltung der Gesimsprofile mit
einem gesichtsähnlichen, anthropomorphen Charak­
ter. Diese ideale Physiognomie sollte in der gesamten
Komposition eingehalten werden, indem horizontale
Gesimse in parallelen Ebenen angeordnet werden.
«Wenn er [der Gestalter] diese Aspekte im Hinterkopf
hat», sagt Walker, «wird er zu dem Schluss kommen,
dass Profile ehrenwerte Dinge sind, die nicht leicht­
fertig gehandhabt oder blindlings kopiert werden
sollten.»

                                                                                               20
WERKLISTE                                                                                                                                  Iain Hales (geb. 1977)                          Utagawa Andô Hiroshige Ichiryûsai           6
                                                                                                                                           Gesims, 2013–14                                 ­(1797–1858)                                GESIMSFRAGMENTE DER
                                                                                                                                           Expandiertes Polystyrol, quadraxiales            Nachtansicht der Saruwakastrasse, aus      ANTIKEN RUINEN
                                                                                                                                           Fiberglas, pigmentierter Jesmonite-­             der Serie «Hundert berühmte Ansichten
                                                                                                                                           Verbundwerkstoff, Zement                         von Edo» (Meisho Edo hyakkei), Japan,      Pascal Coste (1787–1879)
1                                             Ludger Gerdes (1954–2008)                       Le Corbusier (1887–1965)                     © Iain Hales                                     Edo-Zeit, 9. Monat 1858                    Le Palais de Darius a Perseopolis,
DAS GESIMS IN DER KRISE                       Paralipomena, 2010                              Vers une architecture, 1923 [?]                                                               Holzdruck                                  um 1840
                                              Verlag der Buchhandlung Walther König,          Herausgeber: Les Editions G. Crès et Cie.,   Chaletbau Matti Holzbau AG                       Museum Rietberg Zürich                     Feder, Aquarelltusche und Goldtusche
Giovanni Battista Piranesi (1720–1778)        Köln                                            Paris                                        Bundverzierung, um 2010                          Geschenk Julius Mueller                    auf Büttenpapier
Ansicht des Palazzo Farnese, Blatt der        Zürcher Hochschule der Künste ZHdK              Graphische Sammlung ETH Zürich               Fichte, Bearbeitung mit CNC und                                                             Drawing Matter Collections (UK)
Folge «Ansichten von Rom», 1773               Medien- und Informationszentrum                                                              ­O berfräse, von Hand geschliffen               Ludwig Mies van der Rohe (1886–1969)
Radierung auf Papier vergé, Hind I / III                                                      Deutscher Werkbund                            Chaletbau Matti Holzbau AG, Gstaad             Mansion House Project, um 1981–1986         Gottfried Semper (1803–1879)
Graphische Sammlung ETH Zürich                Christian Ludwig Stieglitz (1756–1836)          Jahrbuch des Deutschen Werkbundes,                                                           Photomontage                                Détails de l‘Intérieur du péristil du temple
                                              Plans ed dessins tirés de la bellle architec­   1913                                                                                         Drawing Matter Collections (UK)             de Thésé à Athène, o. D.
 Anonym (Formschneider), Schule:              ture our représentation d‘édifices exécu­       ETH-Bibliothek Zürich                                                                                                                    Probedruck der Bildtafel Nr. 2, aus:
 Deutsch                                      tés où projettés en CXV planches avec les                                                    3                                               Joannes van Doetecum (d. Ä.) (gest. 1605)   «Der Stil in den technischen und tektoni­
 Vilerley Gesims der Cornizen / Frysen und    explications nécessaires, 1801                  Joseph Michael Gandy (1771–1843)             DIE TEKTONIK DES GESIMSES                       und Lucas van Doetecum                      schen Künsten oder Praktische Ästhetik»,
 Architraben. Die erste Tafel, 1501–1600      Herausgeber: A. Dulau, London                   Tempel des Jupiter Tonans, Rom                                                               (gest. 1575 / 1589), nach Hans Vredeman     ­Frankfurt a. M. / München 1860–1863
 Holzschnitt, Mehrplattendruck                ETH-Bibliothek Zürich                           (Detail des Hauptgesimses), 1796             Louis-Émile Durandelle (1839–1917)             de Vries                                     (Nr. 20-0163-110A)
 Herzog Anton-Ulrich-Museum Braun­                                                            Coloured Drawing                             Charles Garnier, Frise et corniche de la        Ansicht einer aufsteigenden Strasse zu       gta Archiv / ETH Zürich
 schweig, Kunstmuseum des Landes              Frank Lloyd Wright (1867–1959)                  RIBA Collections                             scène, 1875 oder früher Albumindruck            einem zweitürmigen Gebäude hin,
­Niedersachsen                                Modern architecture–being the Kahn                                                           Canadian Centre for Architecture                Blatt der Folge «Kleine perspektivische     Eugène-Emmanuel Viollet-le-Duc
                                              ­lectures for 1930                                                                           (The CCA), Montreal                             Architekturansichten», 1562                 ­(1814–1879)
Nicolas Beatrizet (um 1507 / 1515–nach         Chapter Passing of the Cornice                                                                                                              Radierung auf Papier vergé, NHD II / II      Entretiens sur l‘architecture, 1863–1872
1577), nach Michelangelo                       Herausgeber: Princeton University Press,       2                                             Johann Mathäus Mauch (1792–1856)               Graphische Sammlung ETH Zürich               Blatt aus Atlas
Titius wird von einem Geier gefressen,         New Jersey                                     DER STOFFWECHSEL DES GESIMSES                 Neue systematische Darstellung der                                                          Herausgeber: Morel, Paris (2 Bände +
1540–1565                                      ETH-Bibliothek Zürich                                                                        architektonischen Ordnungen der                                                             Atlas)
Kupferstich, III / IV                                                                         Anonym                                        ­Griechen, Römer und neuern Baumeister;                                                     ETH-Bibliothek Zürich
Herausgeber: Giovanni Giacomo de Rossi        Richard Cahan                                   Buddha-Kopf mit zwei Adorantenbüsten.          P. 112–113; Construction of the Palazzo       5
Graphische Sammlung ETH Zürich                They all fall down: Richard Nickel‘s strug­     Pakistan, Gandhara, 4. / 5. Jh.                Strozzi, 1845                                 DAS GESIMS ALS BÜHNE                        Gottfried Semper (1803–1879)
                                              gle to save America‘s Architecture, 1994        Grauer Schiefer                                Herausgeber: Verlag von Ferdinand                                                         Entablement restauré du Parthenon
Pietro Santi Bartoli (1635–1700), nach        The Preservation Press, National Trust for      Museum Rietberg Zürich                       ­Riegel, Potsdam                                Marco Dente (1486 / 1500–1527),             ­d ‘Athène, um 1832
­Giulio Romanos Fresken in der Sala dei       Historic Preservation                           Dauerleihgabe Werner Coninx Stiftung           ETH-Bibliothek Zürich                         nach ­Raffael                                Aquarellvorlage für Abbildung Nr. V,
 Giganti im Palazzo Te in Mantua              Sammlung Professur Maarten Delbeke                                                                                                           Borgobrand, 1610                             aus: «Die Anwendung der Farben in der
 Giganten werden von den Trümmern des                                                         Anonym                                       Constantin Uhde (1836–1905)                     Kupferstich, dubliert [später Zustand mit    Architektur und Plastik», Dresden 1836
 Tempels getroffen, um 1680                   Richard Nickel Archiv, Ryerson and              Corniche modillonnaire. Assise 16.           Die Konstruktion und die Kunstformen            Adresse von Giovanni Giacomo de Rossi]       gta Archiv / ETH Zürich
 Radierung auf Papier vergé, I / I [?]        ­Burnham Art and Architecture Archives          ­Mausolées d’En Chaplix d’Avenche, o. D.     der Architektur, Band 1, 1902                   Graphische Sammlung ETH Zürich
Graphische Sammlung ETH Zürich                 Börse von Adler & Sullivan in Chicago,          Steinfragment                               Herausgeber: Ernst Wasmuth, Berlin                                                           Giovanni Battista Piranesi (1720–1778)
                                               Entfernung eines Terracotta-Gesimses,           Site et Musée romains d‘Avenches            ETH-Bibliothek Zürich                           Marcantonio Raimondi                         De Romanorum magnificentia et
Le Corbusier (1887–1965)                       1971                                                                                                                                        (um 1470 / 1482 – um 1527 / 1534),          ­architectura, 1761
Maison Dom-Ino, Sans lieu, 1914                Reproduktion                                   Anonym                                                                                       nach Raffael                                 Herausgegeben in Rom
Planzeichnung in Bleistift und Feder,          The Art Institute of Chicago                   Profilhobel, o. D.                                                                           Martyrium der Heiligen Cäcilia,              ETH-Bibliothek Zürich
nicht signiert                                                                                Ballenberg–Freilichtmuseum der Schweiz       4                                               um 1520–1525
Fondation Le Corbusier, Paris                 Richard Nickel Archiv, Ryerson and                                                           DAS GESIMS IN                                   Kupferstich, dubliert                        Jacques Ignace Hittorff (1792–1867)
                                              ­Burnham Art and Architecture Archives          Chaletbau Matti Holzbau AG                   DER STADTPERSPEKTIVE                            Graphische Sammlung ETH Zürich               Restitution du Temple d Empedocle
Francesco di Giorgio Martini (1439–1501)       Schiller-Gebäude von Adler & Sullivan,         Holzgesims, 19. Jh.                                                                                                                       a Selinonte, 1851
Trattato di architettura, ms., 1480            Sicht auf Obergeschosse und Kuppel mit         Eiche, profiliert und geschnitzt             Anonym, nach Donato Bramante                    Shrihathi Ragini                             Herausgeber: librairie de Firmin Didot
Firenze, Biblioteca Nazionale Centrale,        entferntem Gesims, 1961                        Chaletbau Matti Holzbau AG, Gstaad           Strassenzug flankiert von Gebäuden,             Folio aus einer Ragamala-Serie. Indien,     ­f rères, Paris
Fondo Nazionale, II.I. 141                     Reproduktion                                                                                Kolonnaden und Torbogen, um 1490 [?]            Pahari-Gebiet, Bilaspur oder Chamba,         ETH-Bibliothek Zürich
Su concessione del Ministero della             The Art Institute of Chicago                   Anonym                                       Kupferstich, Hind 2a (I) [Zweite seiten­        1730–1740
­Cultura / Biblioteca Nazionale Centrale                                                      Eckgesimskachel eines Kachelofens            verkehrte Version]                              Pigmentmalerei mit Gold auf Papier          Georges Perrot (1832–1914) und
 di Firenze                                   Richard Nickel Archiv, Ryerson and              aus Keramik, o. D.                           Graphische Sammlung ETH Zürich                  Museum Rietberg Zürich, Sammlung            Charles Chipiez (1835–1901)
                                              ­Burnham Art and Architecture Archives          Keramik                                                                                      Horst Metzger, Geschenk Horst Metzger       Histoire de l‘art dans l‘antiquité,
Diego Prévost Sagredo (1490–1528)              Schiller-Gebäude von Adler & Sullivan,         Denkmal Stiftung Thurgau                     Domenico Maria Bonaveri (1704 erwähnt),                                                     Band 5, 1890
Raison d‘architecture antique extraicte de     Demolierung des Gesimses in der                Historsiches Bauteillager Ostschweiz         nach Ferdinando Galli Bibiena                   Albrecht Dürer (1471–1528)                  Herausgeber: Hachette, Paris
Vitruve & autres anciens architecteurs,        13. Etage, 1961                                                                             Bühnenbild, 1700–1750                           Mariens Tempelgang, Blatt 6 der Folge       ETH-Bibliothek Zürich
1555                                           Reproduktion                                                                                Radierung auf Papier vergé, I / I               «Das Marienleben», um 1503
Herausgeber: [durch Benoist Prévost],          The Art Institute of Chicago                   Ordinary Architecture (Charles Holland       Graphische Sammlung ETH Zürich                  Holzschnitt auf Papier vergé, Meder f-g,    Constantin Uhde (1836–1905)
Paris                                                                                         and Elly Ward)                                                                               Ausgabe ohne Text                           Die Konstruktion und die Kunstformen
                                              Richard Nickel Archiv, Ryerson and              Cornwall, aus der Cornice Coastline          Giovanni Battista Piranesi (1720–1778)          Graphische Sammlung ETH Zürich              der Architektur, Band 3, 1902
Jacques-François Blondel (1705–1774)          ­Burnham Art and Architecture Archives          Serie, 2016                                  Ansicht des Palazzo Odescalchi, Blatt der                                                   Herausgeber: Ernst Wasmuth, Berlin
Cours d‘architecture, ou traité de la déco­    Schiller-Gebäude von Adler & Sullivan,         Drahtgeschnittenes Polystyrol mit            Folge «Ansichten von Rom», 1753                 Pablo Picasso (1881–1973), nach Lukas       ETH-Bibliothek Zürich
ration, distribution et construction des       John Vinci auf einem Fragment eines            ­Sprühgips überzogen, zweifarbig             Radierung auf Papier vergé, Hind II / V         Cranach (d. Ä.)
bâtiments: contenant les leçons données        Ornaments eines Gesimses liegend, 1961          © Ordinary Architecture (Charles Holland    Graphische Sammlung ETH Zürich                  David et Bethsabée, 30.3.1947               Johann Baptist Marzohl (1792–1863)
en 1750, & les années suivantes, par           Reproduktion                                    and Elly Ward)                                                                              Zinkographie auf Velin d‘Arches, Mourlot    Forum Romanum, um 1810–1863
J. F. Blondel, Architecte, dans son Ecole      The Art Institute of Chicago                                                                Friedrich Ohmann (1858–1927)                    II / XI                                     Aquarell und Bleistift auf Velin
des Arts, 6 Bände (Band 1, erschienen                                                         Giovanni Gaspare Pedoni                      Projekt für das Stadtmuseum, Wien, 1903         Graphische Sammlung ETH Zürich              Graphische Sammlung ETH Zürich
1771), 1771–1777                              Andreas Buschmann (geb. 1974)                   Camina Cremona, Palazzo Comunale             Tinte, Bleistift und Zeichenstift auf Papier,
Herausgeber: chez Desaint, Paris              Frank Lloyd Wright, Home and Studio             Municipale, Cremona (Fragment)               auf einem Karton mit Goldrand montiert           Giuseppe Galli Bibiena (1696–1756)
ETH-Bibliothek Zürich                         in Oak Park, Illinois, 2016                     erworben für Landi 1883                      Drawing Matter Collections (UK)                  Bühnenbildentwurf: «Scena per angolo»,
                                              Reproduktion                                    Gipsabguss                                                                                    1700 – 1750 [recto und verso]
                                              © Andreas Buschmann                             Archäologische Sammlung der Universität                                                       Feder in Braun, braun laviert über
                                                                                              Zürich, Inv. G N 121                                                                         ­K reidevorzeichnung
                                                                                                                                22                                                          Graphische Sammlung ETH Zürich                                                       23
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