Die Vogellebensräume Tirols und ihre Charakterarten

Die Seite wird erstellt Caroline Mohr
 
WEITER LESEN
Die Vogellebensräume Tirols und ihre Charakterarten
Die Vogellebensräume Tirols und ihre Charakterarten
                                                        Armin Landmann
Einführung:
Die Natur kennt keine festen Grenzen. So stellen auch die einzelnen Ökosysteme einer Landschaft letztendlich ein Kontinuum dar, mit
fließenden Übergängen zwischen den einzelnen Teilbereichen: Siedlungen gehen etwa über Obstwiesen unscharf in die Kulturlandschaft
über, diese selbst ist über Hecken und Feldgehölze nicht immer klar vom Wald getrennt und so weiter. Auch innerhalb einzelner
Lebensraumtypen, wie etwa im Wald, sind kleinräumige Mosaike und Übergänge zwischen Untertypen normal. Zudem gibt es gerade im
Gebirgsraum je nach Höhenlage, Exposition, oder menschlicher Nutzung von Flächen auch große Unterschiede in der Struktur und
vogelkundlichen Ausstattung einzelnen Biotoptypen. Auch Fichtenwald ist nicht immer gleich Fichtenwald! Gerade mobile Lebewesen
wie die Gefiederten verknüpfen einzelne Landschaftsteile und Biotope im wahrsten Wortsinn in “fliegendem Wechsel“: räumlich und
saisonal.
Eine formale, strikte Abgrenzung von Hauptlebensräumen und eine exklusive Zuordnung einzelner Vogelarten zu diesen Bereichen ist
daher immer problematisch und bleibt z.T. auch subjektiv. Für eine erste Übersicht und ein basales Verständnis der ökologischen
Besonderheiten eines Landes und v.a. auch als Orientierungshilfe für den gebietsfremden Ornithologen und Vogelfreund scheint mir
aber der Versuch einer Einteilung wertvoll und gerechtfertigt.
Die nachfolgende Unterteilung Tirols aus vogelkundlich-ökologischer Sicht in 11 Haupt- oder Großlebensräume und die Zuordnung
wichtiger, v.a. jeweils dafür „tiroltypischer“ Vogelarten, beruht überwiegend auf eigenen fast 40jährigen Erfahrungen im ganzen Land.
Wichtige ergänzende Daten und Informationen finden sind u.a in den nachstehend aufgelisteten größeren Übersichtsarbeiten.

Definitionen:
„Tiroler„: Für den jeweiligen Großlebensraum besonders typische Charakterarten. Als „Tiroler“ gelistet sind aber nur jene Arten, von
denen das Bundesland Tirol in Relation zu seinem Flächenanteil (15%) einen (wahrscheinlich) überproportional großen (mindestens >
20%) Anteil der österreichischen Gesamtpopulation hält oder/und für die Art besonders typisch ausgeprägte Habitate beherbergt.
„Charaktere“: Weitere für den jeweiligen Lebensraum besonders typische Charakterarten, die (zumindest in Tirol) dort entweder
ausschließlich oder mit einem erheblichen Teil ihrer regionalen Populationen brüten und/oder in geeigneten Habitaten des
Lebensraumtyps mit vergleichsweise höchster Stetigkeit anzutreffen sind.
„Liebhaber“: Weitere Arten, die für geeignete Habitate des Lebensraumtyps typisch und/oder dort regelmäßig anzutreffen sind, in einem
anderen Großlebensraum aber (wahrscheinlich) noch größere Anteile ihrer Tiroler Brutpopulation haben.
Die Vogellebensräume Tirols und ihre Charakterarten
„Hotspots“: Eine Auswahl besonders repräsentativer Beispiele für den jeweiligen Großlebensraum. Ausgewählt wurden Areale mit
vielfältiger, spezifischer Vogelfauna und mit bekannten Vorkommen zumindest einzelner der genannten Charakterarten. Bevorzugt
genannt sind Gebiete im Bereich wichtiger Schutzgebiete oder einigermaßen leicht zugängliche Areale.
Nicht extra angeführt sind unter den Großlebensräumen Fichtenforste der tieferen bis mittleren Lagen, die in Tirol größere Flächen
einnehmen. Unter den Tiroler Brutvögeln meist nicht kategorisiert sind viele der allgemein häufigen, ubiquistische Arten, wie z.B. Amsel,
Zilpzalp, Zaunkönig, Haussperling, Rabenkrähe, die meisten Meisen und Finken. Ebenfalls nicht klassifiziert sind einige nur lokal und
meist selten zu beobachtende (brütende) Arten, vor allem wenn sie für Tirol nicht besonders typisch sind (z.B. Graureiher, Reiherente,
Hohltaube, Ziegenmelker, Eisvogel, Wiesenpieper, Nachtigall, Kernbeißer u.a.).

Übersichtsarbeiten:
BODENSTEIN, G. (1985): Über die Vogelwelt des Gurgltals, Nordtirol. - Monticola 5, Sh.: 1-144.
DVORAK, M. (2009, Hrsg.): Important Bird Areas – die wichtigsten Gebiete für den Vogelschutz in Österreich. Wien, 576 pp.
DVORAK, M., RANNER, A. & H.M. BERG (1993): Atlas der Brutvögel Österreichs. - UBA, Wien, 522 pp.
GSCHWANDTNER, W. (2008): Vögel über 1500 m Seehöhe („Bergvögel“) in Nordtirol, Österreich. Artenspektrum – oberste Verbreitungsgrenzen
– Jahresbeobachtungen. Monticola 10, Sh.: 3-48.
GSTADER, W. (1973): Jahresdynamik der Avifauna des südwestlichen Innsbrucker Mittelgebirges. - Monticola 3, Sh.: 1-68.
GSTADER, W. (2002): Zur Avifauna des Gschnitzals (Tirol/Österreich). Monticola 9: 1-130.
LANDMANN, A: (1987): Ökologie synanthroper Vogelgemeinschaften: Struktur, Raumnutzung und Jahresdynamik der Avizönosen. Biologie und
   Ökologie ausgewählter Arten. Diss. Univ. Innsbruck: 307 pp.
LANDMANN, A. (1990): Die Vogelwelt Österreichs - eine Übersicht.- Pädagogisches Institut des Bundes in Vorarlberg: 81 pp.
LANDMANN, A. & C. BÖHM (1993): Verbreitungs- und Häufigkeitsmuster von Wirbeltieren im Tiroler Lechtal. Band I - Hauptteil 150 pp. Band II -
   Verbreitungskarten und Übersichtstabellen 122 pp. Regionalstudie Lech-Außerfern. BM für Land- & Forstwirtschaft & Tiroler Landesregierung.
LANDMANN, A. & C. BÖHM (2007): Von der Regionalstudie zum lokalen Erlebnispfad: Vogelwelt und Vogelpädagogik im Flusstal des Tiroler Lech.
   Proc. Internat. Life Symposium Riverine Landscapes - Natur in Tirol 13: 56-73.
LANDMANN A. & R. LENTNER (2001): Die Brutvögel Tirols. Bestand, Gefährdung Schutz und Rote Liste.- Ber. nat. med. Ver. Innsbruck 87 – Suppl. 14:
   1-182. Innsbruck.
LENTNER, R. & A. LANDMANN (1994): Vogelwelt und Struktur der Kulturlandschaft: räumliche und saisonale Muster.- Ber. nat. med Ver. Innsbruck,
   Suppl.12: 1-130.
MORITZ, D. & A. BACHLER (2001): Die Brutvögel Osttirols –ein kommentierter Verbreitungsatlas. Lienz, 277pp.
STECHER, C. (1994): Zur Struktur von Vogelgemeinschaften im Krummholzgürtel der nördlichen Kalkalpen. - Diplomarbeit Univ. Innsbruck 117 pp.

Fotonachweis: A.Aichhorn (3), Ch. Böhm (2), P. Bucher (1), M. Loner (5), C. Kollinsky (1), A. Landmann (10), E.Thaler (1), N. Winding (1)
Die Vogellebensräume Tirols und ihre Charakterarten
Siedlungsraum
Ob in der Zentrumsstadt der Alpen, Innsbruck, ob im sonnig-kleinstädtischen
südalpinen Lienz, ob in den noch urigen Bauerndörfern der Mittelgebirge und
Seitentäler, ob in alten Handelsniederlassungen an Passstraßen, wie in
Nauders am Reschen oder in alpinen Hotelsiedlungen, wie Obergurgl oder
Kühtai: auch der Tiroler Siedlungsraum hat seine vogelkundlichen Reize und
Besonderheiten!
Wo sonst sind ähnlich bequem, sozusagen von der warmen Stube aus,
typische Alpenarten wie die Alpendohle (im Winter bis 1000 in Innsbruck),
vereinzelt Mauerläufer an Stadttürmen und Burgfelsen (z.B. im Winter in der
Altstadt Innsbrucks, an den Festungsmauern Kufsteins), Alpenbraunellen am
Futterbrett (z.B. Dörfer des Innsbrucker Mittelgebirges), Tannenhäher bei der
Haselnussernte im Hausgarten (Innsbruck, Dorfgärten der Mittelgebirge),
Birkenzeisige am Nest (z.B. Friedhöfe Innsbrucks) oder gar Hausbruten von
Schneefinken (Skidörfer der Zentralalpen) oder Felsenschwalben (brütend in
vielen Dörfern v.a. der Zentralalpen und Osttirols), zu beobachten?
In Siedlungen am Alpenhauptkamm lohnt es sich außerdem, Spatzen näher
zu betrachten: denn v.a. zwischen dem Brenner- und Reschengebiet gibt es
auch Italiensperlinge und Hybriden mit dem Haussperling.                        Bäuerliche Dorfidylle: Rinn bei Innsbruck

                                 „Tiroler“
                     Italiensperling, Gartenrotschwanz
                              „Charaktere“
      Mauersegler, Mehlschwalbe, Rauchschwalbe, Hausrotschwanz
        Gartenbaumläufer, Stieglitz, Girlitz, Star, Turmdohle, u.a.
                               „Liebhaber“
     Turmfalke, Felsenschwalbe, Wacholderdrossel, Sumpfmeise, Elster
  (v.a. als Gäste: Birkenzeisig, Schneesperling, Alpendohle, Tannenhäher)
                                „Hotspots“
                          Städte: Innsbruck, Lienz
            Dörfer: z.B. Pfunds, Nauders, Obergurgl, Oberlienz
Die Vogellebensräume Tirols und ihre Charakterarten
Kulturlandschaften der Nordalpen
Die Kulturlandschaften der Talböden, Becken und der (oft eiszeitlich
überformten) Hügelstufen in der feuchten Nordalpenzone v.a. der Bezirke
Reutte, Kitzbühel, Kufstein und Schwaz, sind heute großteils von intensiver
Grünlandwirtschaft geprägt. Größere Betriebsflächen herrschen meist vor.
Die ursprüngliche Kleinkammerung der Landschaft durch Waldinseln,
Feldgehölze, Feuchtflächen und Kleinmoore ist nur noch stellenweise, v.a. in
der Hügelstufe und in Seitentälern vorhanden. Ein dichtes Verkehrsnetz und
eine Vielzahl touristischer Infrastrukturen sind zusätzliche Belastungs-
faktoren für die Vogelwelt. In den weiten Talwiesen kämpfen die letzten der
früher hier häufigen Feldlerchen und Braunkehlchen ums Überleben. Entlang
von Gräben, Riedresten und Gehölzinseln halten sich da und dort noch
Sumpfrohrsänger, Neuntöter, Baumpieper und Goldammer.
Der Wachtelkönig und die Wachtel sind hier inzwischen als Brutvögel
weitgehend verschwunden, treten aber noch am Zug auf.
Typische Wald- und Siedlungsrandvögel bestimmen ansonsten das Bild der
vogelkundlich insgesamt eher mäßig attraktiven Kulturlandschaft der Tiroler
Nordalpenzone.
                                                                               Am Wilden Kaiser: Bernleiten - Bichlach
                                 „Tiroler“
                                   Keine
                              „Charaktere“
                       Turmfalke, Feldlerche, Elster
                               „Liebhaber“
   Mäusebussard, Ringeltaube, Bachstelze, Braunkehlchen, Goldammer
    Hausrotschwanz, Sumpfrohrsänger, Stieglitz, Girlitz, Feldsperling
                                „Hotspots“
 Hügellandschaft des Bichlach nördlich Kitzbühel, Gurgltal östlich von Imst,
            Ehrwalder Becken, Talwiesen des Tiroler Lechtals
Die Vogellebensräume Tirols und ihre Charakterarten
Kulturlandschaften der Inneralpen & Osttirols
Mit Jahres-Niederschlagssummen von teilweise unter 650 mm haben - rein
formal klimatisch betrachtet - die trockensten inneralpinen Talschaften des
„Oberen Gerichtes“, etwa um Pfunds im Oberinntal, schon beinahe
Halbwüstencharakter. Aus vogelkundlicher Sicht aber, sind die blütenreichen
Mähwiesen, Trocken- & Halbtrockenrasen und die kleinparzellierten Äcker &
Felder der Nordtiroler Inneralpen und der Osttiroler Bauernlandschaften
höchst attraktiv. Denn die meist sonnigen, vielfach von Lesesteinmauern mit
Trockengehölzen, Heckenzügen, Obstkulturen und kleinen Feldgehölzen
durchzogenen, überwiegend steilen Hänge und Fluren sind Refugien für eine
artenreiche Großinsektenfauna und damit ein Paradies für insektivore
Vogelarten der traditionellen Kulturlandschaft.
Im Oberinntal besonders bemerkenswert ist z.B. die Vielfalt der Ammern.
Denn neben der hier noch allgegenwärtigen Goldammer ist nicht nur die
Zippammer v.a im Übergang zu steinigen Halden und Felsfluren noch
verbreitet, sondern gibt es mit dem letzten österreichischen Brutgebiet des
Ortolans bei Silz-Haiming und mit vereinzelten Nachweisen der Zaunammer
auch zwei nationale Raritäten zu sehen. Und überall „lacht“ der Grünspecht!   Waallandschaft zwischen Stanz & Grins, Stanzertal
                                „Tiroler“
                         Ortolan, Braunkehlchen
                             „Charaktere“
        Wiedehopf, Wendehals, Grünspecht, Neuntöter, Goldammer
                              „Liebhaber“
     Grauspecht, Kuckuck, Baumpieper, Zippammer, Hausrotschwanz
                               „Hotspots“
   Feldflur zwischen Haiming & Silz im Oberinntal (Schutzgebiet Ortolan);
Trockenlandschaften im Oberen Gericht: Fließ, Kauns, Pfunds, Fiss, Serfaus
  Waallandschaft und Obstwiesen zwischen Stanz und Grins (Stanzertal);
              Osttirol: Oberlienzer Schuttkegel, Virgener Feldflur
Die Vogellebensräume Tirols und ihre Charakterarten
Stillgewässer und Feuchtgebiete
Kleinseen, Weiher, Nieder- & Hochmoore, sowie ausgedehnte Talsümpfe
gehör(t)en zum ursprünglichen Inventar der stark von den Eiszeiten über-
formten Tiroler Landschaft. Besonders in der submontanen und montanen
Stufe der feuchteren Nordalpen sind diese Naturreste, stellenweise ergänzt
künstlich angelegte Stillgewässer, wie Stau- & Baggerseen, Fisch- oder
Golfteiche, auch Heimat einer spezifischen Vogelwelt der Uferröhrichte und
Stillgewässer. Echte „Tiroler“, also für den Alpenraum besonders spezifische
Arten, finden sich zwar naturgemäß hier kaum, für den „Älpler“ sind aber
Wasser- & Röhrichtvögel generell immer attraktiv. Zu den Zugzeiten sind
diese Biotope wohl die wichtigsten Plätze, um neben vielen Kleinvögeln auch
sonst im Gebirgsraum kaum zur Beobachtung gelangende Wat- oder
Küstenvögel „abzuticken“.
Leider unterliegen auch bei uns viele der fast immer nur kleinflächigen
Feuchtbiotope einem starken Freizeit- & Umwandlungsdruck.
Charakterarten der Alpenvorlandmoore, wie Kiebitz, Bekassine oder
Brachvogel, die noch im 20. Jahrhundert vereinzelt auch in Tirol gebrütet
haben, sind bei uns daher leider inzwischen als Brutvögel verschwunden.        Auweiher bei Pflach, Lechtal
                                „Tiroler“
                               Karmingimpel
                              „Charaktere“
       Zwergtaucher, Stockente, Bleß- & Teichralle, Fitislaubsänger
             Sumpfrohrsänger, Teichrohrsänger, Rohrammer
                              „Liebhaber“
             Kuckuck. Neuntöter, Baumpieper, Braunkehlchen,
        Gartengrasmücke, Hänfling, Wacholderdrossel, Sumpfmeise
                                „Hotspots“
  NSG Schwemm bei Walchsee; Pillersee; Bahngräben des Unterinntals;
 LSG Arzler Kalvarienberg; NSG Inzinger Fischteiche, Auweiher bei Pflach;
                     Osttirol: Tassenbacher Speicher
Die Vogellebensräume Tirols und ihre Charakterarten
Bach- & Flussauen
Die „letzen Wilden“ sind (fast) allesamt gezähmt. Flussstrecken, wo das
Wasser noch frei in ursprünglicher Dynamik abfließen darf, sind auch in Tirol
v.a in den Niederungen kaum mehr vorhanden. Die ehemals ausgedehnten,
die Flüsse begleitenden Auwälder sind bis auf kümmerliche Reste meist der
Landwirtschaft, dem Verkehr oder dem Siedlungsbau gewichen.
Besser sind die Verhältnisse in den – allerdings für Auenvögel weniger
attraktiven - höheren Lagen: denn eine Vielzahl an Berg-, Wald-, Schlucht-
und Wiesenbächen in der Subalpin- und Montanstufe transportiert nicht nur
das „Weiße Gold der Alpen“ sondern ist auch Goldes Wert für typische
Bergbachvögel, wie Wasseramsel oder Bergstelze. Die meist aus Grauerlen
bestehenden Begleitgehölze sind außerdem wichtige Populationsreservoire
für z.B. Zaunkönig, Gartengrasmücke oder die Sumpfmeise.
Breitere Auwälder und dynamische Aufweitungsstrecken mit größeren Kies-
& Schotterbänken gibt es aber noch am Tiroler Lech („Der letzte Wilde“) und
stellenweise am Oberen Inn oder an der Isel v.a. zwischen Huben und Lienz.
Schutz- & Renaturierungsprojekte auch an weiteren Fließgewässerstrecken,
                                                                                Gänsesäger am Lech bei Stanzach
wie etwa der Tiroler Ache, helfen zudem, zumindest einzelne Charakterarten
der Alpenflüsse lokal zu erhalten.
                                 „Tiroler“
          Flussuferläufer, Gänsesäger, Wasseramsel, Bergstelze
                              „Charaktere“
             Flussregenpfeifer, Gelbspötter, Gartengrasmücke,
                       Sumpfmeise, Schwanzmeise
                               „Liebhaber“
      Stockente, Grauschnäpper, Fitislaubsänger, Wacholderdrossel,
                    Karmingimpel, Gartenbaumläufer
                                „Hotspots“
Schutzgebiete Völser- & Kranebitter Innauen & Inn zwischen Silz und Telfs;
 Rißbach im Alpenpark Karwendel; Lechauen flussabwärts von Stanzach;
       Osttirol: Isel (v.a. zwischen Huben & Lienz) & Schwarzach
Die Vogellebensräume Tirols und ihre Charakterarten
Dealpine Felsen
Tirol ist nicht zuletzt auch Felsland. Angesichts der - im wahrsten Wortsinn –
übermächtigen schroffen Gipfel, zackigen Grate und mächtigen Fels-
landschaften des Tiroler Hochgebirges kann man leicht vergessen, dass
Wandfluchten der Waldstufe und Felspartien in Schluchten und Klammen
auch tieferer Lagen, also „dealpine Felsen“, im Gebirgsraum ein seit jeher
dominantes und typisches Landschaftselement sind. Gerade an den
Rändern der Haupttäler und im Durchbruchsbereich von Seitenbächen sind
diese markanten Strukturen in Tirol natürlicherweise weit verbreitet.
Dazu kommen, den ewigen Steinhunger der rastlosen Menschen bedienend,
eine erhebliche Zahl an Steinbrüchen und anderen Aufschlüssen, die oft von
Grünbewegten etwas einseitig nur als Landschaftswunden geächtet werden.
Ob künstlich oder natürlich, gemeinsam ist vielen Felsen: Wärme, eine
günstige Thermik, gute Rundumsicht, freier Anflug, eine Vielzahl von
Brutnischen, Reichtum an Insekten und – von Kletterfreaks leider immer
öfter gestört – relative Ruhe. Ideale Verhältnisse also v.a. für Jäger, Segler,
Flugschnäpper und südliche Wärmeliebhaber unter den heimischen Vögeln.
                                                                                  Dealpine (& alpine) Felsfuren im Lechtal (Tannheimer Berge)
                                  „Tiroler“
      Steinadler, Wanderfalke, Alpensegler, Felsenschwalbe, Kolkrabe
                               „Charaktere“
                              Uhu, Zippammer
                                „Liebhaber“
  Gänsesäger, Turmfalke, Alpenmauerläufer, Bergstelze, Hausrotschwanz
                                 „Hotspots“
 Kundler Klamm, Vomper Loch u.a. Wandfluchten im Alpenpark Karwendel,
  Martinswand bei Zirl, Talfelsen in der Leutasch und im unteren Lechtal;
             Osttirol: Tal-& Hangfelsen des Lienzer Beckens
Die Vogellebensräume Tirols und ihre Charakterarten
Laub- Mischwälder
  „Willst du einen Wald bestimmt vernichten, so pflanze nichts als lauter Fichten“.
Diesem ökologisch etwas einseitigen, flapsigen Slogan der Ökobewegung
haben auch Tirols Forstwirte Jahrhunderte lang emsig Nahrung gegeben.
Denn auch bei uns stocken in der Tal- und Montanstufe vielerorts auf
eigentlichen Laub-Mischwald-Standorten großflächige, recht einheitliche
Fichtenwälder mit einer eher wenig spezialisierten Kleinvogelwelt.
Nichts desto trotz gibt es v.a. in den feuchten Nordalpen von den Loferer
Steinbergen im Osten bis in die Allgäuer Alpen im Westen noch gut
strukturierte Buchenwälder, Buchen-Tannenwälder oder auch vielseitige
Buchen-Tannen-Fichtenwälder, sowie urwüchsige Schluchtwälder u.a mit
schönen Bergulmen- & Ahornbeständen. Insulär finden sich zudem bis in die
Inneralpen an Sonderstandorten noch Eichengehölze im Kulturland.
In den meist tiefgründigen, feuchten Wäldern v.a. der „Buchenstufe“ kann,
insbesondere dort, wo der Anteil von Alt- und Totholz noch hoch ist, auch
der auswärtige Birdwatcher (etwas Geduld und Glück allerdings meist
vorausgesetzt) eine Vielzahl typischer Laubwald und Bergwaldarten
„twitschern“.
                                                                                      Buchen-Mischwald bei Grießenau, Kaisergebirge
                                    „Tiroler“
                        Weißrückenspecht, Grauspecht
                                 „Charaktere“
            Haselhuhn, Wespen- & Mäusebussard, Baumfalke,
           Waldschnepfe, Waldkauz, Ringeltaube, Schwarzspecht,
               Trauer- & Zwergschnäpper, Waldlaubsänger
                                  „Liebhaber“
        Auerhuhn, Rauhfusskauz, Schwanzmeise, Sumpfmeise u.v.a.
                                   „Hotspots“
                   NSG Kaisergebirge; Brandenberger Tal,
                     Alpenpark Karwendel, Rotlechtal
Die Vogellebensräume Tirols und ihre Charakterarten
Montane Trockenwälder
Wer Vögel im Urwald beobachten will, muss nicht in die Tropen, denn echte
Urwälder gibt es auch in Tirol! In den steilen, südexponierten Hanglagen des
Tiroler Oberinntals dominieren vom Innsbruck bis in den Landecker Raum
Gesellschaften der Rotföhre. In diesen warmen, felsigen, mageren Lagen ist
die tief wurzelnde Rotföhre, die im frühen Postglazial zuerst auch
Gunstlagen fast des gesamten Alpenraums besiedelte, außerordentlich
konkurrenzstark und konnte hier von anderen Baumarten nicht verdrängt
werden. Diese „Reliktföhrenwäldern“ sind urwüchsige Lebensräume die z.T
seit über 10.000 Jahren weitgehend unverändert bestehen.
Weitere strukturell und vogelkundlich ähnliche, grasreiche Trockenwälder,
die ebenfalls Licht durchflutet, floristisch und entomologisch vielfältig sind,
stocken kleinflächig auf Bergsturzhalden oder Schuttkegeln mancher
Seitenbäche, großflächige Föhrenheiden gibt es auf den erhöhten Schotter-
fluren des Lech. Auch die anthropogen entstandenen, lichten Lärchenwälder
(Lärchenwiesen) der Mittelgebirgsplateaus und Seitentäler (z.B. im Wipp- &
Stubaital) sind hier erwähnenswert. In all diesen Wäldern schwirrt u.a. ein
erheblicher Teil der österreichischen Berglaubsänger seine simple Strophe,
sind die Fluggesänge des Baumpiepers noch häufig zu hören und viele
andere Insekten- und Wärmeliebhaber unserer Avifauna zu finden.
                                                                                  Föhrenwald am Fuße des Tschirgant bei Karres im Oberinntal
                                  „Tiroler“
                        Berglaubsänger, Baumpieper
                               „Charaktere“
                        Grauschnäpper, Zippammer
                                „Liebhaber“
  Wespenbussard, Baumfalke, Grauspecht, Grünspecht, Kuckuck, Mistel-
  drossel, Trauerschnäpper, Hauben- & Alpenweidenmeise, Zitronengirlitz
                                 „Hotspots“
      Reliktföhrenwälder des Oberinntals (z.B. Achberg westlich Telfs);
       Föhrenheiden am Lech zwischen Stanzach und Weißenbach;
                   Lärchenwiesen am Mieminger Plateau
Bergwälder (Subalpine Nadelwälder)
Vierzig Prozent der Tiroler Landesfläche liegen in Höhenlagen zwischen
1400 und 2200 m. Ein Großteil dieser Höhenzonen gehört trotz vielfacher
Auflichtungen nach wie vor zum Reich der Bergnadelwälder. Während in den
hochmontanen und unteren Subalpinlagen noch forstlich stärker genutzte,
durch eine Vielzahl von Wegen durchschnittene Fichtenwälder vorherrschen,
setzen sich in den Hochlagen v.a. der Zentralalpen zunehmend Lärchen-
Zirbenwälder durch. Über 2000 m herrscht dann nicht selten unser
frosthärtester Baumextremist, die Zirbe oder Arve in eindrucksvollen Rein-
beständen vor. Ihre Verteilung und Vorkommensmuster v.a. im Bereich der
Waldgrenzene sind gleichzeitig ein klassisches Vogelthema: Denn der in
Tirol weit verbreitete Tannenhäher, bei uns treffend auch „Zirmgratschen“
genannt, sorgt für die Verjüngung und Ausbreitung der Zirbe, indem er die
fetten Zirbelnüsse als Wintervorrat sammelt und im Gelände verteilt.
Eine wahre Bergkameradschaft also, von der auch viele andere Vogelarten
profitieren. Generell beherbergen die trotz vieler Eingriffe oft noch
urwüchsigen Bergnadelwälder Tirols eine Vielzahl besonders typischer
borealer Nadelwaldspezialisten und echter „Alpler“, die zu entdecken und
erleben schon alleine eine Reise nach Tirol wert ist!
                                                                             Im Reich von Dreizehenspecht & Co. – Berg“ur“-wald am Arlberg
                                „Tiroler“
           Auerhuhn, Birkhuhn, Sperlingskauz, Dreizehenspecht,
     Alpenringdrossel, Alpenweidenmeise, Zitronengirlitz, Tannenhäher
                             „Charaktere“
            Rauhfusskauz, Misteldrossel, Wintergoldhähnchen,
             Haubenmeise, Fichtenkreuzschnabel, Erlenzeisig
                              „Liebhaber“
Schwarzspecht, Kuckuck, Baumpieper, Berglaubsänger, Klappergrasmücke
                               „Hotspots“
   Alpenpark Karwendel, LSG Patscherkofl-Zirmberg, Schwarzwassertal
(Allgäuer Alpen), Arlberggebiet (Lechtaler Alpen), Radurschltal + Pfundser
Tschey (Ötztaler Alpen), Osttirol: Oberhauser Zirbenwald (NP Hohe Tauern)
Krummholzgürtel (Subalpine Gebüsche)
Wo selbst Extremisten unter den Holzgewächsen im Kampf gegen die raue
Gebirgsnatur sich biegen und beugen müssen, wird auch Vogelkunde eine
wahre körperliche Herausforderung. Viel anstrengender noch als in der
eigentlichen Alpinstufe, ist nämlich die Begehung der Krummholzstufe und
die Beobachtung ihrer reizvollen, überraschend vielfältigen Vogelwelt!
Hier, in oft extremen Steillagen, dominiert v.a. in den Kalkalpen Pinus mugo,
die Latsche. Mitunter überziehen Latschenfelder mehrere 100 Höhenmeter –
ein oft fast undurchdringliches Dickicht aus hangaufwärts gekrümmtem,
sperrigem Geäst, mit tückischen Mulden und Löchern, rutschendem Geröll.
Ein Gewirr, in dem sich im Sommern die Hitze unerträglich stauen kann!
Kühler und feuchter, aber ähnlich mühsam zu begehen, sind hingegen die
dichten Gebüsche von Alnus viridis, der Grünerle, die von den Kalk- bis in
die Zentralalpen v.a. an wasserzügigen Hängen, in Bachgräben u.a.
Geländerinnen üppige Bestände bilden kann und entlang von Lawinenzügen
weit in die Waldstufe hinab vordringt.
Dickichtschlüpfer, Strauchbrüter, „Körndlfresser“ & Ameisenfänger lieben
diese schwer zugänglichen, störungsarmen Bereiche an der Waldgrenze.
Wie Studien in Tirol zeigten, wird der Krummholzgürtel auch im Herbst von
vielen Bergwaldvögeln aufgesucht: zur „Spätsommerfrische“ sozusagen.            Latschen“wald“ in 2200 m - Lechtaler Alpen (Arlberg)
                                 „Tiroler“
        Rotsterniges Blaukehlchen, Klappergrasmücke, Birkenzeisig
                              „Charaktere“
                         Hänfling, Heckenbraunelle
                               „Liebhaber“
       Birkhuhn, Kuckuck, Ring- & Misteldrossel, Gartengrasmücke,
         Rotkehlchen, Zaunkönig, Zitronengirlitz, Tannenhäher u.a.

                                „Hotspots“
      Alpenpark Karwendel; Mieminger Gebirge; Hahntennjoch bei Imst
        Arlberggebiet (Verwall & Lechtaler Alpen); Lienzer Dolomiten
Alpinstufe
Der „Mittelpunkt der Lebensinteressen“ liegt für die meisten Bewohner Tirols
in den Talschaften und Mittelgebirgslagen. Den vogelkundlich interessierten
Besucher des „Herzens der Alpen“ locken aber wohl primär die Hochalpen
mit ihrer zwar artenarmen aber dafür umso spezielleren Gebirgsvogelwelt. In
welchem Ausmaß Tirol wirklich ein Gebirgsland ist, zeigt schon allein die
Tatsache dass über ein Viertel der Tiroler Landesfläche von 12.647 km² auf
Höhenlagen über 2.200 m entfällt. Wie die lange Liste echter „Tiroler“ zeigt,
beherbergt Tirol tatsächlich einen überproportional großen Populationsanteil
aller echten Hochgebirgsarten Österreichs. Das Land mit dem Adlerwappen
im „Herz der Alpen“ ist also auch Zentrum der Alpinornithologie.
Dabei ist unsere faszinierende Hochgebirgsvogelwelt inzwischen auch für
den eiligen, körperlich nicht so hundertprozentig fitten „Flachlandtiroler“
verhältnismäßig leicht zugänglich und erfahrbar. Eine Vielzahl von
Hochalpenstraßen, Liften und Seilbahnen ermöglicht eine rasche und
unproblematische Bekanntschaft zumindest mit dem weiter verbreiteten Kern
heimischer Gebirgsvögel. Wer aber neben den allgegenwärtigen Steinadler,
Bergpieper, Alpenbraunelle, Steinschmätzer oder Schneefink auch die
wahren Gustostückerln wie Steinhuhn, Steinrötel oder Mauerläufer sehen
will, muss schon - buchstäblich und sinnbildlich - „etwas früher aufstehen“.    Typische Hochgebirgslandschaft in den Lechtaler Alpen
                                 „Tiroler“
  Alpenschneehuhn, (Steinadler), Steinhuhn, Steinrötel, Steinschmätzer,
  Bergpieper, Alpenbraunelle, Alpenmauerläufer, Schneefink, Alpendohle
                              „Charaktere“
                  (alle Charakterarten sind echte „Tiroler“)
                               „Liebhaber“
              Steinadler, Birkhuhn, Uhu, Turmfalke, Kuckuck,
           Felsenschwalbe, Hausrotschwanz, Hänfling, Kolkrabe
                                „Hotspots“
     Ruhegebiete Zillertaler Hauptkamm & Ötztaler Alpen, Arlberggebiet
                    Osttirol: Nationalpark Hohe Tauern
Sie können auch lesen