WAS WIR ERSEHNEN VON DER ZUKUNFT FERNEN - SPÖ Tirol

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WAS WIR ERSEHNEN VON
 DER ZUKUNFT FERNEN
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Die Anfänge – ein steiniger Weg .............................................................................. Seite        4
                                                                             Die Gründung der SDAP Tirol .................................................................................... Seite      6
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                                                                             Der Erste Mai                ..................................................................................... Seite   58
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                                                                             Der neue Mensch – Sport      ..................................................................................... Seite   61
Impressum:                                                                                       Natur    ..................................................................................... Seite   62
Was wir ersehnen von der Zukunft Fernen                                                          Kultur ..................................................................................... Seite     63
130 Jahre SPÖ Tirol                                                          1934                         ..................................................................................... Seite   64
Autorisiertes Update der Broschüre „125 Jahre SPÖ Tirol“ aus dem Jahr 2015   Widerstand und Anpassung ..................................................................................... Seite       68
                                                                             Der Mensch im Mittelpunkt ..................................................................................... Seite      76
Herausgegeben vom Renner Institut Tirol, September 2020                      Die neue SPÖ Tirol           ..................................................................................... Seite   77
Salurner Straße 2, 6020 Innsbruck                                            Zukunft                      ..................................................................................... Seite   79

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WAS WIR ERSEHNEN VON DER ZUKUNFT FERNEN - SPÖ Tirol
Mit der voranschreitenden Industrialisierung im          Als die Pioniere der sozialdemokratischen Be‐                                                                  nalrat vertreten, Franz Gruener war bis 1928 so‐
19. Jh. entstand die Arbeiterbewegung, die in            wegung im späten 19.Jh. versuchten, ihre An‐       In der Ersten Republik wurde die Sozialdemo‐                zialdemokratischer            Landeshauptmann‐
Anlehnung an die Ideen von Karl Marx Rechte              sichten unters Volk zu bringen, stießen sie auf    kratie eine starke politische Kraft in Österreich,          stellvertreter. Die Sozialdemokratie wurde in Ti‐
für das Proletariat, die Arbeiterklasse, forderte.       erhebliche Widerstände. In vielen Dörfern und      die bestehenden Vorurteile und Anfeindungen                 rol    jedoch       nie    zu    einer   großen
Der deutsche Dichter Ferdinand Freiligrath               Gemeinden war es nicht möglich, einen Wirt zu      blieben jedoch aufrecht, was ein Wahlplakat der             Massenbewegung, zu tief war die Identifikation
brachte in seinem „Arbeiterlied“ die Werte und           finden, der sein Gasthaus für eine sozialdemo‐     Tiroler Volkspartei von 1919 zeigt. Darin werden            der Tiroler Bevölkerung mit bäuerlichen Idealen
Ziele zum Ausdruck, die die Sozialdemokratie             kratische Versammlung zur Verfügung stellte.       die Tiroler SozialdemokratInnen als untirole‐               und der Kirche, zu gering ein proletarisches
weltweit zu verwirklichen trachtete:                     Gelang dies, so wurden die sozialdemokrati‐        risch, von „Wiener Juden“ dominiert und sitten‐             Klassenbewusstsein. Zudem wuchs für sozialde‐
                                                                                                            los bezeichnet, ihnen wird sogar die Schuld am              mokratische Vereine sehr bald die Konkurrenz
 „Was wir ersehnen von der Zukunft Fernen,                                                                  Verlust Südtirols gegeben                                   aus dem bürgerlichen Lager, da auch christliche
  dass Brot und Arbeit uns gerüstet stehen,                                                                                                                             Arbeitervereine gegründet wurden.
  dass unsere Kinder in den Schulen lernen                                                                  Doch auch in Tirol wuchs in der Ersten Republik
 und unsere Alten nicht mehr betteln gehen.“                                                                der politische Einfluss der Sozialdemokratie.
     Ferdinand Freiligrath (1810 – 1876)                                                                    Zwei Tiroler Sozialdemokraten waren im Natio‐

Die Ideen der Sozialdemokratie zu verbreiten,
erwies sich in Tirol als besonders schwierig. Eine
Arbeiterschaft war nur in wenigen Orten, im Ti‐
roler Unterland und in Innsbruck, vorhanden,
sonst war die Tiroler Bevölkerung vorwiegend
bäuerlich geprägt. Obwohl die Forderungen der
Sozialdemokratie nach besseren sozialen Bedin‐
gungen, gerechter Entlohnung, politischer Mit‐
bestimmung, Bildung und Sozialgesetzen für
alle Benachteiligten in Tirol interessant gewesen
wären, waren es die Ablehnung des klerikalen
Einflusses und der Wunsch nach einer Trennung
von Staat und Kirche, die die streng katholische                Wahlwerbung der Tiroler Volkspartei 1919
                                                                          „Tiroler Wähler!“
Bauernschaft und die einflussreichen Tiroler
Vertreter der Kirche gegen die Sozialdemokra‐            schen Redner oft von wütenden Bauern am Er‐
tInnen aufbrachten. Viele betrachteten die ers‐          greifen des Wortes gehindert und mussten un‐
ten SozialdemokratInnen als „Feind der Religion,         verrichteter Dinge abziehen, nicht selten kam es
der den Christus aus der Kirche entfernen, dem           auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen,
Kinde die Religion aus dem Herzen reißen, mit            wie bei der legendären „Schlacht von Ratten-
den Bauern das Eigentum teilen und die Weiber            berg“, wo es zu einer Rauferei zwischen Bauern               Südtirolkundgebung der Tiroler SozialdemokratInnen 1920 vor dem damaligen Stadttheater.
                                                                                                                  Simon Abram setzte sich bei den italienischen GenossInnen für den Verbleib Südtirols bei Österreich ein.
zum Gemeingut machen will“.                              und Genossen kam.

                                                     4                                                                                                                                                                       5
WAS WIR ERSEHNEN VON DER ZUKUNFT FERNEN - SPÖ Tirol
Ausführlicher Bericht des Telfer Postenkomman‐
                                                                                                            danten an die Bezirkshauptmannschaft nach
                                                                                                            der Versammlung.

                                                                                                            Text zu Dokument 3: (Übersetzung)
                                                                                                            An die kk Bezirkshauptmannschaft zu Inns‐
                                                                                                            bruck, Telfs, am 29. September 1890

                                                                                                            Gestern fand hier in Telfs im Gasthause zur Traube
                                                                                                            des Joseph Schweigl von 10 Uhr vormittags bis 9
                                                                                                            Uhr abends eine von dem in Innsbruck sich aufhal-
                                                                                                            tenden bekannten Arbeiterführers Ignaz Saska
                                                                                                            veranstaltete Landesversammlung statt, woran
                                                                                                            sich Delegierte der Arbeitervereine in Wien, Graz,
                                                                                                            Linz, Innsbruck, aus Orten Vorarlbergs etc und Ver-
                                                                                                            treter der (….) beteiligten. Die Versammlung be-
                                                                                                            schränkte sich nur auf geladene Gäste und war der
                Im Gasthof „Zur Traube“ in Telfs fand am 28.9.1890 die Gründungsversammlung                 Eintritt auch nur auf Vorweisung von auf Namen
                                  der Sozialdemokratischen Partei Tirols statt
                                                                                                            lautende Karten gestattet. Die Versammlung ver-
                                                                                                            lief ohne jede Störung und Unordnung und wie ich
Nachdem es zum Jahreswechsel 1888/89 in                 der Gründung der Landesorganisation Tirol der       auf vertraulichem Wege in Erfahrung brachte, bil-
Hainfeld Victor Adler gelungen war, die öster‐          Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) en‐      deten 1. Allgemeines über die Arbeiterbewegung,
reichische Arbeiterbewegung zu vereinen und             dete, wurde von den Behörden misstrauisch           2. Organisation in politischer Hinsicht, 3.Partei-
die Sozialdemokratische Partei (SDAP) zu grün‐          beobachtet, wie das Telegramm und der Bericht       presse, 4.Gewerkschaften, 5. Freie Anträge die
den, war es das Bestreben der Tiroler Hainfeld-         des Telfer Gendarmeriepostens belegen, sie          Punkte der Tagesordnung, worüber…über „Allge-
Teilnehmer Josef Holzhammer und Ignaz Sas-                                                                  meines Stimmrecht“ und … verschiedene Anträge
ka, eine Tiroler Parteiorganisation ins Leben zu                                                            innerhalb der gesetzlichen Grenzen gemacht und
rufen.                                                                                                      Reden gehalten wurden. Als Einberufer dieser Ver-
Ignaz Saska rief zu der am 28.September 1890                                                                sammlung waren Leimgruber, Saska, Protiwa,Wil-
anberaumten Versammlung in Telfs auf, mit dem                                                               lomitzer, Zelger, Stephan und Radlbeck, angeblich
Ziel der „Vereinigung aller klassenbewussten Ar-                                                            sämtliche in Innsbruck genannt. Hierzu wird der
beiter zu einer wirksamen, strammeren Organisa-                                                             kk. Bezirkshauptmannschaft die Anzeige erstattet
tion nach dem Programm und Principien des Hain-                                                             und beigefügt, dass sich ca. 150 Personen
felder Parteitages“.                                                                                        beteiligten.
135 bis 150 Delegierte folgten Saskas Einladung,                                                            Kohla Postenführer
nur Teilnehmer, die die Einladungskarte vorwei‐
sen konnten, wurden zugelassen.                             Einladungskarte für die geladenen Delegierten
Die Versammlung im „Gasthaus Traube“, die mit

                                                    6                                                                                                        7
WAS WIR ERSEHNEN VON DER ZUKUNFT FERNEN - SPÖ Tirol
Hortbetrieb in der Leopoldstraße                     Der Theatersaal des Kinderfreundeheimes

Im Oktober 1902 gründeten Funktionäre der Ti‐         Bereits während des Ersten Weltkrieges erwarb
roler sozialdemokratischen ArbeiterInnenbewe‐         die Kinderfreundeorganisation eine Villa samt
gung den Verein „Arbeiterheim“, über den Geld         Grundstück auf der Innsbrucker Hungerburg, in
für den Ankauf von Gebäuden gesammelt wur‐            den 1920er Jahren die Liegenschaft „Seehof“
de. 1910 erwarb der Verein ein ehemaliges Gast‐       ebendort. 1918 kauften die Kinderfreunde ein
haus in der Innsbrucker Mentlgasse 12. Das Ar‐        Grundstück in der Leopoldstraße in Innsbruck,
beiterheim Mentlgasse wurde daraufhin die             auf dem ein modernes Kinderfreundeheim er‐
Zentrale der Sozialdemokratischen Partei Tirols       richtet wurde.
und ihres Presseorgans „Volkszeitung“. Die „VZ“
wurde von Ignaz Saska 1892 gegründet und bis          Im Hortbetrieb in der Leopoldstraße wurden
zu dessen Tod 1896 herausgegeben, danach              zeitweise mehr als 1000 Kinder aus Arbeiterfa‐
wechselte die Redaktion nach Dornbirn und             milien versorgt. Der Theatersaal des Heimes bot
Linz, kehrte 1905 endgültig nach Innsbruck zu‐        Gelegenheit für manches Schauspiel der „Mär-
rück, wo sie bis zur Einstellung der Zeitung          chenbühne“ und Kinderveranstaltungen.             Das Kinderfreundeheim am Seehof auf der Hungerburg bei Innsbruck, damals noch mit See zum Rudern, ca.1930.
verblieb.

                                                  8                                                                                                                                                                  9
WAS WIR ERSEHNEN VON DER ZUKUNFT FERNEN - SPÖ Tirol
Die wichtigste Erwerbung für die Partei war              der „Arbeiterbank“ (heute BAWAG) eingerichtet.
zweifellos 1924 der Kauf des Hotels „Goldene             Am 12. Februar 1934 besetzte die Polizei ge‐
Sonne“ gegenüber       dem    Hauptbahnhof               meinsam mit Abteilungen der Heimatwehr das
Innsbruck.                                               Parteihaus und beschlagnahmte es. Von 1936
                                                         bis 1945 diente das Gebäude als Polizeipräsidi‐
Das Gebäude wurde von Partei und Gewerk‐                 um und Gefängnis. Der 15. Luftangriff der Alli‐
schaft als Zentrale und Versammlungsort ge‐              ierten am 25.12.1944 verwandelte das Haus in
nutzt, der Gastbetrieb eingeschränkt aufrecht‐           eine Ruine. In der Zweiten Republik erhielten
erhalten und verpachtet, im Parterre eine Filiale        Partei und Gewerkschaft die Liegenschaft zu‐

                                                                                                            Jugendfunktionäre umringen bei einer Schulung im Rapoldiheim unmittelbar nach dem 2.WK Franz Hüttenberger.

                                                                                                                                                                      Einweihung des Rapoldiparks in Innsbruck 1983.

                                                                                                           Das Rapoldiheim in Innsbruck Kranebitten wur‐          nach dem Sozialdemokraten Martin Rapoldi,
                                                                                                           de Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre            Innsbrucker Vizebürgermeister von 1919 bis zu
                                                                                                           vom sozialdemokratischen Verein „Waldfreunde“          seinem frühen Tod 1926, benannt. Rapoldi
                                                                                                           für die Parteijugend finanziert und errichtet.         sorgte während seiner Amtszeit für die Elektri‐
                                                                                                           Mittels Anteilscheinen konnte das Heim für die         fizierung Innsbrucks, für einen sozialen Wohn‐
                                                                                                           Parteijugend finanziert werden, das nach der           bau nach Vorbild des „Roten Wien“ und war Mit‐
                                                                                                           Beschlagnahme durch Ständestaat und NS-Re‐             begründer der Vorgängergesellschaft der
                                                                                                           gime in der Zweiten Republik wieder seinem             heutigen TIWAG.
                                                                                                           ursprünglichen Zweck zugeführt wurde. Es war

                                                    10                                                                                                                                                                 11
WAS WIR ERSEHNEN VON DER ZUKUNFT FERNEN - SPÖ Tirol
Josef Holzhammer             Holzhammers politisches Wirken war vielfältig,      hes Ansehen innerhalb der Partei, er war Abge‐        Die politische Entwicklung Österreichs ab 1934
                            (1850-1942) prägte           so war er von 1908 bis 1911 im Reichsrat der        ordneter im Nationalrat, im Tiroler Landtag und       und persönliche Enttäuschungen brachen Si‐
                            die sozialdemokrati‐         Monarchie vertreten, in der Ersten Republik ge‐     im Innsbrucker Gemeinderat.                           mon Abrams Lebenswillen und er wählte 1940
                            sche Bewegung und            hörte er dem Tiroler Landtag und dem Innsbru‐
                            die politische Aus‐          cker Stadtrat an.
                            richtung der jungen          An der Gründung der ArbeiterInnen-Kranken‐
                            Partei als gemäßig‐          kasse, deren Leitung er bis 1922 innehatte, war
                            ter Reformsozialist.         er maßgeblich beteiligt, außerdem lagen ihm
                            1889 nahm er am              Bildungsfragen am Herzen. Vehement trat er für
Hainfelder Einigungsparteitag der Sozialdemo‐            einen unentgeltlichen und konfessionslosen
kratischen Partei Österreichs teil und berief ge‐        Unterricht ein und kritisierte den Einfluss der
meinsam mit Ignaz Saska die Gründungsver‐                Kirche auf das Bildungswesen.
sammlung der Sozialdemokratischen Partei                 Den aufkeimenden Antisemitismus nationalisti‐
Tirols in Telfs 1890 ein. 1893 wurde er auf der          scher Prägung verurteilte er scharf als Resultat
ersten Landeskonferenz in die Landesparteiver‐           von Dummheit und Unbildung. Ab 1925 zog er
tretung gewählt.                                         sich aus dem politischen Leben zurück.

Simon Abram (1871-1940) war ein enger Ver‐               Als Abgeordneter
trauter Josef Holzhammers und wurde dessen               im Reichsrat ab 1907
würdiger Nachfolger in der Sozialdemokrati‐              setzte sich Abram
schen Partei. Der Einsatz für das allgemeine,            unter anderem für
gleiche, geheime und direkte Wahlrecht domi‐             bessere      Arbeits‐                                                         Republikfeier vor dem Innsbrucker Hauptbahnhof 1928.
                                                                                                                                Simon Abram war ein begnadeter Redner, der Massen begeistern konnte.
nierte die ersten Jahre seines politischen Wir‐          bedingungen ein,
kens. Auch wenn die sozialdemokratische Bewe‐            verurteilte den Ein‐
gung die Einführung des allgemeinen, gleichen            fluss der Kirche auf                                Wilhelm Scheibein (1869 -1936) gründete nach          Landtag       einzog.
und direkten Männerwahlrechts 1907 als Erfolg            die     Universitäten                               seiner Versetzung nach Innsbruck 1897 die dort        1919 wurde er sogar
verbuchen konnte, blieb die Arbeiterschaft in Ti‐        und zeigte Missstände im Schulwesen auf. Da‐        aufgelöste Eisenbahnergewerkschaft neu und            in den Nationalrat
rol durch eine diskriminierende Landtagswahl‐            bei vergaß er nie die Situation in seiner Tiroler   setzte sich in der Folgezeit intensiv für die Be‐     entsandt.
ordnung benachteiligt. Trotzdem schafften es             Heimat, besonders das Schicksal der Schwaben‐       lange der Eisenbahner ein. Ab 1905 stellte er         Von 1921 bis 1934
Simon Abram und Cesare Battisti als sozialde‐            kinder rückte er in den Fokus der Öffentlichkeit.   sich immer wieder Gemeinderatswahlen in               übte Scheibein das
mokratische Abgeordnete 1914 in den Tiroler              Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs bremste          Innsbruck, 1907 führte er einen Reichsratswahl‐       Amt des ersten Tiro‐
Landtag.                                                 Abrams politisches Wirken in den Gremien, da‐       kampf, 1914 bewarb er sich für den Tiroler Land‐      ler Arbeiterkammer‐
1911 beim Parteitag in Innsbruck unter Abrams            für war er in der Kriegszeit in der Genossen‐       tag. Wegen der Ungerechtigkeiten im Tiroler           präsidenten aus.
Vorsitz konnte er zahlreiche Erfolge präsentie‐          schaft aktiv, um die Not der Bevölkerung zu         Wahlrecht konnte er keinen Sieg erringen.             1934 wurde er aller Ämter enthoben und er
ren, wie beispielsweise die Eröffnung des Arbei‐         lindern.                                            Seine Stunde kam in der Ersten Republik, als er       musste mit seiner Familie ums Überleben kämp‐
terheims in der Mentlgasse.                              In der Ersten Republik genoss Simon Abram ho‐       sowohl in den Gemeinderat als auch in den             fen. Enttäuscht und verzweifelt starb er 1936.

                                                    12                                                                                                                                                         13
WAS WIR ERSEHNEN VON DER ZUKUNFT FERNEN - SPÖ Tirol
Johann      Orszag          Die Kombination von Gewerkschafts- und Pres‐
                             lernte als Interes‐         searbeit sorgte für eine effizientere Verbreitung
                             sensvertreter der           des sozialdemokratischen Gedankengutes.
                             Buchdrucker 1905            Am Aufbau der Genossenschaften war Orszag
                             in Bozen Simon Ab‐          maßgeblich beteiligt, während des Ersten Welt‐
                             ram kennen und es           kriegs kümmerte sich Orszag als Vorstandsmit‐
                             entstand eine in‐           glied des „Arbeiter-Konsumvereins“ in Innsbruck
                             tensive Zusammen‐           vor allem um die Versorgung der Bevölkerung.
                             arbeit          und         Ab 1914 war er Direktor der ETAB, der ersten Ti‐
                             Freundschaft.               roler Arbeiterbäckerei. Sie wurde unter Orszags
Innerhalb kürzester Zeit füllte Orszag zahlreiche        Führung in der schwierigen Nachkriegszeit eine
Funktionen aus, besonders wichtig war seine              moderne Brotfabrik, die ihr Angebot um die Pro‐
Rolle als Vorsitzender der Gewerkschaftskom‐             duktion von Teigwaren erweitern konnte.
mission. Gemeinsam mit dem 1. Sekretär Her‐              Besonders engagiert war Johann Orszag im Be‐
mann Flöckinger betrieb er die Vereinheitli‐             reich der Jugendarbeit, die Gründung der „Kin-
chung der Gewerkschaften.                                derfreunde“ und die damit verbundenen Aktivi‐
Die „Volkszeitung“ lag ebenfalls in den Händen           täten gehen auf ihn zurück.
Orszags, er konnte die Verbreitung der Arbeiter‐         1938, nach der Besetzung Österreichs durch die
zeitung steigern und eine eigene Parteidrucke‐           Nationalsozialisten, beging Johann Orszag           Die dritte Säule der Arbeiterbewegung neben    vereine, deren Grundgedanke die Zusammen‐
rei ins Leben rufen.                                     Selbstmord.                                         Partei und Gewerkschaft waren die Konsum-      fassung der ArbeiterInnen als KonsumentIn‐
                                                                                                             vereine und die Genossenschaftsbewegung.       nen war, erhielten durch die Arbeiterbildungs‐
                                                                                                             Dabei galt das Prinzip der genossenschaftli‐   vereine und Gewerkschaften Auftrieb in ihren
                                                                                                             chen Selbsthilfe.                              Bestrebungen zur Verbesserung des Lebens‐
                                                                                                             Die vor 1867 entstandenen wenigen Konsum‐      standards der arbeitenden Bevölkerung.

                                                    14                                                                                                                                                  15
WAS WIR ERSEHNEN VON DER ZUKUNFT FERNEN - SPÖ Tirol
Ernesto       Tamburini         Die Großeinkaufsgesellschaft österreichischer
                       (1883-1971) übernahm            Konsumvereine (GÖC) wurde 1905 nach briti‐                                                               Prinzipienerklärung der Sozialdemokratischen
                       1938 nach dem Selbst‐           schem Vorbild gegründet und bestand bis 1978.                                                            Arbeiterpartei Österreichs.
                       mord Johann Orszags             Die Einkaufsmacht der Ortsvereine sollte ge‐                                                             („Hainfelder-Programm“ 1888/1889 und die „Ei-
                       die Leitung der ETAB            bündelt und die Unabhängigkeit von privaten                                                              nigungs-Resolution“)
                       und baute den Betrieb           Großhändlern gewährleistet werden, außerdem                                                              I. Prinzipienerklärung
                       noch leistungsfähiger           konnte die genossenschaftliche Eigenprodukti‐                                                            ... Das Proletariat politisch zu organisieren, es mit
                       aus.                            on auf großindustrieller Basis erfolgen. 1934                                                            dem Bewußtsein seiner Lage und seiner Aufgabe
                       Von den italienischen           wurden die Sozialdemokratische Partei und alle                                                           zu erfüllen, es geistig und physisch kampffähig zu
                       Faschisten verfolgt, ge‐        ihr nahestehenden Organisationen verboten,                                                               machen und zu erhalten, ist daher das eigentliche
lang ihm 1922 die Flucht nach Österreich, indem        nicht aber die GÖC. So fanden sich junge Sozia‐                                                          Programm der sozialdemokratischen Arbeiterpar-
er sich in der Dampflok des Tiroler Sozialdemo‐        listInnen im „GÖC-Klub“ zusammen und hielten                                                             tei in Österreich.. .
kraten und Eisenbahners Michael Hirschegger            die Idee des Sozialismus bei gemeinsamen Aus‐                                                            … wird sie das allgemeine, gleiche und direkte
versteckte.                                            flügen aufrecht.                                                                                         Wahlrecht für alle Vertretungskörper mit Diäten-
                                                                                                                                                                bezug anstreben, als eines der wichtigsten Mittel
                                                                                                                                                                der Agitation und Organisation.
                                                                                                                                                                …so muß eine lückenlose und ehrliche Arbeiter-
                                                                                                                                                                schutzgesetzgebung…angestrebt werden.
                                                                                                                                                                …der obligatorische, unentgeltliche und konfessi-
                                                                                                                                                                onslose Unterricht in den Volks- und Fortbildungs-
                                                                                                                                                                schulen sowie unentgeltliche Zugänglichkeit
                                                                                                                                                                sämtlicher höheren Lehranstalten unbedingt er-
                                                                                                         Die Prinzipienerklärung und die Einigungsreso‐         forderlich; die notwendige Vorbedingung dazu ist
                                                                                                         lution von 1888/1889 stehen am Beginn der so‐          die Trennung der Kirche vom Staate und die Erklä-
                                                                                                         zialdemokratischen Programmatik. Sie bilden            rung der Religion als Privatsache.
                                                                                                         den Rahmen des politischen Handelns für die            …die allgemeine Volksbewaffnung einzutreten.
                                                                                                         österreichische Sozialdemokratie. Die Program‐         …Beseitigung aller indirekten Steuern und Einfüh-
                                                                                                         matik wurde im Laufe der Geschichte immer              rung einer einzigen, direkten, progressiven
                                                                                                         wieder an die gesellschaftlichen Erfordernisse         Einkommenssteuer.
                                                                                                         angepasst. Die Grundwerte Gleichheit, Gerech‐          Einigungs-Resolution
                                                                                                         tigkeit, Freiheit und Solidarität blieben stets die‐   Der Parteitag erklärt den Parteizwist durch die An-
                                                                                                         selben. Sie bilden den roten Faden der SPÖ-            nahme des Programms für beendet und erwartet
                                                                                                         Politik.                                               von jedem Parteigenossen ehrliches und brüderli-
                                                                                                                                                                ches Eintreten für die Gesamtpartei sowie energi-
                                                                                                         An den Verhandlungen des Einigungsparteita‐            sche und unerschrockene Arbeit auf dem gemein-
                                                                                                         ges in Hainfeld nahmen die Tiroler Delegierten         samen Boden unseres Programms zum Besten des
                                                                                                         Josef Holzhammer und Ignaz Saska teil.                 Emanzipationskampfes der Arbeiterklasse.

                                                  16                                                                                                                                                              17
WAS WIR ERSEHNEN VON DER ZUKUNFT FERNEN - SPÖ Tirol
«Unser Programm versucht darzustellen, was der Sozialismus unserer Tage sein könnte.
      Es ist das Großartige und gerade jetzt Sichtbare an ihm, dass er immer deutlicher sich zu
      einer Philosophie der menschlichen Gesellschaft entwickelt und dass er deshalb das
      menschenwürdigste gesellschaftliche System darstellt, weil er das Unvernünftige und
      Brutale in der Gesellschaft beseitigen will und der menschlichen Persönlichkeit in ihrer
      Beziehung zu anderen und zur Gemeinschaft neue Dimensionen verleiht. Und so
      bedeutet die Verwirklichung sozialistischer Ideale in dieser Zeit mehr als die
      Verwirklichung bloßer politische Zielvorstellungen. Sie ist die Antwort schlechthin auf
      die Frage

       Bruno Kreisky, 1978                                   Sein oder Nichtsein.«

                      Das Programm von 1978 war für zwei Jahrzehnte die Richtschnur
                    sozialdemokratischer Politik in den späten 1970er und 1980er Jahren.

Die moderne Sozialdemokratie passte ihre                 stellt die Wohlfahrtsgesellschaft, Frauen- For‐
Programmatik von 1945 bis heute viermal den              schungs- und Umweltpolitik, ein modernes
gesellschaftlichen Entwicklungen an: 1947 mit            Staatsverständnis sowie Bildung, Medien und
dem sogenannten „Aktionsprogramm“, 1958                  die Zusammenarbeit in der Europäischen Uni‐
mit dem „Pittermann-Programm“, 1978 mit dem              on in den Vordergrund. Dabei bleibt eine alle
„Kreisky-Programm“ und schließlich mit dem               Klassengegensätze überwindende demokrati‐
1998er Programm Vranitzky/Klima.                         sche, friedliche, humane und gerechte Gesell‐
                                                         schaft das Ziel.
Das Programm von 1998 wurde in einer breit
angelegten Diskussion erarbeitet und stellt              Zudem wird ein klares Bekenntnis gegen Ge‐
eine mögliche politische Antwort auf die Zu‐             walt, Extremismus und Rassismus formuliert.
kunftsfragen der Gesellschaft in den 2000er              Die Sozialdemokratie versteht sich außerdem
Jahren dar.                                              mit diesem Programm als Vorreiter der demo‐
Das gegenwärtige Parteiprogramm von 1998                 kratischen Erneuerung Österreichs.

                                                                                                           Auszug aus dem Kreisky-Programm 1978

                                                    18                                                                                            19
Franz Hüttenberger (1884 bis 1966)                         Hüttenberger mit                                     Karl Kunst (1904 bis 1989)                                 1960 als Landeshaupt‐
Als Franz Hüttenberger 1966 starb, ging ein be‐            anderen GenossIn‐                                    Das politische Leben des Dr. Karl Kunst begann             mannstellvertreter und
wegtes Leben zu Ende. Der in Schärding gebo‐               nen ins Lager Inns‐                                  mit seinem Engagement für die Sozialdemokra‐               Mitglied der Landesre‐
rene Bauernbub schloss sich schon früh als Bä‐             bruck –Reichenau                                     tie als Mittelschüler im Innsbruck der 1920er Jah‐         gierung. In seiner Eigen‐
ckergeselle der sozialistischen Bewegung an                gesperrt. Nach der                                   re und endete als Vorsitzender der SPÖ Tirol und           schaft als Gesundheits-
und trat 1909 in Tirol der Partei bei. Bereits mit         Befreiung gehörte                                    Landeshauptmannstellvertreter in den späten                und Sozialreferent der
26 Jahren bekleidete er die Funktion des Tiroler           er der ersten provi‐                                 1960er Jahren des 20. Jhs. Dazwischen lag eine             Landesregierung konzi‐
Gewerkschaftsvorsitzenden, die er bis 1934 in‐             sorischen Landesre‐                                  radikale Zeit, die den jungen Karl Kunst prägte.           pierte er den Zehnjah‐
nehatte. Seit 1910 war er auch Mitglied des                gierung unter Karl                                   1932 rief er als vehementer Gegner der National‐           resplan zum Ausbau der
Landesparteivorstandes, mit dem Jahre 1922                 Gruber als Stellvertreter an und blieb dies bis      sozialisten zum Kampf gegen die braune Gefahr              Landeskrankenanstalten, im Besonderen der Uni‐
Landesparteisekretär und beruflich Leiter der              zu seiner Pensionierung 1960. Ihm ist der Wie‐       zur „Höttinger Saalschlacht“ auf und wurde dafür           versitätskliniken, unter seiner Ägide wurde die
Kreiskrankenkasse Innsbruck (Vorläuferin der               deraufbau des Tiroler Sozialsystems zu danken,       inhaftiert, bis 1938 übrigens insgesamt viermal            Chirurgische Universitätsklinik fertiggestellt. Im
TGKK). Nach der Übersiedelung Simon Abrams                 war er doch auch erster Leiter der Tiroler Ge‐       aus politischen Gründen. Nach dem Verbot der               Sozialbereich schuf er die gesetzlichen Bedin‐
nach Salzburg wurde Hüttenberger 1927 mit                  bietskrankenkasse. Als Sozialreferent der Lan‐       Partei 1934 lebte er ausschließlich für seinen             gungen für eine landesweite Besserstellung be‐
dem Vorsitz der Sozialdemokratischen Partei                desregierung war er maßgeblich am Neubau             Rechtsanwaltsberuf. Im Jahre 1945 trat er sofort           tagter und behinderter Menschen und deren be‐
Tirols betraut. Er gehörte dem ersten Tiroler              des Krankenhauses Natters und am Ausbau des          der wiedergegründeten sozialistischen Partei               ruflicher Rehabilitation. Dr. Karl Kunst folgte auf
Landtag 1918 und folgend bis 1934 als Abge‐                Gesundheitswesens in Tirol beteiligt. Ebenso         bei, wurde kurzzeitig juristischer Referent der            Franz Hüttenberger als Vorsitzender der Partei
ordneter an. Mit der austrofaschistischen und              verdienstvoll war sein Engagement für die Wie‐       provisorischen Landesregierung, 1948 bis 1960              von 1961 bis 1969. Für seine Verdienste wurde er
anschließenden nationalsozialistischen Dikta‐              dererrichtung der SPÖ Tirol, deren erster Vor‐       Mitglied des Innsbrucker Gemeinderates, davon              mehrfach von Land, Bund und Partei
tur ruhte die politische Tätigkeit Hüttenber‐              sitzender nach dem Krieg er bis zum Jahre 1960       6 Jahre Stadtrat. Von 1953 bis 1970 gehörte er             ausgezeichnet.
gers, er verlor auch seine Arbeit. Im Zuge des             blieb. Für seine Verdienste wurden ihm zahlrei‐      dem Tiroler Landtag an, zuerst als Abgeordneter,
Attentates auf Hitler am 20. Juli 1944 wurde               che Ehrungen zuteil.                                 von 1957 bis 1960 als 2. Vizepräsident und ab

                                                                                                                    Kunst mit dem Innsbrucker ÖVP Bürgermeister Alois Lugger ( Mitte, Lugger links) und Michael Viertler, einem
   Hüttenberger (2. von links) bei einer Maikundgebung in den 1950er Jahren vor dem Innsbrucker Stadttheater.
                                                                                                                       sozialdemokratischen Funktionär der Zwischenkriegszeit, am Birgitzköpfl vor dem Naturfreundehaus.

                                                      20                                                                                                                                                                          21
Herbert Salcher (*1929)                                     Salcher der Staatsanwaltschaft eine Sachver‐       Ernst Fili (*1932)                                         durchsetzen. Ebenso veranlasste er 1980 ein
Dr. Herbert Salcher zog sich im Jahre 1984 aus              haltsdarstellung in der Steuersache Hannes         Fili begann seine politische Arbeit an der Basis           Sonderprogramm zur Verkehrserschließung in
sämtlichen politischen Ämtern zurück. In der                Androsch übermittelte. Als Gesundheits- und        als Subkassier, beim Plakatieren und vielen                Höhe einer halben Milliarde Schilling. Außer‐
davor liegenden Zeit hatte er eine politische               Sozialreferent in Tirol sind mit ihm der weitere   kleineren Tätigkeiten für die SPÖ- Ortsorgani‐             dem setzte Fili ein Projektteam zur Fertigstel‐
Bilderbuchkarriere durchlaufen. Seine Wurzeln               Ausbau und die Modernisierung des Gesund‐          sation Matrei am Brenner, für die er auch zum              lung der Universitätsklinik für Frauen und Neu‐
lagen in der SJ, der er schon 1946 beitrat. 1960            heitswesens verbunden. Als Gesundheits- und        Gemeinderat kandidierte. Der Eisenbahnerge‐                rologie ein, das die Baukostenentwicklung
zog der promovierte Jurist und leitende Ange‐               Umweltminister sind die Initiativen in Bezug       werkschafter Fili erlangte in seiner Heimatge‐             penibel kontrollierte. Nachdem Herbert Sal‐
stellte der TGKK in den Innsbrucker Gemeinde‐               auf Prävention, insbesondere seine Kampagne        meinde 1963 mit den Stimmen von SPÖ und                    cher 1979 dem Ruf Kreiskys nach Wien als Mi‐
rat ein, dem er bis zu seiner Bestellung zum                „Ohne Rauch geht´s auch!“ in lebhafter Erinne‐     ÖVP Mandataren das Bürgermeisteramt und                    nister gefolgt war, wurde Ernst Fili im Oktober
Landesparteivorsitzenden der SPÖ Tirol 1969                 rung. Außerdem wurde die „Akademie für Ar-         machte bei den darauffolgenden Wahlen 1968                 zum Landeshauptmannstellvertreter gewählt.
angehörte. Er folgte Dr. Kunst 1970 als Landes‐             beitsmedizin“ auf seinen Vorschlag hin vorbe‐      die SPÖ zur Mehrheitsfraktion. Er blieb bis 1974           1981 übernahm er von Salcher auch den Par‐
hauptmannstellvertreter, Sozial- und Gesund‐                reitet,       das        Arzneimittel-      und    Bürgermeister. Ab 1969 wirkte er im Tiroler                teivorsitz, den er bis 1985 ausübte. Nach dem
heitsreferent in der Landesregierung nach, bis              Fleischbeschaugesetz beschlossen, sowie der        Landtag als Vorsitzender des Finanzkontroll‐               Ende seiner aktiven Karriere 1987 war er noch
ihn Bundeskanzler Bruno Kreisky 1979 als Ge‐                „Verein für Gesundheitserziehung und -beratung“    ausschusses . Seit 1975 Mitglied der Landesre‐             einige Zeit als Obmann des ASKÖ Tirol tätig. In
sundheits- und Umweltminister nach Wien hol‐                gegründet. Herbert Salcher hat sich durch sei‐     gierung konnte er als Hoch- und Straßenbaure‐              den verschiedensten Funktionen bewahrte er
te. 1981 wurde Salcher nach dem Bruch Kreis‐                ne politische Korrektheit einen bleibenden Na‐     ferent damals jährliche Mittel in der Höhe von             überaus guten Kontakt zur Bevölkerung. Er war
kys mit Finanzminister Androsch zu dessen                   men in den Annalen der österreichischen In‐        etwa 40 Millionen Schilling für die Erhaltung              der erste Bürgermeister, der zum Vorsitzenden
Nachfolger ernannt. Seine Ablöse erfolgte                   nenpolitik erworben.                               und Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur                 der SPÖ Tirol gewählt wurde.
1984 durch Bundeskanzler Sinowatz, nachdem

        Salcher und sein Nachfolger Ernst Fili während der Landtagswahlkampagne „Zuviel schwarz in Tirol“                 Salcher, Fili und Landesrat Fritz Greiderer bei einem Landesparteitag Ende der 1970er Jahre.

                                                       22                                                                                                                                                                23
Hans Tanzer (*1936)                                                                                                                                                     seiner Wiederwahl 1997 nur noch 78 Prozent
war der erste Parteivorsitzende der Tiroler SPÖ,                                                                                                                        der Delegiertenstimmen. Beim Landespartei‐
der Ende Oktober 1985 mittels Direktwahl von                                                                                                                            tag 2000 gab es nur noch 66 Prozent. Neben
zwei Dritteln der 372 Delegierten des Landes‐                                                                                                                           dem Festhalten an der Regierungskoalition mit
parteitages gewählt wurde. Er stellte sich als                                                                                                                          der ÖVP war unter anderem auch sein „Flinserl“
Herausforderer des amtierenden Vorsitzenden                                                                                                                             im Ohr beliebter Kritikpunkt bei Prock-Geg‐
Ernst Fili zur Wahl.                                                                                                                                                    nern. Herbert Prock entsprach für einige nicht
Hans Tanzers politischer Werdegang begann in                                                                                                                            dem Bild des durchschnittlichen Parteiführers,
seiner Heimatgemeinde Rum bei Innsbruck.                                                                                                                                im Gegensatz dazu verkörperte er für viele den
Zunächst wurde der 26jährige 1962 Vizebür‐                                                                                                                              Aufbruch ins 21. Jahrhundert und in ein mo‐
germeister, dann leitete er von 1968 bis 1987                                                                                                                           derneres Zeitalter in Tirol. Bei den Landtags‐
als Bürgermeister die Geschicke der Gemeinde.                                                                                                                           wahlen im März 1999 gingen Procks berechtig‐
1975 ereilte ihn der Ruf der Partei für den Tiro‐                                                                                                                       te Hoffnungen auf einen satten Zugewinn für
ler Landtag zu kandidieren, dem er seitdem als                                                                                                                          die SPÖ Tirol im Paznauner Lawinenwinter un‐
Abgeordneter, ab 1984 als 2.Vizepräsident und                                                                                                                           ter. Eine Ministerkarriere im Kabinett Viktor Kli‐
ab 1987 als Landeshauptmannstellvertreter                                                                         Tanzer und sein Nachfolger Herbert Prock, den er      ma II galt für ihn als sicher, kam aber wegen der
                                                                                                                für die SPÖ Tirol als Landesgeschäftsführer arbeitete
und Mitglied der Tiroler Landesregierung bis                                                                                                                            schwarz-blauen Regierung unter Wolfgang
März 1994 angehörte.                                                                                          Herbert Prock (*1955)                                     Schüssel nicht zustande. 2002 trat Herbert
Sein Ziel war es, der SPÖ Tirol ein kantiges Profil                                                           Herbert Prock übte das höchste Parteiamt acht             Prock als Landeshauptmannstellvertreter und
zu geben: „Zunächst geht es darum mit dem nö-                                                                 Jahre lang aus. Er übernahm es nach der Land‐             Parteivorsitzender zurück. Er arbeitet seit sei‐
tigen Selbstbewusstsein klare Abgrenzungen zur                                                                tagswahlniederlage 1994 von seinem „politi-               ner Übersiedelung nach Südamerika 2003 in
ÖVP herzustellen.“, so seine Botschaft. Damit                                                                 schen Ziehvater“ Hans Tanzer, der ihn als Partei‐         unterschiedlichen Managementpositionen bei
meinte Hans Tanzer beinahe alle politischen                                                                   geschäftsführer 1987 in die SPÖ Tirol geholt              VW Argentina.
Bereiche: die Arbeitswelt, die Wirtschaftspoli‐                                                               hatte. Beim Landesparteitag 1994 erreichte
tik, demokratiepolitische Fragen der Mitbe‐                Sein Verdienst als Parteivorsitzender war es,      Herbert Prock 85,6 Prozent der Delegierten‐
stimmung in den Gemeinden oder Kammern                     den Paradigmenwechsel zwischen den Gene‐           stimmen. Im selben Jahr folgte er Hans Tanzer
sowie Maßnahmen gegen die drohende Ju‐                     rationen innerhalb der SPÖ Tirol einzuleiten. Er   in der Landesregierung nach und führte das
gendarbeitslosigkeit oder fehlende Sozialpoli‐             ebnete jüngeren GenossInnen den Weg für ihre       Ressort       Soziales,        Bildung      und
tik. Ein besonderes Anliegen war Tanzer schon              politischen Karrieren. Seinen Nachfolger Her‐      Fachhochschulen.
früh die Umweltpolitik. Bereits als Rumer Bür‐             bert    Prock    holte Tanzer       aus    dem     Prock studierte an der Universität Innsbruck
germeister setzte er Maßnahmen in diese Rich‐              Medienbereich.                                     Germanistik und Vergleichende Literaturwis‐
tung, indem er Sammeleinrichtungen für Müll‐               Hans Tanzer war nach seiner aktiven Laufbahn       senschaft. Vor seiner politischen Karriere war er
trennung,                   Heizungsprüfungen,             von 2001 bis 2014 Vorsitzender des Tiroler         zehn Jahre beim ORF als Journalist tätig. Er war
Begrünungsaktionen durchsetzte. „Mit Sonn-                 PensionistInnenverbandes.                          einer    der    Gründer       des    Innsbrucker
tagsreden lassen sich Umweltfragen, insbeson-                                                                 Kellertheaters.
dere das Waldsterben nicht lösen.“, meinte Tan‐                                                               Im Laufe seiner politischen Karriere scheute er                Herbert Prock und Walter Guggenberger, der
zer schon damals im Tiroler Landtag.                                                                          die Auseinandersetzung mit dem ÖGB und der                   langjährige Nationalrat und spätere Klubobmann
                                                                                                                                                                                         im Tiroler Landtag.
                                                                                                              Frauenorganisation wegen personeller Ent‐
                                                                                                              scheidungen nicht. Die Folge davon waren bei

                                                      24                                                                                                                                                                    25
Hannes Gschwentner (*1957)                                mannstellvertreter angelobt. Als Mitglied der
Hannes Gschwentners erstes politisches Betäti‐            Tiroler Landesregierung umfasste sein Zustän‐
gungsfeld war die Gemeindepolitik. 1986 zog               digkeitsbereich die Umwelt- und europäische
er mit einer eigenen Liste in den heimatlichen            Verkehrspolitik.
Kundler Gemeinderat ein. 6 Jahre später er‐               Nach der für die Tiroler SPÖ überraschend er‐
oberte er für die SPÖ den Bürgermeistersessel             folgreichen Landtagswahl 2003 übernahm
und regierte Kundl bis 2002. Ab 1993 war er               Hannes Gschwentner in der ÖVP-SPÖ-Koalition
Vorsitzender des sozialdemokratischen Ge‐                 wieder die Ressorts Umwelt- und europäische
meindevertreterverbandes und Mitglied im                  Verkehrspolitik sowie Sportangelegenheiten.
Landesparteivorstand der SPÖ Tirol.                       Bei der 2006 erfolgten Regierungsumbildung
1999 übernahm er den Bezirksvorsitz von Kuf‐              gab er die Zuständigkeit für die Umwelt- und
stein, den er bis ins Jahr 2002 innehatte. Im sel‐        die europäische Verkehrspolitik an seinen Par‐
ben Jahr wurde er in den Tiroler Landtag ge‐              teifreund Hans Lindenberger ab und über‐
wählt und war für die Bereiche Budget, Recht,             nahm selbst das Sozialressort. 2012 übergab er
Gemeinde, Energie und Sport zuständig.                    sein Amt als Landeshauptmannstellvertreter
Im Mai 2002 wurde Gschwentner nach dem Ab‐                und Parteivorsitzender an Gerhard Reheis.               Gerhard Reheis schwört die Delegierten beim Sonderparteitag 2013 auf die kommenden Landtagswahlen ein.
gang Herbert Procks am Landesparteitag in                 Hannes Gschwentner wechselte unter opposi‐
Innsbruck zum Parteivorsitzenden der SPÖ Ti‐              tioneller Kritik als zweiter Direktor in die „Neue
rol gewählt und im Juli 2002 als Landeshaupt‐             Heimat“.                                             Gerhard Reheis (*1955)                                 bis 2014 aus. Im Juli 2008 wechselte Reheis
                                                                                                               Gerhard Reheis wurde in der Gewerkschafts‐             wieder nach Tirol und wurde als neuer Sozi‐
                                                                                                               bewegung politisiert, der er sich schon als            allandesrat in der Landesregierung angelobt.
                                                                                                               Lehrling bei der Imster Druckerei Egger ange‐          Sein Aufgabenbereich umfasste die Themen
                                                                                                               schlossen hatte. 1980 wechselte Reheis als Be‐         Grundsicherung, Sozialberatung, Pflegegeld,
                                                                                                               zirksgeschäftsführer zur SPÖ Imst. Von 1997            Sozialversicherungswesen, Flüchtlingswesen,
                                                                                                               bis 1999 betreute er zusätzlich die SPÖ                Integration von MigrantInnen, Jugendwohl‐
                                                                                                               Landeck.                                               fahrtswesen und Sozialbetreuungsberufe. Die
                                                                                                               Gerhard Reheis gehörte seit 1992 dem Ge‐               Entschädigung von Missbrauchsopfern der Ti‐
                                                                                                               meinderat von Imst an. Von 1998 bis 2001 war           roler Erziehungsheime der Nachkriegszeit ist
                                                                                                               er Stadtrat, ab April 1999 vertrat er die SPÖ          sein bleibendes Verdienst. Im Juni 2012 über‐
                                                                                                               neun Jahre lang im Nationalrat, wo er zuletzt          nahm er von Hannes Gschwentner geschäfts‐
                                                                                                               in den Ausschüssen für Kultur, Land- und               führend den Vorsitz der SPÖ Tirol und das Amt
                                                                                                               Forstwirtschaft, Sportangelegenheiten, Rech‐           als Landeshauptmannstellvertreter. Nach der
                                                                                                               nungshof sowie Verkehr zuständig war. 2001             Landtagswahl 2013 bildeten ÖVP und Grüne
                                                                                                               wurde er zum Bürgermeister seiner Heimatge‐            überraschend erstmals eine Koalition unter
                                                                                                               meinde Imst gewählt. Bei der darauffolgenden           Ausschluss der SPÖ. Seitdem führt Gerhard Re‐
                                                                                                               Gemeinderatswahl 2004 erlangte er in der Bür‐          heis als Klubobmann die SPÖ Tirol in der Op‐
                                   Hannes Gschwentner mit Tiroler Adler                                        germeisterdirektwahl annähernd 66 Prozent              position an. 2014 übernahm der Roppener
                                                                                                               der WählerInnenstimmen. Reheis übte das                SPÖ      Bürgermeister    Ingo     Mayr    die
                                                                                                               Amt des Imster Bezirksvorsitzenden von 1994            Parteiführung.

                                                     26                                                                                                                                                                    27
Ingo Mayr (*1965)                                                                                               Elisabeth Blanik (*1966)
Der Bürgermeister von Roppen und Betriebs‐                                                                      Elisabeth Blanik arbeitete seit Ende der 80er-
ratsvorsitzende beim AMS Tirol, Ingo Mayr, folg‐                                                                Jahre in verschiedenen Architekturbüros und
te am 28. Juni 2014 beim Landesparteitag als                                                                    schloss 1998 ihr Studium der Architektur mit
neu gewählter neunter Landeparteivorsitzender                                                                   dem akademischen Grad Dipl-Ing. ab.
in der Geschichte der SPÖ Tirol seit 1945 auf den                                                               2003 zog Blanik als Abgeordnete in den Tiroler
scheidenden Vorsitzenden Gerhard Reheis.                                                                        Landtag ein, wo sie sich über die Jahre einen Na‐
Mayrs politische Wurzeln liegen einerseits in der                                                               men als beschlagene Rhetorikerin und ausge‐
Gemeindepolitik, anderseits in der Berufswelt.                                                                  wiesene Expertin im Bereich der Wohnbau‐
Der ausgebildete Berufsberater des AMS Imst                                                                     politik machte.
engagierte sich früh in der betrieblichen Ge‐
werkschaftsfraktion und wurde 2006 zum Be‐                  leiteten Parteireform mit der Neuformulierung       Auf kämpferischem Wege, in einer notwendig
triebsratsvorsitzenden des Tiroler AMS gewählt.             der Listenerstellung vor Wahlen, wie der Gleich‐    gewordenen Wahlwiederholung wurde sie 2011
Im gleichen Jahr gewann er die Wahlen zum                   berechtigung der Geschlechter, sowie Chancen        zur Bürgermeisterin der Stadt Lienz gewählt.
Roppener Gemeinderat und wurde Bürgermeis‐                  für junge Menschen, will Mayr in Zukunft kon‐       2016 wurde sie trotz gleich mehrerer Gegenkan‐
ter seiner Heimatgemeinde. Seit 2007 ist er Mit‐            krete Maßnahmen folgen lassen. Der begeister‐       didatInnen eindrucksvoll in diesem Amt bestä‐
glied im Landesparteivorstand der SPÖ Tirol.                te Hobbymusiker möchte die SPÖ Tirol nach bit‐      tigt und konnte mit ihrer Liste 10 der 21 Sitze im   netenriege in der Folge als Klubobfrau im Lan‐
Seine Ziele sind es, die Lebensbedingungen in               teren Wahlniederlagen mit neuem Schwung bei         Gemeinderat erreichen.                               desparlament an.
Tirol zu verbessern und gegen Rassismus und                 den Menschen wieder attraktiver machen.             Im gleichen Jahr wurde sie als erste Frau und auf    Im November zog sie sich von der Position der
Demagogie aufzutreten. Der von Reheis einge‐                                                                    dem ersten mitgliederoffenen Landesparteitag         Vorsitzenden zurück und empfahl dem Landes‐
                                                                                                                zur Vorsitzenden der SPÖ Tirol gewählt. Blanik       parteivorstand ihren Stellvertreter, Dr. Georg
                                                                                                                führte die Landespartei 2018 als „Die neue SPÖ       Dornauer, zum gf. Vorsitzenden zu bestellen.
                                                                                                                Tirol“ in den Landtagswahlkampf und konnte
                                                                                                                dabei das beste SP-Ergebnis seit 15 Jahren ein‐
                                                                                                                fahren: 17,25 Prozent und ein Plus von 3,5 Pro‐
                                                                                                                zentpunkten standen für ihr junges Team am
                                                                                                                Ende zu Buche. Blanik führte die neue Abgeord‐

     Auf „Rote Werte in bewegten Zeiten“ setzte Ingo Mayr beim Landesparteitag am 28. Juni 2014 in Innsbruck.

                                                       28                                                                                                                                                        29
Dr. Georg Dornauer (*1983)
Dr. Georg „Schorsch“ Dornauer promovierte
2009 an der Universität Innsbruck mit einer Dis‐
sertation über Ursachen und Hintergründe für
die Hegemonie der ÖVP in Tirol zum Dr. phil.
Nachdem Großvater und Vater bereits das Amt
des Vizebürgermeisters bekleideten, wurde
Dornauer 2016 in seiner Heimatgemeinde Sell‐
rain zum Bürgermeister gewählt, nachdem er im
Jahr 2015 maßgeblich das Krisenmanagement
in Folge einer Hochwasserkatastrophe im Sell‐
rain übernahm.

Nach der Landtagswahl 2018 zog Dornauer als
Abgeordneter in den Tiroler Landtag ein, im No‐              Der Landtagsklub nach den Wahlen von 2018: BBenedikt Lentsch, Claudia Hagsteiner, Philip Wohlgemuth,
                                                                              Elisabeth Blanik, Elisabeth Fleischanderl und Georg Dornauer (v.l.n.r.)
vember desselben Jahres wurde er vom Landes‐
parteivorstand der SPÖ Tirol zum gf. Vorsitzen‐
den bestellt.                                           Das Bestreben der Sozialdemokratie nach ei‐             ßen für die SozialdemokratInnen im Tiroler
                                                        nem gerechten Wahlrecht ist so alt wie die Be‐          Landtag. Der Stimmenanteil bei den vier Wahlen
2019, auf dem bislang größten Landesparteitag           wegung selbst. In der Einigungsresolution von           bis 1929 bewegte sich zwischen 18 und 22
der SPÖ Tirol, wurde Dornauer mit 85% Prozent           1889 wurde ausdrücklich gefordert, mittels ei‐          Prozent.
der Delegiertenstimmen zum neuen Vorsitzen‐             nes gleichen für alle StaatsbürgerInnen gülti‐
den gewählt.                                            gen Wahlrechts parlamentarische Mehrheiten              In der Zweiten Republik waren für die Tiroler
                                                        zu ermöglichen. Der erste Schritt war die Ein‐          SozialdemokratInnen bis heute insgesamt 70
                                                        führung des „Männerwahlrechts“ 1907, nach               MandatarInnen im Landtag tätig, davon 7 Frau‐
                                                        20jähriger Wahlrechtsagitation. Der Durch‐              en. Die Tiroler SPÖ war seit 1945 als Teil der Re‐
                                                        bruch gelang nach dem Ersten Weltkrieg 1919             gierung maßgeblich an der Gestaltung des
                                                        mit den ersten allgemeinen, gleichen, freien            Landes beteiligt. Bis ins Jahr 2013 gehörten der
                                                        und geheimen Wahlen für Frauen und Männer               Tiroler Landesregierung jeweils zwei Regie‐
                                                        in allen Vertretungskörperschaften der Ersten           rungsmitglieder der SPÖ Tirol an, seit 1999 in
                                                        Republik.                                               einer Koalitionsregierung mit der ÖVP Tirol. Die
                                                                                                                SPÖ stellte bis zu diesem Zeitpunkt stets den
                                                        Im Tiroler Landtag fanden sich in der Zeit von          zweiten Landeshauptmannstellvertreter.
                                                        1918 bis zum Parteiverbot 1934 insgesamt 22             Der Anteil der WählerInnenstimmen bei Land‐
                                                        MandatarInnen der Sozialdemokratie, davon 2             tagswahlen schwankte im Zeitraum 1945 bis
                                                        Frauen. Bis 1928 war Dr. Franz Gruener als              2013 zwischen ca. 14 und 33 Prozent, wobei
                                                        zweiter Landeshauptmannstellvertreter Mit‐              der Höchststand 1970 mit 33,5 Prozent erreicht
                                                        glied der Landesregierung. Zwischen elf und             wurde.
                                                        neun MandatarInnen pro Legislaturperiode sa‐

                                                   30                                                                                                               31
Bis zur Auflösung des Parlamentes durch Doll‐              Personen, wobei die SPÖ in den 1970er Jahren
                                                                                                                   fuß im März 1933 gehörten ihm die Tiroler Ab‐              in Tirol Traumergebnisse erzielte, beispielsweise
                                                                                                                   geordneten Abram und Scheibein für die Sozi‐               1979 mehr als 37 Prozent der WählerInnenstim‐
                                                                                                                   aldemokratie an.                                           men.
                                                                                                                   In der Zweiten Republik stellte die SPÖ Tirol bis          Gegenwärtig vertritt Landesfrauenvorsitzende
                                                                                                                   heute insgesamt 26 MandatarInnen, davon 4                  Mag.a Selma Yildirim die SPÖ Tirol im Nationalrat
                                                                                                                   Frauen. Die Anzahl der NationalrätInnen wech‐
                                                                                                                   selte je nach Stärke bei den Wahlen von 2 bis 5

Die SPÖ-Landtagsfraktion 1953: vorne von links            Landtagssitzung 1975: Im Vordergrund die SPÖ-Fraktion
Franz Hüttenberger, LR Alois Heinz, Karl Kunst,             mit Herbert Salcher, Hans Tanzer, LR Rupert Zechtl,
     Josef Wilberger, dahinter Josef Rimml,                  dahinter zweite Reihe von links Karl Hackl, Fritz
   Walther Gerstenbräun, Alois Kühllechner,                 Greiderer, Ernst Fili, Walter Kantner. Nicht auf dem
        Josef Leitner und Anton Wieser.                        Bild Alfons Kaufmann, späterer Klubobmann.

                                                                                                                                     NR-Team der 1970er Jahre (von li.): Karl Reinhart, Herbert Egg, Wanda Brunner,
                                                                                                                                                         Helmut Weinberger und Josef Lenzi.

  Landtagsfraktion 1999: vorne links Ernst Pechlaner (später Klubobmann), daneben Klubobmann Walter
Guggenberger, dahinter Gabi Schiessling, daneben Alois Leiter, schräg rechts hinter ihm Klaus Gasteiger, links
 neben ihm verdeckt Hannes Gschwentner. Ganz hinten rechts (mit Rose) Maria Unterlercher, nicht auf dem
          Bild LRin.Christa Gangl , LHstv. Herbert Prock, Gehard Mimm und Helmut Bachmann.                                 Das Nationalratsteam 1986 mit Parteivorsitzendem Hans Tanzer (Zweiter von links): Lothar Müller,
                                                                                                                     Herbert Tieber, Irene Crepaz, Robert Strobl, Helmut Weinberger und Walter Guggenberger (von links nach rechts)

                                                     32                                                                                                                                                                               33
Bereits 1893 beschloss die Sozialdemokrati‐                gegründet worden, er umfasste 80 Mitglieder.
sche Arbeiterpartei die Gründung von Bezirks‐              Ab 1890 gelang es der Sozialdemokratie in
organisationen.                                            Innsbruck mit der Maikundgebung erstmals
In Innsbruck, Rattenberg, Schwaz, Wörgl, Kuf‐              Massen, ca. 1200 bis 1500 ArbeiterInnen, zu
stein, Kitzbühel, Lienz, Bozen, Meran und Vor‐             mobilisieren, Pioniere wie Holzhammer, Ab-
arlberg waren die ersten Bezirksorganisationen             ram wirkten unter anderem in Innsbruck.
zu finden.
Bis heute besteht die SPÖ-Tirol aus der Landes‐            Bis in die Gegenwart konnte die SPÖ-Innsbruck
organisation, den 9 Bezirksorganisationen, den             immer wieder mit Aktionen für Bürgeranliegen
Ortsorganisationen und einzelnen Stützpunk‐                punkten, besondere Erfolge wurden in den
ten bzw. Sektionen in der Landeshauptstadt.                1970er und 1980er Jahren erzielt
In 24 Gemeinden stellt die SPÖ momentan den                                                                 SPÖ Veranstaltung vor dem Landestheater   Die Innsbrucker Sektion Lohbach veranstaltete
                                                                                                                      in den 1980er Jahren                     ein Fest für die Bevölkerung.
/ die BürgermeisterIn.                                     Gegenwärtig liegt die Stadtpartei in Händen
                                                           von Benjamin Plach als Vorsitzendem und
INNSBRUCK                                                  Tina Bielowski als Geschäftsführerin
Von Beginn an war Innsbruck der Mittelpunkt
der sozialdemokratischen Bewegung. Ein ers‐
ter Arbeiterbildungsverein war bereits 1868

                                                                                                             Hafelekar, GenossInnen beim Aufstieg
                                                                                                                                                           Selma Yildirim und Gabi Schiessling
                                                                                                                       auf die Nordkette

      Der SPÖ-Vizebürgermeister Rudi Krebs bei einer Veranstaltung für mehr Radwege in den 1980er Jahren.

                                                      34                                                                                                                                              35
Im Tiroler Oberland konnte die Arbeiterbewe‐              Für die Sozialdemokratie in Landeck besonders       der Menschlichkeit, wie die Einrichtung eines
gung erst später als in Innsbruck und Umge‐               erfolgreich tätig waren Walter Guggenberger         Asylantenheimes, scheute er nicht.
bung Fuß fassen. In Landeck gab es erste Ver‐             und Engelbert Stenico.
sammlungen erst ab 1894, zum Teil unter                   Walter Guggenberger zeigte sein politisches         Hans-Peter Bock, Fließer Bürgermeister und
schwierigsten Bedingungen, da vom Pfarrer                 Engagement ab 1980 als Gemeinderat und von          Obmann des Naturparks Kaunergrat seit 1998,
aufgestachelte Bauern die angereisten sozial‐             1983 bis 1999 als Nationalrat. Danach war Gug‐      ist Vorsitzender der SPÖ im Bezirk Landeck. Bock
demokratischen Redner vertrieben. Erst ab                 genberger Abgeordneter zum Tiroler Landtag          war 8 Jahre lang im Tiroler Landtag als Finanz-
1900, mit der beginnenden Industrialisierung              und Klubobmann der SPÖ-Tirol. Soziale Themen        und Raumordnungssprecher des SPÖ Klubs ver‐
in Landeck, änderte sich mit der Bevölkerungs‐            waren ihm immer ein besonderes Anliegen.            treten, von 2008 bis 2010 bekleidete er die Funk‐
truktur auch die Situation. Das Wirken der Sozi‐                                                              tion eines Bundesrates. In der zweiten österrei‐
aldemokratInnen in Landeck richtete sich vor              Engelbert Stenico übte sein Amt als Landecker       chischen Parlamentskammer ist er wieder seit
allem gegen die unmenschlichen Bedingun‐                  Bürgermeister von 1998 bis zu seinem tragi‐         2013 tätig.
gen für die Arbeiterschaft in der aufblühenden            schen Unfalltod 2012 aus. Er war überaus be‐
Textilindustrie. Landeck war in den 20er Jahren           liebt bei der Bevölkerung und setzte sich für die   Die Landecker Geschäftsstelle wird gegenwärtig
und bis zum Verbot der Partei von harten Aus‐             kulturelle Entwicklung in Landeck, sowie für Bil‐   von Vorsitzendem Benedikt Lentsch und Eda
einandersetzungen mit dem bürgerlichen La‐                dung und die Umgestaltung der Malserstraße          Celik als Regionalgeschäftsführerin betreut.“
ger geprägt.                                              ein. Auch unpopuläre Entscheidungen im Sinne                                                                       Engelbert Stenico und Herbert Prock

           1. Ausflug der Landecker Kinderfreunde nach dem Krieg am 1. Mai 1946 auf die Steinwiese.                                                    Walter Guggenberger

                                                     36                                                                                                                                                            37
Im stark bäuerlich geprägten und wenig indus‐          als SPÖ-Bundesrat in Wien.
trialisierten Außerfern gab es erst nach 1918          Einen wirtschaftlichen Aufschwung für die Re‐
sozialdemokratische Ortsgruppen.                       gion Außerfern zu erreichen, lag ihm beson‐
In der Zweiten Republik gelang es Außerferner          ders am Herzen, auch die Nutzung der Festung
SozialdemokratInnen stärker in Erscheinung zu          Ehrenberg für kulturelle Zwecke geht auf seine
treten.                                                Initiative zurück. Im Jänner 2014 starb Wiese‐
Der Vorsitzende der SPÖ Reutte ist aktuell Bun‐        negg nach einer Herzoperation.
desrat Stefan Zaggl. Ihm zur Seite steht Eda
Celik als Regionalgeschäftsführerin.                   Auf eine langjährige politische Tätigkeit kann
                                                       Günter Bußjäger zurückblicken. Seit 1957 ist er
Im von der ÖVP dominierten Außerfern bleiben           Mitglied der SPÖ, 25 Jahre lang war er Bezirks‐
die zwei SPÖ-Politiker Helmut Wiesenegg und            parteivorsitzender der SPÖ im Außerfern. Buß‐
Günter Bußjäger besonders in Erinnerung.               jäger war im Gemeinderat von Reutte und Bi‐
                                                       berwier tätig und schließlich sechs Jahre lang
Helmut Wiesenegg trat als hartnäckiger Kämp‐           Biberwierer Bürgermeister. 15 Jahre lang ver‐
fer für die Sozialdemokratie auf und es gelang         trat er die SPÖ im Tiroler Landtag. Heute lebt
ihm, von 1998 bis 2010 das Bürgermeisteramt            Günter Bußjäger hochgeehrt mit seiner Frau
in Reutte zu bekleiden. Für eine Periode war er        Erika in Reutte.                                            SPÖ Tirol-Klubobmann Gerhard Reheis, SPÖ Tirol-Frauenvorsitzende Selma Yildirim und
                                                                                                                                Bundeskanzler Werner Faymann überreichen Günter Bußjäger
                                                                                                                                                die Victor-Adler-Plakette.

                                                                                                                                                                            Helmut Wiesenegg wird von
                          Helmut Wiesenegg, Ferdinand Lacina, Günter Bußjäger                            Helmut Wiesenegg mit Bundespräsident Fischer
                                                                                                                                                                            Hannes Gschwentner geehrt

                                                  38                                                                                                                                                     39
Die Bezirksstelle Imst wurde zuletzt von der Vor‐             chronisten, ein Subventionsansuchen zum Sport‐        Obwohl in Telfs 1890 die SDAP gegründet wur‐
sitzenden MEP Karoline Graswander-Hainz, die                  platzbau in Nassereith überreicht wurde.              de, war Telfs keine Hochburg der Sozialdemo‐
bis 2019 die SPÖ im EU-Parlament vertreten hat,                                                                     kratie, im Gegenteil, eine Telfer Lokalorganisa‐
geleitet, im September 2020 folgte ihr Süleyman                                                                     tion gab es erst ab 1918. Ähnlich wie in Imst
Kilic. Regionalgeschäftsführerin ist Eda Celik.                                                                     war auch Telfs ein Standort der Textilindustrie,
                                                                                                                    aber ohne starke sozialdemokratische Prä‐
Obwohl in Imst seit dem 18.Jh die Textilindustrie                                                                   gung. Ein Vorkämpfer für die Sozialdemokratie
ansässig war, blieb der Einfluss der Sozialdemo‐                                                                    in den 1920er und 1930er Jahren war Josef
kratie in diesem Bezirk vergleichsweise gering,                                                                     Rimml, nach dem Krieg Landtagsabgeordneter
die bäuerlich-klerikale Ausrichtung dominierend.                                                                    und zweiter Landtagsvizepräsident. Den ersten
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Be‐                                                                       „roten“ Bürgermeister hatte Telfs von 1962 bis
zirk Imst stark von der ÖVP geprägt, erst ab den                                                                    1974 mit Emil Achammer.
1980er Jahren gelangten sozialdemokratische                                                                         Erwin Niederwieser, langjähriger Nationalrats‐                 Ganz links NR Helmut Weinberger aus Wattens
PolitikerInnen zu mehr Einfluss.                                                                                    abgeordneter, war bis 2012 Bezirksvorsitzen‐                      mit Kreisky im Wahlkampf, ganz rechts
                                                                                                                                                                                               außen Herbert Salcher.
Ein Höhepunkt war der Besuch des damaligen                                                                          der, ihm folgte Georg Dornauer jun. nach. Die
Bundesministers Fred Sinowatz in Imst und Nas‐                                                                      Geschäftsführung liegt in Händen von Karin
sereith, wo ihm vom späteren Bürgermeister Her-                                                                     Sommeregger.
mann Riess und Gemeindevorstand Hermann
Agerer, dem langjährigen Leiter der Imster Kran‐                       Hermann Agerer und Fred Sinowatz
kenkasse und jetzigem Nassereither Dorf‐

  Fred Sinowatz in Imst vor dem Gasthof Hirschen mit
                                                                Von 2001 bis 2008 hatte die Bezirkshauptstadt mit
Günther Walser, Hermann Agerer, Rupert Thurner (Imster
                                                                  Gerhard Reheis den ersten SPÖ-Bürgermeister.                            Gabi Rothbacher und der Bezirksvorsitzende Georg Dornauer jun.
             Gemeinderat) und Ernst Fili.

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