Differenzielle pharmakologische Rückfallprophylaxe bei Alkoholabhängigkeit

Die Seite wird erstellt Hanno Hartung
 
WEITER LESEN
Journal für

 Neurologie, Neurochirurgie
 und Psychiatrie
             www.kup.at/
 JNeurolNeurochirPsychiatr   Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems

Differenzielle pharmakologische
                                                                               Homepage:
Rückfallprophylaxe bei
                                                                       www.kup.at/
Alkoholabhängigkeit                                              JNeurolNeurochirPsychiatr

Mutschler J, Kiefer F                                                  Online-Datenbank
                                                                         mit Autoren-
Journal für Neurologie
                                                                      und Stichwortsuche
Neurochirurgie und Psychiatrie
2011; 12 (1), 83-88

                                                                                            Indexed in
                                                               EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS

 Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz
 P.b.b. 02Z031117M,            Verlagsor t : 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A /21           Preis : EUR 10,–
e-Abo kostenlos
Datenschutz:
Ihre Daten unterliegen dem Datenschutzgesetz und          Das e-Journal Journal für Neurologie,
­werden nicht an Dritte weitergegeben. Die Daten          Neurochirurgie und Psychiatrie
 ­werden vom Verlag ausschließlich für den Versand
  der PDF-Files des Journals für Neurologie, Neuro­     ✔ steht als PDF-Datei (ca. 5–10 MB)
  chirurgie und Psychiatrie und e
                                ­ ventueller weiterer     stets internet­unabhängig zur Verfügung
  ­Informationen das Journal betreffend genutzt.
                                                        ✔ kann bei geringem Platzaufwand
Lieferung:                                                ­gespeichert werden
Die Lieferung umfasst die jeweils aktuelle Ausgabe      ✔ ist jederzeit abrufbar
des Journals für Neurologie, Neuro­chirurgie und
­Psychiatrie. Sie werden per E-Mail informiert, durch   ✔ bietet einen direkten, ortsunabhängigen
 Klick auf den gesendeten Link er­halten Sie die          ­Zugriff
 ­komplette Ausgabe als PDF (Umfang ca. 5–10 MB).
  Außerhalb dieses Angebots ist keine Lieferung         ✔ ist funktionsfähig auf Tablets, iPads
  ­möglich.                                               und den meisten marktüblichen e-Book-
                                                          Readern
Abbestellen:
                                                        ✔ ist leicht im Volltext durchsuchbar
Das Gratis-Online-Abonnement kann jederzeit per
Mausklick wieder abbestellt werden. In jeder Benach-    ✔ umfasst neben Texten und Bildern
richtigung finden Sie die Information, wie das Abo        ggf. auch einge­bettete Videosequenzen.
abbestellt werden kann.

                     www.kup.at/JNeurolNeurochirPsychiatr
Rückfallprophylaxe bei Alkoholabhängigkeit

  Differenzielle pharmakologische Rückfallprophylaxe
                 bei Alkoholabhängigkeit
                                                                       J. Mutschler1, F. Kiefer2

 Kurzfassung: Alkoholismus stellt weltweit ein             tische Rückfallprophylaxe wirksamer bei Patien-    logical relapse prevention. Typological differen-
 großes medizinisches Problem mit weitreichen-             ten mit einem frühen Beginn der Alkoholabhän-      tiation and genotyping may also be useful pre-
 den ökonomischen und sozialen Folgen dar. Ne-             gigkeit. Bei Patienten mit im Vordergrund ste-     dictors for drug-induced relapse prevention in
 ben psychotherapeutischen Verfahren stehen                hendem Relief Craving scheint Acamprosat bes-      alcohol dependence. Currently, three different
 seit Kurzem auch effektive medikamentöse Be-              ser zu wirken, bei Patienten mit überwiegendem     subtypes of craving are discussed: reward crav-
 handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Aktuelle            Reward Craving zeigt sich eine bessere Wirk-       ing, relief craving, and obsessive craving. Since
 Studienergebnisse geben Hinweise darauf, dass             samkeit für Naltrexon. Disulfiram, die neben       craving subtypes are suggested to share differ-
 Symptome wie Angst, Depression und vor allem              Acamprosat und Naltrexon dritte und am längs-      ent pathophysiologic characteristics, potential
 der starke Wunsch bzw. Zwang, Alkohol zu kon-             ten zugelassene rückfallprophylaktische Sub-       pharmacodynamic targets for anti-craving sub-
 sumieren („Craving“) die Wirksamkeit einer                stanz, zeigt Vorteile bei Patienten mit impulsi-   stances have been hypothesised. For treatment
 pharmakologischen Rückfallprophylaxe beein-               vem Trinkverhalten und ausgeprägtem Kontroll-      of alcohol craving, acamprosate and naltrexone
 flussen. Weiterhin könnten typologische Diffe-            verlust. Weitere klinische Studien unter Einbe-    have been available for more than 10 years.
 renzierung und Genotypisierung hilfreiche Prä-            ziehung neurobiologischer und pharmakogeneti-      These drugs, however, are not equally effective
 diktoren für eine medikamentöse Rückfall-                 scher Merkmale sind nötig, um zukünftig eine       in all patients. In general, pharmacological re-
 prophylaxe bei der Alkoholabhängigkeit sein.              fundierte differenzielle Therapieempfehlung ge-    lapse prevention seems to be more efficient in
 Suchtdruck („Craving“) stellt einen der Haupt-            ben zu können.                                     patients with an early onset of alcohol depend-
 gründe für Rückfälle im Rahmen der Alkohol-                                                                  ence. In patients suffering mainly from relief
 abhängigkeit dar. Es können aktuell drei unter-           Schlüsselwörter: Craving, Acamprosat, Nal-         craving, acamprosate was suggested to work
 schiedliche Formen von Suchtdruck unterschie-             trexon, Alkoholabhängigkeit, Rückfallprophylaxe    better. In contrast, patients suffering predomi-
 den werden: Reward Craving (Belohnung), Relief                                                               nantly from reward craving, naltrexone seems to
 Craving (Erleichterung/Entspannung) und Ob-                                                                  show a higher efficacy. Disulfiram, approved in
 sessive Craving (zwanghaft). Für jede Form von            Abstract: Predicting the Effect of Different       alcohol relapse prevention since 1951, might
 Craving werden differenzierbare zentralnervöse            Drugs on Alcohol Relapse Prevention. Alco-         show benefits in patients with impulsive drink-
 pathophysiologische Merkmale vermutet; somit              holism is an escalating health problem world-      ing and pronounced loss of control. Further clini-
 existieren mehrere potenzielle pharmakodyna-              wide. Pharmacological relapse prevention has       cal trials involving neurobiological and pharma-
 mische Angriffspunkte für Anti-Craving-Sub-               been shown to support abstinence in alcohol-       cogenetic characteristics are warranted for a
 stanzen. Die seit über 10 Jahren für die Behand-          dependent subjects; however, it is still in discus-better differentiation of the suitable medication
 lung von Craving bei der Alkoholabhängigkeit              sion whether specific phenotypes predict effi-     for each individual patient. J Neurol Neurochir
 verfügbaren Substanzen sind Acamprosat und                cacy of drug treatment. Recent results indicate    Psychiatr 2011; 12 (1): 83–8.
 Naltrexon. Diese Substanzen sind allerdings               that symptoms like anxiety, depression or strong
 nicht bei allen Patienten gleichermaßen wirk-             desire or compulsion to consume alcohol (crav- Key words: craving, acamprosate, naltrexone,
 sam. Allgemein scheint die pharmakotherapeu-              ing) might predict the efficacy of a pharmaco- alcoholism, relapse prevention

„ Einleitung                                                                           (ca. 5 % der Männer und 2 % der Frauen der erwachsenen Be-
                                                                                       völkerung) [2].
Die Alkoholabhängigkeit ist eine chronisch-rezidivierend
verlaufende Erkrankung. Die auslösenden Ursachen der Al-                               In den vergangenen Jahren wurde zunehmend deutlich, dass
koholabhängigkeit sind wie bei anderen chronischen Erkran-                             die Alkoholabhängigkeit mit einer komplexen Störung der
kungen multidimensionaler Art (bio-psycho-sozial). Der ge-                             Gehirnfunktion einhergeht. Am Anfang der Erkrankung steht
netische Einfluss, eine Alkoholabhängigkeit zu entwickeln,                             die regelmäßige Einnahme der Substanz mit einer oft ange-
liegt bei etwa 50–60 % [1]. Alkoholerkrankungen stellen da-                            nehm empfundenen Alkoholwirkung, die neuronale Grund-
bei weltweit ein außerordentliches soziales und volkswirt-                             lage hierfür stellt das mesolimbische Belohnungs- und Ver-
schaftliches Problem dar: So sind in Deutschland mindestens                            stärkungssystem mit Aktivierung der Opiatrezeptoren und
1,6 Millionen Menschen aktuell manifest alkoholabhängig,                               dopaminergen Neurotransmission dar. Wesentlich ist, dass es
zusätzlich konsumieren aktuell 3,2 Millionen Menschen                                  sich bei dem Belohnungs-/Verstärkungssystem um einen
Alkohol in riskantem bzw. schädlichem Ausmaß [2]. Das ent-                             Mechanismus mit positiver Rückkopplung handelt; Einnah-
spricht einer Prävalenz von mindestens 25 % behandlungsbe-                             meverhalten verstärkt positiv weiteres Einnahmeverhalten.
dürftiger alkoholkranker Patienten in der Gesamtbevölkerung                            Im weiteren Verlauf werden Verhaltensmuster, die in Bezug
                                                                                       zur Substanzeinnahme stehen, zwanghaft-repetitiv, unelas-
                                                                                       tisch und unkontrolliert. Hier spielen GABAerge, serotonerge
                                                                                       und noradrenerge Neurotransmittersysteme eine entscheiden-
Eingelangt am 26. Jänner 2009; angenommen nach Revision am 16. März 2009;              de Rolle bei der Abhängigkeitsentwicklung [3]. Der Verlust
Pre-Publishing Online am 16. September 2009                                            der Kontrolle über die Substanzeinnahme gilt als irreversibel
Aus der 1Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, Schweiz, und der 2Klinik für Ab-   und als eines der Schlüsselkriterien abhängigen Verhaltens.
hängiges Verhalten und Suchtmedizin, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit,
Mannheim
                                                                                       Nach einer gewissen Zeit des Substanzkonsums stellt sich
Korrespondenzadresse: Dr. med. Jochen Mutschler, Psychiatrische Universitäts-          eine zunehmende Gewöhnung mit Toleranzbildung ein. Als
klinik Zürich, CH-8021 Zürich, Militärstrasse 8; E-Mail: jochen.mutschler@puk.zh.ch    Folge der Toleranzbildung kommt es zu einer Dosisstei-

                                                                                                              J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2011; 12 (1)       83
       For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.
Rückfallprophylaxe bei Alkoholabhängigkeit

 Tabelle 1: Von einer „Abhängigkeit“ nach ICD-10 wird ge-           Tabelle 2: Unterschiedliche Hauptgruppen von Craving
 sprochen, wenn mindestens drei von insgesamt sechs Krite-
 rien im Laufe eines Jahres nachweisbar waren                       Reward Craving          Das Konzept begründet sich darin, dass die
                                                                    Substanzzufuhr einen positiv verstärkenden Effekt hervorruft. Es
 – Starker Wunsch oder Zwang, Alkohol zu konsumieren („Craving“)    gibt neurobiologische Hinweise darauf, dass bei Patienten mit im
                                                                    Vordergrund stehendem Reward Craving eine Dysregulation im
 – Minderung der Kontrolle über Beginn, Umfang und Beendigung
                                                                    Opiat-/Dopamin-System zugrunde liegt. Die Patienten dieser Grup-
   des Konsums von Alkohol
                                                                    pe erwarten eine positive und angenehme Alkoholwirkung, wel-
 – Toleranzentwicklung                                              che im Verlauf das weitere Konsumverhalten triggert. Häufig findet
 – Auftreten von Entzugserscheinungen                               sich bei dieser Patientengruppe eine positive Familienanamnese
                                                                    und ein früher Erkrankungsbeginn.
 – Vernachlässigung anderer Neigungen und Interessen zugunsten
   des Alkoholkonsums                                               Relief Craving          Das zweite Konzept stellt die Substanz-
                                                                    einnahme zur Vermeidung negativer Zustände in den Vordergrund.
 – Fortführung des Alkoholkonsums trotz eindeutig eingetretener
                                                                    Durch die Alkoholeinnahme resultiert eine erwartete Erleichterung
   körperlicher, psychischer oder sozialer Folgeschäden
                                                                    („relief“) innerer Anspannungszustände. Neurobiologisch findet sich
                                                                    bei dieser in der Regel bereits älteren Patientengruppe eine Dysre-
                                                                    gulation im GABA- und Glutamat-System.
gerung, begleitet von körperlichen Entzugssymptomen bei zu
                                                                    Obsessive Craving Dieser Gruppe werden Patienten zugeord-
niedriger eingenommener Dosis. Diese Entzugssymptome                net, die im Vordergrund ein impulsives Trinkverhalten mit Kontroll-
sind als negativer Verstärker wirksam und tragen wesentlich         verlust zeigen. Neurobiologisch wird eine Dysfunktion des
zum fortgesetzten Konsum bei vielen Betroffenen bei. Das            serotonergen Systems postuliert.
Suchtmittel wird zur Behandlung der Entzugssymptome vom
Suchtmittel eingesetzt. Parallel geht eine Veränderung der         mente im Rahmen der ambulanten Behandlung zur Rückfall-
glutamatergen Rezeptoren im Gehirn einher und erhöht hier-         prophylaxe eingesetzt werden.
durch das Auftreten von Entzugskomplikationen [4]. Im Rah-
men der Abhängigkeitsentwicklung kommt es zu einer Ver-            Prädiktoren für den Behandlungserfolg sind nicht zuletzt
stärkung der glutamatgesteuerten und zu einer Abschwä-             deshalb notwendig, da jeweils nur etwa 20–30 % der mit
chung der GABA-gesteuerten Neurotransmission (= gluta-             Acamprosat oder Naltrexon behandelten Patienten als
materge Hyperexzitabilität) [5, 6]. Die Fähigkeit, auf das         Responder eingestuft werden können [8, 12]. Ebenso profitie-
Suchtmittel zu verzichten, geht trotz schwerwiegender negati-      ren nicht alle Patienten, die mit Disulfiram behandelt werden.
ver Konsequenzen für die Patienten verloren.                       Ein prädiktiver „klinischer Marker“ könnte auf Grundlage
                                                                   des Konzepts des Cravings entwickelt werden. Wenn auch
Diesen Circulus vitiosus der Krankheitsentwicklung versu-          schwierig zu operationalisieren, so können gegenwärtig kli-
chen letztlich sämtliche therapeutische Interventionen zu          nisch 3 Hauptgruppen von Craving (Tab. 2) unterschieden
durchbrechen, einen Ansatzpunkt bilden hier die spezifischen       werden, denen unterschiedliche psychologische und neuro-
rückfallprophylaktischen Pharmaka [7, 8]. Bisher konnte der        biologische Mechanismen und Konzepte zugrunde liegen
Nachweis einer Wirksamkeit in einer großen Anzahl kontrol-         [13]. Die Unterscheidung der Unterformen von Craving
lierter Studien und Metaanalysen für den NMDA-Rezeptor-            könnte für eine differenzielle Indikation einer pharmakologi-
modulator Acamprosat und den µ-Opiatrezeptor-Antagonis-            schen Rückfallprophylaxe zukünftig relevant sein [14]. Ge-
ten Naltrexon erbracht werden, sodass diese Substanzen für         genwärtig wird dieser Fragestellung u. a. im Rahmen der
die Indikation der Alkohol-Rückfallprophylaxe in vielen Län-       „PREDICT“-Studie nachgegangen [15].
dern eine Zulassung erhielten [9]. Die dritte und mit über
50 Jahren in Deutschland bereits am längsten eingesetzte Sub-      Auch phänomenologische Unterscheidungen auf Basis typo-
stanz zur Alkohol-Rückfallprophylaxe ist der Acetaldehyd-          logischer Differenzierungen wurden auf ihren Nutzen für eine
Dehydrogenasehemmer Disulfiram.                                    Response-Prädiktion geprüft. Dabei zeigte sich, dass auch
                                                                   Typologien wie die von Babor, Cloninger oder Lesch hilf-
Die verfügbaren medikamentösen Therapieverfahren zur               reich sein können [16].
Alkohol-Rückfallprophylaxe – abgesehen von Disulfiram –
zielen dabei auf die Reduktion von Suchtdruck (Craving) [10,       Neuere potenzielle Substanzen wie z. B. Topiramat, Ondan-
11]. Sucht durch unwiderstehliches Verlangen nach einer            setron, Oxcarbazepin sowie neuropeptiderge Substanzen
Substanz ist eines von 6 Diagnosekriterien der Alkoholab-          haben in präklinischen oder ersten klinischen Studien eine
hängigkeit nach der 10. Version der International Classifica-      Wirksamkeit in der Alkoholrückfallprophylaxe gezeigt.
tion of Diseases (ICD-10) (weitere Diagnosekriterien siehe         Offen ist gegenwärtig immer noch die Frage, ob eine Kombi-
Tabelle 1). Eine Alkoholabhängigkeit kann diagnostiziert           nation der genannten Substanzen eine Wirksamkeitsstei-
werden, wenn 3 von 6 ICD-10-Kriterien innerhalb der letzten        gerung erbringen könnte [17]. Pharmakodynamisch unter-
12 Monate bestehend waren. Hieraus ergibt sich, dass das           scheiden sich Disulfiram, Acamprosat und Naltrexon von-
Erkrankungsbild interindividuell mit einer breiten Variabili-      einander, sodass eine Kombination der unterschiedlichen
tät an unterschiedlichen Symptomen in Erscheinung treten           Wirkprinzipien einen zusätzlichen Effekt erwarten ließe.
kann, da es keine Rolle spielt, welche der 3 Symptome gleich-
zeitig bestehen. Die aktuell gültigen Diagnosekriterien nach       In der folgenden Übersicht soll der Frage nachgegangen wer-
ICD-10 sind hinsichtlich der Entscheidung, welches rückfall-       den, welche Bedeutung die pharmakologische rückfallpro-
prophylaktische Medikament nach einer Entzugsbehandlung            phylaktische Behandlung in Abhängigkeit vom jeweiligen
eingesetzt wird, auf Basis der vorliegenden Studien nicht hilf-    Risikoprofil hat. Weiterhin wird anhand aktueller präklini-
reich. Sind aber die ICD-10-Kriterien einer Alkoholabhän-          scher und klinischer Studien eine Bewertung von aussichts-
gigkeit erfüllt, können grundsätzlich Anticraving-Medika-          reichen neuen, noch nicht zugelassenen Medikamenten zur

84   J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2011; 12 (1)
Rückfallprophylaxe bei Alkoholabhängigkeit

pharmakologischen Rückfallprophylaxe unternommen. Die            Staaten zur Rückfallprophylaxe bei Alkoholabhängigkeit zu-
Möglichkeiten der Kombinationstherapie werden in der fol-        gelassen (in Österreich erfolgte 1996 die Zulassung für diese
genden Übersicht ebenfalls diskutiert. Der Umfang dieser         Indikation). Naltrexon ist in Deutschland zur Behandlung
Übersichtsarbeit erlaubt keine komplette Darstellung der rele-   Opiatabhängiger, nicht aber zur Behandlung Alkoholabhängi-
vanten Literatur.                                                ger zugelassen und kann daher nur im Rahmen der ärztlichen
                                                                 Behandlungsfreiheit als Therapieversuch eingesetzt werden
„ Acamprosat                                                     („off-label use“).

Acamprosat (Kalzium-Bis-Azetyl-Homotaurinat), ein Gluta-         Die Aktivierung der µ-Opiat-Rezeptoren nach Alkoholeinnah-
matmodulator, ist seit 1996 in der rückfallprophylaktischen      me wird geblockt, weiterhin wird dadurch sekundär der meso-
Behandlung der Alkoholabhängigkeit zugelassen. Präkli-           limbische Dopaminausstoß vermindert. Hierdurch werden die
nische Studien liefern Hinweise, dass die Wirkung von            subjektiv angenehmen und positiv verstärkenden Effekte von
Acamprosat auf einem funktionellen Antagonismus am               Alkohol reduziert [19]. Dies zeigt sich tierexperimentell da-
NMDA-Rezeptor beruht. Hierdurch wird die glutamaterge            durch, dass genetisch modifizierte Mäuse ohne µ-Opiat-Re-
Hyperexzitabilität gehemmt [5, 8]. Die exakten molekularen       zeptor die Motivation verlieren, Alkohol aufzunehmen [20].
Wirkungsmechanismen sind unbekannt.                              Aufgrund dieses Wirkungsmechanismus von Naltrexon wird
                                                                 eine spezifische Wirksamkeit auf das Reward Craving diskutiert.
Neben zahlreichen tierexperimentellen Studien liegen inzwi-
schen 20 placebokontrollierte Studien zur Wirksamkeit von        Inzwischen liegen zu Naltrexon mehrere placebokontrollierte
Acamprosat vor. Die klinische Wirksamkeit wurde in Form          Studien und Metaanalysen vor, die auch beim Menschen
von erhöhten Abstinenzraten und einer erhöhten Anzahl der        einen rückfallprophylaktischen Effekt zeigen [21, 22]. Eine
trinkfreien Tage für Acamprosat dokumentiert. Die Metaana-       Cochrane-Metaanalyse bestätigt die Reduktion von schweren
lysen klinischer Studiendaten ergeben einen Anteil kontinu-      Rückfällen und Trinkhäufigkeit unter Behandlung mit
ierlicher Abstinenz von 36,1 % nach 6 Monaten unter Acam-        Naltrexon (Effektstärke: 0 28; NNT = 7) [22], auch wenn die
prosatbehandlung, verglichen mit 23,4 % unter Placebobe-         Zeit bis zum ersten Alkoholkonsum nicht in allen Studien ver-
handlung und eine Effektstärke von 0,26 [18]. Hieraus ergibt     längert war [23, 24].
sich, dass 7,5 Patienten behandelt werden müssen, um einen
Rückfall zu vermeiden („numbers needed to treat“, NNT).          Vor Behandlungsbeginn sollten einige Tage Alkoholabsti-
                                                                 nenz bestehen. Die Standard-Tagesdosis liegt bei 50 mg/Tag,
Acamprosat führt zu keinen relevanten Wechselwirkungen           welche als Einmalgabe eingenommen werden kann. Weiter-
mit anderen Medikamenten, zu keiner erhöhten Alkoholtoxi-        hin liegt ein intramuskulär injizierbares Depotpräparat von
zität und besitzt kein Abhängigkeitspotenzial. Die empfohle-     Naltrexon vor. Naltrexon ist insgesamt gut verträglich, die
ne Tagesdosis liegt bei 1998 mg/die (bei Patienten > 60 kg       häufigsten Nebenwirkungen sind Übelkeit, gastrointestinale
Körpergewicht), verteilt auf drei Tagesdosen. Zu den häufige-    Beschwerden und Kopfschmerzen. Kontraindikationen beste-
ren Nebenwirkungen zählen gastrointestinale Beschwerden          hen bei akuter Hepatitis und schwerer Leberfunktionsstörung.
(v. a. Diarrhö), dermatologische Symptome (v. a. Juckreiz)       Die opiatantagonistische Wirkung von Naltrexon muss außer-
und Kopfschmerzen. Kontraindikationen sind Schwanger-            dem in spezifischen Situationen (z. B. Opiatanalgesie, Opiat-
schaft und Stillzeit, Serumkreatinin > 120 µmol/l bei Patien-    missbrauch/-abhängigkeit) mitbedacht werden. Naltrexon be-
ten mit Niereninsuffizienz und schwere Leberinsuffizienz.        sitzt kein Abhängigkeitspotenzial, daher sollte die Therapie
Therapiebeginn mit Acamprosat sollte nach der Entgiftung         auch im Falle eines Alkoholrückfalls fortgesetzt werden.
sein; aufgrund der nach der körperlichen Entgiftung anfangs
hohen Rückfallgefährdung ergibt sich eine empfohlene Be-         Wie bei vielen psychiatrischen und somatischen Erkrankun-
handlungsdauer von 12 Monaten.                                   gen ist die Compliance von alkoholabhängigen Patienten,
                                                                 regelmäßig rückfallprophylaktische Medikamente einzuneh-
Es wurde diskutiert, dass Acamprosat besser bei Patienten mit    men, oft gering ausgeprägt. Dabei hängt die Medikamenten-
ausgeprägtem Relief Craving wirken könnte [15]. Bei dieser       Compliance maßgeblich vom weiteren Behandlungserfolg ab.
Gruppe von Patienten, die oft wiederholte Alkoholentzüge         Seit Kurzem steht deshalb eine parenteral injizierbare Form
durchgemacht haben, steht die neuronale Hyperexzitabilität       von Naltrexon zur Verfügung, welche eine Anwendung ein-
(Verminderung der inhibitorischen, GABAergen bei gleich-         mal monatlich erlaubt. In einer kürzlich publizierten Arbeit
zeitiger Erhöhung der exzitatorischen, glutamatergen Neuro-      von Garbutt et al. konnte die Effektivität von retardiertem
transmission) im Vordergrund. Das erhöhte Rückfallrisiko in      Naltrexon in einer Phase-III-Studie demonstriert werden:
dieser Gruppe korrespondiert mit dem Typ I nach Lesch, der       380 mg retardiertes Naltrexon (i.m.) (einmal monatlich appli-
durch früh auftretende körperliche Entzugssymptome und           ziert) plus psychosoziale Therapie führten zu einer etwa um
Entzugsanfälle charakterisiert ist, und bei dem sich ebenfalls   25 % reduzierten Rate schwerer Trinktage verglichen mit Pla-
eine erhöhte Wirksamkeit von Acamprosat zeigt [16].              cebo [25]. Im Rahmen des 6-monatigen Untersuchungs-
                                                                 zeitraumes wurde das retardierte Naltrexon gut vertragen und
„ Naltrexon                                                      führte zu keinen unerwarteten Nebenwirkungen, verglichen
                                                                 mit oralem Naltrexon, was sich u. a. in einer hohen Haltequote
Naltrexon ist ein µ-Opiat-Rezeptorantagonist mit zusätzlicher    bzw. Akzeptanz innerhalb der Therapie zeigt (Anzahl der
geringer Aktivität am κ- und δ-Opioid-Rezeptor und wurde         Patienten, welche alle 6 Injektionen erhalten haben: Verum
1995 in den USA und in der Folge in vielen westeuropäischen      380 mg 63 %, Verum 190 mg 65 % und Placebo 64 %) [26].

                                                                                      J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2011; 12 (1)   85
Rückfallprophylaxe bei Alkoholabhängigkeit

Nalmefen, ebenfalls ein Opiat-Rezeptorantagonist, wirkt ne-        langen Halbwertszeit von Disulfiram möglich. Die Wirkung
ben dem µ-Opiat-Rezeptor zusätzlich am κ-Opiat-Rezeptor,           endet im Allgemeinen 1–4 Tage nach der letzten Einnahme,
was sich in einer präklinischen Arbeit als günstiger hinsicht-     kann im Einzelfall aber noch bis zu 14 Tage anhalten. Neben-
lich freiwillig aufgenommener Alkohol-Trinkmenge gezeigt           wirkungen von Disulfiram als Substanz selbst, die ohne Alko-
hat [27]. In ersten klinischen Studien, bei denen Nalmefen als     holkonsum auftreten können, sind relativ mild und beinhalten
„Bedarfsmedikament“ zur Reduktion schwerer Trinktage ein-          Müdigkeit, Kopfschmerzen, allergische Dermatitis, unange-
gesetzt wurde, zeigte es sich in Kombination mit einer psy-        nehmen Körpergeruch und sexuelle Dysfunktionen. Durch
chosozialen Kurzintervention erfolgreich hinsichtlich Reduk-       Hemmung der Dopamin-β-Hydroxylase führt Disulfiram zu
tion der konsumierten Alkoholmenge und damit einhergehen-          erhöhten zerebralen Dopaminspiegeln, was in seltenen Fällen
der Verbesserung der Leberenzyme [28, 29].                         zu psychotischen Symptomen führen kann. Potenziell gefähr-
                                                                   lich ist die toxische Hepatitis (ca. 1 von 25.000 behandelten
Auf der Grundlage der Wirksamkeit von Naltrexon lässt sich         Patienten) und Laktat-Azidose. Kontraindikationen ergeben
annehmen, dass insbesondere Patienten mit im Vordergrund           sich für Patientinnen in der Schwangerschaft, akute psychoti-
stehendem Reward Craving davon profitieren könnten. Dies           sche Erkrankungen, dekompensierte Leberzirrhose, Patienten
sind vorwiegend Patienten mit einem frühen Beginn der              mit kardiovaskulären oder zerebrovaskulären Erkrankungen,
Alkoholerkrankung (d. h. vor dem 25. Lebensjahr) und einer         Ösophagusvarizen und Hyperthyreose [32].
erhöhten genetischen Belastung (Cloninger-Typ II) [16]. Auf
Basis der Typologie nach Lesch ergeben sich dagegen eher           Mittlerweile mehren sich Hinweise dafür, dass Disulfiram
Hinweise auf eine Wirksamkeit von Naltrexon bei den Typen          – im Rahmen eines umfassenden Gesamtkonzepts unter thera-
III und IV [16].                                                   peutischer Aufsicht ausgegeben – das Rückfallrisiko ein-
                                                                   drucksvoll senken kann [31, 33]. Nach Expertenmeinung wird
„ Disulfiram                                                       Disulfiram gegenwärtig nicht außerhalb spezifischer Behand-
                                                                   lungsprogramme empfohlen (Leitlinien der „Deutschen Ge-
Der erste Wirkstoff in der pharmakologischen Therapie der          sellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie“ und der
Alkoholabhängigkeit wurde Anfang des 20. Jahrhunderts              „Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und
zufällig entdeckt. Bereits 1951 wurde Disulfiram von der           Nervenheilkunde“).
„Food and Drug Administration“ (FDA) für die Behandlung
der Alkoholabhängigkeit zugelassen.                                Aufgrund der potenziell lebensbedrohlichen Nebenwirkun-
                                                                   gen nimmt Disulfiram eine Sonderrolle ein und sollte derzeit
Disulfiram hemmt irreversibel die Aldehyd-Dehydrogenase,           nur unter strenger Supervision und bei genauer Kenntnis der
die für den Abbau von Acetaldehyd zu Acetat beim Alkohol-          Wirkungsweise verabreicht werden. Besonders scheinen
abbau verantwortlich ist. Es werden noch weitere Enzyme            impulsive Patienten mit einer hohen Compliance von einer
durch Disulfiram gehemmt, z. B. die Dopamin-β-Hydroxy-             Disulfiram-Therapie zu profitieren [34]. Ob neben der aversi-
lase und hepatische mikrosomale Enzyme [30]. Die Akkumu-           ven Wirkung zusätzlich ein Einfluss auf Craving besteht, wird
lation von Acetaldehyd führt zu der so genannten Disulfiram-       gegenwärtig intensiv diskutiert und untersucht [35].
Alkohol-Reaktion (ADR) mit folgendem, bereits rasch nach
Alkoholkonsum auftretenden vegetativen Symptomkomplex              „ Perspektiven: neue Substanzen
bestehend aus: Übelkeit, Hautrötung („flush“), Schwitzen,
Kopfschmerz, Herzklopfen, Hypotonie bis hin zu lebens-             In den vergangenen Jahren wurden weitere Substanzen auf
bedrohlichen Reaktionen wie Herzrhythmusstörungen, Syn-            ihre rückfallprophylaktischen Eigenschaften hin untersucht.
kopen, Herzinfarkt und zerebralen Krampfanfällen. Diese            Pharmaka, die am dopaminergen (hier v. a. Substanzen mit
höchst unangenehmen Folgen sollen über ihre psychologisch          Affinität an D1- und D2-Rezeptoren) und serotonergen System
aversive Wirkung zur Unterdrückung des Trinkverhaltens             ansetzen, haben bislang keine bzw. keine überzeugenden Er-
führen [31].                                                       gebnisse erbracht [36, 37]. Im Gegensatz hierzu zeichnet sich
                                                                   ein Potenzial für Präparate aus der Gruppe der Antikonvulsiva
Nach einer Eindosierungsphase von Disulfiram unter kontrol-        (z. B. Topiramat, Oxcarbazepin), der Cannabinoid- (CB1-)
lierter absoluter Alkoholabstinenz erfolgt die Fortführung mit     Rezeptorantagonisten sowie neuropeptidergen Substanzen ab
einer Tagesdosis von 0,2–0,5 g. Auch eine Verabreichung von        [7, 8]. Aus dem Bereich der Substanzen am dopaminergen
1–2 g wöchentlich ist unter ärztlicher Kontrolle aufgrund der      System scheinen v. a. selektive D3-Rezeptorantagonisten aus-

 Tabelle 3: Übersicht aussichtsreicher neuer Substanzen für die rückfallprophylaktische Behandlung der Alkoholabhängigkeit
 Substanz       Pharmakologischer Wirkmechanismus                                Craving/Patienten     Weiterführende Literatur

 Topiramat      Blockade der Na+-Kanäle und Verstärkung GABA-erger Mechanismen   Relief                [38, 39]
 Baclofen       Agonist am GABA-B-Rezeptor                                       Relief                [40]
 Ondansetron    5-HT3-Antagonist                                                 Reward? Early onset   [41, 42]
 Rimonabant     Cannabinoid-1-Rezeptorantagonist                                 Relief                [43]
                mGluR5-Antagonismus                                              Relief?               Bislang keine klinischen Studien
                CRH-Antagonismus                                                 Relief?               Bislang keine klinischen Studien
 LY686017       Neurokinin-1-Rezeptor Antagonismus                               Relief?               [44, 45]

86   J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2011; 12 (1)
Rückfallprophylaxe bei Alkoholabhängigkeit

sichtsreich und werden gegenwärtig klinisch untersucht [8].      Rückfallprophylaxe sollte daher mit anderen abstinenzerhal-
Weiterhin werden spezifische Alternativpräparate zu Acam-        tenden Therapien kombiniert werden, um eine optimale Wirk-
prosat und Naltrexon aus den Gruppen der NMDA- bzw. Opi-         samkeit zu erreichen. Aktuelle Studien versuchen besonders
at-Rezeptorantagonisten entwickelt und zeigen Hinweise auf       geeignete Untergruppen von Patienten zu identifizieren, um
Wirksamkeit. Für keines dieser Präparate (Übersicht siehe        dann den Erfolg einer medikamentösen Rückfallprophylaxe
Tabelle 3) liegt jedoch bisher eine ausreichende klinische       weiter steigern zu können. Zukünftig könnten pharmakogene-
Datenlage vor, um einen Einsatz in der klinischen Praxis zu      tische Merkmale mit dazu beitragen, ein individuell geeigne-
begründen.                                                       tes Medikament für Patienten zu finden.

„ Kombinationsbehandlung                                         „ Interessenkonflikt
Geht man davon aus, dass die beschriebenen Mechanismen           Die Autoren verneinen einen Interessenkonflikt.
von Suchtdruck (Reward, Relief und Obsessive Craving)
einen Rückfall einleiten können, so sollte die gleichzeitige       „ Relevanz für die Praxis
pharmakologische Beeinflussung unterschiedlicher invol-
vierter Neurotransmittersysteme zu additiven Effekten in der       1. Für die Indikation der Rückfallprophylaxe bei der Alko-
Rückfallprophylaxe führen können. Acamprosat, Naltrexon               holabhängigkeit sind derzeit evidenzbasiert wirksam
und Disulfiram besitzen eine hohe Tolerabilität bei fehlenden,        und verfügbar: Acamprosat, Naltrexon und Disulfiram.
potenziell schwerwiegenden Interaktionseffekten. Die aktu-         2. Rückfallprophylaktische Medikamente werden bislang
elle Datenlage erbringt in zwei klinischen Studien Hinweise           angesichts ihrer Effektivität in einem niedrigen Maße
auf eine verbesserte Wirksamkeit durch Kombinationsbe-                eingesetzt.
handlung von Acamprosat und Naltrexon [46], eine dritte            3. Es gibt derzeit keine Hinweise, dass der Einsatz von
(COMBINE) konnte eine verbesserte Wirksamkeit der Kom-                rückfallprophylaktischen Medikamenten einen negati-
binationsbehandlung nicht replizieren [47].                           ven Einfluss auf die Inanspruchnahme zusätzlicher psy-
                                                                      chosozialer Therapien haben könnte.
Für die Kombinationsbehandlung mit Naltrexon und Disulfi-
ram konnte in 3 Studien kein additiver Effekt gefunden wer-
den [48–50]. Die Behandlung mit Disulfiram und Naltrexon
war der Placebobehandlung allerdings in allen Studien über-      Literatur:                                        12. Kiefer F, Mann K. Pharmacotherapy and
                                                                                                                   behavioral intervention for alcohol depen-
legen [48–50]. Im Rahmen einer kontrollierten Multicenter-       1. Goldman D, Oroszi G, Ducci F. The genetics
                                                                                                                   dence. JAMA 2006; 296: 1727–8.
                                                                 of addictions: uncovering the genes. Nat Rev
studie erbrachte die Kombination von Acamprosat mit Disul-       Genet 2005; 6: 521–32.                            13. Verheul R, van den Brink W, Geerlings P.
firam bessere Behandlungsergebnisse (185 Tage kumulative                                                           A three-pathway psychobiological model of
                                                                 2. Bühringer G, Augustin R, Bergmann E, et al.    craving for alcohol. Alcohol Alcohol 1999; 34:
Abstinenzdauer) als die alleinige Behandlung mit Acampro-        Alkoholkonsum und alkoholbezogene Störun-         197–222.
                                                                 gen in Deutschland. Nomos, Baden-Baden,
sat (100 Tage), Disulfiram (112 Tage) oder mit Placebo (50       2000.                                             14. Heinz A, Lober S, Georgi A, et al. Reward
                                                                                                                   craving and withdrawal relief craving: as-
Tage). Dabei traten keine Interaktionen zwischen Disulfiram      3. Weinshenker D, Schroeder JP. There and         sessment of different motivational pathways
und Acamprosat auf [51].                                         back again: a tale of norepinephrine and drug     to alcohol intake. Alcohol Alcohol 2003; 38:
                                                                 addiction. Neuropsychopharmacology 2007;          35–9.
                                                                 74: 1433–51.
                                                                                                                   15. Mann K, Kiefer F, Smolka M, et al.; and
„ Pharmakogenetische Ansätze                                     4. Heinz A, Schafer M, Higley JD, et al. Neu-
                                                                 robiological correlates of the disposition and
                                                                                                                   the PREDICT Study research team. Searching
                                                                                                                   for responders to acamprosate and naltrexone
                                                                 maintenance of alcoholism. Pharmacopsy-           in alcoholism treatment: Rationale and de-
Die Pharmakogenetik untersucht prädiktive genetische Mar-        chiatry 2003; 36 (Suppl 3): 255–8.                sign of the PREDICT Study. Alcohol Clin Exp
ker, um den Einfluss der unterschiedlichen genetischen Aus-      5. Spanagel R, Pendyala G, Abarca C, et al.       Res 2009; 33: 674–83.
                                                                 The clock gene Per2 influences the glutamat-      16. Kiefer F, Helwig H, Tarnaske T, et al. Phar-
stattung von Patienten auf die Wirkung von Pharmaka zu be-       ergic system and modulates alcohol con-           macological relapse prevention of alcoholism:
urteilen. So konnte beispielsweise eine funktionelle Variante    sumption. Nat Med 2005; 11: 35–42.                clinical predictors of outcome. Eur Addict Res
des µ-Opiat-Rezeptors (OPRM1-Polymorphismus) in Zusam-           6. Tsai GE, Ragan P, Chang R, et al. Increased    2005; 11: 83–91.
                                                                 glutamatergic neurotransmission and oxida-        17. Kiefer F, Wiedemann K. Combined therapy:
menhang mit der Wirksamkeit von Naltrexon in der Rück-           tive stress after alcohol withdrawal. Am J        what does acamprosate and naltrexone com-
fallprophylaxe gebracht werden [52]. Patienten mit ein oder      Psychiatry 1998; 155: 726–32.                     bination tell us? Alcohol Alcohol 2004; 39:
                                                                 7. Kiefer F, Mann K. New achievements and         542–7.
zwei Kopien des Asp40-Allels zeigten unter Behandlung            pharmacotherapeutic approaches in the treat-      18. Mann K, Lehert P, Morgan MY. The effi-
mit Naltrexon signifikant geringere Rückfallraten als homo-      ment of alcohol dependence. Eur J Pharmacol       cacy of acamprosate in the maintenance of
                                                                 2005; 526: 163–71.                                abstinence in alcohol-dependent individuals:
zygote Asn40-Allelträger [52, 53].
                                                                 8. Spanagel R, Kiefer F. Drugs for relapse pre-   results of a meta-analysis. Alcohol Clin Exp
                                                                 vention of alcoholism: ten years of progress.     Res 2004; 28: 51–63.

„ Diskussion                                                     Trends Pharmacol Sci 2008; 29: 109–15.
                                                                 9. Sass H, Soyka M, Mann K, et al. Relapse
                                                                                                                   19. Volpicelli JR, Alterman AI, Hayashida M,
                                                                                                                   et al. Naltrexone in the treatment of alcohol
                                                                 prevention by acamprosate. Results from a         dependence. Arch Gen Psychiatry 1992; 49:
Im Vergleich mit anderen Klassen von Psychopharmaka              placebo-controlled study on alcohol depen-        876–80.
(z. B. Neuroleptika, Antidepressiva) werden „Entwöhnungs-        dence. Arch Gen Psychiatry 1996; 53: 673–         20. Roberts AJ, McDonald JS, Heyser CJ, et
                                                                 80.                                               al. mu-Opioid receptor knockout mice do not
mittel“ bislang trotz ihrer Effektivität in einem medizinisch    10. Addolorato G, Abenavoli L, Leggio L, et       self-administer alcohol. J Pharmacol Exp
unplausibel niedrigen Maße eingesetzt. Entgegen der verbrei-     al. How many cravings? Pharmacological as-        Ther 2000; 293: 1002–8.
teten Sorge, dass eine medikamentöse Rückfallprophylaxe die      pects of craving treatment in alcohol addic-      21. Bouza C, Angeles M, Munoz A, et al. Effi-
                                                                 tion: a review. Neuropsychobiology 2005; 51:      cacy and safety of naltrexone and acamprosate
Bereitschaft für eine Inanspruchnahme zusätzlicher psycho-       59–66.                                            in the treatment of alcohol dependence: a
sozialer Therapien verringert, scheint im Gegenteil eine Phar-   11. Bottlender M, Soyka M. Impact of craving      systematic review. Addiction 2004; 99: 811–
                                                                 on alcohol relapse during, and 12 months fol-     28.
makotherapie diese Bereitschaft durch eine erhöhte Absti-        lowing outpatient treatment. Alcohol Alcohol      22. Srisurapanont M, Jarusuraisin N. Naltrexone
nenzquote noch zu steigern [33, 54]. Eine medikamentöse          2004; 39: 357–61.                                 for the treatment of alcoholism: a meta-ana-

                                                                                                 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2011; 12 (1)                    87
Rückfallprophylaxe bei Alkoholabhängigkeit

lysis of randomized controlled trials. Int J Neu-   alcohol deterrents on outcome. Alcohol Clin       blind trial. J Clin Psychopharmacol 2008; 28:    cohol dependence and comorbid psychiatric
ropsychopharmacol 2005; 8: 267–80.                  Exp Res 2006; 30: 86–95.                          317–24.                                          disorders. Biol Psychiatry 2005; 57: 1128–37.
23. Gastpar M, Bonnet U, Boning J, et al. Lack      34. Fuller RK, Branchey L, Brightwell DR, et      44. Mutschler J, Grosshans M, Kiefer F.          50. Petrakis IL, Poling J, Levinson C, et al.
of efficacy of naltrexone in the prevention of      al. Disulfiram treatment of alcoholism. A         A new pharmacological treatment option           Naltrexone and disulfiram in patients with
alcohol relapse: results from a German multi-       Veterans Administration cooperative study.        for alcohol dependence discovered in trans-      alcohol dependence and comorbid post-trau-
center study. J Clin Psychopharmacol 2002;          JAMA 1986; 256: 1449–55.                          national study: Neurokinin-1 receptor antago-    matic stress disorder. Biol Psychiatry 2006;
22: 592–8.                                                                                            nist as a possible therapy for alcoholism?       60: 777–83.
                                                    35. Suh JJ, Pettinati HM, Kampman KM, et
                                                                                                      Neuropsychiatr 2008; 22: 283–5.
24. Krystal JH, Cramer JA, Krol WF, et al.          al. The status of disulfiram: a half of a cen-                                                     51. Besson J, Aeby F, Kasas A, et al. Com-
Naltrexone in the treatment of alcohol de-          tury later. J Clin Psychopharmacol 2006; 26:      45. George DT, Gilman J, Hersh J, et al. Neu-
                                                                                                                                                       bined efficacy of acamprosate and disulfiram
pendence. N Engl J Med 2001; 345: 1734–9.           290–302.                                          rokinin 1 receptor antagonism as a possible
                                                                                                                                                       in the treatment of alcoholism: a controlled
                                                                                                      therapy for alcoholism. Science 2008; 319:
25. Garbutt JC, Kranzler HR, O’Malley SS, et        36. Nunes EV, Levin FR. Treatment of depres-                                                       study. Alcohol Clin Exp Res 1998; 22: 573–9.
                                                                                                      1536–9.
al. Efficacy and tolerability of long-acting in-    sion in patients with alcohol or other drug
                                                                                                      46. Kiefer F, Jahn H, Tarnaske T, et al. Com-    52. Anton RF, Oroszi G, O’Malley S, et al. An
jectable naltrexone for alcohol dependence:         dependence: a meta-analysis. JAMA 2004;
                                                                                                      paring and combining naltrexone and acam-        evaluation of mu-opioid receptor (OPRM1) as
a randomized controlled trial. JAMA 2005;           291: 1887–96.
                                                                                                      prosate in relapse prevention of alcoholism: a   a predictor of naltrexone response in the
293: 1617–25.
                                                    37. Garbutt JC, West SL, Carey TS, et al.         double-blind, placebo-controlled study. Arch     treatment of alcohol dependence: results
26. Pettinati HM, Gastfriend DR, Dong Q, et         Pharmacological treatment of alcohol depen-       Gen Psychiatry 2003; 60: 92–9.                   from the Combined Pharmacotherapies and
al. Effect of extended-release naltrexone (XR-      dence: a review of the evidence. JAMA 1999;                                                        Behavioral Interventions for Alcohol Depen-
NTX) on quality of life in alcohol-dependent                                                          47. Anton RF, O’Malley SS, Ciraulo DA, et al.
                                                    281: 1318–25.                                                                                      dence (COMBINE) study. Arch Gen Psychiatry
patients. Alcohol Clin Exp Res 2009; 33: 350–                                                         Combined pharmacotherapies and behavioral
                                                                                                                                                       2008; 65: 135–44.
                                                    38. Johnson BA, Rosenthal N, Capece JA, et        interventions for alcohol dependence: the
6.
                                                    al. Topiramate for treating alcohol dependence:   COMBINE study: a randomized controlled           53. Oslin DW, Berrettini W, Kranzler HR, et al.
27. Walker BM, Koob GF. Pharmacological             a randomized controlled trial. JAMA 2007;         trial. JAMA 2006; 295: 2003–17.                  A functional polymorphism of the mu-opioid
evidence for a motivational role of kappa-          298: 1641–51.                                                                                      receptor gene is associated with naltrexone
                                                                                                      48. Landabaso MA, Iraurgi I, Sanz J. Nal-
opioid systems in ethanol dependence.                                                                                                                  response in alcohol-dependent patients. Neu-
                                                    39. Johnson BA, Rosenthal N, Capece JA, et        trexone in the treatment of alcoholism. Two-
Neuropsychopharmacology 2008; 33: 643–52.                                                                                                              ropsychopharmacology 2003; 28: 1546–52.
                                                    al. Improvement of physical health and quality    year follow up results. Eur J Psychiatry 1999;
28. Arias AJ, Armeli S, Gelernter J, et al. Ef-     of life of alcohol-dependent individuals with     13: 97–105.                                      54. Kiefer F, Jahn H, Holzbach R, et al. Die
fects of opioid receptor gene variation on tar-     topiramate treatment: US multisite random-        49. Petrakis IL, Poling J, Levinson C, et al.    NALCAM-Studie: Wirksamkeit, Verträglich-
geted nalmefene treatment in heavy drinkers.        ized controlled trial. Arch Intern Med 2008;      Naltrexone and disulfiram in patients with al-   keit, Outcome. Sucht 2003; 49: 342–51.
Alcohol Clin Exp Res 2008; 32: 1159–66.             168: 1188–99.
29. Karhuvaara S, Simojoki K, Virta A, et al.       40. Addolorato G, Leggio L, Ferrulli A, et al.
Targeted nalmefene with simple medical              Effectiveness and safety of baclofen for
management in the treatment of heavy drink-         maintenance of alcohol abstinence in alcohol-
ers: a randomized double-blind placebo-con-         dependent patients with liver cirrhosis: ran-
trolled multicenter study. Alcohol Clin Exp                                                             Dr. med. Jochen Mutschler
                                                    domised, double-blind controlled study. Lancet
Res 2007; 31: 1179–87.                              2007; 370: 1915–22.                                 Geboren 1976. Studium der Medizin in Ulm
30. Johansson B. A review of the pharmaco-          41. Johnson BA, Roache JD, Javors MA, et al.        und Zürich bis 2004. Promotion Nuklearme-
kinetics and pharmacodynamics of disulfiram         Ondansetron for reduction of drinking among         dizin 2004. Neurologische Weiterbildung
and its metabolites. Acta Psychiatr Scand           biologically predisposed alcoholic patients: A
Suppl 1992; 369: 15–26.                                                                                 Kliniken Schmieder Allensbach bis 2006.
                                                    randomized controlled trial. JAMA 2000; 284:
31. Mutschler J, Diehl A, Vollmert C, et al.        963–71.
                                                                                                        Von 2006–2010 Arzt am Zentralinstitut für
Recent results in relapse prevention of alco-                                                           Seelische Gesundheit Mannheim. Seit
                                                    42. Kranzler HR, Pierucci-Lagha A, Feinn R,
holism with disulfiram. Neuropsychiatr 2008;        et al. Effects of ondansetron in early- versus      2010 Oberarzt an der Psychiatrischen
22: 243–51.                                         late-onset alcoholics: a prospective, open-la-      Universitätsklinik Zürich.
32. Mutschler J, Diehl A, Kiefer F. Pharmacol-      bel study. Alcohol Clin Exp Res 2003; 27:
ogy of disulfiram – an update. Fortschr Neurol      1150–5.
                                                                                                        Forschungsschwerpunkte: Translationale
Psychiatr 2008; 76: 225–31.                                                                             Suchtforschung, Alkoholabhängigkeit, Tabak-
                                                    43. Soyka M, Koller G, Schmidt P, et al. Can-
33. Krampe H, Stawicki S, Wagner T, et al.          nabinoid receptor 1 blocker rimonabant (SR          abhängigkeit, illegale Drogen und Psycho-
Follow-up of 180 alcoholic patients for up to       141716) for treatment of alcohol dependence:        pharmakologie.
7 years after outpatient treatment: impact of       results from a placebo-controlled, double-

                                                   Wir danken den Reviewern 2010
     M. Aigner, M. Bach, C. Baumgartner, T. Berger, H. Binder, B. Bogerts, D.-M. Denk-
     Linnert, C. Enzinger, M. Feichtinger, G. Fischer, P. Fischer, R. Frey, C. Geretsegger,
     W. Grisold, A. Gruber, H. Hinterhuber, G. Kasprian, H. Kastner, C. Lampl, W. Lang,
     R. Lanzenberger, F. Leutmezer, W. Löscher, B. Mamoli, J. Marksteiner, A. M. Möller-
     Leimkühler, E. Moser, M. Musalek, N. Nedopil, N. Praschak-Rieder, S. Quasthoff,
     M. Rauchenzauner, B. Richling, B. Schneider-Stickler, W. Serles, J. Spatt, P. Stein,
     T. Stompe, M. Trapl, A. Unger, K. Ungersböck, J. Wancata, D. Winkler, F. Zimprich

88       J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2011; 12 (1)
Mitteilungen aus der Redaktion

                          Besuchen Sie unsere
                zeitschriftenübergreifende Datenbank
       Bilddatenbank                Artikeldatenbank                Fallberichte

                                   e-Journal-Abo
Beziehen Sie die elektronischen Ausgaben dieser Zeitschrift hier.
Die Lieferung umfasst 4–5 Ausgaben pro Jahr zzgl. allfälliger Sonderhefte.
Unsere e-Journale stehen als PDF-Datei zur Verfügung und sind auf den meisten der markt­
üblichen e-Book-Readern, Tablets sowie auf iPad funktionsfähig.
                              Bestellung e-Journal-Abo

Haftungsausschluss
Die in unseren Webseiten publizierten Informationen richten sich ausschließlich an geprüfte
und autorisierte medizinische Berufsgruppen und entbinden nicht von der ärztlichen Sorg-
faltspflicht sowie von einer ausführlichen Patientenaufklärung über therapeutische Optionen
und deren Wirkungen bzw. Nebenwirkungen. Die entsprechenden Angaben werden von den
Autoren mit der größten Sorgfalt recherchiert und zusammengestellt. Die angegebenen Do-
sierungen sind im Einzelfall anhand der Fachinformationen zu überprüfen. Weder die Autoren,
noch die tragenden Gesellschaften noch der Verlag übernehmen irgendwelche Haftungsan-
sprüche.
Bitte beachten Sie auch diese Seiten:
Impressum               Disclaimers & Copyright                     Datenschutzerklärung
Sie können auch lesen