Digitale Bildung' wird zu einer Einflugschneise für die IT-Wirtscha= 1 - Horst Niesyto
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‚Digitale Bildung‘ wird zu einer Ein ugschneise für die IT-Wirtscha 1 Horst Niesyto IT-Konzerne und IT-Interessenverbände sind seit geraumer Zeit im Bildungsbereich auf dem Vormarsch. Über Netzwerke von Firmen, Vereinen und staatlichen Instanzen gibt es sub le und o ene Formen der Beein ussung und Werbung. Unter dem Label ‚Digitale Bildung‘ entstand in den letzten Jahren eine weitere Ein ugschneise für die IT-Wirtscha im Bildungsbereich. Die umfassende Ausbeutung persönlicher Datenpro le und die massi- ve Kommerzialisierung von Lebenswelten und Bildungsorten durch den digitalen Kapitalismus kann nicht weiter hingenommen werden. Es ist dringend geboten, seitens der Medienpädagogik eine deutliche und kri sche Posi- onierung vorzunehmen. „Medienpädagogik ist gefragt wie nie zuvor, dennoch steckt sie in der Krise“ (Projekt Tari onzept-Kampagne 2019) Es ist beeindruckend, was Medienpädagoginnen und Medienpädagogen in den pädagogischen Arbeitsfeldern während der Corona-Krise an inhaltlichen Impulsen mi els digitaler Kommunika ons- und Lernpla ormen geleistet haben. Dies betri sowohl die pädagogische Praxis mit verschiedenen Zielgruppen als auch die Hoch- schullehre. Ich schreibe dies als jemand, der seit einigen Jahren pensioniert ist, aber über verschiedene Kanäle und Kontakte immer noch einen Einblick in aktuelle Ak vitäten und Entwicklungen hat. Es ist zu ho en, dass es gelingt, die posi ven Impulse und Erfahrungen aus diesen Ak vitäten in die kün ige Alltagsarbeit zu integrie- ren. Gleichzei g werden in der Corona-Krise auch Problemfelder sehr deutlich, die schon lange exis eren. Insge- samt – nicht nur mit Blick auf die Medienpädagogik – gibt es das gravierende Problem in unserer Gesellscha , dass es an quali zierten Fachkrä en fehlt, um Beratungs-, Betreuungs- und pädagogische Aufgaben angemes- sen wahrnehmen zu können. Bei vielen poli schen Entscheidungsträgern werden andere Bereiche als ‚system- relevanter‘ eingeschätzt und genießen andere Förderprioritäten als Tä gkeiten in den genannten Aufgabenfel- dern. Nicht nur in der aktuellen Corona-Krisensitua on werden insbesondere soziale Benachteiligungen sicht- bar. Medienpädagogische Organisa onen verö entlichten mehrere Stellungnahmen, in denen auf die gegenwär ge Situa on und Handlungsbedarfe eingegangen wird. Zu nennen sind vor allem die Gesellscha für Medienpäd- agogik und Kommunika onskultur e.V. (2020), die Deutsche Gesellscha für Erziehungswissenscha Sek on Medienpädagogik (siehe Rummler et al. 2020) und die Ini a ve Keine Bildung ohne Medien! (2020). Die Fach- organisa onen betonen bei ihren Empfehlungen und Forderungen u.a. folgende Punkte: • eine Neuausrichtung der Aus- und Fortbildung im Sinne einer umfassenden Medienbildung, die medienbe- zogene Bildungs- und Lernprozesse in allen p dagogischen Handlungsfeldern beinhaltet; die verbindliche Verankerung einer ‚Grundbildung Medien‘ in pädagogischen Studiengängen für alle Studierenden; • die verstärkte Vernetzung von Bildungsbereichen und -einrichtungen, auch im Kontext bestehender zivilge- sellscha licher Strukturen und neuer lern-, medien- und kommunika onskultureller Praxen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen; 1 Bei dem folgenden Text handelt es sich um die Langfassung eines Beitrags, der in der Ausgabe 1/2021 in der Zeitschri medien + er- ziehung erschienen ist (Niesyto 2021); siehe auch den Hinweis am Ende dieser Langfassung. Alle Links sind ak viert. 1 ti ti ft ti ti ti fi ft ti fft fk ti ft ff ti ä fl ti ti tt ti ti ti ti ti ti ft ff ft ti ti fi ft ft ti ff fl ft ti ft ttf fl ti ti ft
• die Nutzungsmöglichkeit einer gemeinsamen, kollabora v arbeitenden, exiblen und beweglichen techni- schen Infrastruktur, die hinsichtlich Handhabbarkeit, Datenschutz und Qualitätskriterien in unterschiedlichen pädagogischen Bereichen zur Verfügung steht. Mit dem ‚Digitalpakt Schule‘ hat die Bundesregierung für die digital-technische Infrastruktur-Aussta ung von Schulen in letzter Zeit größere Mi el zur Verfügung gestellt. Notwendig sind zugleich erheblich mehr Mi el für die Lehrkrä ebildung, damit Bildungs- und Lernprozesse mit und über Medien pädagogisch sinnvoll unterstützt werden können. Hierfür bedarf es vor allem einer ‚Grundbildung Medien‘ für alle pädagogischen Fachkrä e und eines ver e en Studiums der Medienpädagogik. In vielen medienpädagogischen Handlungsfeldern domi- niert nach wie vor eine eher projektbezogene Förderung und es mangelt strukturell an unbefristeten Mitarbei- ter*innen-Stellen. Zwar gibt es in Deutschland diverse Medienwe bewerbe und Projektausschreibungen, aber für die Alltagsar- beit fehlen immer noch breitenwirksame und nachhal ge Ressourcen. Teilweise gibt es sogar Entwicklungen, vorhandene Stellen und Strukturen abzubauen wie aktuell z.B. die geplante Zerschlagung von neun SAEK-Me- dienkompetenzzentren in Sachsen (vgl. Medienpädagogik e.V. 2020). Auch in der Fort- und Weiterbildung ist die Situa on unbefriedigend. Eine Gruppe von freien Medienpädagoginnen und Medienpädagogen stellte zur aktuellen Situa on fest: „Medienpädagogik ist gefragt wie nie zuvor, dennoch steckt sie in der Krise. Es fehlen Ausbildungswege, faire Arbeitsbedingungen und eine laute, gemeinsame S mme aus der Praxis“ (Projekt Tarif- konzept-Kampagne 2019). Bezüglich einer gemeinsamen S mme waren wir schon einmal weiter. Ich erinnere an das ‚Medienpädagogi- sche Manifest‘ aus dem Jahre 2009 und an den ‚Medienpädagogischen Kongress‘, der 2011 in Berlin sta and (Ini a ve KBoM 2011). Damals gelang es, die Krä e innerhalb der Medienpädagogik für gemeinsame Anliegen zu bündeln und gleichzei g viele Einrichtungen und Organisa onen aus anderen Bereichen für eine Unterstüt- zung und Zusammenarbeit zu gewinnen. Auch die Kultusministerkonferenz, die Enquetekommission ‚Internet und digitale Gesellscha ‘ und verschiedene Landesregierungen gri en Vorschläge und Forderungen wie z.B. eine ‚Grundbildung Medien‘ für alle pädagogischen Fachkrä e in Strategiepapieren und Beschlüssen auf (Nie- syto 2016, S. 18 .). In den Jahren danach mangelte es aber an der Umsetzung staatlicher Deklara onen auf Bundes- und Landesebene. Größere Teile der Poli k orien erten mehr auf eine ‚Digitalisierungso ensive‘ und betonten vor allem Bildungsinnova onen im Hinblick auf Arbeitswelt und Wirtscha (ebd., S. 24 .).2 Digitalisierung und Bildung – Anmerkungen aus einer medien- und gesellscha skri schen Perspek ve Der Koali onsvertrag der von CDU/CSU und SPD getragenen Bundesregierung aus dem Jahr 2018 enthielt an verschiedenen Stellen zwar Hinweise zur Förderung von Medienkompetenz für alle Bürgerinnen und Bürger, auch zum Ausbau von außerschulischen Medienprojekten und technischen Infrastrukturen (Lernpla ormen, Cloud-Lösungen), zum Au au „regionaler Kompetenzzentren für Digitalisierung“ sowie weitere Details (Bun- desregierung 2018). Im Koali onsvertrag fehlte allerdings u.a. die Benennung konkreter Meilensteine für die Umsetzung. Unklar blieb auch die Finanzierung der medienbezogenen Quali zierung von pädagogischen Fach- krä en. Damit zeichnete sich ab, dass einsei g Geld in technische Infrastrukturen und So ware inves ert wird, ohne dass hinreichend mit den Bundesländern geklärt wurde, wie die medienpädagogische Quali zierung ei- ner sehr großen Zahl von pädagogischen Fachkrä en in den einzelnen Bildungsbereichen zu gewährleisten und 2 Siehe auch h ps://horst-niesyto.de/ini a ve-kbom/ und h ps://horst-niesyto.de/medienpaedagogik-und-poli k/ 2 ft ti ti ti ti ft tt ti ti ft ff ft ti fb ti ti ti tt ti ti ti tt ft tt ft ti ti ti ti ft ti ff fl ti fi ft ft ti ft ti ff ff fi ti ti ti tt ttf tt ttf ft
zu nanzieren ist. Vom BMBF geförderte Projekte, die u.a. das „Primat des Pädagogischen“ betonen, können diesen ‚Baufehler‘ in der Digitalpoli k nicht besei gen.3 Es ist au ällig, dass die vorherrschende Bildungspoli k vor allem auf ‚Digitalisierung‘ setzt. Alles wird digital, auch die Forschung zu ‚digitaler Bildung‘ soll intensiviert werden (BMBF 2020). Zwar ist ‚digitale Bildung‘ eine gri ge Bezeichnung, die als Label bzw. Hashtag besonders für bildungspoli sche Arenen geeignet erscheint. Aber in der Medienpädagogik gibt es vermehrt kri sche S mmen. So wird darauf hingewiesen, dass das Adjek- v ‚digital‘ bezüglich ‚digitale Bildung‘ sachlich falsch ist, „weil Bildung nach keiner mir bekannten Bildungs- theorie digital sein kann“ (Vollbrecht 2018, S. 26). Auch wird angemerkt, dass ‚digitale Bildung‘ eine „entleerte Sammelbezeichnung, ein eingängiges Label ist, das für alles und nichts gebraucht werden kann“ (Kübler 2018, S. 17). Der Rat für Kulturelle Bildung formulierte in einer Stellungnahme: „Digitale Bildung an sich gibt es nicht“, „Bildungsprozesse bleiben Bildungsprozesse – mit oder ohne Zuhilfenahme von Digitaltechnik“ (Rat für Kultu- relle Bildung 2019, S. 22; vgl. auch Fuchs 2021, S. 163 .). Und der Erziehungswissenscha ler Ri elmeyer be- tont in einem Buch über Digitale Bildung – ein Widerspruch (2018) u.a.: „In der kri schen Diskussion der Digi- tal-O ensive wurde bereits vielfach darauf hingewiesen, dass beispielsweise ein digitales Denken, Fühlen und Wollen schwer vorstellbar ist – es sei denn, man geht bei den im Blick stehenden Heranwachsenden von ma- schinenähnlichen Wesen aus“ (ebd., S. 9). Die Bezeichnungen ‚digitale Bildung‘ und ‚digitale Grundbildung‘ verkürzen zugleich den Blick auf die Vieldi- mensionalität der pädagogischen Aufgabenstellung. Immer mehr an den Rand geraten grundlegende Fähigkei- ten und Kompetenzen, die für die Förderung von Bildungs- und Lernprozesse wich g sind, wie z.B. die Re exi- on des eigenen Bildungsverständnisses und elementare pädagogisch-didak sche und medienpädagogische Kompetenzen (Niesyto 2019, S. 208). Mit Blick auf die schulische Bildung reicht es nicht aus, eine – ho entlich funk onierende – Digitaltechnik (mit Unterstützung von Systemadministrator*innen) zur Verfügung zu stellen und es ansonsten der ‚Schwarmintelligenz’ der Lehrkrä e zu überlassen, damit pädagogisch und didak sch kompetent umzugehen. Aus mehreren Studien ist bekannt, dass nicht nur ältere Lehrkrä e, sondern auch viele Studierende und jüngere Lehrkrä e strukturkonserva ve Vorstellungen von Bildung und Lernen haben.4 Hier zeichnet sich nicht nur ein großer Bedarf an einer Re exion vorhandener Bildungs- und Lernverständnisse ab, sondern zugleich die Hinterfragung und Überwindung überkommener Schulstrukturen. Des Weiteren übersieht der Digital-Hype, dass es neben Wandel und ‚Disrup on‘ auch wich ge und sinnvolle Kon nuitäten gibt. Zu diesen Kon nuitäten gehören z.B. grundlegende Kenntnisse und Kompetenzen im Be- reich der visuellen Gestaltung und Kommunika on mit Stehend- und Bewegtbildern; weitere Themen- und Kompetenzfelder wären zu nennen. Digitale Technik und digitale Ästhe ken verändern zwar bisherige analoge Symbol- und Zeichensysteme und es ist wich g, sich Kompetenzen insbesondere für ein Verständnis algorith- mischer Prozesse und für den Umgang und das eigene Gestalten mit digitalen Medien anzueignen.. Gleichzei g ist festzuhalten: „Auch unter den Bedingungen der Digitalität verschwindet das Analoge nicht, sondern wird neu be- und teilweise sogar aufgewertet“ (Stalder 2016, S. 18). 3 Das von einer bundesweiten Expertengruppe erstellte Hintergrundpapier für die Förderrichtlinie des BMBF im Rahmen der „Quali- tätso ensive Lehrerbildung“ (van Ackeren et al. 2019) benennt zwar wich ge (medien-)pädagogische Überlegungen zur „Digitalisierung in der Lehrerbildung“, klammert aber eine konkrete Thema sierung der nanziellen Ressourcen für die Umsetzung und auch den rasant zunehmenden Ein uss der IT-Wirtscha auf das Bildungswesen aus. Diese Themen gehören jedoch zu den Herausforderungen, die zu bewäl gen sind. 4 So analysiert z.B. Gesine Kulcke in einer aktuellen Studie zu Vorstellungen von Lehramtsstudent*innen über den Umgang mit Medien in der Grundschule, dass die Studierenden die Mediennutzung von Kindern dosieren und kontrollieren möchten, dass sich mit dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht bei den Studierenden Ängste verbinden, dadurch die Kontrolle über den Unterricht zu verlieren und dass digitale Medien sich in bestehende Unterrichtsmethoden einfügen, aber diese nicht verändern sollen (Kulcke 2020, S. 192 .). 3 ti ffi fi ti ff ti ti ff ff fl ft ft ti ti ti ti ti ti ti ti fl ti ff ft ti fi ti ti ti ti ti ti ti ft ft ti tt ff fl ti ff ti
Auf dem Hintergrund der skizzierten Überlegungen empfehle ich, die Bezeichnung ‚digitale Bildung‘ nicht als „Sammelbegri für bildungsrelevante Fragen und Zielsetzungen angesichts digitaler Transforma onsprozesse“ (Irion 2019, S. 57) oder als pragma sche „Zusammenführung der Konzepte aus der Medienbildung und der informa schen Bildung“ (Kammerl et al. 2019, S. 38) zu verwenden. Medienpädagogik und informa sche Bil- dung haben unterschiedliche disziplinäre Themen- und Kompetenzfelder. Es gibt zwar informa sche Themen wie algorithmische Logik und Prozesse, die im Sinne eines grundsätzlichen und zugleich kri schen Verständnis- ses auch für die Medienpädagogik relevant sind, inklusive einer krea ven Gestaltung von und mit Datentech- nologien in Bildungs- und Lernkontexten (z.B. MakerSpace-Projekte).5 Dies bedeutet jedoch nicht, beide Berei- che unter dem Label einer ‚digitalen Bildung‘ zusammenzuführen. Vielmehr sollte es darum gehen, Vorschläge zur Koopera on von Medienpädagogik, informa scher Bildung und weiteren Disziplinen in den einzelnen päd- agogischen Arbeitsfeldern konkret auszuloten, ohne die jeweiligen Themen- und Kompetenzfelder zu verwi- schen bzw. alle relevanten Themen einem Digital-Label unterzuordnen (zur Medienpädagogik: siehe DGfE Sek- on Medienpädagogik 2017). Beispiel schulische Bildung: Hier orien eren führende Vertreter*innen der Informa k auf eine ächendeckende Einführung eines Unterrichtsfachs Informa k ab der Grundschule.6 Sinnvoll wären meines Erachtens curriculare Überlegungen, die sowohl informa sche als auch medienpädagogische Themen umfassen. Diese reichen von Modellen wie sie z.B. aktuell in der Schweiz prak ziert werden (Modul Medien und Informa k, vgl. Merz 2018) bis hin zu Modellen, die einen Mix aus medienbezogenen Basiskursen (mit medienpädagogischen und informa- schen Grundlagen), fächerintegra ven Angeboten und ver efenden (informa k- und medienbildungsbezoge- nen) Wahlmöglichkeiten in der Sekundarstufe I und II präferieren.7 Es sollte dabei nicht um das Abarbeiten engmaschiger Kompetenzkataloge und norma v geschlossener Konzepte gehen, sondern um die Auseinander- setzung mit Themenfeldern im Rahmen o ener Bildungsprak ken. Zugleich wäre eine solche Mediengrundbil- dung für Schüler*innen ein sehr wich ger Beitrag gegen Bildungsungerech gkeit, insbesondere wenn sie ziel- gruppensensible, erfahrungs- und lebensweltorien erte Konzepte unterstützt (u.a. Bröckling 2020).8 Unabhängig von der Situa on in den verschiedenen pädagogischen Handlungsfeldern ist es erforderlich, be- züglich des grundlegenden Verhältnisses von Digitalisierung und Bildung eine kri sche Analyse und Posi onie- rung vorzunehmen, die Fragen von ökonomischen und gesellscha lichen Machtstrukturen nicht ausklammert. Persönlichkeitsbildung ist untrennbar mit Fragen nach gesellscha lichen Lebensbedingungen, nach Bildungsge- rech gkeit, nach demokra efördernden und -gefährdenden Prozessen verbunden. Problema sche Medien- entwicklungen zu untersuchen war schon immer eine wich ge Aufgabe von Medienkri k (vgl. Niesyto/Moser 2018). Aktuell geht es vor allem um Analysen zum digitalen Kapitalismus, zum Daten- und Überwachungskapi- talismus (u.a. Zubo 2018; Staab 2019, Nachtwey/Seidl 2020; aus medienpädagogischer Perspek ve u.a. Nie- 5 Zum Thema „Making und Medienpädagogik“ siehe das Themenhe von medien + erziehung He 4/2019 (7 Beiträge), das Themenhe „Making und Makerlabs“ von medienimpulse Nr. 4/2020 (9 Beiträge) und das Buch „Chance Makerspace“ (hrsg. von Ingold/Maurer/ Trüby 2019). 6 z.B. Chris ne Regitz, Vizepräsiden n der Gesellscha für Informa k e.V. und Mitglied des Aufsichtsrats der SAP, auf dem ‚Digital Gipfel‘ 2020 (30.11.2020); siehe auch h ps://gi.de/aktuelles/projekte/digitale-schule 7 Überlegungen zu einer schulbezogenen Zusammenarbeit: siehe u.a. verschiedene Beiträge im Themenhe 4/2018 (‚Medienpädagogik und Informa k‘) von medien + erziehung. Zur Medienbildung an Grundschulen würde es sich anbieten, aktuelle Erfahrungen und Be- funde aus verschiedenen Entwicklungs- und Forschungsprojekten vergleichend auszuwerten, u.a. Junge/Niesyto (2019) und Thumel/ Kammerl/Irion (2020). Als ein Beispiel für bisherige Bemühungen, Medienbildung in schulische Bildung besser zu integrieren, siehe die ‚Bildungsplanreform 2016‘ in Baden-Wür emberg zur ‚Leitperspek ve Medienbildung‘ (vgl. hierzu ein Diskussionsbeitrag: h ps://t1p.- de/ris4 (Kurzlink). 8Zum Thema ‚Medien und soziale Ungleichheit‘ siehe u.a. das He 3/2020 von medien + erziehung (Themenschwerpunkt) und h ps:// horst-niesyto.de/mediensozialisa on/ 4 ti ti ti ti ti ti ti ff ff tt ti ti ti ti tt ti ti ti ti ti ff ti ft ti ti ti ti ft ti ti ft ti ti ti ft ft ti ti ti ft ti ti ft ti ti ti fl ti ti ti ti ti tt ti tt ft
syto 2017; Buckingham 2019). So o eriert z.B. die Vermessung nahezu aller Lebenswelten und des eigenen Körpers (vgl. Mau 2017) die Op mierung des Alltags und des Selbst. Diese Vermessung hat allerdings einen harten kapitalis schen Kern: Die Erschließung neuer Absatzmärkte und die Kommerzialisierung immer weiterer Lebensbereiche über eine umfassende Erfassung persönlicher Daten.9 Technologiegetriebene Zukun smodelle über das gesellscha liche Zusammenleben, die die Vielschich gkeit des Menschseins letztlich der Präzision algorithmischer Berechnungen in Verbindung mit einem quan ta ven Wachstumsdenken unterordnen, sind kri sch zu bewerten. Es geht schlichtweg um die Frage, ob weiterhin eine Pluralität von Erkenntnisweisen von Wirklichkeit und gesellscha lichen Entwicklungspfaden exis eren wird – oder ob Verengungen auf binäre Modi des Weltverstehens und damit verknüp e ökonomische und ge- sellscha liche Leitbilder forciert werden (vgl. Niesyto 2017, S. 20). Es ist eine wich ge Bildungsaufgabe, eine kri sche Re exion gesellscha licher Leitbilder zu fördern, demokra sche Grundrechte zu verteidigen und ver- stärkt Schlüsselfragen einer demokra schen Entwicklung der Gesellscha in allen Bereichen (auch der Wirt- scha !) zu thema sieren (ebd., S. 21 .). Um die Abhängigkeitssitua on von den „proprietären Märkten“ des digitalen Kapitalismus (Staab 2019) zu überwinden, braucht es vor allem poli scher Vorgaben bzw. Rahmenbedingungen für globale IT-Konzerne so- wie den Auf- und Ausbau ö entlicher, demokra scher, gemeinwohlorien erter digitaler Infrastrukturen und ressourcenschonender Prozesse jenseits kommerziell-kapitalis scher Verwertungsinteressen von Konzernen. Hier geht es um eine Richtungsentscheidung: Gezielte Förderung gemeinwohlorien erter digitaler und media- ler Infrastrukturen oder weitere Unterstützung eines bildungsindustriellen Komplexes. Zu diesem Komplex ana- lysiert Richard Münch mit Blick auf die Schule: „Auf diesem Kampfplatz ringen alte und neue Akteure um die Deutungshoheit und durchschlagenden Ein- uss, um Macht und Pro te. Das alte p dagogische Establishment in den Schaltzentralen der Kultusb ro- kra e sieht sich dabei zunehmend von einem bildungsindustriellen Komplex entmachtet, in dem die OECD (Organiza on for Economic Coopera on and Development), Beratungsunternehmen, Think Tanks, philan- throkapitalis sche S ungen, Bildungsreformer, Bildungsforscher, Bildungs- und Tes ndustrie den Bil- dungsprozess in Schule und Unterricht in den Gri nehmen und einem efgreifenden Wandel unterziehen“ (Münch 2018, S. 11).10 9 Eine Vermessung von Mensch und Gesellscha gab es bereits in der vor-digitalen Zeit, um Muster und Verhaltensweisen zu erkennen, zu regulieren und zu kontrollieren (vgl. Nassehi 2019). Mit der Herausbildung global agierender IT-Konzerne und ihren „proprietären Märkten“ (Staab 2019) ist allerdings ein neues ‚Geschä smodell‘ entstanden, das strukturelle Ähnlichkeiten zwischen kapitalis schen und digitalen Prinzipien gezielt nutzt, um persönliche Daten in nahezu allen Lebensbereichen systema sch zu erfassen und für Zwecke der Pro tmaximierung zu nutzen. Hierfür geht die Vermessung über Computer-Mensch-Schni stellen auch zunehmend in den Körper hinein und das Ineinander von Körperlichkeit und binären Daten- und Simula onswelten wird immer ießender (‚mediale Inkorpora - on‘; vgl. Niesyto 2017, S. 19). 10 Zum Thema ‚bildungsindustrieller Komplex‘ siehe auch den Beitrag von Hug & Madritsch 2020, S. 7 . 5 fl ti ti ft fi ft ti fl ti ti ti ti ft fi ti ff ft ft ti ff ti ff ti ft ti ä ti ft ti ff ft ti ti ti ft ft ti tt ff fl ti ti ti ti ft ti ti ü ti ti ti ti t
‚Digitale Bildung‘ wird zu einer Ein ugschneise für Interessen der IT-Wirtscha im Bildungsbereich Im Folgenden geht es um die Frage, wie insbesondere IT-Konzerne versuchen, gezielt auf den ö entlichen Bil- dungsbereich Ein uss zu nehmen.11 Wir haben es mit einer neuen Qualität zu tun. Die Gewerkscha Erziehung und Wissenscha (GEW) stellt hierzu fest: „Bemerkenswert am Lobbyismus der Digitalwirtscha sind jedoch die Qualit t, die m gliche Wirkung und die Intensit t privatwirtscha licher Ein ussnahme auf Inhalte und Rahmenbedingungen von Bildung. Gro- ße Konzerne bieten ihre Hard- und So ware im Paket mit Fortbildungen, Unterrichtskonzepten, Apps und Lernpla ormen an. Die entlichen Diskussionen ber die schulische Aussta ung, ber die curriculare Verankerung (S chwort: P ich ach Informa k) oder auch ber Open Educa onal Resources (OER) stehen o unverhohlen unter dem Ein uss von S ungen, IT-Interessenverb nden oder der Unternehmerseite“ (GEW 2019, S. 2). Wirtscha snahe Ini a ven, S ungen und Pla ormen verstärken erheblich ihren Ein uss im ö entlichen Bil- dungswesen, z.B. das Bündnis für Bildung, der Bundesverband digitale Bildung, das Forum Bildung Digitalisie- rung oder das Netzwerk digitale Bildung (vgl. Förschler 2018).12 So ist es Vertreter*innen der IT-Wirtscha in Zusammenarbeit mit der Gesellscha für Informa k (GI) gelungen, aus unterschiedlichen Bereichen S mmen für eine ‚Charta Digitale Bildung‘ zu versammeln.13 In der Charta wird mit wohlklingenden Worten wie „Urteils- fähigkeit, Krea vität, Selbstbes mmtheit, Gestaltungsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein“ auf ‚digitale Kompetenzen‘ in Verbindung mit ‚digitaler Bildung‘ fokussiert. Es erfolgt ein Hinweis auf „Bezugswissenschaf- ten der Digitalisierung“; in diesem Zusammenhang werden die informa sche Bildung und eine „wissenscha lich geprägte Medienkompetenz“ erwähnt. Von Medienpädagogik und Medienbildung ist in der Charta nicht mehr die Rede – und dies obgleich es zuvor einen Austausch zwischen Vertreter*innen der Informa k und der Medi- enpädagogik gab.14 Die Entwicklung von der ‚Dagstuhl-Erklärung‘ bis hin zur ‚Charta digitale Bildung‘ sollte nachdenklich s mmen: Die Medienpädagogik wurde an den Rand gedrängt, während sich die IT-Wirtscha im Bildungsbereich breit macht. Diese Entwicklung wird deutlich, wenn man z.B. die für die Medienpädagogik sehr wich ge Aufgabe der Medienkri k in den Blick nimmt. Grundlegende Dimensionen von Medienkri k und eine Auseinandersetzung mit Fragen des digitalen Kapitalismus wurden in der ‚Dagstuhl-Erklärung‘ ausgeklammert und es fehlt eine Be- zugnahme auf das wich ge Anliegen einer ‚Grundbildung Medien‘. Auch das ‚Frankfurt-Dreieck‘ (Ini a ve KBoM 2019) enthält bezüglich der Machtstrukturen von IT-Konzernen und damit verknüp en Strategien der systema schen Ein ussnahme auf den Bildungsbereich nur vage Andeutungen. Zwar werden verschiedene Themenaspekte genannt und auf die Komplexität des ‚digitalen Wandels‘ hingewiesen – eine Auseinanderset- zung mit dem digitalen Kapitalismus und Datenkapitalismus im Sinne einer medien- und gesellscha skri schen 11 Der vorliegende Beitrag fokussiert auf die IT-Wirtscha und ihr nahestehende Interessenverbände und Netzwerke. Dabei ist es mit Blick auf marktbeherrschende Stellungen notwendig, zwischen global agierenden IT-Konzernen einerseits und kleinen und mi elständi- schen IT-Firmen andererseits zu unterscheiden. Zentral ist allerdings (für alle) das Problemfeld kommerzieller Ein ussnahme und Wer- bung in ö entlichen Bildungsbereichen. Auch ist darauf hinzuweisen, dass es von weiteren Wirtscha sbereichen schon geraume Zeit Bestrebungen und Prak ken gibt, auf das ö entliche Bildungswesen Ein uss zu nehmen. Ein spezieller Bereich sind Schulbuchverlage: Einerseits beziehen sie sich auf staatliche Bildungsplanvorgaben und sind eingebunden in Regularien einer Qualitätssicherung; gleichzei- g arbeiten sie auf der Basis privatwirtscha licher Zielsetzungen. Auch für diesen Bereich wäre eine kri sche Analyse der aktuell prak - zierten ‚Geschä smodelle‘ und der jeweiligen Arbeits- und Angebotsstruktur unter verschiedenen Aspekten wich g. 12 vgl. h ps://www.b .org/; h ps://bvdb.org/; h ps://www.forumbd.de; h ps://www.netzwerk-digitale-bildung.de/ 13 vgl. h ps://charta-digitale-bildung.de 14 vgl. ‚Dagstuhl-Erklärung‘ (GI 2016), ‚Frankfurt-Dreieck‘ (Ini a ve KBoM 2019); siehe auch h ps://horst-niesyto.de/medienpaedagogik-und-informa sche-bildung/ 6 ti tt ft tt tt ttf ff ti ft ti ä ft ti ti ft fl fb ti fl ti ti ti tt ö fl ff ft ti tf ft ti ft ff fl ft ft fl fl tt ti ti ft ttf ti ti ti ü ft ti ft ü fl tt ti ti ä ti tt ft ft ft ti ö fl ü ä ft ti fl ti ti ff ff ft ft ti tt ti ti ti ft ft ti t
Analyse und Posi onierung ndet nicht sta . Auch fehlt im ‚Frankfurt-Dreieck‘ eine Bezugnahme auf eine ‚Grundbildung Medien‘ für alle pädagogischen Fachkrä e – dies ist seit dem Berliner Kongress (2011) eine der zentralen Forderungen der Ini a ve KBoM.15 Das Ausklammern dieser Punkte ist um so mehr ein Problem, wenn man das Vorgehen wirtscha snaher IT-Ini a ven näher betrachtet. Eine Analyse von Dokumenten wirtscha snaher IT-Ini a ven zeigt u.a.: Mit dem Hinweis auf ‚digitale Souverä- nität‘ geht es vor allem um eine individuelle Kompetenzerweiterung, um sich stets aufs Neue digitalen Innova- onen und insbesondere ökonomischen Verwertungszusammenhängen anzupassen (vgl. z.B. Vereinigung der Bayerischen Wirtscha e. V. 2018, S. 60 f.).16 Ziele und Strukturen der gegenwär g dominanten gesellscha li- chen und ökonomischen Verwertungszusammenhänge werden nicht hinterfragt. Auch ist es kein Zufall, dass auf na onaler und EU-Ebene forciert mit entsprechenden Grundsatzpapieren und Förderprogrammen gearbei- tet wird, um im Rahmen von Top-Down-Strategien Deutungshoheiten zu realisieren und wirtscha snahe Ziel- setzungen im Bildungs- und Wissenscha sbereich durchzusetzen (vgl. die Studie von Altenrath/Helbig/Ho ues 2020).17 Konzep onell geht es vor allem um ‚digital literacy‘ mit einer technisch-funk onalen Grundausrich- tung. Konzepte von ‚media educa on‘ und eines breiten Verständnisses von ‚media literacy‘ spielen in diesen wirtscha snahen Dokumenten und Strategien so gut wie keine Rolle. Auf interna onaler poli scher Ebene (EU und UNESCO) zeigt sich inzwischen die Tendenz, ‚digital literacy‘ mit ‚media literacy‘ gleichzusetzen (vgl. Trültzsch-Wijnen 2020, S. 218) – eine Tendenz, die seit geraumer Zeit auch in Deutschland zu beobachten ist. Der Ein uss der IT-Wirtscha hat unter dem Label ‚digitale Bildung‘ und in Zusammenhang mit dem milliarden- schweren ‚Digitalpakt Schule‘ insbesondere auf die schulische Bildung erheblich zugenommen. Während Wis- senscha sministerien und die meisten Hochschulen sich bislang nicht in der Lage sehen, Medienbildung brei- tenwirksam und verbindlich – insbesondere im Sinne einer ‚Grundbildung Medien‘ – in pädagogischen Studi- engängen zu verankern, bieten diverse IT-Firmen (neben dem Verkauf von Hard- und So ware) den Schulen Workshops für Lehrkrä e und Unterrichtsmaterialien an, darunter auch viele kostenfreie Angebote (z.B. ‚Apple Dis nguished Educatos’, ‚Google Expedi ons‘, ‚Microso Innova ve Educator Experts‘). Über verschiedene Werbemaßnahmen gibt es inzwischen sub le und o ene Formen der Beein ussung: „Die Interessen der Digi- talwirtscha im Bildungsbereich sind vielfäl g und reichen von der Verbesserung der eigenen Marktstellung, der frühen Bindung von Kindern und Jugendlichen an ihre Marke, der Imagep ege, dem Sammeln von Daten junger Menschen, dem Sammeln von Unterrichtsentwürfen, die von Lehrkrä en oder Lernenden produziert worden sind, bis hin zum direkten Zugri auf bildungspoli sche Entscheidungsträger“ (Schmerr 2019, S. 60). Gleichzei g mangelt es an Überlegungen und Regelungen zur Qualitätssicherung von (digitalen) Bildungsmedi- en und zu Kriterien für Sponsoring-Ak vitäten. 15 Siehe hierzu die Forderungen und Vorschläge der Inia ve Keine Bildung ohne Medien! h ps://t1p.de/a9tp (Kurzlink), die Publika on Grundbildung Medien in pädagogischen Studiengängen (hrsg. von Imort/Niesyto 2014) sowie eine kompakte Übersicht auf h ps:// t1p.de/4b7z (Kurzlink). Zur professionspoli schen Arbeit der Ini a ve KBoM insgesamt siehe die KBoM-Website h ps://www.keine- bildung-ohne-medien.de. KBoM ar kuliert seit 2009 kon nuierlich bildungs- und professionspoli sche Anliegen und Forderungen in verschiedenen Ö entlichkeiten, auch im Rahmen interdisziplinärer Diskurse, u.a. durch Posi onspapiere, Pressemi eilungen, Fachta- gungen und Workshops. 16Zu diesen Anpassungsleistungen siehe auch den Text von Valen n Dander über Ideologische Aspekte von ‚Digitalisierung‘. In seinem Resümee zur Kri k des bildungspoli schen Kurses um das KMK-Strategiepaper Bildung in der digitalen Welt hält er u.a. fest: „Die Gestal- tungsaufgabe besteht demnach primär in der Anpassungsleistung, die Ins tu onen wie Individuen an sich zu vollziehen haben, und kaum darin, Kontextbedingungen zu scha en, die den Einsatz digitaler Technologien etwa für soziale Gerech gkeit wahrscheinlicher werden lassen“ (Dander 2018, S. 271). 17 Sowohl auf na onaler als auch auf EU-Ebene gibt es andere Grundsatzpapiere und Förderprogramme in verschiedenen Handlungs- feldern, die nicht nur wirtscha snahe Zielsetzungen verfolgen. Exemplarisch seien bezüglich der EU-Ebene genannt: Europäische Leitli- nien für digitale Jugendarbeit (2020; h ps://t1p.de/hj2n – Kurzlink) und Schlussfolgerungen des Rates zur Medienkompetenz in einer sich st ndig wandelnden Welt (2020; h ps://t1p.de/xd7y – Kurzlink). 7 ti ti ä ti fl ft ft ti ft ti ff ti ti ti ft ft ft ft ti ti fi ti tt tt ti ft ti ff ti ti ff ft ft ti ti ti ti tt ti ti ti ti ff ti ti ti ft ti ti ft ti ti ti ti tt fl ti ft fl ti ti ti ti ft ti ti tt tt ft fh tt ft ti
In dem bereits erwähnten Dossier über Ak vitäten der Digitalindustrie im Bildungsbereich hat sich die GEW (2019) mit den IT-Großkonzernen Apple, Microso , Google, Samsung Electronics und dem Interessenverband Bitkom (Deutschland) auseinandergesetzt. Bezüglich Bitkom fasst das Dossier u.a. zusammen: „Deutlich wird eine entsprechend der Ausrichtung der Mitgliedsunternehmen einsei ge Fokussierung digitaler Medien, deren Einsatz ausschließlich und grunds tzlich posi v bewertet wird“ (ebd., S. 9). Das Dokument „Lobby-Check: Für eine werbe- und lobbyismusfreie Schule“ (GEW 2020) enthält Hinweise und Orien erungshilfen, um in päd- agogischen Kontexten kommerzielle Interessen bei digitalen Angeboten und Lernmaterialien erkennen und einschätzen zu können.18 Empfehlenswert zum Thema Bildungswesen, Digitalisierung und IT-Wirtscha sind ver efende Analysen und Beiträge insbesondere von Annina Förschler (2018), Tim Engartner (2020), Sigrid Hartong (2020), Theo Hug & Reinhold Madritsch (2020): • Annina Förschler (2018) erstellte zum ‚Who ist who?‘ der deutschen Bildungs-Digitalisierungsagenda eine kri sche Poli knetzwerkanalyse, die auf der Basis einer netzwerkethnogra schen Erhebung belegt, dass pri- vatwirtscha liche Interessen der sog. EdTech (Educa on Technology-)Industrie zunehmend enger mit bil- dungspoli schen Programma ken verknüp werden. Der Ein uss verschiedener EdTech-Akteure wird her- ausgearbeitet und insbesondere am Beispiel des Bündnis für Bildung (BfB) detailliert dargestellt.19 • Tim Engartner (2020) analysiert in einer Studie zur Ökonomisierung schulischer Bildung u.a., wie im Rahmen des sog. ‚DigitalPakts Schule‘ für IT-Konzerne äußerst lukra ve Absatzmärkte gescha en werden. Engartner zeigt auf, wie die Digitalisierung an Schulen bislang eher von ökonomischen Interessen als von pädagogi- schen Konzepten geprägt ist und wie Schul-, Bildungs- und Kultusministerien die Anwendbarkeit, Verwert- barkeit und Arbeitsmarktkompa bilität von Bildung vielfach zum Maßstab schulischer Lehr- und Lernprozes- se erklärt haben. • Sigrid Hartong (2020) weist darauf hin, dass ein gravierendes Problem in der Grundlogik der Digitalisierung selbst besteht, „konkreter in der damit zusammenhängenden Data zierung und Algorithmisierung von Bil- dung“ (ebd.). Hartong konsta ert, dass eine Deba e „um die machtvolle Poli k der Modellierung bei Lern- so ware, Schulpla ormen, aber auch bei Schulverwaltungs- oder Schulaufsichtsso ware bislang fast voll- ständig“ fehlt – „Und das, obgleich diese Systeme in wachsendem Maße Entscheidungen von Bildungsakteu- ren beein ussen“ (ebd.).20 • Theo Hug & Reinhold Madritsch (2020) fassen in ihrem Beitrag zunächst die bisherige interna onale Diskus- sion zu bildungsindustriellen Entwicklungen zusammen und setzen sich danach mit der Situa on in Öster- reich auseinander. In ihrem Fazit halten sie u.a. fest, dass eine „intensivierte Förderung der globalisierten Bildungsindustrie ohne breite ö entliche Diskussion“ erfolgte und „vieles f r einen Verzicht auf exzessives outsourcing von zivilgesellscha lich und rechtsstaatlich relevanten Kernaufgaben des Bildungswesens an private Dienstleister oder Techkonzerne“ spreche (ebd. S. 35). 18 S chworte u.a.: Sind Autor*in/Herausgeber*in der Materialien ausreichend gekennzeichnet? Werden unterschiedliche Perspek ven berücksich gt? Ist eine kommerzielle Nutzung von Daten ausgeschlossen? Gibt es zum Thema andere Angebote, die ö entlich nan- ziert und geprü sind? Entstehen durch die Nutzung des Angebots längerfris ge Abhängigkeiten? 19 Vgl. hierzu die Abbildung zur Netzwerkanalyse von Annina Förschler (2018) am Ende dieses Beitrags (S. 16). 20 Vgl. auch frühere Publika onen von Sigrid Hartong, z.B. zur Data zierung an Schulen, zur Expansionsdynamik des Bildungsmonito- rings, zum wachsenden Ein uss ‚versteckter‘ Datenvermi ler im Bildungswesen (h ps://www.hsu-hh.de/sozgov/team/prof-dr-sigrid- hartong/). Ein aktueller Beitrag stellt eine Studie zur Implemen erung und Transforma on staatlicher Bildungsmonitoringsysteme in Deutschland und den USA vor (Hartong/Förschler 2020). Siehe auch Williamson et al. (2018) zur Einführung neuer Computerprogram- mierprak ken in Schulen und Lehrplänen in England, Schweden und Australien als Beispiel für die Scha ung von strategischen Partner- scha en zwischen Regierungszentralen und kommerziellen Anbietern. 8 ft ti ti ft ti ti fl ti ft ft ti ttf fl ti ti ti ft ti ff ä ft ti ti tt ft tt ti ti fi ti ti fl fi ti tt ti fi ü ft ti ti ft ff ff ti ti ti ff fi ti
Über den Aufs eg und die Folgen einer globalen Bildungsindustrie (GEI) liegt von Antoni Verger et al. (2017) eine Analyse vor, die neue Formen von privatwirtscha lichen, pro torien erten Ak vitäten in der Bildung auf interna onaler Ebene darstellt und dies anhand ausgewählter Beispiele erläutert (siehe auch Münch 2018). Wer etwas über den Entwicklungsstand von google ca on of the classroom in den USA wissen möchte, erhält u.a. bei Natasha Singer einen (par ellen) Einblick in den Stand der Kommerzialisierung im US-amerikanischen Bildungswesen: „The tech giant is transforming public educa on with low-cost lap tops and free apps (...) Schools may be giving Google more than they are ge ng: genera ons of future customers” (Singer 2017). Nicht nur für den Bereich der schulischen Bildung stellt sich die Frage nach Alterna ven zu den kommerziellen Angeboten und Interessen der IT-Großkonzerne, die für Bildungseinrichtungen geeignet und nicht mit der ständigen Enteignung von Daten verbunden sind. Hier zeichnen sich auf unterschiedlichen Ebenen Herausfor- derungen ab, u.a. Datenschutzfragen,21 Open Access, Interoperabilität von Systemen. Weshalb ist es z.B. nicht möglich, dass auf EU-Ebene Hard- und So ware-Systeme entwickelt werden, die von der Benutzerfreundlich- keit her eine echte Alterna ve zu den kommerziellen Angeboten der globalen IT-Konzerne bieten und zugleich anschlussfähig für lokale Ansätze sind? Europa verfügt über enorme Forschungs- und Technologiekapazitäten. Poli sche Krä e, die nicht Teil des bildungsindustriellen Komplexes sind, sollten sich dafür einsetzen, dass auf EU-Ebene eine alterna ve Infrastruktur zum Datenkapitalismus der IT-Konzerne entwickelt wird und dem öf- fentlichen Bildungswesen sobald als möglich zur Verfügung steht. Bezüglich der Schulcloud, einem Projekt auf na onaler Ebene, das derzeit vom Hasso-Pla ner-Ins tut (HPI 2020) an Schulen erprobt wird, gibt es zunehmend kri sche Kommentare.22 Auch ist zu klären, wie kün ig in pädagogischen Kontexten eine Qualitätssicherung von digitalen Lernmaterialien gewährleistet wird, die von verschiedenen Akteuren angeboten werden.23 Zu diesem Bereich gehört auch das Thema Werbeverbot für pri- 21 Die datenschutzrechtlichen Herausforderungen und Fragestellungen sind inzwischen sehr komplex und erfordern in vielen Situa o- nen (z.B. bei der Gestaltung mit Foto und Film) vom pädagogischen Personal erheblichen Klärungs- und Zeitaufwand. Einen Einblick in die Herausforderungen bietet u.a. ein Beitrag von Rymeš/Iberer (2019). 22 In Zusammenhang mit der Vergabe des Schulcloud-Projekts an das HPI weist Joachim Paul (2020) auf ein Problem hin: „Das Bundes- ministerium für Bildung und Forschung protegiert und fördert die als einheitliche Lösung deklarierte HPI-Schul-Cloud, das studen sche Versuchsprodukt eines einzigen gleichwohl renommierten Ins tutes, ansta die im eigenen Land vorhandenen und im prak schen Ein- satz be ndlichen, aus den konkreten Bedürfnissen von Schule erwachsenen und entwickelten Lösungen näher in Augenschein zu neh- men und deren Weiterentwicklung zu fördern. Denn es mangelt in Sachen Digital- und Netzwerkkompetenz nicht an Fachleuten und leistungsfähigen mi elständischen Unternehmen, in Deutschland nicht und in Europa auch nicht“. Sigrid Hartong (2020) betont mit Blick auf das HPI-Schulcoud-Projekt: „So wirbt das Hasso-Pla ner-Ins tut (HPI) bereits seit 2016, mit der Schulcloud „[...] die nicht kommerzielle digitale Lern- und Arbeitsumgebung in Deutschlands Schulen“ zu entwickeln, basierend auf lizenzfreier Open So ware f r alle. Erf llt hat das von SAP-Chef Hasso Pla ner gegr ndete Ins tut seinen hohen Anspruch bisher nicht. Sta dessen zeichnet sich durch die millionenschwere Zuweisung von Steuermi eln eine sukzessive Monopolisierung und Verdr ngung ab, und zwar nicht von Microso & Co., sondern von „p dagogisch orien erten Kleinanbietern“, die, so beklagen viele Schulen, durch ihre eher regional begrenzten Ak vit ten den Bildungseinrichtungen deutlich n her sind als die global ak ven Schwergewichte“ (ebd., S. 1). Ergänzender Hinweis (HN): Der Website des HPI-Projekts ist aktuell zu entnehmen, dass inzwischen weitere Partner beteiligt sind wie z.B. wirlernenonline.de. Die Integra on von OER-Ini a ven macht jedoch die kri sche Auseinandersetzung mit dem Gesamtprojekt nicht über üssig. 23 Hierfür wäre auch eine empirische Studie sinnvoll, die die bisherige Nutzung, die Erfahrungen und die Beurteilungen von Lehrkrä en und Schulleitungen bezüglich kommerzieller digitaler Lernangebote erhebt und analysiert. Hierzu gehört auch eine Analyse zu Strategi- en und Praxen von Schulbuchverlagen sowie neue Überlegungen, wie unterschiedliche Akteure*innen bei der Qualitätssicherung zu beteiligen sind, vor allem pädagogische Fach- und Lehrkrä e und auch Schüler*innen – nicht nur die Anbieter von Materialien und Ver- treter*innen der Schulverwaltung. Dies betri auch Materialien und Pla ormen, die im Kontext von Open Educa onal Resources (OER) angeboten werden: „Das breite Spektrum der Akteure und Beteiligten muss in einem Qualitätskonzept für OER aufgehen und transparent gemacht werden“ (Brückner 2018, S. 60). Zur Qualitätssicherung gehören auch Datenschutzfragen; hier bedarf es z.B. DS- GVO-kompa bler Datenmanagement-Systeme, deren Einhaltung auch kontrolliert wird (vgl. Hug/Madritsch 2020, S. 11 .). 9 tt ti fi ti fl ti ft ti tt ft ti ü ft ti ti ä ü ti ti fft ft ti ä ft ti ti ti fi tti ft ti ti tt ti tt ttf ti tt ti ä fi ü ti ti ti tt ti ti ti ti tt ti ff ti ti ä ft ti ft ti
vatwirtscha liche Interessen an ö entlichen Bildungseinrichtungen.24 Einfach nur ein „dezentral strukturiertes und vernetztes System von kommerziellen und nicht kommerziellen Anbietern und Materialien“ zu empfehlen (Kerres 2020) ohne zuvor diese Fragen zu klären, halte ich für problema sch. Angesichts des zunehmenden Ein usses der IT-Wirtscha auf Bildungsbereiche stellt sich die Frage, wie auch seitens der Medienpädagogik alterna ve Entwicklungspfade zu digital-kapitalis schen Forma onsprozessen erprobt und unterstützt werden können.25 Dies beinhaltet auch eine Re exion, Hinterfragung und Weiterent- wicklung bisheriger (medien-)pädagogischer Ziele, Konzepte und Arbeitsformen. Notwendig ist vor allem ein Diskurs über Leitbilder der kün igen gesellscha lichen, wirtscha lichen und medialen Entwicklung – und ihrer Bedeutung für das Bildungswesen. Hierzu gehören auch Fragen nach einer grundlegenden Veränderung von Schule und schulischer Bildung.26 Die umfassende Ausbeutung persönlicher Datenpro le und die massive Kommerzialisierung von Lebenswelten und Bildungsorten durch den digitalen Kapitalismus kann nicht weiter hingenommen werden. Dies muss – neben anderen Themen, die gesellscha lich relevant sind und mit denen sich Medienpädagogik befasst27 – viel stärker als bislang zu einem Thema in der Pädagogik werden. Medienpädagogik sollte sich bildungs- und professionspoli sch klarer posi onieren Medienpädagogik steht vor der Aufgabe, sich im gesellscha lichen Kontext wieder klarer bildungs- und profes- sionspoli sch zu posi onieren. Ziele und Strukturen einer pro t- und technologiegetriebenen Digitalisierung sind kri sch zu hinterfragen, auch in Zusammenhang mit di erenzierten Technologiefolgenabschätzungen. Hieran sollte sich Medienpädagogik ak v beteiligen. Insbesondere im Rahmen einer Bildung für nachhal ge Entwicklung (BNE) haben sich viele Ini a ven und Arbeitsfelder entwickelt. In der Medienpädagogik gibt es aktuell Beiträge, sich stärker auch auf diese Ansätze und Ak vitäten unter medialen Aspekten zu beziehen (vgl. Barberi et al. 2020; Ring 2020; Schluchter 2020; jfc Medienzentrum/KJF 2020). ‚Nachhal gkeit‘ meint dabei nicht nur die Thema sierung ökologischer Dimensionen und Fragen einer langfris- gen Entwicklung von Strukturen (gegenüber kurzatmigen Ak vitäten). Es geht insgesamt um die Auseinander- setzung mit gesellscha lichen Schie agen im Verhältnis von Mensch, Ökonomie, Technologie, Kultur und Na- 24 Es ist wich g, deutlich Grenzen gegenüber jeglicher kommerzieller Werbung in ö entlichen Bildungseinrichtungen zu ziehen; siehe in diesem Zusammenhang u.a. eine Stellungnahme von vbze und VBE (März 2020): h ps://t1p.de/4pp3 (Kurzlink). 25 Die bri sch-kanadische Medien- und Kommunika onswissenscha lerin Robin Mansell machte in Zusammenhang mit Grundsatzfra- gen des digitalen Wandels darauf aufmerksam, dass generell ein Dialog über alterna ve Wege notwendig ist: „A dialogue is needed about possible alterna ve pathways, that is, alterna ve social imaginaries which themselves can start to shape ac on that leads to shi s in investment, in business models and in policies that will guide our choices about digital innova on pathways. (...) The ‘data ca- on’ of our lives is only a pre-determined outcome if we persist in believing that it is” (Mansell 2018, S. 61). 26 Schule sollte insgesamt mehr neue Räume für die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und für soziale und gesellscha liche Teilhabe erschließen. Mandy Schiefner-Rohs ist zuzus mmen: „Schule in einer digitalisierten Gesellscha erfordert es, die Blickrichtung zu wei- ten: Es geht nicht prim r um die Frage der Integra on digitaler Medien in die Schule und dementsprechende ‚Re-Formen‘ und Schul- entwicklungsprojekte, sondern es geht sowohl um die Anerkennung und Analyse aktueller Handlungsprak ken als auch um ein Neu- und Anders-Denken von Schule bzw. schulischen Medienbildungsr umen und damit um nichts anderes als eine Transforma on von Schule als Organisa on“ (Schiefner-Rohs 2017, S. 166). 27 Zum Beispiel Inklusion, Alltagsrassismus, soziale Ungleichheit, Klimakrise, poli sche Meinungsbildung in Social Media, Fragmen e- rung von Ö entlichkeiten, Interkulturalität, Gendersensibilität, demokra sche Teilhabe. Dabei ist es wich g, auch Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Themen im Rahmen einer poli schen bzw. poli sch-kulturellen Medienbildung aufzuzeigen. Digitalisie- rungsprozesse im Kontext von privatwirtscha lichen Monopolstrukturen sind dabei ein wesentlicher Teil des Problems. Gleichzei g erö nen digitale Medien im Kontext gemeinwohlorien erter Entwicklungen große Chancen, um eine Transforma on von Gesellscha en hin zu neuen Formen demokra scher Gestaltung in allen Bereichen zu befördern. 10 ti ti ft ff ti ti ti ti ff ti ft ti ti ä ti ft ti ft fl ff fl ti ft ti ti ti ti ti ti ti ti ft ti ti ä ft ft ft ti ti ti ti ff fi ti ft ti tt ff ti ti fl ti ft ft ti ti ti ti fi ti ti ti ft ti ti fi ft ti ti
tur, um Aspekte der Su zienz bei der Medienherstellung, -nutzung und -entsorgung und um die Entwicklung und Stärkung alterna ver Entwicklungspfade zu kapitalis sch geprägten Formen der Digitalisierung. Damit ver- knüp sind (medien)ethische Fragestellungen zu unterschiedlichen Themenaspekten.28 Zehn Jahre nach Gründung der Ini a ve Keine Bildung ohne Medien! (KBoM) ist zu beobachten, dass derzeit Par kularinteressen zunehmen und es nicht einfach ist, ein bildungs- und professionspoli sches Engagement kon nuierlich und wirkungsvoll zu gewährleisten. Dies hat verschiedene Gründe. Ein Faktor ist der Kampf um Gelder für eigene Projekte und die Absicherung von Stellen. Ein weiterer Faktor ist die Zunahme von Aufgaben und die Arbeitsbelastung in allen Handlungsfeldern (unabhängig von der Bewäl gung der Corona-Krisensitua- on), die immer weniger Spielräume für das ehrenamtliche, professionspoli sche Engagement lassen. Auch fragen sich Kolleg*innen, die schon längere Zeit engagiert sind, weshalb aus dem poli schem Raum (insgesamt betrachtet) nur wenig Unterstützung für eine breitenwirksame und nachhal ge Medienbildung kommt – und dies in einer Situa on, in der die Bedeutung einer umfassenden Medienbildung immer deutlicher wird ange- sichts diverser demokra egefährdender Entwicklungen. Auch ist es eine Erfahrung, dass sich zunehmend Per- sonen – gerade in Verbindung mit der sog. ‚digitalen Bildung‘ – als ‚Medienpädagoge*in‘ bezeichnen, ohne dass medienpädagogische Grundlagen wahrnehmbar sind. Es gibt zwar nach wie vor viele Wege zur Medien- pädagogik. Dies war schon früher so und ist bereichernd für die Medienpädagogik. Diese unterschiedlichen Wege ersetzen jedoch nicht eine re exive Auseinandersetzung mit (medien-)pädagogischen Fragen und die Aneignung von fachlich-professionellen medienpädagogischen Kompetenzen. Während die IT-Wirtscha und ihr nahestehende Ini a ven über erhebliche Ressourcen für ihre bildungspoli - sche Lobbyarbeit verfügen, ist es für die Medienpädagogik nicht einfach, Anliegen und Forderungen im poli - schen Raum in einer breiteren Form kon nuierlich sichtbar zu machen. Gleichwohl ist weiterhin eine Ini a ve notwendig, die vorhandene Krä e bündelt, um gemeinsame Anliegen zu ar kulieren. Hierfür ist die Koopera - on mit verschiedenen Bündnispartnern wich g. Es braucht wieder eine Weitung der Perspek ve und neuer Überlegungen für die gegensei ge Unterstützung bei der professionspoli schen Arbeit. Dies umfasst auch eine Koopera on mit interessierten Personen und Ini a ven in anderen Bildungsbereichen wie z.B. der poli schen und der kulturellen Bildung, der Verbraucherbildung, der gewerkscha lichen Bildungsarbeit, Ini a ven im Be- reich freies/o enes Wissen, eines kri schen Journalismus und weiterer Bereiche – auch mit der ökonomischen Bildung. Es gibt nicht ‚die‘ Wirtscha – auch im Bereich der Ökonomie sind seit geraumer Zeit Ak vitäten zu beobachten, die gemeinwohlorien erte Entwicklungen befördern möchten.29 28Zur Digitalisierung und damit verbundenen medienethischen Fragestellungen und Herausforderungen siehe u.a. die Ak vtäten und Publika onen des Netzwerks Medienethik, des Ins tuts für Digitale Ethik (IDE) und des Interdisciplinary Media Ethics Center (IMEC). 29 Mit gemeinwohlorien erten und nachhal gen Entwicklungen im Bereich der Ökonomie verbinden sich unterschiedliche Modelle im Spannungsfeld von mehr marktwirtscha lichen und mehr ö entlich-kommunalen und genossenscha lichen Strukturen. Grundsätzlich geht es um die langfris ge Etablierung anderer Ziele als permanente Pro tmaximierung, eine weltweite Suche nach den kostengüns- gsten Standorten und Formen eines übersteigerten Konkurrenz- und Leistungsprinzips. So werden Ziele relevant, die auch im wirt- scha lichen Bereich ökologische Nachhal gkeit, Menschenwürde, globale Solidarität, soziale Gerech gkeit, demokra sche Teilhabe betonen. Ein Beitrag seitens der Medienpädagogik könnte z.B. sein, Fragen und Vorstellungen von Jugendlichen und jungen Erwachse- nen zur beru ichen Orien erung aufzugreifen. Hier gibt es bislang nur wenige Beispiele, u.a. von einer Züricher Forschungsgruppe zum Thema „Berufswünsche fotogra eren“ (vgl. h ps://t1p.de/7q4c – Kurzlink). Denkbar wären z.B. auch Zukun swerkstä en in lokalen Kontexten (auch in Koopera on mit verschiedenen Bildungseinrichtungen) , die gemeinsam mit interessierten (jungen) Erwachsenen gestaltet werden, um sich über die sozio-technischen Veränderungen und Herausforderungen in der Arbeitswelt auseinanderzusetzen, auch Befürchtungen und Ängste zu thema sieren und gemeinsam Vorstellungen zu entwickeln, wie man kün ig leben und arbeiten möchte und wie man dies koopera v, auch in Verbindung mit konkreten Projekten, angehen könnte. Ein solches Herangehen ist etwas anderes als nur instrumentell-technikorien erte Kurse zu ‚E-Learning‘ oder zu ‚Erwachsenenbildung 4.0‘ anzubieten. Es geht um wert- und handlungsbezogene Fragen, wie Menschen ihr Leben – auch in digital media sierten Welten – gestalten möchten. 11 ti ti ti ti ft ft ti ti fl ff ti ti ti ti ti ti ffi ti ft fi ti ti ft ft ti ti ti ti ti ft ti ti fl ti tt ti ti ti ti ff ti ti ti ti fi ti ft ti ti ti ti ti ft ti ti ft ti ft ti ti ti ti tt ti ti ti ti ti t t t
Im Hinblick auf kün ige Aufgaben möchte ich abschließend drei Punkte hervorheben: • Das Label ‚Digitale Bildung‘ ist kri sch zu disku eren und sollte meines Erachtens nicht weiter verwendet werden. Medienpädagogik ist gut beraten, sich an einem umfassenden Verständnis von Medienbildung und Medienkompetenz zu orien eren und dieses weiterzuentwickeln, um auch kün ig medienbezogene Bil- dungsaufgaben zur Förderung von Selbstwirksamkeit und der Gestaltung von Sozialität in der ganzen Breite wahrnehmen zu können. Hierzu gehört auch eine ‚Grundbildung Medien‘ für alle pädagogischen Fachkrä e, damit diese in ihren jeweiligen pädagogischen Handlungsfeldern fachlich kompetent agieren können. Ange- bote für bildungsbenachteiligte Gruppen in der Gesellscha sind besonders zu fördern. • Notwendig ist eine kri sche Auseinandersetzung mit den Strukturen eines digitalen Kapitalismus auf unter- schiedlichen Ebenen, insbesondere im Hinblick auf die systema sche Ausbeutung persönlicher Datenpro le und die massive Kommerzialisierung von Lebenswelten und Bildungsorten (theore sch-analy sch, bildungs- ökonomisch/-poli sch, pädagogisch-bildungsbezogen). In der pädagogischen Praxis ist es wich g, Medienkri- kfähigkeit anschaulich und alltagsnah insbesondere im Kontext einer poli sch-kulturellen Medienbildung zu fördern, vor allem durch Aufgreifen verschiedener Perspek ven, durch lebensweltbezogene medien- und sozial-ästhe sche Erkundungen und Re exionen, durch eine gemeinscha liche Entwicklung von Qualitätskri- terien zu medialen Angeboten. • Medienpädagogik sollte mit Blick auf demokra sche, gemeinwohlbewusste und sozial-ökologische Zu- kun spfade die eigene Exper se für eine gemeinsame Stärkung nachhal ger Entwicklungen einbringen. Auch im Hinblick auf bildungs- und professionspoli sche Aufgaben ist es notwendig, medienpädagogische Perspek ven für entsprechende Koopera onen zu weiten. Ein breites Bündnis von Medienpädagogik mit interessierten Partnern in möglichst vielen Bereichen ist essen ell, um den Druck auf poli sche Entschei- dungsträger zu erhöhen. Ohne ein solches breites Bündnis wird es kaum möglich sein, hinreichende infra- strukturelle Rahmenbedingungen für eine erheblich breitere Förderung von Medienbildung und Medien- kompetenz langfris g zu realisieren. Zu dem letzten Punkt, den bildungs- und professionspoli schen Aufgaben, möchte ich noch einen Vorschlag unterbreiten. Meines Erachtens wäre es sinnvoll, wenn die Ini a ve Keine Bildung ohne Medien! kün ig in re- gelmäßigen Abständen (z.B. alle drei Monate) ein Online-Plenum durchführt. Ein solches Plenum könnte dem Austausch zu laufenden Ak vitäten, der Diskussion verschiedener Themen und der Planung neuer Ak vitäten dienen. Das Plenum wäre zugleich eine Möglichkeit, professionspoli sche Ak vitäten in transparenter Form zu gestalten und auch interessierte Personen und Koopera onspartner aus verschiedenen Bildungsbereichen ein- zuladen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Gerade mit Blick auf die Ak vitäten der IT-Wirtscha im Bildungswesen sind aus pädagogischer Perspek ve regulatorische Rahmenbedingungen einzufordern. Hierzu gehören nach meiner Au assung auch ein Werbe- verbot für Produkte der IT-Branche an Schulen und Regelungen zur Qualitätssicherung von digitalen Lernmate- rialien in ö entlichen Bildungseinrichtungen, an denen verschiedene Akteure*innen zu beteiligen sind. Für eine dringend notwendige ‚Grundbildung Medien‘ für alle pädagogischen Fachkrä e und generell für medien- pädagogische Ak vitäten ist der Vorschlag, hierfür – neben einer regulären Eta sierung in Bundes- und Lan- deshaushalten – auch erhebliche Mi el aus der anvisierten Steuernachzahlung der globalen IT-Konzerne zu nehmen und kün ige Steuereinnahmen aus diesem Bereich auch für personelle und infrastrukturelle Maß- nahmen zur kon nuierlichen Förderung von Medienbildung und Medienkompetenz zu nutzen. 12 ti ft ti ff ti ti ti ti ft ti ft ti ti ti ti ti ti tt fl ti ti ti ti ft ti ti ft ti ti ti ti ti ti ft ti ti ti ti ft ti ft ff ti ti ti ft ti ft fi ti
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