Digitales Lernen und interreligiöse Kompetenz - Verortungen im Handlungsfeld Schule - Ein Projekt im hessischen Weiterbildungspakt 2017-2020 - KEB ...

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Digitales Lernen und interreligiöse Kompetenz - Verortungen im Handlungsfeld Schule - Ein Projekt im hessischen Weiterbildungspakt 2017-2020 - KEB ...
Dokumentation

    Digitales Lernen
    und interreligiöse Kompetenz
    Verortungen im Handlungsfeld Schule

Ein Projekt im hessischen
Weiterbildungspakt 2017–2020
Digitales Lernen und interreligiöse Kompetenz - Verortungen im Handlungsfeld Schule - Ein Projekt im hessischen Weiterbildungspakt 2017-2020 - KEB ...
Impressum
Herausgeber  Katholische Erwachsenenbildung Hessen
             Landesarbeitsgemeinschaft e. V.
             (KEB Hessen)
             Domplatz 3 60 311 Frankfurt/Main                       Gefördert aus den Mitteln
             Tel.: 069 80 08 71 84 63                                    des Landes Hessen im
             E-Mail: info@keb-hessen.de                         Weiterbildungspakt 2017–2020
             www.keb-hessen.de
Redaktion   Dr. Frank van der Velden
             KEB Hessen e. V.
	Domplatz 3 60 311 Frankfurt/Main
Satz/Layout                      meinhardt Verlag und Agentur
Titelfoto    © A. Krumpholz
Digitales Lernen und interreligiöse Kompetenz - Verortungen im Handlungsfeld Schule - Ein Projekt im hessischen Weiterbildungspakt 2017-2020 - KEB ...
Digitales Lernen
und interreligiöse Kompetenz
Verortungen im Handlungsfeld Schule
Digitales Lernen und interreligiöse Kompetenz - Verortungen im Handlungsfeld Schule - Ein Projekt im hessischen Weiterbildungspakt 2017-2020 - KEB ...
Kooperationspartner:

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Digitales Lernen und interreligiöse Kompetenz - Verortungen im Handlungsfeld Schule - Ein Projekt im hessischen Weiterbildungspakt 2017-2020 - KEB ...
Grußwort
Liebe Leserin, lieber Leser,

Weiterbildung als ein Teil lebensbegleitenden Lernens ist
eine zentrale Antwort auf die tiefgreifenden technologischen,
sozialen, wirtschaftlichen und demographischen Verände-
rungen der Gesellschaft. Zur Stärkung der Weiterbildung und
des lebensbegleitenden Lernens hat die Hessische Landes-
regierung deshalb mit den öffentlichen und freien Trägern
der Weiterbildung den Weiterbildungspakt für die Jahre 2017
bis 2020 geschlossen. Dieser setzt sich in Kapitel II, Absatz 2
(Integration, Inklusion, Teilhabe und Chancengerechtigkeit
fördern) die Förderung interkultureller Kompetenzen zu sei-
nen Zielen. In den Handlungsfeldern (Kapitel III, Absatz 2)
dieses Zielbereiches wird ausdrücklich auch die Förderung
der interreligiösen Kompetenz zur Stärkung resilienten Ver-
haltens bei Konfliktprävention und Konfliktlösungen benannt.

Die katholische Erwachsenenbildung Hessen e. V. hat dieses
im Kontext von Migration und Flucht hochaktuelle Thema
bereits seit dem Jahr 2015 über mehrere Hessencampus-Pro-
jekte aufgenommen. Im Rahmen des Weiterbildungspaktes
wendet sie sich nun den Begegnungsbereichen von ehren-
amtlich Engagierten und Multiplikatoren mit professionell
Helfenden im Handlungsfeld Schule zu.

Aufgrund der coronabedingten Einschränkungen im Bericht-
zeitraum mussten für die geplanten Projektteile zusätzlich
hybride oder rein digitale Formate erarbeitet werden. Dass
dies gelingen konnte, zeigt das Veränderungsbewusstsein
und das Innovationspotenzial der an diesen Projekten in der
Erwachsenenbildung beteiligten Kooperationsgemeinschaft.
So wurden den beteiligten Einrichtungen neue Netzwerke
und neue Kommunikationswege eröffnet und die Kompe-
tenzvermittlung im Verbund erprobt.

Die KEB Hessen ist stolz, für dieses wichtige Thema interreli-
giöser gesellschaftlicher Bildung in den vergangenen Jahren
eine Plattform aufgebaut zu haben, auf der Kompetenzgrup-
pen von qualifizierten Fachleuten sich mit ehrenamtlichen
und professionellen Mitarbeiter*innen über Bedarfe und Stan-
dards solcher Qualifizierungsmaßnahmen austauschen und
diese weiterentwickeln können. Wir danken besonders dem
hessischen Kultusministerium für die finanzielle Förderung.

Johannes Oberbandscheid
Vorsitzender der Katholischen Erwachsenenbildung Hessen

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Inhaltsverzeichnis

 Kapitel 1                                                             Seite 7

 Interreligiös sensible Arbeit im schulischen Handlungsfeld.
 Projektbericht (Berichtzeitraum 2020)
 Frank van der Velden

 Kapitel 2                                                            Seite 13

 Digitale Bildung und interreligiöse Kompetenz
 Frank van der Velden (Nachdruck aus Eulenfisch 25/2020)

 Kapitel 3                                                            Seite 16

 »Saints of Color« rassismuskritisch reflektiert.
 Digitaler Kompetenzerwerb interreligiös
 Frank van der Velden

 Kapitel 4                                                            Seite 19

 Alternative Lernorte und interaktive Lernarten:
 Der »Digitale interreligiöse Advents-Salon«
 Frank van der Velden/Lisa Thielsch

 Kapitel 5                                                            Seite 23

 Zusatzqualifikation »Religiöse Diversität in der sozialen Arbeit«.
 Nachhaltige Wirkung unseres Jahresprojekts 2019
 Frank van der Velden
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© v. l. n. r. Fayum-Bildnis/Britishmuseum – Public Domain | Frank van der Velden | Wikimedia Creative Commons/JoJan/Public domain | Banana Stock                                                                                                  Kapitel 1

                                                                                                                                                   Interreligiös sensible Arbeit
                                                                                                                                                   im schulischen Handlungsfeld                                                                                         Autor: Frank van der Velden

                                                                                                                                                   Projektbericht (Berichtzeitraum 2020)

                                                                                                                                                   Das Projekt 2020 der Katholischen Erwachsenenbil-       öser Menschen zur Stärkung von Resilienz sowie in
                                                                                                                                                   dung Hessen e. V. im hessischen Weiterbildungspakt      der Konfliktprävention und bei der Problemlösung
                                                                                                                                                   wurde gemeinsam mit Professor Dr. Harry Harun Behr,     zu aktivieren.« Dieses Entwicklungsziel des hessischen
                                                                                                                                                   Professurinhaber für Erziehungswissenschaft mit         Weiterbildungspakts für die Jahre 2017 bis 2020 (Ka-
                                                                                                                                                   Schwerpunkt Islamische Religionspädagogik und           pitel III, Absatz 2) gilt für das schulische Handlungsfeld
                                                                                                                                                   Fachdidaktik des Islamischen Religionsunterrichts an    insgesamt, wo der Plural der Religionen und Kulturen
                                                                                                                                                   der Goethe Universität Frankfurt am Main durchge-       längst der Normalfall geworden ist. Es verlangt nicht
                                                                                                                                                   führt.                                                  nur von den professionell Betreuenden, sondern auch
                                                                                                                                                                                                           von ehrenamtlich Helfenden, von Eltern und von den
                                                                                                                                                                                                           Schüler*innen selbst den Erwerb spezifischer Kom-
                                                                                                                                                   Ausgangslage                                            petenzen, um in kulturell und religiös gemischten
                                                                                                                                                                                                           Lerngruppen, Kollegien etc. Bedarfe und Möglichkei-
                                                                                                                                                   »Vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftli-      ten zu erkennen und diese in eine teamfähige Situa-
                                                                                                                                                   chen Entwicklung steigt die Bedeutung nicht nur der     tion kooperativen Lebens und Lernens zu inkludieren.
                                                                                                                                                   interkulturellen, sondern auch der interreligiösen
                                                                                                                                                   Kompetenz für die Arbeit in Bildungseinrichtungen       In Richtung dieser Bedarfe sollte unser Projekt für
                                                                                                                                                   und sozialen Institutionen. Im Rahmen des Weiter-       den Berichtzeitraum 2020 – über eine Fachtagung
                                                                                                                                                   bildungspaktes sollen entsprechende Fortbildungen       und einen praxisrelevanten Seminarkurs – für den
                                                                                                                                                   etabliert werden mit dem Ziel, die Potentiale religi-   Lernort (offene) Schule, mit Schwerpunkt auf der

                                                                                                                                                                                                                                                                                   7
Digitales Lernen und interreligiöse Kompetenz - Verortungen im Handlungsfeld Schule - Ein Projekt im hessischen Weiterbildungspakt 2017-2020 - KEB ...
Kooperation von Haupt- und Ehrenamtlichen bzw. der         Planung und Ablauf des
    offenen Elternarbeit, ein Konzept für Fort- und Wei-       dritten Projektteils (2020)
    terbildungen im interreligiösen Handlungsfeld ent-
    wickeln. Zielgruppen waren entsprechend die haupt-         Zur Durchführung der einzelnen Arbeitspakete über-
    und ehrenamtlichen Mitarbeitenden in Schulen und           nahm Dr. Frank van der Velden, Studienleiter interreli-
    sonstigen Bildungseinrichtungen, dazu die Eltern           giöse Bildung der KEB Hessen e. V. die Projektleitung,
    schulpflichtiger Kinder. Die Zielgruppen sollten glei-     das Verfassen und die Endredaktion von wissenschaft-
    chermaßen in Einrichtungen kirchlicher, kommunaler         lichen Beiträgen zur Projektdokumentation sowie die
    oder sonstiger freier Träger angesprochen werden.          Koordination der Projektpartner in Teilzeit. Dem Projekt
                                                               wurde weiter in Teilzeit mit Sabine Tomasko eine Re-
    Das Corona-Jahr 2020 stellte jedoch alle Konzepte für      ferentin für die wissenschaftliche Projektbetreuung
    Fortbildungen in Schulen und mit Lehrer*innen grund-       und die Unterstützung der Aufgaben des Studienleiters
    sätzlich infrage. Ein Präsenzbetrieb von Fortbildungen     zugeordnet. Zur selbständigen Mitarbeit bei der Er-
    und Fachtagungen war entweder gar nicht möglich,           stellung des Fortbildungsdesigns, zur Planung und
    oder die Kolleg*innen erhielten aufgrund der Hygi-         Durchführung der Qualifizierungsmaßnahmen, zur
    enerichtlinien keine Erlaubnis zur Teilnahme. Interre-     Referenteneinwerbung, Kommunikationsabwicklung,
    ligiöse Kompetenzvermittlung im Handlungsfeld              Materialerstellung und Lektorat der Veröffentlichungen
    Schule bedeutete in Zeiten der Pandemie daher, dass        wurde als Koordinatorin Lisa Thielsch auf Honorarbasis
    erst einmal die Bedarfe unter Corona-Bedingungen           in Teilzeit eingestellt. Dabei war die im Rahmen des
    neu bestimmt und hernach die Grundsätze einer gu-          Projektes durch dieses Team geleistete Arbeit von den
    ten hybriden oder digitalen Lehre gefunden und             durch das HWBG geförderten Maßnahmen des Zuwen-
    diskutiert werden mussten. Die volatile Entwicklung        dungsempfängers KEB Hessen e. V. deutlich abgegrenzt.
    und die regional unterschiedlichen Interpretationen
    von Hygienevorschriften veränderten dabei die Pla-
    nungsmöglichkeiten im Berichtzeitraum mehrfach             Planung und Absage der Fachkonferenz
    grundlegend. So legten wir im Sommer 2020 Planun-
    gen für hybride Veranstaltungsformate im Rahmen            Wie geplant wurden die Abteilungsleitung Religions-
    unseres Projektes auf, die wir im Spätherbst des glei-     pädagogik im Bistum Limburg, das Fachreferat Isla-
    chen Jahres in dieser Form nicht mehr durchführen          mischer Religionsunterricht im hessischen Kultusmi-
    durften. Insofern dokumentiert die folgende Beschrei-      nisterium und Sebastian Lindner vom Pädagogischen
    bung von sich ändernden Planungen und Abläufen             Zentrum der Bistümer in Hessen für eine Kooperation
    unsere kontinuierliche Suche nach alternativen Durch-      bei der vorgesehenen Fachtagung angesprochen.
    führungsmöglichkeiten in einem schwierigen Jahr.           Diese Planungen stoppten jedoch mit Beginn des
                                                               ersten coronabedingten Lockdowns Anfang März
                                                               2020. Der Termin der Fachkonferenz war bereits auf
                                                               den 20./21. Juni 2021 im Tagungshaus des Bistums
                                              © A. Krumpholz
                                                               Limburg in Wiesbaden-Naurod festgelegt worden –
                                                               in der Hoffnung, dass dort im Frühsommer eine Prä-
                                                               senzveranstaltung wieder möglich wäre. Diese Hoff-
                                                               nung zerschlug sich durch die im Frühjahr 2020 schnell
                                                               wechselnden Hygienevorschriften des Landes und
                                                               durch betriebsbedingte Regularien. Letztendlich ka-
                                                               men die Kooperationspartner*innen überein, dass
                                                               aufgrund der allgemein herrschenden Unsicherheit
                                                               eine sinnvolle Ausschreibung der Fachkonferenz nicht
                                                               möglich sei. Neben Unsicherheiten bzgl. der Anreise
                                                               der Referent*innen war auch kein sicherer Anmel-
                                                               destand von Teilnehmenden zu erwarten. Die Sache
                                                               wurde daher auf den Spätherbst verschoben, in der
                                                               Gewissheit, dass damit der Wechsel auf ein digitales
                                                               Format – also auch auf ein anderes Setting der Ver-
                                                               anstaltung - verbunden sein müsse.

                                                               Zwei digitale Zusatzveranstaltungen
                                                               Als Ersatz für die ausgefallene Fachkonferenz wurden
                                                               im Herbst 2020 zwei zusätzliche digitale Fachveran-
                                                               staltungen geplant und durchgeführt, die in den
                                                               folgenden Artikeln dieser Broschüre näher beschrie-
                                                               ben werden. Es handelt sich um die Fachveranstaltung

8
Digitales Lernen und interreligiöse Kompetenz - Verortungen im Handlungsfeld Schule - Ein Projekt im hessischen Weiterbildungspakt 2017-2020 - KEB ...
Im Rahmen der
 Datum                  Universität (FB)                                            Feedback durch            TN
                                                  Veranstaltung …

                                                  Q+-Programm »Religion
 27. 10. 2020           JGU Mainz (Kath.                                            Prof. Dr. Stefan
                                                  betrifft! Kompetenz im                                      17
 6. 11. 2020            Religionspädagogik                                          Altmeyer
                                                  Umgang mit Religionen«

                        PH Heidelberg (Kath.      Seminar »50 Jahre interreligiö-   Prof. Dr. Katja Boehme
 2. 12. 2020                                                                                                  25
                        Religionspädagogik)       ses Lernen – ein Überblick«       Dr. Regine Oberle

                        Goethe-Universität        Seminar »Interreligiöse
 7. 12. 2020            Frankfurt (Rel.päd.       Kompetenz in der Lehrer*­         Jette van der Velden      25
                        mit Schwerpunkt           innenbildung«                     MA, Lehrbeauftragte
                        Islam)
                        JLU Gießen (islam.                                          Prof. Dr. Sarikaya
 13. 1. 2020                                      Doktorandenkolloquium                                       8
                        Religionspädagogik)                                         Prof. Dr. Naime Cakir

                        Universität Tübingen
                                                  Vorlesung »Islamische
 27. 1. 2021            (Islam. Religions­                                          Prof. Dr. Fahimah Ulfat   15
                                                  Religionspädagogik«
                        pädagogik)

                        Université de             CAS »Pastoral in den
                                                                                    Prof. Dr. Salvatore
 1. 2. 2021             Fribourg/CH (Kath.        ­Kontexten menschlicher                                     7
                                                                                    Loiero
                        Pastoraltheologie)         Mobilität und Migration«

 Sechs Durch­           An sechs Universitä-
                                                                                    Acht Forscher*innen       97 TN
 führungen              ten in D und CH

»Digitaler interreligiöser Advents-Salon«, die am             raum geplanten Seminarkurses hätte integriert wer-
17. 12. 2020 mit über 50 Teilnehmenden durchgeführt           den sollte. Um dies zu kompensieren, wurden im Juni
wurde und um das digitale Good-Practice-Beispiel              2020 drei qualitative Interviews (Lehrerin/Eltern/
interreligiöser digitaler Didaktik »Saints of Color«. Die-    Schülerin) durchgeführt. In diesen Interviews wurden
ses digitale Format zum rassismuskritischen und reli-         fachdidaktische Probleme mit dem digitalen Unter-
gionssensiblen Umgang mit kultureller und religiöser          richt (im interreligiösen Handlungsfeld) erhoben und
Vielfalt in Deutschland wurde von September 2020 bis          diese anschließend gemeinsam mit den Kooperati-
Februar 2021 an sechs verschiedenen universitären             onspartner*innen ausgewertet. Ab Juli 2020 flossen
Standorten in der Lehrer*innenausbildung eingesetzt           zusätzlich Daten aus Umfragen zur digitalen Lehre
und erhielt ein Feedback von fast 100 Teilnehmer*­            im Sommersester 2020 an der katholisch-theologi-
innen und von acht Wissenschaftler*innen. (s. Tabelle)        schen Fakultät der JGU Mainz ein, sowie aus der Ver-
Technisch möglich wurde die Durchführung dieser               öffentlichung einer bundesweiten Elternbefragung
beiden, mit vielen interaktiven Elementen gestalteten         während des Lockdowns von Prof. Dr. Anja Wildemann
Zusatzveranstaltungen, durch den Einsatz einer ­digitalen     (Universität Koblenz-Landau). Auf dieser Grundlage
Flipchart, welche über die Projektmittel angeschafft          konnte eine kompetenzorientierte Reflexion digitaler
werden konnte.                                                Lehr- und Lernprozesse unternommen werden, deren
                                                              Ergebnisse in Form eines Fachartikels publiziert wur-
                                                              den. In dieser Broschüre erfolgt die Zweitveröffent-
Aufstellung des Seminarkurses                                 lichung des Artikels mit freundlicher Genehmigung
                                                              des Eulenfisch. Limburger Magazin für Religion und
Noch im Juli wurde der geplante Seminarkurs gemäß             Bildung.
den geltenden Hygienevorschriften als eine Reihe
von Hybrid-Veranstaltungen aufgestellt, die digitale          In dieser Situation entstand ein Seminarkurs, der
Module mit Begegnungen in kleinen Gruppen kom-                eine Standortbestimmung der digitalen interreligi-
binierten. Allerdings fehlte nun das Ergebnis der             ösen Kompetenzvermittlung unter Einschluss inter-
Fachtagung, welches ja ausgewertet, kurrikular re-            aktiver Methoden vornahm. Der Seminarkurs wurde
flektiert und in das Konzept des für den Berichtszeit-        als Hybrid-Veranstaltung aufgestellt und behandelte

                                                                                                                      9
Digitales Lernen und interreligiöse Kompetenz - Verortungen im Handlungsfeld Schule - Ein Projekt im hessischen Weiterbildungspakt 2017-2020 - KEB ...
im Rahmen des interreligiösen Handlungsfelds u. a.         Erklärvideos als Teil digitalen Lernens
                            das aktuelle Thema des digitalen Homeschoolings.           Modul 2 | Freitag, 30. 10. 2020, 16.00 – 17.30 Uhr
                            Der Kurs mit dem Titel »Interreligiöse Kompetenz-
                            vermittlung in Zeiten der Pandemie« und einem              Referentin: Judith Uebing, Köln
                            Workload von 16 Unterrichtsstunden wurde in der
                            Folge in der Zielgruppe von haupt- und ehrenamt-           Erklärvideos im Internet stehen derzeit bei Lernenden
                            lichen Pädagog­*innen und Multiplikator*innen be-          hoch im Kurs. In Modul 2 des Seminarkurses wird
                            worben.                                                    diese Möglichkeit, ein breites Publikum durch kurze
                                                                                       erklärende Videos zu erreichen, untersucht und hin-
                                                                                       terfragt. Welche Möglichkeiten ergeben sich hier für
                            Programm des Seminarkurses                                 den interreligiösen Kompetenzerwerb? Das Erklärvi-
                                                                                       deo wird an einem Beispiel als Quelle und als Medium
                            Der Seminarkurs »Interreligiöse Kompetenzvermitt-          zur Vermittlung eingeführt und eine Methodik zur
                            lung in Zeiten der Pandemie« ist auf vier Module           Analyse vorgestellt, anhand derer die nötigen Kom-
                            angelegt (Flyer s. Abb.) Als Hybrid-Veranstaltung hat      petenzen für einen Umgang mit Erklärvideos veran-
                            er folgende methodische Zielsetzung:                       schaulicht werden, wie sie für wissenschaftliches
                             Bildung ist mehr als Wissenserwerb, es ist auch          Arbeiten erforderlich sind. Was macht ein digitaler
                                ein Lernen in Gemeinschaft.                            Unterricht über und mit Erklärvideos im Kompeten-
                             In Hybrid-Veranstaltungen kommt diese Seite              zerwerb? Welche Kompetenzen können diese Videos
                                häufig zu kurz, denn die gegenseitige Wahrneh-         bilden, wie müssen sie eingebettet sein und wie
                                mung, Kommunikation und gemeinsame Dis-                komme ich als Subjekt zu einer vernünftigen, reflek-
                                kussion hybrider Gruppen ist gegenüber Prä-            tierten Meinungsbildung?
                                senzformaten erschwert.
                             Der Seminarkurs soll dieses Problem durch eine
                                stärkere Interaktivität im digitalen Format ange-      Interreligiöses Lernen begegnungslos?
                                hen.                                                   Modul 3 | Freitag, 06. 11. 2020, 16.00 – 17.30 Uhr
                             Die Referent*innen arbeiten dazu mit einer mo-
                                bilen digitalen Flip-Chart, die sie zusammen mit       Referentin: Prof. Dr. Katja Boehme, PH Heidelberg
                                einem mobilen Hotspot an jeden Veranstaltungs-
                                ort mitbringen.                                        Ohne Begegnungslernen ist interreligiöses Lernen
                             Das Equipment ermöglicht ein kommunikatives              schwierig. Bei einer Umfrage an der Johannes Guten­
                                und interaktives Arbeiten mit gemischten Grup-         berg-Universität Mainz im digitalen Sommer­semester
                                pen aus anwesenden und digital zugeschalteten          2020 gaben mehr als die Hälfte der befragten Stu-
                                Teilnehmer*innen:                                      dierenden an, dass der fehlende persönliche Aus-
                             Während der Veranstaltung können alle Materi-            tausch negative Auswirkungen auf den Erwerb
                                alien, auch Ergebnisse aus Diskussionen oder           spezifischer Kompetenzen zur Wahrnehmung des
                                Gruppenarbeiten, den Teilnehmer*innen sofort           anderen, zur Kommunikation und zur Urteilsfähig-
                                zur Verfügung gestellt werden.                         keit gegenüber Quellen habe. Was bedeutet dies
                                                                                       für das interreligiöse Lernen, und welche Möglich-
                                                                                       keiten gibt es in der digitalen Lehre, interreligiöse
                            Demo-Veranstaltung: »Die ersten                            Begegnungen im digitalen Raum zu fördern? Die
                            Christen in Deutschland waren … ?!«                        Veranstaltung führt nach einem fachlichen Input in
                            Modul 1 | Freitag, 25. 09. 2020, 16.00 – 17.30 Uhr         den Austausch.

                            Referent: Dr. Frank van der Velden, JGU Mainz
                                                                                       Homeschooling: Schnittstellen
                            Welche Bedingungen und Chancen ergeben sich                und Rollenklärungen
                            durch hybride Veranstaltungsformate für die Erwach-        Modul 4 | Freitag, 27. 11. 2020, 16.00 – 17.30 Uhr
                            senenbildung, aber auch für den Schulalltag in und
                            außerhalb des Unterrichts? Das Modul präsentiert           Referentin: Prof. Dr. Anja Wildemann, Uni Koblenz
                            hierzu Ideen für die digitale Praxis des interreligiösen   Landau
                            Kompetenzerwerbs mit anschließender Diskussion.
                            Dabei werden die Möglichkeiten einer gleichberech-         Die Landauer Bildungsforscherin Anja Wildemann
                            tigten digitalen und Vor-Ort-Teilnahme in einer Hy-        hat zusammen mit dem Psychologen Ingmar Ho-
                            brid-Veranstaltung über den Einsatz einer mobilen          senfeld während des Lockdowns eine bundesweite
                            digitalen Flip-Chart demonstriert. Inhaltlich zeigt die    Elternbefragung durchgeführt. Danach schätzen
    1https://www.uni-kob-
lenz-landau.de/de/landau/   Veranstaltung, wie das europäische Christentum von         etwa 30 % der befragten Eltern die Beziehung zu
 fb5/bildung-kind-jugend/   Anfang an durch religiöse und kulturelle Diversität        ihrem Kind durch das Homeschooling als sehr oder
      grupaed/medienord-    geformt worden ist. Es ist in seinem Selbstverständ-       ziemlich belastet ein. Die Befragten beklagten
  ner-grundschulpaedago-
  gik/Wildemann/bericht_    nis ein Gegenmodell zu den autoritären nationalen          Schwierigkeiten, die eigenen Kinder zu einem re-
           homeschooling    Vereinnahmungen unserer Tage.                              gelmäßigen Tages- und Lernrhythmus zu motivieren

           10
(über 50 %), eine mangelhafte digitale Ausstattung       methodisch ausgerichteten Seminarkurs zusammen-
                                oder eigene Kompetenz (über 25 %) und zu wenig           gefasst. Anschließend wurden unter wiederum ver-
                                Kommunikation und durch die Lehrenden vorgege-           änderten Bedingungen rein digitale Veranstaltungs-
                                bene Struktur. Hinzu kommt eine stärkere Elternbe-       formate geplant und erprobt. Das fachliche Feedback
                                lastung durch höhere Betreuungszeiten der eigenen        aus diesen genannten Projektteilen fließt ein in die
                                Kinder und durch berufliche Veränderungen (z. B.         Optimierung der digitalen Lehre im schulischen Hand-
                                Homeoffice, Kurzarbeit, Existenzängste etc.). Inter-     lungsfeld. Zusammenfassend lassen sich drei Punkte
                                religiöse Kompetenzvermittlung in Zeiten der Pan-        hervorheben:
                                demie bedeutet also auch die Klärung von Rollen
                                und Schnittstellen des digitalen Lernens, die anhand     1. Die fachwissenschaftliche und –didaktische Dis-
                                der Studie von Anja Wildemann diskutiert werden.            kussion über die Bedingungen einer guten digi-
                                                                                            talen Lehre im interreligiösen Handlungsfeld wur-
                                                                                            de durchgeführt. Dies geschah über einen Artikel
                                Durchführung des Seminarkurses                              »Digitale Bildung und interreligiöse Kompetenz«
                                                                                            in der Zeitschrift Eulenfisch. Limburger Magazin
                                Der Seminarkurs fand in Form von Hybrid- Veranstal-         für Religion und Bildung (Nr. 25, 2020, S. 68–72),
                                tungen am 25. 9. und am 30. 10. 2020 mit 20 Teilneh-        der in der publizierten Arbeitshilfe noch einmal
                                mer*innen statt. Aufgrund des erneuten Lockdowns            abgedruckt ist.
                                im November durften dann keine Hybrid-Veranstal-
                                tungen mehr durchgeführt werden, so dass die wei-        2. Auf dieser Grundlage wurde ein Beispiel guter
                                teren Termine am 6. 11. und 27. 11. 2020 abgesagt           digitaler Lehre im interreligiösen Kompetenzbe-
                                werden mussten.                                             reich entwickelt. Das digitale Format »Saints of
                                                                                            Color« wurde als interaktive Lehrveranstaltung
                                                                                            bisher an sechs Hochschulstandorten zur Ausbil-
                                Zu den inhaltlichen Ergebnissen                             dung von christlichen und muslimischen Religi-
                                im Berichtzeitraum                                          onslehrer*innen durchgeführt. Zusätzlich konnte
                                                                                            über diese Durchführungen das fachliche Feedback
                                Im Berichtsjahr 2020 konnte aufgrund der beschrie-          von 8 Forscher*innen und von fast 100 Teilneh-
                                benen volatilen Ausgangslage und der ständig sich           mer*innen – überwiegend weiblich, fast zur Hälf-
                                ändernden Bedarfe kein inhaltliches Kurrikulum für          te muslimisch - eingeholt und dokumentiert wer-
                                interreligiöse Fort- und Weiterbildungen im schuli-         den. Da »Saints of Color« eine rassismuskritische
                                schen Handlungsfeld erarbeitet und erprobt werden.          und kultursensible Auseinandersetzung mit der
                                Vielmehr wurden die Grundsätze einer guten hybri-           eigenen religiösen Vergangenheit und Gegenwart
                                den Lehre für interreligiöse Fort- und Weiterbildungen      interaktiv befördert, ist damit auch das folgende
                                im schulischen Handlungsfeld diskutiert und in einen        Petitum des Berichtsjahres 2019 erfüllt:
© Annie Spratt – unsplash.com

                                                                                                                                                 11
»Haupt- und ehrenamtliche Helfer*innen sehen sich        zur Verfügung und wird im Frühsommer 2021 an
     auch außerhalb ihres beruflichen Feldes zunehmend        weiteren Universitäten durchgeführt (PTH St. Geor-
     solchen Stimmen ausgesetzt, die eine Willkommens-        gen, JGU Mainz). Es spricht in puncto Transferfähig-
     kultur für geflüchtete Menschen und speziell für mus-    keit des Projektes für sich, dass die Veranstaltung
     limische Menschen grundsätzlich ablehnen. Im an-         »Saints of Color« innerhalb eines Vierteljahres mit
     schließenden Seminarkurs wurde diese Problematik         geringen Aktualisierungen für sechs Durchführun-
     querschnittmäßig thematisiert und soll im Transfer auf   gen an unterschiedlichen universitären Bildungs-
     den dritten Zyklus des Projektes einen eigenen Platz     orten gebucht worden ist. Hierbei fällt auf, dass drei
     finden« (aus dem Sachbericht vom Berichtsjahr 2019).     Durchführungen im Bereich der islamischen Religi-
                                                              onspädagogik erfolgten, drei weitere im Bereich der
     3. Im Berichtsjahr 2020 konnten über die Veranstal-      katholischen praktischen Theologie. Die Veranstal-
        tung »Digitaler interreligiöser Advents-Salon« al-    tung ist also doppelt transferfähig: in Bezug auf den
        ternative digitale Lernorte und Methoden erprobt      Bildungsort, und in Bezug auf die unterschiedlichen
        werden. Diese werden weiter unten in ihrer Be-        Fakultäten.
        deutung für die Weiterentwicklung einer digitalen
        interreligiösen Didaktik beschrieben.                 Aus diesem Format ergab sich zudem eine nach-
                                                              haltige fachwissenschaftliche Diskussion, die weit
                                                              über den Projektrahmen und den Berichtszeitraum
     Nachhaltigkeit und Transfer                              hinausgeht: In der international anerkannten reli-
                                                              gionspädagogischen Zeitschrift Katechetische Blät-
     Grundsätzlich sind die einzelnen Module des Semi-        ter wird im Herbst 2021 ein kleiner Themenschwer-
     narkurses wiederholbar, und damit einsetzbar im          punkt zur rassismuskritischen Bedeutung der »Saints
     Rahmen regelmäßiger Fortbildungen von Haupt-             of Color« im Rahmen des interreligiösen Kompe-
     und Ehrenamtlichen in der schulischen Arbeit. Am         tenzerwerbs erscheinen.
     18. 11. 2020 wurden die einzelnen Module des Se-
     minarkurses bei einer Leiter*innentagung der Äm-         Für die Öffentlichkeitswirkung ist dabei von Belang,
     ter für katholische Religionspädagogik im Bistum         dass vier der sechs Universitäten, die »Saints of Co-
     Limburg für eine Weiterverwendung beworben.              lor« durchführen ließen, außerhalb Hessen liegen,
                                                              genauso wie am virtuellen interreligiösen Ad-
     Auch das digitale Format »Saints of Color« steht als     vents-Salon Teilnehmer*innen aus 10 von 16 deut-
     interaktive Lehrveranstaltung für Bildungsträger         schen Bundesländern beteiligt waren.

12
Kapitel 2

© A. Krumpholz

                 Digitale Bildung und
                 interreligiöse Kompetenz                                                                                         Autor: Frank van der Velden

                                                                                                                                  Durch digitale Lehre und
                                                                                                                                  Homeschooling sind alle
                 Nachdruck aus Eulenfisch 25/2020                                                                                 Beteiligten in andere Rollen
                                                                                                                                  hineingewachsen. Obwohl
                                                                                                                                  sich erfolgreiche digitale
                                                                                                                                  Bildungsformate etabliert
                 Begegnungslernen ohne Begegnung ist schwierig.          Professoren und Professorinnen gestreamt wurden.         haben, bleiben die
                 Und ohne Begegnungslernen ist interreligiöses Ler-      Häufig wurde diese Form durch synchrone interakti-       Begegnung und der
                 nen schwierig. Diese – zugegebenermaßen – sehr          ve Angebote auf Lernplattformen ergänzt – z. B. Fo-      persönliche Austausch von
                                                                                                                                  Bedeutung.
                 allgemeinen Feststellungen sollen für die Zeit des      ren, Chats, Video-Konferenzen – aber auch durch
                 digitalen Sommersemesters 2020 und des parallel         asynchrone Angebote wie Reader oder Aufgaben-
                 verlaufenen Homeschoolings mit Beobachtungen            stellungen, die in Eigenarbeit zu erledigen waren und
                 aus zwei aktuellen Umfragen und Studien ergänzt         hinterher ein Feedback der Dozenten und Dozentin-
                 werden. Deren Validität muss zwar noch überprüft        nen erhielten. Bei einer (unveröffentlichten) Umfrage
                 werden, aber sie geben trotzdem bereits deutliche       an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Johan-
                 Hinweise auf die Entwicklungsbedarfe und Schnitt-       nes Gutenberg-Universität Mainz gaben jedoch mehr
                 stellen des digitalen Lehrens und Lernens. Dabei        als die Hälfte der befragten Studierenden an, sich
                 bleiben in diesem Beitrag die Fragen nach der not-      nicht aktiv in die interaktiven digitalen Foren einge-
                 wendigen technischen Ausstattung und der dafür          bracht zu haben. Die angegebenen Gründe waren
                 erforderlichen Anwenderkompetenz außen vor. Viel-       unterschiedlicher Natur und reichten vom »Kiebitzen«
                 mehr geht es um Bedarfe der Didaktik interreligiöser    (ich habe nur mal gucken wollen, ob hier eine inter-
                 digitaler Bildungsprozesse, die thesen- und beispiel-   essante Diskussion läuft) über unklare Konkurrenzen
                 haft formuliert werden sollen.                          (was ich fragen wollte, hat schon jemand anders
                                                                         schneller gefragt) bis zu Unsicherheiten gegenüber
                                                                         der unbekannten Gruppe der Teilnehmenden (es ist
                 Kognitives Wissen und                                   für mich schwerer, im digitalen Raum zu diskutieren,
                 kommunikativer Diskurs                                  denn das ist so anonym). Fast alle Studierenden be-
                                                                         obachteten an sich selber, dass sie in der Folge das
                 Eine erste Beobachtung aus der akademischen Leh-        Sprechen, Präsentieren und Diskutieren im wissen-
                 re: Das digitale Sommersemester 2020 hatte an vielen    schaftlichen Bereich weniger geübt hatten. Fast 80 %
                 Instituten durchaus mehr zu bieten als Vorlesungen,     der Befragten gaben an, dies durch verstärkte wis-
                 die umständehalber aus den Arbeitszimmern der           senschaftliche Lektüre kompensiert zu haben. 34 %

                                                                                                                                              13
der Befragten konstatierten, trotz der verstärkten         len Angeboten in direkte Konkurrenz zu einem pre-
                                  Lektüre bei der Bewertung und im Umgang mit die-           senter wie Daniel Jung, dessen Youtube-Kanal aktu-
                                  sen Quellen bzw. der Sekundärliteratur unsicher oder       ell 714.000 feste Abonnenten von Mittelstufenschü-
                                  sehr unsicher zu sein.                                     lern bis hin zu Studenten aufweist. Einzelne Tutorials
                                                                                             von »Mathe by Daniel Jung« erreichen Zugriffszahlen
                                                                                             von weit über einer Million Aufrufe. In geisteswissen-
                                  Beziehungspflege und                                       schaftlichen Fächern zeigt sich dabei eine besonde-
                                  Wissensvermittlung                                         re Schwierigkeit, die Judith Uebing für das Fach Ge-
                                                                                             schichte am Medium des Erklärvideos beschrieben
                                  Eine weitere Beobachtung aus der Zeit des Home-            hat.7 Auch bei gut gemachten Erklärvideos (professi-
                                  schoolings: Die Landauer Bildungsforscherin Anja           onal-generated content) – Uebing untersucht den
                                  Wildemann hat während des Shutdowns eine bun-              Youtube-Kanal »MrWissen2Go-Geschichte« des stu-
                                  desweite Elternbefragung durchgeführt.1 Danach             dierten Historikers Mirko Drotschmann – besteht die
                                  schätzen etwa 30 % der befragten Eltern die Bezie-         Gefahr, den Eindruck hervorzurufen, »es gebe eine
                                  hung zu ihrem Kind durch das Homeschooling als             fertige Geschichte, die man ›nehmen‹ und vermitteln
                                  sehr oder ziemlich belastet ein.2 Die Befragten be-        kann.«8 Viel schwerer ist es in Erklärvideos, die Quel-
                                  klagten Schwierigkeiten, die eigenen Kinder zu einem       lenkritik »als eine essentielle Methode der Geschichts-
                                  regelmäßigen Tages- und Lernrhythmus zu motivie-           wissenschaft«9 sichtbar zu machen sowie Strategien
                                  ren (über 50 %).3 Hinzu kommt eine stärkere Eltern-        zur Authentifizierung solcher Quellen und Kompe-
                                  belastung durch höhere Betreuungszeiten der eige-          tenzen wissenschaftlicher Kommunikation zu vermit-
                                  nen Kinder4 und durch berufliche Veränderungen             teln. »Die Geschichte erscheint als eine von großen,
                                  (z. B. Homeoffice, Kurzarbeit, Existenzängste etc.).       mächtigen Männern und einheitlichen Gruppen ge-
                                  Dabei waren wieder die Mütter in erster Linie (zu 81 %)    steuerte Ereignisabfolge, deren Beschreibung zeigt,
                                  für das Homeschooling verantwortlich.5 Deutlich ist        wie es gewesen ist.«10 Was Judith Uebing hier an Er-
                                  ebenso, dass Kinder und Eltern in sozial verletzlichen     klärvideos beschreibt, kann schnell zum Problem
                                  Familien mit geringeren Bildungsabschlüssen und            digitaler Lehre insgesamt werden. Deren erfolgreichs-
 1
  Anja Wildemann/Ingmar
   Hosenfeld: Bundesweite         weniger Familieneinkommen verstärkt belastet wa-           te Formate, welche die digitalen Seh- und Bildungs-
         Elternbefragung zu       ren. Viele Eltern sind also durch das Homeschooling        gewohnheiten ihrer user steuern, tun sich schwer
  Homeschooling während           in andere Rollen hineingewachsen. Häufig wurde von         damit, Kompetenzen von differenzierter Wahrneh-
    der Covid 19-Pandemie
            Erkenntnisse zur
                                  ihnen beklagt, dass es dabei zu wenig Kommunika-           mung, Kommunikation, Urteils- und Handlungsfä-
             Umsetzung des        tion seitens der Lehrer und Lehrerinnen und zu wenig       higkeit zu vermitteln, wie sie im Fachbereich (inter)
         Homeschoolings in        vorgegebene Strukturen seitens der Schulen gegeben         religiöser Bildung unabdingbar sind.
Deutschland (29. 06. 2020),
free-download (Zugriff am
                                  habe.6 In diesen Punkten zeigten sich aber vor allem
 31. 10. 2020): https://www.      große Unterschiede in der Bewertung der einzelnen
uni-koblenz-landau.de/de/         Schulen und der einzelnen Lehrkräfte.                      Die Echokammern digitalen Wissens
             landau/fb5/bil-
         dung-kind-jugend/
  grupaed/medienordner­-                                                                      Die Fähigkeit zur Quellenkritik, zur Ausbildung einer
   grundschulpaedagogik/          Der Mensch lernt nicht vom                                 kritisch begründeten eigenen Meinung, und damit
   Wildemann/bericht_ho-
                meschooling       »presenter« allein                                         die hochaktuelle Befähigung, news von fake-news
                                                                                             sicher unterscheiden zu können, hängen nicht nur
                    2 Ebd., 28.   Aber auch die Lehrkräfte und Dozenten sind durch           mit Wissenserwerb zusammen. Genauso wichtig sind
                                  die digitale Lehre in andere Rollen gekommen. Trotz        die Begegnung und der persönliche Austausch, wel-
            3 Ebd.,3,9–10,29.
                                  der Bemühungen, während der Zeit des Homeschoo-            che die Kompetenzen zur offenen Wahrnehmung des
                4 Ebd., 19–20.    lings den persönlichen Kontakt mit ihren Schülern          anderen, zur Kommunikation mit abweichenden Po-
                                  und Schülerinnen aufrechtzuerhalten, und trotz vie-        sitionen und zur Aushandlung fairer Geschäftsord-
                     5 Ebd., 5.
                                  ler interaktiver Formate lässt sich bisher in der digi-    nungen für eine lösungsorientierte Diskussion schu-
                6 Ebd., 21–23.    talen Lehre unter den oben geschilderten Bedingun-         len. Hierzu fehlt im digitalen Lernen häufig nicht nur
                                  gen die folgende Rollenverschiebung kaum vermei-           die persönliche Begegnung, sondern es hat auch mit
7 Judith Uebing: Geschichte
                                  den: die Rolle der allgemein- oder sozial-pädagogi-        Wahrnehmungs- und Bildungsgewohnheiten zu tun.
    in 10 Minuten – Wie geht
            das?, in: Christian   schen Bezugsperson tritt einen Schritt zurück, die         Die erfolgreichen digitalen Bildungsformate sehen
   Bunnenberg / Nils Steffen      Rolle des presenter von Bildung tritt einen Schritt vor.   ihre user weniger als Teilnehmer am kritischen Diskurs
       (Hrsg.): Geschichte auf    Die Rolle des presenter von Bildung im digitalen Ler-      zur Sache, sondern als Abonnenten eines Dienstleis-
      Youtube. Neue Heraus­
              forderungen für     nen ist aber bereits erfolgreich besetzt. So treten        ters von Bildung (Wer erklärt es dir so, dass du es am
      Geschichtsvermittlung       Mathematiklehrer und -lehrerinnen mit ihren digita-        besten verstehst?).
    und historische Bildung,
     de Gruyter Oldenbourg,
                2019, S. 71–94.

                    8 Ebd., 87.

                        9 Ebd.             »Die eigenen Kinder zu einem regelmäßigen Tages- und
                       10 Ebd.                   Lernrhythmus zu motivieren, war schwierig«

              14
»Oftmals ist den Nutzerinnen und Nutzern dabei         Alternativen digitaler Bildung
                 kaum bewusst, wie sehr die emotionale Zuschreibung     als Aufgabe
                 von Authentizität der oder des Darstellenden die ei-
                 gene Entscheidung, die Inhalte als wahr zu akzeptie-   Interreligiöses Lernen ist ein Bildungsprozess von
                 ren, beeinflusst.«11                                   Menschen, die sich in ihrer religiösen Diversität be-
                                                                        gegnen und sich dabei folgende Fragen stellen: Wie
                 Dies führt zu einer Alleinstellung des presenter als   nehme ich den anderen und mich selber im Angesicht
                 Monopolisten des kritischen Subjekts. Die crowd,       des anderen wahr? Wie gehe ich souverän mit kom-
                 die sich um ihn versammelt, ist damit noch nicht       plexen Sachverhalten um, die häufig nicht auf eine
                 vergleichbar mit der community einer Echokam-          richtige oder falsche Antwort eingedampft werden
                 mer der sozialen Netzwerke, aber den kritischen        können? Wie schaffe ich eine »warme« vertraute Be-
                 Diskurs lernt man hier wie dort nicht mehr. Und        gegnung und wie übe ich faire Umgangsformen ein?
                 das eigene kreative Tun der user findet selten im      Im digitalen Lernen sind diese Bedarfe noch kaum
                 digitalen Bildungsprozess selber seinen Platz, son-    abzudecken, häufig stehen die digitalen Bildungsge-
                 dern eher danach auf Portalen wie Instagram und        wohnheiten dem sogar entgegen. Hier bleibt für die
                 tiktok.                                                Zukunft noch vieles zu entdecken und zu entwickeln.     11 Ebd., 75.
© A. Krumpholz

                                                                                                                                               15
Kapitel 3

                                                                                                                                          © A. Krumpholz
                       »Saints of Color«
                       rassismuskritisch reflektiert
Autor: Frank van der
             Velden

                       Digitaler Kompetenzerwerb interreligiös

                       Migration wird religiosiert                                »Hilfe! Christentum in Deutschland
                                                                                  stammt aus der Migration!«
                       Das rein digitale Format »Saints of Color« wurde als
                       Beispiel guter interreligiöser Didaktik im Rahmen des      Dabei ist unsere eigene Christentumsgeschichte in
                       Projektes 2020 der KEB Hessen im hessischen Weiter-        den deutschsprachigen Ländern zutiefst und von
                       bildungspakt 2017-2020 entwickelt. »Saints of Color«       allem Anfang an durch Migration geprägt. Das For-
                       stärkt mit interaktiven features den Kompetenzerwerb       mat »Saints of Color« didaktisiert die wenig bekann-
                       zum Umgang mit kultureller und religiöser Vielfalt.        te Tatsache, dass die ersten Christ*innen hierzulan-
                       Dazu gehört ein rassismuskritischer Blick auf unsere       de im 3. Jahrhundert Afrikaner*innen waren, die als
                       historischen und aktuellen Wahrnehmungsgewohn-             Angehörige der römischen Legionen in den Militär-
                       heiten. Tatsächlich erleben wir in Deutschland auch        lagern an Rhein, Main und Donau lebten.
                       im schulischen Handlungsfeld zunehmend kritische
                       Anfragen an die Willkommenskultur, und regelmäßig          Ende des dritten Jahrhunderts befahl der römische
                       sind diese mit religiösen Zuschreibungen verbunden:        Kaiser Diokletian die Versetzung einer der drei ägyp-
                       Migration wird dabei kulturalisiert, indem sie als         tischen Legionen, nämlich diejenige unter dem
                       ­›afrikanisch‹ und ›orientalisch‹ gelesen wird. Migrati-   Oberbefehl des Mauritius (der Name bedeutet im
                        on wird dabei religiosiert, indem sie als ›muslimisch‹    Koptischen so viel wie Der Offizier aus dem Süden)
                        gelesen wird. Die Zahlen sprechen freilich eine an-       nach Westeuropa. In dieser thebäischen Legion
                        dere Sprache: Mit Ausnahme der Jahre 2015–2018            dienten 6.600 überwiegend christliche Offiziere und
                        kommt die Mehrheit der Migrant*innen aus osteuro-         Soldaten aus Oberägypten, die teilweise mit ihren
                        päischen Ländern, die überwiegend christlich geprägt      Familien am Dienstort siedelten. Es ist für unser
                        sind. Doch das angstbesetzte Narrativ einer ›musli-       Thema von Belang, dass in dieser oberägyptischen
                        mischen‹ Migration aus dem Orient oder Afrika hat         Provinz – nahe der heutigen Stadt Luxor – seit pha-
                        sich längst in den Köpfen festgesetzt.                    raonischer Zeit Menschen aus Oberägypten und

     16
Nubien zusammenlebten. Die kulturelle Verbindung         an was ich glaube, sondern gleichzeitig zu zeigen,
zum subsaharischen Afrika ist in dieser Region aus-      wie ich damit umgehe. Es ist eine Selbsterzählung
geprägt.                                                 religiöser Lebenspraxis im Angesicht des anderen.
                                                         Ihre Grundhaltung ist Einblick zu gewähren, nicht zu
In den Christenverfolgungen der römischen Kaiser         belehren. Dazu müssen neue Narrative der »Behei-
Diokletian, Decius und Julian (3.-4. Jh.) wurden zahl-   matung in religiöser Vielfalt« formuliert werden, wel-
reiche dieser christlichen Ägypter*innen als Märty-      che an die religiösen und kulturellen Überlieferungen
rer*innen hingerichtet. Viele der großen Dome und        der eigenen Wertegemeinschaft anknüpfen können.
einige der ältesten christlichen Kirchen an Rhein        Solche »Bilder im Kopf« und religiöse/kulturelle
und Donau stehen auf den Gräbern von solchen             Selbst-Erzählungen im Angesicht des anderen sollen
koptischen Heiligen, die zu den ältesten namentlich      Alternativen zu autoritären nationalen oder religiös
bekannten Glaubenszeug*innen hierzulande gehö-           begründeten Verschwörungserzählungen aufweisen
ren. Unter anderem die große romanische Kirche           und so die Wahrnehmungs-, Deute- und Kommuni-
St. Gereon in Köln und das Bonner Münster. Im St.        kationskompetenzen einer offenen, religiös pluralen
Viktor-Dom zu Xanten am Niederrhein wird die             Gesellschaftsordnung stärken.
Pforte der koptischen Märtyrer – der namensge-
bende Viktor, dazu Mauritius und Gereon – gezeigt.       Weiterhin soll dazu beigetragen werden, einen ge-
In der Schweiz sind St. Maurice, Zürich, Genf, Solo-     sellschaftlichen Diskursraum zu eröffnen, der mit
thurn und Bad Zurzach als Verehrungsorte kopti-          solchen Selbstdeutungen und –erzählungen empa-
scher Heiliger bekannt. Einen Überblick über die         thisch und mehr oder weniger kompetent umgehen
Topographien gibt Beat Näf in seinem Buch über           kann. Ziel ist keine religiöse oder kulturelle ›Konfes-
den Kult der thebäischen Legion.                         sionalisierung‹, sondern ein ressourcenorientierter
                                                         Blick auf die unterschiedlichen religiösen Lebens-
                                                         praktiken, inwieweit sie den Erwerb neuer sozialer
Selbstbilder und White-facing                            Verhaltensmuster ermutigen, stärken, und ermögli-
                                                         chen können. Dies erfordert allerdings eine allgemei-
Christentum ist hierzulande also eine Ressource, die     ne gesellschaftliche und schulische religiöse Grund-
aus der ›afrikanischen‹ Migration erworben wurde.        bildung – im Sinne der religious literacy (Diane L.
Die exklusive Kulturalisierung eines schweizerischen,    Moore) – als gemeinsame Aufgabe für alle.
deutschen oder österreichischen Christentums ist
von dessen Beginn an unsachlich. Kulturelle Diver-
sität hat das Christentum in den deutschsprachigen       Durchführungen der »Saints of Color«
Ländern seit Beginn und bis heute befruchtet. Was
bedeutet diese Erinnerung für unsere kulturellen         Wenn der Prophet nicht zum Berg kommen kann,
Selbstbilder als »deutsche« etc. Christ*innen? Die       dann kann in digitalen Zeiten der Berg zum Prophe-
Rezeptionsgeschichte der »Saints of Color« in deut-      ten kommen: Den für die ursprünglich geplante Fach-
schen Landen hält dazu zahlreiche überraschende          tagung unseres Projektes vorgesehenen Speaker
Aspekte bereit: vom White-facing afrikanischer Hei-      wurde nun anders herum das Format »Saints of Color«
liger bis hin zu kolonialen und rassistischen Entglei-   als digitaler Gastvortrag innerhalb ihrer eigenen aka-
sungen ihrer Darstellung. Aber es gibt auch respekt-     demischen Lehrveranstaltungen angeboten. Die
volle Abbildungen, die ihre afrikanische Herkunft        Resonanz auf unsere Anfrage war sehr positiv (6
ernst nehmen, und es gibt faszinierende Momente,         Durchführungen mit 8 Forscher*innen und 97 stu-
z. B. dass die Erinnerung an den Thebäer St. Viktor in   dentischen Teilnehmer*innen zwischen Oktober 2020
Xanten den Münsteraner Bischof Graf von Galen im         und Februar 2021, s. Liste der Veranstaltungen im
Jahr 1936 zu einer Widerstandspredigt gegen die          Projektbericht).
Nationalsozialisten inspirierte. Diese Aspekte werden
interaktiv und digital erinnert, und in Übungen zur      Zusätzlich konnte über diese Durchführungen das
Vielfaltswahrnehmung und Kommunikationskompe-            fachliche Feedback von 8 Forscher*innen und von
tenz didaktisiert (s. Story-board).                      fast 100 Teilnehmer*innen – überwiegend weiblich,
                                                         fast zur Hälfte muslimisch - eingeholt und dokumen-
                                                         tiert werden. Über die App feedbackr.io wurden dazu
Zur pädagogischen Zielsetzung                            qualitative und quantitative Bewertungen zum bil-
                                                         dungspolitischen Setting und zur fachdidaktischen
Religiöse Diversität gehört zur kulturellen Matrix Eu-   Konzeption der Veranstaltung erbeten. Nach jeder
ropas wie auch des Orients. Das Format »Saints of        einzelnen Durchführung wurde das Feedback aus-
Color« fragt, wie wir dies in unseren Narrativen ange-   gewertet und zur Optimierung der Veranstaltung
messen und kompetent ausdrücken können. Wie              genutzt. In dieser Form steht das digitale Format
reden wir also vom Eigenen unter den Bedingungen,        »Saints of Color« weiterhin als interaktive Lehrveran-
Bedarfen und Herausforderungen einer Migrations-         staltung der Lehrer*innenausbildung zur Verfügung
gesellschaft? Interreligiöse Narrativität in diesem      und wird im Frühsommer 2021 an weiteren Univer-
Sinne bedeutet nicht nur, den anderen mitzuteilen,       sitäten durchgeführt (PTH St. Georgen, JGU Mainz).

                                                                                                                   17
Storyboard »Saints of color«
     Ablaufplan der digitalen Lehrveranstaltung

     Min.                                                    Interaktiv                    Modus

       0–5   Begrüßung, Einführung in den Chat               Chat posten                   smart-board

                                                         Teil 1

             Narrative Hinführung
                                                                                           Bildschirmfreigabe
      5–10                                                                                 (Präsentation)
             »Ein Casting für die Hl. Verena«                Eigene Auswahl treffen
            Übung: Vielfalt wahrnehmen lernen,               (Poll-unit)
      10–15                                                                                smart-board
            Reflexion und Diskussion
             Moderne koptische Devotion in Bad
             Zurzach/CH
           Info-Sheet zum »Kult der Thebäer«
     15–30 Das Xantener Reliquiar (12. Jh.)                                                Bildschirmfreigabe
             Predigt von Graf von Galen bei der                                            (Präsentation)
             Viktorstracht in Xanten (1936)
             Die afrikanischen Thebäer in D/A/CH:
             Religion, Migration, Widerstand

                                                         Teil 2

             Input: Zur Frage der Darstellung der
     30–35
             thebäischen Heiligen in der Kunst

     35–40 Film: Der Dom zu Xanten, Symbol des               Eigene Wahrnehmung            Video-clip über
           Widerstands (teaser)                              reflektieren                  smart-board
             Einführung in den online-Spaziergang im                                       Bildschirmfreigabe
     40 – 45 Dom zu Magdeburg:                                                             (Präsentation)
           Übung: Interpretiere die kulturelle Reprä-
                                                             Online-Spaziergang in der     URL und Tipps über
     45–55 sentanz der Hl. Mauritius & Katharina im
                                                             Kleingruppe                   den Chat
           Magdeburger Dom

             Kulturelle Aneignung am Bsp. der Darstel-
             lung der Hl. Katharina                          Individuelle und stereotype
                                                                                           Bilddateien (Materi-
                                                             Formen der Darstellung in
                                                                                           alsammlung)
      55–70 Koloniale Stereotype in der Darstellung des      der Kleingruppe erörtern
            Hl. Mauritius als »Coburger Mohr«
             Das »christliche Abendland« als ideological                                   Bildschirmfreigabe
             storytelling des 19. Jhs.                                                     (Präsentation)
             Die Sicht auf das »eigene« zwischen             Diskussion: Eigene Beiträge
     70–85
             kulturellem othering & Rassismuskritik          posten
             Abschluss und Materialausgabe                                                 QR-code
     85–90
             Feedback erbitten                               Feedback geben                Feedback-App
       HA    Übung: Ein Lernquiz zur Absicherung             Quiz lösen                    Lernplattform

         Input            Übung            Interaktiv

18
Kapitel 4

Alternative Lernorte und
interaktive Lernarten                                                                                                     Autoren: Frank van der
                                                                                                                          Velden, Lisa Thielsch

Der »Digitale interreligiöse Advents-Salon«

Diese Veranstaltung wurde am 17. 12. 2020 als virtu-        menspiel von Theologie und Religionspädagogik
elles Seminar mit Fachreferaten und Anregungen für          gedacht und gesellschaftlich so verankert werden,
eine gute digitale didaktische Lehre durchgeführt.          dass sie zur Ressource werden?
Der »Digitale interreligiöse Advents-Salon« war mit
50 Teilnehmenden sehr gut besucht. Er bestand im            Einige Grundideen: Ein Konstitutivum moderner Ge-
ersten Teil aus einer wissenschaftlichen Key-note mit       sellschaften ist ihre gesellschaftliche, und damit auch
anschließender Respons und Diskussion.                      ihre religiöse Pluralisierung (Peter Berger). Religiöse
                                                            Pluralisierung aber erfordert nicht zuletzt auch eine
                                                            Pluralisierung auf dem Gebiet der Theologie. Es kommt
Key-note von Wolfram Weiße                                  daher zu erheblichen Veränderungen der Priorisierung
                                                            theologischer Forschungsrichtungen. Wolfram Weiße
Für den Hauptvortrag zum Thema Religious diversi-           beschrieb dazu Ansatzpunkte einer interreligiös dia-
ty als Ressource der Migrationsgesellschaft konnte          logischen Theologie, die verstärkt die Relationalität
Prof. Dr. Wolfram Weiße (Akademie der Weltreligio-          und Beziehung zu anderen Konfessionen und Religi-
nen, Universität Hamburg) gewonnen werden.                  onen fokussiert (unter Einschluss aller Weltreligionen,
                                                            z. B. auch des Buddhismus). Damit erscheint eine kon-
Zur Themenfassung: Religiöse Vielfalt steht heute           fessionell eng gefasste, auf sich begrenzte Theologie
in der Spannung zwischen Risiko und Ressource. Es           als ungenügend. Eine dialogische Theologie kann
soll im Folgenden nur nach Ihrer Ressourcenfähigkeit        Absolutheitsansprüche, die auf eine Abwertung an-
im Rahmen solcher Gesellschaften gefragt werden,            derer Religionen zielen, nicht akzeptieren. Sie setzt auf
für deren Gesamtheit Migration eine wichtige Be-            Offenheit gegenüber anderen, auf mögliche, wech-
zugsgröße darstellt. In solchen Gesellschaften kann         selseitige Lernprozesse und auf Selbstreflexivität, Selbst-
religious diversity Ausdruck der Toleranz einer Ge-         kritik und Demut, statt auf Selbstgenügsamkeit. Die
sellschaft sein. Ein hohes Gut ist die Religionsfreiheit,   eigenen religiösen Positionen sollen in der Theologie
wie sie Art. 4 GG unterschiedslos allen Menschen            natürlich deutlich werden, aber vorzugsweise im Rah-
zusichert. Aber zur Ressource wird diese erst, wenn         men eines gemeinsamen Entdeckungsprozesses, einer
darüber hinaus gefragt wird, wie sich Menschen un-          offenen Kommunikation. Eine Verankerung in der ei-
terschiedlicher Religion in der Gesellschaft und zuei-      genen Religion kann so mit einer In-Beziehung-Setzung
nander verhalten. Wichtig sind dabei das gegensei-          zu anderen Religionen verbunden werden; neue Ori-
tige Kennenlernen und auch Respekt. Von den vielen          entierung zu gewinnen kann als gemeinsamer Such-
Fragen, die sich daraus ergeben, soll im Folgenden          prozess geschehen. In diesem Sinne kann Theologie
nur dieser ausgewählte Aspekte angesprochen wer-            auch als Ressource für die Entwicklungslinien einer
den: Wie können interreligiöse Dialoge im Zusam-            religiös und kulturell pluralen Gesellschaft gelten.

                                                                                                                                     19
Ist eine solche Offenheit gegenüber anderen Be-          Harry H. Behr beschrieb, dass theologische Lehre
     kenntnissen in den Ursprungstexten und im Kern           aus dem Wechselverhältnis von Subjekt und Kol-
     der einzelnen Religionen aber möglich oder gar           lektiv heraus lebt. Insofern gehört die soziale Situ-
     geboten? Dies führt zur Frage einer angemessenen         ation ihrer Zielgruppen – also auch das, was Mus-
     Hermeneutik. Auch wenn es in den Schriften der           lim*innen über religiöse Zuschreibungen in Schulen,
     Religionen kritische, abgrenzende Auseinanderset-        sozialen Institutionen, gesellschaftlichen Kontexten
     zung mit Angehörigen anderer Religionen gibt, fin-       etc. erleben – zu ihren normativen Setzungen. Hier
     den sich im Kern der Ursprungstexte vieler Religio-      erlebt theologische Lehre also eine normative Ver-
     nen beachtliche Übereinstimmungen, die den Dia-          änderung, und diese wird über die sich verstärken-
     log mit den anderen Religionen als geradezu gebo-        de intrareligiöse Pluralität zu einer kritischen An-
     ten erscheinen lassen. Wo die bestehenden und            frage.
     gebotenen Unterschiede, und teilweise auch Ge-
     gensätze respektiert werden, dort können die an-         Einerseits in Richtung auf die Traditionen und Struk-
     sonsten vorliegenden Gemeinsamkeiten als umso            turen der eigenen Religionsgemeinschaften und ih-
     wertvoller erachtet werden. Die Frage des Umgangs        rer Vertreter*innen. Hier hat die Religionspädagogik
     der eigenen religiösen Tradition mit diesen beiden       eine wichtige Aufgabe, zwischen diesen beiden Be-
     Aspekten – also mit der Abgrenzung und mit der           reichen als ›Transmissionsriemen‹ eine Übersetzungs-
     Akzeptanz anderer Religionen – wäre im Sinne des         arbeit zwischen Lebensweltorientierung und akade-
     gemeinsamen Lernprozesses am besten im direkten          mischer Theologie zu leisten.
     Gespräch mit den Angehörigen der betroffenen an-
     deren Religionen zu beantworten. Dies ist auch als       Andererseits in Richtung auf die gesellschaftliche und
     Hinweis auf die Wichtigkeit eines begegnungsori-         politische Ebene, an die sie die folgenden fünf Anfra-
     entierten Religionsunterrichts in unseren Schulen        gen stellt:
     zu verstehen.
                                                              1. Toleranz/Pluralität: Auf der dieser gesellschaftli-
     Fazit: Die Weiterentwicklung einer ressourcenori-           chen Ebene bleibt unser Toleranzbegriff häufig
     entierten religious diversity erfordert die Trans-          einer mehrheitsgesellschaftlichen Deutungshoheit
     formation einer auf Zukunft hin geöffneten Theo-            unterworfen, im Sinne einer Duldung und Zubil-
     logie, die ungeachtet der bleibenden Unterschie-            ligung von Diversität. Dieser Toleranzbegriff selber
     de der Religionen doch im Sinne einer Trans-Dif-            gehört kritisch zur Diskussion gestellt, um die
     ferenz (Ephraim Meir) zu neuen Ansätzen im Bereich          durch Fremdzuschreibungen als territorial oder
     wissenschaftlicher Theologie führt. Und zu ver-             kulturell »anders« markierten Bürger*innen auf
     stärkten Ansätzen für reale und konkrete Aussa-             Augenhöhe in den Diskurs mit hinein zu holen.
     gen, die den Menschen für ihre Begegnungssi-                Entsprechendes gilt für die erwähnte religiöse
     tuationen mit Menschen anderer Religionszuge-               Pluralität, die wir in der Gesellschaft zwar erleben
     hörigkeit eine Legitimation an die Hand geben.              –­­aber sie wird nicht rahmenpolitisch gestaltet.
     Dies bedingt eine größere Bodenhaftung der                  Wo ›muslimisch‹ und ›modern‹ als Gegensatzpaar
     Theologie und mehr Offenheit für das Innovati-              aufgebaut wird, führt dies in der Lebensweltori-
     onspotential, das besonders auch junge Menschen             entierung gerade junger Muslim*innen in einen
     einbringen.                                                 kognitiven Konflikt, der sich häufig in einen ästhe-
                                                                 tischen, emotionalen, spirituellen und sozialen
                                                                 Konflikt ausweitet.
     Respons von Harry H. Behr
                                                              2. Intrareligiöse Ebene: Wie verfahren wir mit den
     Für die Respons konnte Prof. Dr. Harry H. Behr, Pro-        zunehmend differenten Meinungsbildungen und
     fessor für Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt           Ausprägungsformen innerhalb einer Religion?
     Islamische Religionspädagogik und Fachdidaktik des
     Islamischen Religionsunterrichts (Goethe-Universität     3. Interreligiöse Ebene: Wie gehen wir mit unter-
     Frankfurt) gewonnen werden.                                 schiedlichen religiösen Gestaltungsansprüchen
                                                                 innerhalb eines staatlichen Territoriums und seiner
     Stichpunkte seiner Antwort: Wo einerseits in der            rechtsstaatlichen Verfasstheit um?
     akademischen Forschung eine neue Morgendämme-
     rung der Religion als Kriterium der gesellschaftswis-    4. Rechtsstaatliche Ebene: Wie verhalten wir uns zu
     senschaftlichen Analyse zu beobachten ist, ist ande-        religiöser Indifferenz, zu religionskritischen Ver-
     rerseits auf der gesellschaftswissenschaftlichen und        ortungen?
     politischen Ebene genauso eine Überforderung mit
     den ästhetischen, ethischen und soziokulturellen         5. Politische Ebene: Welche religionspolitische Visi-
     Ausdrucksformen des Religiösen zu vermerken. Hier           on entwickeln wir als Zivilgesellschaft, aber auch
     herrscht auch in aktuellen Studien eine gewisse Blind-      in der Vernetzung mit der legislativen und judi-
     fleckigkeit gegenüber Religion in ihrer gesamten            kativen Ebene? Was also geht als gesamtgesell-
     Vielfalt.                                                   schaftliche Vision über das Handling der Exeku-

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