DIAKONIE MAGAZIN 2021 / Nr. 2 - Diakonie Erlangen

Die Seite wird erstellt Peer Anders
 
WEITER LESEN
DIAKONIE MAGAZIN 2021 / Nr. 2 - Diakonie Erlangen
DIAKONIE
MAGAZIN
2021 / Nr. 2
DIAKONIE MAGAZIN 2021 / Nr. 2 - Diakonie Erlangen
»Wenn wir soziale Menschen
sind, müssen wir auch einsehen,
dass all unser Tun Folgen für
­andere hat. Das ist grundsätz­
 lich im Menschsein drin, als
 ­soziales Wesen habe ich immer
  die Pflicht, darüber nach­
  zudenken, was mein Handeln
  bei anderen auslöst.«
  S. 18 –21
DIAKONIE MAGAZIN 2021 / Nr. 2 - Diakonie Erlangen
2–3

VORWORT
Liebe Leser*innen
unseres Diakonie Magazins,

was hat Geld mit Nächstenliebe zu tun?
Zunächst einmal nichts. Nächstenliebe äußert sich in
Worten, Gesten und Taten. Aber bereits in der biblischen
Geschichte vom Barmherzigen Samariter, dem Proto-            MATTHIAS EWELT
typen eines Menschen voller Nächstenliebe, wurde für         Pfarrer, Vorstandssprecher
eine Liebestat bezahlt. Die zahlreichen Spenden, die wir     der Diakonie Erlangen
in der Diakonie für unsere Arbeit bekommen, sprechen
dieselbe Sprache: Menschen möchten, dass andere
Menschen Hilfe im Leben bekommen, sie möchten von
dem, was sie haben, etwas abgeben, teilen.

Geld ist eine gute Möglichkeit, nicht selber eine Leistung
für jemanden zu erbringen, sondern das den Profis
der Diakonie zu überlassen. Deshalb ist es uns bei aller
Pro­fessionalität und trotz aller Entgelte und Zuschüsse
und organisatorischer Maßnahmen eines Unternehmens
wichtig, den Gedanken der Nächstenliebe bei der Diakonie
immer wieder in den Vordergrund zu rücken. Es geht
bei der Diakonie immer auch um liebevolle Zuwendung,
um Nächstenliebe. Unsere Spender*innen machen
uns das mit ihrer Großzügigkeit deutlich. Ganz besonders
während der Coronakrise. Dafür sind wir dankbar.

Jeder Mensch sollte genug zum Leben haben, weil er es
sich verdient oder – wenn er das nicht kann – von einer
sich kümmernden Gesellschaft bekommt. Seit 25 Jahren
leistet die Tafel Erlangen Hilfe im Leben und so direkte
Nächstenliebe – dank all der tatkräftigen Ehrenamtlichen
aber auch großzügigen Sponsoren*innen und Spender­
*innen. Auch die Unterstützung für Wohnungslose braucht
manchmal eine gehörige Portion Nächstenliebe. Gerade
dann, wenn uns nur die Zuwendung bleibt, weil wir keine
Wohnungen für die zahlreichen Klienten*innen finden.

Die politische Diskussion um den assistierten Suizid hat
uns ganz besonders deutlich gemacht, dass die Liebe
zu den Menschen bei allen Regelungen nicht außer
Acht gelassen werden darf. Beim Sterben darf es weder
um Gewinne gehen noch um vorschnelle Antworten.
Auch das ist für uns ein Kennzeichen der Nächstenliebe.

Wir wünschen viel Freude beim Lesen dieser Ausgabe und
Ihnen persönlich alles Gute und Gottes liebevolle Nähe!

Ihr Matthias Ewelt
DIAKONIE MAGAZIN 2021 / Nr. 2 - Diakonie Erlangen
Impressum

Impressum

HERAUSGEBERIN
Diakonisches Werk Erlangen e. V.
Raumerstraße 9
91054 Erlangen
T. ( 09131) 63 01 - 0
F. ( 09131) 63 01 - 120
info @ diakonie-erlangen.de

REDAKTION
Anna Thiel, Öffentlichkeitsreferat

GESTALTUNG
sunda.studio

DRUCK
Druckhaus Haspel, Erlangen
Auflage 1.500 Exemplare

PAPIER
Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier
mit Farben auf Basis pflanzlicher Öle.
Wir unterstützen den Waldschutz
im Oberallgäu. Besuchen Sie das
Projekt unter: https://bit.ly/3jJTgp5

FOTONACHWEIS
S. 1, 3, 7, 8, 13, 16 © Diakonie Erlangen /
   Stephan Grumbach
S. 27 © Jörg Weber
S. 28 © Joki_Foto, Erlangen
S. 31 © Stephan Minx
Fotos o. A. © Diakonie Erlangen

SPENDENKONTO
Diakonie Erlangen
Sparkasse Erlangen
IBAN: DE46 7635 0000 0060 0258 74
BIC: BYLADEM1ERH
Bitte Verwendungszweck
( z. B. Einrichtung oder Spendenprojekt )
und Ihre Adresse angeben.
DIAKONIE MAGAZIN 2021 / Nr. 2 - Diakonie Erlangen
4–5

INHALT

                                    2
                                    Meine Diakonie

  1
  Nachrichten
                                    14

                                    16
                                         Lebensqualität hat
                                         keine Altersgrenze

                                         Eine Welle
                                         der Solidarität
  der Diakonie und
  ihrer Einrichtungen

                                    4
  6   Panorama

       3
                                    Zahlen und Fakten

                                    22   Jubiläen und
                                         Veranstaltungen

       Schwerpunkt                  23   Spenden und Helfen

                                    30   Einrichtungen
       18   Diakonie und
            »assistierter Suizid«
DIAKONIE MAGAZIN 2021 / Nr. 2 - Diakonie Erlangen
DIAKONIE NACHRICHTEN
Panorama

                                 PANORAMA
NACHGEHAKT!
Zur Bundestagswahl

Die Corona-Pandemie war
und ist ein Stress-Test für
unsere Klienten*innen und für    THOMAS STAUDIGL, ANNA THIEL
uns als diakonischen Träger.
An vielen Stellen haben wir
erlebt, dass der Sozialstaat

                                 Erlebnisse und Veranstaltungen
gerade in der Krise handlungs-
fähig war. Andererseits hat
die Pandemie die teils schon
lange bekannten Schwächen
unseres Sozial- und Gesund-
                                 aus Einrichtungen der Diakonie
heitssystems schonungslos
offengelegt.                     in ganz Erlangen.
Wir verstehen uns als Unter-
nehmensverbund auch als
politische Lobby für etwa
27.000 Klienten*innen sowie
2.600 haupt- und ehrenamt-
liche Mitarbeitende. Deshalb
werben wir bei den möglichen
künftigen Vertretern*innen
dieser Menschen im deut-
schen Bundestagsparlament
für ihre sozialen Belange.

Wir haben NACHGEHAKT:            Tag der Pflege                           flächendeckende Tarifverträge
Wie positionieren sich die
                                                                          durchgesetzt werden. Eine Pflicht zur
MdB-Kandidaten*innen zu          in Mittelfranken                         Tarifbindung schreibt inzwischen ein
den Anliegen der Diakonie
Erlangen?                                                                 Gesetzentwurf zur Pflegereform vor,
                                 Sechs Auszubildende ­diskutierten        über die der Bundestag noch in dieser
                                 mit Staatssekretär Andreas               Legislaturperiode entscheiden soll.
                                 Wester­fellhaus, dem Pflege-Bevoll­      Auch Jakob Ludwig findet sich
                                 mächtigten der Bundesregierung           als Auszubildender gut bezahlt und
                                 und dem Bezirkstagspräsidenten           auch die Fachkräfte verdienten nicht
                                 Armin Kroder stellvertretend für         schlecht. »Was man aber angehen
                                 die 2.000 angehenden Pflegekräfte        sollte, ist die Angleichung der privaten
                                 in Mittelfranken.                        Anbieter an die tarifgebundenen.«

                                 Bedingt durch Corona konnte die          Insgesamt war die Vergütung in der
                                 Podiumsdebatte am Tag der Pflege         Diskussion aber nicht das Schwer-
                                 nicht vor Publikum stattfinden. Doch     punktthema. Beklagt wurde eher der
                                 etwa 250 Zuschauer*innen verfolgten      Personalmangel. Er sei die Ursache
                                 auf YouTube den Livestream aus dem       für den Zeitdruck. »Da muss man
                                 Nürnberger Presseclub und tauschten      schauen, dass sich der Stress
                                 sich eifrig im Livechat aus. Die Auf­    nicht auf die Bewohner überträgt«,
                                 zeichnung wurde schon in der ersten      berichtete die Auszubildende Annika
                                 Woche fast 1.250 Mal angesehen.          Artelt. »Gerade die Demenzkranken
                                                                          empfinden das sehr deutlich.« Ihre
                                 »Niemand hat sich über den Applaus       Kollegin Susanne Hofmann­-Fraser
                                 beschwert«, so Maximilian Streit,        ergänzte, dass es oft bis zu einem
                                 Pflegeschüler im 3. Ausbildungsjahr.     Jahr dauere, bis eine freigewordene
                                 »Aber es ist nicht viel gefolgt, vor     Stelle nachbesetzt sei. Und auch
                                 allem in der zweiten und dritten Welle   über die Aufgabenverteilung müsse
                                 der Pandemie.« Dem konnte Armin          neu nachgedacht werden, etwa:
                                 Kroder nur zustimmen. Er forderte        »Muss denn eine Fachkraft Betten
                                 einen höheren Verdienst, »nicht nur      beziehen?« Wer was mit welcher
                                 einen Mindestlohn«. Diese müsse mit      Qualifikation tut, ist auch für Andreas
                                 gesetzlichen Vorgaben oder durch         Westerfellhaus ein entscheidender
DIAKONIE MAGAZIN 2021 / Nr. 2 - Diakonie Erlangen
6–7

AUSZUBILDENDE
DER DIAKONIE
beim Tag der Pflege.

Punkt. »Wir wollen daher die Auf-         Pflegenden ähnlich wie die Ärzte-        Online
gaben zwischen den Berufen neu            kammer.« Mit diesem Appell schloss       TAG DER PFLEGE 2021
verteilen«, kündigte er an. Damit hofft   Staatssekretär Andreas Westerfell-
                                                                                   Die Aufzeichnung des
er auch die rund 180.000 Berufs­          haus die Diskussion. »Sie sind die       ­Gesprächs ist zu sehen auf
aussteiger*innen in Deutschland           größte Berufsgruppe im Gesundheits-       www.wir-pflegen-franken.de.
zurück­zugewinnen. Ein weiterer Vor­      wesen. Sie müssen mehr Druck              Dort sind auch alle 16 Filme
schlag war, eine 30-Stunden- oder         machen, indem Sie sich untereinander      zu sehen, die Auszubildende
eine 4-Tage-Woche einzuführen. Auch       stärker solidarisieren.«                  in der Pflege gedreht haben.
dafür gibt es laut Westerfellhaus
bereits Modelle. Allerdings sperrten      Die Diskussion organisiert hatte
sich noch die Pflegekassen.               die Bezirksarbeitsgemeinschaft der
                                          öffentlichen und freien Wohlfahrts-
Den starren Schichtbetrieb flexibili-     pflege im Bezirk Mittelfranken.
sieren will Armin Kroder. Denn:           Ihr gehören der AWO Bezirksverband
»Ein attraktiver Arbeitgeber muss         Ober- und Mittelfranken, das
berücksichtigen, dass seine Be­-          Bayerische Rote Kreuz, die Caritas
schäftigten auch andere Aufgaben          und Der Paritätische in Mittelfranken,
und Bedürfnisse als den Beruf             die Diakonie Bayern und die Israe-
haben.« Eine Erleichterung könnten        litische Kultusgemeinde Nürnberg an.
z. B. Betriebskindergärten sein.
»Ich brauche eine Vertretung der
DIAKONIE MAGAZIN 2021 / Nr. 2 - Diakonie Erlangen
DIAKONIE NACHRICHTEN
Panorama

 Freie Fahrt für                             Fahrten zu Fortbildungen und Fach-       Musik zum Osterfest
                                             veranstaltungen. Voraussetzung
­Bahnhofsmissionen                           ist, dass die Mitarbeitenden ihren       Am Ostersonntag gaben Mitglieder
 in Bayern                                 ­Bahnhofsmissionsausweis sowie den         des Posaunenchors von
                                             Nachweis für die Begleitfahrt bzw.       St. Matthäus im Innenhof der
 Beschäftigte der Bahnhofs­                  die Veranstaltung mit sich führen und    Diakonie am Ohmplatz ein Konzert.
 missionen in Bayern fahren                  in Dienstkleidung unterwegs sind.
 zu dienstlichen Anlässen ­künftig           Das Team der Bahnhofsmission             Unter der Leitung von Susanne Hart-
 ­kostenlos in den bayerischen              ­Erlangen freut sich über die Entschei-   wich-Düfel spielte der Posaunenchor
­Zügen.                                      dung: »Das ist ein wirklich tolles       die ­Osterchoräle für die Bewohner­
                                             Entgegenkommen«, meint Claudia           *innen des Seniorenpflegeheims, des
»Das dadurch eingesparte Geld                Steubing, Leitung der Erlanger           ­Betreuten Wohnens und des ­Hospizes,
können die Bahnhofsmissionen an              Bahnhofsmission, »das vereinfacht         die an den geöffneten Fenstern und
anderer Stelle besser für ihre hervor-       den Weg zu Fortbildungen und              von ihren Balkonen aus lauschten.
ragende Arbeit einsetzen«, so ­           ­Konferenzen«.                               ­Pfarrerin Dorothee ­Tröger bedankte
Bayerns Verkehrsministerin Kerstin                                                      sich herzlich, dass die Musiker*innen
Schreyer. Die neue Vereinbarung                                                         die Botschaft »Christus ist aufer­
zur kostenfreien Nutzung der Regio-                                                     standen, es besteht Hoffnung auch
nalzüge betrifft sowohl Begleitfahrten                                                  für uns!« weitergegeben haben. Das
mit Bahnhofsmission Mobil sowie                                                         stärke und mache Mut für die Zukunft.

CLAUDIA STEUBING (l.)
mit Mitarbeitenden der Bahnhofsmission.
DIAKONIE MAGAZIN 2021 / Nr. 2 - Diakonie Erlangen
8–9

Onlineseminar zur

                                                                                                                         Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=33AB5jGlCXY
Stressbewältigung

 Auf dem YouTube-Kanal der
 ­Diakonie Erlangen können
  ­Interessierte sich ein neues
   ­Onlineseminar zum Thema
­»Stressbewältigung« ansehen.

Das Seminar, bestehend aus zehn
Clips wurde von ­Nicole Jungbauer für
die Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit
(KASA) erstellt. Die Psychologin
beantwortet u. a. die Fragen: »Wo
kommt der Stress her? Wie entsteht
er? Was macht Stress mit uns? Wie
können wir dem gut begegnen?«
Das Angebot richtet sich besonders
an alleinerziehende Eltern, aber auch
an alle, die das Thema interessiert.

YouTube Kanal
                                                                                               NICOLE JUNGBAUER
Bitte beachten Sie, dass ­unsere                                                                        Psychologin
­Videos in Kürze nur noch im gemein-
 samen Kanal der Stadtmission
 ­Nürnberg und Diakonie Erlangen
  zu finden sind.

                                         Fortbildung                          »Auf der Suche nach neuen Mög­
                                                                              lichkeiten der Wissensvermittlung bin
                                         in einer Minute                      ich auf dieses interessante Projekt
                                                                              gestoßen und war sofort begeistert«,
                                         Fortbildungen sind im normalen       erzählt er. Die Fortbildungsinhalte sind
                                         Berufsalltag der Pflege schwierig    auf einer Lerntafel zusammengefasst,
                                         unterzubringen. Alexander Kulla,     die Lesezeit soll dabei ungefähr eine
                                         Leitung des Erlanger Hospizes, hat   Minute betragen. Diese freiwilligen
                                         in seiner Einrichtung darum das      »Mini-Fortbildungen« werden an
                                         Fortbildungskonzept One Minute       Orten platziert, an denen Wartezeiten
                                         Wonder (OMW) als Angebot für         entstehen, z. B. am Drucker. Die in
                                         seine Mitarbeitenden etabliert.      Großbritannien entstandene Idee
                                                                              kommt auch hierzulande gut an und
                                                                              verbreitet sich. »Auch Mitarbeitende
                                                                              selbst tragen Inhalte für das OMW
                                                                              bei«, erklärt Kulla. Außerdem stellen
                                                                              alle teilnehmenden Netzwerkpartner
                                                                              ihre Lerntafeln zum Austausch mit
                                                                              den anderen online.

                                                                              HOSPIZ AM OHMPLATZ
                                                                              OMW im Einsatz
DIAKONIE MAGAZIN 2021 / Nr. 2 - Diakonie Erlangen
DIAKONIE NACHRICHTEN
Panorama

100. Geburtstag                           Verabschiedung                          und Umbrüche miterlebt.
                                                                                  Das Gremium der MAV habe immer
in engem Kreis                            in den Ruhestand                        versucht die besten Lösungen für die
                                                                                  Mitarbeitenden zu finden und eine
Wilhelm Hausotte, Bewohner im             Nach 27 Jahren in der D ­ iakonie       gute Zusammenarbeit mit der
Pflegeheim Diakonie am Ohmplatz,          Erlangen und über 20 Jahren             Geschäftsleitung zu pflegen. »Sehr
feierte am 10. Juni 2021 seinen           ­Engagement in der Mitarbeiten­         hilfreich für uns war in den letzten
100. Geburtstag im engen                   denvertretung (MAV) – dem              Jahren die Gründung des Gesamtaus-
Familien- und Bekanntenkreis.              »­Betriebsrat« der Diakonie –          schusses für die Mitarbeitervertre-
                                           hat sich Elisabeth Gerrity in          tungen in der Diakonie Bayern«,
Seit fast 50 Jahren war Hausotte           den ­Ruhestand verabschiedet.          betont Gerrity. Durch eine Rechtsrefe-
Mitglied der Bergwacht, darunter                                                  rentin können hier die juristischen
mehrere Jahre im Vorstand. Noch           Begonnen hat die Sozialpädagogin        Fragen der MAVen beantwortet
bis ins hohe Alter fuhr er in die Alpen   1994 bei den Ambulanten Erzieh­         werden. Die MAV-Arbeit sei in den
zum Wandern. Im Pflegeheim am             erischen Hilfen, bevor sie von 2002     letzten Jahren immer mehr geworden.
Ohmplatz lebte er wieder im gleichen      bis Ende Juni 2021 in der Sozial­       Den Vorsitz der MAV hat Elisabeth
Erlanger Stadtviertel, in dem er einst    beratung »KASA« tätig war. »Es ist      Gerrity zum 1. Mai 2021 an Doris
aufgewachsen ist. Wenige Wochen           immer ein Spagat«, sagt die 65-­        Dallheimer abgegeben. Zum Abschied
nach seinem runden Geburtstag,            Jährige über ihre Rolle in der MAV.     wolle sie sich für das Vertrauen der
am 21.07.2021, ist Wilhelm Hausotte       Sie hat im Laufe ihrer Amtszeit viele   Mitarbeitenden und für die gute
verstorben.                               Wechsel in der Geschäftsleitung         Zusammenarbeit herzlich bedanken.

WILHELM HAUSOTTE
War Bewohner der
Diakonie am Ohmplatz.

                                                               ELISABETH GERRITY
                                                               Sozialpädagogin
10 – 11

                                                                              Obwohl die Pandemie dazu geführt
                                                                              hat, dass es weniger Ausbildungs­
                                                                              stellen gibt, stehe man in Erlangen
                                                                              insgesamt noch ganz gut da, meint
                                                                              Wolfgang Gremer, Leitung der
                                                                              Jugendwerkstatt bei der Verleihung
                                                                              des Gütesiegels. Aber auch hier gilt:
                                                                              »Das Matching von Azubi zu Betrieb
                                                                              funktioniert oft nicht.«

                                                                              Einer der Gründe dafür sei die
                                                                              seit Jahren andauernde Bestenaus-
                                                                              lese. »Das Abitur und der mittlere
                                                                              Schulabschluss sind zur Leitwährung
                                                                              auf dem Ausbildungsmarkt geworden,
                                                                              junge Menschen mit einem Haupt-
                                                                              schulabschluss haben dagegen kaum
                                                                              noch Chancen auf einen unmittel­
                                                                              baren Start in die Ausbildung – nur
                                                                              45 Prozent schaffen diesen direkten
                                                                              Einstieg.«

                                                                              Unter denen, die nicht sofort einen
                                                                              Ausbildungsplatz finden, sind auch
                                                                              sozial stark benachteiligte Jugend­
                                                                              liche, die eine individuelle Förderung

»Wir machen                                                                   brauchen. Manche fallen erstmal ganz
                                                                              durchs Raster und werden dann
                                                                              von Institutionen wie dem Jugendamt,

junge Menschen                                                                der Arbeitsagentur oder dem Job­
                                                                              center bzw. der GGFA an die Jugend-
                                                                              werkstatt vermittelt. Hier werden die

fit fürs Leben«                                                               Jugendlichen besonders gefördert
                                                                              – fachlich und in ihrer persönlichen
                                                                              Entwicklung, um später auf dem
Wolfgang Gremer, Leitung der Jugendwerkstatt                                  normalen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
                                                                              »Unser Fokus liegt nicht nur auf
                                                                              der Herstellung von Möbeln«, erklärt
                                                                              Gremer. »Unsere Aufgabe ist die
                                                                              Ausbildung junger Menschen, denen
                                         Erneut ausgezeichnet:                wir eine Basis für ein gelingendes
                                                                              Leben mitgeben wollen«.
                                         Jugendwerkstatt erhält
                                         Gütesiegel                           Neben den fachlichen Lehr­inhalten
                                                                              nehmen die Auszubildenden sehr
                                         Die Jugendwerkstatt der Diakonie     viel mehr in der Jugendwerkstatt mit:
                                         wurde wieder mit dem Gütesiegel      Regelmäßig nehmen sie an pädago-
                                         soziale und berufliche Integration   gischen Aktivitäten, wie gemeinsame
                                         ausgezeichnet. Die Ausbildungs­      Kanutouren und intuitives Bogen­
                                         stätte bildet junge Menschen         schießen teil. Außerdem werden sie
                                         zu Schreinern*innen und Fach­        von Mitarbeitenden persönlich
                                         praktikern*innen für Holztechnik     beraten und unterstützt, wenn sie
                                         aus. Aber sie ist kein normaler      Schwierigkeiten im Alltag haben.
                                         Betrieb: Denn hier werden junge      Die Vermittlungsquote der Jugend-
                                         Leute nicht nur für ihren Beruf,     werkstatt-Lehrlinge auf den
                                         sondern für ein selbstbestimmtes     normalen Arbeitsmarkt liegt bei
                                         Leben fit gemacht.                   über 80 Prozent.
DIAKONIE NACHRICHTEN
Panorama

       Seit 25 Jahren verbindet
       die Tafel Erlangen
       Lebens­mittelrettung und
       soziales ­Engagement.
       Ein Interview mit
       der Einrichtungsleitung
       Elke ­Bollmann.

                       Wer sind die Kunden*innen                 Während den letzten anderthalb
                       der Tafel und warum ­kommen               Jahren hat sich vieles verändert,
                       sie zu Ihnen?                             darunter auch unser Bewusst­
                       Elke Bollmann 1653 Kunden*innen           sein für das vermeintlich N ­ ormale
                       zählt die Tafel Erlangen Anfang 2021,     und das, was schief läuft in
                       25 Jahre nach ihrer Gründung. Das       ­unserer Gesellschaft. Man spricht
                       sind zu viele. Der Kundenstamm ist in     jetzt von G­ ewinnern*innen und
                       diesem Zeitraum um 35 % gestiegen.       ­Verlierern*innen der Pandemie.
                       In Erlangen kommen Woche für              Wie nehmen Sie das aus Tafel-­
                       Woche bedürftige Menschen zu den          Sicht wahr?
                       Ausgabestellen – ein Drittel davon        Elke Bollmann Die Tafel war und ist
                       sind Kinder und Jugendliche – und         für unsere Kunden*innen eine wichtige
                       erhalten qualitativ hochwertige           Hilfe im Alltag und hat ihnen als
                       Lebensmittel. Warum sie kommen?           Konstante Stabilität gegeben. Tafeln
                       Sie haben wenig bis keine Wahl.           waren und sind systemrelevant.
                       Ihr monatliches Einkommen reicht          Wer oder was systemrelevant ist, ist
                       oft nicht für das Lebensnotwendige.       immer eine Frage des Blickwinkels.
                       Das wurde in den zurückliegenden          Aber am Ende ist es so: Unsere Erde
                       zwölf Monaten besonders deutlich.         und wir Menschen sind system­
                       Prekäre Beschäftigungsverhältnisse        relevant. Davon muss sich alles
                       wurden beendet, das Einkommen             andere ableiten. Tafeln können eine
                       ausKurz­arbeit bei Menschen mit           Gesellschaft nicht nachhaltig ver­
                       ohnehin niedrigem Einkommen reicht        ändern, aber sie machen Missstände
                       oft nicht mehr für Miete und offene       deutlich. Eine Gesellschaft, die mit
                       Rechnun­gen, Kindern fehlen materi-       einer Verknappung von Ressourcen
                       elle Ressourcen bei der Bewältigung       zu kämpfen hat, die weiß, dass
                       von Distanzunterricht.                    sie sich angesichts des Klimawandels
                                                                 anders verhalten und wirtschaften
                                                                 muss, geht mit ihnen trotzdem so um,
                                                                 als gäbe es kein Morgen.
12 – 13

Ein Drittel aller Lebensmittel, die      Erfahrungen anderen schenkten.
weltweit produziert werden, werden       Aktuell sichern 150 Mitarbeitende in
vernichtet. Und auf der anderen Seite    den drei Ausgabestellen der Tafel        Tafel Erlangen
                                                                                  ELKE BOLLMANN
sehen wir, dass es Not und Mangel        Erlangen Tag für Tag einen reibungs-
bei uns gibt. Die Schere zwischen        losen Betriebsalltag, eine konstante     Seit Ende 2019 leitet
Armen und Reichen geht immer weiter      Unterstützung für alle Kunden*innen.     Elke Bollmann die drei Aus­
auseinander. Armut nimmt die Chance      Für- und miteinander ist ihre Devise.    gabestellen der Tafel
auf eine freie persönliche, soziale,                                              Erlangen in der Schillerstraße,
                                                                                  in Büchenbach und Herzo­
schulische und berufliche Entfaltung.    Dass es miteinander immer besser
                                                                                  genaurach. Den Kunden*innen
Das ist doch eine – ich würde fast       geht, haben also auch viele Leute        mit Respekt und auf Augen-
sagen – ­Versündigung an Umwelt und      verstanden, die nicht mit Muskel­        höhe zu begegnen ist ihr
Mensch.                                  kraft und Zeit, wohl aber finanziell     besonders wichtig.
                                         geholfen haben, oder?
Welche Rolle spielt da die Tafel und     Elke Bollmann Die Tafel ist eine
was tut sie, um die Verhältnisse         wichtige Anlaufstelle für Menschen
zu verbessern?                           in Not, ein sozialer Anker, der vor
Elke Bollmann Seit 25 Jahren ermög-      Einsamkeit schützt. Um unsere Arbeit
licht die Tafel Erlangen Teilhabe und    verlässlich ausführen zu können,
übernimmt soziale Verantwortung. Sie     benötigen wir finanzielle Unterstüt-
verbindet soziales und ökologisches      zung. Diese erhalten wir seit vielen
Engagement und das ist einzigartig.      Jahren von zahlenreichen Spendern­
Und von dieser Idee profitieren          *innen und Organisationen, dem
alle Beteiligten: Lebens­mittelhändler   Förderverein Erlangen Tafel e. V. und
nehmen ihre ökologische Verantwor-       den Kommunen. Während der
tung wahr, B ­ edürftige erhalten für    Pandemie war die Unterstützung
wenig Geld Lebensmittel. Und ganz        auch von Privatleuten wirklich riesig.
nebenbei reduziert sich der anfallende   Dafür sage ich ganz herzlichen Dank!
Müll zugunsten der Umwelt und            Aber auf Dauer wird diese Arbeit
wertvolle Ressourcen wie Wasser und      alleine durch Spendengelder und
­Arbeitskraft werden geschont.           ehrenamtliches Engagement nicht
                                         zu stemmen sein. Wie in unseren
Das klingt jetzt so einfach …            euro­päischen Nachbarländern
Elke Bollmann Möglich wurde das,         ist eine staatliche Unterstützung und
weil sich in zurückliegenden Jahren      Anerkennung erforderlich. Davon
immer zahlreiche Menschen für diese      unberührt bleibt eine notwendige
Idee einsetzten, einen Teil ihrer        Neu­ausrichtung der Sozialpolitik
Lebenszeit, ihrer Kompetenzen und        in Deutschland, damit niemand mehr
                                         existenziell auf die Angebote der
                                         Tafeln angewiesen ist. Machen wir
                                         uns gemeinsam auf den Weg!
MEINE DIAKONIE
Lebensqualität hat keine Altersgrenze

           LEBENSQUALITÄT
           HAT KEINE
           ­ALTERSGRENZE
           ANNA THIEL

           Das Projekt »Schaffung neuer Lebensperspektiven für ältere in
           › verfestigter Obdachlosigkeit ‹ lebende Menschen in der Stadt
           Erlangen« wird aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums
           für Familie, Arbeit und Soziales gefördert. Die Mitarbeitenden
           arbeiten eng mit dem Sozial- und Wohnungsamt der Stadt
           Erlangen zusammen.
14 – 15

Rund 370 Menschen leben derzeit in Erlangen in einer            Koma« erzählt er. Schon zuvor hatte er seinen Job auf-
städtischen Verfügungswohnung. Im Rahmen eines                  gegeben, um sie zu pflegen – so war es vereinbart. Nach
Projektes arbeiten zwei Sozialpädagoginnen der D    ­ iakonie   ihrem Tod habe er den Überblick verloren. Die Trauer im
Erlangen daran, die Lebens- und Wohnsituation älterer           Alkohol ertränkt. Dazu kamen Schulden, die sich über
­Bewohner*innen zu verbessern. Wieder eine Arbeit zu            die Jahre aufgestaut hatten. Eine Situation, in der er nicht
 finden, ist in vielen Fällen aussichtslos. Die Bedarfe         mehr zurechtkam. Bei der Stadt vermittelte man ihm einen
 liegen anderswo: Die Mitarbeitenden unterstützen ihre          Platz in einem Männerwohnheim. Die Sozialpädagogen­
 Klienten*innen bei gesundheitlichen Problemen, bei der         *innen hätten ihm damals sehr geholfen, auch mit Gesprä-
 Suche nach eigenem Wohnraum und einer Beschäftigung.           chen – obwohl das Sozialamt enorm ausgelastet ist.
 Sie helfen ihnen auch, den Alltag zu strukturieren und
 die Freizeit zu gestalten. Gemeinsam versuchen sie,            Babette Brokmeier arbeitet gemeinsam mit ihrer
 neue Perspektiven zu entwickeln und die Lebensqualität         Kollegin Marianne Warnke in dem Projekt der Diakonie.
 zu erhöhen.                                                    »Unsere Arbeit ist auch eine Entlastung für die Ämter«,
                                                                erklärt die Sozialpädagogin. Denn sie bringt mehr Zeit mit,
Holger Grube (Name geändert) ist einer der Klienten*innen       um Dinge in Ruhe zu besprechen. »Lebensqualität darf
des Projektes. Sein Zuhause schön zu haben, ist dem             keine ­Altersgrenze haben«, sagt sie ganz klar. Seit Oktober
59-Jährigen wichtig, auch wenn es nur vorübergehend ist.        letzten Jahres kommt Brokmeier ein- bis zweimal die
Gerne möchte er die Wände neu streichen, aber aus               Woche bei Grube zu Besuch. Gemeinsam schauen
gesundheitlichen Gründen wäre eine Spezialfarbe nötig –         sie z. B. die Post durch, bearbeiten und ordnen Unterlagen.
und die ist teuer. In seinem Allergieausweis findet sich        Vor einer Weile wurde bei dem 59-Jährigen eine Herz-
eine lange Liste an Stoffen, auf die sein Körper stark          krankheit festgestellt. Auch bei den Ärzten*innen unter-
reagiert. »Wegen der Kontaktallergie kann ich zum Beispiel      stützt ihn Babette Brokmeier. »Sie begleitet mich«, erklärt
auf meinem PVC-Boden nicht barfuß gehen«, erklärt er.           er, »darüber bin ich sehr froh«.
Die Krankheit erschwert nicht nur den Alltag, sondern hat
auch dazu beigetragen, dass Grube keine Arbeit mehr             Große Sprünge kann Grube nicht machen, dafür reichen
gefunden hat.                                                   Sozialhilfe und Witwerrente nicht aus. »Man muss
                                                                genau schauen, was man kauft«, sagt er, »es ist schon
Gerne hätte der gebürtige Erlanger nach der Schule eine         auch ein Kampf«. Er lebe von einem Tag auf den anderen.
Lehre gemacht. Sein Stiefvater, ein Trinker, habe es ihm        Die Hoffnung, mithilfe der Diakonie irgendwann wieder
verboten, erinnert sich Grube. Mit Unterstützung des            in eine eigene Mietwohnung zu ziehen, ist aber noch nicht
Jugendamtes zog er damals aus, in eine eigene Wohnung,          verloren. Noch bis November ist die Unterstützung von
und begann zu arbeiten. »Fünf Jahre lag meine Frau im           Babette Brokmeier bewilligt.

                                                                                     WOHNUNGS­LOSEN­
                                                                                     HILFE
                                                                                     Holger Grube (Name
                                                                                     geändert) ist 59 und lebt
                                                                                     in einer Verfügungswoh-
                                                                                     nung der Stadt. Die Unter­
                                                                                     stützung der Diakonie
                                                                                     Erlangen gibt ihm Mut
                                                                                     und Perspektiven. Sozial­
                                                                                     pädagogin Babette
                                                                                     Brokmeier (r.) begleitet ihn
                                                                                     seit über einem halben
                                                                                     Jahr. Sie bringt Zeit
                                                                                     mit, um zuzuhören und
                                                                                     Bedarfe festzustellen.
MEINE DIAKONIE
Eine Welle der Solidarität

           EINE WELLE
           DER ­SOLIDARITÄT
            TABEA BOZADA

            Jochen Nußbaum, Leitung der Spendenabteilung der Diakonie
            Erlangen, liebt seine Arbeit als Brückenbauer zwischen
            ­Menschen, die Hilfe brauchen, und Menschen, die helfen
             wollen. »Gefühlt«, sagt er, »so viel Not und gleichermaßen so
             viel Hilfsbereitschaft wie im Coronajahr war wohl nie«.
             Eine neue Kollegin, Stephanie Öttl, unterstützt seit Juni das
             vierköpfige Team.
16 – 17

Lieber Herr Nußbaum, wie blicken Sie auf dieses               viel bewegt. Bestes Beispiel: Die Tafel hatte ­einen ­tollen
­letzte Jahr zurück?                                          Zulauf von neuen Ehrenamtlichen – vor allem Schüler­
 Jochen Nußbaum Dankbar und überwältigt! Wir haben            *innen und Studenten*innen. Damit konnten die selbst zu
 mit jeder Coronawelle auch eine Welle der Hilfsbereit-       den Risikogruppen zählenden Stammkräfte ­entlastet und
 schaft erfahren. Wahnsinnig viele Sach- und Lebensmit-       geschützt werden. Dazu kommt der Ausbau des Tafel­
 telspenden und ebenso bei den Geldspenden für unsere         mobil-Dienstes. Durch die Corona-Krise war und ist es für
 Arbeit – die haben alle Rekorde gebrochen: 25 Prozent        einige Tafelkunden*innen mit Vorerkrankungen nicht mehr
 mehr im Vergleich zum Vorjahr.                               möglich, persönlich zur Ausgabe zu kommen. Zudem
                                                              steigt die Zahl der Senioren*innen und somit auch die Zahl
Lassen Sie es uns noch konkreter machen: Gibt es              der Kunden*innen, die immobil sind. Die Tafel hat ihren
vielleicht ein exemplarisches Spenden­ereignis,               Lieferservice um ca. 30 Prozent ausgebaut. Möglich wurde
das sie herausgreifen können, weil es dieses ohne             das auch durch ein drittes Fahrzeug, unser neues
Corona wohl nicht gegeben hätte?                              E-Lastenrad. Ohne Spenden ist das alles nicht denkbar.
Jochen Nußbaum Da denke ich zum Beispiel an die von
Spendern*innen finanzierten Gastronomie-Gutscheine               Was hat sich in Ihrem Team nach diesen letzten
für Tafel-Kunden*innen. Dies half nicht nur den von uns       ­Monaten verändert?
versorgten Menschen, sondern auch den unter den Lock-          Jochen Nußbaum Wir hatten so viele Anfragen von
downs leidenden Restaurants. Oder an die Spende vom            ­Menschen, die helfen wollen – nicht nur im letzten Jahr:
Leo-Club Erlangen, der Jugendorganisation von Lions              Völlig zu Recht wollen sie genau wissen, was mit ihrer
Clubs. Unter anderem deren Unterstützung ermöglichte             finanziellen Unterstützung passiert und was sie bewirkt.
es z. B. unserer Bahnhofsmission, Thermobecher für ihre          Das gilt genauso für Menschen, die über ihr Erbe nach-
Besucher*innen anzuschaffen. Dadurch konnten die Mitar-          denken. Und darauf haben wir reagiert: Seit Juni haben
beitenden die Menschen draußen mit warmen Getränken              wir eine neue Kollegin im jetzt vierköpfigen Spendenteam,
versorgen, denn der Innenraum war ja geschlossen. Ein            Stephanie Öttl, die sich künftig um Benefizaktionen und
ganz anderes Beispiel: Etliche Unternehmen und auch              die vielen Firmen und Spender*innen kümmert, die unsere
das Malteser Waldkrankenhaus haben gesagt: Wir können            Arbeit regelmäßig oder mit kleineren, anlassbezogenen
dieses Jahr keine Weihnachtsfeier machen. Was können             Aktionen unterstützen. Ich wiederum werde verstärkt
wir stattdessen mit dem Geld Gutes tun?                         ­Menschen beraten, die z. B. mit ihrem Vermächtnis oder
                                                                 einem größeren Teil ihres Vermögens langfristig Gutes tun
Was treibt die Menschen an, in der Krise ihr Herz und            wollen. Ziel ist es, künftig noch besser sicherzustellen,
ihren Geldbeutel aufzumachen, anstatt die eigenen                dass sie sich in ihrem Engagement wirklich gut beraten
Mittel zusammenzuhalten in unsicheren Zeiten?                    und richtig verortet fühlen.
Jochen Nußbaum Ich hatte den Eindruck, dass dieses
Virus und seine schlimmen Folgen jedem von uns sehr
nah gekommen sind. Dieses Gefühl, dass es jeden treffen       Kontakt
könnte, das hat viel bei den Leuten ausgelöst. Und dann       Jochen Nußbaum, T. (09131) 63 01 - 116
entstand auch ein ganz klares Bewusstsein dafür, wie gut      jochen.nussbaum@diakonie-erlangen.de
es vielen geht, welche Sicherheiten sie haben im Vergleich    www.diakone-erlangen.de/spenden
zu anderen. Welches Glück mit Familie und Beruf. Das
plötzlich auch wahrzunehmen. Dazu kam die sehr sicht-
bare Not anderer: »Bleiben Sie zuhause!« – dieser einfache
Satz, verbunden mit den Bildern obdachloser Menschen,
die nirgendwo unterkommen. Das hat die Leute aufgewühlt
und mobilisiert: Sie wollten die soziale Kluft überbrücken.

 Was kann die Diakonie Erlangen mit diesem
 Mehr von Hilfe erreichen?
 Jochen Nußbaum Wir sind in der Lage, unsere Hilfen für
 die Menschen aufrechtzuerhalten, die sie dringend
­brauchen – zum Teil sogar auszubauen. Keiner weiß ja,
 wie es weitergeht. Dass nach der Krise gespart wird –
 auch an manchen sozialen Belangen – ist zu befürchten.
 Andererseits: Allein im letzten Jahr hat sich auch richtig
SCHWERPUNKT
Diakonie und »assistierter Suizid«

            »SELBSTBESTIMMUNG
            IST EINE I­LLUSION
            DER ­MODERNE«
                      DIAKONIE UND
             »ASSISTIERTER SUIZID«
               EIN GESPRÄCH ÜBER
                 WERTE UND WEGE
                                                                         TABEA BOZADA, ANNA THIEL

            Im Februar 2020 kippte das Bundesverfassungs­
            gericht das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe.
            Diakonie­präsident Ulrich Lilie stieß daraufhin inner­
            halb seines Verbands eine heiße Diskussion an:
            Aktive Sterbeassistenz in der Diakonie – wie geht
            das zusammen?

             Im Interview mit Pfarrer Matthias Ewelt, Vorstand von
             Diakonie Erlangen und Stadtmission Nürnberg, und der
             Leitung des Erlanger Hospizes am Ohmplatz A   ­ lexander
            Kulla wird klar, dass es um viel mehr geht als die ­Frage,
            wer einem sterbenskranken Menschen das tödliche
            ­Medikament übergibt. Denn der freie Zugang zu Sterbe­
             hilfe würde für alle gelten – auch Junge und Gesunde.

            Ist die Selbstbestimmung eines Menschen tatsächlich
            sein höchstes Gut? Wie können wir verantwortungsvoll
            mit dem Sterbewillen eines jeden umgehen, wenn
            wir doch wissen, dass dieser immer auch Momentauf­
            nahme und abhängig von vielen äußeren Umständen ist?
            Der Theologe Matthias Ewelt und der Krankenpfleger
            ­Alexander Kulla haben dazu sehr persönliche, mitunter
             auseinander­gehende Haltungen – beide gehören
             zur Diakonie.

                                                                         Vollständiges Interview im YouTube Kanal
                                                                         der Diakonie Erlangen und Stadtmission
                                                                         Nürnberg: https://youtu.be/039H9Rl64vg
18 – 19

Das Urteil des Verfassungsgerichtes haben viele              ausgehen, dass ich das Recht habe, mein Leben einfach
als Dammbruch verstanden. Können Sie uns nochmal             jederzeit zu beenden, weil es ein Geschenk ist, mit dem
kurz erklären, was wohl künftig, nach gesetzlicher           ich umgehe.
Neuregelung, in Deutschland möglich sein wird und
was nicht?                                                   Das heißt, Sie sehen das Credo und Plädoyer zur
Kulla Ich glaube nicht, dass es diesen Dammbruch             ­Selbstbestimmung eher kritisch, um das hier auch
geben wird. Dass die Zahlen der assistierten Suizide also     gestritten wird?
nicht massiv in die Höhe steigen werden. Für viele ist        Ewelt Es ist nicht so, dass ein Leben beendet wird und
es einfach eine Option, die sie haben und in Anspruch         damit ist alles gut, sondern dass wir sozial das Ganze
nehmen könnten. Wenn dann eine gesetzliche Regelung           angucken müssen: Es ist letztlich nur ein Tausch - einer
da ist, wird ein assistierter Suizid wohl unter ganz          beendet seine Krise und schafft eine neue Krise für
engen Voraussetzungen möglich sein, die noch geregelt         ­andere. Deswegen ist es zu wenig, nur auf das Individuum
werden müssen. Was es definitiv nicht geben wird ist           zu gucken.
die Todesspritze, also das Töten auf Verlangen. Also           Kulla Natürlich ist es so, dass wir in einem sozialen Um-
dass jemand jemandem eine Spritze verabreicht, ohne            feld leben, Familie und Freunde haben. Ich stelle fest, dass
dass dieser selbst die Tatherrschaft hat. Das kann man         immer mehr Leute alleine sind, die keine Angehörigen
aber auch kritisch betrachten, wenn man z. B. an               haben, die isoliert sind und das wird leider zunehmend
Menschen denkt, die gelähmt sind und eine Tablette             ein Problem. Von daher lass ich das Argument der Hinter­
nicht mehr selbst schlucken können.                            bliebenen nicht immer gelten.

Wo hört denn die Assistenz zum Suizid auf und
wo genau beginnt Tötung?                                               »Für mich ist wichtig, dass für
Kulla Die Assistenz kann damit anfangen, dass beraten
wird, dass ein Medikament besorgt wird oder ein Rezept
                                                                       die Gespräche mit demjenigen,
ausgestellt wird. Oder dass das Medikament soweit vor­                 der sich töten möchte, ganz
bereitet wird, dass es derjenige nur noch nehmen muss.
                                                                       viel Zeit da ist.«
Besteht die Aussicht, dass Hausärzte oder jemand
                                                                       Alexander Kulla, Leitung des Hospizes
in der Familie, künftig beim Suizid helfen?
Kulla Das ist wohl auch das, was jetzt schon passiert.
Bei den assistierten Suiziden im Verborgenen. Und wenn
das dann offen und transparent stattfindet, dann ist das     Sie sehen es also auch als Teil der Verantwortung
denke ich der beste Weg. Ich muss aber auch immer dazu       eines Menschen, der sein Leben beenden möchte,
sagen, es ist wichtig, dass keiner der Ärzte dazu gezwun-    Verantwortung für sein Umfeld zu tragen, dass
gen werden kann, so eine Suizidhilfe vorzunehmen.            er hinterlässt und welches Leid und welche Tragödie
Ewelt Was ich wichtig finde, neben dem ganzen Medizi-        er auslöst?
nischen, ist die Frage der Begleitung. Dass die Beratung     Ewelt Wenn wir soziale Menschen sind, müssen wir
von der tatsächlichen Durchführung getrennt ist, damit       auch einsehen, dass all unser Tun Folgen für andere hat.
man da nicht in einen Automatismus reinkommt oder            Das ist grundsätzlich im Menschsein drin, als soziales
in eine Selbstverpflichtung: Ich muss jetzt auch. Sondern,   Wesen habe ich immer die Pflicht, darüber nachzudenken,
dass man das entkoppelt. Und diese Brücke würde              was mein Handeln bei anderen auslöst.
mir auch helfen, wenn wir Verantwortung als diakonischer
­Träger haben: Wir werden nie die sein, die die Medika-      Kulla Das macht das Sterben insgesamt wirklich
 mente dafür im Vorratsschrank haben und dann verteilen.     ­schwierig. Wir haben immer im Kopf, wie geht es unseren
 Aber wir werden auch Patienten oder Bewohner, wenn           Angehörigen, unseren Freunden, unserem Arbeitgeber.
 sie bei uns sind, nicht bitten woanders hinzugehen, wenn     Was passiert, wenn ich als Hauptverdiener ausfalle?
 sie diese Entscheidung für sich treffen.                     Wie kommen die über die Runden? Menschen im ­Hospiz
                                                              tun sich sehr schwer zu gehen, wenn noch offene
Was hat das Urteil des Verfassungsgerichtes                   ­Baustellen sind.
in Ihnen ganz persönlich ausgelöst?
Ewelt Ich sehe den Dammbruch in der Grundsatzent-            Was sind Ihrer Erfahrung nach aus der Seelsorge
scheidung, dass wir in das Thema der Selbstbestimmung        und dem Hospiz Beweggründe, die dazu führen,
reingehen, als ob wir Menschen jeweils nur alleine unter-    dass ­jemand nicht mehr leben möchte?
wegs sind. Es wird immer mehr auf individuelle Entschei-     Ewelt Grundsätzliche Lebensängste, z. B., wenn man
dungsfreiheit gesetzt. Dass so getan wird, als sei jeder     den Arbeitsplatz verloren hat, gerade bei Männern. Es
jederzeit Herr seiner Lage. Wir hatten nie das Recht zu      sind ja überwiegend Männer, die sich suizidieren, die dann
entscheiden, ob wir geboren werden und als glaubender        nicht mehr für die Familie sorgen können. Allerdings ist
Mensch sage ich, ich kann nicht grundsätzlich davon          ja auch ein ganz großer Anteil bei denen, die v­ ermeintlich
SCHWERPUNKT
Diakonie und »assistierter Suizid«

 ­ ründe haben für einen Selbstmord, in psychischen
 G
 Erkrankungen, also Depressionen zu suchen. Und das
 macht es auch so schwierig, bei der Frage ob, es eine
 abgeklärte Entscheidung ist, weil diese natürlich
 ­überlagert wird. Die Vor­stellung also, dass jemand ganz
  bei sich, ganz gesund, ganz klar und reflektiert eine
  Entscheidung über den eigenen Tod trifft, und sagt:
  Ich möchte euch das alles mitteilen, lasst uns gemeinsam
  einen guten Weg finden. Das ist eine rein theoretische
  Vorstellung, wie wir es gerne hätten. Die funktioniert in
  der Realität sehr selten. Auch der Tod im Hospiz ist
  ein Sonderfall.
  Kulla Häufig sind es schwere Erkrankungen und der
  unsichere Verlauf, wie es weitergeht. Die Unkenntnis dar-
  über, wie Sterben funktioniert. Angst vor der Unge­wissheit,
  Angst vor Schmerzen, Angst vor Symp­tomen, Atemnot,
                                                                                                ALEXANDER KULLA
  Angst vor der Pflegebedürftigkeit, das Aus­geliefertsein.                                     Alexander Kulla ist Krankenpfle-
  Das ist es, was bei vielen für Panik sorgt und in einem                                       ger und Leitung des Hospizes
  Suizidwunsch mündet. Es gibt keine ­legitimen und illegiti-                                   am Ohmplatz in Erlangen. Er
 men Gründe. Es gibt nur individuelle Empfindungen dazu.                                        begrüßt, dass das kategorische
 Ewelt Ich würde sogar davor warnen, diese zu bewerten.                                         Nein zur Sterbeassistenz vom
                                                                                                Bundesverfassungsgericht
 Denn in dem Moment, wo wir bewerten, was legitim ist                                           gekippt wurde. Gleichzeitig sagt
 als Sterbegrund, zum Beispiel eine kommende Demenz.                                            er: Um Menschen ein gutes,
 In dem Moment entsteht ein Druck auf alle, die diese                                           würdevolles Sterben nach ihren
­Diagnose kriegen.                                                                              Wünschen zu ermöglichen,
                                                                                                ­brauche es vor allem mehr Zeit
                                                                                                 und Personal in medizinischen
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts                                                    und pflegerischen Einrichtungen.
kann jeder – nicht nur ein Todkranker – die Unterstüt­
zung von Sterbehilfevereinen in Anspruch nehmen.
Welche Voraussetzungen sehen Sie als unumgänglich,
­bevor einem Menschen tatsächlich bei der Beendi­
 gung ­seines Lebens geholfen werden darf?                       wird da aus meiner Sicht jetzt ein Stück weit verschoben.
 Ewelt Es muss immer unter der Überschrift »Ultima Ratio«        Ich könnte mir konkret vorstellen, dass es in unseren ­
 laufen. Und es muss herausgearbeitet werden, dass dieser        Häusern erlaubt ist und jemand von außen dazu kommt,
 Mensch zu dieser Entscheidung aus nachvollziehbaren             wir es aber nicht selbst anbieten.
 Gründen gekommen ist. Dass das nicht z. B. durch eine
 Depression oder so überlagert ist, die man medikamentös          Müsste es in Pflegeheimen eine bestimmte
 behandeln kann. Dann sind bisher auch Kinder nicht aus-          Ansprechperson geben, die ein offenes Ohr für
 genommen. Das heißt Eltern könnten entscheiden, ob              ­Sterbewünsche hat?
 ein Kind sich das Leben nimmt – das halte ich für enorm          Ewelt Es ist wahrscheinlich tatsächlich so, sobald ein
 schwierig.                                                       Vertrauensverhältnis mit unseren Pflegekräften da ist, sind
 Kulla Für mich ist wichtig, dass für die Gespräche mit           diese Ansprechpartner und angefragt, das wird immer
 demjenigen, der sich töten möchte, ganz viel Zeit da ist.        passieren. Ob man das dann instutionalisiert, ähnlich wie
 Und dass neutral beraten wird über die Optionen, und             es einen Sozialdienst gibt, das muss man sehen, ob das
 zwar über alle. Es reicht, wenn jemand klar bei Verstand         professionell notwendig ist.
 ist, wenn man ihm die Optionen ausführlich aufzeigt. Wir
 dürfen ihn auch nicht in eine Richtung drängen, damit er        Das Sterben frühzeitig durch Dritte zu ermöglichen
 von seinem Anliegen Abstand nimmt.                              ist das eine. Haben wir andererseits überhaupt schon
                                                                 alles erreicht, damit jeder Mensch garantiert gut,
Können Sie sich vorstellen, Sterbehilfe auch in                  d. h. natürlich ohne Angst sterben kann?
den Einrichtungen der Diakonie Erlangen und Stadt­               Kulla Einer meiner größten Kritikpunkte ist, dass wir noch
mission Nürnberg zuzulassen?                                     viel zu weit auseinanderliegen mit Palliativmedizin auf
Ewelt Zu glauben, dass es Mitwirkung bzw. Unterstüt­zung         der einen Seite und universitäre Medizin auf der anderen
beim Sterben nicht auch bisher schon gegeben hätte,              Seite. Es ist ganz wichtig, dass die Palliativmedizin viel
wäre eine Illusion. Auch bisher haben Ärzte z. B. ent-           früher in diese Behandlungsprozesse mit reinkommt,
schieden, dieses Medikament geben wir nicht mehr, hier           quasi schon ab Diagnosestellung mit im Boot sitzt und
machen wir das Sterben möglich. Oder zu sagen,                   Alternativen aufzeigt. Und dann sehe ich tatsächlich
es wird nicht weiter künstlich ernährt usw. Die Grenze           auch einen großen Mangel in der Pflege, was Personal­
20 – 21

                                                                 Gibt es eine besondere Rolle der Diakonie
                                                                 in der Sterbedebatte?
                                                                 Ewelt In dem Moment, wo Menschen den Eindruck
                                                                 ­kriegen, es ist im Prinzip egal, ob Leben oder Tod, ich
                                                                  kann also jeden Tag entscheiden, ob ich leben oder
                                                                  ­sterben möchte, wird es schief. Da ist unser Auftrag als
                                                                   Kirche und Diakonie: Nein, wir sprechen für das Leben.
                                                                   Wir wollen Hilfe zum Leben geben, nicht zum Sterben.

                                                                 Selbstbestimmung – das ist ja das wesentliche
                                                                 ­Argument, das für ein Zulassen der Hilfe zur Selbst­
                                                                  tötung spricht. Ist wirkliche Selbstbestimmung
                                                                  nicht von viel mehr Rahmenbedingungen abhängig?
                                                                  Ewelt Philosophisch und theologisch betrachtet ist
                                                                  Selbstbestimmung eine Illusion. Das ist eine Erscheinung
                                                                  der Industriegesellschaft und der Moderne. Alles wird
                               MATTHIAS EWELT
                               Pfarrer Matthias Ewelt ist         durch Rahmenbedingungen, wo ich lebe, politisch, gesell-
                               Vorstand der Stadtmission Nürn-    schaftlich, wirtschaftlich usw. bestimmt. Fremdbestim-
                               berg und der Diakonie Erlangen.    mung ist die Normalität. Selbstbestimmung ist die Freiheit
                               Aktive Sterbehilfe könne es in     nein sagen zu können, in einem bestimmen Rahmen,
                               den Häusern der Diakonie nicht     in dem ich mich bewege.
                               als reguläres Angebot geben.
                               Wohl aber ein Ermöglichen
                               oder das Zulassen durch Dritte,   Wir leben in einer Leistungsgesellschaft in dem
                               meint er.                         der Mensch nur etwas wert scheint, wenn er etwas
                                                                 beiträgt. Vielen Menschen geht’s ja schon bei Kleinig­
                                                                 keiten so: Sie wollen niemandem zur Last fallen,
                                                                 egal, ob‘s um Geld oder um Zeit geht. Sie wollen kein
                                                                 Jammerlappen oder auf jemanden angewiesen sein.
                                                                 Wie müssen wir das berücksichtigen?
                                                                 Ewelt In dem Moment, wo Menschen nicht in Armut
                                                                 fallen müssen, weil sie zumindest Job und einkommens-
ausstattung angeht. Da sind wir an einem schwierigen             technisch nichts mehr beitragen können, krank sind usw.
Punkt. Um eine gute Sterbebegleitung zu machen,                  In dem Moment, wo sie da abgesichert sind, entstehen
Menschen am Lebensende in Würde zu begleiten. Dafür              diese Dilemmata nicht. Und das moralisch-ethische
braucht es vor allem Zeit und personelle Ressourcen.             Thema, das Sie da ansprechen, da ist das offene
                                                                 Gespräch entscheidend. Immer da, wo Dinge nicht an-
Was ist eine gute Palliativmedizin und Hospizarbeit              gesprochen sind und unausgesprochene Erwartungen
im Stande zu leisten?                                            bestehen, wird es problematisch. Da bemühen wir
Ewelt Da würde ich gern aus eigener Erfahrung                    uns in der Seelsorge und in Beratungsstellen darum.
antworten: Es ist eine Illusion zu glauben, dass man nur
mit Medikamenten voll bewusstes, voll schmerzfreies               Besonders Demenz ist ja diskussionsbedürftig, was
Leben und Sterben hinbekommen kann. Es ist immer                  die Selbstbestimmung angeht. Erkrankte müssten
relativ. Es kommt dann auch auf meine Resilienz an.               Sterbehilfe in Anspruch nehmen, zu einem Zeitpunkt,
Kulla Alle Maßnahmen zur Linderung von Leid und                   an dem die Situation eigentlich noch gut ist, damit
­Symptomen brauchen immer eine Indikation. Eine gezielte          man von einer selbstbestimmten Entscheidung
 Sedierung zum Beispiel, darf man nicht mal so neben-            ­sprechen kann. Was denken Sie dazu?
 bei machen. Denn das wäre letztendlich nichts Anderes            Kulla Da sollte die Debatte eine andere sein. Nämlich den
 als Tötung auf Verlangen, dann eben auf längere Sicht.           Signalen eines dementen Menschen, Achtsamkeit und
 Es gibt generell ein breites Spektrum. Ich kann jemanden         Respekt zu schenken. Wenn sie z. B. nicht mehr den Mund
 z. B. nur für einen Tag sedieren, also Schlafen legen und        aufmachen, um zu essen, dann sind das auch Willensbe-
 dann wieder aufwachen lassen und schauen, wie es                 kundungen, die z. B. in Richtung Sterben verweisen. Das
 ihm geht. Das kann dazu führen, dass derjenige die näch-         ist denke ich der richtige Weg, sensibel mit dem Sterben
 sten Tage symptom- und angstfrei übersteht. Und es               und Willen dementer Menschen umzugehen.
 gibt die Sedierungen, die so tief sind, dass derjenige dann      […]
 in der Sedierung schlussendlich verstirbt. Generell
 können wir Schmerzen und Symptome wie Atemnot usw.
 auf ein ­erträgliches Niveau bringen. Es ist aber immer         Auszug aus dem vollständigen Interview,
 ein ­Abwägen der Wirkungen und Nebenwirkungen.                  QR-Code und Link siehe S. 18.
ZAHLEN UND FAKTEN
Jubiläen und Veranstaltungen

          25 JAHRE
          TAFEL ERLANGEN
          AKTIONEN UND
          VERANSTALTUNGEN
          ZUM JUBILÄUM
                      Tag der offenen Türe                    Podiumsdiskussion
                      09. Oktober 2021, 11.00 – 14.00 Uhr     »Armut und soziale ­Gerechtigkeit«
                      Tafel Erlangen, Schillerstraße 52  a,   21. Oktober 2021, 18.00 – 20.00 Uhr
                      91054 Erlangen                          KREUZ + QUER Haus der Kirche,
                                                              Bohlenplatz 1, 91054 Erlangen
                      Gäste: Oberbürgermeister Dr. ­Florian   und ggf. digital
                      Janik, Pfarrer Matthias Ewelt,
                      ­Vorstand der Diakonie Erlangen und     Lesung mit Anna Mayr, Autorin und
                       Dekan Peter Huschke, u. a.             ZEIT-Journalistin, aus ihrem Buch
                                                              »Die Elenden«. In Kooperation
                      Informationen und Führungen,            mit B
                                                                  ­ ildungEvangelisch, Erlangen
                      Foto-Ausstellung, Geschichtliches,
                      Kulinarisches, Glücksrad,               Benefizlesung mit Tommie Goerz
                      Erzähl-Café, Aktionen für Kinder        27. Oktober 2021, 19.00 – 20.30 Uhr
                      u. v. m.                                KREUZ + QUER Haus der Kirche,
                                                              Bohlenplatz 1, 91054 Erlangen

                                                              Eintritt: Normal 10 Euro, Erm. 8 Euro
                                                              (mit ErlangenPass, Tafel-/Fund­­­-
                                                              grube-Ausweis etc.)
ZAHLEN UND FAKTEN
Spenden und Helfen
                                                                                                                 22 – 23

         BEWEGUNGS-
         AREAL FÜR
         DIE TAGESPFLEGE
          ANNA THIEL

          Mithilfe von Spenden will die Diakonie Erlangen ein Bewegungs­
          areal im Garten des Maria-Busch-Hauses errichten. Die Geräte
          sollen für die Gäste der dort ansässigen Tagespflege-Einrichtung
          für Senioren*innen auch mit Rollator oder Rollstuhl selbstständig
          zugänglich sein. 20.000 Euro werden dafür benötigt.

»Besonders für die in ihrer Mobilität     Wichtig für Körper und Seele              Vorträge und ein Leseclub, aber auch
eingeschränkten, aber auch für            Koordinationsfähigkeit und Mobilität      Zeit, um in Ruhe Zeitung zu lesen.
die noch fitteren Tagesgäste, wäre        sind im Alltag der Gäste wichtig,         All das wirke sich sehr positiv auf die
das Bewegungsareal ein Segen«,            die trotz ihres teils hohen Alters in     Lebensqualität und das psychische
sagt Alexandra Meyer, Leitung der         ihrem eigenen Zuhause leben. Die          Wohlbefinden der Senioren*innen aus.
Tagespflegeeinrichtung für Senioren­      Geräte im geplanten Bewegungsareal
*innen im Maria-Busch-Haus zu             sind genau auf ihre Bedürfnisse            Bewegungsareal aus Spenden
dem geplanten Aktivgelände. Kleine        zugeschnitten: Sie stärken gelenk-         finanziert
­Spaziergänge im Garten sind bereits      schonend die Beinmuskulatur, wirken        Das Angebot im Maria-Busch-Haus
 ein wichtiger Teil der Betreuungs­       sich positiv auf die Wirbelsäule und       soll nun für die 25 Senioren*innen,
 arbeit. »Einige der Gäste haben eine     die Rückenmuskulatur aus, ­verbessern      die regelmäßig herkommen, mit
 Demenzerkrankung«, erklärt Meyer,        die Motorik und Hand-Augen-­               einem kleinen Bewegungsareal unter
 und dadurch ohnehin einen großen         Koordination – auch ein spezieller         freiem Himmel erweitert werden. Weil
 Bewegungsdrang. Was aber noch            Rollstuhltrainer ist eingeplant.           es hierfür keine öffentlichen Gelder
 fehlt, ist ein auf die besonderen        Der Besuch des Bewegungsparks              gibt, bittet die Diakonie Erlangen um
 Bedürfnisse der Alten zugeschnitte-      wird ferner in das Wochenprogramm          Unterstützung. Das Areal wird aus-
 nes Bewegungsangebot im Freien,          des Hauses eingebunden.                    schließlich durch Spenden finanziert.
 das auch Menschen, die auf einen                                                    Wer das Vorhaben unter dem Motto
 Rollstuhl angewiesen sind, selbst-        »Als die Tagespflege letztes Jahr         »Sich regen bringt Segen« unter-
 ständig nutzen können. Darum soll         coronabedingt kurzzeitig ­geschlossen     stützen möchte, kann an folgende
 bald ein Areal mit Rad­trainer, Hand-    war, haben wir gemerkt, wie w  ­ ichtig   ­Konto­verbindung spenden:
 Augen-­Koordinator und Rückentrainer      der Besuch in der Tagespflege
 entstehen. Der vorhandene Rund-           für unsere Gäste ist«, erinnert sich     Spendenkonto
 weg soll ebenfalls teilweise erneuert    ­Alexandra Meyer. »Wir haben hier eine    Diakonie Erlangen
 werden. Das freut auch Erika Sachse,      feste Tagesstruktur aber mit wech-       IBAN: DE46 7635 0000 0060 0258 74
 die regelmäßig in die Tagespflege         selndem Programm, bei dem für jede       BIC: BYLADEM1ERH
 kommt: »Wegen der Bewegung an             und jeden etwas dabei ist«, erklärt      Sparkasse Erlangen
 der frischen Luft und weil er auch im     sie. Das Angebot entlastet auch          Zweck: Sich regen bringt Segen
 Rollstuhl zu nutzen ist. Überhaupt        die ­Angehörigen, die zuhause nicht
 ist beweglich zu bleiben ja auch im       das gleiche bieten und leisten können.
 hohen Alter sinnvoll.« Die 106-Jährige    Gymnastik und Tanz, gemeinsame
 ist derzeit die älteste Erlangerin.       Spiele, Gartenarbeit am Hochbeet,
ZAHLEN UND FAKTEN
Spenden und Helfen

       SPENDEN
       UND HELFEN
        TABEA BOZADA, STEPHANIE ÖTTL, ANNA THIEL

        Die Diakonie Erlangen leistet Hilfe im Leben – für Menschen
        in finanziellen, familiären oder persönlichen Notlagen.
        Mit der Unterstützung von Spendern*innen schenken wir
        neuen Lebensmut und Zukunftschancen.

                Lebensmittel für Bahnhofs-               Auch der LEO Club Erlangen hat im
                 mission und Tafel                       März wieder Lebensmittel gekauft um
                Gutes Essen beginnt mit guten            die Tafel Erlangen zu unterstützen.
                Zutaten – gemäß diesem Motto über­       Die LEO-Mitglieder Sahra Fritsche und
                gab die AOK Fürth – Erlangen und         Hendrik Holz brachten die Spende in
                der AOK Studierendenservice Erlan-       die Ausgabestelle in der Schiller­straße,
                gen Bio-Dinkel-Nudeln zusammen           wo Elke Bollmann, sie dankend in
                mit leckeren und gesunden Rezept-        Empfang nahm: »Wir freuen uns jedes
                vorschlägen an die Tafel Erlangen.       Mal sehr über die Spenden der LEOs,
                Annette Lips von der AOK Fürth –         die uns regelmäßig helfen unsere
                ­Erlangen überreichte die 700 Nudel-     Kunden*innen gut zu ­versorgen.«
                 packungen an Elke Bollmann, Leitung
                 der Tafel Erlangen. »Die Bio-Dinkel-­   Eine weitere Lebensmittelspende
                 Nudeln stammen aus der Region und       erhielt die Bahnhofsmission vom
                 weisen durch nachhaltige Landwirt-      Drogeriemarkt dm. Schon seit Jahren
                 schaft sowie kurze Transport- und       bestehe eine gute Kooperation mit
                 Verarbeitungswege eine sehr günstige    der Filiale am Hugenottenplatz, erklärt
                 CO2-Bilanz auf«, erklärte Annette       Claudia Steubing, Leitung der Erlanger
                 Lips. Noch obendrauf verschenkte        Bahnhofsmission. Zuletzt spendete
                 die AOK in Erlangen verschiedene        der nahegelegene Drogeriemarkt
                 gesunde Bio-Suppen, die sich schnell    mehrere hundert Beutel Bio-Früh-
                 und einfach zubereiten lassen.          stücksbrei. »Über solche Geschenke
                                                         freuen sich unsere Besucherinnen und
                                                         Besuchern immer sehr«, so Claudia
                                                         Steubing.
24 – 25

(v. l.) Erika Mörtel und
Andreas Wiest von der Tafel,
Harvey Greener von der FIS
und Elke Bollmann, Leitung
der Tafel Erlangen.

                                   Franconian International School            grund des Coronavirus sei es nicht
                                   unterstützt die Tafel Erlangen mit         einfach, Projekte mit den Kindern und
                                   spontanem Sponsorenlauf                    Jugendlichen umzusetzen, erklärte
                                   Über 1.500 Euro sowie eine zusätz-         Greener. »Für den Sponsorenlauf
                                   liche Lebensmittelspende ü  ­ berbrachte   konnten sie sich aber leicht motivieren
                                   Harvey Greener von der Frankconian         und damit nicht nur für sich selbst,
                                   International School (FIS) der Tafel       sondern auch für andere aktiv
                                   Erlangen. Die internationale Schule        werden.« Bei der Spendenübergabe
Jubiläum                           mit Sitz im nahegelegenen Stadtteil        betonte er, dass es der FIS wichtig
TAFEL ERLANGEN                     Röthelheimpark möchte zusammen             sei, den Kontakt zur Tafel Erlangen
                                   mit den Schülern*innen mehr soziale        zu halten, um weitere gemeinsame
2021 ist das 25-jährige Jubiläum   Verantwortung zur Linderung der Not        Projekte umzusetzen. Es stehen
der Tafel Erlangen. Im ­Oktober
diesen Jahres finden aus
                                   in Erlangen übernehmen. Harvey             bereits neue Ideen im Raum, wie
diesem Anlass eine Reihe von       Greener unterrichtet an seiner Schule      der Besuch der Schüler*innen in der
Veran­staltungen statt. Weitere    nicht nur Informatik, sondern koordi-      Ausgabestelle, wenn dies wieder
Informationen auf S. 22.           niert auch soziale ­Projekte. Ein          möglich ist.
                                   Besuch in der Tafel Erlangen beein-
                                   druckte ihn so sehr, dass er kurzer-
                                   hand einen Sponsorenlauf mit seinen
                                   Schülern­*innen organisierte. Mit den
                                   derzeitigen Einschränkungen auf-
Sie können auch lesen