Disposal of Cleared Waste from the Demolition of the Switched Off Atomic Power Plants in Schleswig-Holstein - vivis.de

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Disposal of Cleared Waste from the Demolition of the Switched Off Atomic Power Plants in Schleswig-Holstein - vivis.de
Abstract

                        Disposal of Cleared Waste from the Demolition
                           of the Switched Off Atomic Power Plants
                                     in Schleswig-Holstein
                                              Andreas Wasielewski

           The phase out of producing atomic energy in Germany is well accepted. But the demo-
           lition of the switched off atomic power plants is a challenge. The by far biggest amount
           of the material can be handled as non radioactiv after passing a very complex and en-
           hanced so called clearance procedure and though is good for ordinary waste treatment.
           The main parts have to be recycled, while a smaller section should be deposited at a
           disposal site. This is the case, for example, if used building material is contaminted
           with special ordinary waste. The following essay describes the situation in Schleswig-
           Holstein with one atomic research reactor and three existing atomic power plants, one
           of them still running. Furthermore it will be explanined in detail how the stream of
           waste coming from the atomic power stations will find their way to a suitable disposal
           site, legally. Therefore the materials have to pass a special procedere, laid down in the
           Radiation Protection Ordinance and the Federal Waste Act. In addition to the legal
           conditions how this kind of waste should be cleared in order to be managed under the
           waste regime, the essay shows the political dimension as well. The treatment of waste,
           originated from atomic power sites, is not popular. Keeping this in mind the Ministry
           of Environmental Affairs in Schleswig-Holstein has started a campaign to strengthen
           the tranparency and acceptance of the proposed demolition. Stakeholders are invited
           to take part at hearings with involved experts. In the end political decisions are neces-
           sary to garantee that a complete and successfull demolition of existing atomic power
           plants will be realized.
Deponien

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Disposal of Cleared Waste from the Demolition of the Switched Off Atomic Power Plants in Schleswig-Holstein - vivis.de
Ablagerung von freigegebenen Abfällen aus dem Rückbau von Kernkraftwerken auf Deponien

                               Ablagerung von freigegebenen Abfällen
                               aus dem Rückbau von Kernkraftwerken
                                 auf Deponien in Schleswig-Holstein
                                                             Andreas Wasielewski

           1.              Anfall von Abfällen aus dem Rückbau kerntechnischer Anlagen
                           in Schleswig-Holstein..................................................................................506

           2.              Rechtliche Rahmenbedingungen...............................................................507

           2.1.            Anforderungen der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV)...................507
           2.2.            Anforderungen des Kreislaufwirtschaftsrechts (KrWG und DepV).....509
           2.2.1.          Verzahnung der StrlSchV mit dem KrWG...............................................509
           2.2.2.          Abfälle zur Verwertung...............................................................................509
           2.2.3.          Abfälle zur Beseitigung...............................................................................509
           2.2.4.          Staatliche Einwirkungsmöglichkeiten
                           auf den entsorgungspflichtigen örE oder Drittbeauftragten..................512

           3.              Dialogprozess mit den relevanten Akteuren in Schleswig-Holstein.....514

           4.              Ausblick.........................................................................................................516

           Nachdem die Ereignisse in Fukushima in Deutschland rasch zu dem in 2015 beschlos-
           senen Atomausstieg geführt haben, ist die Stilllegung und der Rückbau der kerntech-
           nischen Anlagen zur Erzeugung von Strom in den Vordergrund gerückt. Gab und
           gibt es in Deutschland nach wie vor einen breiten gesellschaftlichen und politischen
           Konsens was den Ausstieg aus der Stromerzeugung mittels atomarer Energie betrifft,
           so gilt dies nicht so ohne weiteres auch für dessen Folgenbeseitigung. Nicht nur die
           Suche nach einem atomaren Endlager ist mühsam und steinig. Auch die Entsorgung
           von z.B. Dämmmaterialien oder Gebäuden bzw. Gebäudeteilen, die im Wege der
           Herausgabe oder nach Abschluss eines Freigabeverfahrens konventionell nach den
           Regeln des Kreislaufwirtschaftsrechts (Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG und dessen
           untergesetzlichem Regelwerk) entsorgt werden, finden vor Ort oft wenig Akzeptanz.
           Der folgende Beitrag beleuchtet den Rückbauprozess in Schleswig-Holstein und befasst
           sich schwerpunktmäßig mit derjenigen Abfallfraktion, die als konventioneller Abfall
           nach den Bestimmungen des KrWG und der Deponieverordnung zu deponieren ist.
           Nach einer kurzen Sachverhaltsdarstellung werden insbesondere die rechtlichen An-
           forderungen in den Blick genommen. Anschließend wird über den breit angelegten
                                                                                                                                                    Deponien

           Dialogprozess mit den relevanten Akteuren berichtet. Im abschließenden Ausblick
           wird dann allerdings deutlich werden, dass die Herstellung von Transparenz allein
           nicht unbedingt geeignet ist, eine allgemeine Akzeptanz zu garantieren, sondern dass

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Andreas Wasielewski

           letztlich politische Entscheidungen auf der Grundlage geltenden Rechts gefordert
           sind, um den vollständigen Rückbau kerntechnischer Anlagen auch zu gewährleisten.

           1. Anfall von Abfällen aus dem Rückbau kerntechnischer Anlagen
           in Schleswig-Holstein
           Schleswig-Holstein (SH) verfügt über vier kerntechnische Anlagen, allesamt gelegen an
           der Unterelbe. Neben dem relativ kleinen Forschungsreaktor des Helmholtz-Zentrums
           in Geesthacht sind dies die drei Kernkraftwerke (KKW) Brunsbüttel, Krümmel und
           Brokdorf. Letzteres ist noch im Leistungsbetrieb und wird spätestens Ende 2021 vom
           Netz gehen. Für die nach der Stilllegung anfallenden und zu entsorgenden Abfälle
           ergibt sich am Beispiel des KKW Brunsbüttel folgendes Bild: Die Gesamtmasse des
           rückzubauenden Materials beträgt etwa 300.000 t. Der Abbau wird sich nach Betrei-
           berplanungen über etwa 15 Jahre hinziehen. In den ersten Jahren würden demnach
           etwa 200 t bis 400 t Abfälle jährlich zur Deponierung und etwa 1.000 t jährlich zur
           Verwertung anstehen. In den Folgejahren würden jeweils etwa 100 t jährlich anstehen.
           Zur Deponierung würden in den letzten etwa vier Jahren dann wieder größere Mengen
           von etwa 1.000 bis zu 3.000 t zur Deponierung anstehen. Der mit Abstand größte Teil
           von etwa 260.000 t würde im letzten Jahr als Abfall zur Verwertung anfallen. Dieser
           würde i.W. durch die abzureißenden Gebäude geprägt sein. Bei diesen Mengenangaben
           werden diejenigen Abfallmassen betrachtet, die für eine konventionelle Abfallentsor-
           gung anstehen werden (Herausgabe und Freigabe). Etwa 2 % der Gesamtmasse sollen
           als radioaktive Abfälle im Regime des Atomrechts verbleiben und einer Zwischen- und
           Endlagerung zugeführt werden.
           Die nachfolgende Graphik veranschaulicht anhand des Beispiels des KKW Brunsbüttel,
           dass von der Gesamtmasse des zu erwartenden Abfalls 98 % im Rahmen des Kreis-
           laufwirtschaftsrechts zu entsorgen sein wird und davon etwa 3 % auf einer Deponie
           abgelagert werden muss.

                                                                          Gesamtmasse KKB ~ 300.000 t
                                 Kontrollbereich Betriebsgelände

                 Überwachungsbereich                                                                  radioaktive Reststoffe
                                                                            Überwachungsbereich und

                                                                                                         Kontrollbereich        Zwischen-
                                                                                                                               und Endlager
                                                                                Betriebsgelände

                                                                                                                                radioaktive
                                                                                                                                  Abfälle
                                                                                                                                   ~2%

                                                                                                                               Freigabe zur
                                                                                                                               Beseitigung
                 Abschätzung für Schleswig-Holstein: ~ 30.000 t – 50.000 t                                                        ~2%
                 auf Deponien über ~ 20 Jahre zu entsorgen                                              ~ 2.900 t
                 • d.h. im Mittel ~ 2.000 t pro Jahr                                    Freigabe
                                                                                          ohne                    Verbrennung
                 • d.h. ~ 100 LKW/Jahr bei 20 t/LKW                         Herausgabe Einschrän-                 Rezyklierung
                 • d.h. bei 4 Deponien: ~ 30 LKW/Deponie/Jahr                 ~ 34 %    kung an
                 • zum Vergleich: konventionelle Abfälle: ~ 800.000 t/Jahr:           Entsorgungs-
                                                                                           weg     ~ 2.900 t
                   d.h. ~ 115.000 t/Deponie/Jahr, d.h. ~ 6.000 LKW/Deponie/Jahr                                 Deponien
                                                                                         ~ 62 %
Deponien

                   d.h. ~ 30 LKW/Deponie/Tag                                            ~ 2.000 t

           Bild 1:       Abfallströme aus dem geplanten Rückbau des KKW Brunsbüttel

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Ablagerung von freigegebenen Abfällen aus dem Rückbau von Kernkraftwerken auf Deponien

           Bei Zugrundelegung aller vier kerntechnischen Anlagen in Schleswig-Holstein und
           bei einem zu erwartenden Rückbaufenster von etwa zwanzig Jahren ist mit einer Ge-
           samtmasse zu deponierender Abfälle im konventionellen Bereich konservativ von etwa
           30.000 t – 50.000 t zu rechnen; unter Zugrundelegung von aktuell noch vier potentiell
           geeigneten Standorten in SH (DK I und II) etwa 10.000 t pro Deponie.
           Im Hinblick darauf, dass in SH im Durchschnitt jährlich etwa 750.000 t auf Depo-
           nien der Klassen I und II abgelagert werden und bei einem Restvolumen von etwa
           5,2 Millionen m3 (Stand 12/2016) ist festzustellen, dass die aus dem KKW-Rückbau
           zu deponierende Abfallmenge unbedeutend ist.

                                                                2. Rechtliche Rahmenbedingungen
           Sowohl beim Betrieb als auch beim Abbau und endgültigen Rückbau von Kernkraft-
           werken fallen erhebliche Abfallmengen an. Dann ist zu entscheiden, ob und wenn ja
           welche Fraktionen als radioaktive Abfälle unter dem Regime des Atom- und Strah-
           lenschutzrechts einem atomaren Zwischen- und Endlager zugeführt werden müssen
           und welche Fraktionen aufgrund geringfügiger Radioaktivität dem konventionellen
           Abfallrechtsregime des KrWG überlassen werden können. Hier ist das Ineinandergreifen
           von Strahlenschutzrecht und Kreislaufwirtschaftsrecht näher zu betrachten.

                                2.1. Anforderungen der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV)
           Zunächst ist bei Rückbau eines KKW zu entscheiden, welche Bestandteile der gesamten
           Anlage in den Blick zu nehmen und welche rechtlichen und fachlichen Anforderun-
           gen an diese zu stellen sind. Im Hinblick auf den zu betrachtenden Umfang ist dabei
           auf die jeweilige atomrechtliche Genehmigung abzustellen, § 7 Abs. 3 Atomgesetz
           (AtG). Dabei ist zu differenzieren zwischen dem Kontrollbereich einerseits und dem
           Betriebsgelände und dem zwischen beiden liegenden Überwachungsbereich ande-
           rerseits (s. dazu oben am Beispiel des KKW Brunsbüttel). Zu letzterem gehören etwa
           Bürogebäude oder Kantinen- und Büroabfälle. Hier kann davon ausgegangen werden,
           dass es sich um nicht kontaminierte und nicht aktivierte Stoffe und Materialien handelt,
           die im Wege eines einfachen atomrechtlich genehmigten Herausgabeverfahren dem
           konventionellen Abfallrechtsregime überlassen werden können, ohne dass hierfür eine
           spezifische strahlenschutzrechtliche Entscheidung auf Unbedenklichkeit (Freigabe)
           erforderlich ist. Voraussetzung dafür ist, dass sich aus der Betriebshistorie kein plau-
           sibler Verdacht auf Kontamination ergibt. Dies kann auch aufgrund stichprobenhafter
           Beweissicherungsmessungen belegt werden. Die Einschätzung darüber, welche Stoffe
           und Materialien im Wege einer Herausgabe zu entsorgen sind, obliegt dabei nicht al-
           lein dem Betreiber der kerntechnischen Anlage. Vielmehr müssen die Vorgehensweise
           und konkrete Umsetzung mit der staatlichen Aufsicht abgestimmt in betrieblichen
           Anweisungen festgelegt werden1.
                                                                                                                          Deponien

           1
               RSK/ESK-Geschäftsstelle beim Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit: Freigabe radioaktiver
               Stoffe und Herausgabe nicht radioaktiver Stoffe aus dem Abbau von Kernkraftwerden, www.entsorgungskom-
               mission.de/sites/default/files/reports/Informationspapier ESK67 16072018 hp.pdf

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Andreas Wasielewski

           Stoffe und Gebäude aus dem Kontrollbereich hingegen dürfen aus der atom- und
           strahlenschutzrechtlichen Überwachung nur nach Maßgabe eines Freigabeverfahrens
           entlassen werden. Dieses Verfahren ist in § 31ff. StrlSchV geregelt, es setzt einen Antrag
           voraus, der von der zuständigen Strahlenschutzbehörde in Form eines gebundenen
           Freigabebescheids erteilt wird, § 33 Abs. 2 StrlSchV. Materielles Kriterium für eine
           Freigabe ist das Dosiskriterium, wonach für Einzelpersonen der Bevölkerung durch
           die freizugebenden Stoffe und Gegenstände nur eine effektive Dosis im Bereich von
           10 Mikrosievert im Kalenderjahr auftreten darf, § 31 Abs. 2 StrlSchV. Dieses sog.
           10-µSv-Konzept ist eine international akzeptierte Konvention, die Eingang in die Eu-
           ropäische Grundnorm 96/29/EURATOM gefunden hat. Sie beruht auf der Erkenntnis,
           dass zwar einerseits auch eine geringe Strahlendosis Gesundheitsschäden auslösen
           kann, jedoch die Wahrscheinlichkeit umso geringer ist, je niedriger die Strahlendosis
           ist. Andererseits ist der Mensch permanent einer natürlichen Radioaktivität ausge-
           setzt. Diese hängt von Wohnort, Ernährungs- und Lebensgewohnheiten ab und ist
           individuell sehr verschieden; sie beträgt in Deutschland etwa 1.000 bis 10.000 µSv im
           Jahr; im Mittel 2.100 µSv im Jahr; in Norddeutschland fällt dieser Durchschnittswert
           mit 700 µSv geringer aus. Demgegenüber ist eine zusätzliche Dosis von 10 µSv im Jahr
           mit einem äußerst geringen zusätzlichem Gesundheitsrisiko verbunden, dass in der
           Größenordnung von 1 : 1 Million liegt2.
           Die Freigabe wird als uneingeschränkte oder als spezifische Freigabe erteilt. Eine
           uneingeschränkte Freigabe bedarf keiner Festlegungen zur künftigen Verwendung,
           Verwertung, Beseitigung, des Innehabens der freizugebenden Stoffe und Gegenstände
           oder der Weitergabe an Dritte, § 32 Abs. 2 StrlSchV; sie ist an bestimmte Kriterien ge-
           bunden, etwa die Einhaltung bestimmter Freigabewerte nach Anlage 4, § 35 StrlSchV.
           Bei der spezifischen Freigabe ist hingegen die künftige Verwendung, Verwertung,
           Beseitigung, das Innehaben der freizugebenden Stoffe und Gegenstände oder deren
           Weitergabe an Dritte eingeschränkt; und zwar entweder aufgrund der materiellen Ei-
           genschaften der freizugebenden Stoffe und Gegenstände oder durch Anforderungen
           an die künftige Verwendung, Verwertung, Beseitigung usw., § 32 Abs. 3 StrlSchV. So
           kann etwa eine spezifische Freigabe von festen Stoffen zur Beseitigung auf Deponien
           von der Einhaltung bestimmter Festlegungen nach Anlage 8 abhängig gemacht werden,
           § 36 Abs. 1 Nr. 3a) StrlSchV. Maßstab für solch eine spezifische oder eingeschränkte
           Freigabe ist immer die Einhaltung des o.g. Dosiskriterium. Wenn dessen Einhaltung
           unter Beachtung der spezifischen Bedingungen sichergestellt ist (Die zuständige Behörde
           kann davon ausgehen, dass das Dosiskriterium für die Freigabe eingehalten wird, wenn
           der Antragsteller nachweist, dass…, – § 36 Abs. 1 Einleitungssatz StrlSchV), erteilt die
           zuständige Behörde die Freigabe. Bei der spezifischen Freigabe zur Beseitigung und
           zum Recycling von Metallschrott dürfen der zuständigen Behörde darüber hinaus keine
           Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Dosiskriterium für die Freigabe am Standort
           der Entsorgungsanlage nicht eingehalten wird, § 36 Abs. 2 StrlSchV.
Deponien

           2
               RSK/ESK-Geschäftsstelle beim Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (aaO Fn. 1), S. 2

           508

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Ablagerung von freigegebenen Abfällen aus dem Rückbau von Kernkraftwerken auf Deponien

           Die Freigabe bewirkt, dass die betreffenden Stoffe und Gegenstände, gegebenenfalls
           unter den angeordneten Spezifika, dem konventionellen Entsorgungsweg nach Maß-
           gabe des KrWG und dessen untergesetzlichen Regelwerk überlassen werden können.

                     2.2. Anforderungen des Kreislaufwirtschaftsrechts (KrWG und DepV)

                                                   2.2.1. Verzahnung der StrlSchV mit dem KrWG
           Für eine Verzahnung des Freigabeverfahrens mit den kreislaufwirtschaftsrechtlichen
           Anforderungen sorgen die §§ 39 und 40 StrlSchV. So hat der Antragsteller der für
           die Freigabe zuständigen Behörde vor Erteilung der Freigabe eine Erklärung über
           den Verbleib des künftigen Abfalls und eine Annahmeerklärung des Betreibers der
           Verwertungs- oder Beseitigungsanlage vorzulegen. Er hat darüber hinaus der für die
           Entsorgungsanlage zuständigen Behörde eine Kopie der Annahmeerklärung zuzuleiten.
           Die für die Entsorgungsanlage zuständige Behörde kann gegenüber der für die Freigabe
           zuständigen Strahlenschutzbehörde die Herstellung des Einvernehmens hinsichtlich
           der Anforderungen an den Verwertungs- oder Beseitigungsweg verlangen, § 40 Abs. 2
           und 3 StrlSchV.

                                                                      2.2.2. Abfälle zur Verwertung
           Bei der uneingeschränkten Freigabe sind die Stoffe und Gegenstände entsprechend
           der Pflicht zur vorrangigen Verwertung, § 7 Abs. 2 KrWG, grundsätzlich durch den
           entsorgungspflichtigen Anlagenbetreiber zu verwerten. Diesbezüglich gelten keine
           abweichenden abfallrechtlichen Vorschriften als aufgrund der Herkunft. Insbesondere
           uneingeschränkt freigegebener Bauschutt, der nach heutiger Einschätzung den mit
           Abstand größten Massenstrom beim Abbau ausmachen wird, ist als Recyclingbau-
           stoff grundsätzlich ordnungsgemäß und umweltverträglich verwertbar. Soweit die
           Abfälle nicht verwertet werden, sind sie zu beseitigen. Dabei können abfallrechtliche
           Randbedingungen dazu führen, dass z.B. nicht recyclingfähige Abfälle und Abfälle mit
           Schadstoffen (z.B. Dämmmaterialien, Asbest, belasteter Bauschutt) nicht verwertet,
           sondern beseitigt werden müssen, §§ 15, 16 KrWG in Verbindung mit der Deponie-
           verordnung (DepV).
           Im Falle der spezifischen Freigabe ist eine Verwertung nur nach Maßgabe von § 36
           Abs. 1 Nr. 1, 2, 5, 6 und 7 StrlSchV möglich. Hierbei handelt es sich insbesondere um
           Bauschutt und Metallschrott zum Recycling.

                                                                      2.2.3. Abfälle zur Beseitigung
           Besteht aufgrund einer spezifischen Freigabe oder aufgrund abfallrechtlicher Anfor-
           derungen (z.B. asbesthaltiger Bauschutt) die Notwendigkeit, die freigegebenen Abfälle
                                                                                                                Deponien

           zu beseitigen, so hat der entsorgungspflichtige Betreiber des rückzubauenden KKW
           als Abfallerzeuger und -besitzer diese Abfälle dem zuständigen öffentlich-rechtlichen

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Andreas Wasielewski

           Entsorgungsträger (örE)3 zu überlassen. Diese Überlassungspflicht besteht außer bei
           Abfällen aus privaten Haushalten grundsätzlich auch für Abfälle zur Beseitigung aus
           anderen Herkunftsbereichen, § 17 Abs. 1 S. 2 KrWG. Diese Überlassungspflicht korres-
           pondiert mit der Verpflichtung des örE, die Abfallbeseitigung nach Maßgabe der §§ 15
           und 16 KrWG vorzunehmen; auch eine Beauftragung Dritter nach § 22 KrWG befreit
           sie davon nicht. Allerdings bestand nach alter Rechtslage die Möglichkeit, Pflichten
           auf einen Dritten übertragen zu lassen4.
           Aufgrund der Überlassungs- und Beseitigungspflicht haben der örE bzw. der Drittbe-
           auftragte jedoch grundsätzlich die Entsorgungskapazitäten, die zur Gewährleistung der
           Entsorgungssicherheit für die ihnen überlassenen Abfälle notwendig sind, vorzuhalten
           (§ 3 Abs. 2 und 3 LAbfWG), entweder durch eigene Anlagen oder durch Vergabe von
           Dienstleistungsaufträgen.
           Etwas Anderes würde dann gelten, wenn nach § 20 Absatz 2 Satz 2 KrWG mit Zu-
           stimmung der zuständigen Behörde Abfälle von der Entsorgungspflicht ausgeschlos-
           sen sind. Ein solcher Ausschluss ist in Schleswig-Holstein bezogen auf freigegebene
           Abfälle aus dem Rückbau von KKW bislang nicht erfolgt. Er käme dann in Betracht,
           wenn die Abfälle nach Art, Menge und Beschaffenheit nicht gemeinsam mit Ab-
           fällen aus privaten Haushaltungen entsorgt werden könnten. Entscheidend sind
           dabei die objektiven Entsorgungsmöglichkeiten des jeweiligen Entsorgungsträgers.
           Wegen der Art der Abfälle kommt ein Entsorgungsausschluss dann in Betracht, wenn Ent-
           sorgungsanlagen öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger nur für bestimmte Abfallarten
           zugelassen sind5. Unterscheidet sich beispielsweise nicht schadstoffverunreinigter Bau-
           schutt in seiner Zusammensetzung und seinem Gefährdungspotenzial nicht signifikant
           von üblicherweise in Haushaltungen anfallenden Abfällen, rechtfertigt die Art des Abfalls
           einen Ausschluss vom gleichzeitigen Einsammeln und Befördern mit Hausmüll nicht6.
           Nach diesen Grundsätzen wird trotz des Umstands, dass in der Regel der zu beseiti-
           gende Abfall aus KKW nicht gemeinsam mit Hausmüll eingesammelt und befördert
           werden wird, ein genereller Ausschlussgrund dieser Abfälle wegen der Art des Abfalls
           nicht begründbar sein.
           Der Aspekt Menge spielt im zu betrachtenden Fall nur eine untergeordnete Rolle. Aber
           auch wegen der Beschaffenheit der Abfälle kommt ein Entsorgungsausschluss nicht in
           Betracht. Dies wäre nur denkbar, wenn die Abfälle ein spezielles Gefahrenpotenzial
           aufwiesen, was jedoch in der konkreten Situation durch die notwendige Einhaltung
           des 10-Mikrosievert-Konzepts nicht zu befürchten ist. Die Abfälle werden hinsichtlich
           ihrer Beschaffenheit andernorts anfallenden Bau- und Abbruchabfällen weitestgehend
           entsprechen.

           3
               In Schleswig-Holstein sind dies die Kreise und kreisfreien Städte, § 3 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz für das
               Land Schleswig-Holstein SH (LAbfWG) in der Fassung vom 18.1.1999 (GVOBl. SH S. 26, zuletzt geändert
               durch Gesetz vom 8.1.2019 (GVOBl. SH S. 16))
           4
               Dies hat beispielsweise der Kreis Herzogtum Lauenburg noch aufgrund alter Rechtslage nach § 16 Abs. 2 KrW-/
               AbfG durch Pflichtenübertragung auf die Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH) getan; diese Übertragung gilt
Deponien

               gemäß § 72 Abs. 1 KrWG fort.
           5
               Vgl. Schoch in: Jarass/Petersen, Kreislaufwirtschaftsgesetz, 1. Auflage 2014, § 20 Rn. 75
           6
               S. BVerwG NVwZ 1990, 467 (468)

           510

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Ablagerung von freigegebenen Abfällen aus dem Rückbau von Kernkraftwerken auf Deponien

           Ein Ausschluss ist auch möglich, wenn die Sicherheit der umweltverträglichen Be-
           seitigung der Abfälle im Einklang mit den Abfallwirtschaftsplänen der Länder durch
           einen anderen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder Dritten gewährleistet ist.
           Soweit absehbar wird sich jedoch genau dieser Umstand nicht einstellen, so dass auch
           insofern ein Ausschlussgrund nicht ersichtlich ist.
           Demnach haben der örE bzw. die Drittbeauftragten auf Grund der Pflicht zur Gewähr-
           leistung der Entsorgungssicherheit entsprechende Kapazitäten für in ihrem Zuständig-
           keitsbereich anfallenden Abfälle, und daher auch für zu erwartende Abfälle aus KKW,
           entweder selbst vorzuhalten oder für eine ordnungsgemäße Entsorgung zu sorgen.
           Auf Grund dieses Umstands kann sich der KKW-Betreiber an den zuständigen örE bzw.
           den Drittbeauftragten wenden, damit diese bereits vor Freigabe einen entsprechenden
           Entsorgungsweg für die zukünftig zu überlassenen Abfälle sicherstellen. Dies gilt zu-
           mindest dann, wenn eigene Bemühungen des KKW-Betreibers keinen Erfolg haben.
           Verfügt der örE bzw. der Drittbeauftragte über keine eigene Deponie, hat er vertraglich
           sicherzustellen, dass die entsprechenden Abfälle von privat betriebenen Deponien oder
           Deponien anderer örE aufgenommen werden. Hierzu gehört auch, dafür zu sorgen,
           dass durch den Rückbau von KKW im Kreisgebiet perspektivisch hinreichende Ka-
           pazitäten zur Verfügung stehen.
           Die Entsorgungspflicht wird insofern flankiert durch die nach § 21 KrWG und § 4
           Absatz 1 LAbfWG von den Kreisen und kreisfreien Städten aufzustellenden Abfall-
           wirtschaftskonzepte, welche alle fünf Jahre fortzuschreiben sind. Nach Absatz 1 Nr. 4
           LAbfWG sind insbesondere die Methoden, Anlagen und Einrichtungen der Abfall-
           verwertung und der sonstigen Entsorgung, die zur Gewährleistung der Entsorgungssi-
           cherheit für die nächsten zehn Jahre notwendig sind, darzustellen. Bei der Aufstellung
           des Abfallwirtschaftskonzepts sind die Vorgaben des Abfallwirtschaftsplans des Landes
           zu berücksichtigen.
           Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass die Aufnahme freigegebener Abfälle zur Deponie-
           rung aus dem Rückbau von KKW auf wenig Akzeptanz stößt. Bei den zu entsorgenden
           Fraktionen wie Bauschutt, Dämmmaterialien und Setzsteinen, die aufgrund ihres
           Schadstoffgehalts oder ihres Mineralfasergehalts, sowie asbesthaltigen Abfällen wie z.B.
           Brandschutztüren, deponiert werden müssen, fehlt häufig die Aufnahmebereitschaft,
           wenn bekannt wird, dass diese Abfälle aus dem KKW-Rückbau stammen. Typisch ist
           beispielsweise ein mit großer Mehrheit gefasster Beschluss der Bürgerschaft Lübecks,
           der kategorisch jegliche Aufnahme von Bauschutt auf der eigenen Deponie Niemark
           ausschließt, soweit dieser aus dem KKW-Rückbau stammt. Und dies, obwohl diese
           Deponie der Klasse II (vgl. § 6 DepV) für derartige Abfälle ausdrücklich zugelassen ist.7
           Es stellt sich daher die Frage, wie mit der Situation umgegangen werden kann, wenn
           ein für die Gewährleistung der Entsorgungssicherheit verantwortlicher örE keinen
           Entsorgungsweg findet, um seiner diesbezüglichen Verantwortung nachzukommen,
           wenn es sich um freigegebene Abfälle aus dem KKW-Rückbau handelt.
                                                                                                                 Deponien

           7
               Euwid Nr. 49/2019, S. 30

                                                                                                    511

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Andreas Wasielewski

           2.2.4. Staatliche Einwirkungsmöglichkeiten auf den entsorgungspflichtigen örE
                  oder Drittbeauftragten

           Tätigwerden der Kommunalaufsicht
           Die Pflichten des örE nach § 20 KrWG sind als Selbstverwaltungsaufgaben anzusehen;
           daher kommt keine Weisungsbefugnis im Rahmen einer Fachaufsicht in Betracht,
           sondern lediglich ein Einschreiten der Kommunalaufsicht. In Schleswig-Holstein ist
           hierfür das in dieser Hinsicht fachfremde Innenministerium zuständig8.

           Zuweisung nach § 29 KrWG
           Aufgrund mangelnder Sachnähe und der Sondervorschrift des § 29 KrWG ist es daher
           näherliegend zu prüfen, ob in diesem Fall nicht eine Zuweisung nach § 29 Abs. 1 S. 1
           KrWG in Betracht kommt.
           Danach kann die zuständige Behörde9 den Betreiber einer Abfallbeseitigungsanlage
           verpflichten, einem Beseitigungspflichtigen nach § 15 KrWG sowie den öffentlich-
           rechtlichen Entsorgungsträgern im Sinne des § 20 die Mitbenutzung der Abfallbesei-
           tigungsanlage gegen angemessenes Entgelt zu gestatten, soweit diese auf eine andere
           Weise den Abfall nicht zweckmäßig oder nur mit erheblichen Mehrkosten beseitigen
           können und die Mitbenutzung zumutbar ist.
           Diese behördliche Anordnungsbefugnis dient primär der staatlichen Durchsetzung von
           Interessen des Gemeinwohls gegenüber individuellen oder lokalen Interessen, z.B. in
           Fällen eines sog. Müllnotstandes10. Bei der Zuweisung obliegt dem Anlagenbetreiber
           eine Duldungspflicht hinsichtlich der Anlagennutzung, jedoch nicht die Beseitigungs-
           pflicht für diese Abfälle. Der Anlagenbetreiber ist (lediglich) zu Handlungen verpflichtet,
           die zum ordnungsgemäßen Anlagenbetrieb gehören11, d.h. seine Verpflichtung bezieht
           sich nur auf die Annahme der fraglichen Abfälle zur Beseitigung in seiner Anlage, die
           mitbenutzt wird. Dabei ist ein Antrag des Begünstigten nicht erforderlich; die Verpflich-
           tung kann auch von Amts wegen auferlegt werden. Weiterhin muss es sich um eine
           Abfallbeseitigungsanlage handeln, in der Regel eine Deponie, die für die Beseitigung
           gerade dieser Abfälle auch zugelassen ist. Damit ist zum Ausdruck gebracht, dass die
           Deponie eine Zulassung für diejenige Klasse besitzt, die für die Entsorgung der in
           Rede stehenden Abfälle nach den Vorgaben der DepV erforderlich ist. Der Betreiber
           kann nicht gezwungen werden, eine Erweiterung der Zulassung zu beantragen, um
           die Voraussetzungen für die Mitbenutzung erst zu schaffen12.

           8
                § 121 Abs. 2 Gemeindeordnung SH
           9
                Welche Behörde dies ist, bestimmt sich nach Landesrecht. Für SH liegt die Zuständigkeit beim Landesamt
                für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, § 2 Abs. 1 Nr. 5 Landesverordnung über die zuständigen
                Behörden nach abfallrechtlichen Vorschriften (LAbfWGZustVO) vom 11.7.2007 (GVBl. SH S. 341), zuletzt
                geändert durch Verordnung vom 17.9.2019 (GVOBl. SH S.407).
           10
                Rüdiger, in: v. Lersner/Wendenburg/Kropp/Rüdiger, Recht der Abfallbeseitigung, Bd. 1, 2. Auflage 2015, § 29
Deponien

                KrWG Rn. 10, Stand: Erg.-Lfg. VI.18
           11
                Spoerr, in: Jarass/Petersen, KrWG, 1. Aufl. 2014, § 29 Rn. 16
           12
                BVerwG, Urteil vom 9.7.1992, Az.: 7 C 21/91, BVerwGE 90, 296 (298)

           512

504-517_Wasielewski.indd 512                                                                                              24.04.20 09:18
Ablagerung von freigegebenen Abfällen aus dem Rückbau von Kernkraftwerken auf Deponien

           Allerdings kommt es insofern nicht zwingend auf die Betriebsordnung der Deponie an.
           Soweit diese die Annahme freigegebener Abfälle aus KKW grundsätzlich ausschließt,
           obwohl hierfür kein sachlicher Grund vorliegt und die Deponie gerade für diese Abfälle
           nach der DepV zugelassen ist, kommt der Betriebsordnung keine Sperrwirkung zu.
           Die Mitbenutzung der Deponie kann dem Beseitigungspflichtigen bzw. den örE nur
           gegen ein angemessenes Entgelt gestattet werden. Vorzugswürdig ist hier eine vertrag-
           liche Vereinbarung zwischen dem Deponiebetreiber und dem Beseitigungspflichtigen.
           Kommt eine solche mangels Einigungswillen nicht zustande, kann die zuständige Be-
           hörde dies auch durch Verwaltungsakt festlegen13. Die Angemessenheit selbst bestimmt
           sich nach einer betriebswirtschaftlichen Betrachtung14.
           Weitere Voraussetzung für eine Zuweisung ist, dass die Abfallbeseitigung auf eine an-
           dere Weise nicht zweckmäßig oder nur mit erheblichen Mehrkosten möglich ist und
           die Mitbenutzung für den Anlagenbetreiber zumutbar ist.
           Die Zweckmäßigkeit muss sich aus abfallwirtschaftlichen Gründen ergeben, z.B. aus
           konkreten Zielen des einschlägigen Abfallwirtschaftsplans nach § 30 KrWG oder
           allgemein aus dem Zweck des KrWG nach dessen § 115. In diesem Zusammenhang ist
           der Vorrang der gebietsbezogenen Entsorgung zu berücksichtigen, wonach eine Über-
           lassungspflicht an den jeweiligen örE auch bei Abfällen zur Beseitigung aus anderen
           Herkunftsbereichen besteht. Dies korrespondiert auch mit den in Art. 16 AbfallRRL16
           niedergelegten Grundsätzen der Entsorgungsautarkie und –nähe. Insoweit sind im
           Rahmen der Zweckmäßigkeit Umstände wie weite Entsorgungswege mit negativen
           Umweltauswirkungen und eine aufwändige Suche nach geeigneten Deponien bun-
           desweit einzubeziehen17.
           Neben der Unzweckmäßigkeit berechtigen auch erhebliche Mehrkosten zu einer Mitbe-
           nutzungsanordnung. Allerdings sind höhere Gebühren bei einer öffentlich-rechtlichen
           Entsorgung für sich nicht eine Rechtfertigung dafür, den Beseitigungspflichtigen aus der
           öffentlich-rechtlichen Überlassungspflicht zu entlassen. Dies widerspräche auch § 17
           Abs. 1 S. 2 KrWG. Schließlich darf die Mitbenutzung für den Anlagenbetreiber nicht
           unzumutbar sein. Angesichts des notwendigen Kostenausgleichs kommt eine Unzumut-
           barkeit etwa dann in Betracht, wenn der Betreiber die Anlagenkapazitäten für eigene
           Abfälle benötigt und insoweit für eine bestimmte Laufzeit der Anlage kalkuliert hat18
           oder eine Erschöpfung der Kapazität vor Erschließbarkeit neuer Kapazitäten19 droht.

           13
                Beckmann, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.). UmweltR Bd. II, KrWG, § 29 Rn. 6f. (Stand: 69. EL April 2013)
           14
                Zur Bemessung des Mitbenutzungsentgelts für eine Müllverbrennungsanlage Hess. VGH, Beschluss vom
                4.2.1999, Az.: 8 TG 4138/98, juris.
           15
                Rüdiger aaO (Fn. 10), KrWG, § 29 Rn. 15
           16
                Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Abfälle und zur
                Aufhebung bestimmter Richtlinien, ABl. EG Nr. L v. 22.11.2008, S. 312 zuletzt geändert durch RL 2018/851/
                EU vom 30.5.2018. ABl. Nr. L 150 v. 14.6.2018, S. 109
           17
                Allgemeine Ansicht, vereinzelt wird angenommen, dass dieser Aspekt im Rahmen der Ermessensbetätigung
                                                                                                                              Deponien

                zu würdigen ist; Überblick bei Spoerr, in: Jarass/Petersen, KrWG (Fn. 11), § 29 Rn. 20
           18
                Beckmann, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), UmweltR Bd. II, KrWG (Fn. 13), § 29 Rn. 12
           19
                Rüdiger, in: v. Lersner/Wendenburg/Kropp/Rüdiger, Recht der Abfallbeseitigung (Fn. 10), KrWG, § 29 Rn. 20

                                                                                                                    513

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Andreas Wasielewski

           Die Zuweisung steht endlich im Ermessen der zuständigen Behörde, d.h. wenn die
           Tatbestandsvoraussetzungen des § 29 Abs. 1 S. 1 KrWG erfüllt sind, besteht für den
           Begünstigten nur ein Anspruch auf ermessenfehlerfreie Ermessensbetätigung. Das
           Ermessen ist umfassend an den öffentlichen Belangen einer geordneten und effizienten
           Abfallwirtschaft auszurichten; dabei sind – wenn dies nicht bereits auf der Ebene der
           Zweckmäßigkeit erfolgt ist – die in § 1 KrWG vorgegebenen Ziele maßgebend. Dabei ist
           in dem Fall, in denen für die Mitbenutzung mehrere Anlagen auch in anderen Gebieten
           aus denen der Abfall stammt zur Verfügung stehen, in der Erwägung die grundsätzlich
           bestehende Verpflichtung der jeweiligen Gebietskörperschaften zur Entsorgung der in
           ihrem Gebiet anfallenden Abfälle zu berücksichtigen20.
           Im Ergebnis hat daher die zuständige Behörde die Möglichkeit, freigegebene Abfälle zur
           Beseitigung, die der Beseitigungspflichtige erfolglos dem zuständigen örE bzw. dessen
           Drittbeauftragten nach § 22 KrWG21 angedient hat, unter den Voraussetzungen des § 29
           KrWG zur Mitbenutzung einer Deponie zuzuweisen. Damit steht dem Land SH ein geeig-
           netes Instrument zur Verfügung, bei sachfremder Weigerung des Entsorgungspflichtigen
           nach § 17 Abs. 1 S. 2 KrWG eine geeignete Deponie zur Mitbenutzung zu identifizieren
           und den Entsorgungsweg insoweit zu bestimmen. Im Hinblick auf den Aspekt der Ge-
           bietsbezogenheit kann damit auch sichergestellt werden, dass die zu entsorgenden Abfälle
           ortsnah entsorgt werden. Bezogen auf die Standorte der zu betrachtenden KKW an der
           Unterelbe in den Kreisen Dithmarschen und Herzogtum Lauenburg kommen hierfür
           primär geeignete Deponiestandorte in Schleswig-Holstein in Betracht.

           3. Dialogprozess mit den relevanten Akteuren in Schleswig-Holstein
           Um den bundesweit beschlossenen Atomausstieg umzusetzen, wurde in Schleswig-
           Holstein seit 2015 intensiv über den Rückbau der Atomkraftwerke diskutiert. Einbe-
           zogen waren die Deponiestandortgemeinden, die kommunalen Gremien, der Umwelt-
           ausschuss des Landtags, Teilnehmer von Erörterungsterminen im Zusammenhang mit
           den atomrechtlichen Genehmigungsverfahren zur Stilllegung und zum Rückbau der
           KKW, sowie mehrere zentrale Fachveranstaltungen. Ein gemeinsames Verständnis
           für den Rückbau und die Deponierung der künftig anfallenden Abfälle konnte dabei
           allerdings nicht erzielt werden. Dem Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft,
           Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein (MELUND) als
           oberster Abfallwirtschaftsbehörde ist allerdings sehr an einem möglichst breiten
           gesellschaftlichen Konsens in dieser Frage gelegen. Es hat daher eine Arbeitsgruppe
           berufen, die im Zeitraum von Ende 2016 bis Mitte 2018 getagt und einen umfangrei-
           chen Abschlussbericht vorgelegt hat22. Teilgenommen haben Vertreter der kommunalen

           20
                BVerwG, Urteil vom 9.7.1992, Az.: 7 C 21/91, Rn. 20, juris.
           21
                § 29 Abs. 1 KrWG erwähnt in diesem Zusammenhang zwar nur den örE, dieser kann jedoch einen Dritten nach
                § 22 KrWG beauftragen, insofern ist dieser zumindest mitgemeint, vgl. Beckmann, in: Landmann/Rohmer
                (Fn. 13), KrWG, § 29 Rn. 3
Deponien

           22
                Abrufbar unter: https:// www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/A/atomausstieg/Downloads/abschluss-
                bericht2018.pdf

           514

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Ablagerung von freigegebenen Abfällen aus dem Rückbau von Kernkraftwerken auf Deponien

           Landes-, sowie der Umwelt- und Naturschutzverbände, Betreiber kerntechnischer
           Anlagen und Verbände der Entsorgungswirtschaft. Die Arbeitsgruppe (AG) ist dabei
           insbesondere zwei grundsätzlichen Fragestellungen nachgegangen, nämlich zunächst,
           ob das der Freigabe zu Grunde liegende 10-Mikrosievert-Konzept vertretbar ist
           und darüber hinaus, ob es alternative Entsorgungsoptionen für die Deponierung
           freigegebener Abfälle gibt. Im Rahmen ihrer Sitzungen hat die AG auch externe
           Sachverständige hinzugezogen.
           Bei einzelnen Sondervoten eines Umweltverbandes ist die AG zu dem zusammen-
           fassenden Ergebnis gelangt, dass die in Deutschland vom Gesetzgeber vorgesehenen
           Lösungen vertretbar und geeignet sind, die nur äußerst gering und vernachlässigbar
           radioaktiv belasteten Abfälle in den kommenden zwanzig Jahren zu entsorgen. Vor
           diesem Hintergrund war auch für die AG die reguläre Nutzung der in SH bestehenden
           Deponien nach den Vorgaben der StrlSchV und dem Abfallrecht (KrWG und DepV)
           naheliegend; Alternativen wie z.B. die Errichtung einer neuen Zentraldeponie in SH
           oder eine Deponierung außerhalb des Landes wurden verworfen. Allerdings zeichnet
           sich bei der Nutzung vorhandener Deponien nach Auffassung der AG ab, dass aufgrund
           der aktuellen Akzeptanzprobleme insbesondere an den Deponiestandorten kaum mit
           einer Befriedung zu rechnen ist. Daher wurde als akzeptanzfördernde Variante das
           Modell Deponie plus präferiert. Damit verbunden sind zusätzliche Maßnahmen, die
           über die Anforderungen der StrlSchV hinausgehen und das Maß an objektiver aber
           auch subjektiver Sicherheit weiter erhöhen. Solche Maßnahmen können beispielsweise
           eine ergänzende Betrachtung der potentiellen Nachnutzung, besondere Einbauvorga-
           ben auf der Deponie, Dokumentationspflichten oder auch besondere Anforderungen
           an die Deponie sein. In diesem Sinne handelt es sich also um freiwillige Maßnahmen
           die der Abfallerzeuger (der Betreiber des rückzubauenden KKW) über das normativ
           gebotene Maß hinaus zu erfüllen hätte.
           Auf dieser Basis hat das MELUND durch einen unabhängigen Sachverständigen
           eine Qualifizierung aller sieben schleswig-holsteinischen Deponien der Klassen I
           und II durchführen lassen. Hierdurch soll eine bestmögliche Einschätzung der
           Deponien auf Vereinbarkeit der örtlichen Situation mit den Modellannahmen der
           Strahlenschutzverordnung und darüber hinaus gehende mögliche Optimierungs-
           potentiale ermöglicht werden. Der beauftragte TÜV Nord kam zu dem Ergebnis,
           dass alle sieben untersuchten Deponien für die Ablagerung freigegebener Abfälle
           aus dem KKW-Rückbau geeignet sind. Nunmehr sollen für die einzelnen Deponien
           Berechnungen von gegebenenfalls erforderlichen Einschränkungen bezüglich der
           zulässigen Ablagerungsmengen in Verbindung mit den zulässigen Freigabewerten
           gemäß StrlSchV durchgeführt werden. Dabei hält das Land es allerdings nicht für
           sinnvoll, an drei der sieben Deponien, die kurz vor dem Ende ihrer Verfüllung stehen,
           weitere aufwändige Betrachtungen anzustellen. Flankiert wird dies mit Gesprächen
           zwischen den Betreibern kerntechnischer Anlagen und den Deponiebetreibern,
           unter Einbeziehung der örE. Die genannte Arbeitsgruppe der relevanten Akteure
           soll diesen Prozess begleiten, aber nicht ausdrücklich dem weiteren Prozess oder
                                                                                                                Deponien

           Teilen davon zustimmen.

                                                                                                   515

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Andreas Wasielewski

           4. Ausblick
           Der umfangreiche Dialogprozess hat die Erkenntnis gebracht, dass sowohl das 10-Mik-
           rosievert-Konzept als auch die in Schleswig-Holstein für die Aufnahme freigemessener
           Abfälle zur Verfügung stehenden Deponien der Klassen I und II unter wissenschaft-
           lichen und rechtlichen Kriterien zur Problemlösung geeignet sind. Damit konnte die
           Diskussion über den notwendigen Rückbau der KKW in Schleswig-Holstein ein Stück
           weit versachlicht werden. Allerdings ist zu konstatieren, dass insbesondere bei den in
           Betracht kommenden Deponiestandorten eine Akzeptanzsteigerung kaum erreicht
           werden konnte. Das MELUND wird daher quasi als Rückfallvariante eine Zuweisung
           nach § 29 KrWG prüfen müssen, will es seine bundesrechtlich vorgezeichnete Linie
           der gebietsbezogenen Entsorgung freigemessener Abfälle aus dem Rückbau von KKW
           realisieren.

                               Ansprechpartner
                               Dr. Andreas Wasielewski
                               Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt,
                               Naturschutz und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein
                               Leiter des Referates Grundsatz- und Rechtsangelegenheiten,
                               Bergbau in der Abteilung Energie, Klima
                               und Technischer Umweltschutz
                               Mercatorstraße 3
                               24106 Kiel, Deutschland
                               +49 431 988-7261
                               andreas.wasielewski@melund.landsh.de
Deponien

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