Disposal of Cleared Waste from the Demolition of the Switched Off Atomic Power Plants in Schleswig-Holstein - vivis.de
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Abstract Disposal of Cleared Waste from the Demolition of the Switched Off Atomic Power Plants in Schleswig-Holstein Andreas Wasielewski The phase out of producing atomic energy in Germany is well accepted. But the demo- lition of the switched off atomic power plants is a challenge. The by far biggest amount of the material can be handled as non radioactiv after passing a very complex and en- hanced so called clearance procedure and though is good for ordinary waste treatment. The main parts have to be recycled, while a smaller section should be deposited at a disposal site. This is the case, for example, if used building material is contaminted with special ordinary waste. The following essay describes the situation in Schleswig- Holstein with one atomic research reactor and three existing atomic power plants, one of them still running. Furthermore it will be explanined in detail how the stream of waste coming from the atomic power stations will find their way to a suitable disposal site, legally. Therefore the materials have to pass a special procedere, laid down in the Radiation Protection Ordinance and the Federal Waste Act. In addition to the legal conditions how this kind of waste should be cleared in order to be managed under the waste regime, the essay shows the political dimension as well. The treatment of waste, originated from atomic power sites, is not popular. Keeping this in mind the Ministry of Environmental Affairs in Schleswig-Holstein has started a campaign to strengthen the tranparency and acceptance of the proposed demolition. Stakeholders are invited to take part at hearings with involved experts. In the end political decisions are neces- sary to garantee that a complete and successfull demolition of existing atomic power plants will be realized. Deponien 504 504-517_Wasielewski.indd 504 24.04.20 09:18
Ablagerung von freigegebenen Abfällen aus dem Rückbau von Kernkraftwerken auf Deponien Ablagerung von freigegebenen Abfällen aus dem Rückbau von Kernkraftwerken auf Deponien in Schleswig-Holstein Andreas Wasielewski 1. Anfall von Abfällen aus dem Rückbau kerntechnischer Anlagen in Schleswig-Holstein..................................................................................506 2. Rechtliche Rahmenbedingungen...............................................................507 2.1. Anforderungen der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV)...................507 2.2. Anforderungen des Kreislaufwirtschaftsrechts (KrWG und DepV).....509 2.2.1. Verzahnung der StrlSchV mit dem KrWG...............................................509 2.2.2. Abfälle zur Verwertung...............................................................................509 2.2.3. Abfälle zur Beseitigung...............................................................................509 2.2.4. Staatliche Einwirkungsmöglichkeiten auf den entsorgungspflichtigen örE oder Drittbeauftragten..................512 3. Dialogprozess mit den relevanten Akteuren in Schleswig-Holstein.....514 4. Ausblick.........................................................................................................516 Nachdem die Ereignisse in Fukushima in Deutschland rasch zu dem in 2015 beschlos- senen Atomausstieg geführt haben, ist die Stilllegung und der Rückbau der kerntech- nischen Anlagen zur Erzeugung von Strom in den Vordergrund gerückt. Gab und gibt es in Deutschland nach wie vor einen breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens was den Ausstieg aus der Stromerzeugung mittels atomarer Energie betrifft, so gilt dies nicht so ohne weiteres auch für dessen Folgenbeseitigung. Nicht nur die Suche nach einem atomaren Endlager ist mühsam und steinig. Auch die Entsorgung von z.B. Dämmmaterialien oder Gebäuden bzw. Gebäudeteilen, die im Wege der Herausgabe oder nach Abschluss eines Freigabeverfahrens konventionell nach den Regeln des Kreislaufwirtschaftsrechts (Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG und dessen untergesetzlichem Regelwerk) entsorgt werden, finden vor Ort oft wenig Akzeptanz. Der folgende Beitrag beleuchtet den Rückbauprozess in Schleswig-Holstein und befasst sich schwerpunktmäßig mit derjenigen Abfallfraktion, die als konventioneller Abfall nach den Bestimmungen des KrWG und der Deponieverordnung zu deponieren ist. Nach einer kurzen Sachverhaltsdarstellung werden insbesondere die rechtlichen An- forderungen in den Blick genommen. Anschließend wird über den breit angelegten Deponien Dialogprozess mit den relevanten Akteuren berichtet. Im abschließenden Ausblick wird dann allerdings deutlich werden, dass die Herstellung von Transparenz allein nicht unbedingt geeignet ist, eine allgemeine Akzeptanz zu garantieren, sondern dass 505 504-517_Wasielewski.indd 505 24.04.20 09:18
Andreas Wasielewski letztlich politische Entscheidungen auf der Grundlage geltenden Rechts gefordert sind, um den vollständigen Rückbau kerntechnischer Anlagen auch zu gewährleisten. 1. Anfall von Abfällen aus dem Rückbau kerntechnischer Anlagen in Schleswig-Holstein Schleswig-Holstein (SH) verfügt über vier kerntechnische Anlagen, allesamt gelegen an der Unterelbe. Neben dem relativ kleinen Forschungsreaktor des Helmholtz-Zentrums in Geesthacht sind dies die drei Kernkraftwerke (KKW) Brunsbüttel, Krümmel und Brokdorf. Letzteres ist noch im Leistungsbetrieb und wird spätestens Ende 2021 vom Netz gehen. Für die nach der Stilllegung anfallenden und zu entsorgenden Abfälle ergibt sich am Beispiel des KKW Brunsbüttel folgendes Bild: Die Gesamtmasse des rückzubauenden Materials beträgt etwa 300.000 t. Der Abbau wird sich nach Betrei- berplanungen über etwa 15 Jahre hinziehen. In den ersten Jahren würden demnach etwa 200 t bis 400 t Abfälle jährlich zur Deponierung und etwa 1.000 t jährlich zur Verwertung anstehen. In den Folgejahren würden jeweils etwa 100 t jährlich anstehen. Zur Deponierung würden in den letzten etwa vier Jahren dann wieder größere Mengen von etwa 1.000 bis zu 3.000 t zur Deponierung anstehen. Der mit Abstand größte Teil von etwa 260.000 t würde im letzten Jahr als Abfall zur Verwertung anfallen. Dieser würde i.W. durch die abzureißenden Gebäude geprägt sein. Bei diesen Mengenangaben werden diejenigen Abfallmassen betrachtet, die für eine konventionelle Abfallentsor- gung anstehen werden (Herausgabe und Freigabe). Etwa 2 % der Gesamtmasse sollen als radioaktive Abfälle im Regime des Atomrechts verbleiben und einer Zwischen- und Endlagerung zugeführt werden. Die nachfolgende Graphik veranschaulicht anhand des Beispiels des KKW Brunsbüttel, dass von der Gesamtmasse des zu erwartenden Abfalls 98 % im Rahmen des Kreis- laufwirtschaftsrechts zu entsorgen sein wird und davon etwa 3 % auf einer Deponie abgelagert werden muss. Gesamtmasse KKB ~ 300.000 t Kontrollbereich Betriebsgelände Überwachungsbereich radioaktive Reststoffe Überwachungsbereich und Kontrollbereich Zwischen- und Endlager Betriebsgelände radioaktive Abfälle ~2% Freigabe zur Beseitigung Abschätzung für Schleswig-Holstein: ~ 30.000 t – 50.000 t ~2% auf Deponien über ~ 20 Jahre zu entsorgen ~ 2.900 t • d.h. im Mittel ~ 2.000 t pro Jahr Freigabe ohne Verbrennung • d.h. ~ 100 LKW/Jahr bei 20 t/LKW Herausgabe Einschrän- Rezyklierung • d.h. bei 4 Deponien: ~ 30 LKW/Deponie/Jahr ~ 34 % kung an • zum Vergleich: konventionelle Abfälle: ~ 800.000 t/Jahr: Entsorgungs- weg ~ 2.900 t d.h. ~ 115.000 t/Deponie/Jahr, d.h. ~ 6.000 LKW/Deponie/Jahr Deponien ~ 62 % Deponien d.h. ~ 30 LKW/Deponie/Tag ~ 2.000 t Bild 1: Abfallströme aus dem geplanten Rückbau des KKW Brunsbüttel 506 504-517_Wasielewski.indd 506 24.04.20 09:18
Ablagerung von freigegebenen Abfällen aus dem Rückbau von Kernkraftwerken auf Deponien Bei Zugrundelegung aller vier kerntechnischen Anlagen in Schleswig-Holstein und bei einem zu erwartenden Rückbaufenster von etwa zwanzig Jahren ist mit einer Ge- samtmasse zu deponierender Abfälle im konventionellen Bereich konservativ von etwa 30.000 t – 50.000 t zu rechnen; unter Zugrundelegung von aktuell noch vier potentiell geeigneten Standorten in SH (DK I und II) etwa 10.000 t pro Deponie. Im Hinblick darauf, dass in SH im Durchschnitt jährlich etwa 750.000 t auf Depo- nien der Klassen I und II abgelagert werden und bei einem Restvolumen von etwa 5,2 Millionen m3 (Stand 12/2016) ist festzustellen, dass die aus dem KKW-Rückbau zu deponierende Abfallmenge unbedeutend ist. 2. Rechtliche Rahmenbedingungen Sowohl beim Betrieb als auch beim Abbau und endgültigen Rückbau von Kernkraft- werken fallen erhebliche Abfallmengen an. Dann ist zu entscheiden, ob und wenn ja welche Fraktionen als radioaktive Abfälle unter dem Regime des Atom- und Strah- lenschutzrechts einem atomaren Zwischen- und Endlager zugeführt werden müssen und welche Fraktionen aufgrund geringfügiger Radioaktivität dem konventionellen Abfallrechtsregime des KrWG überlassen werden können. Hier ist das Ineinandergreifen von Strahlenschutzrecht und Kreislaufwirtschaftsrecht näher zu betrachten. 2.1. Anforderungen der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) Zunächst ist bei Rückbau eines KKW zu entscheiden, welche Bestandteile der gesamten Anlage in den Blick zu nehmen und welche rechtlichen und fachlichen Anforderun- gen an diese zu stellen sind. Im Hinblick auf den zu betrachtenden Umfang ist dabei auf die jeweilige atomrechtliche Genehmigung abzustellen, § 7 Abs. 3 Atomgesetz (AtG). Dabei ist zu differenzieren zwischen dem Kontrollbereich einerseits und dem Betriebsgelände und dem zwischen beiden liegenden Überwachungsbereich ande- rerseits (s. dazu oben am Beispiel des KKW Brunsbüttel). Zu letzterem gehören etwa Bürogebäude oder Kantinen- und Büroabfälle. Hier kann davon ausgegangen werden, dass es sich um nicht kontaminierte und nicht aktivierte Stoffe und Materialien handelt, die im Wege eines einfachen atomrechtlich genehmigten Herausgabeverfahren dem konventionellen Abfallrechtsregime überlassen werden können, ohne dass hierfür eine spezifische strahlenschutzrechtliche Entscheidung auf Unbedenklichkeit (Freigabe) erforderlich ist. Voraussetzung dafür ist, dass sich aus der Betriebshistorie kein plau- sibler Verdacht auf Kontamination ergibt. Dies kann auch aufgrund stichprobenhafter Beweissicherungsmessungen belegt werden. Die Einschätzung darüber, welche Stoffe und Materialien im Wege einer Herausgabe zu entsorgen sind, obliegt dabei nicht al- lein dem Betreiber der kerntechnischen Anlage. Vielmehr müssen die Vorgehensweise und konkrete Umsetzung mit der staatlichen Aufsicht abgestimmt in betrieblichen Anweisungen festgelegt werden1. Deponien 1 RSK/ESK-Geschäftsstelle beim Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit: Freigabe radioaktiver Stoffe und Herausgabe nicht radioaktiver Stoffe aus dem Abbau von Kernkraftwerden, www.entsorgungskom- mission.de/sites/default/files/reports/Informationspapier ESK67 16072018 hp.pdf 507 504-517_Wasielewski.indd 507 24.04.20 09:18
Andreas Wasielewski Stoffe und Gebäude aus dem Kontrollbereich hingegen dürfen aus der atom- und strahlenschutzrechtlichen Überwachung nur nach Maßgabe eines Freigabeverfahrens entlassen werden. Dieses Verfahren ist in § 31ff. StrlSchV geregelt, es setzt einen Antrag voraus, der von der zuständigen Strahlenschutzbehörde in Form eines gebundenen Freigabebescheids erteilt wird, § 33 Abs. 2 StrlSchV. Materielles Kriterium für eine Freigabe ist das Dosiskriterium, wonach für Einzelpersonen der Bevölkerung durch die freizugebenden Stoffe und Gegenstände nur eine effektive Dosis im Bereich von 10 Mikrosievert im Kalenderjahr auftreten darf, § 31 Abs. 2 StrlSchV. Dieses sog. 10-µSv-Konzept ist eine international akzeptierte Konvention, die Eingang in die Eu- ropäische Grundnorm 96/29/EURATOM gefunden hat. Sie beruht auf der Erkenntnis, dass zwar einerseits auch eine geringe Strahlendosis Gesundheitsschäden auslösen kann, jedoch die Wahrscheinlichkeit umso geringer ist, je niedriger die Strahlendosis ist. Andererseits ist der Mensch permanent einer natürlichen Radioaktivität ausge- setzt. Diese hängt von Wohnort, Ernährungs- und Lebensgewohnheiten ab und ist individuell sehr verschieden; sie beträgt in Deutschland etwa 1.000 bis 10.000 µSv im Jahr; im Mittel 2.100 µSv im Jahr; in Norddeutschland fällt dieser Durchschnittswert mit 700 µSv geringer aus. Demgegenüber ist eine zusätzliche Dosis von 10 µSv im Jahr mit einem äußerst geringen zusätzlichem Gesundheitsrisiko verbunden, dass in der Größenordnung von 1 : 1 Million liegt2. Die Freigabe wird als uneingeschränkte oder als spezifische Freigabe erteilt. Eine uneingeschränkte Freigabe bedarf keiner Festlegungen zur künftigen Verwendung, Verwertung, Beseitigung, des Innehabens der freizugebenden Stoffe und Gegenstände oder der Weitergabe an Dritte, § 32 Abs. 2 StrlSchV; sie ist an bestimmte Kriterien ge- bunden, etwa die Einhaltung bestimmter Freigabewerte nach Anlage 4, § 35 StrlSchV. Bei der spezifischen Freigabe ist hingegen die künftige Verwendung, Verwertung, Beseitigung, das Innehaben der freizugebenden Stoffe und Gegenstände oder deren Weitergabe an Dritte eingeschränkt; und zwar entweder aufgrund der materiellen Ei- genschaften der freizugebenden Stoffe und Gegenstände oder durch Anforderungen an die künftige Verwendung, Verwertung, Beseitigung usw., § 32 Abs. 3 StrlSchV. So kann etwa eine spezifische Freigabe von festen Stoffen zur Beseitigung auf Deponien von der Einhaltung bestimmter Festlegungen nach Anlage 8 abhängig gemacht werden, § 36 Abs. 1 Nr. 3a) StrlSchV. Maßstab für solch eine spezifische oder eingeschränkte Freigabe ist immer die Einhaltung des o.g. Dosiskriterium. Wenn dessen Einhaltung unter Beachtung der spezifischen Bedingungen sichergestellt ist (Die zuständige Behörde kann davon ausgehen, dass das Dosiskriterium für die Freigabe eingehalten wird, wenn der Antragsteller nachweist, dass…, – § 36 Abs. 1 Einleitungssatz StrlSchV), erteilt die zuständige Behörde die Freigabe. Bei der spezifischen Freigabe zur Beseitigung und zum Recycling von Metallschrott dürfen der zuständigen Behörde darüber hinaus keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Dosiskriterium für die Freigabe am Standort der Entsorgungsanlage nicht eingehalten wird, § 36 Abs. 2 StrlSchV. Deponien 2 RSK/ESK-Geschäftsstelle beim Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (aaO Fn. 1), S. 2 508 504-517_Wasielewski.indd 508 24.04.20 09:18
Ablagerung von freigegebenen Abfällen aus dem Rückbau von Kernkraftwerken auf Deponien Die Freigabe bewirkt, dass die betreffenden Stoffe und Gegenstände, gegebenenfalls unter den angeordneten Spezifika, dem konventionellen Entsorgungsweg nach Maß- gabe des KrWG und dessen untergesetzlichen Regelwerk überlassen werden können. 2.2. Anforderungen des Kreislaufwirtschaftsrechts (KrWG und DepV) 2.2.1. Verzahnung der StrlSchV mit dem KrWG Für eine Verzahnung des Freigabeverfahrens mit den kreislaufwirtschaftsrechtlichen Anforderungen sorgen die §§ 39 und 40 StrlSchV. So hat der Antragsteller der für die Freigabe zuständigen Behörde vor Erteilung der Freigabe eine Erklärung über den Verbleib des künftigen Abfalls und eine Annahmeerklärung des Betreibers der Verwertungs- oder Beseitigungsanlage vorzulegen. Er hat darüber hinaus der für die Entsorgungsanlage zuständigen Behörde eine Kopie der Annahmeerklärung zuzuleiten. Die für die Entsorgungsanlage zuständige Behörde kann gegenüber der für die Freigabe zuständigen Strahlenschutzbehörde die Herstellung des Einvernehmens hinsichtlich der Anforderungen an den Verwertungs- oder Beseitigungsweg verlangen, § 40 Abs. 2 und 3 StrlSchV. 2.2.2. Abfälle zur Verwertung Bei der uneingeschränkten Freigabe sind die Stoffe und Gegenstände entsprechend der Pflicht zur vorrangigen Verwertung, § 7 Abs. 2 KrWG, grundsätzlich durch den entsorgungspflichtigen Anlagenbetreiber zu verwerten. Diesbezüglich gelten keine abweichenden abfallrechtlichen Vorschriften als aufgrund der Herkunft. Insbesondere uneingeschränkt freigegebener Bauschutt, der nach heutiger Einschätzung den mit Abstand größten Massenstrom beim Abbau ausmachen wird, ist als Recyclingbau- stoff grundsätzlich ordnungsgemäß und umweltverträglich verwertbar. Soweit die Abfälle nicht verwertet werden, sind sie zu beseitigen. Dabei können abfallrechtliche Randbedingungen dazu führen, dass z.B. nicht recyclingfähige Abfälle und Abfälle mit Schadstoffen (z.B. Dämmmaterialien, Asbest, belasteter Bauschutt) nicht verwertet, sondern beseitigt werden müssen, §§ 15, 16 KrWG in Verbindung mit der Deponie- verordnung (DepV). Im Falle der spezifischen Freigabe ist eine Verwertung nur nach Maßgabe von § 36 Abs. 1 Nr. 1, 2, 5, 6 und 7 StrlSchV möglich. Hierbei handelt es sich insbesondere um Bauschutt und Metallschrott zum Recycling. 2.2.3. Abfälle zur Beseitigung Besteht aufgrund einer spezifischen Freigabe oder aufgrund abfallrechtlicher Anfor- derungen (z.B. asbesthaltiger Bauschutt) die Notwendigkeit, die freigegebenen Abfälle Deponien zu beseitigen, so hat der entsorgungspflichtige Betreiber des rückzubauenden KKW als Abfallerzeuger und -besitzer diese Abfälle dem zuständigen öffentlich-rechtlichen 509 504-517_Wasielewski.indd 509 24.04.20 09:18
Andreas Wasielewski Entsorgungsträger (örE)3 zu überlassen. Diese Überlassungspflicht besteht außer bei Abfällen aus privaten Haushalten grundsätzlich auch für Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen, § 17 Abs. 1 S. 2 KrWG. Diese Überlassungspflicht korres- pondiert mit der Verpflichtung des örE, die Abfallbeseitigung nach Maßgabe der §§ 15 und 16 KrWG vorzunehmen; auch eine Beauftragung Dritter nach § 22 KrWG befreit sie davon nicht. Allerdings bestand nach alter Rechtslage die Möglichkeit, Pflichten auf einen Dritten übertragen zu lassen4. Aufgrund der Überlassungs- und Beseitigungspflicht haben der örE bzw. der Drittbe- auftragte jedoch grundsätzlich die Entsorgungskapazitäten, die zur Gewährleistung der Entsorgungssicherheit für die ihnen überlassenen Abfälle notwendig sind, vorzuhalten (§ 3 Abs. 2 und 3 LAbfWG), entweder durch eigene Anlagen oder durch Vergabe von Dienstleistungsaufträgen. Etwas Anderes würde dann gelten, wenn nach § 20 Absatz 2 Satz 2 KrWG mit Zu- stimmung der zuständigen Behörde Abfälle von der Entsorgungspflicht ausgeschlos- sen sind. Ein solcher Ausschluss ist in Schleswig-Holstein bezogen auf freigegebene Abfälle aus dem Rückbau von KKW bislang nicht erfolgt. Er käme dann in Betracht, wenn die Abfälle nach Art, Menge und Beschaffenheit nicht gemeinsam mit Ab- fällen aus privaten Haushaltungen entsorgt werden könnten. Entscheidend sind dabei die objektiven Entsorgungsmöglichkeiten des jeweiligen Entsorgungsträgers. Wegen der Art der Abfälle kommt ein Entsorgungsausschluss dann in Betracht, wenn Ent- sorgungsanlagen öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger nur für bestimmte Abfallarten zugelassen sind5. Unterscheidet sich beispielsweise nicht schadstoffverunreinigter Bau- schutt in seiner Zusammensetzung und seinem Gefährdungspotenzial nicht signifikant von üblicherweise in Haushaltungen anfallenden Abfällen, rechtfertigt die Art des Abfalls einen Ausschluss vom gleichzeitigen Einsammeln und Befördern mit Hausmüll nicht6. Nach diesen Grundsätzen wird trotz des Umstands, dass in der Regel der zu beseiti- gende Abfall aus KKW nicht gemeinsam mit Hausmüll eingesammelt und befördert werden wird, ein genereller Ausschlussgrund dieser Abfälle wegen der Art des Abfalls nicht begründbar sein. Der Aspekt Menge spielt im zu betrachtenden Fall nur eine untergeordnete Rolle. Aber auch wegen der Beschaffenheit der Abfälle kommt ein Entsorgungsausschluss nicht in Betracht. Dies wäre nur denkbar, wenn die Abfälle ein spezielles Gefahrenpotenzial aufwiesen, was jedoch in der konkreten Situation durch die notwendige Einhaltung des 10-Mikrosievert-Konzepts nicht zu befürchten ist. Die Abfälle werden hinsichtlich ihrer Beschaffenheit andernorts anfallenden Bau- und Abbruchabfällen weitestgehend entsprechen. 3 In Schleswig-Holstein sind dies die Kreise und kreisfreien Städte, § 3 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz für das Land Schleswig-Holstein SH (LAbfWG) in der Fassung vom 18.1.1999 (GVOBl. SH S. 26, zuletzt geändert durch Gesetz vom 8.1.2019 (GVOBl. SH S. 16)) 4 Dies hat beispielsweise der Kreis Herzogtum Lauenburg noch aufgrund alter Rechtslage nach § 16 Abs. 2 KrW-/ AbfG durch Pflichtenübertragung auf die Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH) getan; diese Übertragung gilt Deponien gemäß § 72 Abs. 1 KrWG fort. 5 Vgl. Schoch in: Jarass/Petersen, Kreislaufwirtschaftsgesetz, 1. Auflage 2014, § 20 Rn. 75 6 S. BVerwG NVwZ 1990, 467 (468) 510 504-517_Wasielewski.indd 510 24.04.20 09:18
Ablagerung von freigegebenen Abfällen aus dem Rückbau von Kernkraftwerken auf Deponien Ein Ausschluss ist auch möglich, wenn die Sicherheit der umweltverträglichen Be- seitigung der Abfälle im Einklang mit den Abfallwirtschaftsplänen der Länder durch einen anderen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder Dritten gewährleistet ist. Soweit absehbar wird sich jedoch genau dieser Umstand nicht einstellen, so dass auch insofern ein Ausschlussgrund nicht ersichtlich ist. Demnach haben der örE bzw. die Drittbeauftragten auf Grund der Pflicht zur Gewähr- leistung der Entsorgungssicherheit entsprechende Kapazitäten für in ihrem Zuständig- keitsbereich anfallenden Abfälle, und daher auch für zu erwartende Abfälle aus KKW, entweder selbst vorzuhalten oder für eine ordnungsgemäße Entsorgung zu sorgen. Auf Grund dieses Umstands kann sich der KKW-Betreiber an den zuständigen örE bzw. den Drittbeauftragten wenden, damit diese bereits vor Freigabe einen entsprechenden Entsorgungsweg für die zukünftig zu überlassenen Abfälle sicherstellen. Dies gilt zu- mindest dann, wenn eigene Bemühungen des KKW-Betreibers keinen Erfolg haben. Verfügt der örE bzw. der Drittbeauftragte über keine eigene Deponie, hat er vertraglich sicherzustellen, dass die entsprechenden Abfälle von privat betriebenen Deponien oder Deponien anderer örE aufgenommen werden. Hierzu gehört auch, dafür zu sorgen, dass durch den Rückbau von KKW im Kreisgebiet perspektivisch hinreichende Ka- pazitäten zur Verfügung stehen. Die Entsorgungspflicht wird insofern flankiert durch die nach § 21 KrWG und § 4 Absatz 1 LAbfWG von den Kreisen und kreisfreien Städten aufzustellenden Abfall- wirtschaftskonzepte, welche alle fünf Jahre fortzuschreiben sind. Nach Absatz 1 Nr. 4 LAbfWG sind insbesondere die Methoden, Anlagen und Einrichtungen der Abfall- verwertung und der sonstigen Entsorgung, die zur Gewährleistung der Entsorgungssi- cherheit für die nächsten zehn Jahre notwendig sind, darzustellen. Bei der Aufstellung des Abfallwirtschaftskonzepts sind die Vorgaben des Abfallwirtschaftsplans des Landes zu berücksichtigen. Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass die Aufnahme freigegebener Abfälle zur Deponie- rung aus dem Rückbau von KKW auf wenig Akzeptanz stößt. Bei den zu entsorgenden Fraktionen wie Bauschutt, Dämmmaterialien und Setzsteinen, die aufgrund ihres Schadstoffgehalts oder ihres Mineralfasergehalts, sowie asbesthaltigen Abfällen wie z.B. Brandschutztüren, deponiert werden müssen, fehlt häufig die Aufnahmebereitschaft, wenn bekannt wird, dass diese Abfälle aus dem KKW-Rückbau stammen. Typisch ist beispielsweise ein mit großer Mehrheit gefasster Beschluss der Bürgerschaft Lübecks, der kategorisch jegliche Aufnahme von Bauschutt auf der eigenen Deponie Niemark ausschließt, soweit dieser aus dem KKW-Rückbau stammt. Und dies, obwohl diese Deponie der Klasse II (vgl. § 6 DepV) für derartige Abfälle ausdrücklich zugelassen ist.7 Es stellt sich daher die Frage, wie mit der Situation umgegangen werden kann, wenn ein für die Gewährleistung der Entsorgungssicherheit verantwortlicher örE keinen Entsorgungsweg findet, um seiner diesbezüglichen Verantwortung nachzukommen, wenn es sich um freigegebene Abfälle aus dem KKW-Rückbau handelt. Deponien 7 Euwid Nr. 49/2019, S. 30 511 504-517_Wasielewski.indd 511 24.04.20 09:18
Andreas Wasielewski 2.2.4. Staatliche Einwirkungsmöglichkeiten auf den entsorgungspflichtigen örE oder Drittbeauftragten Tätigwerden der Kommunalaufsicht Die Pflichten des örE nach § 20 KrWG sind als Selbstverwaltungsaufgaben anzusehen; daher kommt keine Weisungsbefugnis im Rahmen einer Fachaufsicht in Betracht, sondern lediglich ein Einschreiten der Kommunalaufsicht. In Schleswig-Holstein ist hierfür das in dieser Hinsicht fachfremde Innenministerium zuständig8. Zuweisung nach § 29 KrWG Aufgrund mangelnder Sachnähe und der Sondervorschrift des § 29 KrWG ist es daher näherliegend zu prüfen, ob in diesem Fall nicht eine Zuweisung nach § 29 Abs. 1 S. 1 KrWG in Betracht kommt. Danach kann die zuständige Behörde9 den Betreiber einer Abfallbeseitigungsanlage verpflichten, einem Beseitigungspflichtigen nach § 15 KrWG sowie den öffentlich- rechtlichen Entsorgungsträgern im Sinne des § 20 die Mitbenutzung der Abfallbesei- tigungsanlage gegen angemessenes Entgelt zu gestatten, soweit diese auf eine andere Weise den Abfall nicht zweckmäßig oder nur mit erheblichen Mehrkosten beseitigen können und die Mitbenutzung zumutbar ist. Diese behördliche Anordnungsbefugnis dient primär der staatlichen Durchsetzung von Interessen des Gemeinwohls gegenüber individuellen oder lokalen Interessen, z.B. in Fällen eines sog. Müllnotstandes10. Bei der Zuweisung obliegt dem Anlagenbetreiber eine Duldungspflicht hinsichtlich der Anlagennutzung, jedoch nicht die Beseitigungs- pflicht für diese Abfälle. Der Anlagenbetreiber ist (lediglich) zu Handlungen verpflichtet, die zum ordnungsgemäßen Anlagenbetrieb gehören11, d.h. seine Verpflichtung bezieht sich nur auf die Annahme der fraglichen Abfälle zur Beseitigung in seiner Anlage, die mitbenutzt wird. Dabei ist ein Antrag des Begünstigten nicht erforderlich; die Verpflich- tung kann auch von Amts wegen auferlegt werden. Weiterhin muss es sich um eine Abfallbeseitigungsanlage handeln, in der Regel eine Deponie, die für die Beseitigung gerade dieser Abfälle auch zugelassen ist. Damit ist zum Ausdruck gebracht, dass die Deponie eine Zulassung für diejenige Klasse besitzt, die für die Entsorgung der in Rede stehenden Abfälle nach den Vorgaben der DepV erforderlich ist. Der Betreiber kann nicht gezwungen werden, eine Erweiterung der Zulassung zu beantragen, um die Voraussetzungen für die Mitbenutzung erst zu schaffen12. 8 § 121 Abs. 2 Gemeindeordnung SH 9 Welche Behörde dies ist, bestimmt sich nach Landesrecht. Für SH liegt die Zuständigkeit beim Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, § 2 Abs. 1 Nr. 5 Landesverordnung über die zuständigen Behörden nach abfallrechtlichen Vorschriften (LAbfWGZustVO) vom 11.7.2007 (GVBl. SH S. 341), zuletzt geändert durch Verordnung vom 17.9.2019 (GVOBl. SH S.407). 10 Rüdiger, in: v. Lersner/Wendenburg/Kropp/Rüdiger, Recht der Abfallbeseitigung, Bd. 1, 2. Auflage 2015, § 29 Deponien KrWG Rn. 10, Stand: Erg.-Lfg. VI.18 11 Spoerr, in: Jarass/Petersen, KrWG, 1. Aufl. 2014, § 29 Rn. 16 12 BVerwG, Urteil vom 9.7.1992, Az.: 7 C 21/91, BVerwGE 90, 296 (298) 512 504-517_Wasielewski.indd 512 24.04.20 09:18
Ablagerung von freigegebenen Abfällen aus dem Rückbau von Kernkraftwerken auf Deponien Allerdings kommt es insofern nicht zwingend auf die Betriebsordnung der Deponie an. Soweit diese die Annahme freigegebener Abfälle aus KKW grundsätzlich ausschließt, obwohl hierfür kein sachlicher Grund vorliegt und die Deponie gerade für diese Abfälle nach der DepV zugelassen ist, kommt der Betriebsordnung keine Sperrwirkung zu. Die Mitbenutzung der Deponie kann dem Beseitigungspflichtigen bzw. den örE nur gegen ein angemessenes Entgelt gestattet werden. Vorzugswürdig ist hier eine vertrag- liche Vereinbarung zwischen dem Deponiebetreiber und dem Beseitigungspflichtigen. Kommt eine solche mangels Einigungswillen nicht zustande, kann die zuständige Be- hörde dies auch durch Verwaltungsakt festlegen13. Die Angemessenheit selbst bestimmt sich nach einer betriebswirtschaftlichen Betrachtung14. Weitere Voraussetzung für eine Zuweisung ist, dass die Abfallbeseitigung auf eine an- dere Weise nicht zweckmäßig oder nur mit erheblichen Mehrkosten möglich ist und die Mitbenutzung für den Anlagenbetreiber zumutbar ist. Die Zweckmäßigkeit muss sich aus abfallwirtschaftlichen Gründen ergeben, z.B. aus konkreten Zielen des einschlägigen Abfallwirtschaftsplans nach § 30 KrWG oder allgemein aus dem Zweck des KrWG nach dessen § 115. In diesem Zusammenhang ist der Vorrang der gebietsbezogenen Entsorgung zu berücksichtigen, wonach eine Über- lassungspflicht an den jeweiligen örE auch bei Abfällen zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen besteht. Dies korrespondiert auch mit den in Art. 16 AbfallRRL16 niedergelegten Grundsätzen der Entsorgungsautarkie und –nähe. Insoweit sind im Rahmen der Zweckmäßigkeit Umstände wie weite Entsorgungswege mit negativen Umweltauswirkungen und eine aufwändige Suche nach geeigneten Deponien bun- desweit einzubeziehen17. Neben der Unzweckmäßigkeit berechtigen auch erhebliche Mehrkosten zu einer Mitbe- nutzungsanordnung. Allerdings sind höhere Gebühren bei einer öffentlich-rechtlichen Entsorgung für sich nicht eine Rechtfertigung dafür, den Beseitigungspflichtigen aus der öffentlich-rechtlichen Überlassungspflicht zu entlassen. Dies widerspräche auch § 17 Abs. 1 S. 2 KrWG. Schließlich darf die Mitbenutzung für den Anlagenbetreiber nicht unzumutbar sein. Angesichts des notwendigen Kostenausgleichs kommt eine Unzumut- barkeit etwa dann in Betracht, wenn der Betreiber die Anlagenkapazitäten für eigene Abfälle benötigt und insoweit für eine bestimmte Laufzeit der Anlage kalkuliert hat18 oder eine Erschöpfung der Kapazität vor Erschließbarkeit neuer Kapazitäten19 droht. 13 Beckmann, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.). UmweltR Bd. II, KrWG, § 29 Rn. 6f. (Stand: 69. EL April 2013) 14 Zur Bemessung des Mitbenutzungsentgelts für eine Müllverbrennungsanlage Hess. VGH, Beschluss vom 4.2.1999, Az.: 8 TG 4138/98, juris. 15 Rüdiger aaO (Fn. 10), KrWG, § 29 Rn. 15 16 Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien, ABl. EG Nr. L v. 22.11.2008, S. 312 zuletzt geändert durch RL 2018/851/ EU vom 30.5.2018. ABl. Nr. L 150 v. 14.6.2018, S. 109 17 Allgemeine Ansicht, vereinzelt wird angenommen, dass dieser Aspekt im Rahmen der Ermessensbetätigung Deponien zu würdigen ist; Überblick bei Spoerr, in: Jarass/Petersen, KrWG (Fn. 11), § 29 Rn. 20 18 Beckmann, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), UmweltR Bd. II, KrWG (Fn. 13), § 29 Rn. 12 19 Rüdiger, in: v. Lersner/Wendenburg/Kropp/Rüdiger, Recht der Abfallbeseitigung (Fn. 10), KrWG, § 29 Rn. 20 513 504-517_Wasielewski.indd 513 24.04.20 09:18
Andreas Wasielewski Die Zuweisung steht endlich im Ermessen der zuständigen Behörde, d.h. wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 29 Abs. 1 S. 1 KrWG erfüllt sind, besteht für den Begünstigten nur ein Anspruch auf ermessenfehlerfreie Ermessensbetätigung. Das Ermessen ist umfassend an den öffentlichen Belangen einer geordneten und effizienten Abfallwirtschaft auszurichten; dabei sind – wenn dies nicht bereits auf der Ebene der Zweckmäßigkeit erfolgt ist – die in § 1 KrWG vorgegebenen Ziele maßgebend. Dabei ist in dem Fall, in denen für die Mitbenutzung mehrere Anlagen auch in anderen Gebieten aus denen der Abfall stammt zur Verfügung stehen, in der Erwägung die grundsätzlich bestehende Verpflichtung der jeweiligen Gebietskörperschaften zur Entsorgung der in ihrem Gebiet anfallenden Abfälle zu berücksichtigen20. Im Ergebnis hat daher die zuständige Behörde die Möglichkeit, freigegebene Abfälle zur Beseitigung, die der Beseitigungspflichtige erfolglos dem zuständigen örE bzw. dessen Drittbeauftragten nach § 22 KrWG21 angedient hat, unter den Voraussetzungen des § 29 KrWG zur Mitbenutzung einer Deponie zuzuweisen. Damit steht dem Land SH ein geeig- netes Instrument zur Verfügung, bei sachfremder Weigerung des Entsorgungspflichtigen nach § 17 Abs. 1 S. 2 KrWG eine geeignete Deponie zur Mitbenutzung zu identifizieren und den Entsorgungsweg insoweit zu bestimmen. Im Hinblick auf den Aspekt der Ge- bietsbezogenheit kann damit auch sichergestellt werden, dass die zu entsorgenden Abfälle ortsnah entsorgt werden. Bezogen auf die Standorte der zu betrachtenden KKW an der Unterelbe in den Kreisen Dithmarschen und Herzogtum Lauenburg kommen hierfür primär geeignete Deponiestandorte in Schleswig-Holstein in Betracht. 3. Dialogprozess mit den relevanten Akteuren in Schleswig-Holstein Um den bundesweit beschlossenen Atomausstieg umzusetzen, wurde in Schleswig- Holstein seit 2015 intensiv über den Rückbau der Atomkraftwerke diskutiert. Einbe- zogen waren die Deponiestandortgemeinden, die kommunalen Gremien, der Umwelt- ausschuss des Landtags, Teilnehmer von Erörterungsterminen im Zusammenhang mit den atomrechtlichen Genehmigungsverfahren zur Stilllegung und zum Rückbau der KKW, sowie mehrere zentrale Fachveranstaltungen. Ein gemeinsames Verständnis für den Rückbau und die Deponierung der künftig anfallenden Abfälle konnte dabei allerdings nicht erzielt werden. Dem Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein (MELUND) als oberster Abfallwirtschaftsbehörde ist allerdings sehr an einem möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens in dieser Frage gelegen. Es hat daher eine Arbeitsgruppe berufen, die im Zeitraum von Ende 2016 bis Mitte 2018 getagt und einen umfangrei- chen Abschlussbericht vorgelegt hat22. Teilgenommen haben Vertreter der kommunalen 20 BVerwG, Urteil vom 9.7.1992, Az.: 7 C 21/91, Rn. 20, juris. 21 § 29 Abs. 1 KrWG erwähnt in diesem Zusammenhang zwar nur den örE, dieser kann jedoch einen Dritten nach § 22 KrWG beauftragen, insofern ist dieser zumindest mitgemeint, vgl. Beckmann, in: Landmann/Rohmer (Fn. 13), KrWG, § 29 Rn. 3 Deponien 22 Abrufbar unter: https:// www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/A/atomausstieg/Downloads/abschluss- bericht2018.pdf 514 504-517_Wasielewski.indd 514 24.04.20 09:18
Ablagerung von freigegebenen Abfällen aus dem Rückbau von Kernkraftwerken auf Deponien Landes-, sowie der Umwelt- und Naturschutzverbände, Betreiber kerntechnischer Anlagen und Verbände der Entsorgungswirtschaft. Die Arbeitsgruppe (AG) ist dabei insbesondere zwei grundsätzlichen Fragestellungen nachgegangen, nämlich zunächst, ob das der Freigabe zu Grunde liegende 10-Mikrosievert-Konzept vertretbar ist und darüber hinaus, ob es alternative Entsorgungsoptionen für die Deponierung freigegebener Abfälle gibt. Im Rahmen ihrer Sitzungen hat die AG auch externe Sachverständige hinzugezogen. Bei einzelnen Sondervoten eines Umweltverbandes ist die AG zu dem zusammen- fassenden Ergebnis gelangt, dass die in Deutschland vom Gesetzgeber vorgesehenen Lösungen vertretbar und geeignet sind, die nur äußerst gering und vernachlässigbar radioaktiv belasteten Abfälle in den kommenden zwanzig Jahren zu entsorgen. Vor diesem Hintergrund war auch für die AG die reguläre Nutzung der in SH bestehenden Deponien nach den Vorgaben der StrlSchV und dem Abfallrecht (KrWG und DepV) naheliegend; Alternativen wie z.B. die Errichtung einer neuen Zentraldeponie in SH oder eine Deponierung außerhalb des Landes wurden verworfen. Allerdings zeichnet sich bei der Nutzung vorhandener Deponien nach Auffassung der AG ab, dass aufgrund der aktuellen Akzeptanzprobleme insbesondere an den Deponiestandorten kaum mit einer Befriedung zu rechnen ist. Daher wurde als akzeptanzfördernde Variante das Modell Deponie plus präferiert. Damit verbunden sind zusätzliche Maßnahmen, die über die Anforderungen der StrlSchV hinausgehen und das Maß an objektiver aber auch subjektiver Sicherheit weiter erhöhen. Solche Maßnahmen können beispielsweise eine ergänzende Betrachtung der potentiellen Nachnutzung, besondere Einbauvorga- ben auf der Deponie, Dokumentationspflichten oder auch besondere Anforderungen an die Deponie sein. In diesem Sinne handelt es sich also um freiwillige Maßnahmen die der Abfallerzeuger (der Betreiber des rückzubauenden KKW) über das normativ gebotene Maß hinaus zu erfüllen hätte. Auf dieser Basis hat das MELUND durch einen unabhängigen Sachverständigen eine Qualifizierung aller sieben schleswig-holsteinischen Deponien der Klassen I und II durchführen lassen. Hierdurch soll eine bestmögliche Einschätzung der Deponien auf Vereinbarkeit der örtlichen Situation mit den Modellannahmen der Strahlenschutzverordnung und darüber hinaus gehende mögliche Optimierungs- potentiale ermöglicht werden. Der beauftragte TÜV Nord kam zu dem Ergebnis, dass alle sieben untersuchten Deponien für die Ablagerung freigegebener Abfälle aus dem KKW-Rückbau geeignet sind. Nunmehr sollen für die einzelnen Deponien Berechnungen von gegebenenfalls erforderlichen Einschränkungen bezüglich der zulässigen Ablagerungsmengen in Verbindung mit den zulässigen Freigabewerten gemäß StrlSchV durchgeführt werden. Dabei hält das Land es allerdings nicht für sinnvoll, an drei der sieben Deponien, die kurz vor dem Ende ihrer Verfüllung stehen, weitere aufwändige Betrachtungen anzustellen. Flankiert wird dies mit Gesprächen zwischen den Betreibern kerntechnischer Anlagen und den Deponiebetreibern, unter Einbeziehung der örE. Die genannte Arbeitsgruppe der relevanten Akteure soll diesen Prozess begleiten, aber nicht ausdrücklich dem weiteren Prozess oder Deponien Teilen davon zustimmen. 515 504-517_Wasielewski.indd 515 24.04.20 09:18
Andreas Wasielewski 4. Ausblick Der umfangreiche Dialogprozess hat die Erkenntnis gebracht, dass sowohl das 10-Mik- rosievert-Konzept als auch die in Schleswig-Holstein für die Aufnahme freigemessener Abfälle zur Verfügung stehenden Deponien der Klassen I und II unter wissenschaft- lichen und rechtlichen Kriterien zur Problemlösung geeignet sind. Damit konnte die Diskussion über den notwendigen Rückbau der KKW in Schleswig-Holstein ein Stück weit versachlicht werden. Allerdings ist zu konstatieren, dass insbesondere bei den in Betracht kommenden Deponiestandorten eine Akzeptanzsteigerung kaum erreicht werden konnte. Das MELUND wird daher quasi als Rückfallvariante eine Zuweisung nach § 29 KrWG prüfen müssen, will es seine bundesrechtlich vorgezeichnete Linie der gebietsbezogenen Entsorgung freigemessener Abfälle aus dem Rückbau von KKW realisieren. Ansprechpartner Dr. Andreas Wasielewski Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Naturschutz und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein Leiter des Referates Grundsatz- und Rechtsangelegenheiten, Bergbau in der Abteilung Energie, Klima und Technischer Umweltschutz Mercatorstraße 3 24106 Kiel, Deutschland +49 431 988-7261 andreas.wasielewski@melund.landsh.de Deponien 516 504-517_Wasielewski.indd 516 24.04.20 09:18
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