Diversion im Suchtmittelrecht - Exposé - SSC ...
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Exposé zur Dissertation mit dem Arbeitstitel Diversion im Suchtmittelrecht - eine empirische Untersuchung - Verfasserin: Mag. iur. Lisa Rösler Angestrebter akademischer Grad: Doktorin der Rechtswissenschaften (Dr. iur.) Betreuer: Univ.-Prof. Dr. Christian Grafl Institut für Strafrecht und Kriminologie Wien, 2018 Studienrichtung: Rechtswissenschaften Studienkennzahl: A 783 101
1. Persönlicher Bezug Im Jahr 2016 war ich als Rechtspraktikantin am Landesgericht für Strafsachen Wien einem Richter mit Abteilungsschwerpunkt Suchtmittelrecht zugeteilt. Im Rahmen der Gerichtspraxis beschäftigte ich mich erstmals im Detail mit dem Suchmittelgesetz 1 (SMG) und setzte mich mit den verschiedenen Diversionsmaßnahmen, insbesondere der „Therapie statt Strafe“ 2 , auseinander. Rasch wurde mir bewusst, dass zwar die gesetzlichen Bestimmungen eine hohe fall- und täterspezifische Anwendung zulassen, jedoch in der Praxis die Durchführung meist nach demselben Muster abzulaufen scheint. In Folge fragte ich mich, ob dies auf eine gewisse Routine in der Arbeitspraxis hindeutet oder die Sachverhalte schlichtweg nicht in einem erheblichen Ausmaß voneinander abweichen. Daran anschließend stellte sich mir die Frage, welche Kriterien für die Beurteilung der Diversionsvoraussetzungen im Suchtmittelrecht von den hierzu berufenen Organen herangezogen werden, sohin welche Faktoren die notwendige Relevanz für eine Differenzierung erreichen. Eine seriöse Beantwortung dieser Fragen erfordert einerseits die theoretische Auseinandersetzung mit den maßgeblichen Gesetzesbestimmungen sowie anderseits die Erfassung und Evaluierung der Praxis mittels empirischer Methoden. Dem Thema „Diversion im Suchtmittelrecht“ möchte ich mich daher in meiner Dissertation widmen. 2. Einführung Seit der Suchtgiftgesetznovelle 1971, BGBl 1971/271 sieht das österreichische Suchtmittelrecht neben repressiven Maßnahmen auch präventive Gesetzesbestimmungen vor, welche über die nachfolgenden Jahrzehnte stetig ausgebaut wurden. Als primäre Maßnahme kann die „Therapie statt Strafe“ genannt werden – die Reduzierung der alternativen Maßnahmen im Suchtmittelrecht auf diese Diversionsart greift allerdings zu kurz. Erst mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015, BGBl I 2015/112 wurde das SMG neuerlich um eine Bestimmung 3 erweitert, die den Aspekt des Suchtmittelmissbrauchs berücksichtigt.4 Wie im Folgenden noch aufgezeigt wird, handelt es sich bei der „Therapie statt Strafe“ daher nur um eine der zahlreichen Möglichkeiten einer alternativen Verfahrenserledigung im Suchmittelbereich. Der Aufbau des SMG orientiert sich hierbei an den verschiedenen Stadien des Verfahrens bzw knüpft bereits vor Beginn eines solchen an. So sieht das SMG vor, dass in den Fällen des § 13 SMG eine Anzeige 1 Bundesgesetz über Suchtgifte, psychotrope Stoffe und Drogenausgangsstoffe (Suchtmittelgesetz – SMG) idF BGBl. I Nr. 37/2018. 2 Hierunter ist die alternative Verfahrenserledigung in Verbindung mit gesundheitsbezogenen Maßnahmen nach § 11 Abs 2 SMG zu verstehen. 3 § 13 Abs 2a und 2b SMG idF BGBl. I Nr. 144/2015. 4 Vgl Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK² SMG § 35 Rz 5 ff (Stand 1.8.2016, rdb.at). Exposé 2 Mag. Lisa Rösler
durch die generell hierzu verpflichteten Behörden5 zu unterbleiben hat und bloß eine Mitteilung an die Gesundheitsbehörde erfolgen muss. Dies gilt ferner für die Kriminalpolizei, die jedoch zudem der Staatsanwaltschaft einen Abtretungsbericht erstatten muss. 6 Diese hat nach Erhalt eines solchen Abtretungsberichts wiederum unmittelbar, sofern es nicht noch einer weiteren Klärung des Sachverhalts bedarf, von der Verfolgung vorläufig zurückzutreten.7 Die maßgeblichen Gesetzesbestimmungen für das Ermittlungsverfahren sind die §§ 35, 36 SMG. § 35 SMG teilt die der Diversion nach dem SMG zugänglichen Delikte einerseits dem Abs 1 und anderseits – die „schweren“ Suchtmitteldelikte sowie die sogenannten Beschaffungsdelikte – dem Abs 2 zu, wobei betreffend dieser Delikte der Rücktritt an weitergehende Voraussetzungen geknüpft wird: Die Straftat darf nicht in die Zuständigkeit des Schöffen- oder Geschworenengerichts fallen, die Schuld des Beschuldigten dürfte bei Verurteilung nicht als schwer zu qualifizieren sein, und spezialpräventive Gründe dürfen dem Rücktritt von der Verfolgung nicht entgegenstehen. Für beide Kategorien gilt, dass die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung (grundsätzlich)8 nur nach Einholung einer Stellungnahme einer geeigneten ärztlichen Einrichtung der Justiz oder, sofern dies nicht möglich ist, der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde zurücktreten darf. Die Stellungnahme hat anzugeben, ob der Beschuldigte einer gesundheitsbezogenen Maßnahme nach § 11 Abs 2 SMG 9 bedarf, um welche Maßnahme es sich diesfalls handeln soll und ob eine solche Maßnahme zweckmäßig, ihm nach den Umständen möglich und zumutbar und nicht offenbar aussichtslos ist. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass nach Reindl-Krauskopf aufgrund der bloß gutachterlichen Funktion der Gesundheitsbehörde keine Bindung der Staatsanwaltschaft an die eingeholte Stellungnahme besteht.10 MaW ist zwar die Einholung der Stellungnahme obligatorisch, doch ist die Staatsanwaltschaft inhaltlich nicht an sie gebunden. Nach Hinterhofer und Schwaighofer soll jedoch eine Bindung der Staatsanwaltschaft bzw der Richter an die Stellungnahme zumindest teilweise, nämlich betreffend die Beurteilung der Notwendigkeit der Maßnahme, sohin der Frage, ob der Beschuldigte einer gesundheitsbezogenen Maßnahme bedarf, sehr wohl bestehen.11 Dies soll sich 5 § 78 Strafprozeßordnung 1975 (StPO) idF BGBl. I Nr. 19/2004. 6 § 13 Abs 2b SMG idF BGBl. I Nr. 144/2015. 7 § 35 Abs 9 SMG idF BGBl. I Nr. 23/2016. 8 Hiervon kann die Staatsanwaltschaft bloß in den in § 35 Abs 4 SMG beschriebenen Fällen absehen. 9 Gesundheitsbezogene Maßnahmen sind die ärztliche Überwachung des Gesundheitszustands, die ärztliche Behandlung einschließlich der Entzugs- und Substitutionsbehandlung, die klinisch-psychologische Beratung und Betreuung, die Psychotherapie sowie die psychosoziale Beratung und Betreuung durch qualifizierte und mit Fragen des Suchtgiftmissbrauchs hinreichend vertraute Personen. 10 Reindl, Das neue Suchtmittelrecht, JAP 1998/99,102, bezugnehmend auf den Erlass vom 11.04.1985, Z IV-51.551/2 – 3/85, des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz betreffend die Vollziehung des Suchtgiftgesetzes, BGBl 1980/319. 11 Hinterhofer (HrsG) SMG2 § 35 Rz 63; Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK² SMG § 35 Rz 47 (Stand 1.8.2016, rdb.at), wobei dieser auf Hinterhofer (HrsG) SMG § 35 Rz 41 verweist. Exposé 3 Mag. Lisa Rösler
aus § 35 Abs 6 SMG, wonach die Staatsanwaltschaft im Falle der Notwendigkeit einer gesundheitsbezogenen Maßnahme von der Verfolgung nur zurücktreten darf, wenn der Beschuldigte eine solche Maßnahme zu absolvieren beabsichtigt, ableiten lassen. Hinterhofer folgert hieraus, dass die Notwendigkeit von der Justizeinrichtung oder Gesundheitsbehörde festzustellen ist. 12 Allerdings lässt sich mE aus dem Wortlaut des § 35 Abs 6 SMG weder diese Kompetenz der Justizeinrichtung bzw Gesundheitsbehörde noch eine damit verbundene Bindung der Staatsanwaltschaft an die Stellungnahme ableiten. Vielmehr ist die Bestimmung dahingehend zu verstehen, dass bei Notwendigkeit einer gesundheitsbezogenen Maßnahme eine diversionelle Erledigung nach dem SMG an die Absolvierung einer solchen zu knüpfen ist. Grundsätzlich zwingend ist daher maW bloß die Kopplung des Rücktritts an die Durchführung einer gesundheitsbezogenen Maßnahme und zwar ausschließlich bei durch die Staatsanwaltschaft bzw durch das Gericht festgestellter Notwendigkeit. Es kann dahingestellt bleiben, ob nun die Staatsanwaltschaft bzw die Gerichte faktisch die erforderliche Eignung zur Beurteilung der Notwendigkeit haben, da dies nichts an der nach dem Wortlaut gegebenen gesetzlichen Kompetenz zu ändern vermag. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 SMG hat die Staatsanwaltschaft unter Setzung einer 13 Probezeit von der Verfolgung vorläufig zurückzutreten. Bedarf der Beschuldigte einer gesundheitsbezogenen Maßnahme, so ist die diversionelle Erledigung an eine gesundheitsbezogene Maßnahme zu knüpfen. Bloß in diesen Fällen liegt die Diversion „Therapie statt Strafe“ vor. Hierbei darf der Aspekt der Freiwilligkeit nicht außer Acht gelassen werden: Vorausgesetzt ist stets die Bereitschaft des Beschuldigten, eine gesundheitsbezogene Maßnahme zu absolvieren.14 Liegt diese nicht vor, ist die Kopplung an eine gesundheitsbezogene Maßnahme und demnach ein Rücktritt in dieser Form ausgeschlossen.15 Scheitert es nicht am Kriterium der Bereitschaft des Beschuldigten, sondern ist die gesundheitsbezogene Maßnahme nicht zweckmäßig, ihm nach den Umständen nicht möglich, zumutbar oder offenbar aussichtslos, so hat die Staatsanwaltschaft, soweit dies möglich und zweckmäßig ist, die diversionelle Erledigung davon abhängig zu machen, dass sich der Beschuldigte bereit erklärt, während der Probezeit bestimmte Pflichten zu erfüllen.16 Zudem nicht außer Acht gelassen werden darf, dass es sich bei der Diversion nach dem SMG um keinen Fall der Spezialität handelt, sondern neben dieser die Möglichkeit einer Diversion nach §§ 198 ff StPO 12 Hinterhofer (HrsG) SMG2 § 35 Rz 63. 13 Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK² SMG § 35 Rz 17 f (Stand 1.8.2016, rdb.at). 14 § 35 Abs 6 SMG idF BGBl. I Nr. 23/2016. 15 Hinterhofer (HrsG) SMG2 § 35 Rz 74. 16 § 35 Abs 6 SMG idF BGBl. I Nr. 23/2016. Exposé 4 Mag. Lisa Rösler
besteht. Die Diversionsmaßnahmen der §§ 198 ff StPO werden daher nicht verdrängt, sondern sind deren Anwendungsvoraussetzungen gleichfalls, und zwar getrennt von den Voraussetzungen des SMG, zu prüfen, sodass gegebenenfalls auch im Rahmen dessen die „dritte Spur“17 gewählt werden kann. Sofern mehrere Diversionsarten möglich sind, ist jene zu wählen, welche den Beschuldigten weniger belastet.18 Ab Einbringung der Anklage hat das Gericht gemäß § 37 SMG unter sinngemäßer Anwendung der §§ 35, 36 SMG das Verfahren bei Vorliegen der Voraussetzungen bis zum Schluss der Hauptverhandlung vorläufig einzustellen. Nach Verurteilung besteht die Möglichkeit des Strafaufschubs gemäß § 39 SMG und anschließender nachträglicher bedingter Strafnachsicht nach § 40 SMG. Die soeben aufgezeigte Vielfalt an alternativen Maßnahmen lässt klar erkennen, dass die Diversion im Suchtmittelrecht mit ihrer besonderen Ausprägung der „Therapie statt Strafe“ zumindest in der Theorie einen hohen Stellenwert genießt. Ihre Handhabung in der Praxis gilt es im Zuge des von mir geplanten Dissertationsvorhabens zu untersuchen. 3. Relevanz in der österreichischen Strafrechtspraxis Bereits ein Blick in den Sicherheitsbericht 201719 lässt erkennen, dass die Anwendung der Diversion nach dem SMG im Vergleich zur Anwendung der Diversion nach der StPO – zumindest quantitativ – heraussticht. So sind im Jahr 2016 insgesamt 51.129 Diversionsangebote erfolgt, wovon 25.666 der Angebote Maßnahmen nach §§ 35, 37 SMG betrafen. Im Jahr 2017 waren es insgesamt 53.472 Diversionsangebote; davon entfielen 27.990 der Angebote auf Diversionsformen nach dem SMG.20 Zu beachten ist, dass sich aus diesen Zahlen nicht ableiten lässt, wie viele Suchtmitteldelikte im Wege einer Diversion erledigt wurden, da im Sicherheitsbericht 2017 nicht angeführt wird, wie viele der Diversionen nach §§ 198 ff StPO ein Suchtmitteldelikt betrafen. Eine weitere ins Auge springende Zahlenrelation ergibt sich bei Betrachtung der im Jahr 2016 erfolgten Anzeigen wegen Verstoßes gegen das SMG im Vergleich zu den erfolgten Diversionsangeboten nach dem SMG in eben diesem Jahr: Die Zahl der Anzeigen im Jahr 2017 in der Höhe von insgesamt 36.23521 kann zwar nicht direkt mit der Anzahl der erfolgten Diversionsangebote nach dem SMG von 27.990 in Verhältnis gesetzt werden, da 17 Kienapfel / Höpfel / Kert, Strafrecht Allgemeiner Teil14, E 10 Rz 2. 18 Erlass vom 29. Jänner 2008 zum Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz (SMG) geändert wurde (SMG-Novelle 2007), 14. 19 Aktueller Sicherheitsbericht im Zeitpunkt der Einreichung des Exposés: BMJ, Sicherheitsbericht 2017 (2018). 20 BMJ, Sicherheitsbericht 2017 (2018), 2. 21 Weigl/ Anzenberger/ Grabenhofer-Eggerth/ Horvath/ Schmutterer/ Strizek/ Tanios, Bericht zur Drogensituation 2017. Gesundheit Österreich, 216. Exposé 5 Mag. Lisa Rösler
sich die im Jahr 2017 erfolgten Diversionsangebote auch auf die in den Vorjahren angezeigten Sachverhalte beziehen (können) bzw die im Jahr 2017 angezeigten Sachverhalte teilweise nicht bereits im Jahr 2017 erledigt werden konnten, jedoch lässt sich dennoch ohne Weiteres behaupten, dass ein Gros der Suchmitteldelikte im Wege der „dritten Spur“ erledigt wird. 4. Aufbau und Forschungsfragen Die Arbeit wird sich inhaltlich in zwei Teile gliedern. Der erste Teil soll das nötige Hintergrundwissen zum Verständnis der Thematik verschaffen. Zu diesem Zweck wird die diesbezügliche historische Gesetzgebung in ihren Grundzügen umrissen sowie die dahinterstehenden gesellschaftspolitischen Ambitionen erörtert. Weiters werden im theoretischen Abschnitt die maßgeblichen Gesetzesbestimmungen und deren verfahrensrechtliches Zusammenspiel dargelegt sowie ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Voraussetzungen für die Diversion im Suchtmittelbereich erläutert. Ein spezifisches Augenmerk wird hierbei auch auf der Erörterung der im Gesetz verwendeten Begrifflichkeiten liegen, da erst klar festgelegte Begriffsdefinitionen die Evaluierung einer täterspezifischen Anwendung erlauben. Den zweiten Teil der Arbeit bildet die empirische Untersuchung der folgenden Forschungsfragen: 1.) Welche Diversionsmaßnahmen werden im Suchtmittelbereich mit welcher Häufigkeit angewandt? 2.) Welche Voraussetzungen einer Diversionsmaßnahme werden mit welcher Häufigkeit verneint? 3.) Welche Kriterien werden für die Beurteilung der Diversionsvoraussetzungen im Suchtmittelrecht von der Staatsanwaltschaft herangezogen? 4.) Sind regionale Unterschiede in der Anwendung der Diversionsmaßnahmen zu erkennen? Ergibt sich in Beantwortung dieser Fragen, dass - Hypothese 1: Die Diversion im Suchtmittelbereich in der Praxis sich auf die Maßnahme „Therapie statt Strafe“ beschränkt und die weiteren Diversionsmöglichkeiten nicht geprüft werden; - Hypothese 2: Die Diversionsvoraussetzungen (regional) unterschiedlich ausgelegt werden, sodass sich hierdurch Divergenzen in der Anwendung ergeben, wird ein Teil der Arbeit sich ferner dem Vorschlag von Maßnahmen zur Optimierung der Anwendung der unterschiedlichen Diversionsmaßnahmen im Vollzug sowie einem etwaigen Reformbedarf in der Gesetzgebung widmen. Exposé 6 Mag. Lisa Rösler
5. Forschungsmethoden Die Grundlage des empirischen Teils wird einerseits eine Aktenanalyse bilden. Mit dieser wird vorrangig erhoben, mangels welcher Voraussetzungen eine Diversion nach § 35 Abs 1/ § 35 Abs 2 SMG bzw § 35 Abs 1/ § 35 Abs 2 iVm § 35 Abs 6 Satz 1 SMG nicht angeboten wurde und in wie vielen Fällen sodann die Anwendung einer Maßnahme nach § 35 Abs 6 Satz 2 SMG bzw nach den §§ 198 ff StPO geprüft wurde. Ferner wird erhoben, mangels welcher Voraussetzungen Maßnahmen nach § 35 Abs 6 Satz 2 SMG bzw nach den §§ 198 ff StPO nicht angeboten wurden. Für die Aktenanalyse werden nach dem Zufallsprinzip 500 Akten betreffend Suchtmitteldelikte ausgewählt, welche im Jahr 2017 bei der Staatsanwaltschaft angezeigt wurden. Es werden hierbei Akten aus den Oberstaatsanwaltschaftssprengeln herausgegriffen, da 81,6 % der Diversionsangebote bereits im Ermittlungsverfahren erfolgen.22 Für die Aktenanalyse werden 200 Akten aus dem Sprengel Wien, 100 Akten aus dem Sprengel Graz, 100 Akten aus dem Sprengel Linz und 100 Akten aus dem Sprengel Innsbruck herangezogen. Es werden jedoch keine Akten mit Jugendlichen als Beschuldigte für die Aktenanalyse gewählt, da hinsichtlich dieser besonders zu berücksichtigende Prämissen bestehen23, welche die homogene Ausgangslage für die Aktenanalyse beeinträchtigen könnten. Anderseits werden in einem weiteren Schritt qualitative Experteninterviews geführt. Um die Forschungsfragen umfassend beantworten zu können, soll die entsprechende Datenlage mittels leitfadengestützten Experteninterviews ergänzt werden. Diese werde ich mit Staatsanwälten aller vier Oberstaatsanwaltschaftssprengel führen. Abschließend werden Interviews mit Begutachtern der jeweiligen Drogen-Diagnosezentren geführt. Ziel dieser Interviews ist es, mögliche Wahrnehmungsdivergenzen zwischen Staatsanwaltschaft und Drogen-Diagnosezentren hinsichtlich der Handhabung der Diversionsmaßnahmen im Suchtmittelrecht festzustellen. 22 BMJ, Sicherheitsbericht 2017 (2018), 1. 23 §§ 5 ff Bundesgesetz vom 20. Oktober 1988 über die Rechtspflege bei Straftaten Jugendlicher und junger Erwachsener (Jugendgerichtsgesetz 1988 – JGG) idF BGBl. I Nr. 154/2015. Exposé 7 Mag. Lisa Rösler
6. Voraussichtliche Gliederung I. Einleitung 1) Relevanz in der österreichischen Strafrechtspraxis 2) Historische Entwicklung des Suchmittelrechts in Österreich II. Theoretischer Teil 1) Die Strafbestimmungen des SMG 2) Die alternativen Verfahrenserledigungen des SMG 3) Die Diversionsmaßnahmen der StPO III. Empirischer Teil 1) Methodik und Forschungsfragen 2) Ergebnisse der empirischen Untersuchung 2.1) Quantitative Untersuchung – Ergebnisse der Aktenanalyse 2.2) Qualitative Untersuchung – Ergebnisse der Experteninterviews 3) Diskussion der Ergebnisse IV. Schlussfolgerungen für Gesetz und Vollzug V. Schlussbetrachtung Exposé 8 Mag. Lisa Rösler
7. Zeitplan Oktober 2018 – Jänner 2019: Studieneingangsphase; Konkretisierung des Vorhabens, Aneignung der empirischen Methoden; Präsentation des Konzepts des Dissertationsvorhabens Februar 2019 – März 2019: Einreichung des Exposés und der Dissertationsvereinbarung April 2019 – Jänner 2020: Verfassen des theoretischen Teils; Aktenanalyse Februar 2020 – Juni 2020: Führung und Übertragung der Experteninterviews Juli 2020 – Oktober 2020: Auswertung der Experteninterviews November 2020 – Jänner 2021: Verfassen des empirischen Teils; Verfassen der Schlussfolgerungen für Gesetz und Vollzug Februar 2021 – Oktober 2022: Überarbeitung der Dissertation Jänner 2022: Defensio Exposé 9 Mag. Lisa Rösler
8. Vorläufiges Literaturverzeichnis Erlass vom 29. Jänner 2008 zum Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz (SMG) geändert wurde (SMG-Novelle 2007). ErlRV 110 BlgNRXX. GP, 23.5.1996. Birklbauer Alois, Die Auswirkungen des Strafrechtsänderungsgesetzes (StRÄG) 2015 auf medizinischen Bereich, RdM 2016/2, 4. Birklbauer Alois/ Hauer Andreas/ Keplinger Rudolf, Suchtmittelgesetz : Praxiskommentar, 3. Auflage, Linz 2011. Bruckmüller Karin/ Köchl Birgit/ Fischer Gabriele/ Jagsch Reinhold/ Soyer Richard, Medizinische und juristische Beurteilung substanzabhängiger (mutmaßlicher) Täter, JRP 19, 267-278, 2011. Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, Handbuch für die Vollziehung des § 12 Suchtmittelgesetz - Leitlinie für die Gesundheitsbehörden, 2. Auflage, https://www.bmgf.gv.at/home/Gesundheit/Drogen_Sucht/Drogen/Leitlinie_fuer_die_Gesundheitsb ehoerden_Handbuch_fuer_die_Vollziehung_des_sect_12_Suchtmittelgesetz [24.07.2018]. Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz, Erlass vom 11.04.1985 betreffend die Vollziehung des Suchtgiftgesetzes, BGBl 1980/319, Z IV-51.551/2 – 3/85. Bundesministerium für Justiz, Sicherheitsbericht 2016 (2017). Burgstaller Manfred, Drogenstrafrecht in Österreich, ÖJZ 1986, 520. Egg Rudolf, Drogentherapie und Strafe, KrimZ 1988, 3. Eisenbach-Stangl Irmgard/ Stangl Wolfgang, Exklusion von Drogentätern, ÖJZ 2018/40. Fabrizy Ernst Eugen, Das österreichische Suchtmittelrecht: Suchtmittelgesetz, Neue-Psychoaktive- Substanzen-Gesetz, Suchtgiftverordnung, Psychotropenverordnung, Suchtgift- Grenzmengenverordnung, Psychotropen-Grenzmengenverordnung, Neue-Psychoaktive-Substanzen- Verordnung etc, 6. Auflage, Wien 2016. Gegenhuber Barbara/ Werdenich Wolfgang, Die Rolle der Gutachter im Strafverfahren – Life for Sale – Suchtmittel(straf)recht und Therapie im Richtungsstreit, JSt 2013, 217. Hacker Friedrich, Drogen: verhüten statt behandeln, behandeln statt strafen, Wien 1981. Exposé 10 Mag. Lisa Rösler
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