DIY-Forschung: Google, Repräsentativität und Relevanz - September 2014 Oktober 2014

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DIY-Forschung: Google, Repräsentativität und Relevanz - September 2014 Oktober 2014
September 2014
                         Oktober 2014

DIY-Forschung:Google,
Survey-Monkey    &
 Repräsentativität Co
Großangriff auf
 und Relevanz   Institute?
DIY-Forschung: Google, Repräsentativität und Relevanz - September 2014 Oktober 2014
Inhalt
• 03 – Editorial
       Claas Lübbert / marktforschung.de
• 04 – Ohne das nötige Know-how verursacht Big Data eher Kosten als Nutzen
       Interview mit Christian Liguda / eprofessional
• 07 – Die Sekundärforschung: Alles andere als ein Stiefkind
       Jörg Kerler / ORBIT
• 11 – "Secondary research is integral to what we do"
       Interview with Stephen Williamson / Euromonitor International
• 13 – Fast zwei Drittel der Unternehmen erwarten Zunahme der Desk Research-
   Projekte
       Steffi Stoll / Stoll-Support & Uwe Matzner / research tools
• 16 – Wie die Sekundärmarktforschung zum „Stiefkind“ geworden ist
       Christian Halemba
• 19 – Sekundärforschung / Desk Research: Vom Stiefkind zum Hoffnungsträger
   der Marktforschung?
       Sebastian Gensch / infas 360
• 22 – Sekundärforschung im digitalen Zeitalter: Stark im Methodenmix
       Interview mit Dr. Sabine Graumann / TNS Infratest
• 26 – Eine Branche im Übergang: Die Entwicklung der Intelligence Professionals
       Silja Maria Wiedeking / Swarovski

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DIY-Forschung: Google, Repräsentativität und Relevanz - September 2014 Oktober 2014
Editorial
                      Von Claas Lübbert, Redaktionsleiter

Als ich den Begriff "Sekundärforschung"           unendlich, der Bestand an verfügbaren
zum ersten Mal hörte, fühlte mich                 Daten wächst stetig. Ein Glücksfall für die
unweigerlich an endlose Regale in                 Forschung – und ganz besonders für die
tageslichtfernen Bibliotheks-                     Sekundärforschung? Kann ich mir am Ende
Kellergewölben erinnert, in denen sich            Marktanalysen zusammengoogeln? Oder
kaum jemand gern aufhält. An                      auch: "Siri, wie hat sich eigentlich der
eingestaubte Bücher und aufwändige                Absatzmarkt für E-Bikes in Deutschland seit
Recherche. An grauhaarige Aufpasser, die          2012 entwickelt und wie ist die Prognose
bei jedem Geräusch drohend den Finger             für die nächsten fünf Jahre?“
heben. An einen ... ach, lassen wir das –
genug der Klischees.                              Ein überspitztes Bild, klar – ebenso wie das
Nun, "Sekundärforschung" klingt ja schon          Kellergewölbe der Bibliothek. Aber: mit
irgendwie nach "zweiter Reihe". Nach              allen neuen Möglichkeiten, die sich auftun,
geringerer Wertigkeit als                         wächst die Notwendigkeit, diese auf
"Primärforschung". Ist da was dran?               Tauglichkeit zu überprüfen. Am Ende gibt
                                                  es keine vernünftige Analyse ohne valide
In Gablers Wirtschaftslexikon wird                und sinnhaft zusammengestellte Daten.
Sekundärforschung definiert als "Form der         Und diese gilt es zu identifizieren und mit
Marktforschung, Aufbereitung bereits              Know-How zu analysieren.
vorhandenen Datenmaterials, das nicht für
den konkreten Untersuchungszweck                  Klassisches Marktforscherterrain also?
erhoben worden ist". Zu den Vorteilen             Wie vielfältig die Möglichkeiten der
heißt es: "Zeit und Kostenersparnis, da           Sekundärforschung sind, wie sich die
keine empirische Erhebung notwendig ist".         Thematik in der Praxis in den letzten Jahren
Ist also vielleicht doch gar nicht so             gewandelt hat und welche sinnvollen
schlecht.                                         Einsatzfelder es gibt, beleuchten die
                                                  Beiträge dieser Ausgabe. Erkenntnisse aus
Gerade im Zeitalter von Big Data scheint          der ersten Reihe sind also garantiert. Und
der Datenfundus schließlich schier                nicht aus dem Kellergewölbe.

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„Ohne das nötige Know-how verursacht Big
Data eher Kosten als Nutzen“ - Data
Scientist Christian Liguda im Interview
                           Statistische Auswertungen, neue Algorithmen und maschinelle
                           Lernverfahren: Christian Liguda ist Data Scientist bei der
                           Performance Marketing-Agentur eprofessional in Hamburg.

marktforschung.dossier: Herr Liguda, Sie           Christian Liguda: Ohne das nötige
sind Data Scientist bei der Performance            mathematische sowie technische Know-
Marketing-Agentur eprofessional. Was               how, aus großen Datenmengen relevante
gehört zu Ihrem Aufgabenbereich?                   Informationen abzuleiten, verursacht Big
Christian Liguda: Als Data Scientist führe         Data eher Kosten als Nutzen. Somit sind
ich zum einen statistische Auswertungen            Data Scientists für jedes Unternehmen,
unserer Datenbestände durch, um die                welches auf Big Data setzt, unverzichtbar,
Performance unserer Kampagnen zu                   um die wirklich interessanten
bewerten und Optimierungspotenziale                Informationen, die einen realen Mehrwert
ausfindig zu machen. Hierbei beziehen sich         liefern, zu identifizieren.
die meisten Analysen auf Datenbestände,
die aufgrund ihrer Komplexität nicht mehr          marktforschung.dossier: Wie sind Sie zu
mit einfachen Werkzeugen wie Microsoft             Ihrer jetzigen Tätigkeit gekommen?
Excel zu handhaben sind. Des Weiteren              Christian Liguda: Nach meiner Arbeit am
entwerfe ich Algorithmen für unsere                Deutschen Forschungsinstitut für
eigenen Softwareprodukte, welche z.B. auf          künstliche Intelligenz als
Basis von mathematischen Analysen oder             wissenschaftlicher Mitarbeiter, habe ich
maschinellen Lernverfahren unsere                  gezielt nach Stellen in der Industrie
Kampagnen optimal aussteuern oder                  gesucht, die einen mathematischen
Uplift-Potenziale für einzelne Kampagnen           Hintergrund erfordern.
identifizieren.                                    Der Beruf des Data Scientist bietet für mich
                                                   dabei die ideale Möglichkeit, meinen
marktforschung.dossier: Würden Sie der             Hintergrund der Mathematik und
Aussage „Data Scientists sind im Zeitalter         künstlichen Intelligenz in Projekten mit
von Big Data unverzichtbar!“ zustimmen?            praktischer Relevanz umzusetzen.

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marktforschung.dossier: Was sind aus               der Datenaufzeichnung noch nicht bekannt
Ihrer Sicht typische Einsatzbereiche für           waren und rückblickend Hypothesen
Data Scientists?                                   beispielsweise über das Benutzerverhalten
Christian Liguda: Data Scientists sind für         aufstellen. Somit blickt man auf den
jeden Bereich interessant, in welchem              Datenbestand abwechselnd als „Primär-“
große Datenmengen zur Verfügung stehen.            oder „Sekundärforscher“.
Dies sind zum einen Unternehmen im
Online Segment wie Social Networks,                marktforschung.dossier: Könnten Sie sich
Online Games oder Online Marketing, da             vorstellen, dass durch die fortschreitende
hier naturgemäß große und vielfältige              Digitalisierung und damit der Omnipräsenz
Datenmengen anfallen, aus welchen sich             verfügbarer Daten Teilbereiche der
Optimierungspotenziale ableiten lassen.            „klassischen“ Marktforschung obsolet
Ferner arbeiten viele Data Scientists auch         werden?
in klassischen Unternehmen,                        Christian Liguda: Nach meiner
beispielsweise im Gesundheitswesen oder            Einschätzung wird Big Data auch großen
bei Kreditinstituten.                              Einfluss auf die Marktforschung haben, da
                                                   sich viele interessante Fragen mit Hilfe der
marktforschung.dossier: Wie viel                   zur Verfügung stehenden Daten
„Marktforschung“ steckt in Ihrem Job?              beantworten lassen. Hinzu kommen
Christian Liguda: Für meine Position               Fragen, die sich überhaupt erst durch die
spielen die üblichen Fragen der                    Auswertung sehr großer und vielfältiger
Marktforschung eine eher untergeordnete            Datenmengen beantworten lassen. Trotz
Rolle. Eine wichtige Ausnahme bildet hier          dieser Veränderungen werden auch in
jedoch die Customer Journey Analyse, für           Zukunft nicht für jede Frage, die mit Hilfe
welche wir mathematische Modelle                   quantitativer Methoden beantwortet
entwickeln, die das Benutzerverhalten im           werden soll, entsprechende Daten zur
Onlinemarketing beschreiben und die                Verfügung stehen. Für Fragen, die mit Hilfe
einzelnen Onlinekanäle nach                        qualitativer Datenerhebung beantwortet
verschiedensten Kriterien bewerten, um             werden sollen, sehe ich eine Beantwortung
beispielweise die rentabelste Möglichkeit          durch Big Data als noch problematischer.
der Neukundenansprache zu identifizieren.
                                                   marktforschung.dossier: Wie bewerten Sie
marktforschung.dossier: Würden Sie sich            das viel diskutierte Thema „Datenschutz“?
als eine Art „Sekundärforscher“ verstehen?         Christian Liguda: Datenschutz ist ein sehr
Christian Liguda: Als Data Scientist kann          wichtiges Thema, welches zu selten neutral
man mit sehr unterschiedlichen                     und sachlich diskutiert wird. In einigen
Fragestellungen an die zur Verfügung               Bereichen bedarf es sicher mehr
stehenden Daten treten. Auf der einen              Aufklärung, damit jeder die Konsequenzen
Seite stehen Fragen, die eine Optimierung          seiner Datenfreigabe besser abschätzen
bestehender Kampagnen betreffen und                kann. Auf der anderen Seite kann eine
somit Auswertungen der Daten für ihren             datenschutzkonforme Nutzung der Daten
ursprünglichen Zweck darstellen. Auf der           von Internetusern und Kunden sowohl für
anderen Seite stehen Fragen, die zu Beginn         Unternehmen als auch Kunden einen
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wirklichen Mehrwert liefern, welcher in der
öffentlichen Diskussion zum Thema
Datenschutz oft zu gering beachtet wird.

marktforschung.dossier: Welche Rolle
spielen rechtliche Aspekte bei Ihrer
täglichen Arbeit?
Christian Liguda: Die rechtlichen Aspekte
werden insbesondere in
Kundengesprächen deutlich, wenn
Datenanalysen auf externen Daten
durchgeführt werden sollen. In solchen
Fällen muss man sich Gedanken über den
rechtlichen Rahmen der Datenfreigabe
machen. Hierfür werden unter
anderem IP-Adressen maskiert und
Benutzer nur durch IDs markiert, so dass
keine Verbindung zu einem konkreten
Internetuser hergestellt werden kann.

marktforschung.dossier: Herr Liguda,
herzlichen Dank für dieses Gespräch!

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Die Sekundärforschung: Alles andere
als ein Stiefkind
Ein vorsätzlich subjektives Plädoyer für einen verkannten Traumjob. Vom Prekariat der
Marktforschung zum Hero of Knowledge Management?

Von Jörg Kerler, Consultant mit Schwerpunkt Sekundärforschung und
Wissensmanagement, ORBIT Gesellschaft für Applikations- und Informationssysteme mbH

Es betrübt mich doch sehr, für wie                 die sich „Knowledge Center“ oder „Market
langweilig und unattraktiv viele                   Intelligence Center“ nannten, als zunächst
Menschen – gerade auch solche aus                  einziger Sekundärforscher in die friedliche
dem Primärforschungskosmos – den Beruf             Idylle eines weitläufigen Reservats für
des Sekundärforschers erachten, und                betriebliche Primärforschung eindrang,
welche negativen Assoziationen sie mit             wurde ich von einem eigentlich durchaus
dem vermeintlichen Aschenputtel der                liebenswerten Kollegen mit einem noch
Marktforschung verbinden. Offenbar                 weitaus vernichtenderen Vorurteil
scheint hier immer noch ein Bild aus               konfrontiert:
grauen Vor-Internet-Zeiten zu dominieren,
das Herr Lübbert eingangs seines                   „In meinen dunkelsten Stunden stelle ich
Editorials zum Themendossier                       mir den Sekundärforscher entweder wie
Sekundärforschung sehr treffend                    eine Mischung aus indischem Asketen,
beschreibt:                                        Buchhalter und Steuerfachgehilfe vor oder
                                                   wie einen ewigen Studenten mit Hang zu
"Als ich den Begriff "Sekundärforschung"           missbräuchlicher Nutzung von
zum ersten Mal hörte, fühlte ich mich              Genussmitteln aller Art, gerne auch leicht
unweigerlich an endlose Regale in                  adipös, bestimmt aber mit deutlicher
tageslichtfernen Bibliotheks-                      Neigung zur Fremdenscheue. Kreativität
Kellergewölben erinnert, in denen sich             gehört jedenfalls nicht zur klischeehaften
kaum jemand gern aufhält. An                       Vorstellung.“
eingestaubte Bücher und aufwändige
Recherche. An grauhaarige Aufpasser, die           Damit konnte ich mich nun so gar nicht
bei jedem Geräusch drohend den Finger              identifizieren! Da fühlte ich mich
heben.“                                            mindestens so verletzt wie ein
                                                   neuzeitlicher Primärforscher, den man als
Als ich vor einiger Zeit nach vielen Jahren        „Erbsenzähler“ tituliert hat. Mir erschienen
des fröhlichen Recherchierens in völlig            als typische Vertreter des
primärforschungsfreien Paralleluniversen,          Sekundärforscherstandes die stets

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freundlichen und umtriebigen                       Wie ist das zu verstehen? Nun, der
Gutmenschen mit Helferlein-Syndrom, die            Sekundärforscher erhält in der Regel täglich
sich mit Hingabe auch den absurdesten              mehrere unterschiedliche Anfragen aus
Recherche-Anfragen widmen und noch                 verschiedenen Unternehmensbereichen
mehr die gewieften, extrem                         (im Gegensatz zum klassischen
kommunikativen Strippenzieher, die über            Primärforscher, der eher an wenigen,
umfangreiche berufliche Netzwerke                  längeren Projekten arbeitet). Dadurch ist er
verfügen, mit deren Hilfe sie fast immer           ständig mit neuen Themen konfrontiert,
irgendwie die nachgefragten Daten und              lernt eine Vielzahl von Kollegen und deren
Informationen beschaffen können. Ganz zu           Wissensbedarfe kennen und kann diese als
schweigen von den Koryphäen und                    „Enabler“ untereinander vernetzen. Er
schillernden Diven, die sich insbesondere          muss sich mit einer großen Quellen- und
auf dem Gebiet der                                 Meinungsvielfalt beschäftigen und kann
Sekundärforschungslieferanten (namentlich          sich ganz nebenbei eine beachtliche
in der Analystenszene) tummeln und das             Allgemeinbildung aneignen. Die häufigste
bunte Bild der Sekundärforschung                   Assoziation, die ich im Zusammenhang mit
abrunden.                                          dem modernen Sekundärforscher gehört
                                                   habe, ist die einer „Spinne im Netz“. Und
Obwohl in unserer Abteilung (in der ich            damit ist nicht das Spinnennetz in einer
mich übrigens sehr wohl fühle) die                 verstaubten Bibliotheksecke gemeint,
Primärforschung weiterhin die Hauptrolle           sondern eine Stelle, an der viele Fäden
spielt, hält sich mein Futterneid doch in          zusammenlaufen (ob nun in Form einer
sehr engen Grenzen. Gut, die schneidigen           „zentralen Auskunftei“ oder eines
Geheimagenten Ihrer innerbetrieblichen             strategischen Knowledge Hubs).
Majestäten genießen mehr Management
Attention, und sie haben auch öfter                Und hier ist auch genau der Punkt, wo der
Freigang, um sich in den Gemächern der             Sekundärforscher sich plötzlich gegenüber
Primärforschungsinstitute von – dem                dem Primärforscher gar nicht mehr
Vernehmen nach in dieser Branche sehr              „sekundär“ fühlt. Der Primärforscher mag
häufig anzutreffenden – Bondgirl-                  zwar näher am Forschungsgeschehen und
Lookalikes mit feinen Häppchen                     am Forschungsobjekt sitzen, dafür hat der
verwöhnen zu lassen. Und sie bekommen              (betriebliche) Sekundärforscher in der
zu Weihnachten die leckeren Lebkuchen              Regel eine viel größere Nähe zum
aus Nürnberg in schmucken Blechdosen               innerbetrieblichen Nachfragemarkt, ganz
und allerlei andere Präsentpakete von den          einfach dadurch, dass er mehr Anfragen
Instituten kredenzt. Bei den                       bearbeiten und aus einem breiteren
Sekundärforschungsanbietern reicht es              Quellenspektrum (und meist auch aus
meist nur für wenig nahrhafte Grußkarten.          einem breiteren Quellenwissen) schöpfen
Dafür wird der Sekundärforscher                    kann und daher für eine viel größere Zahl
anderweitig reich entlohnt: Mit sozialem           von Anfragen der richtige Ansprechpartner
Kapital und mit einem außergewöhnlich              ist. Wenn die Sekundärforscher halbwegs
spannenden, herausfordernden und                   gut aufgestellt sind, so sind sie also der
abwechslungsreichen Tätigkeitsfeld.                PRIMÄRE Ansprechpartner für

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unternehmensinterne Nachfrager nach               die oft untereinander relativ austauschbare
Daten und Informationen und die                   Leistungen anbieten, können sich durch
Primärforscher nur ein SEKUNDÄRER                 Integration von Sekundärforschung besser
Ansprechpartner, der von der                      als hochwertige Beratungsdienstleister
Sekundärforschung, also dem                       positionieren.
„Wissensaggregator“ (diesen Begriff ich von
Herrn Halemba entliehen) im Einzelfall            • Kenntnisse über Methoden, Prozesse und
hinzugezogen wird. In meinem beruflichen          Quellen für das Wissensmanagement, die
Umfeld schätze ich, dass mindestens 90%           dazu beitragen, die
der Anfragen bei der Sekundärforschung            Marktforschungsabteilung zum
landen. Übrigens kann ich auch von einem          unternehmensweiten „Knowledge Center“
Fall berichten, in dem in einem                   zu entwickeln – und das zu einem
Großunternehmen im B2B-Bereich die                Zeitpunkt, in dem das Thema Knowledge
Primärforschung von der                           Management in vielen Betrieben wieder
Sekundärforschung praktisch vollständig           auf der Agenda steht.
verdrängt wurde.
Aber soweit muss es ja nicht kommen. Die          • Kompetenzen auf dem Gebiet von
einstigen Schmuddelkinder der                     Software-Lösungen für Content
Marktforschung lassen sich nämlich auch           Management, Collaboration/Social
ganz hervorragend einspannen, um die              Business, Enterprise Search, Portals und
Primärforschung und damit die gesamte             Competitive Intelligence, welche helfen,
Marktforschungsabteilung viel relevanter,         das Wissen der Marktforschung effizient im
produktiver und präsenter zu machen.              Unternehmen zu verteilen (Primärforscher
Folgende Assets und Kompetenzen kann              beschäftigen sich tendenziell eher mit
die Sekundärforschung in diesem                   Statistik- und Befragungssoftware, welche
Zusammenhang in die Waagschale werfen:            nur für die eigenen Belange wirklich
                                                  wichtig ist).
• Wissen über Bedarfe und
Nachfragetrends und ggf. auch über                Und nebenbei bemerkt: Dass es in der
Fragestellungen, die mit                          Sekundärforschung auch nur annähernd so
Sekundärforschung nicht zu beantworten            ruhig zugehen könnte wie in einer
sind und die proaktiv in der                      Bibliothek, kann ich mir kaum vorstellen.
Primärforschung untergebracht werden              Der moderne Sekundärforscher ist ein
könnten.                                          Information Broker, der ständig im
                                                  Austausch mit den verschiedensten
• Quellenwissen und Netzwerke, welche –           externen und internen
mit den Primärforschern geteilt – diese zu        Informationslieferanten und den Anfragern
ganzheitlichen Marktforschern machen, die         steht. Primärforscher finden es nicht immer
sich dann als strategische Berater                prickelnd, mit diesen lärmenden
positionieren können, weil sie das gesamte        Dauertelefonierern ein Büro teilen zu
Spektrum an Quellen und Methoden                  müssen. Mich hat man deshalb in ein Büro
kennen; auch Primärforschungsinstitute,           mit den lautesten Vertretern der

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DIY-Forschung: Google, Repräsentativität und Relevanz - September 2014 Oktober 2014
Primärforschungszunft einquartiert, mit
denen die die schlimmsten Witze erzählen
und am lautesten darüber lachen...

Abschließend kann ich nur die
Marktforscher und die
Marktforschungsmedien dazu aufrufen,
dem „Mauerblümchen“ Sekundärforschung
mehr Beachtung zu schenken und ein
moderneres Bild dieses Berufs zu zeichnen,
der sich schon stark in Richtung Knowledge
Management entwickelt hat. Nach meiner
Einschätzung (und persönlichen Erfahrung)
ist die Sekundärforschung der Bereich im
Unternehmen, der die besten
Voraussetzungen hat, ein internes
Wissensmanagement zum Erfolg zu führen.
Ganz einfach deshalb, weil dort, wie oben
beschrieben, sehr viele Ströme externen
und internen Wissens zusammentreffen
und erschlossen bzw. aufgeschlossen
werden. Dafür sind aber vor allem zwei
Dinge erforderlich:

• Das Management der (zumeist von
Primärforschung dominierten)
betrieblichen Marktforschungsabteilungen
muss bereit sein, sich das Thema
Knowledge Management auf die Fahnen zu
schreiben und die dafür erforderlichen
Investitionen in Sekundärforschungsinhalte
und -personal zu tätigen.

• Das Berufsbild und die Position des
Sekundärforschers müssen attraktiv sein,
um motivierte und qualifizierte Menschen
für die herausfordernden Aufgaben des von
der Marktforschung getriebenen
unternehmensweiten
Wissensmanagements zu gewinnen und
binden zu können.

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Interview with Stephen Williamson
(Euromonitor): “Secondary research is
integral to what we do"
                    Stephen Williamson is the International Research Development
                    Manager for Euromonitor International, one of the major providers of
                    secondary research based market data for consumer markets.

marktforschung.dossier: Euromonitor has            now no longer have a library as we now
been doing business in the market for              subscribe and access the vast majority of
around 40 years now. What have been the            magazines online.
milestones? What changes in the past - or
current - have shaped the company the              marktforschung.dossier: You offer a very
most?                                              wide range of market data and market
Stephen Williamson: The key milestone in           analysis reports – you thereby serve
our history was the emergence of the               absolute niche markets and regions. How
internet and the launch of our online              are you able to maintain and ensure the
products in the late 90's. Before this period      high quality of your data regarding the fact
our business was based on the sale of              that also the quantity of Euromonitor
market research reports in hard copy but           researches is quite big?
the Internet enabled us to distribute our          Stephen Williamson: We apply the same
content to our client base through online          checking processes to all of our research
products such as GMID and IMIS. These              regardless of market or country. That is
products then enabled us to provide                how we maintain a high level of quality
market research with a global perspective          across the board. Whether we are
for our clients.                                   researching a market in the USA or
                                                   Vietnam, we will apply the same checks
marktforschung.dossier: How has the                and quality control regardless of the
acquisition of secondary data changed in           country. It is also worth mentioning that we
the age of digitalization, especially              will make the necessary planning and
regarding your personal impression?                investment for our research teams when
Stephen Williamson: Before the                     expanding our research coverage. So if a
digitalization of information, we used to          decision is made to expand our country
have a library which contained all of our          coverage or to launch a brand new
magazine subscriptions in hard copy. We            industry, an investment in our resources

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will be made in order to make allowances           industries are lacking in available content,
for the increase in volume of content.             we will compensate by gathering
                                                   information through interviews and surveys
marktforschung.dossier: In your opinion,           of manufacturers who sit within the
what kind of technical qualification is            consumer space. This scenario also applies
necessary to be a good secondary                   regionally as well. Some countries have
researcher?                                        more information available than others and
Stephen Williamson: We require our                 so again, we have to compensate for this
researchers to have a good understanding           lack by acquiring information through
and background in numbers e.g.                     interviews.
economics, market research. It is also
important that our analysts possess                marktforschung.dossier: Secondary
curiosity about consumer markets and are           research is often described as the
enthusiastic about understanding them.             "stepchild" of market research – do you
                                                   have an opinion on that particular
marktforschung.dossier: Can you think of           expression and are you able to relate to it?
any branch that has a higher demand on             Stephen Williamson: This is certainly not
secondary research than others? How                our stance towards secondary research.
about regional differences?                        Secondary research is integral to what we
Stephen Williamson: We find that there is          do and our research approach means that
more information available for some                it is a key component – alongside the trade
industries compared to others. Some                survey – in the production of our data and
industries such as consumer foodservice or         analysis. So we would not view secondary
consumer finance are heavily regulated by          research as a "stepchild", but rather as
government and so this results in an               something much closer.
abundance of secondary research being
available. Secondary research is important         marktforschung.dossier: Thank you very
for all of our industries and so where some        much, Mr. Williamson!

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Fast zwei Drittel der Unternehmen erwarten
Zunahme der Desk Research-Projekte
                         Von Steffi Stoll, Inhaberin Stoll-Support und Uwe Matzner,
                         Geschäftsführer research tools

Desk Research ist nicht nur ein Stiefkind          Unternehmensentwicklung, Marketing,
der Marktforschung. Desk Research ist              Unternehmenskommunikation oder gar
auch ein unbeliebter Zeitfresser, der dem          Vertrieb beziehungsweise Controlling.
nach Wahrheit Suchenden häufig                     Verwender und Nutznießer der
Kopfzerbrechen bereitet. Und Big Data              aufbereiteten Daten sind neben
macht die Sekundärforschung nicht                  Unternehmensentwicklung das Marketing
einfacher – im Gegenteil. Praktiker sehen          und die Geschäftsleitung.
hier eine der größten Herausforderungen
der Desk Research: die diffizile Bewältigung       Interne und externe Beschaffung des
und Bewertung der immer größer und                 Datenmaterials
unüberschaubarer werdenden                         Mittel und Handwerkszeug der Desk
Datenmenge. Dennoch gehen fast zwei                Research sind die Beschaffung,
Drittel der befragten Unternehmen davon            Verarbeitung und Interpretation von
aus, dass in den kommenden ein bis zwei            bereits existierendem Markt-
Jahren mehr Sekundärforschungsprojekte             Datenmaterial. Hierbei bieten sich
als zuletzt durchgeführt werden.                   unternehmensintern primär frühere
                                                   Erhebungen des Unternehmens, interne
Positionierung der Sekundärforschung in            Publikationen mit Marktinformationen und
den Unternehmen                                    Mitarbeiterumfragen sowie
Unternehmensentwicklung oder                       Außendienstberichte an. Als externe
Geschäftsleitung geben in den meisten              Informationsquellen werden häufig
Fällen den Anstoß zur Sekundärforschung,           Veröffentlichungen von Wettbewerbern,
zuweilen sind es auch die Abteilungen              Marktforschungsinstituten,
Marktforschung, Marketing oder                     Wirtschaftsverbänden und
Produktentwicklung. Üblicherweise obliegt          wissenschaftlichen Instituten
die Beschaffung und Aufbereitung der               herangezogen. Zusätzlich ist die
Daten den Marktforschern des                       Verwendung amtlicher Statistiken und
Unternehmens. Neben der Marktforschung             Fachliteratur beliebt. Dem Portal Statista
recherchieren auch die Abteilungen                 kommt hier eine wichtige Rolle zu.

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Dienstleister der Sekundärforschung                Sekundärforschung hauptsächlich als
68 Prozent der befragten betrieblichen             Vorrecherche zu einem Angebot oder
Marktforscher geben an, dass sie bei Desk          Auftrag. Als Informationsquellen werden
Research-Projekten mit einem Dienstleister         primär das Internet und entsprechende
zusammenarbeiten. Bevorzugt wenden sich            Fachliteratur und Fachzeitschriften bemüht.
die Unternehmen dabei an                           Auffällig ist, dass Desk Research-Anbieter
Marktforschungsinstitute, auch Desk-               Internetquellen und Fachliteratur mehr
Research-Spezialisten und statistische             Gewicht beimessen als es die
Ämter werden zur Zusammenarbeit                    nachfragenden Unternehmen tun. Knapp
angefragt. Unternehmensberatungen oder             die Hälfte erwartet eine Steigerung der
Werbeagenturen spielen hier eine etwas             Projektzahl, die übrigen Befragten erwarten
untergeordnete Rolle. Von den                      keine Veränderung.
Unternehmen, die sich zur
Zusammenarbeit mit einem Dienstleister             Entwicklung und Ausblick der Desk
entschieden haben, haben 60 Prozent                Research
mindestens zwei verschiedene Anbieter.             Die Unternehmen stellen eine Zunahme
Auffällig ist, dass tendenziell                    der Desk Research-Aktivitäten fest. 43
Industriegüterhersteller ohne externen             Prozent der Unternehmen bauten im
Dienstleister auskommen. Die zahlenmäßig           vergangenen Jahr ihre Aktivitäten aus, 40
kleinere Gruppe der Konsumgüterhersteller          Prozent hielten das Aktivitätsniveau. Der
hingegen beauftragt weit                           Ausblick in die Zukunft zeigt, dass 64
überdurchschnittlich viele Desk Research-          Prozent der Unternehmen von einer
Projekte.                                          Steigerung der Desk Research-
                                                   Untersuchungen ausgehen.
Konkrete Zielsetzung der Desk Research-            Interessanterweise sehen Marktforscher in
Projekte                                           Instituten die zukünftige Entwicklung der
Ein Desk Research-Projekt wird gerne mit           Desk Research nicht so optimistisch wie die
konkretem Anlass durchgeführt.                     Unternehmen selbst. Nicht einmal die
Informationen über ein bestimmtes                  Hälfte der Befragten erwartet eine
Produkt, die Marktpotenzialermittlung              Steigerung.
oder ein Screening lokaler Märkte werden
gesucht. Bisweilen ist auch eine                   Aktuelle Trends und Herausforderungen
übergeordnete allgemeine Beobachtung               sehen Unternehmen und
und Analyse der Wettbewerber die                   Marktforschungsdienstleister besonders in
Zielsetzung der Sekundärforschung. Etwa            der Bewältigung und Bewertung des
ein Viertel der Projekte sind turnusmäßige         Information Overload. Konkret geben
Projekte, die in regelmäßigen Abständen            sowohl die Unternehmen, aber auch die
durchgeführt werden. Neun Prozent der              Institute auf Anbieterseite an, dass das
Projekte sind kontinuierlich angelegt. Das         Herausfiltern und die Unterscheidung
bedeutet, dass über die Hälfte der Desk            seriöser und unseriöser Quellen aus dem
Research-Projekte ad-hoc-Projekte waren.           vorhandenen Datenmaterial eine
                                                   Herausforderung darstellt. Die Extraktion
Desk Research aus Anbietersicht                    und Aufbereitung valider Informationen
Die Marktforscher in Instituten betreiben          wird somit zur Schlüsselqualifikation.

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Über die Studie:
Die gemeinschaftlich von der Fachzeitschrift
planung & analyse und der
Marktforschungsberatungsgesellschaft
research tools herausgegebene „Studie
Desk Research in Deutschland“ untersucht
auf 112 Seiten Form, Inhalt und Verfahren
der Sekundärforschung in Deutschland aus
Sicht von Großunternehmen und
Marktforschungsinstituten und bildet damit
beide Seiten des Marktes ab.

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Wie die Sekundärmarktforschung zum
„Stiefkind“ geworden ist
                    Von Christian Halemba, selbstständiger Marktforscher und Interim
                    Manager

Bereits im Begriff „sekundär“ liegt die            Hinzu kamen „menschliche“ Faktoren: Das
Anmutung der Zweitklassigkeit: Nicht               Standing betrieblicher Mafo-Abteilungen in
genau auf eine Fragestellung                       der Szene korrelierte mit deren Budgets.
zugeschnitten, nicht aktuell, nicht exklusiv,      Die großen Budgethalter wurden von den
der Primärforschung unterlegen, die                Instituten hofiert und Primärforschung
scheinbar als Königsdisziplin daherkommt.          beflügelt. Mit Sekundärmarktforschung
Früher war es sehr mühselig, an                    konnte man keine Lorbeeren ernten, weder
Sekundärdaten zu gelangen: Die meisten             im Kollegenkreis noch bei den internen
ordentlichen Studien waren im Eigentum             Kunden.
der Auftraggeber und nicht veröffentlicht.
Die Daten der amtlichen Statistik waren            Diese Situation hat viele Jahre lang zum
und sind bis heute nicht immer hilfreich:          Bild des „Stiefkindes“ beigetragen.
Veraltet, nach Kriterien untergliedert, die
dem Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft          Was heute anders ist
nicht gerecht werden. Bestenfalls Daten            Im letzten Jahrzehnt haben sich mehrere
aus der Bevölkerungsstatistik lassen sich          Dinge deutlich verändert:
zur Bestimmungen für Grundgesamtheiten
und als Eckdaten für Gewichtungen                  „We live in an era where 90% of all data
verwenden.                                         that has ever existed has been created in
                                                   the past two years. This explosion in the
Publikationen in der Presse waren/sind             volume, variety and velocity of data
nicht wirklich verlässlich, denn viele             certainly means we indeed live in an
Journalisten und Redakteure stehen mit             increasingly quantified world “(Research
Zahlen schon seit jeher auf Kriegsfuß.             World, Dez. 2014).
So waren Erkenntnisse auf Basis von
Sekundärquellen oberflächlich, bereits             Die Menge an Daten ist explosionsartig

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angestiegen. So werden Datenmengen                 dar, eröffnen aber auch neue Fragen.
inzwischen in „Zettabyte“ = 1 Milliarde            Nach der Definition ist
Terrabyte gemessen.                                Sekundärmarktforschung „die Aufbereitung
                                                   und Auswertung bereits vorhandenen
Außerdem setzt sich die Einsicht durch, in-        Datenmaterials, das nicht für den
house Daten gleichberechtigt in die Analyse        konkreten Untersuchungszweck erhoben
einzubeziehen:                                     worden ist“ (Gablers Wirtschaftslexikon).
                                                   Aber wie soll man die Quellen einordnen,
• zum einen Data Warehouse Analysen, um            deren Daten quasi „automatisch“ anfallen
aus vorhandenen Kundendaten die                    ohne sich um einen Untersuchungszweck
Informationssubstanz zu nutzen. In den             zu scheren?
umfangreichen Datenpools der
Unternehmen schlummern viele Daten, die            • Sind Verhaltensdaten aus der digitalen
über das Verhalten der Kunden Auskunft             Welt Primär- oder Sekundärdaten?
geben: Wo gab es im Rahmen der
Customer Journey Kontakte? Wie sind sie            • Sind Kommentare aus Foren/Blogs
abgelaufen? Wo hat man sich informiert,            Primär- oder Sekundärdaten?
wo gekauft, wo beschwert und warum?
                                                   • Sind Trouble Tickets aus dem Data
• zum anderen Crowd Sourcing, um das               Warehouse Primär- oder Sekundärdaten?
Wissen vieler Fachleute zu nutzen. In den
Unternehmen gibt es viele Experten, die            • Ist das Wissen in den Köpfen vieler
heterogen zusammengesetzt und ergänzt              Fachleute als Primär- oder Sekundärdaten
um externe (Lieferanten, Dienstleiter, etc.)       einzuordnen?
ein brauchbares Bild über künftige
Entwicklungen (Launches, Marktanteile,             Chancen für die Marktforschung
Absatz, etc.) abgeben können. Früher               Man sieht an diesen Beispielen, dass das
nannte man das Expertengespräche oder              alte Schema (primär vs. sekundär) nicht
Delphi Methode. Ergänzt durch Software             mehr zeitgemäß ist. Deshalb sollte man
Algorithmen erreichen solche Prognosen             sich von dieser Trennung verabschieden.
verblüffende Ergebnisse.                           Wichtiger ist, die Vielzahl an
                                                   Einzelinformationen aus den
Seit Google herrschen zudem paradiesische          unterschiedlichsten Quellen zu sichten, zu
Zeiten. Die Auffindbarkeit von                     selektieren, zu analysieren und zu
Quellen/Daten/Studien/Analysen ist radikal         verdichten.
einfacher geworden. Der mühselige Weg zu
Bibliotheken, das Ackern durch                     Hierin liegt eine große Chance für die
Branchenreports hat ein Ende.                      Marktforscher, denn sie verfügen über
Die vielen zusätzlichen Möglichkeiten,             Erfahrung und Kriterien zur Bewertung der
Daten in ein Marktforschungsprojekt                Aussagefähigkeit der einzelnen Quellen
einzubeziehen stellen zunächst                     und deren Inhalte sowie über die Fähigkeit
willkommene Alternativen/Ergänzungen               zur Analyse und Kondensierung.

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Die Existenz von Quellen und Daten sollten         Experten fragen und nicht die Zielgruppe!
wir nutzen und immer offen sein für                Unsere Mafo Methoden haben sich
weitere Methoden, die zur                          bewährt, wenn es um die Beschreibung
Wissensaggregation beitragen.                      und Erklärung der Vergangenheit und
Drei Beispiele:                                    Gegenwart geht.
                                                   Aber immer wenn es um die Einschätzung
Hinter die Motivkulissen schauen!                  der Zukunft geht (Erfolgschancen neuer
Ein wirklicher Erkenntniszugewinn (wie             Produkte, künftige Marktanteile, etc.),
Menschen und Märkte „ticken“) gelingt              haben heute erhobene Befragungsdaten
kaum im Rahmen standardisierter und                von der Zielgruppe wenig prognostische
geschlossener Frageformen, sondern ist             Relevanz.
nur durch überzeugende qualitative
Forschung möglich.                                 Wer sich mal die Mühe macht, solche
                                                   Primärerhebungen 2-3 Jahre später noch
Zusehen und nicht „nur“ befragen!                  einmal anzuschauen und mit der
Ethnographische Forschung ist lange Zeit           eingetretenen Marktrealität vergleicht,
etwas in Vergessenheit geraten, sollte             wird feststellen, dass die Prognosen (auf
wieder verstärkt eingesetzt werden. Das            Basis von Subscriber Intention, Interest,
würde auch den Erkenntnissen der                   etc.) oft daneben lagen. Man sollte sich
Neurowissenschaften entsprechen, dass              also öffnen für alternative
Konsumenten viele Entscheidungen                   Quellen/Analysen, um künftige
irrational treffen, Befragungen aber die           Entwicklungen besser einzuschätzen, z.B
Ratio ansprechen.                                  Crowd Sourcing.

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Sekundärforschung / Desk Research: Vom
Stiefkind zum Hoffnungsträger der
Marktforschung?
                    Von Sebastian Gensch, Consultant bei infas 360

In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts        privatwirtschaftlichen Unternehmen
entwickelte sich die privatwirtschaftliche         ebenso voran wie in der amtlichen Statistik.
Marktforschung aus der Sozialforschung             Angestoßen durch die INSPIRE-Richtlinie
heraus. Beide Disziplinen teilen seit dem die      hat sich bei Letzterer einiges geändert,
Vorliebe für Befragungen, um                       besonders hervorzuheben wäre hier die
Informationen über das jeweilige                   Novellierung des BstatG am 01.08.2013.
Untersuchungsobjekt zu erheben. Doch das           Seitdem füllen sich die Open-Data Portale
Leben dieser Untersuchungsobjekte und              wie etwa GENESIS-Online oder GovData
auch deren Umwelt haben sich mittlerweile          stetig mit Content. Doch auch hier sind
dramatisch verändert.                              noch einige Hürden zu nehmen, wie ein
                                                   Blick auf die Angebote der
In Zeiten von „Big Data“ existieren derart         unterschiedlichen statistischen
viele Daten, dass wir derer technologisch,         Landesämter zeigt.
organisatorisch und inhaltlich kaum
gewachsen sind. Aber was bedeutet das für          Vergleicht man diese, wird schnell klar, dass
die Primärforschung und die bislang eher           der Föderalismus einer einheitlichen
wenig beachtete Sekundärforschung?                 Datenstruktur abträglich ist, was die
Brauchen wir übermorgen überhaupt noch             Beantwortung länderübergreifender
die klassische Befragung?                          Fragestellungen behindert. Dass dennoch
                                                   basierend auf diesen Daten herausragend
Neue, frei verfügbare Daten mit hoher              wissenschaftlich gearbeitet werden kann,
Qualität                                           beweisen die seit 1999 mit dem Gerhard-
Der Bestand an verfügbaren Daten wächst            Fürst-Preis ausgezeichneten Master- bzw.
rasant. Die Digitalisierung schreitet in           Bachelorarbeiten und Dissertationen.

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„Big Data“ – Freund oder Feind?                    ausgerichtet. Die Wissens- und
Die Marktforschung steht vor einem                 Erkenntnisgenerierung aus dem
gravierenden Paradigmenwechsel. Denn               vorhandenen „Big Data“-Datenpool steht
die Grundleistung jedes Projektes für den          somit in direkter Konkurrenz zu den
Kunden bleibt die effiziente                       etablierten Wertschöpfungsmodellen der
Auftragserfüllung. In Zeiten von Big Data          Institute. Themen wie Data-Mining oder
bedeutet dies jedoch, zu prüfen ob die zur         Data-Warehousing gehören für viele
Beantwortung der Fragestellung                     Anbieter noch nicht zum Tagesgeschäft. So
notwendigen Informationen nicht irgendwo           wurde in den letzten Jahren leichtfertig und
im unerschöpflichen frei zugänglichen              wenig differenziert ein nicht unerheblicher
Datenpool bereits existieren. Somit gilt es        Teil der Sekundärdaten mit dem Ruch der
in einer Voruntersuchung zuerst einmal             Unseriösität, Unbrauchbarkeit und
sowohl die Bestandsdaten des                       Unglaubwürdigkeit gebrandmarkt. Und das,
Auftraggebers, aber vor allem den                  obwohl solche Daten längst
vorhandenen Datenmarkt nach bereits                datenschutzkonform zur Klärung von
existierenden Informationen zu screenen.           speziellen Fragestellungen hätten
Allein die sozialen Medien sind ein                eingesetzt werden können.
unerschöpflicher Quell an hoch aktuellen
Informationen.                                     Sich von dieser Position zu verabschieden
                                                   und den Erkenntnisreichtum zu
Und in unendlich vielen Online-                    akzeptieren, der aus „Big Data“ generierbar
Verzeichnissen und -Portalen lassen sich           ist, erscheint manchem undenkbar und ist
weitere Daten und Informationen finden.            doch in Zukunft unverzichtbar.
Zunehmend werden verfügbare Daten von
Spezialisten gesammelt, aufbereitet und            Die neue Marktforschung
kostengünstig angeboten. Erst wenn der             In Zukunft wird die Sekundärforschung aus
gesamte Datenmarkt gescannt ist, stellt            dem Schatten der Primärforschung treten
sich die Frage, ob die klassische                  und somit die Marktforschung verändern.
Primärdatenerhebung etwa durch                     Das Wissens über Sekundärdaten wird in
Befragungen im konkreten Einzelfall                den Fokus gerückt:
überhaupt noch erforderlich ist.
Selbstredend birgt „Big Data“ auch Risiken,        • Märkte (Wo gibt es was, zu welchem
welche jedoch von entsprechend                     Thema?),
qualifizierten Datenprofis erkannt und             • Quellen (Woher kommen diese Daten?),
ausgeglichen werden können. Der „Big               • Verifizierung (Sind die Daten valide und
Data“-Datenpool bietet heute allein                aktuell?),
aufgrund der schieren Menge und                    • Wissensgenerierung (Wie lassen sich
Interaktivität enormes Potential.                  bestehende Daten integrieren und
                                                   kombinieren, um neue Erkenntnisse zu
Die akuten Probleme der Marktforschung             generieren?),
Das Geschäftsmodell der meisten                    • Dateneinkauf und Lizenzthemen (Welche
Marktforschungsanbieter ist bis heute              Rahmenbedingungen sind zu beachten?
hauptsächlich auf Primärerhebungen                 Welche Lizenz wird benötigt?),

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• Datenschutzkonformität (Welche                   Beantwortung vieler Anforderungen von
Sekundärdaten darf ich nutzen? Wie muss            Unternehmen allein durchaus ausreichend
ich Daten erheben? Unter welchen                   sein. Auch diese Einschätzung kann und
Bedingungen darf ich sie auswerten und             muss von Marktforschern künftig erwartet
die Ergebnisse verwenden?),                        werden können – auch wenn dies zu Lasten
• Operationalisierbarkeit von Wissen               der etablierten Primärforschung geht.
(Welche Strategie, welche Aktionen für             Auch um die Ergebnisse durchgeführter
Vertrieb und Marketing lassen sich                 Primärforschungsaufträge – die immer nur
ableiten?),                                        einen kleinen Ausschnitt aus der
• Primärerhebungen auf Basis akribischer           Gesamtheit zeigen können – zu verifizieren
Sekundärforschung (Welche Fragestellung            und zu objektivieren, bietet sich der
ist jetzt noch nicht beantwortet? Welche           Abgleich mit der aggregierten vorhandenen
neuen Fragestellungen ergeben sich aus             Unternehmens- und Sekundärdaten-Vielfalt
dem Unternehmens- und                              an. Nur so kann das Befragungsergebnis
Sekundärdatenstudium? Wo muss mittels              optimal eingeschätzt werden.
Befragungen präzisiert werden?).
                                                   Fazit
Mit zunehmender Datenverfügbarkeit und             Die Primärmarktforschung muss das
der viralen Interaktivität der heutigen            bisherige Stiefkind der Sekundärforschung
digitalen Medien zeigt sich, wie heterogen         als Chance und Bereicherung begreifen. Die
und extrem individuell Menschen leben.             Sekundärforschung, das Desktop-Research,
Kundenzufriedenheitsbefragungen,                   ist einer der kommenden Megatrends in
Sensorikstudien, Designstudien, Storetests         der Marktforschung. Wenn sich die
usw. sind auch zukünftig State of the Art.         Marktforschung auf die klassischen
Aber Achtung, auch hier sind interaktive           Erhebungsinstrumente zurückzieht, werden
digitale Trackingsysteme und                       naturgemäß andere Anbieter diese Position
Anwendungen wie Shopkicks bereits auf              besetzen.
dem Vormarsch, die exakt messen, wie
lange ein Kunde im Shop und dort an                Am Ende ist immer im allerersten Sinne des
welcher Auslage verweilt und was er                Auftraggebers zu handeln, nämlich eine
letztendlich kauft. Und auch wenn soziale          wirtschaftliche und effiziente Lösung für
Medien in der Regel nur die Spitzen von            die bestehenden Fragestellungen zu finden.
Meinungen widergeben, so lässt sich                Und natürlich muss der Auftraggeber diese
daraus doch sehr kurzfristig und nahezu            Leistung anerkennen und bezahlen. Auch
„live“ die Stimmung in der Zielgruppe in           das wird ein Lernprozess sein.
Bezug auf bestimmte Produkte,
Dienstleistungen oder Aktivitäten ablesen
und bei weiteren Maßnahmen
berücksichtigen.

Gemeinsam mit den beim Auftraggeber
vorhandenen Kunden- und
Interessentendaten können sie zur

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Sekundärforschung im digitalen Zeitalter:
Stark im Methodenmix – Interview mit
Dr. Sabine Graumann
                       Interview mit Dr. Sabine Graumann, Senior Director bei TNS Infratest
                       Business Intelligence in München. Sie hat den Bereich
                       Sekundärforschung bei TNS aufgebaut und als Beratungseinheit im
                       Marktforschungsprozess etabliert. Als langjährige Expertin hat sie
                       eine Vielzahl von nationalen oder internationalen Studien im
                       bewährten Methodenmix durchgeführt, u.a. für die Europäische
                       Kommission, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Enovos
                       S.A. Luxemburg, Bayer, Swiss Re, ETH-Bibliothek, Zürich.

marktforschung.dossier: Im Zeitalter von           Informationslücken werden im Bedarfsfall
Google könnte man davon ausgehen, dass             durch qualitative Forschung wie
sich Onliner die Informationen, die sie            Experteninterviews, Workshops,
benötigen, selbst aus dem Internet holen.          Gruppendiskussionen ergänzt. So können
Wozu braucht man dann eigentlich noch              fundierte Empfehlungen für das
Sekundärmarktforschung?                            unternehmerische Handeln und
Sabine Graumann: Das trifft so                     die Wachstumsstrategie des Unternehmens
verallgemeinernd nicht zu. Ich habe                abgeleitet werden.
jedenfalls noch keinen Kunden erlebt, der
ein hohes Investitionsrisiko und seine             marktforschung.dossier: Sie führen also
strategischen Entscheidungen über einen            die Datenbeschaffung in der
Suchmaschinendienst wie Google                     Sekundärforschung zu nahezu 100 Prozent
abgesichert hätte.                                 digital durch und ergänzen in einer
Sekundärmarktforschung dagegen können              mehrstufigen Wertschöpfungskette durch
Sie heute als „Fact-based Consulting“              qualitative Forschung? Können Sie uns
verstehen. Daten und Informationen                 hierfür ein Beispiel geben, wie wir uns das
werden aus frei verfügbaren Quellen im             vorzustellen haben?
Internet recherchiert und durch                    Sabine Graumann: Seit 15 Jahren erstellt
Recherchen in exklusiven Datenbeständen,           TNS Infratest für das Bundesministerium
kommerziellen Datenbanken oder weiteren            für Wirtschaft und Energie einen
Bezahlinhalten ergänzt. Anschließend wird          internationalen Benchmarkbericht zur
die Recherche daraufhin bewertet und               digitalen Wirtschaft. Wir vergleichen
analysiert, ob es die Kundenanfrage                Deutschland mit den weltweit führenden
hinlänglich beantwortet.

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14 Ländern. Zu 100 Prozent digital. Zu             Alternative zur althergebrachten
Beginn des Projekts haben wir Indikatoren          Primärforschung dar?
definiert, die die Branchen hinlänglich            Sabine Graumann: Ja. Wir sehen dies auch
beschreiben und wie sie kontinuierlich             an der weltweiten Entwicklung. 2013
beobachtet werden können. Mit Hilfe                wurden bereits elf Prozent der weltweiten
spezieller Analyseverfahren werden die aus         Marktforschungsumsätze laut ESOMAR mit
einer Vielzahl verschiedener Quellen               „secondary research & analysis“ generiert.
recherchierten Daten mittels Indikatoren           Ein Jahr zuvor waren es erst sechs Prozent.
vergleichbar gemacht und zu einem Index            Ein Trend, der durch die Digitalisierung der
aggregiert. So eliminieren wir einen der           Sekundärforschung in Kombination mit
Sekundärforschung nachgesagten                     weiteren Analysetechniken stark
wesentlichen Nachteil: die fehlende                vorangetrieben wird.
Vergleichbarkeit.
                                                   marktforschung.dossier: Bedeutet das
marktforschung.dossier: Das allein                 nicht für die Primärforscher und die
befähigt die Politik aber noch nicht,              Marktforschungsbranche, dass sich hier
weitreichende Entscheidungen zu treffen.           nachhaltige Veränderungen anbahnen?
Sabine Graumann: Richtig. Deshalb führen           Also die Primärmarktforschung zugunsten
wir ergänzend zur Sekundärforschung                anderer, digitaler Erhebungstechniken
Expertenworkshops durch. Im letzten                zurückgeht?
Workshop waren 70 Experten aus allen               Sabine Graumann: Ja, genau, das spiegeln
Branchen der Wirtschaft geladen, um zu             die Wachstumsraten von ESOMAR deutlich
den Auswirkungen der Digitalisierung aus           wider. Denken wir nur daran, dass dem
ihrer Sicht zu diskutieren. Als Ergebnis der       Sekundärforscher durch die Digitalisierung
Diskussion haben wir Maßnahmenbereiche             ganz andere Möglichkeiten und
abgeleitet, priorisiert und konkrete               Datenvolumina zur Verfügung stehen als
Handlungsempfehlungen für alle Akteure,            bisher. In Zeiten, in denen Daten kein
Politik, Wirtschaft und Wissenschaft               knappes Gut mehr, sondern vielmehr im
erarbeitet. Es wurden Barrieren und Treiber        Überfluss vorhanden sind, hat die
erkannt und diejenigen Handlungsbereiche           Sekundärforschung starken Aufwind
priorisiert, die für das weitere                   bekommen. Besonders schlagkräftig wird
Vorankommen der digitalen Wirtschaft in            die Sekundäranalyse, wenn wir sie im
Deutschland von besonderer Bedeutung               Methodenmix betreiben, also
sind. So können wir die Umsetzung der              insbesondere in der Verbindung mit
Digitalen Agenda der Bundesregierung               qualitativen Forschungsmethoden.
sowie den IT-Gipfelprozess unter der               Sekundär- und qualitative Forschung
Schirmherrschaft der Bundeskanzlerin               sollten wie die zwei Seiten ein- und
nachhaltig unterstützen.(1)                        derselben Medaille verbunden werden.
                                                   Durch diese Verbindung entstehen
marktforschung.dossier: Die in diese               wissenschaftlich fundierte Empfehlungen
Wertschöpfungskette eingebettete                   für das unternehmerische Handeln und die
Sekundärmarktforschung stellt also aus             Wachstumsstrategie der Unternehmen.
Ihrer Sicht eine überlegenswerte                   Ich möchte das Ganze mal so auf den Punkt

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bringen: „Auch wenn der Reißverschluss             wollen. Entweder möchten Sie das
manchmal noch hakt, das nahtlose                   Geschäft mit ihrer Stammkundschaft
Ineinandergreifen der verschiedenen                intensivieren. Oder sie wollen neue Kunden
Ansätze in der Marktforschung ist zu einem         gewinnen. Oder sie möchten in neue
wichtigen Qualitätsfaktor der Forschung            Märkte vordringen. Häufig wollen die
geworden“. Das gilt jedenfalls für TNS             Unternehmen auch die Produkte und
Infratest.                                         Dienstleistungen attraktiver für ihre
                                                   Kunden gestalten.
marktforschung.dossier: Welche
fachlichen Qualifikationen muss ein                marktforschung.dossier: Beziehen sich
Sekundärforscher aus Ihrer Sicht                   denn die Kundenanfragen ausschließlich
mitbringen?                                        auf Deutschland?
Sabine Graumann: Zu den Kompetenzen                Sabine Graumann: Nein, absolut nicht.
des Sekundärforschers gehören nationale            Viele unserer Kunden möchten in
und internationale Fach- und                       ausländische Märkte expandieren. Dafür
Branchenkompetenzen, um die Anfrage des            benötigen sie valide Daten über den
Kunden richtig einzuordnen und                     jeweiligen Zielmarkt. Insbesondere
Recherchiertes bewerten und verifizieren           Mittelständler, die oft in Nischen agieren,
zu können. Kenntnisse in der qualitativen          müssen zum Überleben ein
Forschung sind von Vorteil, um die                 entsprechendes Absatzvolumen
Behebung von Informationslücken                    erwirtschaften. Lassen Sie mich Ihnen
voranzutreiben. Klären, kondensieren,              hierzu kurz einige Beispiele nennen.
eskalieren und priorisieren durch
Consulting bei Anwendung grundlegender             Oft geht es darum, eine
Analysemethoden sind unverzichtbar. Ein            Marktpotenzialanalyse zu erstellen, um
Sekundärforscher beherrscht den Fünfklang          eine go/no-go Entscheidung abzusichern.
aus Recherche-, Branchen-, Bewertungs-             Ob es sich um die Einführung von
und Analysekompetenz sowie                         Bodenreinigungsmaschinen in Ungarn, von
Darstellungskompetenz.                             neuartigen Nahrungsmitteln im türkischen
                                                   Einzelhandel, das Nachfragepotenzial von
marktforschung.dossier: In Ihrem Beispiel          nigerianischen Nüssen in Europa, den
haben Sie sich auf einen öffentlichen              Export von russischen Fertighäusern nach
Auftraggeber bezogen. Mit welchen                  Baden-Württemberg oder um die
Fragestellungen kommen denn Kunden aus             Akzeptanz von Heim TV-Angeboten in
der Privatwirtschaft zu Ihnen?                     Hongkong handelt: stets generiert nur der
Sabine Graumann: Während wir bei                   Methodenmix aus Sekundär- und
öffentlichen Auftraggebern oft                     qualitativer Forschung belastbare
kontinuierliche Projekte über mehrere              Ergebnisse. Nur so können wir
Jahre durchführen, handelt es sich bei             sicherstellen, dass lokale Gegebenheiten,
Anfragen aus der Privatwirtschaft häufig           landestypische infrastrukturelle
um Ad-hoc-Projekte. Dabei sind es immer            Voraussetzungen und Gesetzgebungen,
wieder die gleichen Fragen, die die                Marktgepflogenheiten und
Unternehmen von uns beantwortet wissen             verbraucherspezifisches Verhalten im

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