Studie ECOSYSTEMS IN DER IMMOBILIENWIRTSCHAFT - Die Immobilienwirtschaft - ZIA

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Studie ECOSYSTEMS IN DER IMMOBILIENWIRTSCHAFT - Die Immobilienwirtschaft - ZIA
Die Immobilienwirtschaft

Studie
ECOSYSTEMS IN DER
IMMOBILIENWIRTSCHAFT
Studie ECOSYSTEMS IN DER IMMOBILIENWIRTSCHAFT - Die Immobilienwirtschaft - ZIA
INHALT

    VORWORT                                                   3

    EINLEITUNG                                                5
      Aktuelle Entwicklungen                                  5
      COVID-19 Disclaimer                                     5
      Aufbau der Studie                                       6
      Definition von Immobilienwirtschaftlichen Ecosystems    7
      Zielsetzung der Studie                                  7

    ECOSYSTEMS IN DER IMMOBILIENWIRTSCHAFT                    8
      Grundlagen (Hypothese 0)                                8
      Vision und Strategie                                   10
        Vision (Hypothese 1)                                 10
        Strategie (Hypothese 2)                              12
        Positionierung (Hypothese 3)                         14
      Image und Kunden                                       17
        Image (Hypothese 4)                                  17
        Kunden (Hypothese 5)                                 18
      Prozesse, Daten und Change                             20
        Prozesse & IT Systeme (Hypothese 6)                  20
        Daten (Hypothese 7)                                  22
        Change (Hypothese 8)                                 24
      Regulatorik und Nachhaltigkeit                         26
        Regulatorik (Hypothese 9)                            26
        Nachhaltigkeit (Hypothese 10)                        27

    SCHLUSSFOLGERUNGEN UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN             30
    DIE AUTOREN                                              32

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VORWORT

Liebe Leserinnen und Leser,
die digitale Transformation verändert die Wirtschaft und                 Wir brauchen mehr Kooperation, mehr Kollaboration und
ihre Unternehmen. Die Immobilienwirtschaft mit ihrem                     mehr Ecosystems. Mutige Unternehmen lassen gänz-
Anteil von 19 Prozent an der Bruttowertschöpfung in                      lich neue Wertschöpfungsprozesse entstehen und die
Deutschland und den drei Millionen Erwerbstätigen                        Entwicklung innovativer Angebote zu. Insbesondere für
bildet hier keine Ausnahme. Die Zahlen zeigen: Unsere                    die Bereiche Nachhaltigkeit und Klimaschutz kann die
Branche ist systemrelevant – das haben wir nicht zuletzt                 verstärkte Zusammenarbeit in Form von Ecosystems
in der Corona-Krise gesehen. Sei es die Nutzung von                      wichtige Mehrwerte schaffen. Seit Jahren leisten wir
neuen Kommunikationstechnologien oder die Einführung                     einen wichtigen Anteil, wenn es um die Erreichung der
digitaler Prozesse – die Immobilienwirtschaft war und                    Klimaziele geht. Wir tragen hier eine gesellschaftliche
ist in dieser schwierigen Zeit nicht gelähmt, sondern                    Verantwortung – und die Bedeutung dieses Themas wird
hat sich proaktiv auf die neuen Herausforderungen ein-                   in den kommenden Jahren und Jahrzehnten sicherlich
gestellt.                                                                noch weiter zunehmen.
Die Corona-Krise wirkt auf die fortschreitende Trans-                    Lassen Sie uns gemeinsam Großes schaffen.
formation wie ein Beschleuniger. Der Einsatz moderner                    Ich freue mich, dass wir zusammen mit Deloitte diese
Hard- und Software bringt bereits heute neue Ge-                         wichtige Studie veröffentlichen können.
schäftsmodelle hervor. Innovative PropTechs kommen
auf den Markt und treffen auf die etablierten Player                     Ihnen wünsche ich ein anregendes Lesevergnügen.
– beide Seiten ergänzen sich. Und das ist gut so, denn                   Ihr Dr. Andreas Mattner
angesichts neuer Anforderungen an die verschiedenen
Nutzungsklassen, des zunehmenden Mobilitätsgedan-
kens, der Smart Cities, aber auch des Klimawandels
wird deutlich: wir können die Aufgaben, die vor uns lie-
gen, nur gemeinsam und auch nur in enger Zusammen-
arbeit mit Akteuren aus Branchen wie der Mobilität, der
Energie und der Stadtgesellschaft lösen.

                                                                                                                                   3
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VORWORT

    Liebe Leserinnen und Leser,
    gewissermaßen gibt es Ecosystems zwischen den Be-           die Branche bislang einem fragmentierten und weit-
    teiligten entlang der Wertschöpfungskette schon lange.      gehend analogen Ecosystem gleicht. Der Kunde bzw.
    Hingegen sind digitale Ecosystems im Zuge der zuneh-        Nutzer wird noch mehr im Fokus stehen, schließlich ge-
    menden Digitalisierung von Teilbereichen der Immobi-        neriert dieser eine Vielzahl von Daten, die sowohl für die
    lienwirtschaft und ihrer Wertschöpfungskette(n) relativ     Bewirtschaftung als auch Prozesseffizienz innerhalb der
    neu und zeichnen sich dadurch aus, dass sie durch die       Wertschöpfungskette genutzt werden können. Analyse-
    digitalen Technologien definiert und transformiert wer-     ergebnisse generierter Daten werden Entscheidungen
    den. Die digitalen Technologien bilden dabei das Grund-     hinsichtlich der Bewirtschaftung, der Planung und der
    gerüst für das jeweilige Ecosystem und die Vernetzung       finanziellen Performance unterstützen. Die Teilnahme an
    der Unternehmen untereinander.                              digitalen Ecosystems wird damit zukünftig als ein stra-
    Während wir einzelne Teilsysteme bereits in der Praxis      tegischer Wettbewerbsvorteil gesehen. Die Erkenntnis,
    sehen – so beispielsweise der Einsatz von BIM bei der       dass sich ihr Erfolg durch ihre Offenheit und Kollabo-
    integrierten Planung und Baufertigstellung oder ge-         rationsmöglichkeiten der Beteiligten definiert, ist damit
    meinsame Datenplattformen im Transaktionsmanage-            gleichzeitig eine zentrale Herausforderung. Denn ein
    ment – wird zwar viel vom digitalen Zwilling und von        geschlossenes, nutzerorientiertes Ecosystem wie bspw.
    digitalisierten „End to End“-Prozessen gesprochen, aber     die Bereitstellung von Coworking-Flächen ermöglicht
    noch nicht in der Realität umgesetzt, was weniger eine      zwar dem Anbieter eine nutzerorientierte Transparenz
    Frage fehlender Digitalisierung einzelner Prozessschritte   – nicht jedoch dem Vermieter oder dem Dienstleister im
    als vielmehr eine Frage fragmentierter Einzel- bzw.         Facility Management.
    Insel-Lösungen ist.                                         Ganz herzlich möchte ich mich im Namen aller Be-
    Die Studie geht den Fragen nach, ob es überhaupt ein        teiligten bei den externen Impulsgebern zu einzelnen
    gemeinsames Verständnis von digitalen Ecosystems            Hypothesen bedanken – illustriert ihre Sicht sowohl die
    in der Immobilienwirtschaft gibt, ob ein strategischer      Bedeutung und den möglichen Nutzen von Ecosystems
    Nutzen in solchen Verbindungen gesehen wird, ob Ex-         sowie die Herausforderungen, die sich einer kurzfristi-
    terne oder bestimmte Teilnehmer der Immobilienbranche       gen Implementierung entgegenstellen. Ebenso danke ich
    die Entwicklung treiben werden, an welchen Stellen ein      dem ZIA, dass wir dieses Grundlagenthema gemeinsam
    Kundennutzen entstehen kann, inwieweit digitale Eco-        untersucht haben.
    systems auf die Nachhaltigkeitsziele einzahlen und wie
    offen ein digitales Ecosystem für Teilnehmer sein muss.     Ich wünsche Ihnen eine inspirierende Lektüre.
    Die Ergebnisse machen deutlich, dass wir am Anfang          Jörg von Ditfurth
    einer Entwicklung zu digitalen Ecosystems stehen und        Lead Partner, Real Estate Consulting, Deloitte

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EINLEITUNG
Aktuelle Entwicklungen
Lange Zeit war das traditionelle Umfeld der deutschen                    Eine erfolgsversprechende Möglichkeit für die Akteure
Immobilienwirtschaft durch klar definierte Abgrenzun-                    der Immobilienwirtschaft stellt dabei der Aufbau von
gen, sowohl zu anderen Branchen, als auch zwischen                       Ecosystems dar, die eine offene und multidimensionale
den einzelnen immobilienwirtschaftlichen Unternehmen,                    Zusammenarbeit zwischen Unternehmen unterschied-
geprägt. Eine festgelegte Anzahl von Akteuren arbeitete                  licher Größe, Branche und Beschaffenheit ermöglichen.
mit internen Ressourcen und Fähigkeiten entlang etab-                    Doch die Gründung von Kollaborationsplattformen und
lierter Wertschöpfungsketten. Nun führt der fortschrei-                  digitalen Kooperationsnetzwerken wird die Strukturen
tende technologische Wandel dazu, dass dieses bisher                     innerhalb der Branche verändern, stabile Wertschöp-
bewährte Konstrukt hinterfragt wird.                                     fungsketten in Frage stellen und einen Wandel in den
Innovative, digitale Technologien ermöglichen den                        Unternehmen fordern.
Unternehmen neue Formen der Kommunikation mit                            Diese Studie soll dabei helfen, einen Überblick über die
dem Kunden – zielgerichtet, individuell und in Echt-                     aktuelle Situation von Ecosystems in der Immobilienwirt-
zeit – und verändern die Art und Weise wie Produkte                      schaft zu erhalten. Dabei wird die aktuelle Einstellung der
und Leistungen angeboten werden. Das Internet, das                       unterschiedlichen Branchenteilnehmer und deren Ent-
eine enorme Angebotsvielfalt mit gleichzeitiger Möglich-                 wicklungsstand mit Hilfe einer Umfrage identifiziert, um
keit für persönliche Modifikationen (Customizing), die                   Informationen über die Auffassungen von Ecosystems zu
sofortige Verfügbarkeit von Informationen sowie eine                     generieren. Darüber hinaus zeigt die Studie potentielle
einfache und bequeme Abwicklung der (Kauf-) Prozesse                     Zukunftsszenarien in Bezug auf die weitere Entwicklung
möglich macht, hat maßgeblichen Einfluss auf das Kauf-                   von Ecosystems in der Immobilienwirtschaft und leitet
verhalten der Menschen und erhöht darüber hinaus die                     Handlungsempfehlungen für die Branchenteilnehmer ab.
Kundenerwartung bezüglich digitaler Lösungen, die aus
anderen Lebensbereich bereits bekannt sind. Zudem
                                                                         COVID-19 Disclaimer
gewinnen Themen wie Smart Building und Smart Home,
Big Data, Blockchain und Künstliche Intelligenz weiter                   Die Idee zur vorliegenden Studie entstand im Jahr 2019
an Bedeutung und treiben die Entwicklung von neuen                       und damit vor den öffentlichen Einschränkungen der
Geschäftsmodellen voran.                                                 Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19. Ebenso
Diese dynamischen Entwicklungen machen Neuent-                           liegt der Zeitraum der Online-Umfrage (18.12.2019–
wicklungen und Kombinationen von Produkten oder                          05.02.2020) im Wesentlichen vor Beginn der weltweiten
Dienstleistungen möglich, die ursprünglich getrennt                      Ausnahmesituation. Da wir die Bedeutung des Themas
und zusammenhangslos waren und rücken den Kun-                           „Ecosystems in der Immobilienwirtschaft“ jedoch un-
den und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt. Die                        abhängig davon als relevant für die deutsche Immobi-
Ressourcen eines einzelnen Unternehmens reichen                          lienwirtschaft erachten, haben wir uns bewusst zu einer
dabei jedoch meist nicht aus, um den neuen Anfor-                        Veröffentlichung der Studie entschieden. Dennoch ist an
derungen der Kunden gerecht zu werden. Deshalb                           dieser Stelle zu erwähnen, dass die Umfrageteilnehmer
gewinnen Methoden an Bedeutung, die eine Bünde-                          ihre Antworten vor COVID-19 abgegeben haben und
lung von Wissen und Fähigkeiten zulassen, sodass                         damit auch in unserer Auswertung und Interpretation
die Unternehmen weiterhin erfolgreich am Markt be-                       der Ergebnisse auf einen Verweis auf COVID-19 bewusst
stehen können.                                                           verzichtet wird.

                                                                                                                                       5
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Aufbau der Studie
    Die Umfrage Ecosystems in der Immobilienwirtschaft             Immobilienwirtschaft an der Umfrage teilgenommen. Die
    wurde zwischen Mitte Dezember 2019 und Februar 2020            Antworten geben Hinweise auf den Entwicklungsstand
    durchgeführt. Im Rahmen einer Onlineumfrage haben 75           der Branche, sind aufgrund der Stichprobengröße jedoch
    Mitglieder des ZIA aus unterschiedlichen Bereichen der         nicht vollumfänglich repräsentativ.

                          Asset / Property Manager                                      9
                                Berater / Vermittler                                                             15
                                   Facility Manager                 4
                Immobilieninvestor / Bestandshalter                                              11
                                           Corporate           3
                                  Projektentwickler                     5
                                              Planer       2
                               PropTech / ConTech                           6
                      Wohnungs(bau)unternehmen                 3
                            Stadtwerke / Versorger     0
                  Technische Gebäudedienstleister                   4
                   Bau- / Handwerksunternehmen         0
                                            Sonstige                                                     13

    Abb. 1: Übersicht der Studienteilnehmer

    Die Online-Umfrage wurde im Zeitraum 18.12.2019 bis            Fragen jeweils thematisch gebündelt zu Hypothesen zu-
    05.02.2020 durchgeführt und dabei allen ZIA-Mitglie-           sammengefasst werden, welche im Rahmen der Studie
    dern die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet. Sie folgt         Bestätigung oder Ablehnung erhalten.
    hierbei einem Hypothesen basierten Ansatz, indem die

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Definition von Immobilienwirtschaftlichen Ecosystems
Das Konzept von Ecosystems betrachtet Unternehmens-                      Abgrenzung zum „normalem“ Unternehmens-
netzwerke auf der Systemebene des Marktes, auf der                       netzwerk
viele Branchen und Industrien eine vernetzte Struktur                    Es könnte argumentiert werden, dass Unternehmen
von Organisationen, Technologien, Konsumenten und                        schon immer Teilnehmer von Ecosystems waren oder
Produkten darstellen. Es fallen deshalb die Beschränkun-                 sich ihr eigenes Ecosystem aufgebaut haben. Bei-
gen von Definitionen eines klassischen Unternehmens-                     spielsweise benötigt ein Reifenhersteller Lieferanten,
netzwerkes weg und ermöglichen so einen kreativeren                      um sein Produkt herstellen zu können und Kunden, die
und gelösteren Blick auf die Beziehungen von Teilneh-                    ein Auto besitzen und seine Reifen kaufen. Das Auto
mern der Wirtschaft. Eine klare Trennlinie zu ziehen ist                 wiederum kommt von einem Autohändler, der von einem
kaum möglich und kann durch starre Gesetzmäßigkeiten                     Automobilhersteller mit Fahrzeugen versorgt wird. Die
nicht erreicht werden. Jedes Unternehmen sollte sein                     genannten Akteure bilden dabei ein Netzwerk, durch
Ecosystem deshalb zielgerichtet an den eigenen Interes-                  das sie miteinander verbunden sind und in welchem Ab-
sen und Absichten für die Teilnahme abgrenzen anstatt                    hängigkeiten entstehen. Der große Unterschied zu den
zu versuchen, eine eigene, individuelle Trennung anhand                  Ecosystems von heute liegt darin, dass diese durch die
von etablierten Konventionen herbeizuführen. Demzu-                      digitale Technologie sowohl definiert, als auch transfor-
folge ergibt sich unsererseits folgende Definition eines                 miert werden. Die Technologie bildet dementsprechend
immobilienwirtschaftlichen Ecosystems:                                   das Grundgerüst, auf dem Ecosystems aufgebaut sind.
  • dynamisches Netzwerk aus verschiedenen Teil-                         Da durch die Nutzung von Technologie die Kommuni-
      nehmern (Unternehmen, Kunden / Endnutzer, For-                     kation erleichtert wird und mehr Daten mit größerer
      schungseinrichtungen, Regierungen / Kommu-                         Geschwindigkeit bereitstellt werden können, sind Unter-
      nen, etc.), die unterschiedliche Rollen einnehmen                  nehmen stärker denn je vernetzt.
  • nicht zwingend nur innerhalb der Immobilien-
      branche
                                                                         Zielsetzung der Studie
  • sowohl Kollaboration als auch Wettbewerb auf
      Augenhöhe                                                          Die Studie ist eine Momentaufnahme der aktuellen
  • Kunde steht im Mittelpunkt und wird ganzheitlich                     Situation von Ecosystems in der Immobilienwirtschaft
      betrachtet                                                         und identifiziert die jeweiligen Einstellungen der unter-
  • basiert häufig auf digitaler Plattform (z. B. Immo-                  schiedlichen Brancheteilnehmer und deren aktuellen
      bilienscout24)                                                     Entwicklungsstand. Aus den Ergebnissen der Umfrage
  • neuer Wertschöpfungsprozess durch gemeinsa-                          werden Informationen über die Gemeinsamkeiten und
      me Entwicklung und Bereitstellung von innovati-                    Unterschiede der verschiedenen Akteure gewonnen.
      ven Produkten / Leistungen                                         Zum Schluss zeigt die Studie mögliche, zukünftige Ent-
                                                                         wicklungen von Ecosystems in der Immobilienwirtschaft
                                                                         auf und leitet Handlungsempfehlungen ab.

                                                                                                                                     7
Studie ECOSYSTEMS IN DER IMMOBILIENWIRTSCHAFT - Die Immobilienwirtschaft - ZIA
ECOSYSTEMS IN DER IMMOBILIENWIRTSCHAFT
    Grundlagen
    (Hypothese 0)                                               was sich beispielweise in den im Vergleich dazu gerin-
                                                                gen Investitionen in Start-ups und internen Corporate
      HYPOTHESE: Die deutsche Immobilienwirtschaft              Accelerator Programmen zeigt.1
      steht am Anfang der Begriffsdefinition immobilien-        Die Umfrageergebnisse dieser Studie zeigen ebenfalls,
      wirtschaftlicher Ecosystems.                              dass lediglich 31 % der Teilnehmer der Aussage, ihr
                                                                Unternehmen habe ein eine klare Vorstellung von Eco-
    Nachhaltiges Wachstum und langfristiger, wirtschaft-        systems in der Immobilienwirtschaft, uneingeschränkt
    licher Erfolg von Unternehmen hängt stark von deren         zustimmten, während 35 % noch keine klare Vorstellung
    Innovationskraft ab. Die Fähigkeit sich stetig weiterzu-    von Ecosystems für sich entwickelt haben. Zudem gaben
    entwickeln, neue Marktchancen zu identifizieren und zu      ca. dreiviertel der Befragten an, dass aus ihrer Sicht der
    besetzen stellt einen wesentlichen Faktor für langfristi-   Begriff Ecosystems in der Immobilienwirtschaft stark
    gen, wirtschaftlichen Erfolg und nachhaltiges Wachstum      unterschiedlich interpretiert wird. Zur Steigerung der
    dar. Studien haben gezeigt, dass Innovationen zu einem      Innovationsfähigkeit der Immobilienwirtschaft durch
    großen Teil von externen Einflussfaktoren abhängen.         gezielte Einbindung von Akteuren und Einflussfaktoren
    Aus diesem Grund setzen Unternehmen in den letzten          außerhalb des eigenen Unternehmens, bedarf es daher
    Jahren verstärkt auf die Bildung von Netzwerken und         zunächst einer einheitlichen Definition und Interpreta-
    Ecosystems. Durch die gezielte Kooperation mit For-         tion des Begriffs Ecosystem, sowie einer gemeinsamen
    schungsinstituten, Bildungseinrichtungen, Zulieferern,      Vorstellung darüber, wie ein solches System aufgebaut
    Kunden und Wettbewerbern, wird aktiv versucht, den          sein kann, wie die Zusammenarbeit gestaltet sein soll,
    notwendigen Input von außen zu generieren, um die           welche Ziele zu erreichen sind und welche Rollen besetzt
    eigene Innovationskraft zu steigern. Dies zeigt sich vor    werden müssen.
    allem in innovationsstarken Branchen wie beispielsweise
    der Automobilindustrie oder bei Technologieunterneh-
    men, welche sich besonders stark für externen Input
    und Wissen geöffnet haben. Im Vergleich dazu ist die
    Bau- und Immobilienbranche in Europa vergleichsweise
    verschlossen gegenüber externen Innovationsquellen,

                                                                1 Quelle: Deloitte: Innovationsreport Europa 2019,
                                                                https://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/es/Documents/acerca-de-deloitte/
                                                                Deloitte-ES-Innovation-in-Europe.pdf, abgerufen am 26.11.2019

8
S TU DIE: EC OS YS T E M S I N D E R I M M O B I LI E N W I RT S C H A F T

             Aus meiner Sicht wird der Begriff Ecosystem in der Immobilienwirtschaft stark unterschiedlich interpretiert.

                                                             1%
                                                                    8%
                                                      11 %
                                                                                           39 %
                                                                                                                     trifft zu

                                                                                                                     trifft eher zu

                                                                                                                     trifft eher nicht zu

                                                           41 %                                                      trifft nicht zu

                                                                                                                     keine Angabe

Abb. 2: Begriffsinterpretation immobilienwirtschaftlicher Ecosystems

 HYPOTHESE bestätigt:
 • Ein kleiner Teil der Unternehmen der Immobilien-
   wirtschaft verfügt bereits über eine klare Vorstel-
   lung von Ecosystems, die Mehrheit der Befragten
   hat jedoch eine weniger klare Vorstellung bzw. noch
   gar keine feste Auffassung des Begriffs
 • Zudem wird der Begriff des Ecosystems in der
   Branche unterschiedlich interpretiert, da es an einer
   einheitlichen Definition mangelt

                                                                                                                                            9
Vision und Strategie
     Vision (Hypothese 1)                                                    wirtschaft getrieben wird und nur 3 % der Befragten
                                                                             nehmen an, dass die Entwicklung von Ecosystems
       Hypothese: Die Bedeutung von kollaborativen Ge-                       von Akteuren der Immobilienwirtschaft selbst aus-
       schäftsmodellen (Ecosystems) wird in der Immo-                        geht. Ein möglicher Grund hierfür könnte darin liegen,
       bilienwirtschaft zunehmen.                                            dass der Erfolg von Ecosystems in anderen Branchen
                                                                             maßgeblich durch die Etablierung von digitalen Platt-
     Neben der zunehmenden Bedeutung von Netzwerken                          formen getrieben wurde und das hierfür notwendige,
     zur Steigerung der Innovationsfähigkeit haben Beispiele                 technische Knowhow von den Teilnehmern nicht als
     aus anderen Branchen gezeigt, dass der Aufbau von                       Kernkompetenz der immobilienwirtschaftlichen Ak-
     Ecosystems etablierte Geschäftsmodelle und Märkte                       teure wahrgenommen wird. Dies spiegelt sich auch
     disruptiv verändern kann. Bekannte Beispiele hierfür                    darin wieder, dass laut den Befragten vor allem die
     finden sich im Einzelhandel (z. B. eBay, Amazon), dem                   Akteure, welche über die notwendigen technischen und
     Taxigewerbe (z. B. Uber, Lyft) oder der Reisebranche                    digitalen Kompetenzen verfügen (PropTechs / ConTechs,
     (z. B. Airbnb). Vor diesem Hintergrund stellt diese Studie              branchenfremde BigTechs und technischen Gebäude-
     die These auf, dass diesen Beispielen folgend auch in                   dienstleister), an Relevanz gewinnen werden. Die be-
     der Immobilienwirtschaft die Bedeutung von kollabo-                     fragten Unternehmen gehen demnach davon aus, dass
     rativen Geschäftsmodellen zukünftig zunehmen wird.                      der Aufbau neuer, kollaborativer Geschäftsmodelle vor
     Die Mehrheit der Umfrageteilnehmer (78 %) ist der Auf-                  allem von neuen und branchenfremden Unternehmen
     fassung, dass durch die Entwicklung von Ecosystems                      gestaltet wird. Für die Unternehmen der Immobilien-
     der deutsche Immobilienmarkt grundlegend verändert                      wirtschaft kann diese passive Rolle eine Gefahr für ihre
     wird. Auffallend ist dabei jedoch, dass 65 % der Um-                    etablierten Geschäftsmodelle und Marktpositionen
     frageteilnehmer davon ausgehen, dass die Entwicklung                    darstellen. Auch dies zeigen die Beispiele aus anderen
     vor allem von Teilnehmern außerhalb der Immobilien-                     Branchen.

                Die Entwicklung von Ecosystems wird vor allem von Teilnehmern aus der Immobilienwirtschaft getrieben werden.

                                                                       1%
                                                                         3%

                                                        24 %
                                                                                    31 %
                                                                                                               trifft zu

                                                                                                               trifft eher zu

                                                                                                               trifft eher nicht zu

                                                                                                               trifft nicht zu
                                                               41 %
                                                                                                               keine Angabe

     Abb. 3: Treiber der Entwicklung immobilienwirtschaftlicher Ecosystems

10
S TU DIE: EC OS YS T E M S I N D E R I M M O B I LI E N W I RT S C H A F T

 HYPOTHESE bestätigt:
 • Nach Ansicht der Befragten wird die Entstehung
   von Ecosystems den deutschen Immobilienmarkt
   grundlegend verändern.
 • Dabei nehmen die immobilienwirtschaftlichen
   Akteure eher eine passive Rolle ein, was branchen-
   fremden Unternehmen den Markteintritt ermög-
   licht.
 • Der Einfluss von Unternehmen und Start-ups mit
   technischen und digitalen Kompetenzen wird zu-
   nehmen.

Zusatzfrage
Welche Herausforderungen ergeben sich Ihrer Mei-
nung nach für branchenfremde Akteure bei der Eta-
blierung immobilientwirtschaftlicher Ecosystems?

Dr. Thomas Herr, Vorstandsvorsitzender EVANA AG
„Die Herausforderungen liegen auch für branchen-                       Geschäftsmodelle – durch die notwendige Zusam-
fremde Akteure in den Besonderheiten der Immobilien-                   menarbeit von Investment-, Portfolio-, Transaktions-,
wirtschaft – hohe Kapitalbindung bei relativ geringer                  Asset-, Property-, Facility- und Corporate Real Estate-
Bewirtschaftungsrendite, lange Produktzyklen, Orts-                    Managern, unterstützt von diversen Planern, Projekt-
abhängigkeit mit der Bindung an diverse Jurisdiktionen                 entwicklern, Bauunternehmen, Ver- und Entsorgern,
und großer räumlicher Verteilung, Individualität der                   Banken, Versicherungen. Das ist ein großes, nur eben
Objekte, fehlende Standards, fehlende und uneinheit-                   dysfunktionales und analoges Ecosystem. Branchen-
liche Prozesse, fragmentierte Wertschöpfungskette                      fremde Akteure müssten, um das zu disruptieren so
mit vielen kleinen Playern – in Summe all die Punkte,                  tiefe Taschen haben wie die BigTech’s. Allerdings
die auch den Branchenakteuren Probleme bei der                         stellt sich die Frage, ob deren Kapital woanders nicht
Digitalisierung und Effizienzsteigerung bereiten. Für                  profitabler investiert werden kann. Kooperationen von
Branchenfremde kommt fehlendes immobilienwirt-                         innovativen Immobilienunternehmen und PropTechs
schaftliches und -technisches Domänenwissen hinzu.                     können ein mehr inkrementaler Weg zur Steigerung der
Im Prinzip gibt es in Branche schon kollaborative                      Innovationsfähigkeit sein.“

                                                                                                                                 11
Strategie (Hypothese 2)                                               mit der eigentlichen Transaktion verknüpft sind. Inso-
                                                                           fern resultiert aus der Teilnahme an Ecosystems eine
       HYPOTHESE: Die Teilnahme an immobilienwirt-                         gewisse Anpassung der strategischen Ausrichtung eines
       schaftlichen Ecosystems wird zukünftig ein zentraler                Unternehmens, was durch die Ergebnisse dieser Studie
       Bestandteil der Unternehmensstrategie sein.                         bestätigt wird.
                                                                           Für 76 % der Befragten wird die Teilnahme an immobi-
     Ecosystem bzw. Plattform Strategien verfolgen den An-                 lienwirtschaftlichen Ecosystems zukünftig ein zentraler
     satz, dass die Teilnehmer eines Ecosystems gegenseitig                Bestandteil der Unternehmensstrategie sein. Dies ist
     voneinander profitieren. Während klassische Wettbe-                   unter anderem dadurch begründet, dass sich ein Groß-
     werbsstrategien davon ausgehen, dass der Kunde seine                  teil (84 %) der Akteure in der Immobilienbranche durch
     Kaufentscheidung unabhängig trifft, erzeugen Ecosys-                  die Teilnahme an einem Ecosystem einen Wettbewerbs-
     tems einen Mehrwert durch die Teilnahme und Inter-                    vorteil verspricht, während nur 15 % davon ausgehen,
     aktion mehrerer Akteure: die Kaufentscheidung wird                    keinen zusätzlichen Nutzen aus der Teilnahme generie-
     beispielsweise dadurch beeinflusst, wie viele Anbieter                ren zu können. Insbesondere PropTechs und ConTechs
     über die Ecosystem-Plattform erreichbar sind, wie viele               sowie technische Gebäudedienstleister sehen in der
     Kunden nützliche Bewertungen abgegeben haben und                      Partizipation an Ecosystems eine große Chance, sich von
     wie reibungslos Zahlungs- und Logistikdienstleistungen                der Konkurrenz abzuheben und einen Vorteil zu erlangen.

          Die Teilnahme an einem immobilienwirtschaftlichen Ecosystem verschafft meinem Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil.

                                                                      1%
                                                                    4%
                                                         11 %

                                                                                                               trifft zu
                                                                                   41 %
                                                                                                               trifft eher zu

                                                                                                               trifft eher nicht zu

                                                         43 %                                                  trifft nicht zu

                                                                                                               keine Angabe

     Abb. 4: Wettbewerbsvorteil durch die Teilnahme an Ecosystems

     Die Adjustierung der Unternehmensstrategie hin zu                     einem branchenfremden Unternehmen, weniger stark
     einer Ecosystem- und Plattform- Strategie wird dabei                  ist. Hier zeigt sich ein Widerspruch zu der eher passiven
     vor allem durch die angestrebte Form der Kollaboration                Rolle der Befragten beim Aufbau von immobilienwirt-
     innerhalb des Ecosystems beeinflusst. Derzeit können                  schaftlichen Ecosystems. Dies deutet daraufhin, dass
     sich die Befragten vor allem eine interne und externe                 es weniger an der Bereitschaft der Immobilienwirtschaft
     vertikale Zusammenarbeit innerhalb eines Ecosystems                   mangelt den Aufbau aktiv zu gestalten, sondern vielmehr
     vorstellen, während die Bereitschaft zur externen hori-               eine klare Vision und Strategie fehlt, wie ein solches Eco-
     zontalen, wie beispielsweise mit einem Wettbewerber im                system aussehen und umgesetzt werden könnte.
     Kerngeschäft, und zur lateralen Kollaboration, z. B. mit

12
S TU DIE: EC OS YS T E M S I N D E R I M M O B I LI E N W I RT S C H A F T

                       Mein Unternehmen wird in einem Ecosystem folgende Formen der Kollaboration eingehen:

   60 %
            52 %                                                        51 %
   50 %                                                                                                45 %                            47 %
                                                                                                           40 %
   40 %                                          35 %                        36 %
                                             32 %                                                                                           31 %
   30 %
                24 %
                                         20 %
   20 %                                                                                                                            16 %
                     13 %
                                                       8%                         9%
   10 %                     5% 5%                           5%                                                   7% 5%
                                                                                                                                                4% 3%
                                                                                       1% 3%                             3%
    0%
            interne Kollaboration        externe, horizontale           externe, vertikale              externe, vertikale         externe, laterale
            (z. B. mit anderen Abteil-   Kollaboration                  Kollaboration                   Kollaboration              Kollaboration
            ungen / Standorten inner-    (z. B. Mitbewerber             (z. B. Lieferanten /            mit dem Endkunden          (z. B. branchenfremde
            halb des Unternehmens)       im Kerngeschäft)               Produzenten)                                               Unternehmen)

                trifft zu         trifft eher zu          trifft eher nicht zu            trifft nicht zu           keine Angabe

Abb. 5: Formen der Kollaboration im Ecosystem

Beobachtungen in anderen Industrien, wie beispiels-                               Zusatzfrage
weise der Automobilindustrie, zeigen jedoch, dass sich                            Welche Formen der Kollaboration in einem immo-
mit der zunehmenden Bedeutung von Ecosystems und                                  bilienwirtschaftlichen Ecosystem steht für Sie im
steigendem Wettbewerbsdruck durch branchenfremde                                  Vordergrund? Welche Potentiale sehen Sie in der
Akteure auch die Kollaborationsformen verändern und                               Kollaboration mit Wettbewerbern?
beispielsweise die partnerschaftliche Zusammenarbeit
mit Konkurrenten zunehmen kann. Ein Beispiel hierfür ist                          Annette Kröger, CEO North & Central Europe, Allianz
die Kollaboration von Daimler und BMW bei dem Aufbau                              Real Estate
einer gemeinsamen digitalen Mobilitätsplattform.                                  „Ecosystems sehen wir als Möglichkeit, in der Zukunft
                                                                                  verbessert entlang der gesamten Wertschöpfungs-
                                                                                  kette zusammen zu arbeiten. So könnte z. B. durch
 HYPOTHESE bestätigt:                                                             die Vernetzung von Eigentümer und Dienstleister um
 • Dreiviertel der Befragten bestätigen, dass die Teil-                           die Immobilie, kombiniert mit einer guten Datenbasis,
   nahme an immobilienwirtschaftlichen Ecosystems                                 klaren KPIs und gemeinsamen Zielen, das Servicele-
   zukünftig ein zentraler Bestandteil ihrer Unterneh-                            vel gegenüber dem Mieter verbessert werden. Auch
   mensstrategie sein wird                                                        Kollaborationen mit Wettbewerbern können von Vorteil
 • 84 % der Teilnehmer sehen in der Teilnahme an                                  sein, insbesondere, wenn ein höheres und gebündeltes
   einem Ecosystem einen Wettbewerbsvorteil für das                               Angebot eine höhere Nachfrage hervorruft. Dies könnte
   eigene Unternehmen                                                             zum Beispiel bei einer gemeinsamen Plattform für die
 • Die Teilnahme an einem Ecosystem erfordert für die                             kurzfristige Vermietung von Büroflächen der Fall sein.
   meisten Unternehmen eine Adjustierung der Unter-                               Erfahrung haben wir hiermit aber auch schon in der
   nehmensstrategie – die Form der angestrebten                                   Schweiz, wo wir einen Marktplatz für Handwerkerleis-
   Kollaboration nimmt dabei eine zentrale Rolle ein                              tungen kreiert haben.“

                                                                                                                                                           13
Positionierung (Hypothese 3)                                               einen Mehrwert für das Ecosystem schaffen, sowie auf
                                                                                die Strategie und die Voraussetzungen dafür, wie die
       HYPOTHESE: Die gewählte Positionierung in immo-                          angestrebte Positionierung erreicht werden soll. Für den
       bilienwirtschaftlichen Ecosystems ist entscheidend                       nachhaltigen Erfolg eines Ecosystems ist sowohl die
       für die strategische Ausrichtung des Unternehmens.                       Positionierung der Teilnehmer als auch die Zusammen-
                                                                                setzung der verschiedenen Rollen essenziell. Erfolgrei-
     Neben der Form der Kollaboration ist die angestrebte                       che Ecosystems zeichnen sich in der Regel durch eine
     Positionierung innerhalb eines Ecosystems für deren                        ausgewogene Balance bei der Anzahl der Akteure pro
     Teilnehmer von zentraler Bedeutung. Die Positionierung                     Position sowie einer hohen Qualität der Anbieter in den
     hat einen entscheidenden Einfluss auf die Rolle im Eco-                    jeweiligen Rollen aus. In der vorliegenden Studie werden
     system und damit auch auf das zugrundeliegende Ge-                         daher drei wesentliche Rollen eines Ecosystems unter-
     schäftsmodell, also auf die Weise auf die die Teilnehmer                   sucht: „Keystone“, „Anbieter“ und „Kunde“ (s. Tabelle 1)2.

       Positionierung        Beschreibung                                                       Anzahl            Beispiele

       Keystone              • formt und orchestriert das Ecosystem                             Wenige            eBay, Amazon

                             • definiert das Geschäftsmodell

                             • oftmals Betreiber einer zentralen (digitalen) Plattform
                               und stellt Ressourcen für die anderen Akteure im
                               System bereit

                             • bietet oftmals zusätzliche Services / Tools um
                               Attraktivität zu erhöhen

                             • definiert Standards

       Anbieter              • ist auf bestimmte Serviceleistung / Produkt spezialisiert        Viele             App Entwickler, die Apps
                               und grenzt sich dadurch von anderen Anbietern ab                                   entwickeln und über bestehende
                             • für einen Großteil der Innovation / Leistungsbereit-                               Software Plattformen vertreiben
                               stellung im Ecosystem verantwortlich                                               (z. B. iOS, Android)

       Kunde                 • steht im Fokus der Leistungserbringung                           Viele             Privatkunden,

                             • erhält durch Kooperation der Akteure einen zusätz-                                 Firmenkunden
                               lichen Nutzen

                             • wird in Ecosystems tendenziell enger in die Entwick-
                               lungsprozesse von Produkten und Dienstleistungen
                               eingebunden

                             • nimmt meist eine gewisse, aktive Rolle ein
                               (z. B. Kundenbewertungen) und gestaltet somit
                               das Ecosystem mit

     Tabelle 1: Rollen in Ecosystems

                                                                                2     Die gängige Literatur differenziert bei den Rollen eines Ecosystems in
                                                                                der Regel stärker als es für die Zwecke dieser Studie notwendig und ziel-
                                                                                führend ist (vergleiche hierzu beispielsweise Harvard Business Review (2004).
                                                                                Strategy as ecology)

14
S TU DIE: EC OS YS T E M S I N D E R I M M O B I LI E N W I RT S C H A F T

Aus den Ergebnissen der Umfrage ist zu erkennen, dass                        nehmer hat: Über zwei Drittel der Befragten gibt an, dass
die Positionierung in einem Ecosystem einen entschei-                        die gewählte Rolle im Ecosystem die strategische Aus-
denden Einfluss auf die Unternehmensstrategie der Teil-                      richtung ihres Unternehmens maßgeblich beeinflusst.

     Die strategische Ausrichtung meines Unternehmens wird durch die gewählte Positionierung in immobilienwirtschaftlichen
                                             Ecosystems entscheidend beeinflusst.

                                                                       1%
                                                                8%

                                                                                       29 %
                                                                                                                   trifft zu
                                                   23 %
                                                                                                                   trifft eher zu

                                                                                                                   trifft eher nicht zu

                                                                                                                   trifft nicht zu
                                                                       39 %                                        keine Angabe

Abb. 6: Bedeutung strategischen Ausrichtung im Ecosystem

Bei der Frage nach der angestrebten Rolle in einem                           wodurch der Wettbewerb um diese Positionierung und
immobilienwirtschaftlichen Ecosystem verteilen sich                          den Aufbau eines immobilienwirtschaftlichen Ecosys-
Studienteilnehmer zu etwa gleichen Teilen auf die drei                       tems zwischen diesen Akteuren entsprechend hoch
Rollen „Keystone“, „Anbieter“ und „Kunde“. Auffällig ist                     sein wird. Bei der Betrachtung nach Unternehmenskate-
in diesem Zusammenhang, dass die Rolle des „Kunden“                          gorien zeigt sich, dass sich die Gruppe der Projektent-
den größten Anteil darstellt (37 %), was sich jedoch in                      wickler und Planer verhältnismäßig stark in der Rolle des
gewisser Weise mit der eher passiven Rolle bei der Ent-                      Keystone sieht, während sich PropTechs / ConTechs und
wicklung immobilienwirtschaftlicher Ecosystems deckt,                        Technische Gebäudeausrüster tendenziell eine Positio-
welche sich bereits bei der Vision gezeigt hat. Betrachtet                   nierung als Anbieter anstreben. Zieht man die Begriffs-
man die Antworten nach Unternehmenskategorie zeigt                           definition des Keystone hinzu, scheint dieses Ergebnis
sich, dass sich insbesondere Immobilieninvestoren /                          hervorhebenswert. Während die Rolle des Keystone das
Bestandshalter und Corporates in der Rolle des Kunden                        Ecosystem formt und orchestriert bzw. die dazugehörige
eines immobilienwirtschaftlichen Ecosystems sehen.                           digitale Plattform betreibt, sind diese Eigenschaften in
Während bei der Gruppe der Corporates diese Rolle                            einem ganzheitlichen Ecosystem in erster Instanz nicht
nachvollziehbar ist, sind die Ergebnisse der Investoren                      mit Projektentwicklern und / oder Planern assoziiert. Ein
und Bestandshalter aufgrund ihrer Größe und oftmals                          potentieller Grund für diese Ausprägung stellt jedoch
bereits integrierten Geschäftsmodelle überraschend.                          sicherlich die Schnittstellenfunktion dieser Gruppe im
Auf der anderen Seite bildet der ebenfalls recht hohe An-                    Rahmen der Immobilienwirtschaft dar.
teil an Teilnehmern, die eine Positionierung als Keystone                    Interessant wird daher sein, wie sich die angestrebte
anstreben, einen Konflikt zu der Anzahl der zur Verfü-                       Positionierung zukünftig auf die Unternehmensstrategie
gung stehenden Rollen in einem Ecosystem (s. Tabelle 1),                     der Akteure auswirken wird.

                                                                                                                                          15
Bei der strategischen Positionierung meines Unternehmens innerhalb eines immobilienwirtschaftlichen Ecosystems
                                                  sehe ich mein Unternehmen tendenziell als:

                                                                                 32 %
                                                      37 %

                                                                                                            Keystone

                                                                                                            Anbieter

                                                                    31 %                                    Kunde

     Abb. 7: Strategische Positionierung innerhalb des Ecosystems

      HYPOTHESE bestätigt:
      • 68 % stimmen der Aussage zu, dass die gewählte                  • Die von einem relativ hohen Anteil der Befragten
        Positionierung im Ecosystem einen entscheidenden                  angestrebte, führende Positionierung (Keystone) in
        Einfluss auf die strategische Ausrichtung ihres                   einem Ecosystem steht im Konflikt zur verfügbaren
        Unternehmens hat                                                  Anzahl entsprechender Rollen, wodurch ein hoher
      • Der größte Teil der Befragten sieht sich als Kunde                Wettbewerb um diese Rolle zu erwarten ist, wobei
        eines immobilienwirtschaftlichen Ecosystems, was                  sich einige Akteure letztlich als Anbieter werden
        die eher passive Rolle der Immobilienwirtschaft                   behaupten müssen
        beim Aufbau eines solchen Ecosystems bestätigt

16
S TU DIE: EC OS YS T E M S I N D E R I M M O B I LI E N W I RT S C H A F T

Image und Kunden
Image (Hypothese 4)

  HYPOTHESE: Die Teilnahme an Ecosystems hat
  einen wesentlichen Einfluss auf das Image der ein-
  zelnen Akteure.

  Die Teilnahme an einem immobilienwirtschaftlichen Ecosystem hat einen positiven Einfluss auf das Image meines Unternehmens.

                                                                 1%
                                                                     3%
                                                         11 %

                                                                                          45 %                    trifft zu

                                                                                                                  trifft eher zu

                                                   40 %                                                           trifft eher nicht zu

                                                                                                                  trifft nicht zu

                                                                                                                  keine Angabe

Abb. 8: Einfluss der Teilnahme am Ecosystem auf das Image des Unternehmens

Vor dem Hintergrund, dass die Teilnahme an einem Eco-
system mit einer gewissen Integration und Standardisie-                       HYPOTHESE bestätigt:
rung innerhalb des Ecosystems einhergeht (s. Hypothese                        • Der überwiegende Teil der Unternehmen erwartet
6), stellt sich die Frage, wie sich dies auf das Image der                      einen positiven Einfluss auf das Unternehmens-
einzelnen Beteiligten auswirkt. Interessant ist in diesem                       image durch die Teilnahme an einem immobilien-
Zusammenhang, dass nur etwas mehr als die Hälfte der                            wirtschaftlichen Ecosystem
Befragten angeben, ihr Unternehmen sei aktuell in der
breiten Öffentlichkeit bekannt. In Folge dessen ist sich
die überwiegende Mehrheit der Befragten (85 %) einig,
dass sich die Teilnahme an einem Ecosystem positiv auf
das Image des eigenen Unternehmens auswirke. Dem-
nach sehen die Umfrageteilnehmer eher die Chancen
durch die erhöhte Reichweite eines Ecosystems gegen-
über den möglichen Risiken, die sich aus der gegen-
seitigen Abhängigkeit der Akteure in einem Ecosystem
ergeben könnten.

                                                                                                                                         17
Kunden (Hypothese 5)

       HYPOTHESE: Eine ganzheitliche Serviceerbringung (zur
       Steigerung der Servicequalität) für den Endkunden steht
       im Zentrum immobilienwirtschaftlicher Ecosystems.

            Eine ganzheitliche Serviceerbringung für den Endkunden steht im Zentrum von immobilienwirtschaftlichen Ecosystems.

                                                                 1%
                                                                   3%
                                                          12 %

                                                                                                             trifft zu
                                                                                  43 %
                                                                                                             trifft eher zu

                                                                                                             trifft eher nicht zu
                                                       41 %
                                                                                                             trifft nicht zu

                                                                                                             keine Angabe

     Abb. 9: Ganzheitliche Serviceerbringung im Zentrum von Ecosystems

     Für die überwiegende Mehrheit der Befragten (84 %)                  vor allem in PropTechs / ConTechs einen wesentlichen
     steht eine ganzheitliche Serviceerbringung für den                  Partner zur Bedienung der eigenen Endkunden sehen.
     Endkunden im Zentrum von immobilienwirtschaftlichen                 PropTechs / ConTechs bringen bezüglich der Steigerung
     Ecosystems. Folglich sehen die Umfrageteilnehmer in                 der Innovationskraft oftmals wichtige Eigenschaften
     der Bereitstellung neuer Serviceleistungen den größten              wie technisches Know-How, eine innovative Denk- und
     Zusatznutzen für die Endkunden. Dies deutet an, dass                Arbeitsweise sowie flexible Organisationsstrukturen mit,
     ein erfolgreiches immobilienwirtschaftliches Ecosystem              die sie als Partner für die etablierten Akteure der Immo-
     sowohl auf eine vertikale Integration entlang des Immo-             bilienwirtschaft attraktiv machen.
     bilienlebenszyklus als auch eine laterale Kollaboration
     mit branchenfremden Akteuren setzen sollte. Neben                    HYPOTHESE bestätigt:
     einem breiteren Serviceangebot sehen die Befragten vor               • Für den überwiegenden Teil der Befragten steht
     allem in vereinfachten und schnelleren Prozessen (75 %)                eine ganzheitliche Serviceerbringung für den End-
     einen erheblichen Zusatznutzen für die Endkunden.                      kunden im Zentrum eines Ecosystems
     Wie zu Beginn dieses Abschnitts bereits erläutert liegt ein          • Insbesondere neue Serviceleistungen sowie schnel-
     wesentlicher Vorteil von Ecosystems in der Steigerung                  lere und einfachere Prozesse bringen einen Zusatz-
     der Innovationskraft durch die Kollaboration mit anderen               nutzen für den Endkunden
     Unternehmen und die Einbeziehung neuer, externer Fak-                • PropTechs / ConTechs stellen aufgrund ihrer hohen
     toren im Innovationsprozess. Dies zeigt sich auch darin,               Innovationskraft attraktive Partner für die Akteure
     dass über alle Unternehmenskategorien die Teilnehmer                   eines immobilienwirtschaftlichen Ecosystems dar

18
S TU DIE: EC OS YS T E M S I N D E R I M M O B I LI E N W I RT S C H A F T

Zusatzfrage                                                              StartUp-Accelerator hubitation so etwas wie einen
Inwiefern sehen Sie bzw. ihr Unternehmen laterale                        Katalysator, einen Übersetzer geschaffen. Er bringt das
Kollaborationsmöglichkeiten mit branchenfremden                          innovative Ökosystem der StartUps und die Wohnungs-
Akteuren? Wie beurteilen sie die Zukunftsfähigkeit                       wirtschaft zusammen, damit wir wertvolle Erfahrungen
lateraler Kollaborationsmöglichkeiten mit branchen-                      in der Umsetzung von Pilotprojekten sammeln können.
fremden Akteuren?                                                        Auch die Zusammenarbeit mit ,traditionellen‘ Partnern
                                                                         hilft uns dabei, bestehende Ideen, wie bspw. Car-Sha-
Marko Bohm, Geschäftsführer REM, STRABAG                                 ring-Angebote oder Lastenräder unseren Mietern
Property and Facility Management Services                                schneller zur Verfügung zu stellen. Ferner bieten wir in
„Wir teilen die Auffassung, dass eine ganzheitliche                      Kooperation mit unseren Partnern ein umfangreiches
Serviceerbringung ein entscheidender Faktor zur Stei-                    Angebot an Dienstleistungen, die nicht zu unserem
gerung der Servicequalität ist und sehen uns als inte-                   eigenen Portfolio gehören; hier wären u. a. die Wohnbe-
grierter Anbieter hier gut positioniert. Kollaborationen                 ratung für ältere und pflegebedürftige Mieter, wie auch
mit anderen (brancheninternen und auch branchen-                         die Bereitstellung von Gemeinschaftswaschmaschinen
fremden) Akteuren sind wesentliche Erfolgsfaktoren.                      zu nennen. Zudem ermöglicht die Kooperation eine
Deshalb haben wir unsere Serviceplattform in Ko-                         Risikominimierung, da viele Dienstleistungen nicht im
operation mit Microsoft entsprechend offen konzipiert                    Kerngeschäft eines Wohnungsunternehmens verortet
um andere Beteiligte zu integrieren. Wesentliche Ver-                    sind.“
einfachungen und Prozessverbesserungen sind aus
unserer Sicht jedoch ganz wesentlich bereits durch
Optimierung der Schnittstellen, Leistungsbilder und
der Zusammenarbeit innerhalb der Immobilienbranche
möglich. Entscheidend wird sein, Komplexität aus
den Schnittstellen herauszunehmen und keine neue
Komplexität durch die Einbindung weiterer Partner zu
erzeugen.“

Dr. Thomas Hain, Ltd. Geschäftsführer, Unterneh-
mensgruppe Nassauische Heimstätte / Wohnstadt
„Hypothese bestätigt: Als Unternehmensgruppe Nas-
sauische Heimstätte / Wohnstadt arbeiten wir sowohl
mit PropTechs / ConTechs als auch mit ,traditionellen‘
Unternehmen zusammen, um das Wohnen für Men-
schen in der Zukunft noch besser, angenehmer und
nachhaltiger zu machen. Jede Kooperation ist jedoch
auch eine eigenständige Herausforderung.
Bei der Zusammenarbeit mit PropTechs besteht
unsere Verantwortung als Wohnungsunternehmen
darin, die Interessen unserer Mieter und die innova-
tiven Tech-Ideen in ein Verhältnis zu setzen. Hierzu
haben wir in der Unternehmensgruppe mit unserem

                                                                                                                                    19
Prozesse, Daten und Change
     Prozesse & IT Systeme (Hypothese 6)                                   bestehender Prozesse der Unternehmen muss sich dabei
                                                                           also stets einem gesamtwirtschaftlichen Ziel unterord-
       HYPOTHESE: Der Erfolg eines immobilienwirt-                         nen. Vorausgesetzt, dass einem immobilienwirtschaft-
       schaftlichen Ecosystems wird stark vom Grad der                     lichen Ecosystem eine Plattform zu Grunde liegt, welche
       Standardisierung, Offenheit und Kollaboration der                   die Nutzer zusammenbringt, wird deutlich, dass ein
       betreffenden Plattform abhängen.                                    gewisses Maß der Standardisierung der Plattform und
                                                                           der darauf stattfindenden Prozesse eine Grundvoraus-
     Die schnelle, einfache und dennoch ganzheitliche Ser-                 setzung für den Erfolg eines immobilienwirtschaftlichen
     viceerbringung gegenüber dem Endkunden stellt also                    Ecosystem zu sein scheint.
     die zentrale Bedeutung immobilienwirtschaftlicher Eco-                So zeigen auch die Ergebnisse der Umfrage eine hohe
     systems dar. Insofern muss sich eine entsprechende Er-                Übereinstimmung (90 %) unter den Befragten, dass der
     folgsbewertung an der Beantwortung der Frage messen                   Erfolg eines immobilienwirtschaftlichen Ecosystems
     lassen, inwiefern das Ecosystem dem Endkunden des                     vom Grad der Standardisierung, Offenheit und Kollabo-
     Teilnehmers erfolgreich dienen konnte. Die Optimierung                ration der betreffenden IT-Plattform abhängig ist.

                      Der Erfolg eines immobilienwirtschaftlichen Ecosystems ist abhängig vom Grad der Standardisierung,
                                           Offenheit und Kollaboration der betreffenden IT Plattform.

                                                                     1%
                                                                      1%
                                                                8%

                                                                                                               trifft zu
                                                                                      47 %
                                                                                                               trifft eher zu

                                                        43 %                                                   trifft eher nicht zu

                                                                                                               trifft nicht zu

                                                                                                               keine Angabe

     Abb. 10: Bedarf zur Standardisierung, Offenheit und Kollaboration im Ecosystem

     Darüber hinaus sind sich die Befragten einig, dass eine               zustimmen, während 39 % nicht zweifelsfrei bereit wä-
     stärkere Standardisierung und Harmonisierung der                      ren sich anzupassen und 31 % lehnen es eher ab, sich
     Geschäftsprozesse aller Teilnehmer des Ecosystems                     an die vorgegebenen Prozesse anzupassen. Dabei zeigt
     den Erfolg ebenfalls beeinflusst. Demgegenüber steht                  sich, dass besonders Facility Manager, Corporates und
     jedoch eine mangelnde Bereitschaft der Unternehmen,                   Projektentwickler eher avers gegenüber Anpassungen
     die eigenen Prozesse und Systeme an die Standards der                 sind.
     Plattform im Ecosystem anzupassen. Nur 23 % würden                    Wenngleich dies nicht in grundsätzlichem Kontrast zu
     einer Prozess- und Systemanpassung uneingeschränkt                    den vorherigen Fragen steht, erscheint diese Auswer-

20
S TU DIE: EC OS YS T E M S I N D E R I M M O B I LI E N W I RT S C H A F T

tung insofern interessant, als dass sie deutliche Unter-                 Zusatzfrage
schiede zwischen der allgemeinen Bewertung einer                         Wie beurteilen Sie den Kontrast zwischen über-
Notwendigkeit einerseits sowie der Bereitschaft zum                      wiegender Notwendigkeit zur Standardisierung von
eigenen Beitrag andererseits aufzeigt. Sicherlich kann                   Prozessen und Systemen einerseits und der einge-
dies nicht zuletzt auch auf unterschiedliche Geschäfts-                  schränkten Bereitschaft zur eigenen Anpassung an
modelle, Nutzungsarten und allgemeine Positionen der                     Standards andererseits?
Umfrageteilnehmer im Rahmen der immobilienwirt-
schaftlichen Wertschöpfungskette zurückzuführen sein.                    Martin Rodeck, Vorsitzender der Geschäftsführung
Insbesondere in Kombination mit den Erkenntnissen aus                    von EDGE in Deutschland
Kapitel 1 (Vision), in welchem Unternehmen außerhalb                     „Wesentliches Hemmnis ist die Kleinteiligkeit der Im-
der Immobilienwirtschaft als Kerntreiber der Entwick-                    mobilienbranche mit einer durchschnittlichen Unter-
lung immobilienwirtschaftlicher Ecosystems identifiziert                 nehmensgröße von unter zehn Mitarbeiten in mehreren
wurden, bedeutet dies ebenfalls, dass die Umfrageteil-                   10.000 Unternehmen. So findet Innovation oft im
nehmer sehr wohl bei der Entwicklung solcher Systeme                     Kleinen und in vielen Fällen „unsichtbar“ statt. Best
einbezogen werden wollen, um eigene Prozesse und                         practice Beispiele bleiben trotz der Anstrengungen
Standards mit einbringen zu können, ohne dabei Kern-                     des ZIA, der seit Jahren einen Innovationsbericht
treiber für die Entwicklung solcher zu sein.                             hierzu herausgibt, verborgen. Branchenweite Lösun-
                                                                         gen und Standards existieren selten bis gar nicht, da
                                                                         sowohl berufsständische Organisationen, NGOs aber
 HYPOTHESE bestätigt:                                                    auch Verbände keine ausreichende Reichweite ha-
 • Fast alle Teilnehmer der Umfrage bestätigen, dass                     ben. Staatliche Regulierungen wie etwa die Vorgabe
   der Erfolg des Ecosystems vom Grad der Standar-                       eines einheitlichen BIM-Frameworks stecken in den
   disierung, Offenheit und Kollaboration abhängig ist                   Kinderschuhen. Gleichzeitig existieren aufgrund der
 • Eine stärkere Standardisierung und Harmonisierung                     disziplinären Heterogenität praktisch keine integrierten
   der Geschäftsprozesse beeinflusst positiv den Er-                     Konzerne, die den kompletten Lebenszyklus abbilden
   folg des Ecosystems                                                   und somit „automatisch“ standardsetzend wären. An
 • Die eigene Bereitschaft zur Anpassung an beste-                       den Schnittstellen entstehen Friktionen zwischen Lö-
   hende Standards und Prozesse einer kollaborativen                     sungen und die meisten Digitalisierungsmaßnahmen
   Plattform anzupassen ist reduziert, sodass vermu-                     bleiben bis dato im Wesentlichen Insellösungen.“
   tet werden kann, dass die frühzeitige Einbeziehung
   der Akteure zur Formung des Ecosystems entschei-
   dend sein wird

                                                                                                                                    21
Daten (Hypothese 7)                                                   kollaborativer Ecosystems, stellt sich zunächst die Frage
                                                                           zum eigenen Beitrag und deren allgemeiner Verwendung
       HYPOTHESE: Den für die Serviceerbringung in Eco-                    aus Perspektive potentieller Ecosystem Teilnehmer.
       systems generierten Daten wird ein hohes Moneta-                    Rund 75 % der Befragten geben dabei an, die durch ein
       risierungspotential zugeschrieben. Allerdings besteht               Ecosystem und dessen Plattform zur Verfügung gestell-
       innerhalb der teilnehmenden Akteure Zurückhaltung                   ten Daten im gesetzlichen Rahmen nutzen zu wollen.
       hinsichtlich des Austauschs und der Nutzung von Daten.              Leicht weniger, jedoch mit rd. 67 % der Befragten wei-
                                                                           terhin die Mehrheit, ist bereit dem Ecosystem Daten aus
     Betrachtet man den Austausch und die Verwendung                       dem eigenen Unternehmen bereitzustellen, ganz im Sin-
     von Daten im Allgemeinen als notwendigen Bestandteil                  ne der Kollaboration unter Teilnehmern des Ecosystems.

                                                                                                                              39 %
                   Mein Unternehmen wird Kundendaten innerhalb                                                               37 %
                   des gesetzlich erlaubten Rahmens                                                16 %
                   von anderen Parteien im Ecosystem nutzen.
                                                                               3%
                                                                                    5%

                                                                                                                     28 %
                   Mein Unternehmen wird Kundendaten innerhalb                                                                 39 %
                   des gesetzlich erlaubten Rahmens                                                    19 %
                   mit den anderen Parteien im Ecosystem teilen.                         8%
                                                                                     7%

                                                                     0%        5 % 10 % 15 % 20 % 25 % 30 % 35 % 40 % 45 %

                      trifft zu      trifft eher zu     trifft eher nicht zu         trifft nicht zu          keine Angabe

     Abb. 11: Bereitschaft zum Teilen von Daten im Rahmen des Ecosystems

     Dies lässt darauf schließen, dass die Umfrageteilneh-                 In Bezug auf den Mehrwert, den die generierten Daten
     mer den Austausch von Daten als Teil einer offenen                    des Ecosystems liefern können, sehen die Befragten
     und kollaborativen Arbeitsweise in einem Ecosystem                    vor allem Potential in den Gebäudedaten, die für die
     sehen. Gleichzeitig deutet dies an, dass ein Fehlen                   Optimierung der Gebäude genutzt werden können.
     dieser Bereitwilligkeit der Teilnehmer den Erfolg eines               Durch den stärkeren Einsatz von BIM oder der Ent-
     immobilienwirtschaftlichen Ecosystems negativ beein-                  wicklung von Smart Buildings werden immer mehr
     flussen kann. Zurückhaltung bei der Bereitstellung von                Gebäudedaten generiert, die von den Teilnehmern des
     Daten für die anderen Teilnehmer besteht insbesondere                 Ecosystems z. B. für die Verbesserung der Energieeffi-
     bei Wohnungsbauunternehmen und Beratern, was u. a.                    zienz oder eine bessere Instandhaltung der technischen
     sicherlich auf erhöhte Datenschutzanforderungen zu-                   Anlagen genutzt werden können.
     rückzuführen ist.

22
S TU DIE: EC OS YS T E M S I N D E R I M M O B I LI E N W I RT S C H A F T

   60 %                                                                                    59 %
             55 %
                                                                                                                              51 %
   50 %
                                                   40 %
   40 %
                 33 %                                  33 %
   30 %                                                                                                                            28 %
                                                                                                23 %
                                                            20 %
   20 %
                                                                                                                                          15 %
                                                                                                     12 %
   10 %               8%
                                                                      5%                                      7%                                  7%
                                 4%
                            0%                                   1%                                      0%                                  0%
     0%
             Daten liefern meinem                  Daten liefern meinem                   Gebäudedaten liefern                Daten liefern meinem
             Unternehmen einen                     Unternehmen einen                      meinem Unternehmen                  Unternehmen einen
             Mehrwert in Bezug auf die             Mehrwert in Bezug auf                  einen Mehrwert in Bezug             Mehrwert in Bezug auf
             Identifikation von Kunden-            die Identifikation von                 auf Optimierungspotential           die Entwicklung von
             bedürfnissen.                         potentiell neuen Kunden.               von Gebäuden.                       neuen Services.

                trifft zu         trifft eher zu          trifft eher nicht zu            trifft nicht zu           keine Angabe

Abb. 12: Mehrwert von Daten für Teilnehmer des Ecosystems

Der Digital Twin und die damit verbundene frühzeitige                             Partner für den effizienten Betrieb der Immobilie ein-
Erzeugung betriebsrelevanter Daten ermöglicht die                                 bezogen und gemeinsam neue Services entwickelt
ebenso frühzeitige Einbeziehung von Geschäftspartnern                             werden. Diese Kunden- und Gebäudefokussierung in
bzw. Teilnehmern eines immobilienwirtschaftlichen                                 Bezug auf die Verwendung generierter Daten spiegelt
Ecosystems. Kann eine Immobilie also weit vor der Bau-                            sich u. a. in der Beantwortung zur Frage hinsichtlich des
oder Nutzungsphase bereits digital zum Leben erweckt                              Monatearisierungspotentials von Daten wieder.
werden, können hierbei auch frühzeitig die relevanten

          Daten, die in Ecosystems für die Serviceerbringung generiert werden, besitzen ein hohes Monetarisierungspotenzial.

                                                                      0%
                                                                       4%

                                                            19 %                            29 %
                                                                                                                              trifft zu

                                                                                                                              trifft eher zu

                                                                                                                              trifft eher nicht zu

                                                                                                                              trifft nicht zu
                                                                     48 %                                                     keine Angabe

Abb. 13: Monetarisierungspotential von Daten im Ecosystem

                                                                                                                                                       23
HYPOTHESE bestätigt:                                     vielfältig diese sind zeigen Beispiele wie Airbnb, wo
      • Daten wird allgemein ein hohes Monetarisierungs-       durch die Analyse des Nutzerverhaltens die Konver-
        potential zugeschrieben, wenngleich durch die Um-      sionsrate von Buchungsanfragen deutlich gesteigert
        frageteilnehmer unterschiedlich bewertet               wurde oder UPS, wo jedes Jahr mehrere 100 Millionen
      • Der Einsatz von Daten liefert insbesondere im ge-      USD durch Routenoptimierung gespart werden. Dabei
        bäudenahen Kontext sowie in der Identifikation         handelt es sich um Optimierungen der eigenen opera-
        von Kundenbedürfnissen und Entwicklung neuer           tiven Prozesse. Aber auch mit dem Verkauf von Daten
        Services enormes Potential                             für Analysen kann Geld verdient werden – seien es
                                                               gesammelter Marktdaten wie bei Bloomberg oder Co-
                                                               star oder der Verkauf der aus den eigenen Zahlungs-
     Zusatzfrage                                               prozessen gewonnenen Datenanalysen, mit denen
     Inwiefern sehen sie bzw. ihr Unternehmen Monetari-        VISA im vergangenen Jahr 3 Milliarden Dollar Umsatz
     sierungspotential in der Verwendung von Daten?            generierte. Die Immobilienbranche ist noch weit von
                                                               datengetriebenen, digitalen Geschäftsmodellen ent-
     Dr. Thomas Herr, Vorstandsvorsitzender EVANA AG           fernt. Der Großteil von Digitalisierungsprojekten zielt
     „Für Daten gibt es zwei grundsätzliche Verwendungen       derzeit auf Automatisierung und Effizienzsteigerung
     – in analytischen Anwendungsfällen zur Verbesserung       in den Unternehmensprozessen. Die Monetarisierung
     von Entscheidungsprozessen und in operativen Anwen-       von Daten durch Verkauf an Dritte ist für die meisten
     dungsfällen wie der Einbettung von datengetriebener In-   Unternehmen noch Zukunftsmusik. Doch, wie auch die
     telligenz in Produkte und Services. Entsprechend unter-   Befragung ergab, haben Gebäudedaten und mehr noch
     scheiden sich auch die Monetarisierungspotentiale. Wie    Nutzerdaten ein hohes, noch ungenutztes Potential.“

     Change (Hypothese 8)
                                                               eigenen Unternehmenskultur an neue, kollaborative
       HYPOTHESE: Die erfolgreiche Teilnahme an Ecosys-        Arbeitsumgebungen zu erkennen. Auffällig ist hierbei,
       tems führt zu einem Veränderungsbedarf der Unter-       dass gerade bei den befragten PropTechs / ConTechs
       nehmen, insbesondere hinsichtlich der benötigten        keine eindeutige Mehrheit die Hypothese bestätigt, was
       Kompetenzen der Mitarbeiter.                            auf eine bereits stattgefundene bzw. seit Bestehen des
                                                               Unternehmens vorhandene kollaborative Arbeitsumge-
     Ecosystems als zeitgemäße Form der unternehmens-          bung hinweist. Der Faktor Change scheint bei diesen
     übergreifenden Kollaboration haben deutliche Auswir-      also weniger dringend bewertet zu werden als bei einem
     kungen auf die strategische Ausrichtung der befragten     Großteil der weiteren Teilnehmer der Umfrage.
     Unternehmen (vgl.  Kapitel „Vision und Strategie“). So    Im Umkehrschluss ist anzunehmen, dass bei dem Groß-
     stellt sich die Frage, welchen Einfluss diese mögliche    teil der befragten Akteure momentan noch wenig Fokus
     Neuausrichtung auf die etablierte Unternehmenskultur      auf der Kollaboration liegt und deshalb die Arbeitsumge-
     nehmen kann. Hierzu haben ein Großteil der Umfrage-       bung an die neuen Anforderungen in einem Ecosystem
     teilnehmer angegeben, einen Anpassungsbedarf der          angepasst werden muss.

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