Docs #3 - VIDEO-WISSEN. KÜNSTLERISCHE MEDIENFORSCHUNG IN DER FRÜHEN VIDEOKUNST - KIT

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Docs #3 - VIDEO-WISSEN. KÜNSTLERISCHE MEDIENFORSCHUNG IN DER FRÜHEN VIDEOKUNST - KIT
.docs #3
                                    NO. 3/3 SOMMER 2020

VIDEO-WISSEN. KÜNSTLERISCHE MEDIENFORSCHUNG
IN DER FRÜHEN VIDEOKUNST
                                      by
Docs #3 - VIDEO-WISSEN. KÜNSTLERISCHE MEDIENFORSCHUNG IN DER FRÜHEN VIDEOKUNST - KIT
IMPRESSUM                                                                             INHALT

ARCHLAB.DOCS #3
NO. 3/3 SOMMER 2020

VIDEO-WISSEN. KÜNSTLERISCHE MEDIEN-
FORSCHUNG IN DER FRÜHEN VIDEOKUNST

KIT                                   Team arch.lab Tranche 3/3 2020:        Das arch.lab ist eine Plattform für For-                                                              TIMELINE 4
Karlsruher Institut für Technologie   Dr. Barbara Filser                     schung in der Lehre in den Studiengän-                                                                 SS 2020
Fakultät für Architektur              Dipl.-Ing. Hannah Knoop                gen Architektur und Kunstgeschichte.
arch.lab + kg                         M.A. Tim Panzer                        Je Studienjahr vergibt das arch.lab
                                      M.A. Abbas Rahmani                     bis zu sechs Förderungen an Seminar-
Englerstraße 11                       Dipl.-Ing. Stefan Sander               konzepte der Fakultät, die für das neu
76131 Karlsruhe                       M.A. Lydia Schubert                    eingeführte Modul „Forschungsfelder“
                                      Dipl.-Ing. Eleni Zaparta               im Masterstudiengang Architektur                                                              SEMINARBERICHT 6
arch.lab.docs No. 3 2020                                                     entwickelt werden. Die geförderten         Video-Wissen. Künstlerische Medienforschung in der frühen Videokunst
Herausgeber: arch.lab ©2020           Verantwortlich für das Seminar         Lehrpersonen bilden gemeinsam das
Fakultät für Architektur              „Video-Wissen. Künstlerische Medien- arch.lab, welches strukturell an die
                                      forschung in der frühen Videokunst“    Studienkommission angeschlossen
Projektleitung LehreForschung plus:   Tranche 3/3 2020: Dr. Barbara Filser   ist, insti­tutsübergreifend arbeitet und
Prof. Markus Neppl, Studiendekan                                             in das KIT-weite Projekt „LehreForschung
                                      Mit Dank an das ZKM | Zentrum für      plus“ eingebunden ist. Die Arbeits-                                              ERGEBNISSE DER STUDIERENDEN 14
Leitung arch.lab:                     Kunst und Medien Karlsruhe (Margit     formate des arch.lab erkunden die
Dr.-Ing. Peter Zeile                  Rosen, Felix Mittelberger, Hartmut     Möglichkeiten einer peer-to-peer-Re-
M.Sc. Yasemin Kaya                    Jörg, Andreas Brehmer) für die Unter- flexion forschungsorientierter Lehre
                                      stützung                               unter Einbezug von methodischen
Begleitung durch Dekanat:                                                    Ansätzen des „Design-based Rese-
Dr.-Ing. Judith Reeh                  Studierende:                           arch“, des „Scholarship of Teaching
                                      Christina Dürr, Anna Hosseini, Kathrin and Learning“ und der Autoethno-
lab.arch.kit.edu                      Kuna, Lara Merz, Carina Proß, Caragh graphie. Die kritische Reflexion des
kg.ikb.kit.edu                        Sheehan (Studierende des B.A. und      eigenen methodischen Forschungszu-
arch.kit.edu                          M.A. Kunstgeschichte)                  gangs bildet dabei den Ausgangspunkt
                                      (SS 2020)                              für eine jeweils individuelle Schärfung
                                                                             des Forschungshandelns und dessen
                                                                             didaktischer Vermittlung.
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TIMELINE

VIDEO-WISSEN. KÜNSTLERISCHE MEDIENFORSCHUNG IN DER FRÜHEN VIDEOKUNST

                    PHASE 1: ÜBERPRÜFEN DES FORSCHUNGSANSATZES
Seminarphasen

                                                                                    PHASE 2: VERTRAUTMACHEN MIT ARBEITSMITTELN UND METHODEN

                                                                                                        PHASE 3: SICHTEN UND ERSCHLIESSEN
                                                                                                        AUSGEWÄHLTER VIDEOS

                                                                                                                                                                                                             PHASE 4: ERARBEITEN BESCHREIBENDER UND ERKLÄRENDER TEXTE

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      EINPFLEGEN DER ERGEBNISSE IN DIE
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      VIDEOARCHIVDATENBANK DES ZKM
Lernziele              ERWERBEN VON KENNTNISSEN ZU VIDEOKUNST, MEDIENGESCHICHTE, MEDIENTHEORIE, GESCHICHTE DER 1960ER- UND 1970ER-JAHRE

Anleitungen,          Einführung, obligatorische und fakultative Lektüre, Textdiskussion, Materialsichtung, Austausch in der Gruppe, Input der Dozentin
Tutorials,
didaktisches Tool      KENNENLERNEN DER ABLÄUFE GEISTESWISSENSCHAFTLICHER FORSCHUNG

                      Eigene Rechercheerfahrung und kontinuierliche, geleitete Reflexion der geleisteten Forschungsarbeit in den Seminartreffen

                                                                                     ERLERNEN DATENBANKGESTÜTZTER ERSCHLIESSUNG VON SAMMLUNGS- UND ARCHIVGUT

                                                                                                                                                                                        Einführungsvortrag, in der Datenbank für die Seminarnutzung angelegte Hilfen, angeleitete Einarbeitung in der Gruppe, Austausch mit dem Ersteller der Datenbank,
                                                                                                                                                                                        selbstständiges Einpflegen der erarbeiteten Daten und Texte
                                                                                                         METHODEN ENTWICKELN UND VERMITTELN

                                                                                                        Erprobung von Methoden der Analyse des Videomaterials, Anfertigung von
                                                                                                        Sichtungsnotizen und Sequenz- bzw. Einstellungsprotokollen

                                                                                                                                                   FORSCHEN ZU SAMMLUNGS-
                                                                                                                                                   BZW. ARCHIVGUT

                                                                                                                                                  Arbeit an Material-Korpora in
                                                                                                                                                  Kleingruppen, wöchentliche Berichte                                                                                        FINALISIEREN DER ERGEBNISSE
                                                                                                                                                  über die Ergebnisse, Diskussion und
                                                                                                                                                  Austausch über das Vorgehen                                                                                               Verfassen eigener Texte zu den gesichteten Videos anhand einer Aufgabenliste, Lektorat und Korrekto-
                                                                                                                                                                                                                                                                            rat, selbstständige Eingabe in die Datenbank

Was?                EINFÜHRUNG            FEIERTAG           ÜBERPRÜFUNG            EINFÜHRUNG          ÜBUNG VIDEO-        BESPRECHUNG           BESPRECHUNG         VIDEOSICH-        ERGEBNISSE           ERGEBNISSE          ERGEBNISSE            ERGEBNISSE           AUFBEREITEN      AUFBEREITEN              FINALISIEREN DER DATENBANKEINGABEN
                                                             FORSCHUNGSAN-          DATENBANK           ANALYSE             SCHREIBÜBUNG          VIDEOSICHTUNG       TUNG              VIDEOSICHTUNG        RECHERCHEN I        RECHERCHEN II         RECHERCHEN III       DER ERGEBNISSE I DER ERGEBNIS-
(Format/ Inhalt                                              SATZ                                                                                                                                                                                                                            SE II
d. Veranstaltung)                                                                                                                                                     Selbstständi-
                    Seminarthema,                            Diskussion der         Grundlagen der      Verfassen von       Textkritiken,         Analyse der Me-     ges Sichten       Berichte über die    Austausch über      Austausch über        Austausch über       Besprechung der     Besprechung           Fertigstellen der beschreibenden Texte, Einpflegen von
                    Ablauf, Materialien                      theoretischen          Datenerfassung      Beschreibungen      Diskussion über       dia-Primer-Tapes    ausgewählter      einzelnen Videos,    Fortschritte und    Arbeitsfortschritte   Arbeitsergebnis-     Arbeitsfortschritte des Stands der        Texten und Angaben in die Datenbank, Zusammenstellen
                                                             Fundierung an-         in Archiven,        für Beispielvideo   Möglichkeiten         als Beispiele für   Videos aus dem    Verständigung über   Probleme bei den    und hilfreiche        se, Berichte zu      bei der Texterstel- Datenbankeinträ-      einer Auswahl von Standbildern, abschließendes Überprüfen
                                                             hand ausgewähl-        Vorstellung der                         der Analyse von       Video-Wissen        Archivbestand     weitere Arbeits-     Recherchen zu       Quellen               weiteren Videos,     lung, Rekapitu-     ge, Festlegung der    der Einträge
                                                             ter Texte              Videoarchivdaten-                       Videomaterial                                               schritte             den Videos                                Aufgabenvertei-      lation der für die  Arbeitsschritte für
                                                                                    bank, Übung zum                                                                                                                                                    lung für die Texte   Datenbankeinträge die Finalisierung
                                                                                    Umgang mit der                                                                                                                                                     zu Personen,         benötigten Informa- der Eingaben
                                                                                    Datenbank                                                                                                                                                          Ereignissen und      tionen
                                                                                                                                                                                                                                                       Orten

                                              SW 2                                       SW 4                                     SW 6                                     SW 8                                   SW 10                                      SW 12                                    SW 14
                         SW 1                                      SW 3                                      SW 5                                         SW 7                               SW 9                                      SW 11                                     SW 13                                     SW 15                                HERBST 2020

                    Lektüre von Texten zum Thema;                                                                                                 Sichtung verschiedener Videos aus
                    Durchsicht wichtigen Forschungs-                                                                                              dem Archivbestand und Recherchen
to do Studierende   materials                                Kenntnis der theo- Beschreibung des ersten Videos                                    dazu                                                                                                                      Sichtungsnotizen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Aufbereiten der Ergebnisse
                                                             retischen Fundie-                                                                                                                                                                                              und Einstellungs­
                                                                                                                             Kurztexte zu
Ergebnisse                                                   rung des Themas,
                                                                                                                             Beispielvideo                                                                                                                                  protokolle,                               Kurztexte zu                            vervollständigte
                                                             Zusammenfassung                                                                                                                                                                                                                                          Personen, Orten,                        Datenbankeinträ-
                                                                                                                                                                                                                                                                            Standbilder zu Re-
                                                             ausgewählter                                                                                                                                                                                                                                             Ereignissen, be-                        ge für die weitere
                                                                                                                                                                                                                                                                            cherchezwecken,
                                                             Forschungsmate-                                                                                                                                                                                                                                          schreibende Texte                       Forschung
                                                                                                                                                                                                                                                                            Materialsammlung
                                                             rialien                                                                                                                                                                                                        für die Recherche                         zu den Videos

                                                                                4                                                                                                                                                                                                          5
Docs #3 - VIDEO-WISSEN. KÜNSTLERISCHE MEDIENFORSCHUNG IN DER FRÜHEN VIDEOKUNST - KIT
SEMINARBERICHT   noch über Bestrebungen hinaus, Video als                 Es ging – so die These des hinter dem Se-
                                                                                                                                             neues Lehrmittel einzusetzen, der Informa-               minar stehenden Forschungsvorhabens –,

VIDEO-WISSEN
                                                                                                                                             tionsmacht des Fernsehens mit einem gue­                 immer auch darum, die konstatierte ‚radika-
                                                                                                                                             rrilla television entgegenzutreten oder die              le kulturelle Veränderung‘, die der Aufstieg
                                                                                                                                             mediale Kommunikation durch Bürger*in-                   des Fernsehens mit sich brachte, mitzuvoll-
                                                                                                                                             nenbeteiligung zu demokratisieren, die sich              ziehen und Video als Medium eines in Form

KÜNSTLERISCHE MEDIENFORSCHUNG IN DER FRÜHEN                                                                                                  in Statements, Programmen, Material und
                                                                                                                                             Handeln besonders von Kollektiven wie der
                                                                                                                                             Raindance Corporation, den Videofreex,
                                                                                                                                                                                                      und Gehalt neuen Wissens zu erkunden. Mit
                                                                                                                                                                                                      dem leichten, tragbaren Videogerät, das in
                                                                                                                                                                                                      der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre in den

VIDEOKUNST                                                                                                                                   People’s Video Theater oder Global Village
                                                                                                                                             manifestieren [siehe dazu u. a. Robé 2017, 67–20].
                                                                                                                                                                                                      USA und Japan und danach auch im west-
                                                                                                                                                                                                      lichen Europa auf den Markt kam, sah man
                                                                                                                                                                                                      die technischen Voraussetzungen dafür ge-
Dr. Barbara Filser                                                                                                                                                                                    geben.

                                                                                                                                                                                          Um die angestrebte Wissensrevolution
                                                                                                                                                                                       realisieren zu können, war es jedoch zu-
                                                                                                                                                                                       nächst notwendig, die Möglichkeiten von
                                                                                                                                                                                       Video auszuloten. Wollte man nicht hinter
                                                                                                                                                                                       den eigenen Ansprüchen zurückstehen,
                                                                                                                                                                                       wäre das idealiter im Medium selbst durch-
                                                                                                                                                                                       zuführen. Zu überprüfen ist also, ob sich das
                                                                                                                                                                                       Generieren eines solchen ‚Video-Wissens‘–
                                                                                                                                                                                       eine Produktion und Reflexion von Wissen
                                                                                                                                                                                       über Video im Medium selbst – oder zumin-
                                                                                                                                             Michael Shamberg: A Media Primer, 1970, dest dahingehende Versuche in der prak-
                                                                                                                                             ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karls- tisch-künstlerischen Videoarbeit der frühen
                                                                                                                                             ruhe                                      Jahre nachweisen lassen. In diese Richtung
                     Zu Beginn der 1970er-Jahre wird von Videoschaffenden die Forderung nach einer Wissensre-                                ©Raindance Foundation                     deuten immerhin bereits Titel wie Media Pri-
                     volution laut, die dem gerade angebrochenen Medienzeitalter Rechnung tragen sollte. Vertre-                                                                       mer für eine Reihe von Tapes der Raindance
                     ten wurde dieses Anliegen ausdrücklich von der US-amerikanischen Videogruppe Raindance                                                                            Corporation aus den Jahren 1970/71 oder
                     Corporation. Material aus deren Videoarchiv, das zu den Sammlungsbeständen des ZKM |                                                                              The World’s Largest TV Studio für die Doku-
                     Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe zählt, wurde von den Seminarteilnehmerinnen mit                                                                            mentation der Democratic National Conven-
                     Fokus auf ein Video-Wissen wissenschaftlich erschlossen.                                                                                                          tion des Jahres 1972 durch Top Value Tele-
                                                                                                                                                                                       vision (TVTV), einem Zusammenschluss von
                                                                                                                                                                                       Mitgliedern diverser Videogruppen.
                     Hintergrund der Forschungstätigkeit                    entsprechend lautet die Forderung, die das
                         „The 1960s were a Pearl Harbor of the              deutlich von McLuhans Thesen inspirier-
                     senses. Whole new technologies conditio­               te „Meta-Manual“ von Guerrilla Television                                                                                 Forschungsgegenstand
                     ned us from birth to relate to a world which           durchzieht, mittels der neuen Werkzeuge                                                                         Das ZKM hält mit seiner Sammlung von
                     was not that of our parents’ childhood. It             der elektronischen Audiovision eine dem an-                                                                  Videoarchiven umfangreiche Materialkorpo-
                     came as a sneak attack because print-man,              gebrochenen Medienzeitalter entsprechen-                         Aktionstag zum Umweltschutz, New York ra für die Untersuchung einer künstlerischen
                     impervious to his own bias, was unable to              de Form nicht nur der Vermittlung, sondern                       City, 1970, The Raindance Video Collection, Medienforschung in den Anfangsjahren
                     perceive that any time there is a radical shift        auch von Wissen selbst zu entwickeln und                         MoMA New York, ZKM | Zentrum für Kunst der Videokunst vor. Zentral dafür sind die
                     in the dominant communications medium of               zu erproben. Die in den frühen Jahren in der                     und Medien Karlsruhe, ZKM-01-0085-rf002 Videoarchive der 1969 gegründeten Rain-
                     a culture, there’s going to be a radical shift         Videoszene verfolgten Anliegen gehen damit                       ©Raindance Foundation                       dance Corporation (später zu Raindance
                     in that culture“ [Shamberg/Raindance Corporation                                                                                                                    Foundation umbenannt; im Folgenden auch
                     1971, „Meta-Manual“, 1].                                                                                                                                            kurz: Raindance) mit 535 verzeichneten
                                                                                                                                                                                         Bändern und der Raindance-Mitglieder Ira
                        So formulierte Michael Shamberg, Mit-                                                                                                                            Schneider und Paul Ryan. Das audiovisuel-
                     glied der Raindance Corporation, im 1971                                                                                                                            le Material besonders von Videokollektiven
                     veröffentlichten Handbuch Guerrilla Tele-                                                                                                                           wie Raindance ist jedoch nicht nur für die
                     vision eine Auffassung, die die Arbeit vieler                                                                                                                       Erforschung der Videokunst oder auch ei-
                     künstlerischer und aktivistischer Video-                                                                                                                            ner aktivistischen oder pädagogischen Me-
                     schaffender der späten 1960er- und frühen                                                                                                                           diennutzung von herausragendem Interes-
                     1970er-Jahre motivierte. Das Fernsehen                                                                                                                              se. Die videografische Begleitung aktueller
                     hatte sich in den USA bereits zu diesem ‚do-                                                                                                                        Ereignisse – seien diese politischer, gesell-
                     minanten Kommunikationsmedium‘ entwi-                                                                                                                               schaftlicher, kultureller oder subkultureller
                     ckelt, das sich in den Augen des führenden                                                                                                                          Natur –, Aufzeichnungen von Nachrichten-
                     Medientheoretikers jener Jahre, Herbert                Literatur zur frühen Videokunst, darunter das                    Interview mit Passant*innen, New York sendungen, Aufnahmen prominenter politi-
                     Marshall McLuhan, sogar auf die Wahrneh-               1971 erschienene Guerrilla Television von                        City, 1970, The Raindance Video Collection, scher Akteure und namhafter Intellektueller,
                     mungsweise einer mit dem damals noch                   Michael Shamberg und der Raindance Cor-                          MoMA New York, ZKM | Zentrum für Kunst aber auch Gespräche mit Bürger*innen auf
                     jungen Medium aufgewachsenen Generati-                 poration                                                         und Medien Karlsruhe, ZKM-01-0085-rf506 der Straße können, besonders in unbear-
                     on auswirkte [McLuhan 1992, 352–383]. Dem-             Foto: Barbara Filser                                             ©Raindance Foundation                       beiteter Form, heute als Dokumente von

                                                                        6                                                                                                                         7
Docs #3 - VIDEO-WISSEN. KÜNSTLERISCHE MEDIENFORSCHUNG IN DER FRÜHEN VIDEOKUNST - KIT
zeitgeschichtlichem Wert gelten. In einem              Dazu zählt auch die Aufbereitung der Re-
zeitgenössischen Bericht über die Arbeit mit           chercheergebnisse zu einzelnen Objekten
Video für die Kunstzeitschrift Art in America          in Texten, die im musealen Alltag verwertet
vermerkte Chloe Aaron, dass ein geplantes              werden können.
Videomagazin von Global Village „tapes on
urban communes, on macrobiotic cooking,
the draft law and the Black Panthers“ enthal-          Vorgehen
ten sollte [Aaron 1971, 75] und ein vergleichba-    In einem ersten Schritt wurde die Aus-
res Spektrum lässt sich auch im Videoarchiv     gangsthese – das Anliegen einer Wissensre-
der Raindance Foundation ausmachen. Aus         volution, die durch das Fernsehen notwendig
den genannten Beständen des ZKM wurden          geworden war – überprüft, indem Auszüge
für das Seminar digitalisiert vorliegende Bei-  aus McLuhans Understanding Media und
spiele ausgewählt, die von den Seminarteil-     dem „Meta-Manual“ aus Guerrilla Televisi-
nehmerinnen zu sichten und wissenschaft-        on gelesen und diskutiert wurden. Um sich
lich zu erschließen waren.                      mit einer der zentralen zeitgenössischen
                                                Quellen zur frühen Videokunst vertraut zu
                                                machen, haben die Seminarteilnehmerin-
Ziele/Lernziele                                 nen zudem einzelne Ausgaben der zwischen
    Aufgrund der pandemiebedingten Ein- 1970 und 1974 von Raindance veröffentlich-
schränkungen musste die geplante kura- ten Zeitschrift Radical Software durchgese-
torische Komponente, die die Erarbeitung hen, die der Vernetzung und dem Austausch
eines kommentierten Videoprogramms für der Videoschaffenden jener Jahre diente.                      Auszug aus der Sammlung an Literatur zum Thema auf der Lernplattform Ilias des KIT
eine hochschulöffentliche oder öffentliche Für einzelne Hefte wurden die jeweiligen
Präsentation vorsah, entfallen. Die Verlage- inhaltlichen Schwerpunkte und die Beiträge
rung des Schwerpunktes auf die Erarbeitung vermerkt, die für die Arbeit mit dem Video-
grundlegender Informationen zu einer Aus- material von Interesse sein könnten. Parallel
wahl an Bändern hat sich jedoch gerade im dazu erfolgte eine Einführung in die Systeme
Hinblick auf den Erwerb forschungsprakti- und Systematiken der Erfassung von Samm-
scher und beruflich relevanter Kenntnisse lungsgut durch Felix Mittelberger [ZKM | Archi-
als ertragreicher erwiesen.                     ve]. Vorgestellt wurde dabei auch die Video-
                                                archivdatenbank des ZKM, die den Rahmen
    Auf der inhaltlichen Seite sollten die Stu- für die Forschungsarbeit im Seminar vorgab.
dierenden einen vertieften Einblick in die Die online zugänglich gemachten Datensätze
Anfangsjahre der künstlerischen Arbeit mit zu den relevanten Beständen konnten von
Video erhalten, wichtige Namen, zentrale den Studierenden nicht nur durchsucht, son-
Anliegen und Debatten, relevante medien- dern auch ergänzt werden.
theoretische Positionen wie auch technikge-
schichtliche Entwicklungen kennenlernen.            Für eine erste Übung zur Videoanalyse
Darüber hinaus sollten die Seminarteilneh- und zum Umgang mit der Datenbank wurde
merinnen Kenntnisse der US-amerikanischen ein Band aus einem anderen zeitgenössi-
Geschichte der 1960er- und 1970er-Jahre schen Bestand herangezogen, dem National
erwerben, deren prägende Ereignisse in die Center for Experiments in Television in San
Kunst jener Jahre hineingewirkt haben.          Francisco. Die Arbeit dieser Einrichtung ist
                                                für die Forschungsfrage insofern interessant,
    Auf der forschungspraktischen Ebene als dass diese sich der Erprobung der spe-                   Videokassette und Hülle für Video (Kopie) aus dem National Center for Experiments in Televi-
sollten die Studierenden mit den Abläu- zifischen Eigenschaften der elektronischen                   sion, Archiv Gerald O’Grady, ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, ZKM-01-0077-
fen und grundlegenden Schritten von For- Audiovision und der daraus erwachsenden                     406
schungsprozessen in geisteswissenschaft- Gestaltungsmöglichkeiten verschrieben hat-                  ©ZKM (Foto)
lich-historischen Kontexten vertraut gemacht te [Filser 2014]. Mit dem gewählten Beispiel
werden. Ein weiteres wichtiges Ziel war das konnten die Studierenden auch ein ästhe-
Erlernen von Methoden der Analyse von Be- tisch-experimentelles Arbeiten mit Video                   der Analyse unterzogen werden konnten. Willibald Sauerländer mit der Kriminalistik
wegtbild-Arbeiten und die Erprobung von kennenlernen, das zur Abstraktion tendiert                   Im vorliegenden Fall haben sich vor allem und deren Spurensicherung verglichen wor-
Strategien, die Ergebnisse solcher Analysen und damit dem als eher dokumentarisch                    Sequenzprotokolle unter Zuhilfenahme von den ist [Sauerländer 1986, 47]. Betrieben wurde
zu dokumentieren. Zentrales Anliegen des klassifizierten Einsatz von Video durch das                 Standbildern als geeignet erwiesen, nicht von den Seminarteilnehmerinnen also geis-
Seminarvorhabens war, den forschenden guerrilla television von Gruppen wie der                       zuletzt, weil diese dabei helfen können, das teswissenschaftliche Grundlagenforschung,
Umgang mit Archiv- beziehungsweise Samm- Raindance Corporation diametral gegen-                      Rohmaterial zu identifizieren, aus dem die die zur alltäglichen Praxis im Sammlungs-
lungsgut zu ermöglichen.                        übersteht [siehe dazu u. a. Boyle 1990].             einzelnen Einstellungen stammen.             und Archivwesen zählt, da es darum ging,
                                                                                                                                                  wesentliche Informationen über das gesich-
   Berufsrelevante Fertigkeiten sollten die              In die Arbeit am Material der Rain­dance       Im weiteren Verlauf des Seminars waren tete Videomaterial zusammenzutragen und
Studierenden im Bereich der Inventarisie-              Corporation ist das Seminar mit den vier      die Studierenden dann primär mit Aufgaben in die Videoarchivdatenbank des ZKM ein-
rung und Katalogisierung von Sammlungsgut              Media-Primer-Tapes eingestiegen, die einen    beschäftigt, die in den Bereich dessen fal- zupflegen. Neben der Erhebung von grund-
erwerben, indem sie an der datenbankge-                deutlichen Werkcharakter aufweisen und        len, was in der Kunstgeschichte als Gegen- legenden Daten wie Länge des Bandes,
stützten Erschließung desselben arbeiten.              daher filmwissenschaftlichen Methoden         standssicherung bezeichnet wird und von Vorhandensein von Ton, Farbigkeit und der

                                                   8                                                                                              9
Docs #3 - VIDEO-WISSEN. KÜNSTLERISCHE MEDIENFORSCHUNG IN DER FRÜHEN VIDEOKUNST - KIT
Als Ausgangspunkt der wissenschaftli-            und Kurztexte sowie die Eingabe in die Da-
                                                                                                          chen Bearbeitung dienten die bei der Be-            tenbank haben die Studierenden größten-
                                                                                                          standserfassung seitens des ZKM in die              teils eigenständig unternommen. Auch die
                                                                                                          Datenbank aufgenommenen Transkriptio-               Möglichkeit, mit anderen Seminarteilneh-
                                                                                                          nen der Beschriftungen von Videobändern             merinnen zusammenzuarbeiten, war gege-
                                                                                                          und deren Boxen. Angesichts der meist sehr          ben, insbesondere wenn es um Bänder aus
                                                                                                          knappen Angaben war – um im von Sauer-              derselben Gruppe ging. Um Ergebnisse, aber
                                                                                                          länder gezeichneten Bild zu bleiben – teils         auch Problemfälle zu teilen, wurde eine ste-
                                                                                                          detektivische Spürarbeit notwendig, um das          tig wachsende Material- und Quellensamm-
                                                                                                          Gesehene überhaupt bestimmen und ein-               lung auf der Lernplattform Ilias angelegt.
                                                                                                          ordnen zu können. Zunächst wurden die Vi-           Über die Arbeitsfortschritte wurde jeweils in
                                                                                                          deos selbst auf Anhaltspunkte ausgewertet,          wöchentlichen Videokonferenzen berichtet.
                                                                                                          die Aufschluss etwa über Orte, Geschehen            Während dieser Online-Treffen hat die Semi-
                                                                                                          oder Namen von Beteiligten geben könnten,           nargruppe darüber hinaus Erfahrungen mit
                                                                                                          und bereits erste Beschreibungen skizziert.         den Prozessen der Recherche ausgetauscht
                                                                                                          Um die bis dahin gewonnenen Informatio­             und das weitere Vorgehen besprochen.
                                                                                                          nen zu überprüfen und weit möglichst zu
                                                                                                          vervollständigen – wie zum Beispiel die
                                                                                                          vollen Namen von Protagonist*innen einer            Fazit und Ausblick
                                                                                                          hitzigen Diskussion um Fördergelder für Vi-        Für das hinter dem Seminar stehende
                                                                                                          deokunst herauszufinden – sowie zum Teil       Forschungsprojekt wurde mit der Arbeit an
                                                                                                          auch überhaupt erst bewerten zu können –       der wissenschaftlichen Erschließung der
                                                                                                          etwa die Bedeutung einer dicht gedrängt auf    genannten Archivbestände ein wichtiger
                                                                                                          einer großstädtischen Straße flanierenden      Schritt getan. Auch wenn nur eine vergleichs-
                                                                                                          Menschenmenge zu erkennen - , wurde in         weise kleine Auswahl an Material bearbeitet
                                                                                                          weiterführenden Recherchen eine Vielzahl       werden konnte, hat sich die Relevanz der
                                                                                                          an Quellen herangezogen. Deren Spektrum        Bestände für die Frage nach einer künst-
                                                                                                          reichte von jüngeren Publikationen zur Ge-     lerischen Medienforschung bestätigt, und
                                                                                                          schichte der frühen Videoszene, Rückbli-       zwar nicht nur im Fall der Bänder, die auch
Auszug aus dem Sequenzprotokoll von Kathrin Kuna zu Ira Schneider: A Media Primer, 1970,                  cken öffentlicher Bildungs- und Forschungs-    inhaltlich um die Arbeit mit Video kreisen. So
ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe                                                              einrichtungen auf historische Ereignisse und   können auch die Aufzeichnungen von zeitge-
©Raindance Foundation (Abbildungen), Kathrin Kuna (Protokoll)                                             veröffentlichten Interviews mit Videoschaf-    nössischen Ereignissen wie dem Earth Day
                                                                                                          fenden jener Jahre über zeitgenössische Be-    in der Zusammenschau Aufschluss über An-
                                                                                                          richte in Zeitschriften und Zeitungen sowie    sätze zur Generierung eines neuen Wissens
                                                                                                          Jahresberichten maßgeblicher Förderein-        geben, indem sie unter anderem Interes-
                                                                                                          richtungen bis hin zu online verfügbaren Fo-   sensschwerpunkte und Herangehensweisen
                                                                                                          tografien, Film- und weiteren Videoaufnah-     sichtbar werden lassen und darüber hinaus
                                                                                                          men etwa der Kunstszene der 1960er- und        immer wieder den Blick auf Medienpräsenz
                                                                                                          1970er-Jahre.                                  und Medienberichterstattung lenken. Als
                                                                                                                                                         besonders interessant für die weitere Arbeit
                                                                                                              Der Ertrag dieser Recherchen wurde in könnte sich ein Vergleich zwischen Rohma-
                                                                                                          die Ausarbeitung der Beschreibungen und terial und aus diesem erstellten Zusammen-
                                                                                                          die Erstellung von Kurztexten zu den ein- schnitten erweisen.
                                                                                                          zelnen Videos eingebracht, die von den Se-
                                                                                                          minarteilnehmerinnen anschließend in die           Für die Studierenden bot das Seminar ne-
Versammlung des National Citizens Commit- Monitore und tragbare Videokamera, Michael                      Videoarchivdatenbank des ZKM eingepflegt ben dem Erwerb inhaltlicher und berufsprak-
tee for Broadcasting, Michael Shamberg: A Shamberg: A Media Primer, 1970, ZKM | Zen-                      wurden. Darüber hinaus flossen die gewon- tischer Kenntnisse die Möglichkeit, Einblick
Media Primer, 1970, ZKM | Zentrum für Kunst trum für Kunst und Medien Karlsruhe                           nenen Erkenntnisse in weitere Datenbank­ in einen grundlegenden Bestandteil wissen-
und Medien Karlsruhe                        ©Raindance Foundation                                         einträge ein, die als eigene Datensätze die in schaftlicher Arbeit zu gewinnen, dem in der
©Raindance Foundation                                                                                     den bearbeiteten Bändern vorkommenden Regel kaum Aufmerksamkeit zuteil wird. Als
                                                                                                          Personen, Orte und Ereignisse vorstellen. besonders lehrreich hat sich die Erfahrung
                                                                                                          Verknüpft mit den Datensätzen der Videos erwiesen, wie viel Aufwand und Zeit allein
Verzeichnung der Sprache von Texten, Kom-                       Für die Bearbeitung wurden Videos von     liefern sie zusammen mit den ebenfalls ei- für die Identifizierung, korrekte Benennung
mentaren/Erzählungen oder Dialogen stand                     Raindance aus dem Jahr 1970 ausgewählt,      gens angelegten Quellenverweisen wichtige und Beschreibung künstlerischer Erzeug-
bei den zu bearbeitenden Beständen die                       die sich in zwei Gruppen aufteilen ließen:   Hintergrundinformationen zu den bearbei- nisse notwendig sein kann – für Ergebnisse
Identifizierung, Benennung und Beschrei-                     Videos zum Earth Day und Aufzeichnungen      teten Bändern. Standbilder aus den Videos, also, die sich oberflächlich betrachtet eher
bung der Inhalte im Vordergrund sowie die                    von einer Reihe von Treffen zwischen Vi-     Porträtfotos und weitere Dokumente er- unspektakulär ausnehmen, aber die Vor-
Feststellung des Status’ einzelner Videos –                  deoschaffenden und Vertretern des New        gänzen das in die Datenbank eingegangene aussetzung für weiterführende Forschungs-
bearbeitetes oder Rohmaterial, Kameraauf-                    York State Council on the Arts, das zu den   Material, das die Arbeit der Seminargruppe arbeit mit den fraglichen Archivbeständen
zeichnungen oder ‚geschnittene‘ Tapes –,                     wichtigsten Geldgeber*innen für die junge    generiert hat.                                 liefert. Manifestiert hat sich im Verlauf des
die in manchen Fällen nur spekulativ vorge-                  Videoszene in und um New York zählte.                                                       Forschungsprozesses im Seminar darüber
nommen werden konnte.                                                                                         Die Sichtung der Videos, die Recherchen hinaus immer wieder, wie wichtig es ist, die
                                                                                                          dazu, das Verfassen der Beschreibungen eigenen Recherchen nachvollziehbar zu do-

                                                        10                                                                                               11
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kumentieren, vor allem dann, wenn keine            Angeführte Literatur
abschließend gesicherten Ergebnisse erzielt
                                                   Aaron, Chloe: „The Video Underground“, in: Art in America,
werden konnten.                                    Vol. 59, No. 3, 1971, S. 74–9.

                                                   Boyle, Deirdre: „A Brief History of American Documentary
    Herausgestellt hat sich aber auch, dass        Video“, in: Hall, Doug/Fifer, Sally Jo (Hrsg.): Illuminating
der zeitliche Rahmen einer einsemestri-            Video. An Essential Guide to Video Art, Aperture Foundati-
                                                   on: New York, NY, 1990, S. 51–69.
gen Lehrveranstaltung zu knapp bemessen
ist, um mit den notwendigen Arbeitsschrit-         Filser, Barbara: „Fernsehen Verstehen nach McLuhan: Das
                                                   National Center for Experiments in Television 1967-1975“,
ten – der unabdingbaren inhaltlichen Ein­          in: Navigationen. Zeitschrift für Medien- und Kulturwissen-
arbeitung, dem Vertrautmachen mit dem              schaften, Jg. 14, Nr. 2: 50 Jahre Understanding Media,
                                                   hrsg. von Mangold, Jana/Sprenger, Florian, 2014, S.
Arbeitswerkzeug Datenbank, möglichst               65–85.
selbstgeleiteten Recherchen und dem Er-
                                                   McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle. „Understanding
stellen beschreibender Texte – mehr als nur        Media“, ECON: Düsseldorf u. a. 1992 [engl. Orig. 1964].
eine sehr begrenzte Auswahl an Videos aus
                                                   Robé, Chris: Breaking the Spell. A History of Anarchist
dem Bestand zu erschließen. Auch aus die-          Filmmakers, Videotape Guerrillas, and Digital Ninjas, PM
sem Grund soll das Format im kommenden             Press: Oakland, CA, 2017.
Semester weitergeführt werden mit einem            Sauerländer, Willibald: „Die Gegenstandssicherung allge-
thematischen Schwerpunkt auf videografi-           mein“, in: Belting, Hans u. a. (Hrsg.): Kunstgeschichte. Eine
                                                   Einführung, Reimer: Berlin 1986, S. 47–57.
schen Aufzeichnungen von zeitgeschichtli-
chem Interesse. Die Zusammensetzung der            Shamberg, Michael/Raindance Corporation: Guerrilla
                                                   Television, Holt, Rinehart and Winston: New York/Chicago/
Seminargruppe wird dann eine andere sein,          San Francisco 1971.
sie kann aber, wie andere Wissenschaft-
ler*innen auch, auf die bereits erzielten
Ergebnisse des Sommersemesters 2020                                                                                Ausschnitt aus der Videoarchivdatenbank – Person: John Reilly (Global Village)
zurückgreifen, die über die Datenbank des                                                                          ©ZKM
ZKM der weiteren Forschung zur Verfügung
gestellt werden.

  Barbara Filser

                                                                                                                   Auszug aus der Quellen- und Materialsammlung zu den Videos von den Treffen zwischen
                                                                                                                   Videoschaffenden und Vertretern des New York State Council on the Arts auf der Lernplatt-
                                                                                                                   form Ilias

Ausschnitt aus der Videoarchivdatenbank – Band: The Raindance Video Collection, MoMA
New York, ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe / ZKM-01-0085-rf506
©ZKM

                                              12                                                                                                               13
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ERGEBNISSE DER STUDIERENDEN

NYSCA-VIDEOS
Anna Hosseini, Kathrin Kuna, Carina Proß, Caragh Sheehan

                  Zur Bearbeitung der Auswahl der Videos zu den beiden Themenschwerpunkten „Earth Day“                                     Arthur J. Kerr (Assistant Director for Pro- Alex Gross (aktiv bei der Art Workers’ Coaliti-
                  und „NYSCA“ haben sich die Seminarteilnehmerinnen zu zwei Gruppen zusammengefunden.                                      grams, NYSCA) im Jewish Museum, ZKM-01- on), sitzend im Vordergrund, sowie Mitglieder
                  Die Bänder wurden von den Studierenden jeweils einzeln gesichtet, die Rechercheergebnisse                                0085-rf248                                  von Raindance und People’s Video Theater,
                  dazu – besonders bei zusammenhängenden Aufzeichnungen – in der Gruppe ausgetauscht.                                      ©Raindance Foundation                       ZKM-01-0085-rf253
                  Von den Arbeitsfortschritten wurde dem gesamten Seminar berichtet.                                                                                                        ©Raindance Foundation

                  Anna Hosseini, Kathrin Kuna, Carina Proß               der Videofreex und der Art Workers’ Coaliti-
                  und Caragh Sheehan haben Videoaufzeich-                on. Anwesend ist zudem auf mehreren Tref-
                  nungen von Treffen zwischen verschiedenen              fen die Künstlerin Jackie Cassen, die sich für
                  Videogruppen und Vertretern des New York               die Belange selbstständig arbeitender Künst-
                  State Council on the Arts (NYSCA) gesich-              ler*innen stark macht. „Sie berichtet davon,
                  tet. „Das Ziel der Institution ist es, diverse         dass sie in den letzten Monaten mit verschie-
                  Kunst- und Kulturorganisationen zu fördern.            denen Personen gesprochen und dabei fest-
                  Der Förderantrag kann von kleinen bis zu               gestellt habe, dass viele Medienkünstler*in-
                  großen Organisationen gestellt werden. Zu-             nen und unabhängige Personen Interesse an
                  sätzlich möchte das New York State Council             der Arbeit mit Video haben. Da diese aller-
                  on the Arts es allen Bürgern des Bundesstaa-           dings über kein Equipment verfügen, spricht
                  tes ermöglichen, Kunst zu praktizieren“ [Anna          sie sich für die Idee einer Einrichtung aus, in
                  Hosseini, Kurztext zu Ort/Institution, Auszug].        der individuelle Künstler*innen Zugang zu                         Skip Blumberg (Videofreex), Peter Bradley Donald Harper (Program Director Special
                                                                         Videosystemen bekommen“ [Kathrin Kuna, In-                        (Program Director Film, TV/Media, Literature, Programs, NYSCA), ZKM-01-0085-rf488
                  Diskutiert wurde über mehrere Wochen im                halt ZKM-01-0085-rf238, Auszug]. Einer der strit-                 NYSCA), Jackie Cassen (Künstlerin), ZKM- ©Raindance Foundation
                  Herbst 1970 hinweg über den von der Rain-              tigen Punkte des Vorhabens war allerdings                         01-0085-rf238
                  dance Corporation eingegebenen Vorschlag,              die Frage nach der Organisationsstruktur und                      ©Raindance Foundation
                  mit den Fördermitteln des NYSCA ein für alle           wer an den entscheidenden Stellen vertre-
                  Videoschaffenden des Bundesstaates New                 ten sein sollte. Debattiert wurde in diesem
                  York zugängliches Center for Decentralized             Zusammenhang auch über die mangelnde
                  Television einzurichten, das institutionell an         Repräsentation afroamerikanischer und pu-
                  das Jewish Museum angebunden werden                    erto-ricanischer Gemeinschaften. Die sich
                  sollte.                                                verschärfende Auseinandersetzung über
                                                                         Zuständigkeiten und Befugnisse, die letzt-
                  Zwei der Videos zeigen eine Gesprächs-                 lich zum Scheitern des Plans führte, ist in
                  runde in dessen Räumlichkeiten zwischen                einem längeren Zusammenschnitt aus dem
                  Vertretern des Council, Raindance-Mitglie-             bearbeiteten und weiterem Material nach-
                  dern, dem Direktor des Museums und wei-                gezeichnet. „Die meiste Kritik kam von Rudi
                  teren Personen. „Paul Ryan [von Raindance]             Stern und John Reilly [von Global Village], die
                  spricht [dabei] das Thema der Finanzierung             zuvor mit Ira Schneider [nun Raindance-Mit-
                  an und stellt die Frage in den Raum, inwiefern         glied] zusammengearbeitet hatten. Sie be-
                  die Videokunst durch den Rahmen des Muse-              fürchteten, dass Raindance den größten Teil                       Michael Shamberg (Raindance Corporation), Ken Marsh (People’s Video Theater), John
                  ums verändert wird. Dies löst eine Diskussion          des Zuschusses für sich selbst beanspruchen                       ZKM-01-0085-rf253                         Reilly und Rudi Stern im Hintergrund (beide
                  über das Arbeiten mit Videokunst aus und               würde, was auch daran lag, dass Paul Ryan                         ©Raindance Foundation                     Global Village), ZKM-01-0085-rf488
                  darüber, wie sich die Gesellschaft und das             zu dieser Zeit als Berater des NYSCA tätig                                                                         ©Raindance Foundation
                  Museum wandeln“ [Carina Proß, Inhalt ZKM-01-           war. Das NYSCA nahm das Angebot daraufhin
                  0085-rf245, Auszug]. Unter den teils wechseln-         zurück und in der Videocommunity entstand
                  den Teilnehmer*innen der auf weiteren Bän-             eine angespannte Atmosphäre, die teilweise
                  dern festgehaltenen anderen Besprechungen              für mehrere Jahre anhielt“ [Kathrin Kuna, Kurz-
                  befanden sich unter anderem auch Mitglieder            text zu Ort/Institution, Auszug].                                 Alle Bilder auf Seite 15 und 17 sind Bildschirmfotos von Videos aus: The Raindance Video
                  von Global Village, People’s Video Theater,                                                                              Collection, MoMA New York, ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe

                                                                    14                                                                                                                 15
Docs #3 - VIDEO-WISSEN. KÜNSTLERISCHE MEDIENFORSCHUNG IN DER FRÜHEN VIDEOKUNST - KIT
ERGEBNISSE DER STUDIERENDEN

EARTH-DAY-VIDEOS
Christina Dürr, Lara Merz

                   Von Christina Dürr und Lara Merz wurde Videomaterial zum Earth Day bearbeitet. „Der Earth                           Schulkinder mit selbstgemachten Plakaten        Gruppe mit Banner auf der 5th Avenue,
                   Day wurde 1970 ins Leben gerufen und fand in diesem Jahr am 22. April in zahlreichen Städ-                          auf der 5th Avenue, ZKM-01-0085-rf506           ZKM-01-0085-rf506
                   ten in den USA statt. Damals waren ca. 20 Millionen Menschen an der Aktion beteiligt. Die                           ©Raindance Foundation                           ©Raindance Foundation
                   Idee stammt vom ehemaligen US-Senator Gaylord Nelson. Zweck der Aktion sollte es sein,
                   auf die Umweltverschmutzung aufmerksam zu machen und ein Bewusstsein für den Schutz
                   der Erde zu generieren“ [Lara Merz, Kurztext zum Event, Auszug].

                   Zwei der Bänder enthalten Aufzeichnungen              der Hauptattraktionen auf dem Platz festge-
                   von den Aktivitäten dieses ersten Aktionsta-          halten. „Darauf folgen einige Aufnahmen vom
                   ges zum Umweltschutz an den beiden Haupt-             Union Square und der Menschenmenge, die
                   schauplätzen in New York City. Teile der 5th          sich dort versammelt hatte, ein Puppenthea­
                   Avenue waren an diesem Tag für mehrere                ter wird an anderer Stelle aufgeführt, Men-
                   Stunden für den Kfz-Verkehr gesperrt und              schen sitzen auf der sonst befahrenen Stra-
                   zahlreiche Bürger*innen nutzten diesen Um-            ße, Plakate und Banner mit Aufschriften zum
                   stand, um bei schönem Frühlingswetter die             Umweltschutz schmücken den Platz“ [Lara
                   Straße entlang zu flanieren. Neben diesem             Merz, Inhalt ZKM-01-0085-rf002, Auszug].
                   Treiben zeigen die Aufnahmen Interviews mit                                                                         Protestaktion auf der 5th Avenue, ZKM-01- Fernsehkamera des Senders NBC auf der 5th
                   Vorbeigehenden, Schulklassen, die sich für    Auf einem weiteren Band fand sich ein Zu-                             0085-rf506                                Avenue, ZKM-01-0085-rf506
                   das Videoteam interessieren, und ähnliche     sammenschnitt zu den Earth-Day-Aktivi-                                ©Raindance Foundation                           ©Raindance Foundation
                   Szenen. „Das Video präsentiert die friedliche täten aus diesem und weiterem Material,
                   Atmosphäre, die an diesem Tag herrschte.      der besonders in einer langen Sequenz mit
                   Demonstranten, Schulkinder und andere Ak-     einem um die Flora des Veranstaltungs­
                   tivisten sind an kleineren Aktionen beteiligt.ortes äußerst besorgten Vertreter der New
                   Sie singen oder demonstrieren mit Plakaten,   Yorker Conservative Party satirische Züge
                   auf denen diverse Botschaften zum Thema       aufweist. Zum Earth-Day-Material zählte
                   Umweltschutz stehen. Eine Gruppe scheint      weiterhin ein Mitschnitt von Fernsehberich-
                   außerdem auf der Straße zu picknicken und     ten zu den Earth-Day-Veranstaltungen in
                   singt unter anderem ‚Happy Birthday‘ zu Eh-   verschiedenen größeren Städten der USA.
                   ren der Erde. […] Dokumentiert ist auch die   Auf den Anfang dieses Bandes wurde zudem
                   Präsenz der Presse, welche teilweise mit      eine Nachrichtensendung zum sogenannten
                   Kleintransportern durch die Menge fährt und   Kent-State-Massaker aufgespielt. Die blutige
                   das Geschehen aufzeichnet“ [Lara Merz, Inhalt Niederschlagung eines Protests gegen den
                   ZKM-01-0085-rf506, Auszug].                   Vietnamkrieg auf dem Campus der Kent Sta-
                                                                 te University, Ohio, durch die Nationalgarde                          Passant mit Schmalfilmkamera auf dem Uni- Earth-People’s-Park-bubble auf dem Union
                   Auf dem Union Square fanden auf einer gro- des Bundesstaates am 4. Mai 1970 hat einen                               on Square, ZKM-01-0085-rf002              Square, ZKM-01-0085-rf002
                   ßen Bühne Kundgebungen und Konzerte eigenen Datenbankeintrag erhalten, da sie                                       ©Raindance Foundation                           ©Raindance Foundation
                   statt. Informationsstände, Transparente und zu den prägenden Ereignissen jener Jahre
                   kreative Aktivitäten sind in dem Video zu se- zählt: „Dreizehn Sekunden, hunderte Schuss
                   hen ebenso ein Agitprop-Auftritt von Abbie Munition hinterlassen eine Bilanz des Schre-
                   Hoffman zusammen mit einer Gruppe junger ckens. Vier Tote, neun zum Teil schwerver-
                   Leute. Erneut kommen Besucher*innen vor letzte Studierende gehören genauso wie die
                   der Kamera zu Wort, darunter ein Schüler, US-Soldaten und Vietnamesen zu den Opfern
                   der die Wichtigkeit der mehrmaligen Wieder- des Vietnamkrieges“ [Christina Dürr, Kurztext zum
                   verwendung von Papiertüten und -bechern Event, Auszug].
                   hervorhebt. Mit der Earth People’s Park clean
                   air bubble, einer riesigen, begehbaren Blase                                                                        Alle Bilder auf Seite 15 und 17 sind Bildschirmfotos von Videos aus: The Raindance Video
                   aus transparentem Kunststoff, ist auch eine                                                                         Collection, MoMA New York, ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe

                                                                    16                                                                                                            17
Docs #3 - VIDEO-WISSEN. KÜNSTLERISCHE MEDIENFORSCHUNG IN DER FRÜHEN VIDEOKUNST - KIT
arch.lab.docs ist eine Publikationsreihe
des arch.lab / Plattform für Forschung in
der Lehre der Studiengänge Architektur
und Kunstgeschichte am KIT / Karlsru-
her Institut für Technologie.

arch.lab.docs #3/3
VIDEO-WISSEN
© arch.lab 2020

DOI: 10.5445/IR/1000129686
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