Downshifting: Leben ist in, Karriere ist out!
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Stress & Burn-out Downshifting: Leben ist in, Karriere ist out! Von Mirijam Franke Höher, schneller, weiter – so scheint das Motto vieler deutscher Arbeitnehmer zu lauten. Diese Einstellung kennt in der Regel nur eines der zwei Resultate: Entweder Sie schaffen es an die Spitze der Karriereleiter oder Sie landen früher oder später im Burnout. Ein neuer Trend bringt jetzt aber noch eine dritte Alternative direkt aus den USA: das Downshifting. Anzeige Photo by Sander Smeekes on Unsplash Inhalt 1. Downshifting – Work-Life-Balance statt Karriere 2. Wie viel Arbeit ist „zu viel“? 3. Downshifting, Sabbatical & Co: Aussteigen liegt im Trend 4. Ein Modell für die älteren Generationen? 5. Ein Bruch mit den gesellschaftlichen Konventionen 6. Der Teufelskreis aus Konsum und finanzieller Zwangsjacke 7. Woran möchten Sie sich auf dem Sterbebett zurückerinnern? 8. Downshifting hat viele Gesichter Downshifting – Work-Life-Balance statt Karriere Einfach mal herunterschalten und die Notbremse ziehen. Downshifting bedeutet beruflich kürzer zu treten und anstelle der Karriere eine ausgeglichene Work-Life-Balance zu wählen. Es ist ein mutiger Schritt, für viele Arbeitnehmer sogar undenkbar, und heißt in der Regel das Aus für die große Karriere. Gleichzeitig ist das Downshifting aber auch oft die letzte Möglichkeit zur Abwendung eines Burnout-Syndroms oder einer ähnlichen stressbedingten psychischen oder physischen Erkrankung. Wer sich für Downshifting entscheidet, verabschiedet sich zugleich von dem hohen Level an Stress, Hektik und Zeitnot, die in vielen deutschen Unternehmen herrschen. [Tweet “Wer sich für Downshifting entscheidet,
verabschiedet sich von hohem Stress, Hektik und Zeitnot.”] Es geht gleichzeitig aber durch die Reduktion der Arbeitszeit oder Verlagerung der Tätigkeitsbereiche mit einem geringeren Einkommen einher. In Deutschland wird deshalb auch von dem „gewählten einfachen Leben“ oder der „freiwilligen Einfachheit“ gesprochen. Erfahrungsberichte über Downshifting zeugen dennoch von einer deutlich höheren Lebensqualität. Das Sprichwort „Glück kann man sich nicht kaufen“ scheint in den meisten Fällen also durchaus zuzutreffen. Wie viel Arbeit ist „zu viel“? Die Zahlen psychischer oder physischer Krankheiten, die auf beruflichen Stress, Konflikte im Team oder anderweitig den Job zurückzuführen sind, steigen stetig und in rasantem Tempo an. Das berufliche Glück hängt dabei mit vielen verschiedenen Faktoren zusammen. Einer davon ist natürlich die Wochenarbeitszeit. Und genau hier setzt das Downshifting an. Doch wie viel Arbeit ist eigentlich „zu viel Arbeit“? Dies lässt sich pauschal natürlich nicht beantworten. In Deutschland üblich sind – zumindest auf dem Papier – 40 Stunden pro Woche. Im Artikel „Kampf der Geschlechter: Macht Arbeit nur Frauen krank?“ wurde bereits eine aktuelle Studie zitiert, laut welcher Frauen ab einer Wochenarbeitszeit von 50 oder mehr Stunden ein deutlich höheres Risiko für Folgeerkrankungen haben, während Männer mit dieser Arbeitsdosis noch sehr gut zurechtzukommen scheinen. Allerdings hängt dies vor allem mit der Doppel- oder sogar Dreifachbelastung zusammen, welchen die Frauen durch Job, Haushalt, Kinder oder pflegebedürftige Angehörige ausgesetzt sind. Bezüglich des Downshifting bedeutet dies, dass die für Sie „optimale“ Arbeitszeit stets auch mit Ihrer privaten Situation korreliert. Dennoch scheint es tatsächlich ein Arbeitspensum zu geben, welches Experten als „perfekt“ betrachten. Es handelt sich dabei um den Sechs-Stunden- Arbeitstag, wie er unlängst in einigen schwedischen Unternehmen als Pilotprojekt eingeführt wurde. Das Modell beruht auf der Annahme, dass Arbeitnehmer in nur sechs Stunden konzentrierter und dadurch ebenso produktiv wie in acht Stunden arbeiten können, einhergehend mit zahlreichen Vorteilen: • bessere Work-Life-Balance • weniger krankheitsbedingte Ausfälle und Fehlzeiten • Schonung der psychischen und physischen Gesundheit der Arbeitnehmer • gesteigerte Motivation und dadurch auch Produktivität • bessere Leistungsfähigkeit durch längere Entspannungszeiten • größere Identifikation mit dem Arbeitgeber und dadurch bessere Mitarbeiterbindung • u. v. m. Das Resultat des Pilotprojekts konnte diese Vorteile nicht nur bestätigen, sondern zum Teil sogar noch übertreffen. Demnach sei die Produktivität während des Sechs-Stunden- Arbeitstages gegenüber dem Acht-Stunden-Arbeitstag nicht nur gleich geblieben, sondern sogar noch angestiegen, so das Fazit der teilnehmenden Unternehmen. In Deutschland bleibt er dennoch bislang eher die Ausnahme als die Regel. Downshifting, Sabbatical & Co: Aussteigen liegt im Trend Zu jedem Trend gibt es ja bekanntlich einen Gegentrend. Ein solches Phänomen ist derzeit auch in der westlichen Gesellschaft zu beobachten. Ausgehend von den USA scheint sich jetzt auch die deutsche Bevölkerung in zwei verschiedene Gruppen zu teilen: Diejenigen, welche der großen Karriere nachjagen und ihr Glück im materiellen Wohlstand suchen, und ihr Gegenpart, der vom fahrenden Zug abspringt und sich wieder mehr auf immaterielle Werte
besinnt. Manchmal ist das nur eine Phase und nach einer aufregenden Weltreise oder einem entspannten Sabbatical geht es wieder mit Vollgas zurück ins Berufsleben. Wer sich jedoch für das Downshifting entscheidet, trifft damit in der Regel eine langfristige Entscheidung. Je nach Alter, können Sie diesen Ausstieg aus der Karriere nämlich nicht mehr rückgängig machen. Die Gründe für diese mutige Entscheidung können dabei absolut unterschiedlich sein und treten häufig in Kombination auf: • gesundheitliche Probleme • drohendes Burnout • schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie • familiäre Veränderungen • Veränderungen der finanziellen Situation • Verlagerung der Prioritäten • o.ä. Manch einer hat also endlich den Kredit für sein Haus abbezahlt und benötigt nun schlichtweg nicht mehr so viel Geld für den Lebensunterhalt und der andere hat vielleicht gemerkt, dass vor lauter Arbeit das Leben an ihm vorbeizuziehen scheint und es wieder an der Zeit für eine ausgewogenere Work-Life-Balance ist. Leider stecken manchmal natürlich auch weniger schöne Gründe dahinter, wenn zum Beispiel ein Angehöriger pflegebedürftig wird. Doch so oder so: Wer sich das Downshifting leisten kann, hat es bislang nur selten bereut – so die Auswertung aktueller Erfahrungsberichte. Weniger ist also tatsächlich manchmal mehr. Und dass es nicht immer mehr Geld sein muss für ein „Mehr“ an Lebensqualität, beweist uns die Strömung aus den USA. Auf diesen Zug aufzuspringen, sollten Sie deshalb zumindest hin und wieder einmal in Erwägung ziehen. Ein Modell für die älteren Generationen? Nein! Das Downshifting ist keinesfalls nur die Notbremse für ältere Arbeitnehmer, die kurz vor der Rente nicht mehr mit der Drehzahl im Berufsalltag mithalten können. Im Gegenteil: Immer mehr jüngere Angestellte oder sogar Berufseinsteiger kommen mit dieser Bitte zu ihren Vorgesetzten. Zugrunde liegen dem nicht etwa Faulheit oder eine bereits angeknackste Gesundheit durch ein stressiges Studium. Es ist schlichtweg eine neue Mentalität, die in der Generation Y um sich greift. Die Arbeit wird nicht mehr als das Wichtigste im Leben angesehen und viele Arbeitnehmer sind auch nicht mehr dazu bereit, sich selbst und ihre Freizeit gänzlich für eine Karriere aufzuopfern. Es sind neue Werte, die in den Vordergrund rücken. Selbstständigkeit, ein Leben als digitaler Nomade oder eine Auszeit vom Job, so oder so ähnlich sehen die Träume zahlreicher Arbeitnehmer aus. Diese umzusetzen jedoch, erfordert eine Menge Mut. Während viele Menschen diesen ihr Leben lang nicht fassen und nach und nach immer verbitterter ihren verpassten Chancen nachhängen werden, bietet das Downshifting eine risikofreie Alternative: Sie müssen Ihren Job nicht von heute auf morgen kündigen, sondern können die Arbeitszeit langsam herunterfahren und so das für Sie optimale Level finden. Klar, wer in die obersten Führungsetagen aufsteigen möchte, schießt sich damit selbst ins Aus. Für all die Freigeister unter Ihnen jedoch, die eher von der Hängematte am Strand oder dem Ballspielen mit den Kindern im Garten träumen als vom Porsche und der Villa in Monaco, stellt das Downshifting eine einmalige Chance dar.
Ein Bruch mit den gesellschaftlichen Konventionen Sie möchten nicht Karriere machen? Die Arbeit hat bei Ihnen nicht oberste Priorität? Sie möchten als Berufseinsteiger nur eine 70-Prozent-Stelle? Auf das Verständnis Ihrer Mitmenschen, vor allem Ihrer Kolleginnen und Kollegen, können Sie mit dieser Lebenseinstellung nicht unbedingt hoffen. Wir leben schließlich immer noch in der Kultur der klassischen deutschen Tugenden, welche uns – wenn nicht bereits durch die Eltern anerzogen – spätestens in Kindergarten, Schule und Studium eingebläut werden. Pünktlichkeit, Verantwortungsbewusstsein und vor allem Disziplin: So hat sich eine vorbildliche deutsche Arbeitskraft zu verhalten. Beschweren können wir uns darüber nicht, haben wir dieser Lebenseinstellung doch unsere Wirtschaftsmacht und den allgemeinen Wohlstand zu verdanken. Ein Wohlstand, den unsere Eltern- und Großelterngenerationen durch eben diese Tugenden aus einem großen „Nichts“, welches der Zweite Weltkrieg hinterlassen hatte, mit Schweiß und Fleiß wieder aufgebaut haben. Allerdings haben wir dieser Kultur auch die steigenden Zahlen psychischer und physischer Krankheiten zu verdanken. Die Selbstausbeutung ist quasi einer ihrer Grundpfeiler geworden. Das Downshifting als Notbremse kommt also gerade rechtzeitig. Gesellschaftlich akzeptiert ist es allerdings noch lange nicht, dessen müssen Sie sich bewusst sein, wenn Sie sich für diesen Weg entscheiden. Gegen den Strom schwimmt es sich bekanntlich schwieriger als mit ihm. Der Teufelskreis aus Konsum und finanzieller Zwangsjacke Auf die Frage, was ihnen wichtiger sei, Geld oder Lebenszeit, würden die meisten Menschen wohl mit Letzterem antworten. Abgehalten werden sie allerdings nicht nur durch den gesellschaftlichen Druck, sondern häufig haben sie sich auch bereits in den hierzulande üblichen Teufelskreis aus Konsum und finanziellem Wohlstand begeben. Wer nämlich ein hohes Einkommen hat, investiert dieses in der Regel in eine große Wohnung oder ein teures Auto mit hohen Folgekosten. Und wer viel hat, hat ja bekanntlich auch viel zu verlieren. Also wird weitergearbeitet, um den Lebensstandard halten oder sogar erhöhen zu können, was wiederum eine höhere finanzielle Verpflichtung mit sich bringt und hier schließt sich der Kreis. Wirklich glücklich allerdings, macht das nur in den seltensten Fällen. Konsum verleitet nämlich immer zu noch mehr Konsum und der Mensch verlernt die Zufriedenheit. Viele Menschen erkennen dies aber erst, wenn es schon (beinahe) zu spät ist. Je länger sie warten, umso schwieriger wird der Absprung. Um bei dieser Metapher zu bleiben, ist es also vielleicht in der Zeit sich einfach die Nase zuzuhalten, die Augen zu schließen und den Sprung ins kalte Wasser zu wagen. Anzeige Woran möchten Sie sich auf dem Sterbebett zurückerinnern? Der Tod ist die einzige Sicherheit, die wir im Leben haben. Wie und wann er kommen wird hingegen, wissen wir nicht. Das Glück auf „später“ zu verschieben oder dem Ruhestand entgegenzufiebern, ist daher eines der größten Irrtümer vieler Menschen. Fragen Sie sich also nicht: „Wie viel Geld muss ich jetzt verdienen, damit ich mir in zehn, 20 oder auch 40 Jahren meine Träume erfüllen oder ein entspanntes Leben führen kann?“ Fragen Sie sich viel lieber: „Woran möchte ich mich auf meinem Sterbebett einmal
zurückerinnern?“ In der Regel tauchen dann Antworten wie Familie, eine Weltreise oder auch einfach lustige Abende mit Freunden auf. Doch mal ehrlich, werden Sie sich denken: „Ich habe zwar mein ganzes Leben nur gearbeitet, aber dafür habe ich ein großes Haus und einen Porsche?“ Oder vielleicht kommt es sogar noch schlimmer und Sie haben Ihr Leben nur mit Arbeit verbracht und dennoch niemals die Karrierestufe erreicht, die Sie anstrebten. Denn Sie wissen ja: Nur von innen sieht ein Hamsterrad aus wie eine (Karriere) Leiter. Es ist daher an der Zeit, Ihr Leben einmal auf den Prüfstand zu stellen und sich unabhängig von gesellschaftlichen Konventionen auf Ihre individuellen Werte und Träume zu besinnen. Das Downshifting oder ein ähnliches Modell können dann zu Ihrer ganz persönlichen Notbremse werden. Sollten Sie stattdessen zu dem Resultat kommen, dass Sie sich bereits auf dem richtigen Weg befinden und derzeit mit Ihrer beruflichen und privaten Situation glücklich sind, dann ist das durchaus eine Gratulation wert. Denn Sie wissen ja: Zufriedenheit ist ein selten gewordenes Gut in dieser Gesellschaft. Downshifting hat viele Gesichter Also ab zum Arbeitgeber und „downshiften“? So einfach ist es leider nicht (immer). Ein Unternehmen hat keine Verpflichtung dazu, seinen Mitarbeitern das Downshifting zu ermöglichen. Dennoch haben viele Betriebe den neuen Trend bereits erkannt und müssen sich in den Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels je nach Branche bereits freiwillig oder unfreiwillig den Wünschen ihrer Angestellten anpassen. Neben der klassischen „Teilzeitstelle“ gehören dazu Job-Sharing, Sabbatical, Home-Office, Vertrauensarbeitszeit o.ä. Ist allerdings das für Sie passende Modell nicht dabei oder Ihre Unzufriedenheit rührt nicht (nur) von der vereinbarten Wochenarbeitszeit, sondern zum Beispiel von sinnentleerten Arbeitsinhalten oder einem schlechten Betriebsklima, so könnten doch die interne Versetzung oder ein Jobwechsel die für Sie geeignetere Alternative sein. Auch eine Kündigung kann schließlich die Möglichkeit zum Downshifting, für eine kurze Auszeit oder sogar den Sprung in die Selbstständigkeit darstellen. Hauptsache, Sie blicken im Sterbebett lächelnd auf Ihr Leben zurück! Oder was denken Sie? Mehr zum Thema • Lebenslust vs. Jobfrust: Macht weniger Arbeit glücklich? • 6-Stunden-Arbeitstag – Märchen oder bald auch in Deutschland? • Kampf der Geschlechter: Macht Arbeit nur Frauen krank?
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