Drogenrausch und Pandemie
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U N O D C -W E LT D R O G E N B E R I C H T 2 0 2 1 Im Mai 2021 in einer von Europol unterstützten Aktion sichergestellte Utensilien eines illegalen Kokainlabors in Rotterdam. Drogenrausch und Pandemie Immer mehr und immer billigeres Kokain gelangt nach Europa. Der Handel mit illegalen Drogen über das Darknet nimmt weiterhin deutlich zu. Die Covid-Pandemie hat laut dem jüngsten UNODC- Weltdrogenbericht langfristige Auswirkungen auf die Drogenmärkte. ehr als 700 Kilo illegale Drogen eingeklinkt. Mehr als 1,6 Tonnen Ko- ße Mengen Kokain hergestellt worden M und 35 Schusswaffen entdeckt, 81 Verdächtige festgenommen, darunter ein in Serbien wegen dreifa- kain wurden bei der Operation „Jumi- ta“ der spanischen Guardia Civil si- chergestellt. Mit Unterstützung von waren. Im gleichen Gebäude befand sich eine Garage, in dem Autos mit eingebauten Geheimfächern für den chen Mordes gesuchter Mann; 67 Häu- Europol ermittelte die Guardia Civil Drogenhandel geparkt waren. Mehrere ser und Wohnungen wurden bis An- gegen eine kriminelle Organisation, die Gebäude in Rotterdam und Den Haag fang Juni 2021 durchsucht: Das ist das große Mengen an Kokain aus Südame- wurden durchsucht. Beschlagnahmt Zwischenergebnis der Operation „Tro- rika auf dem Seeweg nach Spanien ge- wurden sieben Autos, in denen insge- jan Shield“ in Österreich. Bei dieser schmuggelt hatte. 29 Verdächtige wur- samt 37 Kilo Kokain versteckt waren. Operation handelt es sich um eine der den im April 2021 festgenommen und Acht Verdächtige wurden festgenom- größten Polizeiaktionen gegen die or- 16,5 Millionen Euro Bargeld beschlag- men. Gleichzeitig wurden im Raum ganisierte Kriminalität – geführt von nahmt. Die Ermittlungen begannen im Marseille in Frankreich Kokain im Europol und dem US-Bundeskriminal- August 2020. Verkaufswert von fünf Millionen Euro, amt FBI. Weltweit wurden bei dieser Bei einer gemeinsamen Aktion fran- Cannabisharz im Wert von 3 Millionen Aktion mehr als 800 Verdächtige in 16 zösischer und niederländischer Ermitt- Euro sowie 3,4 Millionen Euro Bargeld Ländern festgenommen. Über einein- ler mit Unterstützung von Europol beschlagnahmt. halb Jahre lang hatten Ermittler Tele- wurde am 26. Mai 2021 in der nieder- Im Hafen von Constantia in Rumä- FOTO: EUROPOL fongespräche von Mitgliedern krimi- ländischen Hafenstadt Rotterdam ein nien wurden bei einer länderübergrei- neller Organisationen abgehört und illegales Kokainlabor einer kriminellen fenden Aktion mit Unterstützung von sich in andere Kommunikationswege Organisation ausgehoben, in dem gro- Europol und Eurojust am 10. Mai 2021 ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 9-10/21 83
UNODC Mehr Drogenkonsumenten. 275 Mil- lionen Menschen haben im vergange- nen Jahr weltweit Drogen konsumiert, 36 Millionen davon leiden unter Ab- hängigkeit oder anderen drogenbeding- ten Problemen. Zwischen 2010 und 2019 ist die Zahl der Drogenkonsu- mentinnen und -konsumenten um 22 Prozent gestiegen. Das geht aus dem jährlichen Weltdrogenbericht des UNODC hervor, der am 24. Juni 2021 in Wien veröffentlicht wurde. Kokain. Beim Schmuggel von Ko- kain aus Südamerika erhalten spani- sche und italienische Banden zuneh- mend Konkurrenz durch organisierte Kriminelle aus der Balkan-Region, die auf dem Drogenmarkt teils ohne Zwi- schenhändler arbeiten und das Kokain direkt aus den Anden beziehen. Das habe laut Bericht zu „verstärktem Wettbewerb und verstärkter Effizienz“ geführt. Auch die Vertriebswege für die Kokainlieferungen nach Europa würden ausgebaut, sodass die Droge günstiger geworden sei. Durch die veränderten Handelsrou- ten und den steigenden Wettbewerb Drogengroßfund in Rumänien: 1,5 Tonnen Heroin im Wert von 45 Millionen Euro. komme nicht nur mehr und günstige- res, sondern auch reineres Kokain nach 1,5 Tonnen Heroin im Wert von 45 Belgien und den Niederlanden festge- Europa. Der Reinheitsgrad ist laut Millionen Euro sichergestellt. Das nommen. Diese erfolgreichen länder- UNODC im vergangenen Jahrzehnt um Suchtgift war in zwei mit Marmor- übergreifenden Polizeiaktionen zeigen, 40 Prozent gestiegen. Bereits vor der schiefern beladenen Containern ver- dass nach wie vor große Mengen an il- Pandemie hatte die weltweite Kokain- steckt. Zehn führende Mitglieder der legalen Rauschmitteln auf den europäi- produktion deutlich zugenommen: Drogenbande wurden in Rumänien, schen Drogenmärkten verfügbar sind. Zwischen 2014 und 2019 verdoppelte sie sich und erreichte einen neuen UNODC Höchststand von geschätzten 1.784 Tonnen. Die Hafenstädte Antwerpen, Drogen und OK ßenstellen für Rotterdam, Hamburg und Valencia sei- UNODC tätig. en wichtige Umschlagplätze. Abwas- Das Büro der Vereinten Nationen Geschäftsführerin seranalysen würden besonders hohe für Drogen- und Verbrechensbekämp- von UNODC ist Kokainwerte in den Niederlanden, Bel- fung (United Nations Office on Drugs seit 1. Februar gien, Großbritannien und in westdeut- and Crime – UNODC) wurde 2002 in 2020 die Ägypte- schen Städten zeigen, sagte UNODC- Wien eingerichtet und ist für die Kri- rin Ghada Waly. Analyst Thomas Pietschmann bei der minalpolitik der UNO zuständig. Das Das Büro bietet Präsentation des Weltdrogenberichts. Amt beschäftigt sich vorwiegend mit weltweit Unter- Weltgrößter Kokainproduzent ist den Feldern illegale Drogen, Geldwä- stützung und weiterhin Kolumbien. Allerdings ging sche, Korruption, organisierte Krimi- UNODC-Chefin technische Hilfe die dortige Kokaproduktion 2019 erst- Ghada Waly. mals seit sechs Jahren nennenswert zu- nalität, Menschenhandel und Terroris- bei der Eindäm- mus. Das Amt stellt Forschungs- und mung des Handels mit illegalen Dro- rück. Auf globaler Ebene trug das zu Analysearbeiten zur Verfügung, um gen und Bekämpfung gefährlicher Kri- einem Rückgang des Kokaanbaus um das Wissen und das Verständnis rund minalitätsfelder. UNODC veröffent- fünf Prozent bei. Wegen der Kontakt- um Drogen- und Kriminalitätsproble- licht jedes Jahr den Weltdrogenbericht, beschränkungen wurden „Partydrogen“ me zu erhöhen. in dem Informationen des UN-Amtes, wie Kokain und Ecstasy im Vorjahr FOTOS: EUROPOL, UNODC Im Wiener Büro sind über 300 Mit- von (Strafverfolgungs-)Behörden der zudem weniger konsumiert. arbeiterinnen und Mitarbeiter beschäf- UNO-Mitgliedstaaten sowie Analysen, tigt. Weltweit sind 1.800 Frauen und Berichte und Medienbeiträge zusam- Cannabis und Sedativa. Während Männer in Verbindungsbüros und Au- mengefasst sind. der Coronavirus-Pandemie wurden mehr Cannabis und Beruhigungsmittel 84 ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 9-10/21
W E LT D R O G E N B E R I C H T 2 0 2 1 Vom Zoll in Deutschland sichergestellte Tablettiermaschine für synthetische Drogen. konsumiert als zuvor. Das UNODC Mehr als die Hälfte der Todesfälle war Jahre hinaus verschlimmern. Zudem geht davon aus, dass die Pandemie auf Hepatitis zurückzuführen, die werde der illegale Anbau von Schlaf- langfristige Auswirkungen auf Ange- durch Injektionsnadeln übertragen wer- mohn und Koka-Pflanzen für die Opi- bot und Nachfrage von verbotenen den kann. Zudem gab es viele Überdo- um- bzw. Kokainproduktion zuneh- Substanzen haben wird. Der Gehalt der sis-Fälle mit Opioiden wie Fentanyl. men. Die Drogenmärkte hätten „ihre psychoaktiven Substanz Tetrahydro- Aktivitäten nach der anfänglichen Un- cannabinol (THC) in Cannabisproduk- Dark Web. Illegale Drogen im Wert terbrechung zu Beginn der Pandemie ten habe sich während der letzten von rund 264 Millionen Euro im Jahr schnell wieder aufgenommen“, heißt es zwanzig Jahre in den USA vervierfacht werden bereits über das anonyme Dar- im Bericht. Wegen der von der Pande- und in Europa verdreifacht. Ebenso ha- knet umgesetzt. Diese leichte Verfüg- mie ausgelösten Wirtschaftskrise wer- be sich der Anteil jener Personen er- barkeit könnte zu einer Beschleuni- de es zum Beispiel in Afghanistan im- höht, die Cannabis als harmlos einstu- gung des globalen Drogenkonsums mer attraktiver, Geld mit der Produkti- fen, trotz Studienergebnissen, wonach führen und Auswirkungen auf die öf- on von Opium zu verdienen. In Afgha- der Konsum von Cannabis insbesonde- fentliche Gesundheit haben, heißt es in nistan sei die Schlafmohnanbaufläche re bei Langzeitkonsumenten mit Ge- dem Report. im Vorjahr um 37 Prozent gestiegen. sundheitsschäden verbunden ist. Eine Das Land entwickle sich außerdem zu geringere Wahrnehmung der Risiken Folgen der Pandemie. Die Corona- einem wichtigen Amphetaminlieferan- führe zu einem höheren Konsum. virus-Pandemie habe laut Bericht zu ei- ten in der Region. Vor diesem Hintergrund gehe es ner höheren Nachfrage nach Drogen Obwohl der internationale Flugver- folglich darum, die Menschen über Ge- mit beruhigender Wirkung geführt. Die kehr durch die Pandemie weitgehend fahren aufzuklären und das öffentliche Pandemie werde langfristige Auswir- lahmgelegt wurde, habe der internatio- Bewusstsein zu stärken, um so den kungen auf Angebot und Nachfrage nale Schmuggel illegaler Drogen wei- Drogenkonsum einzudämmen, sagte von verbotenen Substanzen haben. Sie ter zugenommen. Ghada Waly, Generaldirektorin von treibe mehr Menschen zum Drogen- Auch Schulschließungen wegen der FOTO: DEUTSCHER ZOLL UNODC. missbrauch. Pandemie haben Auswirkungen: Aus Durch die Pandemie verstärkte Fak- Lateinamerika gebe es Berichte über 500.000 Drogentote. Im Jahr 2019 toren für Drogensucht wie Ungleich- kriminelle Gruppen, die Kinder für die starben eine halbe Million Menschen heit, Armut und psychische Probleme Drogenproduktion rekrutierten. an den Folgen von Drogenkonsum. würden die Lage voraussichtlich auf Werner Sabitzer ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 9-10/21 85
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