Durchs Land des Lichts - Deutscher Alpenverein

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Durchs Land des Lichts - Deutscher Alpenverein
Lykischer Weg

durchs Land
                    Stille Buchten, Ruinenstädte und Zitronenbäume vor oft noch schneebedeckten Zwei- und

                    Dreitausendern des Taurusgebirges: Einfach traumhaft ist diese Küstengebirgswanderung

                    durch Lykien an der südlichen türkischen Ägäisküste.

                                                                            Text und Fotos von Gaby Funk

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Durchs Land des Lichts - Deutscher Alpenverein
Lykischer Weg unterwegs

                                                                                                 Die Bucht Ölüdeniz: Hier
                                                                                                   fühlen sich Badegäste
                                                                                                   und Gleitschirmflieger
                                                                                                    gleichermaßen wohl.
                                                                                                   Wanderer starten hier
                                                                                                     zum Lykischen Weg,
                                                                                                  der über 500 Kilometer
                                                                                                    entlang der südtürki­
                                                                                                       schen Küste führt.

des Lichts
D
         ie „Sunday Times“ schrieb kurz    west-östliche Divan“ geschrieben, wenn    gleichzeitig einen dichten Baldachin aus
         nach Eröffnung des Lykischen      er diesen großartigen Weg zwischen Fe-    gelben Früchten bilden?
         Weges, er zähle zu den zehn       thiye und Antalya entlang der lykischen     Lykien heißt übersetzt „Das Land des
         schönsten Wanderrouten der        Mittelmeerküste kennengelernt hätte?      Lichts“, was nach der Begehung des We­
Welt. Was hätte wohl Goethe, der begeis­   Was wäre ihm alles auf- und eingefallen   ges selbst verwöhnte Globetrotter für
terte Bergwanderer und große Bewun­        in diesem gebirgigen, sonnenver­wöhnten   eine treffende Beschreibung halten. Das
derer der islamischen Dichtkunst und       Landstrich, in dem die Zitronenbäume      Licht bringt die vielen Farben der Land­
Philosophie, in seinem Spätwerk „Der       nicht nur ganzjährig blühen, sondern      schaft zum Leuchten – und am Abend

                                                                                                 DAV               6/2013 37
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zum Glühen. Goethe wäre aber auch an­        große Amphitheater bewundern. Oder            Die Route beginnt im 17 Kilometer von
gesichts der steinernen Relikte entlang      hohe Felsengräber wie in Myra, die aus­     Fethiye entfernten Dörfchen Ovacik an
des Weges fasziniert gewesen. Zeugnisse      sehen wie mehrstöckig übereinander in       der bewaldeten Flanke des Babadag
einer wechselvollen Geschichte und hoch                                                  (1969 m), der ein beliebtes Ziel von Dra­
entwickelten Kultur kann man auf dem                                                     chen- und Gleitschirmfliegern ist. Schon
509 Kilometer langen und in 25 Etappen       Hohe Felsengräber wie in senk-              nach wenigen Schritten auf dem zu­
aufgeteilten Weitwanderweg fast überall                                                  nächst noch breiten Wanderweg öffnet
                                                rechte Wände geschlagene
entdecken – sofern sie nicht von der dich­                                               sich der Blick auf die berühmte Bucht
ten, oft über mannshohen Macchie über­          Häuschen mit kunstvollen                 Ölüdeniz. Der Ausblick ist umwerfend:
wuchert sind: Große, einst bedeutende                   Reliefarbeiten                   eine kleine Lagune und zwei geschützte
antike Ruinenstädte wie Patara, Phellos,                                                 Buchten mit türkisfarbenem und königs­
Myra, Letoon, Apollonia oder die versun­                                                 blauem Wasser, die durch dicht bewal­
kene Stadt der Insel Kekova liegen direkt    senkrechte Felswände geschlagene und        dete Landzungen und weiß leuchtende
an der Route, man kann jahrtausendealte      gemauerte Häuschen, oft mit kunstvollen     Sandstrände voneinander getrennt sind.
befestigte Hafenanlagen, Burgruinen und      Reliefarbeiten oder Inschriften verziert.   Überraschend wenig Menschen befinden

       Die beeindruckenden Felsen­
       gräber von Myra aus dem 4. Jh.
       v. Chr.; eine einsame Traum­
       bucht nach der anderen lockt
       auf dem Weg; „pompöser“
       Auftakt mit breit in den Wald
       gebaggertem Wanderweg. Zum
       Glück ändert sich das bereits
       nach wenigen hundert Metern.

                                                                                         sich auf den sichelförmigen weißen Sand­
                                                                                         streifen oder im Wasser, einige wenige
                                                                                         ankernde Boote sind zu sehen. Diese
                                                                                         Traumstrände mit karibischem Flair wir­
                                                                                         ken von Ende April bis Anfang Mai bei
                                                                                         besten Badetemperaturen fast men­
                                                                                         schenleer, genauso wie all die anderen
                                                                                         Strände auf unserer Route, darunter so
                                                                                         bekannte Baderegionen wie der Strand
                                                                                         von Adrasan. Nur Antalya wird auch in
                                                                                         der Vorsaison seinem Ruf als Ort des
                                                                                         Massentourismus gerecht, ist aber den­
                                                                                         noch sehr sehenswert.
                                                                                           Der fantastische Ausblick auf die Bucht
                                                                                         von Ölüdeniz bleibt uns beim Aufstieg
                                                                                         über die Flanke noch eine Weile erhalten
                                                                                         und verschiebt sich dann zum Blick
                                                                                         übers weite Meer, das in der Ferne mit
                                                                                         dem Horizont verschmilzt. Schließlich

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Lykischer Weg unterwegs

 Lykischer Weg                                                                                 Mit diesem begeisternden Wander-Auf­
                                                                                             takt ist das Pulver noch lange nicht ver­
 Reisezeit: Februar bis Juni und September    zugute. Das Buch enthält auch die beste
 bis November. Mit guter Planung ganzjährig   Übersichtskarte, die es bisher zum Weg gibt.   schossen: Jede einzelne Etappe bietet
 möglich – je nach Schneelage auf den         „Türkei: Lykischer Weg von Fethiye nach        landschaftliche Höhepunkte und unter­
 höchsten Bergetappen.                        Antalya“ von Michael Hennemann, Conrad         scheidet sich von der vorhergehenden,
 Route: 25 Etappen mit insgesamt 509          Stein Verlag, ISBN 978-3-86686-364-4.
                                                                                             jede der gewählten Unterkünfte hat einen
 Kilometern entlang der lykischen Küste im    Webseiten: cultureroutesinturkey.com,
 Süden der Türkei von Fethiye nach Antalya.    lycianway.com, trekkinginturkey.com,          besonderen Reiz, und täglich hat Kasim,
 Individualwanderer sollten eine Zeltaus­      beymelektasevler.com                          unser sympathischer, geduldiger und gut
 rüstung mitnehmen. Auch für erfahrene        Besondere Unterkunft: In Beymelek,             deutsch sprechender Wanderführer, eine
 allein wandernde Frauen geeignet. Wer es     einige Kilometer östlich von Myra und 135
 komfortabler mag, bucht bei einem Reise­                                                    Überraschung für uns parat: eine Einkehr
                                              Kilometer von Antalya entfernt, hat der
 veranstalter mit kleinen Gruppen.            Bürgermeister des Ortes, Osman Güngör, mit     in „Mama’s Restaurant and Pension“, das
 Reiseveranstalter: Hagen Alpin Tours,        Hilfe seiner Familie ein kleines Hotel-Res­    hoch oben am Berg über der schmalen
 Oy-Mittelberg, Tel.: 08366/98 88 93,         taurant aufgebaut, wo regionale Produkte
                                                                                             Bucht von Kabak türkischen Kaffee in fei­
   welt-weit-wandern.de                       verkauft werden und zehn ehemals ver­-
 Führer: „The Lycian Way“ von Kate Clow,      lassene und jetzt restaurierte Steinhäuser     nen Mokkatässchen serviert. Oder die
 das Anfang 2014 in der vierten Auflage       für Gäste – mit modernem Komfort, aber         Mittagsrast bei einer Bauernfamilie, wo es
 erscheinen wird. Der Erlös kommt dem Weg     so authentisch wie möglich – bereitstehen.

                                                                                              Freie Sicht über die Steilküste
                                                                                                in enge, von weißem Sand
                                                                                                  gesäumte Buchten mit
                                                                                                    azurblauem Wasser

                                                                                             frisch gebackene Gözleme, dünn ausge­
                                                                                             rollte Fladen mit Kräutern und Schafskä­
                                                                                             se, zu essen gibt und die junge Bäuerin
                                                                                             Teppiche webt. Eine andere Wandergrup­
                                                                                             pe treffen wir nur hin und wieder abends.
                                                                                             Das „Bayram’s Place“ mit seinen kleinen
                                                                                             Holzhütten ist hoch oben am Berg gele­
                                                                                             gen, mit freier Sicht über die Steilküste
                                                                                             hin­ab in enge, von weißem Sand gesäum­
                                                                                             te Buchten mit azur- bis dunkelblauem
                                                                                             Wasser. Nur etwa zweihundert Meter un­
erreichen wir eine grasige Hochfläche, es     Meer wandern wir bei über 30 Grad Hitze,       terhalb liegt die „Pension Omer’s Place“,
duftet nach Thymian und der schweren          aber angenehmer Brise weiter nach Fara­        wo man abends zum Sonnenuntergang
Süße von nektarreichen Blüten.                lya, hoch über der Schmetterlingsbucht,        auch eine Flasche Bier oder Wein holen
  Ein freundlich lachendes älteres türki­     die nur über einen sehr steilen, ausge­        könnte, da es oben bei der freundlichen
sches Paar bietet uns hier oben an ihrem      setzten und mit Drahtseilen abgesicher­        Familie nur alkoholfreie Getränke gibt.
mobilen Obststand frisch gepressten           ten Abstieg oder per Boot erreichbar ist.         Tags darauf begeistert der steile Ab­
Orangen­saft an. Vorbei an einer – offen­     Wir kehren zur gemütlichen Rast ein, und       stieg über die karg bewachsene, felsige
bar illegal im Schutzgebiet errichteten       die meisten trinken hier zum ersten Mal        Bergflanke mit Blick auf die Kabak-Bucht
und daher jetzt stillgelegten – Hotelbau­     Ayran – ein herrlich erfrischen­des, an        und das Meer. Und das Hinterland prä­
stelle mit traumhaftem Ausblick aufs          Buttermilch erinnerndes Joghurtgetränk.        sentiert sich im Frühjahr mit viel leuch­

                                                                                                          DAV            6/2013 39
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tendem Klatschmohn, knallgelben Gins­
 terbüschen, weiß gepunkteten Mar­       ga-
­ritenwiesen und wilden Getreidefeldern.
 Dazu Erdbeerbäume, duftende Pinien­
 wäldchen, Zedern und kilometerlange
 Abschnitte mit dichter Macchie, die man
 auf schmalem Ziegenpfad durchquert,
 nicht ohne Kratzer an bloßen Armen und
 Beinen. Unvergesslich sind die Abend­
 essen im Restaurant der „Pension St. Ni­
 cholas“ in Patara bei lauer Luft im Freien,
 inmitten von Zitronen- und Mispelbäu­
 men, so schwer behangen mit prall-rei­
 fen Früchten, dass alle Äste abgestützt
 werden müssen. Eine wunderbare Ent­

     Gespräche mit fragenden
 Blicken, Blättern im Taschen-
     lexikon und viel Lachen

schädigung für die verpasste Hütten­                                                      restaurant des Dörfchens. Er erzählt, dass
übernachtung oben am Berg ist der be­                                                     die Saison jetzt, Anfang Mai, noch nicht
zaubernde Sonnenuntergang am über 18                                                      begonnen habe: „Die Tagestouristen kom­
Kilometer langen, fast unbebauten Sand­                                                   men im Sommer mit dem Bus. Da sind
strand von Patara, an dem wir tagsüber                                                    keine Wanderer unterwegs.“
nach dem Wandern und der Besichti­                                                           Im nahe gelegenen „Fishhouse“ mit
gung der gleichnamigen Ruinenstadt ba­                                                    Terrasse direkt über dem Wasser präsen­
den, und wo an einem geschützten Strand-                                                  tieren Gülsüm, die junge Chefin des Hau­
abschnitt die Unechte Karettschildkröte                                                   ses, Koch Rahmi und seine Frau Fatima
im Sommer ihre Eier ablegt.                                                               am Nachmittag stolz den Fang des Tages
   An einem anderen Abend bummeln wir                                                     für die Abendkarte und zeigen mir, wie
durch die hübsche Altstadt von Kas mit                                                    man einen saftigen Feigenkuchen bäckt.
ihren engen Gässchen und lockenden Ge­                                                    Rahmis frische Fisch- und Kalamari-
schäften. Kas ist dank eines breiten Ange­                                                Platte ist ein Genuss, und lange sitzen
bots an allen möglichen Wasser- und                                                       wir auf der wunderschönen Terrasse,
Bergsportarten ein beliebtes Ziel von Ak­                                                 trinken Tee und unterhalten uns. Einmal
tivreisenden. Mein Lieblingsort wird das                                                  kommt auch Yussuf dazu, der Kapitän
Fischerdörfchen Ücagiz, das laut Führer                                                   des prächtigen Holz-Zweimasters na­
ein beliebtes Touristenziel sein soll. Tat­    dem im Lokal hängenden deutschen Zei­      mens Turkuaz mit den hübschen blauen
sächlich sind die wenigen kleinen Pensio­      tungsartikel der „Beste Fischkoch an der   Sitzpolstern, der direkt neben dem „Fish­
nen von Ücagiz ausgebucht. Hassan, der         Mittelmeer­küste“ – betreibt mit seiner    house“ ankert und touristische Boots­
Koch mit der schwarzen Mütze, – laut           Frau Vesile dort das bekannteste Fisch­    fahrten zu einsamen Buchten, zur nahen

40    DAV             6/2013
Durchs Land des Lichts - Deutscher Alpenverein
Lykischer Weg unterwegs

  Mal steil, mal sanft ansteigend, führt
  der Weg oft direkt oberhalb der Küste
 entlang; Teppichweben und die Bewir­
tung von Wanderern sind neben kleinen
      Landwirtschaftsbetrieben oft die        samten Weg. Gemeinsam mit Freiwilligen       in den Hotels an der Küste unterkom­
    einzigen Erwerbsquellen; der kleine
     Ort Kaleköy mit der alten Festung.       hat sie die Route durchgehend markiert       men und die kleinen Bauern im Hinter­
                                              und beschildert. Gleich nach der Begrü­      land zu wenig davon profitieren. Kate, in­
                                              ßung überrascht sie mich mit dem Satz,       zwischen längst im Ruhestand, hat
                                              dass die Mitglieder des Deutschen Alpen­     deshalb einen gemeinnützigen Verein
                                              vereins diesen Weg eigentlich boykottie­     zum Schutz der alten Kulturwege in der
Insel Kekova oder zur versunkenen Stadt       ren sollten. Warum? Weil es gut wäre, so     Türkei gegründet. Denn der Lykische Weg
anbietet. Alle Gespräche sind mit fragen­     erklärt sie, wenn auch von deutscher Seite   ist mit rund 11.000 Wanderern pro Jahr –
den Blicken und Blättern im zweispra­         Druck ausgeübt würde, um diesen Kultur­      fast die Hälfte davon auf eigene Faust un­
chigen Taschenlexikon, aber vor allem         wanderweg endlich zu schützen. Die tür­      terwegs – ein nachhaltiges touristisches
viel Lachen verbunden.                        kische Regierung habe diesbezüglich bis­     Programm für eine ländliche Region, in
   In Ücagiz treffe ich auch Kate Clow,       her nichts unternommen, und so würden        der es außer der kleinen Landwirtschaft
die Engländerin, der Wanderer diesen          jedes Jahr zwanzig bis dreißig Kilometer     bis dahin kaum Verdienstmöglichkeiten
wunderschönen Weg verdanken. Sechs            des Weges verschwinden, da – unkontrol­      für die Bewohner gab. 
Jahre lang hat sie die Verbindungswege        liert – neue Hotels gebaut und Wegab­
zwischen den Dörfchen und den Ruinen­         schnitte für neue Straßen einfach weg-
städten erkundet und den ersten Wander­       oder zuge­baggert würden. Spätestens in                      Gaby Funk, freie Alpinjour-
führer geschrieben, der 2000 erschie­nen      zehn Jahren sei der Weg ohne Schutz wie­                     na­listin, Buchautorin und
                                                                                                           Übersetzerin aus Oy-Mittel­
ist und die lange Kulturwanderroute de­       der verschwunden.                                            berg im Allgäu, ist für DAV
tailliert beschreibt. Ihr Buch enthält auch      Veranstalter mit großen Gruppen schätzt                   Panorama regelmäßig in
                                                                                                           den Alpen und darüber
die beste Übersichtskarte über den ge­        sie nicht, da diese wegen ihrer Größe nur                    hinaus unterwegs.
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