Düsseldorf für die Mitglieder - des Innenausschusses - Landtag NRW

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Ministerium des Innern
                                    des Landes Nordrhein-Westfalen

                                    Der Minister

Ministerium des Innern NRW, 40190 Düsseldorf Q
                                                                         . Juni 2021
                                                                         Seite 1 von 7
Präsidenten des Landtags
Nordrhein-Westfalen Telefon 0211371-1913
                       17
Herrn Andre Kuper MdL Telefax 0211 371-131913
Platz des Landtags 1
                                               VORLAGE
40221 Düsseldorf
                                               17/5290
                                               A09
für die Mitglieder
des Innenausschusses

Sitzung des Innenausschusses am 10.06.2021
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 31.05.2021
„Gefährdungslage für jüdische Gemeinden vor dem Hintergrund
von Eskalationen im Nahost-Konflikt

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,

zur Information der Mitglieder des Innenausschusses des Landtags über¬
sende ich den schriftlichen Bericht zum TOP „Gefährdungslage für jüdi¬
sche Gemeinden vor dem Hintergrund von Eskalationen im Nahost-Kon- Dienst9ebaude
                                                                         Friedrichstr. 62-80
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                                                                         Lieferanschrift:
Mit freundlichen Grüßen Fürstenwaii 129
                                                                         40217 Düsseldorf

                                                                         Telefon 0211 871-01
                                                                         Telefax 0211 871-3355
                                                                         poststelle@im. n nw.de
                                                                         www.im.nrw

                                                                         Öffentliche Verkehrsmittel:
                                                                         Rheinbahnlinien 732, 736, 835,
                                                                         836, U71, U72, U73, U83
                                                                         Haltestelle: Kirchplatz
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                                     Der Minister

                          Schriftlicher Bericht
                        des Ministers des Innern
       für die Sitzung des Innenausschusses am 10.06.2021
                    zu dem Tagesordnungspunkt
 „Gefä rdungslage für jüdische Gemeinden vor dem Hintergrund
               von Eskalationen im Nahost-Konflikt

   Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 31.05.2021

Im Mai 2021 verschärfte sich der Konflikt zwischen Palästinensern und
israelischen Sicherheitskräften rund um den Tempelberg in Jerusalem.
Ausgehend von diesen Ereignissen stellte schließlich die Hamas ein Ulti¬
matum mit der Forderung des Abzugs israelischer Sicherheitskräfte von
religiösen Stätten. In der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 2021 kam es
dann zu Raketenbeschuss durch die Hamas und entsprechenden militä¬
rischen Reaktionen Israels. Aufgrund der möglichen bundesweiten und
nicht lokal einzugrenzenden Auswirkungen dieses Konfliktes auf die Si¬
cherheitslage übermittelte das Bundeskriminalamt (BKA) am Vormittag
des 11. Mai 2021, 11:52 Uhr eine Gefährdungsbewertung. Der Gefähr¬
dungsbewertung schloss sich das Landeskriminalamt des Landes Nord¬
rhein-Westfalen (LKA NRW) vollumfänglich an und übersandte diese
noch am selben Tag (13:30 Uhr) an die örtlich zuständigen Kreispolizei¬
behörden (KPB) zur Berücksichtigung im Rahmen der örtlichen Schutz¬
maßnahmen. Darüber hinaus wurde am gleichen Tag mit Erlass eine
Sensibilisierung aller im Objektschutz eingesetzten Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter sowie verstärkte Aufklärungsmaßnahmen an herausragenden
jüdischen Einrichtungen veranlasst.
 Nach einer weiteren Lageentwicklung am 12. Mai 2021 wurden die
Schutzmaßnahmen an herausragenden jüdischen Einrichtungen mit Er¬
lass nochmals erhöht.

Eine aktualisierte Lagefortschreibung und Gefährdungsbewertung wurde
den KPB am 14. Mai 2021 übermittelt. Diese hat trotz der derzeit gelten¬
den Waffenruhe im Nahen Osten und der damit zu erwartenden Entspan¬
nung der Lage weiterhin Bestand.
Die Gefährdungsbewertung von Sachverhalten mit bundesweiter Bedeu¬
tung, die darüber hinaus ihren Ursprung im Ausland haben, wird in der
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Regel vom (BKA) ggf. unter Einbeziehung von Erkenntnissen weiterer Si¬
cherheitsbehörden erstellt und den Landeskriminalämtern (LKÄ) übermit¬
telt. Die Gefährdungsbewertung wird dort mit eigenen Erkenntnissen und
Bewertungen ergänzt und an die (KPB) gesteuert. Diese Vorgehens¬
weise hat sich durch die zentrale Erstellung des BKA und die Ergänzun¬
gen der örtlichen LKÄ bewährt.

Die jeweiligen Gefährdungsbewertungen fließen in die örtlichen Beurtei¬
lungen der Gefährdungslage für jüdische Gemeinden ein. Die Beurteilung
der Gefährdungslage, entsprechend notwendige Einstufungen von Ob¬
jekten und die damit im Zusammenhang stehenden Schutzmaßnahmen
werden auf Grundlage der bundeseinheitlichen Regelungen der Polizei¬
dienstvorschrift „Personen- und Objektschutz (PDV 129 VS-NfD) veran¬
 lasst. Die PDV 129 ist als Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch
 (VS-NfD) - klassifiziert. Die dazu ergangene Allgemeine Verwaltungsvor¬
schrift des Ministeriums des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen (IM)
zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen
 (VS-Anweisung - VSA -) und der mit den Maßnahmen verfolgte Schutz¬
 zweck lassen eine öffentliche Erörterung der konkreten Schutzmaßnah¬
 men und der Schutzkonzeption nicht zu. Generell abstrakt kann ich inso¬
weit jedoch berichten, dass sich die daraus abgeleiteten Schutzmaßnah¬
 men aktuell auf einem sehr hohen Niveau befinden. An den beiden ange¬
 fragten Synagogen in Bonn und Münster sahen die Objektschutzkonzep¬
 tionen zum angefragten Zeitpunkt eine Verpestung Tag und Nacht mit
 polizeilichen Objektschutzkräften nicht vor.

Grundsätzlich werden gezielte bzw. anlassunabhängige Gefährderan-
sprachen im Kontext des aktuellen Nahost-Konflikts durch die KPB nicht
durchgeführt, da es sich aufgrund der breiten Thematik bei der potentiel¬
len Zielgruppe um einen quantitativ kaum überschaubaren und zudem in¬
homogenen Personenkreis handeln würde.
Aus fachlicher Sicht ist die Durchführung einer solchen Maßnahme daher
in diesem Zusammenhang nicht zielführend. Insbesondere aufgrund der
gruppendynamischen Prozesse innerhalb eines emotional aufgeladenen
Versammlungsgeschehens sowie der flexiblen Personenbeteiligung ist
der Erfolg einer solchen Gefährderansprache zu bezweifeln.
Über möglicherweise im Einzelfall erfolgte Maßnahmen liegen mir keine
Informationen vor.
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Versammlungen sind grundsätzlich bei den örtlichen KPB anzumelden.
Alle relevanten Informationen zur geplanten Veranstaltung werden dort
erhoben und durch die Kriminalinspektionen Polizeilicher Staatsschutz
(Kl ST) der Kriminalhauptstellen bewertet. Soweit im Zuge dessen anti¬
semitische oder sonstige der freiheitlich demokratischen Grundordnung
zuwiderlaufende Zielrichtungen der Veranstaltung erkannt werden, erge¬
hen grundsätzlich Versammlungsverbote, soweit rechtlich zulässig.

Regelmäßig werden in standardisierten Kooperationsgesprächen zwi¬
schen der Polizei und den jeweiligen Anmelderinnen und Anmeldern Rah¬
menbedingungen vereinbart, unter denen die Veranstaltungen durchge¬
führt werden können. Dazu gehören auch Hinweise zur Abgrenzung zwi¬
schen kritischen Meinungsbekundungen und strafrechtlich relevantem
Handeln, wie etwa das Verbrennen einer israelischen Flagge oder anti¬
semitische Handlungen bzw. Äußerungen.

Die Person, die die Demonstration am 12. Mai in Gelsenkirchen auf Ins-
tagram thematisiert hat, konnte als 24-jähriger, türkischer Staatsangehö¬
riger mit Wohnort in Gelsenkirchen identifiziert werden. Die Person ver¬
fügt über eine Fiktionsbescheinigung nach dem Aufenthaltsgesetz und ist
in der Vergangenheit umfangreich polizeilich (Raub, gefährliche Körper¬
verletzung, Betrug, Widerstand, Verstoß gegen das Waffengesetz) in Er¬
scheinung getreten. Es kam bislang zu zwei Verurteilungen. Im Zusam¬
menhang mit staatsschutzrelevanten Sachverhalten ist die Person bis¬
lang nicht auffällig geworden.
Bei der Auswertung polizeilicher Videoaufzeichnungen, die am 12. Mai
2021 im Rahmen der Beweissicherung vor der Jüdischen Synagoge ge¬
fertigt wurden, wurde diese Person nach bisheriger polizeilicher Bewer¬
tung als Teilnehmer der Versammlung festgestellt. Hinweise auf Strafta¬
ten bei der Veranstaltung durch die Person liegen derzeit nicht vor.
Im Vorfeld der Versammlung am 12.Mai 2021 wurde nach bisherigen Er¬
kenntnissen ausschließlich über Instagram zur Teilnahme aufgerufen.
Im Zusammenhang mit diesem Versammlungsgeschehen ermittelt die
KPB Gelsenkirchen mit einer 15-köpfigen Ermittlungskommission derzeit
gegen 25 Tatverdächtige, von denen 13 identifiziert sind. Der Tatvorwurf
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lautet in 16 Fällen Volksverhetzung, in einem Fall Widerstand gegen Po¬
lizeivollzugsbeamte und in einem Fall Verstoß gegen das Versammlungs¬
gesetz.
Von den 13 Tatverdächtigen haben zwei staatsschutzrelevante Vorer¬
kenntnisse. Ein Tatverdächtiger besitzt ausschließlich die deutsche
Staatsangehörigkeit, fünf haben die syrische Staatsangehörigkeit. Bei
weiteren fünf Tatverdächtigen handelt es sich um libanesische Staatsan¬
gehörige, davon zwei mit deutsch-libanesischer, einer mit deutsch-serbi¬
scher und einer mit jordanischer Staatsangehörigkeit.
Von den insgesamt neun ausländischen Tatverdächtigen haben vier eine
Aufenthaltserlaubnis, einer eine Duldung und vier verfügen jeweils über
eine Fiktionsbescheinigung.

Im Kontext des aktuellen Nahost-Konflikts melden die KPB des Landes
Nordrhein-Westfalen die ihnen bekannt gewordenen Fälle von antisemiti¬
schen bzw. antiisraelischen Straftaten im Rahmen einer Sondererhebung
an das LKA NRW. Eine valide phänomenologische Klassifizierung, z.B.
als antisemitische oder antiisraelische Straftat, ist zum jetzigen Zeitpunkt
aufgrund der andauernden Ermittlungen nicht möglich. Diese kann in der
Regel erst nach Abschluss der umfangreichen Ermittlungen und nach
rechtlicher Bewertung der zuständigen Staatsanwaltschaft erfolgen. Die
hier gegenständliche Datenerhebung ist aufgrund der laufenden Ermitt¬
lungen daher als vorläufig zu bewerten und unterliegt regelmäßigen Ver¬
änderungen.
Insgesamt wurden durch die KPB für den Zeitraum vom 10. Mai 2021 bis
04. Juni 2021 insgesamt 111 Sachverhalte gemeldet. Die Kriminalhaupt¬
stellen führen dazu 36 Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung, fünf
wegen Verletzung von Flaggen und Floheitszeichen ausländischer Staa¬
ten und 13 wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidri¬
ger Organisationen. Darüber hinaus wurden zehn Ermittlungsverfahren
aufgrund von Gewaltdelikten sowie 47 wegen sonstiger Straftaten einge¬
leitet.
Die Ermittlungen richten sich gegen 166 Tatverdächtige, davon hat die
Polizei NRW 62 zwischenzeitlich namentlich identifiziert.

Mitgliedern der jüdischen Gemeinden, die durch die aktuellen antisemiti¬
schen Anfeindungen verunsichert sind, steht das breit aufgestellte Ange¬
bot von Beratungsstellen in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung.
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Sofern die Anfeindungen den Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung
begründen, sind die Reglungen zum Polizeilichen Opferschutz maßgeb¬
lich. Opferschutz und Opferhilfe sind elementare Bestandteile polizeili¬
cher Arbeit.
Im konkreten Kontext wurden u. a. anlässlich der Vorfälle im Zusammen¬
hang mit der Versammlungslage im 12. Mai 2021 in Gelsenkirchen durch
die Polizei zeitnah Opferschutzgespräche mit der Vorsitzenden der jüdi¬
schen Gemeinde in Gelsenkirchen geführt.
Die Polizei richtet ihre Opferschutzmaßnahmen an den Bedürfnissen von
Opfern aus und beabsichtigt, durch professionelles Handeln die Tatfolgen
zu minimieren. Sie gewährleistet in allen Organisationseinheiten mit Op¬
ferkontakten die Vermittlung kompetenter Hilfe. Polizeilicher Opferschutz
setzt beim Erstkontakt mit dem Opfer ein und endet grundsätzlich mit Ab¬
schluss des Ermittlungsverfahrens.
Der Polizeiliche Opferschutz umfasst die zielgerichtete Information von
Opfern über den Ablauf des Ermittlungsverfahrens, Informationen über
relevante Opferrechte in den verschiedenen Phasen des Verfahrensab¬
laufes und die Opferentschädigung. Nach Feststellung, ob weitere Unter¬
stützung und Hilfe notwendig ist, werden Opfer bedarfsgerecht an Ange¬
bote der Opferhilfe und -Unterstützung vermittelt. Hierbei gestaltet die Po¬
lizei die Kontaktaufnahme möglichst aktiv, das heißt bei vorliegendem
Einverständnis des Opfers beziehungsweise der Sorgeberechtigten kom¬
men Vertreter von Hilfeeinrichtungen auf das Opfer zu. Darüber hinaus
gibt die Online-Anwendung ODABS (Online Datenbank für Betroffene von
Straftaten) allen Bürgerinnen und Bürgern anwender- und bedienungs¬
freundlich die Möglichkeit, Opferhilfeorganisationen in der nahen Umge¬
bung zu finden.

In Bezug auf einen möglichen Bedarf an zusätzlichen baulich-techni¬
schen Schutzmaßnahmen für Synagogen und andere jüdische Einrich¬
tungen ist festzustellen, dass sich die Objektschutzmaßnahmen an ent¬
sprechend eingestuften jüdischen Einrichtungen schon immer auf einem
hohen Niveau befunden haben. Zudem hat das IM veranlasst, dass vor
dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse an Synagogen in Nordrhein-
Westfalen die polizeilichen Maßnahmen verstärkt und die im Objekt¬
schutz eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller KPB nochmals
sensibilisiert worden sind.
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Am 21. Mai 2021 hat Herr Minister Reul ein Gespräch mit Vertretern der
jüdischen Landesverbände Nordrhein, Westfalen-Lippe und der progres¬
siven Juden sowie der Synagogen-Gemeinde Köln zum Anlass genom¬
 men, die noch durch die Verbände im Anschluss an dieses Gespräch zu
formulierenden Bedarfe einer erneuten Bewertung zuzuführen.

Im Hinblick auf den im Antrag konkret genannten Fall in Münster hat mir
das Ministerium der Justiz (JM) mit Schreiben vom 04. Juni 2021 folgen¬
den Beitrag übermittelt:

„Der Leitende Oberstaatsanwalt in Münster hat dem Ministerium der Jus¬
tiz unter dem 1. Juni 2021 Folgendes berichtet:

      ,Am 15.05.2021 gegen 17:00 Uhr ließ ein Beamter der Polizeibe¬
      reitschaftshundertschaft in Münster seinen Rucksack mit einem
      runden Aufnäher im Einsatzfahrzeug zurück. Der Aufnäher zeigt
      das Bild eines Panzers und trägt den Schriftzug „Panther - Pan¬
      zerkampfwagen V .

      Das durch das Polizeipräsidium Münster eingeleitete Verfahren ist
      mit Verfügung vom 19.05.2021 ohne Aufnahme von Ermittlungen
      gemäß §§ 152, 170 Strafprozessordnung eingestellt worden, da
      ein Anfangsverdacht strafrechtlich relevanten Verhaltens nicht be¬
      steht; insbesondere handelt es sich bei den Darstellungen auf dem
      Aufnäher nicht um Kennzeichen verfassungswidriger Organisatio¬
      nen im Sinne von § 86a Strafgesetzbuch.

Ergänzend zu dem Beitrag des JM kann ich berichten, dass das Polizei¬
präsidium Münster aktuell prüft, ob ein Disziplinarverfahren einzuleiten ist.
Der betroffene Beamte wurde zunächst befristet von der Bereitschaftspo¬
lizeihundertschaft zur einer Polizeiwache umgesetzt und ist dort als
Wachdienstbeamter tätig.
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