Wie lange ist die Feuerwehr noch Traumjob für Freiwillige?

Die Seite wird erstellt Philipp Stadler
 
WEITER LESEN
Wie lange ist die Feuerwehr noch Traumjob für Freiwillige?
1300 Feuerwehrkops und rund 85 000
freiwillige Feuerwehrleute stehen rund um
die Uhr bereit für Notfälle. Die «Schweizer
Gemeinde» war an einer Rekrutierung
von Schutz und Rettung Zürich dabei.
                         Bild: Corinne Aeberhard

Wie lange ist die Feuerwehr
noch Traumjob für Freiwillige?
Trotz fortschreitender Professionalisierung wird die Feuerwehrarbeit in der Schweiz weitestgehend
von Milizformationen geleistet. Deren Rekrutierung braucht vielerorts Überzeugungsarbeit, auch
wenn die freiwillige Feuerwehr immer noch zu den beliebtesten Milizämtern gehört.

Der Beruf der Feuerwehrfrau oder des                klärt ab, ob deren Interessen eher in       weiss: «Wir rekrutieren von Hilfsarbei-
Feuerwehrmanns nimmt regelmässig                    Richtung Feuerwehr- oder Sanitätsdienst     tern bis zu Professoren aus allen Berufs-
eine Topplatzierung in der Liste der an-            tendieren. Nach der Konsultation des        gruppen neue Feuerwehrleute».
gesehensten Berufe ein. So erstaunt es              Strafregisterauszugs werden die Kandi-
auch kaum, dass die 16 Berufsfeuer-                 daten zu einem vor gut drei Jahren neu      Kraft, Ausdauer und Nerven im Test
wehrkorps der Schweiz zurzeit noch                  eingeführten Leistungstest eingeladen.      Die Karriere in der Feuerwehr oder der
keine Probleme bei der Besetzung ihrer              Ist der Test bestanden, folgt die Abklä-    Sanität beginnt für alle gleich. Sie müs-
offenen Stellen verzeichnen. Im Gegen-              rung durch einen Vertrauensarzt: Er soll    sen sich einem Test stellen, der die men-
teil: Die zahlreichen Bewerberinnen und             feststellen, ob die Kandidatin oder der     tale und körperliche Belastbarkeit auf die
Bewerber müssen sich einem anspruchs-               Kandidat für das Tragen eines Atem-         Probe stellt. Wer durchschnittlich sport-
vollen Prüfungsverfahren stellen und                schutzgerätes tauglich ist. Diese Taug-     lich sei, sollte den Test grundsätzlich be-
werden stark selektioniert. «TV-Sendun-             lichkeitsprüfung ist etwas strenger als     stehen, erklärt Jud. DerTest umfasst vier
gen wie Notruf oder Jobtausch führen                jene für den üblichen Feuerwehrdienst,      Posten: In einer ersten Herausforderung
zu guter Bekanntheit und positivem                  da den Feuerwehrleuten körperlich mehr      müssen die Anwärterinnen und Anwär-
Image in der Bevölkerung», sagt Patrick             abverlangt wird, wenn sie im Einsatz mit    ter über eine Leiter auf das Dach eines
Sauzet, Abteilungsleiter Milizfeuerwehr             Atemschutz ausgerüstet ganz vorne           dreistöckigen Gebäudes hinauf- und
und Zivilschutz der Stadt Zürich.                   beim Feuer retten und löschen müssen.       wieder hinabsteigen. Dabei tragen sie
                                                    Melden können sich Kandidaten im Alter      ein Atemschutzgerät am Rücken, was die
Hilfsarbeiter neben Professoren in der              zwischen 18 und 42 Jahren, und so tref-     Aufgabe erschwert. Beim nächsten Pos-
freiwilligen Feuerwehr                              fen an einem kühlen Oktobermorgen           ten müssen die Testeilnehmerinnen und
Auch die Milizabteilung von Schutz und              20 motivierte Rekrutinnen und Rekruten      -teilnehmer unter Beweis stellen, dass
Rettung Zürich kennt keinen Mangel an               im Areal der Wache Süd von Schutz und       sie nicht unter Platzangst leiden. Unter
Rekrutinnen und Rekruten. Anfragen von              Rettung Zürich ein. Das Spektrum der        Führung eines erfahrenen Feuerwehr-
Interessierten erreichen den Administra-            Berufe, welche die zukünftigen Angehö-      mannes von Schutz und Rettung müssen
tionschef Jürg Grüter meistens via An-              rigen der Feuerwehr (AdF) des Miliz-        sie im Untergrund des Wachegeländes
meldeformular im Internet. Grüter                   korps ausüben, ist breit, wie Beat Jud,     einen Parcours bewältigen, bei dem es
nimmt seinerseits Kontakt mit den Be-               stellvertretender Abteilungsleiter Miliz-   zuweilen sehr eng und völlig dunkel ist.
werberinnen und Bewerbern auf und                   feuerwehr und Zivilschutz Stadt Zürich      Beim Posten drei wird es richtig sport-

   SCHWEIZER GEMEINDE 6 l 2018                                                                                                          47
Wie lange ist die Feuerwehr noch Traumjob für Freiwillige?
FREIWILLIGE

Wer erfolgreich rekrutiert werden will, darf nicht unter Platzangst          Im Fitnessraum der Zürcher Feuerwehrwache werden Kraft und Be-
leiden.                                           Bild: Corinne Aeberhard   weglichkeit getestet.                      Bild: Corinne Aeberhard

lich. Im Fitnessraum der Wache werden              ordneten Gemeindestrukturen voraus-              dass wir von der Feuerwehr das Ge-
Kraft und Beweglichkeit getestet. Beim             gegangen. Die neu entstandenen                   spräch mit den Unternehmen suchen,
letzten Posten wird die Ausdauer mit ei-           Feuer­wehrorganisationen haben so die            um solche Situationen zu vermeiden.»
nem Zwölfminutenlauf auf die Probe                 Zuständigkeit für ein grösseres Gebiet           Seiner Meinung nach ist denn auch der
gestellt. Zur Mittagszeit ist das Testpro-         übernommen, was auch zu mehr Ein­                Punkt erreicht, bei dem schweizweit
gramm beendet, und Beat Jud erklärt                sätzen geführt hat. Ein Umstand, den             keine grösseren Fusionen mehr stattfin-
zufrieden, dass alle bestanden haben.              Bächtold mit Blick auf die fachlichen Fä-        den sollten, damit der Abbau der Perso-
                                                   higkeiten der Feuerwehrleute positiv             nalbestände gestoppt werden kann.
Fusionen steigern Zahl der Einsätze                wertet. Einsatzerfahrung führe bei jeder         «Die Zitrone ist ausgepresst.»
und strapazieren Arbeitgeber                       Feuerwehrorganisation zu grösserer Ef-
Nicht überall in der Schweiz haben Re-             fizienz und Schlagkraft. Berufsfeuerweh-         Werkhofmitarbeiter zum
krutierungen den gleichen Erfolg. «Die             ren zeichnen sich gegenüber Milizorga-           Feuerwehrdienst verpflichten?
Unterschiede bei der Art und Weise, wie            nisationen genau in diesem Punkt aus.            Bächtold sieht für die Gemeinden einen
rekrutiert wird respektive rekrutiert wer-         Für Milizorganisationen hingegen be-             wirksamen Weg, ihre Feuerwehren bei
den kann, sind zwischen den Kantonen               deutet eine grössere Anzahl von Einsät-          Personalproblemen zu unterstützen. Mit
und Regionen sehr gross», weiss der                zen nicht nur einen Schritt in Richtung          der Verpflichtung von Gemeindemit­
Direktor des Schweizerischen Feuer-                Professionalisierung, sondern auch eine          arbeiterinnen und -mitarbeitern zum
wehrverbands (SFV), Urs Bächtold. Er               gesteigerte Belastung. Die Feuerwehr-            Feuerwehrdienst könnte erstens eine
verweist auf Strukturen von Gemeinden,             leute müssen nebst ihrer Berufsarbeit            gewisse Zahl von Rekrutierungen sicher-
welche die Rekrutierung grundsätzlich              Tag und Nacht zum Ausrücken bereit               gestellt und zweitens auch die Tagesver-
schwierig machen. Sehr attraktive Wohn-            sein. In den meisten Feuerwehren be-             fügbarkeit im Feuerwehrkorps erhöht
lagen beispielsweise und ein überdurch-            schränkt sich das Ausrücken während              werden. Prädestiniert für eine solche
schnittlich hoher Anteil an Eigenheimen.           des Tages auf eine relativ kleine Gruppe         Aufgabe im Pflichtenheft wären Mitar-
Die Bevölkerung sei in solchen Gemein-             innerhalb der Feuerwehr. Es sind Feuer-          beiterinnen und Mitarbeiter des Werk-
den meist älter und habe das Pensions-             wehrleute, die in der Einsatzregion ar-          hofs. Sie verfügen in den meisten Fällen
alter für den Feuerwehrdienst zum                  beiten und zeitgerecht einrücken kön-            über grosse handwerkliche Fähigkeiten,
grössten Teil bereits überschritten. Wei-          nen. Dies bedingt aber auch, dass die            welche gerade auch im Feuerwehrdienst
ter sei in der heutigen Gesellschaft das           Arbeitgeber die Feuerwehrleute wäh-              von grossem Nutzen sind. Weiter liegt
Freizeitangebot so breit gefächert, dass           rend der Arbeitszeit ausrücken lassen.           der Werkhof in vielen Gemeinden nahe
der aktive Feuerwehrdienst nur mehr                Bei der zunehmenden Anzahl von Ein-              beim Feuerwehrmagazin, oder die Loka-
eine Möglichkeit unter vielen anderen              sätzen in fusionierten Feuerwehrorgani-          litäten sind sogar zusammengelegt. Im
sei. Vorbei seien die Zeiten, als bereits          sationen kann dieses Verständnis über-           Alarmfall ist also ein schnelles Einrücken
Grossvater und Vater in der Feuerwehr              strapaziert werden, wie Bächtold aus             möglich. In einigen Gemeinden sind ge-
gewesen seien und deshalb ganz auto-               Erfahrung weiss. Der SFV-Direktor ist            wisse Schlüsselpositionen der Feuer-
matisch auch der Sohn Dienst leiste.               selber in der Feuerwehr Burgdorf (BE)            wehren neben- oder sogar hauptamtlich
Aber auch die Entwicklungen in der Feu-            als Feuerwehroffizier aktiv und beobach-         durch Gemeindeangestellte besetzt. Es
erwehr selbst würden dazu beitragen,               tet auch in der Region Emmental einen            handelt sich dabei in der Regel um die
dass sich immer weniger für einen                  wachsenden Missmut bei den Arbeitge-             Position des Kommandanten und/oder
Beitritt begeistern liessen. Bächtold              bern, ihre Mitarbeiterinnen und Mitar-           jene des Materialwarts. SFV-Direktor Urs
spricht damit die in den letzten Jahr-             beiter für den Feuerwehrdienst freizu-           Bächtold bestätigt, dass solche «halb-
zehnten schweizweit immer mehr statt-              stellen. Wenn sich dann jemand vor die           professionellen» Strukturen in der Feu-
findenden gemeindeübergreifenden                   Wahl zwischen Arbeit oder Feuerwehr-             erwehr zunehmen. Bei den durch Fusio-
Fusionen von Feuerwehrorganisationen               dienst gestellt sieht, fällt die Wahl zu-        nen     immer      grösser     werdenden
an. Teilweise sind diesen Fusionen be-             gunsten des existenzsichernden Jobs              Feuerwehren stösst das Milizsystem
reits Zusammenschlüsse von überge-                 aus. Bächtold: «Es ist deshalb wichtig,          vorab bei Kader- und Schlüsselpositio-

48                                                                                                                  SCHWEIZER GEMEINDE 6 l 2018
Wie lange ist die Feuerwehr noch Traumjob für Freiwillige?
FREIWILLIGE

nen zusehends an seine Grenzen. Eine         Thomas Eglauf, Kommandant der Feu-
Teilprofessionalisierung bringt aller-       erwehr Metzerlen-Mariastein (SO), weiss
dings einen höheren finanziellen Auf-        um diese Problematik. Er arbeitet als
wand mit sich, den sich nicht alle Ge-       Berufsfeuerwehrmann bei der Feuer-
meinden oder Gemeindeverbände leis-          wehr Basel in Schicht, seine Frau arbeitet
ten können. Aber auch Gemeinden mit          Teilzeit, die Eltern wechseln sich bei der
kleinem Budget könnten die Feuerwehr         Kinderbetreuung ab. Da bleibt kein
im Bereich Rekrutierung und Personal­        Raum für ein zweites Engagement in der
findung wirksam unterstützen, meint          freiwilligen Feuerwehr. Eglauf bedauert
Bächtold. Etwa indem der Feuerwehr-          zudem, dass die Feuerwehr zwar regel-
kommandant bei Neuzuzügeranlässen            mässig auf der Spitzenposition der Be-
die Organisation vorstellt. Oder indem       liebtheit rangiert, die Bereitschaft, sich
ein Rekrutenjahr angeboten werde für         für ein Milizamt zu engagieren, aber ab-
neu ins Dienstalter eintretende Junge,       nimmt. Ganz nach dem Motto «Machen
bei denen die Gefahr bestehe, dass sie       sollen es die anderen»!
Stelle und Wohnort wechselten. Im Re-        In der Feuerwehr Metzerlen-Mariastein
krutenjahr werden die Neuankömmlinge         hat sich das Rekrutierungsproblem mit
ans Feuerwehrhandwerk herangeführt,          dem Zusammenschluss temporär etwas
aber noch nicht teuer und aufwendig          entschärft. Die Feuerwehr weist gemäss
ausgebildet.                                 kantonalen Vorschriften sogar einen
                                             Überbestand auf. «Wir können uns hier
Der Anteil der Frauen steigt                 aber nicht zurücklehnen. Ohne Rekrutie-
Das «Gesicht» der Feuerwehr ist heute        rung fehlen uns früher oder später die
bei Weitem nicht mehr nur männlich.          Leute, insbesondere in den wichtigen
Frauen sind heute mit einem Anteil von       Kaderpositionen», gibt Eglauf zu beden-
zehn Prozent aller Angehörigen der Feu-      ken. Den aussichtsreichsten Weg sieht
erwehren in der Schweiz vertreten. Über      der Berufsfeuerwehrmann und Kom-
zehn Jahre hinweg hat der gesamte Be-        mandant in der persönlichen Ansprache
stand aller Feuerwehren um über einen        möglicher Interessenten. Diesen Weg hat
Viertel abgenommen, während der Frau-        auch die Feuerwehr von Kerns im Kan-
enanteil kontinuierlich zunimmt. «Bei        ton Obwalden gewählt. Kerns verzichtet
den Frauen haben wir tatsächlich noch        auf eine Ausschreibung in den Anzei-
Potenzial», meint Bächtold. Frauen, ins-     geblättern und führt auch keine Rekru-
besondere Mütter, verbringen wesent-         tierungsveranstaltungen durch. Die Re-
lich mehr Zeit in ihrer Wohngegend als       krutierung in den einzelnen Feuerwehren
Männer. Allerdings sind die Möglichkei-      ist also so unterschiedlich wie ihre Orga-
ten für das jederzeitige Ausrücken ge-       nisationen, Kulturen und auch die Ge-
rade von Müttern mit kleinen Kindern         meindestrukturen sind. Eine Herausfor-
beschränkt. Der Kanton Solothurn trägt       derung bleibt sie überall in der Schweiz.
diesem Umstand sogar gesetzlich Rech-
nung, indem er Mütter während der Be-                             Corinne Aeberhard
treuung ihrer Kinder bis zum Alter von
15 Jahren von der Ersatzabgabe befreit.

 Wieso Feuerwehr? Ich will                    Wieso Feuerwehr? Das neue
 direkt an das Feuer gehen.                   Umfeld motiviert mich.
 Anna Zeller ist 25 Jahre alt und eine        Dominique Cartwright ist 20 Jahre alt
 der beiden Frauen, die sich letzten          und von Beruf Koch. Er brachte am
 Oktober dem Rekrutierungstest von            Rekrutierungsmorgen noch keinerlei
 Schutz und Rettung der Stadt Zürich          Feuerwehrerfahrung mit. DerTest, bei
 gestellt und diesen auch bestanden           dem eine Leiter mit Atemschutzgerät
 haben. Die ausgebildete Pflegefach-          bestiegen werden musste, flösste
 frau war bereits vor diesemTest in der       ihm ziemlichen Respekt ein. Er hat ihn
 Feuerwehr Stäfa aktiv. Das Feuer-            gemeistert, obwohl er unter Höhen-
 wehrhandwerk und das Tragen eines            angst leidet. Sein Handicap hat ihn
 Atemschutzgerätes waren für sie also         schliesslich dann doch dazu bewo-
 nichts Neues. Als Pflegefachfrau wäre        gen, sich in den Sanitätsdienst eintei-
 sie eigentlich prädestiniert für den         len zu lassen. Als grösste Motivation
 Sanitätsdienst. «Das kommt für mich          für einen Einstieg in die Feuerwehr
 aber nicht infrage. Mich reizt es, direkt    nennt Cartwright die Möglichkeit, ein       Mit dem Atemschutzgerät auf dem Rücken
 ans Feuer zu gehen», sagt die Feuer-         neues Umfeld und neue Kameradin-            müssen die Anwärter die Leiter hoch und
 wehrfrau aus Leidenschaft.                   nen und Kameraden kennenzulernen.           wieder hinunter.
                                                                                                                Bild: Corinne Aeberhard

   SCHWEIZER GEMEINDE 6 l 2018                                                                                                       49
Wie lange ist die Feuerwehr noch Traumjob für Freiwillige?
Sie können auch lesen