EFEU: Für Existenzgründer/innen beginnt das "Moodle"-Zeitalter
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x Forschungsberichte Wissenschaft EFEU: Für Existenzgründer/innen beginnt das „Moodle“-Zeitalter Praxisbericht über die Implementierung eines Moodle-Lernmanagementsystems für Unternehmensgründer/innen Dr. Margret WAGNER † Mag. Ingrid DOBROVITS Mag. Franz-Karl SKALA Institut für Wirtschaftspädagogik Institut für Wirtschaftspädagogik Institut für Wirtschaftspädagogik Wirtschaftsuniversität Wien Wirtschaftsuniversität Wien Wirtschaftsuniversität Wien ingrid.dobrovits@wu-wien.ac.at franz-karl.skala@wu-wien.ac.at Im Rahmen eines Projekts des Instituts für Wirtschaftspädagogik der gestrebt, durch den Einsatz von E-Learning Verbesserungen bei WU Wien und der ÖSB Consulting GmbH wurde ein bestehendes den individuellen Lernzeiten und bei der Lerngeschwindigkeit – Aus- und Weiterbildungsprogramm für Unternehmensgründer/in- welche aufgrund der heterogenen Teilnehmer/innengruppe(n) nen flexibler gestaltet und inhaltlich als Blended-Learning-Konzept hinsichtlich des Vorwissens und der Kenntnisse im Umgang mit an eine elektronische Lehr- und Lernumgebung adaptiert. Neuen Medien stark streuen – zu erreichen. Es wurde ein Blended-Learning-System entwickelt, das die Gründer/ innen mit den theoretischen Grundlagen in ausgewählten Teilbe- 1.1 Leistungen der ÖSB Consulting reichen der Betriebswirtschaft im Selbststudium vertraut macht. Der Der Auftraggeber, die ÖSB Consulting GmbH, ist ein mittelstän- vorliegende Praxisbericht zeigt den Projektablauf, das modulare Blen- disches Unternehmen mit Unternehmenssitz in Wien und wei- ded-Learning-Konzept im Detail und beispielhaft die implementierte teren acht Niederlassungen in Österreich. Als eines der zentralen Moodle-Lernplattform. Geschäftsfelder des Consultingunternehmens gilt das Anbieten und die Entwicklung von zeitgemäßen und modernen Maßnah- 1 Rahmenbedingungen des EFEU-Projekts 1 men, Projekten und Programmen für arbeitsmarktpolitische Ak- Im Zeitraum Herbst 2006 bis Herbst 2007 entwickelte das Ins teurinnen/Akteure und unterschiedliche Zielgruppen. titut für Wirtschaftspädagogik an der WU Wien2 für den Auf- So werden seit geraumer Zeit im Auftrag des Arbeitsmarktser- traggeber, die ÖSB Consulting GmbH, ein Blended-Learning- vice Österreich verschiedene Schulungsprogramme für Beschäfti- Programm, um das bestehende Angebot im Bereich der Aus- und gungslose der unterschiedlichsten Zielgruppen angeboten, die eine Weiterbildung für Unternehmensgründer/innen zu ergänzen. bestimmte Geschäftsidee entwickelt haben oder diesen (bereits Die ÖSB Consulting GmbH ist seit ungefähr einem Jahrzehnt im konkreten) Gedanken verfolgen möchten. In dem von der ÖSB Bereich der Beratung und Betreuung von Personen tätig, welche Consulting angebotenen Unternehmensgründungsprogramm sich auf dem Weg in die Selbständigkeit befinden. Im Zuge dieser „Gründen in Österreich“ werden die Schulungsteilnehmer/innen Tätigkeit werden im Auftrag des Arbeitsmarktservice Österreich durch die Vermittlung von praxisnahen Informationen für den Unternehmensgründungsprogramme angeboten, wobei hier jähr- Schritt in die Selbständigkeit vorbereitet. lich weit über 2500 Gründungsvorgänge vonseiten der ÖSB aktiv Die Begleitung der Gründer/innen durch die ÖSB Consulting begleitet werden. beträgt in etwa sechs Monate, wobei eingangs die Gründungsidee Im urbanen Bereich nimmt jeder Teilnehmer bzw. jede Teilneh- geprüft und in der Folge aktiv beim Umsetzungsplan unterstützt merin der Gründungsprogramme an durchschnittlich drei Work- wird. Zum Erwerb der notwendigen basisbetriebswirtschaftlichen shops zu verschiedenen thematischen Bereichen der Betriebswirt- Kenntnisse wird ein Seminarpool angeboten, aus dem die Unter- schaft teil. Problematisch ist nach Angaben des Auftraggebers nehmensgründer/innen über das Arbeitsmarktservice teilnehmen jedoch die Weiterbildungsbereitschaft im ländlichen Raum, da können. diese mit zunehmender Distanz zum Seminarort signifikant abnimmt, obwohl einzelne Workshops prinzipiell mit einer An- 1.2 Zielgruppe des Gründer/innenprogramms fahrtszeit von bis zu höchstens zwei Autostunden zu erreichen Die Zielgruppe, die das neu entwickelte E-Learning-Modul nutzen wären. Dieser Umstand ist primär auf den Zeit- und Kostenauf- wird, stellt einen Personenkreis dar, der sich zum Zeitpunkt der wand zurückzuführen. Aber auch familiäre Gegebenheiten wie Angebotsnutzung in der Vorgründungsphase (d. h. vier bis einen eine notwendige Kinder- oder Altenbetreuung sind der Teilnahme Monat vor der tatsächlichen Unternehmensgründung) oder kurz an Weiterbildungsveranstaltungen eher abträglich. nach der Unternehmensgründung (bis zu drei Monate danach) Als Projektziel sollte daher mithilfe des methodischen An- befindet. Bei der Konzeption des Blended-Learning-Konzepts galt satzes des E-Learnings vor allem für den ländlichen Raum eine es zu beachten, dass von den Schulungsteilnehmerinnen/-teilneh- Alternative zu den bestehenden Präsenzveranstaltungen geschaf- mern – mit wenigen Ausnahmen – ausschließlich Ein-Personen- fen werden, um flexibler auf die individuellen Bedürfnisse der Unternehmen (EPU), vorzugsweise im Dienstleistungsbereich Kundinnen/Kunden eingehen zu können. Zusätzlich wurde an- sowie im Handel gegründet werden. 42 wissenplus 5–07/08 wp_5_0708_AK.indd 42 27.10.2008 10:10:14 Uhr
x Wissenschaft Das Gros der Schulungsteilnehmer/innen ist zwischen 30 und ➤ Einnahmen/Ausgaben-Rechnung 50 Jahre alt, wobei ungefähr 80 Prozent der teilnehmenden Per- Da die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer/innen Einzelunter- sonen bereits berufliche Erfahrung oder eine fachspezifische Aus- nehmen gründet, beschränkt sich die Vermittlung der buchhalte- bildung in bestimmten Branchen nachweisen können. Das heißt, rischen Kenntnisse ausschließlich auf die Einnahmen/Ausgaben- ein gewisses Maß an Fachwissen ist bereits vorhanden, grundle- Rechnung, wobei hier der inhaltliche Schwerpunkt vor allem auf gende betriebswirtschaftliche Kompetenzen müssen jedoch meist der Sensibilisierung für und der Beantwortung von steuerrecht- noch vermittelt werden. lichen Fragen, die Vorgaben der Finanzverwaltung sowie auf dem Umgang mit Finanz-Online liegt. 1.3 Inhalte des Gründer/innenprogramms Das vorrangige Ziel des Gründer/innenprogramms ist die Wissens- ➤ Selbstorganisation und Kommunikation vermittlung im Bereich der relevanten Themen für die Erstellung Auch der Bereich der betrieblichen Kommunikation gilt als wich- eines Businessplans. Die Kursinhalte sollen den Teilnehmenden tiger Punkt des Ausbildungsprogramms. Den Lernenden sollen zu- dabei behilflich sein, einen eigenen Businessplan zu erstellen bzw. nächst die Grundlagen der Kommunikation und insbesondere die diesen anhand der vermittelten praxistauglichen Informationen Bereiche Verkaufsgespräch, Telefonmarketing, Selbstorganisation zu verbessern. Das Hauptaugenmerk bei der Auswahl und Erstel- und Zeitmanagement sowie Verhandlungstechniken vermittelt lung der Inhalte war daher die Praxisrelevanz hervorzuheben und werden. Dieses Grundlagenwissen wird dann in der Präsenzver- damit die Möglichkeit anzubieten, die neu erworbenen Kenntnisse anstaltung praktisch erprobt. Für das gesamte Blended-Learning- direkt in der Unternehmenspraxis anzuwenden. Programm wurde vorausgesetzt, dass sich die Kursteilnehmer/ Erwachsene sehen neue Inhalte insbesondere unter dem As- innen alle Inhalte der fünf Module des Programms binnen sechs pekt, ob diese für ihre alltägliche Praxis relevant sind. Weisen sie Wochen im Selbststudium erarbeiten können. Der durchschnitt- also bestimmten Inhalten keinen hohen Bezug zur eigenen Praxis liche Workload sollte dabei bei ungefähr zwölf bis sechzehn Ar- zu, kann es durchaus passieren, dass diese Nutzenorientierung beitsstunden in der Woche liegen. Ein darüber hinausgehender zulasten der Lerneffizienz und -effektivität geht (GEISSLER Arbeitsaufwand wurde vonseiten des Auftraggebers als nicht 2001, S. 405). zielführend und somit als unerwünscht angesehen, da die zeit- Die zentralen Bereiche der Informationsvermittlung des Aus- liche Belastung der Schulungsteilnehmer/innen im Rahmen eines bildungsprogramms, die auch durch das neue Blended-Learning- (Pre-)Gründungsvorgangs bereits als sehr hoch angesehen werden Konzept abgedeckt werden sollten, sind die folgenden fünf The- kann und die Informationsvermittlung diese wichtige Phase nicht menblöcke: behindern, sondern vielmehr ergänzen soll. ➤ Unternehmensziele & Unternehmensleitbild 2 Projektablauf zum neuen Seminarkonzept Den Teilnehmerinnen/Teilnehmern werden die notwendigen In- Die Inhalte sowie die Rahmenbedingungen waren in der Folge formationen vermittelt, um ein eigenes Unternehmensleitbild zu Grundlage für den Projektaufbau. Im Zeitraum Herbst 2006 bis erstellen, Unternehmensziele zu formulieren und ein Unterneh- Herbst 2007 wurden neben der Implementierung der technischen menskonzept zu definieren. Diese Informationen sind für die Rahmenbedingungen in Form eines Lernmanagementsystems die Startphase der Unternehmensgründung von oberster Relevanz, Inhalte zu den einzelnen thematischen Schwerpunkten entwickelt da diese oftmals für das Ansuchen von Förderungen, bei An- (siehe Abb. 1). Das Hauptaugenmerk der Inhaltsentwicklung lag laufstellen für Gründer/innen benötigt werden. Die wichtigsten darin, die fachlichen Kernbestandteile der jeweiligen Themenbe- Fördermöglichkeiten, Informationsquellen und Ansprechpartner reiche zu identifizieren und sodann didaktisch sinnvoll aufzube- wurden ebenfalls in das Lehr-/Lernarrangement mit einbezogen. reiten, wobei es zu beachten galt, die bereits bestehenden Inhalte der reinen Präsenzveranstaltungen zu berücksichtigen. Es erfolgte ➤ Kostenrechnung und Controlling daher aus inhaltlicher Sicht eine Neukonzeption unter Berück- Hier soll das Grundlagenwissen vermittelt werden, um einen sichtigung der vorhandenen Präsenzinhalte. Investitionsplan für das angestrebte Projekt aufzustellen und den Im Rahmen dieser Neukonzeption wurde vor allem auf den Planerfolg zu ermitteln. Ein weiteres zentrales Augenmerk liegt bei Fit zwischen der Ausgestaltung von didaktischen Materialien und den Themen Liquidität und bei der Preiskalkulation der angebote- den Vorgaben der technischen Rahmenbedingungen geachtet. Dies nen Produkte und/oder Dienstleistungen der Gründer/innen. führte dazu, dass neben Informationsvermittlungssequenzen für das Selbststudium auch statische und dynamische Lernmateria ➤ Marketing, Recht und Kundinnen-/Kundengewinnung lien, wie zum Beispiel „Standortbestimmungen“ 4 entwickelt wur- Im Rahmen des Ausbildungsprogramms sollen neben den den. Wichtig war außerdem, dass die Module handlungsorientiert Grundlagen des Marketings3 vor allem die Aspekte der Zielgruppe und vor dem Hintergrund der individuellen Erfordernisse einsetz- sowie der Unique Selling Proposition (USP) bzw. der Konkreti bar sind.5 Dieser gründer/innenrelevante Bezug wurde durch den sierung der Gründungsidee zur USP vermittelt werden. Außer- Einsatz von vielen praktischen Informationen im Kontext eines dem wird aufgezeigt, wie mit geringen Mitteln Marketingmaß- modulübergreifenden Fallbeispiels (fiktives Musterunternehmen nahmen getätigt werden können. In diesem Zusammenhang ist im Bereich des Webdesigns) hergestellt. auch die Kenntnis der rechtlichen Grundlagen des unternehme- Als Grundlage für die Entwicklung der Inhalte sowie für die rischen Handelns von Relevanz. Hier sollen vor allem Basiskennt- Schaffung der notwendigen technischen Rahmenbedingungen nisse wie die Grundlagen zum Liefer- und Leistungsverzug, der wurde ein Blended-Learning-Konzept entwickelt, das einerseits Gewährleistung, den allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie die Wünsche und Anregungen des Auftraggebers berücksichtigt zu dem rechtlichen Regelwerk für Einzelunternehmen vermittelt und andererseits den inhaltlichen Rahmen unter dem Aspekt der werden. technischen Realisierungsmöglichkeiten verknüpft. wissenplus 5–07/08 43 wp_5_0708_AK.indd 43 27.10.2008 10:10:14 Uhr
x Forschungsberichte wissensCHaft Aufgrund der heterogenen Eingangsvorausset- zungen der Schulungsteilnehmer/innen, deren Ausbildungsgrad vom Lehrabschluss bis hin zu einer tertiären Ausbildung reicht, galt es zu gewährleisten, dass die einzelnen inhaltlichen Module zwar zusammenhängend konzipiert, jedoch prinzipiell unabhängig voneinander, in einer von den Schulungsteilnehmerinnen/-teil- nehmern frei wählbaren Reihenfolge absolviert werden können. Wie in Abbildung 2 dargestellt, ist die Einführungsveranstaltung (Kick-off-Seminar), welche als verpflichtendes Präsenzseminar ab- gehalten wird, notwendige Voraussetzung für die Teilnahme am Blended-Learning gestützten Gründer/innenprogramm. In diesem Seminar werden die grundlegenden organisatorischen Rahmenbedingungen geklärt, das Ausbildungs- programm dargelegt und das E-Learning-Sys- tem vorgestellt, wobei hier auch eine gestraffte Einschulung der Teilnehmer/innen in den Um- gang mit dem Lernmanagementsystem angebo- Abb. 1: Projektaufbau ten wird. Um die Praxisrelevanz der vermittelten Inhalte zu gewährleis- 2.1 Blended-Learning-Konzept ten, bauen alle fünf Module inhaltlich auf dem fiktiven Beispiel Als didaktisches Rahmenkonzept für das Blended-Learning- einer ausgewählten Unternehmensgründerin auf. Dieses Beispiel Programm „EFEU“ (E-Learning für Ein-Personen-Unterneh- enthält alle notwendigen Informationen und Überlegungen, die men) wurde wie bereits dargelegt eine Abfolge von webbasierten sich auch die Ausbildungsteilnehmer/innen im Zuge ihrer eige- Selbststudien- und Präsenzphasen gewählt. Die fünf Kursmo- nen Gründungsidee stellen. Zum einen wird die Geschäftsidee dule werden nach der Durchführung eines Kick-off-Seminars als Ausgangspunkt dargelegt, wobei auch bereits Ausführungen im Selbststudium mit Unterstützung von Tutorinnen/Tutoren zum geplanten Marketing und den rechtlichen Rahmen der Un- durchgearbeitet, wobei die einzelnen Module nach ausgewählten ternehmensgründung der fiktiven Gründerin dargelegt werden. Themenbereichen gegliedert sind und somit der Lernfortschritt Ergänzt werden diese Grundlageninformationen um weitere der Kursteilnehmer/innen im Rahmen des Ausbildungspro- Überlegungen, z. B. aktuelle Konkurrenz- und Brancheninforma- gramms durch die Trainer/innen aktiv begleitet werden kann. tionen, sodass die Teilnehmenden dieses fiktive Unternehmen als Musterbeispiel durchdenken kön- nen. In jedem Kurs wird mehrmals auf dieses modulübergreifende Beispiel zu- rückgegriffen und je nach inhaltlicher Ausgestaltung des Kurses in reflexiven Schleifen die theoretischen Grundlagen anhand praktischer Anwendungsbei- spiele veranschaulicht. Die auf die E-Learning gestützten Selbststudienphasen folgenden Prä- senzphasen werden als Seminare im kleineren Rahmen abgehalten und von geschulten Trainerinnen/Trainern der ÖSB Consulting die Relevanz des in den E-Learning-Phasen erworbenen Wissens für die künftige Tätigkeit der Schulungsteilnehmer/innen verdeut- licht. Es steht somit nicht mehr primär die Wissensvermittlung von betriebs- wirtschaftlichen Inhalten im Vorder- grund. Vielmehr wird aufgezeigt, wie mithilfe des erworbenen Wissens die Umsetzung der eigenen Geschäftsidee erleichtert und der Start in das Unter- Abb. 2: Blended Learning Konzept von EFEU nehmertum gelingen wird. 44 wissenplus 5–07/08 wp_5_0708_AK.indd 44 27.10.2008 10:10:16 Uhr
x Wissenschaft 2.2 Realisierung der technischen Rahmenbedingungen gegangen wird (vgl. STARY 2006, S. 62). Im Rahmen des EFEU- Als technischer Rahmen für die Realisierung der E-Learning-Se- Projekts erschien dieser Aspekt sehr wichtig, da sich Gründer/in- quenzen für dieses Blended-Learning-Konzept wurde das Lernma- nen untereinander austauschen, Ideen und Ansichten teilen und nagementsystem (LMS)6 Moodle gewählt. Moodle ist nicht nur somit gegenseitig – auch in der Selbststudienphase – unterstützen aufgrund seines lizenzrechtlichen Modells eines der am meisten können. Vonseiten der technischen Umsetzung kann somit die verbreitetesten LMS, sondern verspricht auch hinsichtlich seines Förderung einer Kultur des selbstorganisierten Lernens (vgl. EU- modularen Aufbaus, der verfügbaren fachspezifischen Literatur LER 2002, S. 6) im Gründer/innenteam gewährleistet werden. und seiner aktiven (Entwickler-)Community Erweiterungs- und Zukunftsperspektiven. 2.2.3 Adaptives Lernmodell Eine der zentralen Zusatzfunktionen, die im vorliegenden System 2.2.1 Didaktisches Konzept und Inhaltsmodell von Moodle implementiert wurden, stellt das adaptive Lernmodell dar. Durch Von den Entwicklerinnen/Entwicklern des LMS Moodle wird die den Einsatz dieses Moduls wird es möglich, komplexe Lernse- Theorie des sozialen Konstruktivismus als Ausgangspunkt für quenzen zu erstellen, welche sich nach dem Lernfortschritt der die Konzeption der Weiterentwicklungen vertreten. Moodle soll – Lernenden dynamisch und in Echtzeit, ohne weitere administra- trotz seines modularen Aufbaus – keine Akkumulation einzelner tive Tätigkeiten, anpassen. „Adaptive Lernprogramme können Tools sein. Es soll vielmehr eine Umgebung geschaffen werden, die sich in beschränktem Umfang an die Eigenschaften der indivi- es den Lernenden erlaubt, Wissen zu konstruieren und Interak- duellen Lerner anpassen.“, wohingegen „In hypermedialen Lern- tion zwischen den Kursteilnehmerinnen/-teilnehmern, einzelnen angeboten […] die Auswahl der jeweils geeigneten Informations- Gruppen und den Lehrenden zu ermöglichen. Moodle kann daher angebote der Selbstregulierung des Lernenden überlassen“ wird auch als lernzentriertes „Course Management“-System (CMS) an- (APPELRATH 2003, S. 136 f.). gesehen werden (vgl. COLE 2005, S. 4 f.). Das Abarbeiten der einzelnen Bedingungen und die damit Damit versuchen die Entwickler/innen, dem Paradigma des einhergehende Freischaltung der weiteren Lernressourcen wird Cognitive-Apprenticeship bei der Konzeption des LMS Rechnung vollautomatisch ohne weiteres Zutun der zuständigen Trainer/ zu tragen. Dieser von Collins, Brown und Newmann entwickelte innen durchgeführt (siehe Abbildung 3). Als Bedingung kann bei Ansatz soll vor allem die Interaktion zwischen den Lernenden der Konzeption des Lernmodells entweder ein bloßes Aufrufen ei- und Expertinnen/Experten begünstigen und somit den Trans- ner Ressource oder das Erreichen einer bestimmten Punkteanzahl fer von implizitem Expertenwissen im Bereich des E-Learnings definiert werden. Der Lernfortschritt der Lernenden kann durch durch interaktive Lehr- und Lernmethoden unterstützen. Die die Trainer/innen mittels Einsicht in die aktuellen Bewertungen Lehr-/Lernumgebung soll vor allem durch kommunikations- und oder nach Durchsicht der Protokolle des Kurses festgestellt wer- kollaborationsfördernde Elemente die Motivation der Individuen den. durch einen intensiven Gedankenaustausch untereinander und Die Einbindung eines adaptiven Lernmodells eignet sich mit den Lehrenden steigern. Insofern soll das LMS für Lernsitua- vor allem dann, wenn die Lernenden über heterogene Ein- tionen einsetzbar sein, in denen Lernende mit unterschiedlichem gangsvoraussetzungen verfügen – wie dies bei den künftigen Vorwissen und unterschiedlichen Zugängen zur jeweiligen The- Ausbildungsteilnehmerinnen/-teilnehmern des EFEU-Projekts matik in Diskurs miteinander treten und somit neue Aspekte in der Fall ist (vgl. Abschnitt 1.2). die Lehr-/Lernsituation mit einbringen können. „In ge- neral, a healthy amount of connected behaviour within a learning community is a very powerful stimulant for learning, not only bringing people closer together but promoting deeper reflection and re-examination of their existing beliefs.“7 2.2.2 Kommunikations- und Kollaborationsfunktionen Der Grundgedanke von Kommunikations- und Kollaborationsfunktionen besteht darin, dass den Kursteilnehmerinnen/-teilnehmern eine Vielzahl von Tools für Diskussion und Kommunikation zur Verfü- gung gestellt wird. Somit soll durch persönliche Ein- schätzungen und Kommentare eine durch die Lernenden angeregte Dynamik im Lernprozess entstehen. Diese Dynamik ergibt sich durch die Implementierung des LMS Moodle natürlich nicht a priori; vielmehr bedarf es statischer Inhalte, die durch die Lehrenden eingespeist werden müssen. Den Kursteilnehmerinnen/-teilneh- mern ist es allerdings möglich, zu vielen Lehrinhalten Kommentare abzugeben, diese zu ändern oder gar selbst zu erstellen. Insofern besteht die Grundlage zu einer ko- operativen Wissensvermittlung, bei der unter Nutzung von sämtlichen Kommunikations- und Kollaborations- möglichkeiten von der bloßen Informationsteilung ab- Abb. 3: Möglicher Einsatz eines adaptiven Lernmodells wissenplus 5–07/08 45 wp_5_0708_AK.indd 45 27.10.2008 10:10:17 Uhr
x Forschungsberichte Wissenschaft 3 Fachdidaktischer Einblick: E/A-Rechnung Das Modul „Meine Buchhaltung“ setzt sich dabei inhaltlich Eines der fünf Module behandelt die Vermittlung der buchhalte- aus vier zentralen Themenfeldern zusammen, welche anhand rischen Grundkompetenzen für Gründer/innen. Es werden an- des modulübergreifenden Fallbeispiels praxisnah erläutert und hand von zahlreichen Unterlagen (wie Arbeitsmaterialien, Text- beispielhaft aufbereitet werden. Sämtliche dabei anfallenden büchern, Standortbestimmungen, Formularen und Vorlagen) die Formulare werden gemeinsam erarbeitet und ausgefüllt, wobei Grundlagen der Einnahmen/Ausgaben-Rechnung vermittelt und immer wieder „Hilfe zur Selbsthilfe“ gegeben wird, indem auf auf die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben ein- weitere Informationsquellen und Bezugsmöglichkeiten hingewie- gegangen. Im Folgenden wird das Modul „Meine Buchhaltung: sen wird. E/A-Rechnung“ in der Konzeption dargestellt. Im ersten Thema des Kurses „Einstieg zum Aufbau des eige Ausgangsbasis der didaktischen und inhaltlichen Konzepti- nen Rechnungswesens“ lernen die Kursteilnehmer/innen die on war es, das Modul für die Zielgruppe der Gründer/innen so grundlegenden Schritte kennen, die im Rahmen ihrer Unterneh- aufzubauen, dass diese ihr neu erworbenes Wissen unmittelbar mensgründung zu erledigen sind – von der Kontaktaufnahme einsetzen können, denn „Lernen hat für Erwachsene immer seine mit den Behörden (siehe Abbildung 4) über die ordnungsgemäße ganz spezielle eigene Bedeutung im Hier und Jetzt, bezieht seinen Ablage der Belege bis hin zur Frage: Was ist die Einnahmen/Aus- Sinn, seine Motivation, sein Ziel, seine emotionale Bedeutung, sei- gaben-Rechnung? Dabei werden anhand reflexiver Schleifen in ne Nützlichkeit usw. aus dem direkten Bezug zur Praxis, aus der Bezug auf das fiktive, modulübergreifende Fallbeispiel sämtliche es entspringt und auf die es hinorientiert ist.“ (DÖRING 1991, Schritte praxisnah dargelegt und beispielhaft erläutert. S. 108) Dieses Modul setzt sich aus einer vorbereitenden E-Lear- Das zweite Thema widmet sich der Umsatzsteuer. Nach ei- ning-Phase und einer anschließenden Präsenzphase zusammen. ner kurzen Einführung wird für das Musterunternehmen eine Während der E-Learning-Phase erarbeiten die Kursteilnehmer/ Umsatzsteuervoranmeldung aufgrundlage einer Belegsammlung innen die Inhalte des Moduls „Meine Buchhaltung“ im Selbst- erstellt. Einen großen Stellenwert in diesem Kapitel nehmen ziel- studium und eignen sich somit die Grundlagen der Einnahmen/ gruppenspezifisch die Kleinunternehmerreglung und die Form Ausgaben-Rechnung anhand eines fiktiven Musterunternehmens erfordernisse einer steuerlich vorschriftsmäßig ausgestellten an. Die Präsenzphase hilft bei der Klärung allfällig aufgetretener Rechnung ein. Zu diesem Zweck gibt es eine Musterrechnung, Unklarheiten und soll vorrangig dazu dienen, die jeweiligen Spe- die als adaptierbare Vorlage zum Download bereitliegt. Das um- zifika des eigenen Unternehmens mit einem Experten bzw. einer fangreiche Thema „Belegswesen“ stellt den eigentlichen Kern des Expertin vor Ort zu klären. In dieser Phase ist bereits Grundlagen- Moduls dar und hat als Ziel, anhand einer Belegsammlung die wissen, welches zuvor in der Selbststudienphase erworben wurde, Einnahmen/Ausgaben-Rechnung für das Musterunternehmen zu vorhanden. erstellen. In der E-Learning-Phase werden ausschließlich Inhalte vermit- Die Grundlagen werden dabei in einfacher Wortwahl paral- telt, die für Einzelunternehmer/innen relevant sind. Diese dienen lel in der Reihenfolge des dann zu verwendenden Formulars E1a vorwiegend einer ersten inhaltlichen Auseinandersetzung mit der präsentiert, wobei die gängigsten Positionen genauer beschrieben Materie. Dabei wird auf eine spezifische Fallorientierung geach- werden und immer wieder auf weiterführende Informationen ver- tet, da erwachsene Lernende weniger theoretisches Wissen oder wiesen wird (siehe Abbildung 5). abstrakte Theorien denn Lösungen für alltägliche Probleme und Steuerrechtlich anspruchsvollen Teilbereichen, die jedoch einen Herausforderungen benötigen. Dieses aufgaben- oder fallbezo- Großteil der Gründer/innen betreffen, wird mittels spezifischen gene Denken, welches dann im Berufsalltag erforderlich ist, wird auch im Lernprozess bevorzugt (vgl. DÖRING 1991, S. 107). Abb. 4: Beispiel – Vergabe der Steuer- nummer 46 wissenplus 5–07/08 wp_5_0708_AK.indd 46 27.10.2008 10:10:18 Uhr
x Wissenschaft Abb. 5: Beispiel – Gemeinsames Erarbeiten einer einfachen Einnahmen- Ausgaben-Rechnung Unterkapiteln Rechnung getragen. Zusätzlich werden hilfreiche Fußnoten: Tabellenkalkulationsvorlagen zur Verfügung gestellt, die nicht nur 1 EFEU – Entrepreneurship für Ein-Personen-Unternehmen im Rahmen der Ausbildung, sondern auch in der Folge von den 2 Detaillierte Ausführungen zur Entwicklung dieses Blended-Learning-Systems, den fachdidaktischen Inhalten und den technischen Implementierungsarbeiten können fünf Diplomarbeiten aus den Jahren 2007 und 2008 an der Gründerinnen/Gründern im eigenen Unternehmen eingesetzt Wirtschaftsuniversität Wien entnommen werden. 3 z. B.: die Erstellung einer Wettbewerbsanalyse unter Bedachtnahme der Marktgegebenheiten und -besonderheiten, werden können (z. B.: Vorlage für Reisekostenabrechnung etc.). der konjunkturellen Lage und Zukunftstrends etc. Im abschließenden Kapitel wird auf die Verpflichtungen ein- 4 Standortbestimmungen im Rahmen des EFEU-Programms sind kleinere, internetgestützte Lernstandserhebungen, die von den Lernenden nach der Erarbeitung eines Teilkapitels durchgeführt werden. gegangen, die Einzelunternehmer/innen aus der Pflichtversiche- 5 Vgl. http://www.e-teaching.org/projekt/geschaeftsmodell/content_vermarktung/produktrahmen, Abruf: 25. Juni 2008 rung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) 6 Im Folgenden werden die Begriffe LMS (Learning Management Systems) und (L)CMS (Learning Content entstehen und vor allem, mit welchen Beträgen in den folgenden Management System) synonym verwendet. Der grundlegende Unterschied zwischen den Ansätzen besteht in der Fokussierung der Lerner/innenzentrierung einerseits und der Inhaltszentrierung andererseits. In neueren LMS sind Jahren zu kalkulieren ist. diese Grenzen allerdings fließend und eine abschließende Kategorisierung oft schwer bis gar nicht möglich. Vgl. hier- zu SCHULMEISTER 2005, S. 1 oder http://www.brandon-hall.com/free_resources/lms_and_lcms.shtml, Abruf: 25. Juni 2008 4 Schlussbetrachtung 7 http://docs.moodle.org/en/Philosophy, Abruf: 25. Juni 2008 Anhand dieses Praxisberichtes wurde aufgezeigt, wie ein beste- hendes Fortbildungsprogramm adaptiert und durch die Weiter- Literatur: entwicklung zu einem Blended-Learning-Konzept auf eine neue AFF, Josef/WAGNER, Margret (1997): Methodische Bausteine der Wirtschaftsdidaktik. Wien: Manz Verlags- und Basis gestellt werden kann, ohne auf inhaltliche, strukturelle und Universitätsbuchhandlung APPELRATH, Hans-Jürgen (2003): Zwischenbericht der Projektgruppe virtuelle interaktive Welten auf mobilen organisatorische Rahmenbedingungen zu vergessen. Mithilfe die- Endgeräten. Universität Oldenburg CARELL, Angela (2006): Computerunterstützte Kommunikation unter der Bedingung des selbstgesteuerten Lernens ser fachdidaktischen Entwicklungsarbeit ist es dem Auftraggeber von Gruppen. In: Zeitschrift für e-learning, 01/2006, S. 9–20 in Zukunft möglich, neue Zielgruppen anzusprechen und besser COLE, Jason (2005): Using Moodle. teaching with the popular open source course management system. Sebastopol (CA): O’Reilly Community Press auf die Bedürfnisse seiner Kundinnen/Kunden einzugehen. COLLINS, A./BROWN, J. S./NEWMAN, S. E. (1987). Cognitive apprenticeship: Teaching the craft of reading, writing and mathematics (Technical Report No. 403). BBN Laboratories, Cambridge, MA. Centre for the Study of Insbesondere im Zusammenhang von Unternehmensgrün- Reading, University of Illinois. January, 1987. dungen im Bereich der EPU ist die stete Betonung der Praxisrele- DOUGIAMAS, Martin/TAYLOR, Peter C. (2003): Moodle: Using Learning Communities to Create an Open Source Course Management System. http://dougiamas.com/writing/edmedia2003/ (Abruf: 20.Juni 2008) vanz im Rahmen der Ausbildung hervorzuheben. Diesem Aspekt DÖRING, Klaus W. (1991): Praxis der Weiterbildung. Analysen – Reflexionen – Konzepte. Weinheim: Dt. Studien- Verl. wurde bei der Entwicklung der Inhalte Rechnung getragen, ohne EHLERS, Ulf-Daniel (2005): Was wissen wir über E-Lerner? In: BALLI, Christel/HENSGE, Kathrin/HÖRTEL, Michael (Hrsg.): E-Learning – Wer bestimmt die Qualität? Bonn: Bertelsmann Verlag jedoch das notwendige (fach-)theoretische Fundament zu ver- EULER, Dieter (2002): From connectivity to community – Elektronische Medien als Katalysator einer Kultur des nachlässigen, welches den Unternehmensgründerinnen/-gründern selbstorganisierten Lernens im Team. In bwp@ Ausgabe Nr. 2/2002 GEISSLER, Karlheinz A./PERREZ, Meinard, HUBER, Günter L. (2001): Psychologie der pädagogischen Interak- dazu dienen soll, auf neue und ungewohnte Herausforderungen tion. In: KRAPP, Andreas/WEIDENMANN, Bernd (Hrsg.): Pädagogische Psychologie. Ein Lehrbuch. 4. Auflage, Weinheim: Verlagsgruppe Beltz, S. 357–414 durch eigenständiges Handeln möglichst flexibel und dennoch RICE, William H. (2006): Moodle. E-Learning Course Development. Birmingham: Packt Publishing rasch und richtig zu reagieren. Y RICE, William H. (2007): Moodle Teaching Techniques. Creative Ways to Use Moodle for Constructing Online Learning Solutions. Birmingham: Packt Publishing SCHULMEISTER, Rolf (2005): Zur Didaktik des Einsatzes von Lernplattformen. In: FRANZEN, Maike (Hrsg.): Lernplattformen. Web-based Training 2005. Düsseldorf: Empa-Akademie, S. 11–19 SKALA, Franz-Karl (2007): EFEU – E-Learning-Plattform für Ein-Personen-Unternehmen. Implementierung einer Moodle Lernplattform als Unterstützung eines Blended Learning Konzepts. Diplomarbeit, Wirtschaftsuniversität Wien STARIBACHER, Doris (2008): EFEU – E-Learning-Plattform für Ein-Personen-Unternehmen. Modul „Meine Buchhaltung“. Diplomarbeit, Wirtschaftsuniversität Wien STARY, Christian (2006): Content als Kontext zur Kommunikation im E-Learning. In: Zeitschrift für e-learning, 01/2006, S. 54–64 wissenplus 5–07/08 47 wp_5_0708_AK.indd 47 27.10.2008 10:10:19 Uhr
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