"S.L. Law" - Das Recht in Second Life

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"S.L. Law" - Das Recht in Second Life
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I. Einführung

Second Life bietet seinen Nutzern nicht nur einen                                     rechtsfreier Raum wie der Rest des Internets.
virtuellen Zweitwohnsitz für Networking und                                           Handlungen im Spiel können daher juristische
Unterhaltung,       sondern       auch      handfeste                                 Konsequenzen im echten Leben nach sich ziehen.
Geschäftschancen in verschiedenen Feldern, wie                                        Diese     können   einerseits  erwünscht     oder
etwa der Erstellung von Avataren oder Accessoires,                                    willkommen sein, wie etwa beim Umtausch der
oder der Erbringung von Dienstleistungen innerhalb                                    Spielwährung „Linden Dollar“ (L$) in echtes Geld,
der Second-Life-Welt („Grid“). Angesichts dieser                                      oder aber höchst unerwünscht, wenn beispielsweise
vielfältigen Möglichkeiten überrascht es nicht, dass                                  ein anderer Nutzer Schadensersatzansprüche
sich Nutzern und Betreibern auch rechtliche Fragen                                    geltend macht.
in Bezug auf solche virtuellen Welten stellen. Dieser
Beitrag soll eine erste juristische Orientierung und                                  Im Rahmen dieses Beitrags werden in einem ersten
einen Überblick über das „S.L. Law“, das Recht in                                     Abschnitt zunächst die von der Betreiberfirma
Second Life, ermöglichen. Die hier dargestellten                                      Linden Lab aufgestellten Nutzungsbedingungen und
Grundsätze sind auf ähnliche virtuelle Welten                                         Verhaltensregeln vorgestellt und erläutert. Diese
übertragbar, soweit es nicht um die konkreten                                         Regeln stellen allerdings nur einen Teil des Rechts
Nutzungsbedingungen von Second Life geht.                                             dar, das für Second Life gilt. In einem zweiten
                                                                                      Abschnitt geben wir einen Überblick über einige
Rechte     und    Pflichten   können   sich   aus                                     Bereiche, in denen auch das Recht der realen Welt
verschiedenen Rechtsquellen ergeben. Mit der                                          beachtet werden muss.
Registrierung bei Second Life kommt zwischen dem
Betreiber der Spielwelt und dem einzelnen Nutzer                                      Allen folgenden rechtlichen Ausführungen sei
ein Vertrag zustande, der durch die Einbeziehung                                      vorausgeschickt, dass die teilweise sehr neuartigen
von Allgemeinen Geschäftsbedingungen („Terms of                                       Probleme, die eine virtuelle Welt aus juristischer
Service“) und „Spielregeln“ der Second-Life-Welt                                      Sicht birgt, in Praxis und Rechtsprechung auch eine
(„Community Standards“) nicht nur technische                                          Jahre nach dem Start von Second Life noch nicht
Fragen wie die Zahlung von Accountgebühren,                                           vollständig geklärt und unter Juristen umstritten
sondern auch das Verhalten der Nutzer im Spiel                                        sind. Gerichtsurteile zu diesen Fragen gibt es kaum;
regelt. Verstöße gegen diesen Vertrag können vom                                      ein bekanntes amerikanisches Verfahren um die
Spielbetreiber geahndet werden. Darüber hinaus ist                                    angebliche missbräuchliche Ausnutzung eines
das Universum von Second Life genauso wenig ein                                       Softwarefehlers der Second-Life-Software (Bragg v.
                                                                                      Linden Lab) endete in einem (vertraulichen)

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Vergleich. Eine hundertprozentige Sicherheit in                                       Universum anbieten, etwa die Entwicklung von
Bezug auf die juristische Analyse von Second Life                                     Inhalten, die im Spiel genutzt werden sollen.
kann daher nicht erreicht werden.                                                     Deswegen soll im folgenden Abschnitt auch kurz
                                                                                      auf diese Regeln eingegangen werden.

                                                                                      2. Inhalt der Vorschriften

                                                                                      a) Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem
                                                                                      Account

                                                                                      Bei der Registrierung und Verwaltung eines
                                                                                      Accounts sind einige Regeln zu beachten, die
                                                                                      jedoch im Wesentlich den heutzutage üblichen
                                                                                      Standardbedingungen bei Accountregistrierungen
                                                                                      entsprechen und daher kaum überraschen dürften.
                                                                                      So ist der Nutzer dazu verpflichtet, im Rahmen der
                                                                                      Registrierung echte und zutreffende Daten zu
                                                                                      verwenden. Die Registrierung auf den Namen oder
II. Second-Life-Recht                                                                 mit den Daten fremder Personen ist unzulässig und
Unter dem „internen“ Second-Life-Recht verstehen                                      kann zur Accountlöschung führen. Der für den
wir für die Zwecke dieses Beitrags die vom                                            Account gewählte Name darf keine Rechte Dritter
Spielbetreiber aufgestellten Verhaltensregeln, in                                     verletzen oder in irgendeiner Weise anstößig sein.
Abgrenzung zum „externen“ Real-Life-Recht, das                                        Ohne die vorherige schriftliche Zustimmung von
zusätzlich anwendbar ist.                                                             Linden Lab darf ein Account nicht übertragen
                                                                                      werden; der Nutzer haftet darüber hinaus für
1. Durch Second-Life-Recht geregelte Bereiche                                         Schäden, die durch die Weitergabe seines
                                                                                      Passworts entstehen.
Auf      www.secondlife.com,        dem     offiziellen
Internetauftritt zu Second Life, finden sich – zurzeit                                b) Die „Golden 6“ – Sechs Verhaltensgrundregeln in
ausschließlich in englischer Sprache verfügbar –                                      Second Life
Regelwerke, die die Rechtsverhältnisse zwischen
Spielbetreiber und Mitspielern unter verschiedenen                                    Die „Community Standards“ enthalten sechs
Aspekten regeln. Für diejenigen Rechtsfragen die                                      allgemeine Regeln für das Verhalten der Nutzer
sich spezifisch aufgrund der Natur von Second Life                                    innerhalb der Second-Life-Welt. Diese „Sechs
als virtuelle Welt ergeben, sind hier vor allem die                                   Gebote“ umfassen eine Generalklausel, wonach der
AGB („Terms of Service“) und die „Community                                           „Frieden“ innerhalb der virtuellen Welt nicht gestört
Standards“ von Bedeutung. Im Rahmen der                                               werden      darf,    sowie       fünf    spezifische
Registrierung für Second Life akzeptiert der Nutzer                                   Ausgestaltungen dieses Grundsatzes. Ausdrücklich
diese Regeln und verpflichtet sich vertraglich dazu,                                  untersagt ist darüber hinaus auch der Einsatz von
sie einzuhalten.                                                                      Skripten oder Techniken, die die Leistung oder
                                                                                      Geschwindigkeit der Server beeinträchtigen.
Die AGB regeln dabei vorrangig die gegenseitigen
Rechte und Pflichten des Betreibers und der Nutzer,                                   (1) „Intoleranz“
während die Community Standards speziell das
Verhalten der Nutzer in der virtuellen Spielwelt                                      Untersagt        ist   die    Verwendung       von
betreffen.  Auch      Sanktionsmöglichkeiten    bei                                   Kommunikationsinhalten (Sprache, Text, Symbole,
Verstößen sind hier festgelegt.                                                       Bilder, etc.), die andere Nutzer oder Gruppen von
                                                                                      Nutzern wegen deren Rasse, ethnischer Herkunft,
Darüber     hinaus    existiert  ein    detailliertes                                 Religion, sexueller Orientierung, etc. herabsetzen
Regelungssystem      betreffs   der    Verwendung                                     oder beleidigen.
geschützter Marken von Linden Lab durch die
Nutzer der Spielwelt. Zwar gelten diese Regeln
auch für die Verwendung von Marken und Logos im
Spiel, weisen jedoch keine durch den Charakter von
Second Life als virtuellem Raum bedingten
Besonderheiten auf. Sie können allerdings für
solche     Nutzer    Bedeutung     erlangen,      die
Dienstleistungen im Bezug auf das Second-Life-

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selbst tritt nicht als Käufer oder Verkäufer in
(2) „Belästigung“
                                                                                      Erscheinung.
Verboten ist auch ist die Belästigung anderer Nutzer
                                                                                      Hinsichtlich der von Nutzern selbst erstellten
durch      aufdringliche       oder      bedrohliche
                                                                                      Inhalte, wie Texturen, virtuelle Gegenstände,
Kommunikation, insbesondere auch sexuellen
                                                                                      Animationen oder Musikstücke bestimmen die AGB,
Inhalts, sowie durch unerwünschte Werbung
                                                                                      dass alle daran bestehenden Urheber- und sonstige
(„Spam“).
                                                                                      Immaterialgüterrechte beim Nutzer verbleiben. Es
                                                                                      werden dadurch aber keine Rechte eingeräumt,
(3) „Angriffe“
                                                                                      vielmehr bezieht sich die Regelung nur darauf, dass
                                                                                      Linden Lab den Nutzern etwaig von ihnen
Second Life hat „sichere“ und „unsichere“ Zonen. In                                   erworbene Rechte nicht im Nachhinein streitig
den „sicheren“ Zonen, die die Mehrheit der                                            machen wird. Selbst diese Verpflichtung unterliegt
zugänglichen Bereiche ausmachen, ist es                                               aber einer Einschränkung. Nutzer, die geschützte
untersagt, andere Avatare „tätlich“ anzugreifen                                       Inhalte erstellen, sind nach den AGB dazu
(Schubsen, schießen, etc.).                                                           verpflichtet, Linden Lab verschiedene Lizenzen an
                                                                                      den Inhalten einzuräumen. Dazu zählen etwa das
(4) „Offenlegung“                                                                     Recht zur Speicherung und Wiedergabe der Inhalte
                                                                                      zu Werbezwecken, sowie das Recht, solche Inhalte
Die Weitergabe oder Offenlegung von privaten                                          jederzeit vom Server zu löschen.
Unterhaltungen, etwa durch Weitergabe von Log-
Dateien, sowie die Weitergabe von Informationen                                       Des Weiteren lässt sich Linden Lab in den AGB das
über die reale Person hinter einem Avatar (mit                                        Recht einräumen, vom Nutzer geschaffene virtuelle
Ausnahme solcher Information die die Person selbst                                    Güter auch für Werbezwecke zu verwenden oder
in ihrem öffentlich zugänglichen Profil preisgibt) sind                               verwenden zu lassen. Die entsprechenden Texturen
verboten.                                                                             könnten also durchaus auch auf Werbebannern
                                                                                      auftauchen. Der Nutzer kann einer solchen
(5) „Unanständigkeit“                                                                 Verwendung allerdings schriftlich mit Wirkung für
                                                                                      die Zukunft widersprechen.
Obwohl in der Standardversion von Second Life
auch aufgrund der Bestimmungen der AGB nur                                            d) Der Spielbetreiber Linden Lab als Gerichtsherr
volljährige Nutzer anwesend sein sollten (es gibt für
Teenager zwischen 13 und 17 Jahren einen                                              Ebenfalls in den AGB festgelegt ist das Recht des
separaten Bereich, „Teen Second Life“, zu dem                                         Spielbetreibers, bei Meinungsverschiedenheiten
wiederum Erwachsene keinen Zutritt haben), ist es                                     zwischen Nutzern in Bezug auf das Verhalten oder
außerhalb     privater   und    überdies     speziell                                 den Status in der virtuellen Second-Life-Welt eine
gekennzeichneter Bereiche („M“ für „Mature“)                                          endgültige Entscheidung treffen. Damit schreibt sich
untersagt, Darstellungen von Sex oder Gewalt zu                                       Linden Lab die Rolle eines neutralen Richters zu,
erstellen oder zu zeigen. Außerhalb dieser privaten                                   der Streitigkeiten gerade nicht nach eigenem
Bereiche sind nur jugendfreie Inhalte zulässig.                                       Gutdünken,      sondern    „basierend    auf    den
                                                                                      allgemeinen Regeln“ von Second Life und „nach
c) Virtuelle Währung und virtuelle Güter                                              Treu und Glauben“ verbindlich entscheidet.
                                                                                      Denkbar sind etwa Streitigkeiten darüber, wer eine
In der Second-Life-Welt existiert eine virtuelle                                      bestimmte Textur für Kleidungsstücke oder
Währung, der „Linden Dollar“ (L$). Diese Währung                                      Gebäude geschaffen hat und sie damit an andere
können       Nutzer     innerhalb   der     Spielwelt                                 Nutzer weitergeben bzw. weiterverkaufen darf.
untereinander austauschen um so für Leistungen
oder virtuelle Güter zu bezahlen. In den AGB wird                                     Dieser virtuellen Gerichtsbarkeit sind allerdings
beschrieben, wie sich der Spielbetreiber die                                          schon durch das interne Recht von Second Life
juristische Ausgestaltung dieser virtuellen Währung                                   enge Grenzen gezogen. Zum einen stellen die AGB
vorstellt. Es soll sich bei den L$ um Lizenzrechte                                    klar, dass Linden Lab in Streitfällen zwar
handeln, die die Nutzung des Features „Währung“                                       entscheiden kann, dazu aber nicht verpflichtet ist.
im Spiels ermöglichen. Ein Anspruch des Nutzers                                       Anders als im deutschen (staatlichen) Recht gibt es
gegen Linden Lab auf Auszahlung eines Guthabens                                       also keinen Anspruch auf rechtliches Gehör.
an L$ in echte Währung wird in den AGB                                                Darüber hinaus ist die Bindungswirkung der
ausdrücklich ausgeschlossen. Zwar betreibt Linden                                     entsprechenden Entscheidung ausdrücklich auf die
Lab selbst eine Börse („Linden Exchange“ oder                                         virtuelle Spielwelt begrenzt und hat „keinen Einfluss
„LindeX“), an der die Lizenzrechte/L$ gegen echtes                                    auf Rechtsstreitigkeiten in der realen Welt“. Es kann
Geld gehandelt werden. Dabei werden aber nur                                          also durchaus dazu kommen, dass eine in Second
Verträge zwischen Nutzern vermittelt, Linden Lab                                      Life grundsätzlich bindende Entscheidung von

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"S.L. Law" - Das Recht in Second Life
Linden Lab durch eine Gerichtsentscheidung in der                                     Inventar des Accounts löschen, was mit einer
echten Welt obsolet wird.                                                             „Vermögensstrafe“ für den Avatar verglichen
                                                                                      werden kann.
e) Nutzung der Marken von Linden Lab
                                                                                      Auch die AGB enthalten an verschiedenen Stellen
Die vielfältigen Möglichkeiten, innerhalb von Second                                  Sanktionsmöglichkeiten für den Spielbetreiber
Life durch Erstellung und Veränderung von Inhalten,                                   Linden Lab. So kann etwa bereits eine
Formen und Texturen kreativ-gestaltend tätig zu                                       Registrierung   mit    falschen    Daten      die
werden, haben zur Entwicklung vielfältiger                                            vorübergehende Sperrung oder gar vollständige
spielbezogener Dienstleistungen geführt. So kann                                      Löschung eines Nutzer-Accounts nach sich ziehen.
man sich etwa von professionellen Grafikern
anhand von Fotos einen lebensnahen Avatar                                             Die rechtliche Grundlage für alle diese Sanktionen
erstellen lassen. Für solche Dienstleister besteht                                    besteht darin, dass der Nutzer im Rahmen der
naturgemäß das Bedürfnis, auch mit dem Begriff                                        Registrierung solchen Maßnahmen für den Fall
„Second Life“ zu werben, um gerade auf die                                            späterer Regelverstöße schon pauschal zugestimmt
Spielbezogenheit ihres Angebots hinzuweisen. Die                                      hat. Es handelt sich also um vertragliche Rechte
Nutzung dieses Begriffs wird von Linden Lab                                           des Spielbetreibers. Darüber hinaus stellt natürlich
ausdrücklich erlaubt, jedoch mit der Maßgabe dass                                     jeder Regelverstoß eine Vertragsverletzung dar, die
die konkrete Verwendung keinen Zweifel daran                                          dem      Spielbetreiber   gesetzliche   Ansprüche
lässt, dass die angebotene Dienstleistung zwar für                                    verschaffen kann. Über die Sanktionsmöglichkeiten
Second Life, aber nicht von Linden Lab erbracht                                       hinaus kann also staatliches Recht zur Anwendung
wird. Die Nutzung des Logos von Linden Lab /                                          kommen, was etwa bei bestimmten Eingriffen in die
Second Life ist dagegen nur unter zusätzlichen                                        Second-Life-Welt zu Schadensersatzforderungen
Bedingungen und mit der vorherigen schriftlichen                                      führen kann.
Zustimmung von Linden Lab erlaubt.

                                                                                      III. Real-Life-Recht

                                                                                      1. Wann gilt welches Recht?

                                                                                      Zwar enthalten die AGB von Linden Lab bereits
                                                                                      detaillierte Regelungen darüber, was in Second Life
                                                                                      erlaubt ist und was nicht, sowie darüber, was bei
                                                                                      Verstößen passieren kann. Allerdings liegt der
                                                                                      Schwerpunkt der AGB-Regeln auf dem Verhältnis
                                                                                      zwischen Nutzer und Spielbetreiber. Gerade die
                                                                                      Nutzung von Second Life zu wirtschaftlichen
                                                                                      Zwecken lässt sich damit aber nur ungenügend
                                                                                      erfassen. Unbeantwortet bleiben insbesondere
                                                                                      zahllose Fragen die sich bei Transaktionen
                                                                                      zwischen Nutzern stellen: In Second Life werden
3. Was passiert bei Verstößen?                                                        gewerbsmäßig virtuelle Waren gehandelt und
                                                                                      virtuelle Dienstleistungen erbracht, Zeitungen und
Die „Community Standards“ regeln ein abgestuftes                                      Nachrichtenagenturen wie Reuters betreiben dort
Sanktionssystem. Danach zieht ein erstmaliger                                         virtuelle Niederlassungen, und es werden virtuelle
Verstoß grundsätzlich eine Verwarnung, ggf.                                           Konzerte veranstaltet. In jüngerer Zeit wird Second
verbunden mit einer kurzfristigen Entfernung aus                                      Life auch immer mehr zur E-Learning-Umgebung, in
dem Spiel, nach sich. Bei weiteren Verstößen kann                                     der          Seminare,       Vorlesungen          und
eine zeitlich befristete Sperrung des Accounts                                        Volkshochschulkurse stattfinden. Eine besonders
(virtuelles Hausverbot) oder gar ein endgültiger                                      augenfällige Vernetzung zwischen virtueller und
Ausschluss aus Second Life durch Löschung des                                         realer Welt hat zu Boomzeiten von Second Life
Accounts erfolgen.                                                                    auch die Deutsche Post angeboten: Sie gab
                                                                                      Nutzern die Möglichkeit, innerhalb des Spiels
Einen Sonderfall stellen Angriffe auf die Second-                                     virtuelle Postkarten zu gestalten, die sie dann direkt
Life-Server dar, die den Ablauf der Simulation                                        ausdruckte und an Empfänger in der echten Welt
beeinträchtigen. Hier sehen die die „Community                                        verschickte. Mit dem Ende des Post-Engagements
Standards“     eine    mindestens     zweiwöchige                                     in Second Life im Februar 2008 war es um dieses
Accountsperre vor. Darüber hinaus kann Linden                                         Angebot aber wieder geschehen.
Lab in diesen Fällen Gegenstände aus dem

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"S.L. Law" - Das Recht in Second Life
Die Rechte und Pflichten der Nutzer in Bezug auf                                      In Deutschland existiert eine uneinheitliche
solche Aktivitäten werden vom Second-Life-Recht                                       Rechtsprechung zur Frage der Wirksamkeit von
nicht geregelt. Diese Lücke muss von den                                              Rechtswahlklauseln in Verbraucher-AGB. Ein
Rechtsvorschriften der „ersten“ Welt, dem Real-Life-                                  deutsches Gericht würde auf den Vertrag aber
Recht, geschlossen werden.                                                            jedenfalls insoweit deutsches Recht anwenden, wie
                                                                                      dieses dem Verbraucher ein höheres Schutzniveau
Das Real-Life-Recht kann dabei nicht als                                              gewährleistet als das kalifornische Recht.
einheitliches Rechtssystem verstanden werden.
Vielmehr hat in der echten Welt jedes Land sein                                       Möchte der Nutzer jedoch innerhalb von Second
eigenes Recht. Wegen der Internationalität der                                        Life selbst Geschäfte machen, und sei es in
Spielwelt und ihrer Teilnehmer stellt sich deswegen                                   geringem          Umfang,        so          gelten
zunächst stets die Frage, welches Recht eigentlich                                    Verbraucherschutzvorschriften für ihn nicht. In
gilt, wenn Nutzer aus verschiedenen Ländern in                                        diesen Fällen sind sowohl die Rechtswahl als auch
Second Life miteinander Geschäfte machen, und                                         die     Vereinbarung      eines     kalifornischen
vor welchem Gericht ein vertragsbrüchiger                                             Schiedsgerichts bindend.
Geschäftspartner gegebenenfalls verklagt werden
muss. Diese Frage kann nicht pauschal für alle                                        (2) Vertragliche Ansprüche
Situationen beantwortet werden. Es kommt vielmehr
darauf an, welches Rechtsgebiet berührt ist und ob                                    Nach     kalifornischem    Recht    kommen      bei
die Parteien eine Vereinbarung über das                                               Vertragsverletzungen                  insbesondere
anwendbare Recht getroffen haben. Die Frage nach                                      Schadensersatzansprüche in Betracht. Wenn die
dem anwendbaren Recht wird deswegen im                                                Vertragsverletzung      nicht    zugleich    einen
Folgenden stets im Zusammenhang mit einzelnen                                         Gesetzesverstoß darstellt, kann allerdings keinen
Problemen diskutiert.                                                                 Strafschadensersatz („punitive damages“), sondern
                                                                                      nur Ersatz für den tatsächlich entstandenen und
2. Verträge                                                                           beweisbaren Schaden gefordert werden. In Betracht
                                                                                      kommt hier etwa Ersatz für entgangenen Gewinn,
a) Vertrag zwischen Nutzer und Linden Lab                                             wenn ein Nutzer zahlungsfreudige Mitspieler durch
                                                                                      vertragsbrüchiges Verhalten aus der Second-Life-
Alle Nutzer von Second Life sind vertraglich mit der                                  Welt vergrault.
Betreiberfirma Linden Lab verbunden. Der
entsprechende     Vertrag     enthält    auch    die                                  b) Verträge zwischen Nutzern
Verhaltensregeln für Second Life, denen sich jeder
Nutzer bei der Registrierung unterwirft. Abgesehen                                    Für Verträge zwischen Nutzern von Second Life
von          den        darin         beschriebenen                                   gelten grundsätzlich dieselben Regeln wie für
Sanktionsmöglichkeiten (vgl. oben) stehen Linden                                      Verträge, die offline geschlossen werden. An dieser
Lab gegenüber dem Nutzer je nach anwendbarem                                          Stelle sei der Hinweis erlaubt, dass Verträge nie
Recht weitere Ansprüche zu.                                                           zwischen Avataren, sondern immer zwischen den
                                                                                      dahinter stehenden Personen in der realen Welt
(1) Welches Recht gilt?                                                               abgeschlossen werden. Sie sind genau so bindend
                                                                                      wie herkömmliche Verträge, etwa der viel zitierte
Das auf einen Vertrag anwendbare Recht sowie das                                      Brötchenkauf.
im Streitfall zuständige Gericht können die
Vertragsparteien grundsätzlich frei vereinbaren. Von                                  (1) Welches Recht gilt?
dieser Möglichkeit macht Linden Lab in den vom
Nutzer bei der Registrierung anzuerkennenden                                          Das auf ihre Verträge anwendbare Recht sowie das
AGB zugunsten des Rechtes des US-Bundesstaats                                         zuständige Gericht können die Parteien auch in
Kalifornien Gebrauch. Ferner wird die Zuständigkeit                                   Second Life grundsätzlich frei vereinbaren. Fehlt
der staatlichen Gerichte ausgeschlossen und                                           eine solche Vereinbarung, so gilt in den
stattdessen    wird   die    Zuständigkeit     eines                                  allermeisten Rechtsordnungen zunächst der
Schiedsgerichts in San Francisco, Kalifornien,                                        Grundsatz, dass eine Person stets an ihrem Wohn-
vereinbart.                                                                           oder Geschäftssitz verklagt werden kann. Welches
                                                                                      Recht das angerufene Gericht auf einen Vertrag
Ist der Second-Life-Nutzer Verbraucher, d.h.                                          anwendet, entscheidet es nach den Regeln seines
schließt er den Vertrag einzig zu Zwecken seiner                                      Landes. Deutsche Gerichte wenden das Recht an,
persönlichen Unterhaltung ab, so ist zweifelhaft, ob                                  mit dem der Vertrag die engsten Verbindungen
diese Rechtswahl vollständig wirksam ist. Dies zu                                     aufweist; bei Kaufverträgen ist das grundsätzlich
beurteilen ist allerdings immer Sache des mit der                                     das Recht des Landes, in dem der Verkäufer seinen
Entscheidung betrauten Gerichts, so dass es darauf                                    Sitz hat.
ankommt, wer über den Streit zu entscheiden hat.

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"S.L. Law" - Das Recht in Second Life
Daraus ergibt sich, dass etwa auf einen Vertrag                                       (3) Arbeitsrecht
zwischen zwei in Deutschland beheimateten
Nutzern         (unabhängig         von         deren                                 Unternehmen, die in der virtuellen Second-Life-Welt
Staatsangehörigkeit)       mangels       besonderer                                   virtuelle Dienstleistungen anbieten, benötigen oft
Vereinbarung deutsches Recht anzuwenden ist.                                          ihrerseits Personal, d.h. Nutzer, die mit ihren
Ähnliches gilt, wenn ein in Deutschland ansässiger                                    Avataren an der Erbringung der Dienstleistungen
Nutzer einem in Frankreich beheimateten anderen                                       mitwirken. So gibt es beispielsweise Anbieter, die
Nutzer ein virtuelles Accessoire „verkauft“. Klagt der                                „Hotelzimmer“ vermieten, in denen sich Avatare
Kunde, weil er mit der Leistung unzufrieden ist,                                      unbeobachtet von anderen Nutzern aufhalten
muss er das in Deutschland und nach deutschem                                         können. Solche „Hotels“ beschäftigen oft Nutzer
Recht tun. Begehrt der Verkäufer umgekehrt                                            stundenweise als Empfangspersonal, d.h. die
Zahlung, muss er zwar in Frankreich klagen, für die                                   entsprechenden Avatare begrüßen Gäste und
Frage ob der Anspruch besteht, ist aber auch dann                                     führen sie zu den jeweils angemieteten Bereichen.
deutsches Recht anwendbar. Etwas anderes kann                                         Eine andere einfache, aber vielfach nachgefragte
sich im Einzelfall aber ergeben, wenn der                                             Dienstleistung ist das Tragen von Werbeschildern
ausländische Kunde Verbraucher ist.                                                   an belebten Orten innerhalb der Second-Life-Welt.
                                                                                      Verpflichtet sich ein Nutzer zu solchen Tätigkeiten,
(2) Verbraucherschutz                                                                 liegt darin je nach den Umständen des Falls ein
                                                                                      Dienst- oder gar ein Arbeitsvertrag, auf den
Auch innerhalb einer virtuellen Welt wie Second Life                                  arbeitnehmerschützende Vorschriften anwendbar
müssen deutsche gewerbliche Verkäufer die                                             sein können.
einschlägigen        Verbraucherschutzvorschriften
beachten. Insbesondere gelten für Vertragsschlüsse                                    3. Virtuelle Güter
im Internet besondere Informationspflichten, und
Verbrauchern steht grundsätzlich ein Widerrufsrecht                                   Ein signifikanter Teil der Aktivitäten der Nutzer von
zu. Werden Verträge über Waren in der realen Welt                                     Second Life dreht sich in irgendeiner Form um die
oder Dienstleistungen (in der realen Welt oder in                                     Erstellung, den Umgang oder den Handel mit
Second Life) geschlossen, ergeben sich hier keine                                     virtuellen Gütern, d.h. mit Dateien, die im Spiel
Besonderheiten gegenüber dem Verkauf etwa über                                        bestimmte Gegenstände, wie Kleidungsstücke,
eBay.                                                                                 Autos, Grundstücke, Häuser, aber auch Frisuren
                                                                                      und Körperteile (!) darstellen. Die Rechtsstellung
Problematischer sind diesbezüglich Verträge über                                      dieser Güter ist bisher nicht eindeutig bestimmt und
virtuelle Güter. Die rechtliche Einordnung solcher                                    in Einzelheiten umstritten. Nichts desto trotz lassen
virtueller Güter ist nicht abschließend geklärt (vgl.                                 sich einige Grundsätze ausmachen.
unten), insbesondere ist fraglich, ob es sich um
„Waren“ im Rechtssinne handelt. Jedoch soll unter                                     a) Kann man an virtuellen Gütern Eigentum haben?
den Begriff der „Ware“ auch Software fallen, so
dass auch Verträge über virtuelle Güter dem                                           Zwar sind virtuelle Güter, ganz wie Waren in der
Fernabsatzrecht       unterfallen    dürften.    Ein                                  echten Welt, einer bestimmten Person zugeordnet,
Widerrufsrecht für Verbraucher scheidet aber                                          die damit grundsätzlich nach Belieben verfahren
gleichwohl aus, wenn solche virtuelle Güter nach                                      kann. Jedoch kennt das deutsche Recht Eigentum
Spezifikationen des Kunden erstellt worden sind,                                      im technischen Sinne nur an körperlichen
wie es etwa bei der Avatarerstellung der Fall sein                                    Gegenständen. An virtuellen Gegenständen kann
dürfte. Wer jedoch als Unternehmer Texturen oder                                      daher kein Eigentum bestehen. Denkbar sind aber
Kleidungsstücke selbst entwirft und dann an                                           andere Rechte an solchen Gütern, die ebenfalls
Verbraucher      verkauft,   muss    diese    gegen                                   eine exklusive Zuordnung zu einer bestimmten
Rückerstattung des Kaufpreises zurücknehmen.                                          Person ermöglichen. Ob es aber ein eigenes
                                                                                      besonderes Immaterialgüterrecht an virtuellen
Bei Verträgen über Dienstleistungen erlischt das                                      Gütern gibt, ist in der Literatur umstritten.
Widerrufsrecht des Verbrauchers ausnahmsweise
auch dann, wenn der Unternehmer mit dessen
Zustimmung die Leistung vollständig erbracht hat.
Denkbare       Anwendungsfälle       für     diese
Ausnahmeregelung wären hier etwa Verträge über
die    einmalige    oder    zeitlich     begrenzte
Zugänglichmachung bestimmter Inhalt (Filme,
Animationen, Musikstücke…) innerhalb der Second-
Life-Welt.

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"S.L. Law" - Das Recht in Second Life
Güter erstellt, wird anderen Nutzern typischerweise
b) Urheberrechtlicher Schutz selbst erstellter Inhalte
                                                                                      nur das Recht einräumen, diese Accessoires zu
                                                                                      benutzen, d.h. sie innerhalb der Second-Life-Welt
Nutzer von Second Life können Texturen und
                                                                                      am „Körper“ zu tragen und zu zeigen,
Formen, sowie sonstige Inhalte frei erstellen und in
                                                                                      gegebenenfalls auch sie zu verändern oder
die virtuelle Welt integrieren. Solche selbst                                         weiterzugeben, nicht aber, die entsprechenden
erstellten Inhalte können dann urheberrechtlichen                                     Dateien zu kopieren und dann mehrfach
Schutz genießen. Ein solcher Schutz ergibt sich                                       weiterzuveräußern.
allerdings nicht bereits aus den AGB von Linden
Lab, auch wenn die schlagwortartige Aussage „you
                                                                                      c) Gekaufte Inhalte und virtuelle Währung
create it, you own it“ auf www.secondlife.com
diesen Eindruck erwecken könnte. Vielmehr richtet
                                                                                      Während der Nutzer an selbst erstellten Inhalten
sich die Frage des urheberrechtlichen Schutzes
                                                                                      grundsätzlich ein Urheberrecht erwirbt, kommt dies
nach dem jeweils anwendbaren staatlichen Recht.
                                                                                      für im Spiel vorgefundene oder erworbene Inhalte
                                                                                      nicht in Betracht. Soweit es sich bei den Inhalten
(1) Welches Recht gilt?
                                                                                      um urheberrechtlich schutzfähige virtuelle Güter
                                                                                      handelt, kann der Nutzer aber Lizenzen oder
Nach       dem       im      Urheberrecht    geltenden
                                                                                      Nutzungs- und Verwertungsrechte erwerben.
Territorialitätsprinzip ist stets das Recht des Landes
                                                                                      Probleme bestehen jedoch hinsichtlich der virtuellen
maßgeblich, in dem der Schutz beansprucht wird.                                       Währung von Second Life. Zwar könnte zweifelhaft
Ein und dasselbe Werk kann demnach in einem                                           sein, ob die Währung, die letztlich vom Nutzer nur
Land unter Schutz stehen und in einem anderen                                         als Name „Linden Dollar“ bzw. „L$“ wahrgenommen
nicht, wenn die Schutzvoraussetzungen der                                             werden kann, nach deutschem Urheberrecht
nationalen Urhebergesetze sich unterscheiden.                                         schutzfähig ist. Denkbar ist allerdings eine
Allerdings sind die Schutzvoraussetzungen durch                                       softwarebezogene Betrachtungsweise, nach der es
internationale Abkommen heute in den meisten                                          sich bei der Funktion „Währung“ um ein Modul der
Ländern vergleichbar. Im Folgenden wird im
                                                                                      Second-Life-Software handelt. Als Softwaremodul
Zusammenhang mit virtuellen Gütern von der
                                                                                      wäre die Funktionalität der Währung (z.B. die
Geltung         des       deutschen      Urheberrechts
                                                                                      Tatsache dass man sie im Spiel durch bestimmte
ausgegangen.
                                                                                      Befehle einsetzen kann und damit Reaktionen in
                                                                                      der Second-Life-Welt hervorruft) urheberrechtlich
(2) Wann ist ein Werk urheberrechtlich geschützt?                                     geschützt. Dann könnte der Inhaber der
                                                                                      Nutzungsrechte an der Originalsoftware, Linden
Das deutsche Urheberrecht schützt „persönliche                                        Lab, jedem Nutzer beliebig viele übertragbare
geistige Schöpfungen“. Aus dieser Formulierung                                        Lizenzen zur Ausführung jeweils einer Instanz des
wird insbesondere abgeleitet, dass ein Werk ein                                       Softwaremoduls einräumen. Jede solche Lizenz
Mindestmaß an Individualität und Persönlichkeit des                                   entspräche damit einem L$ und unterschiede sich
Schöpfers widerspiegeln und sich von bereits                                          rechtstechnisch nicht von der Lizenz zur Nutzung
existierenden Werken abheben muss (sog.                                               anderer virtueller Güter. Von einer solchen
„Schöpfungshöhe“). Sehr einfache selbst erstellte                                     Konstruktion     geht    erkennbar     auch      der
Inhalte sind daher unter Umständen nicht vom                                          Spielbetreiber Linden Lab aus, wenn er in den AGB
urheberrechtlichen Schutz erfasst. Kompliziertere                                     ausführt, dass es sich bei den L$ um Lizenzen zur
Objekte, wie etwas ein selbst entworfenes                                             Nutzung einer Software handele.
Gebäude, dürften aber in der Regel schutzfähig
sein.                                                                                 d) „Immobilien“
(3) Inhalt des Urheberrechts                                                          Eine Sonderstellung unter den virtuellen Gütern
                                                                                      nehmen in Second Life die „Immobilien“ ein. Dabei
Nach deutschem Urheberrecht kann der Urheber                                          handelt es sich um Bereiche innerhalb der Second-
seine Rechte an seinen Werken nie vollständig                                         Life-Welt, die bestimmten Nutzern exklusiv
aufgeben.     Es     verbleibt ihm    immer    ein                                    zugeordnet sind. Linden Lab stellt solche Bereiche
Urheberpersönlichkeitsrecht, aufgrund dessen er                                       gegen Zahlung eines Grundpreises plus einer
etwa eine Entstellung seiner Werke verbieten kann.                                    monatlichen Miete zur Verfügung. Für diese
Allerdings kann der Urheber Nutzungs- und                                             Bereiche kommt neben einem urheberrechtlich
Verwertungsrechte an dem Werk, also das Recht,                                        verankerten    Schutz    auch     ein    vertraglich
es etwa zu vervielfältigen, zu bearbeiten oder                                        eingeräumtes Exklusivrecht ähnlich wie bei einem
öffentlich zugänglich zu machen, anderen Personen                                     Webhostingvertrag in Betracht.
einräumen und sich gleichzeitig dazu verpflichten,
das Werk selbst nicht mehr zu verwerten. Welche                                       Innerhalb solcher Bereiche hat der                    Nutzer
Rechte der Urheber einräumt, hat er selbst in der                                     erhebliche    Gestaltungsmöglichkeiten                  und
Hand. Für Second Life bedeutet dies: Wer virtuelle

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insbesondere auch eine technische Möglichkeit,                                        (1) Welches Recht gilt?
bestimmte      Nutzer   bzw.   deren    Avatare
auszuschließen. Diese Avatare können die                                              Entsteht einem deutschen Nutzer innerhalb von
entsprechenden Bereiche nicht betreten, mit sich                                      Second Life durch eine Manipulation ein Schaden
dort   befindlichen   anderen  Avataren    nicht                                      an virtuellen Gütern, so sind deutsche Gerichte
kommunizieren und dort zugängliche Inhalte nicht                                      unabhängig von der Person des Schädigers
abrufen.                                                                              zuständig. Auf Schadensersatzansprüche können
                                                                                      sie in diesen Fällen auf Verlangen des
Fraglich ist aber, ob von dieser technischen                                          Geschädigten deutsches Recht anwenden.
Möglichkeit unbeschränkt Gebrauch gemacht
werden darf. In einigen Entscheidungen zu                                             (2) Schadensersatz wegen Eigentumsverletzung
Chaträumen haben deutsche Gerichte, darunter
etwa das LG Bonn, das LG Hamburg und das OLG                                          Problematisch ist, dass virtuelle Güter mangels
Köln, ein „virtuelles Hausrecht“ anerkannt, dem                                       Körperlichkeit keine „Sachen“ und damit auch nicht
jedoch gewisse Grenzen gesetzt sind. So darf ein                                      eigentumsfähig im Sinne des deutschen Rechts
Chatraumbetreiber, der zunächst jedem beliebigen                                      sind    (s.o.).   Eine   Beschädigung     virtueller
Nutzer ohne Zugangskontrollen und deutlich                                            Gegenstände ist damit keine Eigentumsverletzung.
formulierte Nutzungsbedingungen Zugang zu seiner
Chatsoftware gewährt nicht willkürlich einzelne                                       (3) Sonstige Anspruchsgrundlagen
Nutzer aus dem Chat ausschließen, ohne dass
diese etwa andere Nutzer beleidigt oder anderweitig                                   Ein Schadensersatzanspruch kann sich aber aus
gegen Gesetze verstoßen haben.                                                        anderen Anspruchsgrundlagen ergeben. Ist der
                                                                                      geschädigte Nutzer Unternehmer, handelt er
Diese Rechtsprechung dürfte auf die Welt von                                          beispielsweise gewerbsmäßig mit virtuellen Gütern,
Second Life übertragbar sein. Wer also innerhalb                                      so kommt ein Anspruch wegen Eingriffs in den
ihm exklusiv zugeordneter Bereiche bestimmte                                          eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in
Inhalte anbietet und diese etwa in allgemein                                          Betracht. Voraussetzung dafür ist aber, dass der
zugänglicher Weise innerhalb von Second Life                                          Schädiger gezielt auf die virtuellen Güter eingewirkt
bewirbt und damit grundsätzlich allen anderen                                         hat.
„Bewohnern“ der virtuellen Welt zugänglich macht,
darf jedenfalls nicht willkürlich einzelnen Avataren                                  Hat der Dritte die Manipulationen vorsätzlich
den Zugang verwehren.                                                                 begangen, so sind Ersatzansprüche wegen Verstoß
                                                                                      gegen ein Schutzgesetz (z.B. § 303a StGB,
e) Haftung bei Verlust oder Beschädigung von                                          Datenveränderung) oder wegen vorsätzlicher
Gütern                                                                                sittenwidriger Schädigung auch dann denkbar,
                                                                                      wenn der Geschädigte kein Unternehmer ist.
Angesichts des auch in der realen Welt erheblichen
wirtschaftlichen Wertes virtueller Güter stellt sich die                              4. Rechtsstellung von Avataren
Frage, wie diese Güter vor Verlust oder
Beschädigung geschützt werden können, und wer                                         Avatare sind im Rechtssinne keine Personen,
im Falle einer solchen Beeinträchtigung für die                                       können nicht selbst handeln und daher auch keine
Schäden haftet. In betracht kommen hier                                               Verantwortung tragen. Jedoch werden sie von
theoretisch zwei Fallkonstellationen: Virtuelle Güter                                 Nutzern in der realen Welt gesteuert. Diese Nutzer
können im Rahmen eines Datenverlustes beim                                            haften unter Umständen persönlich für die
Spielbetreiber oder als Resultat von Manipulationen                                   Handlungen, die sie durch ihre Avatare ausführen.
Dritter in der Spielwelt selbst untergehen. In den                                    Wenn Nutzer nur über ihre Avatare miteinander in
AGB schließt Linden Lab seine Haftung für solche                                      Kontakt treten, fehlt zwar jede Möglichkeit zur
Datenverluste pauschal aus. Diese Klausel ist zwar                                    physischen Interaktion. Jedoch kann auch durch
gegenüber deutschen Verbrauchern unwirksam.                                           rein elektronisch übermittelte Kommunikation
Gegenüber anderen Personen, und insbesondere                                          bereits ein Tatbestand verwirklicht sein, der
gegenüber deutschen Nutzern, die in Second Life                                       Schadensersatzansprüche oder gar strafrechtliche
gewerbsmäßig handeln, dürfte der Ausschluss aber                                      Konsequenzen auslöst.
wirksam sein. Das Hauptaugenmerk ist daher auf
die zweite Variante zu richten, nämlich auf die
Beeinträchtigung virtueller Güter durch Dritte
innerhalb von Second Life.

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a) Strafrecht                                                                         Person gezeigt wurde, war auch                         deren
                                                                                      Persönlichkeitsrecht nicht beeinträchtigt.
(1) Gilt in Second Life das deutsche Strafrecht?

Das deutsche Strafrecht gilt grundsätzlich für Taten,
die im Inland begangen werden. Die Tathandlungen                                      IV. Fazit
solcher Delikte, die durch Kommunikation und
Datenübertragung begangen werden, sind dort                                           Die virtuelle Welt von Second Life ist kein
anzusiedeln wo der sie steuernde Nutzer vor                                           rechtsfreier Raum. Zwar ist die Rechtsnatur
seinem Rechner sitzt. Bei deutschen Nutzern als                                       virtueller Güter und virtueller Währungen nicht
Täter findet also deutsches Strafrecht Anwendung.                                     abschließend geklärt, doch lassen sich diese
Darüber hinaus können deutsche Gerichte unter                                         wirtschaftlich bedeutsamen Positionen vorläufig
bestimmten Voraussetzungen auch dann deutsches                                        zumindest teilweise mit den Möglichkeiten des
Strafrecht anwenden, wenn die Tat zwar im Ausland                                     Urheberrechts erfassen.
begangen wurde, aber entweder der Täter oder das
Opfer Deutscher ist.                                                                  Das Verhalten der einzelnen Nutzer im Spiel und
                                                                                      die möglichen Sanktionen durch den Spielbetreiber
(2) Einzelne Tatbestände                                                              bei Regelverstößen sind zwischen den Nutzern und
                                                                                      dem Betreiber detailliert vertraglich geregelt.
Denkbar sind insbesondere Beleidigungs- und
Betrugsdelikte, aber auch alle Delikte im                                             Bei allen rechtlichen Fragen innerhalb oder im
Zusammenhang mit der unerlaubten Verbreitung                                          Zusammenhang mit der Second-Life-Welt ist wegen
pornographischer    oder    gewaltverherrlichender                                    der in der Natur der Sache liegenden
Inhalte, Urheberrechts- und Markenverletzungen                                        Internationalität zunächst die Frage zu klären,
sowie unerlaubter Veranstaltung von (virtuellen)                                      welches Recht auf die Beziehungen zwischen
Glücksspielen. Darüber hinaus könnte auch der                                         Nutzern anwendbar ist. Ist diese im Einzelfall oft
sog. Stalkingparagraph (§ 238 StGB) relevant                                          komplexe Frage beantwortet, müssen die
werden, der auch die beharrliche Kontaktaufnahme                                      existierenden Regeln unter Berücksichtigung einiger
mit Telekommunikationsmitteln erfasst.                                                Besonderheiten der virtuellen Zweitwelt angewandt
                                                                                      werden. Jedoch lassen sich die für das Internet
In Bezug auf Gewaltdarstellung und Pornographie                                       bzw. das E-Commerce bereits entwickelten
sei darauf hingewiesen, dass das deutsche                                             Grundsätze oftmals übertragen.
Strafrecht auch solche Darstellungen erfasst, die
keine Menschen, sondern menschenähnliche
Wesen zum Gegenstand haben. Als Verbreitung
von      Kinderpornographie     strafbar    wäre
dementsprechend etwa auch die Verbreitung
entsprechender Darstellungen (Screenshots, etc…)
mit Avataren in Kindergestalt.

b) Zivilrecht

Auch       auf    Schadensersatzansprüche       kann
deutsches Recht anwendbar sein (s.o.). Aus
zivilrechtlicher      Sicht        dürfte,     neben
Schadensersatzansprüchen         wegen     Verstoßes
gegen die o.g. Strafnormen, insbesondere die
Haftung       für  Persönlichkeitsrechtsverletzungen
relevant sein. Allerdings ist hier zwischen Avataren
und den dahinter stehenden Nutzern zu trennen.
Diese Unterscheidung lässt sich gut anhand des
Beispiels der „Penis-Attacke“ auf den Avatar der
Unternehmerin Ailin Graef innerhalb der Second-
Life-Welt darstellen. Nutzer hatten eine virtuell
abgehaltene Pressekonferenz des Avatars von Frau
Graef gestürmt und dabei Bilder des Avatars
gezeigt, auf denen er einen Penis im Arm hielt. Der
Avatar selbst verfügt allerdings nicht über ein
eigenes Persönlichkeitsrecht, und da keine
Abbildung der realen hinter dem Avatar stehenden

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Kontakt

Konstantin Ewald
Rechtsanwalt
Osborne Clarke

Felix Hilgert, LL.M.
Osborne Clarke

t      +49 (0) 51084160
f      +49 (0) 51084161
konstantin.ewald@osborneclarke.com

Diese Zusammenfassung erhebt keinen Anspruch
auf Vollständigkeit und ersetzt nicht den
individuellen Rechtsrat. Die Komplexität und der
ständige Wandel der Rechtsmaterie machen es
jedoch notwendig, Haftung und Gewähr
auszuschließen. Für weitere Fragen steht Ihnen
Osborne Clarke natürlich gerne zur Verfügung.

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