Ein beihilfefreies und schlankeres EEG - IMPULS Vorschlag zur Weiterentwicklung des bestehenden Erneuerbare-Energien-Gesetzes - Agora Energiewende
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Ein beihilfefreies und schlankeres EEG Vorschlag zur Weiterentwicklung des bestehenden Erneuerbare-Energien-Gesetzes IMPULS Dr. Markus Kahles 233/13-I-2021/DE Johanna Kamm Oktober 2021 Thorsten Müller Dr. Hartmut Kahl Projektleitung: Sophie Godeffroy
Agora Energiewende | Ein beihilfefreies und schlankeres EEG Liebe Leserin, lieber Leser, an den beihilferechtlichen Vorgaben der Euro- päischen Kommission. Die Abstimmung mit der damit Deutschland Industriestandort bleiben und Europäischen Kommission frisst Zeit, die wir nicht gleichzeitig bis 2045 klimaneutral werden kann, mehr haben. Auch sind bestimmte Vorgaben der benötigen wir große Mengen kostengünstigen Strom Beihilfeleitlinien kontraproduktiv: Es ist nicht hin- aus Erneuerbaren Energien. Zugleich verliert das nehmbar, wenn künftige Ausschreibungsmengen EEG aufgrund sinkender Erzeugungskosten, stei- nach unten korrigiert werden müssen, weil vergan- gender CO2-Preise sowie einem zunehmend markt- gene Ausschreibungen unterzeichnet waren. lichen Ausbau mehr und mehr an Bedeutung. Ein nächster Schritt könnte sein, Neuanlagen in Wir müssen daher jetzt zwei Dinge gleichzeitig tun: einem schlankeren EEG zukünftig beihilfefrei Einerseits den Ausbau der kostengünstigen Techno- auszuschreiben. Dafür legen die Stiftung Umwelt- logien Wind Onshore, Wind Offshore und PV-Frei- energierecht und Agora Energiewende hiermit ein fläche kurzfristig massiv erhöhen. Andererseits soll- Konzept vor. ten wir das EEG entschlacken und zu einem Absicherungsinstrument fortentwickeln. Ich wünsche eine angenehme Lektüre! Reformen des EEGs sind jedoch mittlerweile sehr Dr. Patrick Graichen komplex geworden. Das liegt – nicht nur aber auch - Direktor, Agora Energiewende Ergebnisse auf einen Blick: Die aktuellen Beihilfevorgaben erschweren den schnellen, ambitionierten Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland. Zum einen, weil die Abstimmung mit der Europäischen 1 Kommission erfahrungsgemäß sehr lange dauert. Zum anderen, weil die sogenannte endo- gene Mengensteuerung, die die Kommission fordert, die jährlich möglichen Ausschreibungs- mengen deutlich begrenzt und so dem notwendigen Ausbau im Wege steht. Es ist möglich, neue Wind- und Solaranlagen über ein neues, schlankeres und beihilfefreies EEG II abzusichern: Die Bestandsanlagen bleiben im Finanzierungssystem des EEG 2021, das 2 aufgrund der Bundeszuschüsse zur EEG-Umlage klar als Beihilfe einzuordnen ist. Die Absiche- rung kostengünstiger Neuanlagen könnte über Ausschreibungen in einem entschlackten EEG II erfolgen, das beim Finanzierungsmechanismus dem Urteil des EuGH folgt und keine Beihilfe ist. Eine EEG-Umlage nahe Null ist auch in einem solchen Modell möglich. Der „Kostenrucksack“ der Bestandsanlagen im EEG 2021 könnte über Bundeszuschüsse auf Null gesenkt werden. 3 Die Absicherung des künftigen Ausbaus von Wind und Solar im EEG II verursacht kaum Kosten, gerade bei hohen CO2-Preisen. Beschränkt man den neuen Finanzierungsmechanismus auf den Ausbau dieser Technologien, ist die verbleibende EEG-Umlage daher ebenfalls nahe Null. Ein neues, beihilfefreies und schlankeres EEG II zur Absicherung des großskaligen Ausbaus von Wind- und Solaranlagen ist der nächste Schritt zu einem neuen Marktdesign für eine Welt 4 mit 100% Erneuerbaren. Die Bundesregierung sollte rasch Gespräche mit der EU-Kommission aufnehmen, um auf diesem Weg voranzuschreiten – und mittelfristig ein neues Marktdesign zu etablieren, das die Beihilfe-Diskussionen bei Erneuerbaren Energien überflüssig macht. 2
Agora Energiewende | Ein beihilfefreies und schlankeres EEG Inhalt Ergebnisse auf einen Blick 2 Einführung: Warum ein beihilfefreies EEG? 4 1 Lessons learned: Erfahrungen aus den bisherigen Beihilfeverfahren zum EEG 5 1.1 Beihilferelevanz des EEG 5 1.2 Folgen für das EEG 7 1.3 Zwischenfazit 11 2 Vorschlag: Trennung in zwei Finanzierungsmechanismen 13 2.1 EEG-Umlage I 13 2.2 EEG-Umlage II 13 2.3 Zwischenfazit 18 3 Fazit und Handlungsempfehlungen 22 3
Agora Energiewende | Ein beihilfefreies und schlankeres EEG Einführung: Warum ein Beihilfeverfahren durch die EU-Kommission beihilfefreies EEG? gefordert werden. Drittens wird hierdurch die Planungssicherheit für die im EEG adressierten Das Gesetzgebungsverfahren zum Erneuerbare- Anlagenbetreiber, Unternehmen und Behörden Energien-Gesetz 2021 (EEG 2021)1 hat einmal mehr erschwert. Dies zeigt die Analyse der Erfahrungen gezeigt, dass Reformen des EEG mittlerweile ein aus den bisherigen Beihilfeverfahren zum EEG sehr zeitintensives sowie inhaltlich und gesetzge- (Abschnitt 1). bungstechnisch komplexes Unterfangen geworden sind. Dies liegt zum einen an der Fülle der inhaltli- Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, grund- chen Einzelfragen, der fachlich-politischen Ausei- sätzlich darüber nachzudenken, wie das EEG gesetz- nandersetzung über deren Lösung und dem histo- gebungstechnisch wieder handhabbarer gemacht risch gewachsenen Regelungsgeflecht des EEG. werden kann. Dies könnte zwar grundsätzlich durch Zum anderen aber auch daran, dass zusätzlich zu die prozedurale Entzerrung des Gesetzgebungsver- den Diskussionen auf nationaler Ebene auch die fahrens, etwa durch längere Vorlaufzeiten, auf nati- zahlreichen Anforderungen des EU-Beihilferechts onaler Ebene erreicht werden. Damit würde erreicht, berücksichtigt werden müssen. Durch das Beihilfe- dass rechtzeitig vor Inkrafttreten des Gesetzes auch recht kommt der EU-Kommission eine Rolle als zu- die beihilferechtliche Genehmigung vorliegt. Die im sätzliche Akteurin mit erheblichem Einfluss auf die Rahmen des Beihilfeverfahrens erforderlichen An- zeitlichen Abläufe des Gesetzgebungsverfahrens passungen am Gesetzesentwurf könnten dann mit und die inhaltliche Ausgestaltung des EEG zu. Dies ausreichendem zeitlichem Vorlauf mit den Stakehol- hat sich nicht nur beim EEG 2021, sondern auch bei dern diskutiert und vor Inkrafttreten in das Gesetz den vergangenen Gesetzesnovellen seit dem eingearbeitet und vom Bundestag verabschiedet EEG 2014 gezeigt.2 werden. Angesichts der bereits jetzt recht langen Vorlaufzeiten für EEG-Reformen, praktischer politi- In der Praxis führt diese Gemengelage dazu, dass scher Abläufe und der schwer zu prognostizierenden die teilweise mühsam und unter Zeitdruck gefun- Genehmigungsdauer im Beihilfeverfahren ist jedoch denen inhaltlichen Regelungen des EEG zwar fraglich, ob ein solcher Vorsatz praktisch durchzu- schlussendlich in Kraft treten, allerdings nur unter halten wäre. beihilferechtlichem Genehmigungsvorbehalt (siehe § 105 EEG 2021). Dies bedeutet erstens, dass sich In diesem Papier wird daher untersucht, wie der die Anwendung der neuen Regelungen bis zur Er- beihilferechtliche Einfluss auf das EEG gesenkt – teilung der Genehmigung durch die EU-Kommis- und damit auch die nationale Gesetzgebung erleich- sion verzögert. Zweitens können die Regelungen tert – werden kann. Erste Ansätze hierzu wurden regelmäßig nicht als endgültig angesehen werden, bereits aufgezeigt,3 die an dieser Stelle vertieft wer- sondern es werden immer dann erneute Änderungen den sollen. Hier wird nun eine Trennung in zwei am Gesetz notwendig, wenn diese im Finanzierungsmechanismen vorgeschlagen, wobei 1 3 Erneuerbare-Energien-Gesetz vom 21. Juli 2014 (BGBl. I Kahles/ Müller: Senkung der EEG-Umlage und Beihilfe- S. 1066), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. recht – Optionen für die Verwendung der Einnahmen aus Dezember 2020 (BGBl. I S. 3138) geändert worden ist. dem Brennstoffemissionshandelsgesetz und deren Rechtsfolgen. Würzburger Berichte zum Umwelt- 2 Pause/Kahles: Der Einfluss der EU-Kommission auf das energierecht Nr. 48 vom 08.01.2020 EEG 2014 und EEG 2017. ER 2017, S. 55 ff. 4
Agora Energiewende | Ein beihilfefreies und schlankeres EEG der neue Finanzierungsmechanismus beihilfefrei Binnenmarkt sind (Art. 108 AEUV). Neue Beihilfen ausgestaltet ist (Abschnitt 2). sowie Änderungen an bestehenden Beihilfen müssen daher bei der EU-Kommission notifiziert werden. Die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen wer- Die jeweilige Maßnahme unterliegt bis zur Geneh- den abschließend in einem Fazit zusammengefasst migung durch die EU-Kommission einem Durch- (Abschnitt 3). führungsverbot (Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV). Das EEG unterliegt daher der Aufsicht der EU- 1 Lessons learned: Erfahrungen aus Kommission, soweit und sofern es sich dabei um den bisherigen Beihilfeverfahren eine Beihilfe handelt. Die wesentliche Frage im zum EEG Kontext des EEG ist dabei, ob es sich bei der EEG- Umlage um eine „staatlich oder aus staatlichen Mit- teln“ gewährte Beihilfe handelt. Eine solche Beihilfe 1.1 Beihilferelevanz des EEG liegt vor, wenn sie erstens dem Staat zurechenbar ist und zweitens unmittelbar oder mittelbar aus staatli- Seit Langem wird über die Beihilferelevanz des EEG chen Mitteln gewährt wird.7 Die erste Voraussetzung und auch bereits über dessen Vorgängergesetz, das ist nach ständiger Rechtsprechung bereits dann Stromeinspeisungsgesetz (StrEG)4, diskutiert. Zwei- erfüllt, wenn staatliche Stellen am Erlass der betref- mal hat auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) fenden Maßnahme beteiligt sind.8 Diese Vorausset- schon zu dieser Frage entschieden, jeweils mit dem zung ist aber nicht allein maßgeblich. Entscheidend Ergebnis, dass keine Beihilfe vorliegt.5 ist daher mit Blick auf das EEG zudem, ob die EEG-Umlage aus staatlichen Mitteln gewährt wird. Staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Damit sind nicht nur unmittelbar vom Staat gezahlte Beihilfen der Mitgliedstaaten an Unternehmen oder Leistungen gemeint, sondern auch Beihilfen, die von Produktionszweige sind nach EU-Recht grundsätz- öffentlichen oder privaten Einrichtungen gewährt lich verboten, vgl. Art. 107 Abs. 1 des Vertrages über werden, die der Staat zur Verwaltung der Beihilfe die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).6 errichtet oder benannt hat.9 Die Frage, ob dies bei der Dies gilt, sofern in den Verträgen, insbesondere in durch die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) verwal- Art. 107 Abs. 3 AEUV, nichts anderes bestimmt ist. teten EEG-Umlage der Fall ist, hat die Entwicklung Die EU-Kommission prüft als Kontrollinstanz, ob des EEG in den letzten Jahren maßgeblich geprägt.10 Beihilfen ausnahmsweise doch vereinbar mit dem 4 7 Stromeinspeisungsgesetz vom 07.12.1990: BGBl. I S. EuGH: Urt. v. 28.03.2019 – C-405/16 P – 2633, in der Fassung des Art.3 Nr.2 des Gesetzes zur Deutschland/Kommission, Rn. 48-49 m. w. N. Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 24. April 1998, BGBl. I S. 734 8 EuGH: Urt. v. 28.03.2019 – C-405/16 P – Deutschland/Kommission, Rn. 49 m. w. N. 5 EuGH Urt. v. 13.03.2001 – C-379/98 – PreussenElektra sowie EuGH: Urt. v. 28.03.2019 - C-405/16 P – 9 EuGH: Urt. v. 28.03.2019 – C-405/16 P – Deutschland/Kommission Deutschland/Kommission, Rn. 52 m. w. N. 6 ABl. EU Nr. C 326 v. 26.10.2012, S. 1 10 vgl. hierzu ausführlich Pause/Kahles: Der Einfluss der EU-Kommission auf das EEG 2014 und EEG 2017 ER 2017, S. 58 ff. 5
Agora Energiewende | Ein beihilfefreies und schlankeres EEG Die EU-Kommission hatte zwei Jahre nach Inkraft- Anderenfalls besteht nämlich das Risiko, dass die treten des EEG 2012 beihilferechtliche Bedenken EU-Kommission die Maßnahme nachträglich als erhoben und kam im Rahmen eines förmlichen Prüf- rechtswidrige Beihilfe einstuft und die Rückforde- verfahrens zu dem Ergebnis, dass es sich um eine rung anordnet. Auch die Regelungen des EEG 2017 Beihilfe handele, diese aber mit dem Binnenmarkt wurden von der Bundesregierung als „Nicht-Bei- vereinbar sei.11 Trotzdem hat Deutschland Nichtig- hilfe“ notifiziert,17 bevor der EuGH zur Beihilfeeigen- keitsklage gegen diesen Beschluss beim schaft des EEG 2012 final entschieden hatte. Sepa- Europäischen Gericht (EuG) mit dem Argument rate beihilferechtliche Verfahren zum EEG 2017 eingereicht, dass bereits keine Beihilfe vorliege.12 betrafen die reduzierten Umlagen für In erster Instanz entschied das EuG im Sinne der Eigenstromerzeugung18 und KWK.19 EU-Kommission, dass es sich bei den von den ÜNB verwalteten Geldern um staatliche Mittel handele Der EuGH entschied schließlich mit Urteil vom und wies die Klage ab.13 Hiergegen legte die Bundes- 28. März 2019, dass das EEG 2012 keine Beihilfe regierung Rechtsmittel vor dem EuGH ein.14 dargestellt habe.20 Er lehnte dabei das Vorliegen der Tatbestandsmerkmals „staatliche Mittel“ ab, da der In der Zwischenzeit hatte die Bundesregierung das EEG-Umlagefinanzierungsmechanismus zwar dem EEG 2014 aus Gründen der Rechtssicherheit als Staat zurechenbar sei, aber die zweite Vorausset- „Nicht-Beihilfe“ bei der EU-Kommission notifi- zung, wonach die Gelder „unmittelbar oder mittelbar ziert,15 welches von dieser wiederum als Beihilfe aus staatlichen Mitteln gewährt“ worden sein müs- geprüft und genehmigt wurde.16 Die Notifizierung sen, nicht vorläge.21 Im Unterschied zu anderen, vom einer Maßnahme als „Nicht-Beihilfe“ bietet sich an, EuGH bereits als Beihilfe eingestuften Finanzie- wenn Zweifel an der Beihilfefreiheit bestehen. rungsmechanismen auch anderer Mitgliedsstaaten22 11 18 C(2014) 8786 final vom 25.11.2014: SA. 33995 – C(2017) 8482 final vom 19.12.2017, SA.46526: Support of renewable electricity and reduced EEG Reduced surcharge for self-generation under EEG 2017 surcharge for energy-intensive users 19 C(2018) 5019 final vom 01.08.2018, SA.49522: 12 Rs. T-47/15, Abl. EU Nr. C 127 v. 20.04.2015, S. 31 Reduced surcharge for cogeneration under EEG 2017 13 20 EuG: Urt. v. 10.05.2016 - T-47/15 - EuGH, Urt. v. 28.03.2019 – C-405/16 P: Deutschland/Kommission, Rn. 93 ff Deutschland/Kommission; vgl. hierzu vertiefend Kahles/Nysten: Alles auf Anfang? – Die fehlende 14 Rs. C-405/16, Abl. EU C 326/18 vom 05.09.2016, Beihilfeeigenschaft des EEG. EnWZ 2019, S. 147-152; S. 18-19 Stiftung Umweltenergierecht: Das EEG 2012 ist keine Beihilfe –was genau bedeutet das EuGH-Urteil? Fragen 15 und Antworten, Hintergrundpapier. Würzburger C(2014) 5081 final vom 23.07.2014: SA.38632: EEG 2014 Berichte zum Umweltenergierecht Nr. 41 vom – Reform of the Renewable Energy Law, Rn. 5 04.04.2019 16 C(2014) 5081 final vom 23.07.2014, SA.38632: EEG 2014 21 EuGH, Urt. v. 28.03.2019 – C-405/16 P: – Reform of the Renewable Energy Law Deutschland/Kommission, Rn. 48 ff. 17 C(2016) 8789 final vom 20.12.2016, SA.45461 – EEG 22 EuGH, Urt. v. 28.03.2019 – C-405/16 P: 2017 – Reform of the Renewable Energy Law, Rn. 3 Deutschland/Kommission, Rn. 56 mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 19.12.2013 - C-262/12 – Vent de Colère, Rn. 19 und EuGH, Urt. v. 13.09.2017 - C-329/15 -ENEA, Rn. 24 6
Agora Energiewende | Ein beihilfefreies und schlankeres EEG werde das EEG 2012 aus drei Gründen nicht nicht notifizierte Beihilfen kann die EU-Kom- unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln mission mit Durchführungsverboten und Rück- gewährt: forderungsanordnungen reagieren. → Zweitens ist die Beihilfeeigenschaft des EEG oh- → Da es keine gesetzliche Pflicht des Letztverbrau- nehin mit Einführung des EEG 2021 unstreitig. chers zur Zahlung der EEG-Umlage gäbe, könne Denn seit dem 1. Januar 2021 fließen erstmals die Umlage nicht mit einer Abgabe gleichgesetzt Mittel aus dem Bundeshaushalt in den EEG-Fi- werden; die de facto Abwälzung der Kosten auf nanzierungsmechanismus (§ 3 Abs. 3a, Abs. 9 Er- die Letztverbraucher sei dabei unerheblich.23 neuerbare-Energien-Verordnung (EEV)27). Das → Weiterhin habe der Staat weder staatliche Ver- Vorliegen des Beihilfentat- fügungsgewalt über die mit der EEG-Umlage bestandsmerkmals „aus staatlichen Mitteln erwirtschafteten Gelder noch stünden diese gewährt“ ist damit nun unzweifelhaft gegeben. anderweitig unter staatlicher Kontrolle.24 → Schließlich bestünde auch, anders als bei Über- nahme einer Garantiefunktion, kein Zusammen- 1.2 Folgen für das EEG hang zwischen Begünstigung und einer potenziellen Belastung des Staatshaushalts.25 Die Einordnung als Beihilfe hat für Gesetzgebungs- verfahren zum EEG eine hohe praktische Bedeutung Die vermeintlich durch das EuGH-Urteil gewonnene sowohl in inhaltlicher Hinsicht als auch mit Blick Gestaltungsfreiheit liegt jedoch mit Blick auf das auf die gesetzgeberischen Abläufe. EEG 2021 aus zweierlei Gründen nicht vor: Die Beurteilung der Frage, ob Beihilfen zur Förde- → Erstens wird seitens der EU-Kommission die rung Erneuerbarer Energien mit dem Binnenmarkt Auffassung vertreten, dass das Urteil nur den vereinbar sind, richtet sich grundsätzlich nach Ausgleichs- und Fördermechanismus des Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV (Beihilfen zur Förderung EEG 2012 betreffe und aufgrund von Unterschie- der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige). Bei den (siehe Abschnitt 2.2) nicht ohne Weiteres auf der konkreten Anwendung und Auslegung im Ein- nachfolgende EEG-Novellierungen übertragbar zelfall verfügt die EU-Kommission über einen wei- sei.26 Dies bedeutet in der Praxis, dass ein erheb- ten Ermessens- und Entscheidungsspielraum.28 Die licher Druck besteht, EEG-Reformen dennoch Kriterien, die sie bei der Beurteilung von Beihilfen mit der EU-Kommission im Vorfeld im Rahmen aus bestimmten Bereichen anwendet, legt die EU- von Beihilfeverfahren abzustimmen. Denn auf Kommission in Leitlinien fest. Im Bereich der 23 27 EuGH, Urt. v. 28.03.2019 – C-405/16 P: Erneuerbare-Energien-Verordnung vom 17. Februar Deutschland/Kommission, Rn. 70 f. 2015 (BGBl. I S. 146), die zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3138) 24 EuGH, Urt. v. 28.03.2019 – C-405/16 P: geändert worden ist. Deutschland/Kommission, Rn. 73, 80 28 Von Wallenberg/Schütte in Grabitz/Hilf/Nettesheim, 25 EuGH, Urt. v. 28.03.2019 – C-405/16 P: Das Recht der Europäischen Union, 72. EL Februar 2021, Deutschland/Kommission, Rn. 84 Art. 107 AEUV Rn. 149 m. w. N. 26 Maiworm: EEG 2012 keine staatliche Beihilfe. IR 2019, S. 156 7
Agora Energiewende | Ein beihilfefreies und schlankeres EEG Erneuerbaren Energien erfolgte die Beurteilung der beispielsweise die Umstellung des Fördersystems Beihilfe auf Grundlage der Umwelt- und Energie- auf Ausschreibungen, die Einführung von Vorgaben beihilfeleitlinien (UEBLL)29 (zu deren aktuellen zur verpflichtenden Direktvermarktung und die Weiterentwicklung vgl. Abschnitt 1.2.4). Einschränkung der Förderung in Zeiten negativer Preise.31 Diese Leitlinien stellen als selbstbindendes Innen- recht zwar nur den internen Beurteilungsspielraum Entsprechend wurde auch die Nachfolgenovellie- der EU-Kommission dar und verfügen daher rung des EEG 2017 durch das beihilferechtliche eigentlich über keine Außenwirkung. Praktisch Kontrollverfahren geprägt. Hierbei rückte ange- haben die Leitlinien jedoch eine kaum zu überschät- sichts des Grundsatzes technologieneutraler Aus- zende Relevanz, da die Genehmigung der nationalen schreibungen im Rahmen der UEBLL verstärkt die Maßnahme auf Grundlage der dort festgelegten Frage in den Mittelpunkt, welche Möglichkeiten Kriterien erfolgt. In wechselseitiger Wirkung wer- zur Steuerung und Differenzierung des Ausbaus den demnach auch nationale Maßnahmen unter Erneuerbarer-Energien-Anlagen dem Gesetzgeber Berücksichtigung der dort festgelegten Kriterien im Rahmen von Ausschreibungen in technologie- konzipiert. spezifischer, räumlicher und mengenmäßiger Hin- sicht noch verbleiben. Der Ansatz des EEG, den Aus- Die hohe Praxisrelevanz der Leitlinien, obwohl diese bau mit technologiespezifischen Ausschreibungen gerade nicht im Wege eines ordentlichen und Elementen wie dem Referenzertragsmodell zu Gesetzgebungsverfahrens unter Beteiligung von steuern, geriet dabei zunehmend unter Rechtferti- Parlament und Rat erlassen werden, wird demnach gungsdruck.32 auch als „Energiepolitik durch die Hintertür“ kritisiert.30 1.2.2 EEG 2021 1.2.1 EEG 2014 und EEG 2017 Auch das Gesetzgebungsverfahren zum EEG 2021 war stark durch parallel laufende Vorabkontakte mit So stellte die Kommissionsentscheidung zum der EU-Kommission und das dann folgende förmli- EEG 2014 – obwohl die Bundesregierung der Über- che Beihilfeverfahren geprägt. Das eigentlich am zeugung war, dass die EU-Kommission mangels Bei- 1. Januar in Kraft getretene EEG 2021 konnte daher hilfeeigenschaft des EEG gar nicht zuständig war – bezüglich der beihilferechtlich relevanten Teile erst das Einfallstor für die zuständige Ausgestaltung des nach Erteilung und nach Maßgabe der EEG nach den Kriterien der UEBLL dar. Dies betraf 29 31 KOM, Mitteilung: Leitlinien für staatliche Umwelt- siehe hierzu Pause/Kahles: Der Einfluss der EU- schutz- und Energiebeihilfen 2014-2020. Abl. EU Nr. Kommission auf das EEG 2014 und EEG 2017. ER 2017, C 200 vom 28.06.2014, S. 1 S. 58 ff.; Kahle: Die beihilfenrechtliche Genehmigung des EEG 2014 durch die Europäische Kommission – Eine 30 kritisch zu Einfluss und Legitimationsdefizit etwa kritische Würdigung. NVwZ 2014, S. 1563 ff. Kachel: Der Ärger mit den UEBLL – Energiepolitik und 32 Beihilferecht. ZUR 2016, S. 642; grundsätzlich zum Pause/Kahles: Der Einfluss der EU-Kommission auf das Selbstverständnis der Kommission in der Beihilfen- EEG 2014 und EEG 2017. ER 2017, S. 59 ff. kontrolle auch Stöbener de Mora: EuZW 2016, Überall Beihilfen? – Die Kommissionsbekanntmachung zum Beihilfebegriff, S. 685 ff. 8
Agora Energiewende | Ein beihilfefreies und schlankeres EEG Kommissionsgenehmigung33 rückwirkend ange- entweder nach alter Rechtslage oder unter Geneh- wendet werden (§ 105 Abs. 1 EEG). migungsvorbehalt (zum Beispiel zur Neuregelung des Flexibilitätszuschlags für Biogas, § 50a EEG 2021) Einige Regelungen des EEG 2021 sind entweder statt. So konnten die erfolgreichen Gebote der ersten nicht in dieser Form (zum Beispiel die Anschlussför- Ausschreibungsrunden des Jahres 2021 für Wind- derung für Windenergieanlagen an Land)34 oder energie an Land zum Gebotstermin 1. Februar 2021 noch nicht (zum Beispiel die Südquote und die Um- und Solarenergie des ersten Segments sowie Bio- lagebefreiung für grünen Wasserstoff)35 genehmigt masseanlagen zum Gebotstermin 1. März 2021 durch worden.36 Gleichzeitig finden sich im EEG 2021 Re- die Bundesnetzagentur (BNetzA) erst nach erfolgter gelungen, die vor allem aufgrund von Anforderungen beihilferechtlicher Genehmigung bekannt gegeben der EU-Kommission eingeführt wurden.37 Dies be- werden, obwohl die Ausschreibungen längst durch- trifft etwa die Erweiterung der endogenen Mengen- geführt worden waren.39 Potenzielle Bieter mussten steuerung für Windenergie an Land, § 28 Abs. 6 sich daher trotz Inkrafttreten des EEG 2021 zum EEG 2021, die darauf zielen soll, im Fall drohender 1. Januar 2021 erst orientieren, welche Regeln in den Unterzeichnungen der Ausschreibungen durch die Ausschreibungen überhaupt gelten. Für Ausschrei- Reduzierung des Ausschreibungsvolumens den bungen unter Genehmigungsvorbehalt bestanden für Wettbewerbsdruck zu erhöhen. Auch große Teile der die Bieter weder gesicherte Grundlagen, auf denen am 24. Juni 2021 im Rahmen des Energie- und sie ihr Angebot kalkulieren konnten, noch Anhalts- Klimapakets beschlossenen Änderungen des EEG38 punkte dafür, ob und wann eine Zuschlagserteilung (zum Beispiel die Erhöhung der Ausschreibungs- überhaupt erfolgt. mengen) stehen unter dem Vorbehalt der beihilfe- rechtlichen Genehmigung nach dem insofern neu gefassten § 105 EEG 2021 und können 1.2.3 Verfahrensdauern solange nicht angewendet werden. Neben den möglichen inhaltlichen Differenzen und Abgesehen von der Einschränkung der inhaltlichen kurzfristigen Änderungsauflagen seitens der EU- Gestaltungsfreiheit durch den nationalen Gesetzge- Kommission hinsichtlich der konkreten Ausgestal- ber birgt dieser Genehmigungsvorbehalt auch rein tung des EEG ist auch die Synchronisierung des na- praktisch zahlreiche Probleme und Rechtsunsicher- tionalen Gesetzgebungsverfahrens mit dem Ablauf heiten. So fanden die Ausschreibungen Anfang 2021 33 38 C(2021) 2960 final vom 29.04.2021, vgl. Art. 11 des Gesetzes zur Umsetzung unionsrechtli- SA.57779 -EEG 2021 cher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoff- netze im Energiewirtschaftsrecht in der Fassung der 34 vgl. BT-Drs. 19/29461, S. 2 f. Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Wirtschaft und Energie, BT-Drs. 19/30899 v. 22.06.2021 35 C(2021) 2960 final vom 29.04.2021, 39 SA.57779 -EEG 2021, Fn. 1 BNetzA, Pressemitteilung v. 30.04.2021: Ergebnisse der Ausschreibungen für Solaranlagen des ersten Segments, 36 Windenergieanlagen an Land, Biomasseanlagen und siehe hierzu Neufassung des § 105 EEG, innovative Anlagenkonzepte. S. 1 BT-Drs. 578/21, S. 45 f. 37 C(2021) 2960 final vom 29.04.2021, SA.57779 -EEG 2021, Rn. 353 ff. 9
Agora Energiewende | Ein beihilfefreies und schlankeres EEG und der Dauer des Beihilfegenehmigungsverfahrens der formellen Notifizierung hinzugerechnet werden. schwierig. Diese werden insbesondere bei komplexeren Maß- nahmen oftmals vor der Notifizierung geführt, um Im Fall des EEG 2012 vergingen fünf Jahre und entsprechenden Änderungs- oder erhöhten Darle- drei Monate, bis durch das EuGH-Urteil Klarheit gungsbedarf zu eruieren und das tatsächliche Noti- geschaffen wurde (vgl. Abbildung 1). Bis dahin waren fizierungsverfahren zu beschleunigen. Dies erklärt wesentliche gesetzgeberische Entscheidungen im vor allem auch die eigentlich kurze formale Geneh- EEG 2014 und im EEG 2017 bereits getroffen migungsdauer des EEG 2014. Die Einführung der (s. o. Abschnitt 1.2.1). Pilotphase für Ausschreibungen wurde dabei bereits im Vorfeld der förmlichen Notifizierung ausführlich Das EEG 2014 wurde zwar prinzipiell binnen drei diskutiert und vorbereitet, da sich diese Entwick- Monaten und damit äußert schnell genehmigt.40 lung auf Basis der damals neu eingeführten UEBLL Allerdings variierten die Genehmigungsdauern der bereits abzeichnete. Auch dem aktuellen EEG 2021 ebenso notifizierungspflichtigen Novellierungen gingen Vorabkontakte voraus (vgl. Abbildung 2). innerhalb der Geltungsdauer des EEG 2014 zwischen zwei41, zehn42 und sechzehn Monaten43. Notifizierungen innerhalb des EEG 2017 erfolgten 1.2.4 Ausblick: Reform der binnen sieben44, fünfzehn45 und neun46 Monaten. Beihilfeleitlinien Das EEG 2021 weist mit sechseinhalb Monaten Mit Blick auf die künftigen Rechtsentwicklungen ist Genehmigungsverfahrensdauer zunächst keine absehbar, dass die EU-Kommission ihren Gestal- sonderlich lange Genehmigungsdauer auf (vgl. Ab- tungsanspruch auch in Zukunft in starkem Maße bildung 2). Allerdings sind wesentliche Teile auch in ausüben wird. So enthält auch die jüngst veröffent- gesonderte Verfahren ausgelagert und bisher noch lichte Entwurfsfassung der überarbeiteten Klima-, gar nicht entschieden worden (s. o. Abschnitt 1.2.2). Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien (KUEBLL)47 spezifische Vorgaben für Art und Form der Förde- Zu den angegebenen Zeiträumen müssen in der rung von Erneuerbaren Energien. Dabei hält die Praxis allerdings zwingend die regelmäßig erfolgen- EU-Kommission unter anderem an dem Grundsatz den Vorabgespräche mit der EU-Kommission vor der technologieneutralen Ausschreibung fest, von 40 44 C(2014) 5081 final vom 23.07.2014, SA.38632: EEG 2014 C(2016) 8789 final vom 20.12.2016, SA.45461: EEG – Reform of the Renewable Energy Law 2017 – Reform of the Renewable Energy Law 41 45 C(2015) 3472 final vom 27.05.2015, SA.41381: Relief C(2017) 8482 final vom 19.12.2017, SA.46526: from the EEG surcharge for companies in NACE sectors Reductions on EEG-surcharges for self-consumption 25.50 and 25.61 46 C(2018) 5019 final vom 01.08.2018: Reductions on EEG- 42 C(2016) 8789 final vom 20.12.2016, SA.44679: Modifica- surcharges for self-supply of electricity in high energy tion of the method used to define electro-intensity under efficient cogeneration installations that entered into the EEG operation after July 2014 43 47 C(2016) 2406 final vom 19.04.2016, SA.40912: Modifi- KOM-Mitteilung, Entwurfsfassung: Leitlinien für staat- cation of the modalities of the support under the liche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2022. EEG 2014 – Reform of the Renewable Energy Law 07.06.2021, https://ec.europa.eu/competition-po- licy/public-consultations/2021-ceeag_en 10
Agora Energiewende | Ein beihilfefreies und schlankeres EEG dem nur in Ausnahmefällen abgewichen werden kann.48 Diese Ausnahmefälle sind auch enger ge- fasst, als es die mittlerweile sekundärrechtlich de- terminierten Vorgaben zur Förderung von Erneuer- baren Energien im Rahmen von Ausschreibungsverfahren voraussetzen.49 Dies lässt erwarten, dass der in Deutschland verfolgte Ansatz der mengenmäßigen, technologiespezifischen und räumlichen Steuerung der Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien im EEG auch in Zukunft in hohem Maße rechtfertigungsbedürftig und damit verhandlungsintensiv bleiben dürfte. 1.3 Zwischenfazit Die EU-Kommission hat einen großen inhaltlichen Einfluss auf die Ausgestaltung der Förderung von Erneuerbare-Energien-Anlagen im EEG. Dies gilt sowohl hinsichtlich der durch die Leitlinien bereits konkretisierten Vereinbarkeitsvorgaben als auch hinsichtlich etwaiger neu konzipierter Regelungen, deren Bewertung durch die EU-Kommission ex ante nur bedingt vorhersehbar ist. Selbst berechtigte in- haltliche Gegenwehr ist nur verspätet möglich, wie der Rechtsstreit um das EEG 2012 zeigt. Dadurch geht inhaltliche Gestaltungsfreiheit verloren und Gesetzgebungsprozesse werden verkompliziert. Mit Blick auf den Entwurf der ab 2022 geltenden KUEBLL ist auch in Zukunft davon auszu- gehen, dass die EU-Kommission ihren starken in- haltlichen Gestaltungsanspruch aufrechterhält. 48 49 KOM-Mitteilung, Entwurfsfassung: Leitlinien für staat- Art. 4 der Richtlinie (EU) 2018/2001 des europäischen liche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2022. Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Rn. 82 ff. Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (RED II). 11
Agora Energiewende | Ein beihilfefreies und schlankeres EEG 12
Agora Energiewende | Ein beihilfefreies und schlankeres EEG 2 Vorschlag: Trennung in zwei könnte damit, je nach Höhe der Bundeszuschüsse, Finanzierungsmechanismen potenziell auch bis auf null gesenkt werden.50 Nachfolgend wird eine Möglichkeit vorgestellt, Die bisher im EEG 2021 vorgesehenen Ermäßigun- Beihilfefreiheit zu erlangen, ohne gleichzeitig die gen von der EEG-Umlage (BesAR, Wasserstoff, getroffene Weichenstellung zum Einsatz von Haus- Landstrom, E-Busse, Eigenversorgung) könnten haltsmitteln im EEG rückgängig machen zu müssen. künftig nur noch für die „EEG-Umlage I“ gelten. Dies kann durch die Einführung gesetzlich getrenn- ter Finanzierungssysteme erreicht werden, die den Stromverbrauchern separat ausgewiesen werden. 2.1.2 Beihilferechtliche Bewertung Hierzu könnte der bisherige Finanzierungsmecha- nismus des EEG 2021 in eine „EEG-Umlage I“ und Der Finanzierungsmechanismus der „EEG-Umlage I“ eine „EEG-Umlage II“ aufgeteilt werden. wäre, wie das derzeitige EEG 2021, eine Beihilfe. Denn es würden in den Ausgleichsmechanismus durch die Bundeszuschüsse staatliche Mittel im 2.1 EEG-Umlage I Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV fließen. Für Be- standsanlagen würde der bisherige Finanzierungs- Die „EEG-Umlage I“ soll dazu dienen, die Kosten der mechanismus somit ohne Änderung in der Sache Förderung von Erneuerbare-Energien-Anlagen zu beibehalten. Die in ihrer Entscheidung zum EEG finanzieren, die in der Vergangenheit in Betrieb 2021 getroffene Bewertung der EU-Kommission als genommen wurden. mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfe dürfte damit unverändert bleiben. 2.1.1 Beschreibung des Finanzierungsmechanismus 2.2 EEG-Umlage II Die „EEG-Umlage I“ unterscheidet sich in ihrer Die „EEG-Umlage II“ soll dazu dienen, die zukünfti- Konstruktion nicht vom bisherigen Finanzierungs- gen Kosten der Förderung von EE-Anlagen zu mechanismus des EEG 2021 (vgl. Abbildung 3). finanzieren. Letztlich unterscheiden sich nur die Empfänger der Zahlungen. Empfänger der Zahlungen wären nicht mehr alle Anlagenbetreiber im Rahmen des EEG, 2.2.1 Beschreibung des sondern Betreiber von Bestandsanlagen (vgl. Abbil- Finanzierungsmechanismus dung 4). Damit könnte die „EEG-Umlage I“ den Kostenrucksack durch den Förderbedarf älterer Im Gegensatz zur „EEG-Umlage I“ könnte die „EEG- EE-Anlagen abdecken. Umlage II“ Neuanlagen finanzieren. Anders als das bisherige EEG 2021 oder die „EEG-Umlage I“ sollte Diese älteren und teureren Anlagen könnten zu- die „EEG-Umlage II“ ohne Bundeszuschüsse finan- künftig über die „EEG-Umlage I“ mit Bundeszu- ziert werden (vgl. Abbildung 5). Die „EEG-Umlage II“ schüssen finanziert werden. Die „EEG-Umlage I“ sollte möglichst exakt dem 50 vgl. Deutsche Energie-Agentur: Vorschlag für die Senkung der EEG-Umlage auf null. 07/2020 13
Agora Energiewende | Ein beihilfefreies und schlankeres EEG Finanzierungsmechanismus des EEG 2012 entspre- Als eine Option könnte der Gesetzgeber hierfür er- chen (siehe folgenden Abschnitt 2.2.2). wägen, die damaligen Regelungen in derselben Form wieder zu erlassen, also den Finanzierungsmecha- Die beihilfefreie Umfinanzierung im Zuge der „EEG- nismus des EEG 2012 exakt nachzubauen. Umlage II“ zielt darauf, dem Gesetzgeber für die Zu- kunft wieder mehr eigenständigen Spielraum bei der Regelungstechnisch geschickter und schlanker Gestaltung der Energiewende zu ermöglichen. Der könnte es allerdings sein, direkt auf die damaligen exakte Anwendungsbereich der „EEG-Umlage II“ Normen in der Fassung des EEG 2012 zu verweisen, wäre letztlich vom Gesetzgeber näher zu bestimmen. die der Entscheidung des EuGH zugrunde lagen. Dies Die „EEG-Umlage II“ sollte jedoch in Abgrenzung zur hätte den Vorteil, dass jegliche Zweifel darüber, ob es „EEG-Umlage I“ die neuen und damit vergleichs- sich tatsächlich um denselben Finanzierungsmecha- weise günstigen Anlagen finanzieren. Damit stünde nismus handelt, ausgeschlossen wären. Auch etwa- zu erwarten, dass die „EEG-Umlage II“ im Vergleich ige unbeabsichtigte Übertragungsfehler oder sons- zur heutigen EEG-Umlage sehr niedrig ausfallen tige nachteilige Anpassungen wären dadurch von würde. vornherein unmöglich. Daher erscheint die Option des Verweises auf die damaligen Regelungen des Insoweit bieten sich zwei Optionen besonders an: EEG 2012 insgesamt als die vorzugswürdige. Es könnten entweder alle Neuanlagen mit der „EEG-Umlage II“ finanziert werden. Oder die „EEG- Damit wäre die „EEG-Umlage II“ als beihilfefrei Umlage II“ könnte nur den weiteren Ausbau derjeni- einzustufen und müsste nicht durch die EU- gen Technologien finanzieren, auf die das größte Kommission genehmigt werden. Ausbauvolumen entfällt (Windenergie an Land, (Freiflächen-)Solaranlagen), um diesbezüglich maxi- Zwar bestünden im Vergleich des heutigen EEG- male gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit zu erlan- Systems mit dem EEG 2012 dennoch Unterschiede gen. Ein möglicher weiterer Vorteil wäre hier, dass bezüglich der Art und Weise, wie die Zahlungen diese Technologien verhältnismäßig niedrige durch- gewährt werden. Diese begründen aber keine andere schnittliche Stromgestehungskosten aufweisen und beihilferechtliche Bewertung, wie im Folgenden die „EEG-Umlage II“ damit nur in einer geringen näher ausgeführt wird. Höhe anfallen würde. Dann könnte diesbezüglich, anders als bei der „EEG-Umlage I“, auch die Notwen- a) BNetzA als ausschreibende Behörde digkeit für Ermäßigungstatbestände in Bezug auf die „EEG-Umlage II“ entfallen. Im EEG 2012 gab es noch keine Ausschreibungen. Dadurch, dass nun die BNetzA als ausschreibende Behörde fungiert und Zuschläge erteilt, ändert sich 2.2.2 Beihilferechtliche Bewertung aber nichts daran, dass auch im Finanzierungsme- chanismus der „EEG-Umlage II“, wie im EEG 2012, Der Finanzierungsmechanismus der „EEG-Um- keine staatlichen Mittel vorhanden wären. Denn lage II“ sollte möglichst exakt demjenigen des durch die Rolle der BNetzA als ausschreibende Be- EEG 2012 entsprechen. Denn in diesem Fall könnte hörde wird keine staatliche Kontrolle über die Gelder für die „EEG-Umlage II“ die Rechtsprechung des im Finanzierungsmechanismus der „EEG-Umlage II“ EuGH zum EEG 2012 „eins zu eins“ herangezogen begründet. werden (vgl. hierzu unter Abschnitt 1). 14
Agora Energiewende | Ein beihilfefreies und schlankeres EEG In der bisherigen Rechtsprechung des EuGH wurde über den ordnungsgemäßen Vollzug wachen, indem eine staatliche Kontrolle oder Verfügungsgewalt über sie die wettbewerbliche Auswahl der Zahlungsemp- die Mittel innerhalb eines Finanzierungsmechanis- fänger sowie die wettbewerbliche Ermittlung der mus nur dann angenommen, wenn eine öffentliche Zahlungshöhe sicherstellen würde. Stelle die Mittel nicht bloß zweckgebunden verwal- tete, wie im Fall Pearle51, sondern zusätzlich auch Wollte man den möglichen Einwand zur Rolle der eine tatsächliche Zugriffsmöglichkeit des Staates auf BNetzA in den Ausschreibungen von vornherein die Mittel bestand, wie etwa in den Fällen Frank- ausschalten, wäre zu erwägen, den Vollzug der Aus- reich/Kommission52, Essent53 oder Vent de Colère54. schreibungen auf die ÜNB zu übertragen. Damit Im Rahmen der Fälle Elcogàs55 und Achema56 wurde, würde keine staatliche Stelle, wie die BNetzA als Be- anders als im EEG, jeweils der konkrete Finanzbedarf hörde, sondern es würden private Unternehmen per durch staatliche Stellen Gesetz als ausschreibende Stelle fungieren. Durch determiniert. die bloße Zuweisung der Aufgabe als ausschreibende Stelle per Gesetz würde nach der Rechtsprechung Anders als in den vorstehend genannten Fällen des EuGH zum EEG 2012 keine staatliche Verfü- würde die BNetzA nicht die im Rahmen des Finan- gungsgewalt über die Mittel im Finanzierungskreis- zierungsmechanismus der „EEG-Umlage II“ erwirt- lauf der „EEG-Umlage II“ begründet. Denn laut EuGH schafteten Gelder verwalten oder einen konkreten kann ein bloßer staatlicher Einfluss per Gesetz nicht Finanzierungsbedarf festlegen. Die Gelder würden, mit einer Verfügungsgewalt über die eingesetzten ebenso wie auf Grundlage des EEG 2012, ohne Zu- Gelder gleichgesetzt werden.57 Die gesetzliche Fest- griffsmöglichkeit des Staates durch die ÜNB verwal- legung der Verwendung der Gelder aus der EEG- tet. Die BNetzA wäre als staatliche Stelle somit nicht Umlage spreche vielmehr dafür, dass der Staat nicht in die Verwaltung der Gelder involviert, sondern nur über diese Gelder verfügen könne, das heißt keine für die Durchführung von Ausschreibungsverfahren andere als die im Gesetz vorgesehene Verwendung zur wettbewerblichen Ermittlung der Zahlungsemp- beschließen könne.58 Darüber hinaus stehen nach fänger und der Höhe der Zahlungen zuständig. Die Ansicht des EuGHs in seiner Entscheidung zum BNetzA würde die Zahlungen zudem auch nicht EEG 2012 auch die ÜNB selbst nicht unter einer selbst ausschütten. Die Zahlungen würden, ebenso Beihilfeeigenschaft der EEG-Umlage begründenden wie auf Grundlage des EEG 2012, durch die Netzbe- staatlichen Kontrolle.59 treiber an die Anlagenbetreiber erfolgen. Als aus- schreibende Stelle würde die BNetzA somit lediglich 51 55 EuGH: Urt. v. 15.07.2004 – C-345/02 – EuGH: Urt. v. 22.10.2014 – C-275/13 – Elcogàs Pearle BV u.a., Rn. 36 56 EuGH: Urt. v. 15.05.2019 – C-706/17 – Achema 52 EuGH: Urt. v. 16.05.2002 – C-482/99 – Frankreich/Kommission, Rn. 38 57 EuGH: Urt. v. 28.03.2019 - C-405/16 P – Deutschland/Kommission, Rn. 75 53 EuGH: Urt. v. 17.06.2008 – C-206/06 – Essent Netwerk Noord u.a., Rn. 66, 67 58 EuGH: Urt. v. 28.03.2019 - C-405/16 P – Deutschland/Kommission, Rn. 76 54 EuGH: Urt. v. 19.12.2013 – C-262/12 – Vent de Colère, Rn. 22 f., 26 59 EuGH: Urt. v. 28.03.2019 - C-405/16 P – Deutschland/Kommission, Rn. 80 15
Agora Energiewende | Ein beihilfefreies und schlankeres EEG b) Kein Durchgriff auf Letztverbraucher Gegensatz zum EEG 2012, die Verpflichtung der Netzbetreiber, die EEG-Umlage von denjenigen EVU Der EuGH stellte in seiner Entscheidung zum zu verlangen, die Strom an Letztverbraucher liefern EEG 2012 ferner fest, dass die sich aus der EEG- („berechtigt und verpflichtet“, vgl. § 60 Abs. 1 S. 1 Umlage ergebende faktische finanzielle Abwälzung EEG 2021). Dies war im EEG 2012 lediglich als An- auf die Letztverbraucher keine ausreichende Grund- spruchsgrundlage formuliert („können“, vgl. § 37 lage für die Schlussfolgerung darstelle, nach der die Abs. 2 S. 1 EEG 2012). Zusätzlich enthält das EEG-Umlage mit dem im Rahmen seines Urteils EEG 2021 die Verpflichtung der Netzbetreiber, die Essent Netwerk Noord60 geprüften Aufschlag auf den EEG-Umlage von stromkostenintensiven Unterneh- Stromtarif vergleichbar sei.61 Dabei zielte der EuGH men (§ 60a EEG 2021) sowie in bestimmten Fällen maßgeblich darauf ab, dass das EEG 2012 die Ener- auch von anderen Letztverbrauchern zu verlangen. gieversorgungsunternehmen (EVU) nicht dazu ver- Dies sind die Fälle der Eigenversorgung und des pflichtete, die aufgrund der EEG-Umlage gezahlten sonstigen Verbrauchs von Strom, der nicht durch Beträge auf die Letztverbraucher abzuwälzen.62 EVU geliefert wird (§§ 61, 61j EEG 2021). Auch diese Insofern greife die Argumentation des EuG und der Verpflichtungen der Netzbetreiber bestanden im EU-Kommission nicht, dass die EEG-Umlage einer EEG 2012 nicht. „Abgabe“ im Sinne einer einseitig per Gesetz auf- erlegten Belastung gleichgestellt werden könne.63 Es kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob die Argumentation der EU-Kommission zum Durchgriff Der Vorschlag zur Schaffung einer „EEG-Umlage II“ auf die Letztverbraucher beihilferechtlich überhaupt entspricht dieser Anforderung des EuGH, da zur Ab- stichhaltig ist. Denn durch die Nutzung des Finan- wicklung der Finanzierung der Mechanismus des zierungsmechanismus des EEG 2012 für die Zwecke EEG 2012 benutzt wird, indem regelungstechnisch der „EEG-Umlage II“ wäre in diesem Fall auch die direkt auf diesen verwiesen wird. Rückkehr zur damaligen fakultativen Ausgestaltung der Erhebung der EEG-Umlage verbunden („können“, Daher ist es mit Blick auf die „EEG-Umlage II“ un- vgl. § 37 Abs. 2 S. 1 EEG 2012). Kehrt man somit auch schädlich, dass die EU-Kommission als entschei- diesbezüglich auf den Stand des EEG 2012 zurück, denden beihilferechtlichen Unterschied zum Fall wird wieder die Rechtslage erreicht, die der EuGH des EEG 2012 anführt, dass im EEG 2021 nun in als beihilfefrei eingestuft hatte. bestimmten Fällen der Durchgriff auf die Letztver- braucher gesetzlich normiert ist.64 c) Exkurs: Problematik Art. 30/110 AEUV Das EEG 2021 enthält zwar keine allgemeine Ver- Im Rahmen der bisherigen Beihilfeverfahren wurde pflichtung der EVU, die EEG-Umlage von den Letzt- durch die EU-Kommission auch vorgebracht, dass verbrauchern zu erheben. Es enthält allerdings, im das EEG eine diskriminierende Abgabe im Sinne der 60 63 EuGH: Urt. v. 17.06.2008 – C-206/06 – EuGH: Urt. v. 28.03.2019 - C-405/16 P – Essent Netwerk Noord u. a. Deutschland/Kommission, Rn. 68 bis 72 61 64 EuGH: Urt. v. 28.03.2019 - C-405/16 P – C(2021) 2960 final vom 29.04.2021, SA.57779: Deutschland/Kommission, Rn. 71 Germany EEG 2021. Rn. 251 i. V. m. Rn. 174-175; vgl. hierzu bereits die entsprechende Argumentation der 62 EuGH: Urt. v. 28.03.2019 - C-405/16 P – EU-Kommission im Fall des EEG 2017: C(2016) 8789 Deutschland/Kommission, Rn. 70 final, SA.45461 (2016/N) –EEG 2017 Rn. 164 16
Agora Energiewende | Ein beihilfefreies und schlankeres EEG Art. 30/110 AEUV sei. Aus diesem Grund hatte sich müsste sich die EU-Kommission zur Annahme einer Deutschland unter anderem zur Öffnung des EEG für Beihilfe im Fall der „EEG-Umlage II“ explizit gegen Anlagenbetreiber in anderen Mitgliedstaaten ver- die rechtliche Argumentation des EuGHs zum EEG pflichtet. Dieses Rechtsproblem wurde allerdings nur 2012 stellen. Im Falle der Umsetzung der „EEG-Um- aus Anlass des Beihilfeverfahrens mitverhandelt lage II“ sollte die Bundesregierung somit über Vorab- (vgl. Rn. 29 UEBLL). Eigentlich handelt es sich dabei kontakte mit der EU-Kommission eine Verständi- um einen gesonderten Problemkreis, der durch eine gung darüber erzielen, wie ein erneuter Rechtsstreit künftige beihilfefreie Ausgestaltung des EEG nicht vor dem EuGH vermieden werden könnte. gleichzeitig als ebenfalls gelöst angesehen werden kann. Die bisher im EEG vorgesehene Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen auch den Be- 2.2.3 Weiterentwicklungsoption: „EEG- treibern von Erneuerbare-Energien-Anlagen in an- Umlage II“ mit Contracts for Difference deren Mitgliedstaaten einen Zahlungsanspruch nach dem EEG zu gewähren (§ 5 Abs. 2 bis 6 EEG 2021), Das Konzept der „EEG-Umlage II“ wäre auch an- sollte daher unabhängig von der künftigen beihilfe- schlussfähig mit Blick auf eventuelle zukünftige rechtlichen Einordnung des EEG beibehalten wer- Förderkonzepte für Strom aus Erneuerbaren Ener- den. Rückwirkungen auf die Beihilfeeigenschaft des gien. Derzeit werden hierfür etwa Konzepte disku- EEG sind damit nicht verbunden. tiert, den Zahlungsanspruch des EEG in Form der Marktprämie weiterzuentwickeln, zum Beispiel in d) Nächste Schritte Form von sogenannten Differenzverträgen, auch bekannt unter der englischen Bezeichnung Contracts Da die „EEG-Umlage II“ nach der vorgenommenen for Difference (CfD)65. Dabei würde, etwa im Rahmen rechtlichen Bewertung keine Beihilfe darstellt, von Ausschreibungen, ein Preis ermittelt (strike könnte diese theoretisch ohne vorherige Notifizie- price). Liegt der zugrunde gelegte Strommarktpreis rung bei der EU-Kommission in Kraft gesetzt wer- unter dem strike price, erhält der Anlagenbetreiber den. In der Vergangenheit hatte die EU-Kommission die Differenz als Zahlung. Liegt der zugrunde gelegte allerdings den Beihilfebegriff bezüglich des EEG Strommarktpreis über dem strike price, muss der regelmäßig weit ausgelegt und, letztlich zu Unrecht, Anlagenbetreiber die Differenz eine Beihilfenkontrolle ausgeübt (vgl. Abschnitt 1). Es bezahlen. stellt sich daher die Frage, warum dies dieses Mal mit Blick auf die neue „EEG-Umlage II“ anders sein Um das Konzept von CfD mit der bisherigen gesetzli- sollte. Hierfür spricht, dass mit dem Rückgriff auf chen Konzeption des EEG-Fördersystems zu kombi- den Finanzierungsmechanismus des EEG 2012 im nieren, wäre nicht notwendigerweise der Abschluss Vergleich zu den letzten Beihilfeverfahren zum EEG von Differenzverträgen erforderlich. Eventuelle 2014, 2017 und 2021 eine neue Situation geschaffen Rückzahlungen der Anlagenbetreiber könnten auch würde. Denn durch die Nutzung des Finanzierungs- auf der bisherigen Basis gesetzlich festgelegter An- mechanismus des EEG 2012 würde ein Gleichlauf sprüche in das System der „EEG-Umlage II“ inte- mit der diesbezüglichen EuGH-Rechtsprechung griert werden (vgl. Abbildung 6). erreicht, der so in den Beihilfeverfahren zum EEG 2014, 2017 und 2021 nicht gegeben war. Damit 65 vgl. zu CfD als Förderkonzept für Strom aus Erneuer- Differenzverträge für erneuerbare Energien. baren Energien grundlegend etwa: May/Neuhoff/ DIW Wochenbericht 28/2018 Richstein: Kostengünstige Stromversorgung durch 17
Agora Energiewende | Ein beihilfefreies und schlankeres EEG Die BNetzA (beziehungsweise eine von den ÜNB Verwendung finden. Hierfür sind unterschiedliche gebildete Stelle) könnte hierzu als ausschreibende Optionen denkbar. So könnten die Überschüsse etwa Stelle Zuschläge an diejenigen Bieter mit dem nied- dazu verwendet werden, zusätzliche und teurere rigsten gebotenen strike price vergeben. Der bishe- Neuanlagen anderer Technologien in die „EEG-Um- rige gesetzliche Zahlungsanspruch der Anlagenbe- lage II“ zu integrieren, die anfangs noch nicht durch treiber müsste um einen Rückzahlungs- und die „EEG-Umlage II“ finanziert wurden. Es ist aber Verrechnungsanspruch der Netzbetreiber bei beispielsweise auch denkbar, dass die Überschüsse Überschreitung des zugeschlagenen strike price von den EVU über die Stromrechnung an die Letzt- ergänzt werden. Die Netzbetreiber müssten verbraucher ausbezahlt werden. Die hier skizzierten entsprechend gesetzlich verpflichtet werden, Optionen sind dabei als nicht abschließende Bei- eventuelle Rückzahlungen der Anlagenbetreiber spiele für eine Verwendung rückgezahlter Mittel an- an die ÜNB weiterzureichen. zusehen und müssten bei der tatsächlichen Umset- zung einer Kombination aus CfD und „EEG-Umlage Beihilferechtlich sind CfD-Förderkonzepte von der II“ im Einzelnen noch näher geprüft werden. EU-Kommission schon mehrfach genehmigt worden und somit als beihilferechtlich umsetzbar einzustu- fen (siehe zum Beispiel die Beihilfeentscheidungen 2.3 Zwischenfazit zu UK66, Dänemark67, Polen68). Ziel der „EEG-Umlage II“ ist es allerdings nicht, beihilfekonform, sondern Die „EEG-Umlage I“ würde strukturell dem aktuellen von vornherein beihilfefrei zu sein. Finanzierungsmechanismus des EEG 2021 entspre- chen und wäre damit wegen der Bundeszuschüsse Sollten eventuelle Rückzahlungen innerhalb eines als Beihilfe einzuordnen. Finanziert würden damit CfD-Förderkonzepts dazu führen, dass die „EEG- die vergleichsweise teuren Altanlagen. Eine weitere Umlage II“ negativ wird, wäre somit aus beihilfe- Abschmelzung durch zusätzliche Bundeszuschüsse rechtlicher Sicht darauf zu achten, wie eventuelle ist möglich. Überschüsse verwendet werden. Soll die Beihilfe- freiheit erhalten bleiben, dürften die Überschüsse Die „EEG-Umlage II“ würde die zukünftigen Kosten beispielsweise keinesfalls dazu verwendet werden, der Förderung von neuen Erneuerbare-Energien- die Bundeszuschüsse im Rahmen der „EEG-Um- Anlagen ohne Bundeszuschüsse durch den Mecha- lage I“ zu minimieren. Denn damit hätte der Finan- nismus des EEG 2012 finanzieren. zierungsmechanismus der „EEG-Umlage II“ Auswir- kungen auf den Bundeshaushalt, was wiederum die Aufgrund der Nutzung des Finanzierungsmechanis- Annahme beihilferelevanter staatlicher Mittel nach mus des EEG 2012 wäre die „EEG-Umlage II“ als bei- Art. 107 Abs. 1 AEUV begründen könnte. hilfefrei einzustufen. Hinsichtlich der Frage des Durchgriffs auf die Letztverbraucher bestünde dann Im Fall von Überschüssen wäre somit darauf zu kein Unterschied zur damaligen, vom EuGH als bei- achten, dass diese innerhalb des Systems der „EEG- hilfefrei eingestuften Rechtslage. Der verbleibende Umlage II“ verbleiben und ausschließlich dort Unterschied, der darin besteht, dass nunmehr Aus- schreibungen durchgeführt werden und die BNetzA 66 68 C(2014) 5079 final, SA.36196: Electricity Market C(2017) 8334 final, SA.43697: Polish support scheme for Reform – Contract for Difference for Renewables RES and relief for energy-intensive users 67 C(2021) 1447 final, SA.57858: Thor Offshore wind farm 18
Agora Energiewende | Ein beihilfefreies und schlankeres EEG darin als ausschreibende Stelle fungiert, führt nicht zur Annahme einer Beihilfe. Zudem könnte, bei an- derer Einschätzung dieser Frage, ein vermeintlich hierin liegender staatlicher Einfluss von vornherein ausgeschlossen werden, indem etwa diese Aufgabe per Gesetz den ÜNB übertragen wird. Die beihilfefreie Umfinanzierung im Wege der „EEG-Umlage II“ zielt darauf, dem Gesetzgeber für die Zukunft wieder mehr eigenständigen Spielraum bei der Gestaltung der Energiewende zu ermögli- chen. Der exakte Anwendungsbereich der „EEG- Umlage II“ wäre letztlich vom Gesetzgeber näher zu bestimmen. Die „EEG-Umlage II“ sollte jedoch in Abgrenzung zur „EEG-Umlage I“ neue und damit vergleichsweise günstige Anlagen finanzieren. Dies könnten solche Neuanlagen sein, auf die das größte Ausbauvolumen entfällt und die verhältnismäßig niedrige Stromgestehungskosten aufweisen (Wind- energie an Land, (Freiflächen-)Solaranlagen). Damit stünde zu erwarten, dass die „EEG-Umlage II“ im Vergleich zur heutigen EEG-Umlage niedrig ausfal- len würde. Die „EEG-Umlage II“ wäre auch mit aktuell disku- tierten Weiterentwicklungsoptionen, wie CfD, kompatibel. Dies gilt mit Blick auf die Erhaltung der Beihilfefreiheit, solange darauf geachtet wird, dass eventuelle Rückzahlungen im geschlossenen System der „EEG-Umlage II“ verbleiben. 19
Agora Energiewende | Ein beihilfefreies und schlankeres EEG 20
Sie können auch lesen