"Eine andere Welt ist möglich - Aufforderung zum zivilen Ungehorsam" - Oekom Verlag
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„Die gute Seiten der Zukunft“ 4. Folge „Eine andere Welt ist möglich – Aufforderung zum zivilen Ungehorsam“ Ein Interview mit Vandana Shiva Anmoderation Manuel Schneider Hallo zusammen – Willkommen zur vierten Ausgabe unseres oekom podcasts. Ich bin Manuel Schneider. – Sie gilt als eine der führenden Globalisierungskritikerinnen und ist weltweit bekannt für ihre scharfen Auseinandersetzungen mit der Agrarindustrie. Mit ihren Reden und zahllosen Auftritten in der Öffentlichkeit, ihren Büchern und konkreten Projekten vor Ort inspiriert sie Menschen auf der ganzen Welt. Die Rede ist von der indischen Physikerin und Aktivistin Vandana Shiva. Sie bringt seit vielen Jahren tausende Anhänger für mehr Umweltschutz, den Erhalt der biologischen Vielfalt und für die Wahrung der Rechte der Frauen auf die Straße. „Wir alle haben es in der Hand, den Lauf der Welt zu ändern.“ So lautet die motivierende, zugleich aber auch herausfordernde Aufforderung Vandana Shiva an die Zivilgesellschaft. In der Tradition Mahathma Gandhis ruft Vandana Shiva zu zivilem Ungehorsam auf – zu politischem Engagement und gewaltfreien Widerstand gegen Konzerne wie Bayer-Monsanto und ihrem agrarindustriellen Entwicklungskonzept, gegen das Patentieren von Saatgut, gegen den massiven Einsatz von Pestiziden und die weltweite Zerstörung bäuerlicher Existenzen. Ihr Gegenentwurf: eine ökologische und nachhaltige Landnutzung, die in der Hand von Bäuerinnen und Bauern liegt und nicht in der Hand multinationaler Konzerne. Im Zentrum steht dabei – als Grundlage allen Überlebens – der Erhalt der Natur und ihrer biologischen Vielfalt. In ihrer Heimat Indien hat Vandana Shiva das sog. Navdanya-Netzwerk gegründet, mit dem sie Kleinbäuerinnen und -bauern fördert und vor allem Saatgut von regionalen Pflanzen bewahrt. In 22 Bundestaaten Indiens aktiv hat das Netzwerk bislang bereits knapp eine Million Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in biologischer
2 Landwirtschaft ausgebildet. Als Mitglied des renommierten Club of Rome und Trägerin des Alternativen Nobelpreises geht Vandana Shivas Einfluss jedoch weit über Indien hinaus. Ihre zentrale Botschaft: „Eine andere Welt ist möglich“. So lautet auch der Titel des Buches, das die indische Aktivistin mit dem französischen Journalisten Lionel Astruc vor wenigen Monaten im oekom verlag veröffentlicht hat. Das Buch vereint alle zentralen Themen Vandana Shivas, von der Saatgutfreiheit bis zum Ökofeminismus, von der Globalisierungskritik bis zu neuen Formen von Demokratie. Im Januar war Vandana Shiva bei uns im münchner zukunftssalon und hat dort ihr Buch vorgestellt. Wir haben die Gelegenheit genutzt, um mit ihr ein kurzes Interview zu führen. In ihm erläutert sie, welche Bedeutung der Erhalt der biologischen Vielfalt nicht nur für die Ernährung der Weltbevölkerung, sondern auch für Demokratie und Frieden zukommt. Und welche Inspiration sie aus der indischen Geschichte für ihre eigene Arbeit zieht. Das Interview wurde auf Englisch geführt. Eine Übersetzung der Antworten von Vandana Shiva ins Deutsche finden Sie zum Download als PDF in den Shownotes dieses Podcasts. Übersetzung des Interviews1 mit Vandana Shiva Frage 1 Die erste Frage, die wir Vandana Shiva gestellt haben, ist eine ganz grundlegende: Über Klimaschutz und Nachhaltigkeit reden wir schon seit vielen Jahren. Und zweifellos hat die gesellschaftliche Wahrnehmung der Klimakrise nicht zuletzt durch die Fridays-for-Future Bewegung deutlich zugenommen. Und dennoch passiert wenig oder zumindest zu wenig. Sowohl auf politscher Ebene als auch im Alltag. Woran liegt das? Was müsste aus ihrer Sicht in Zukunft geschehen, um den Planeten, auf dem wir leben und von dem wir leben, nicht weiter zu zerstören? Um ein Leben der Menschheit nachhaltig zu sichern? Vandana Shiva: Ich denke, das wichtigste ist ein Paradigmenwechsel in unserer Art zu denken. Diese Art zu denken stammt von einer sehr kleinen Gruppe sehr mächtiger Menschen, die sie [diese Art zu denken] als universales Wissen und als Basis von Wissenschaft definiert hat. Dieses Paradigma ist charakterisiert durch ein mechanistisches Denken, durch das cartesianisches und newtonsche Denken, das die Welt als fragmentiert ansieht, als starr und unveränderbar: die Erde als tote Materie. Es ist nur eine Minderheit, die dieses Paradigma geprägt hat. Für die meisten Menschen auf der Welt, für alle indigenen Völker z.B., ist die Erde etwas Lebendiges. Sie sehen die Welt als etwas In-sich-Verbundenes an. [...] Indigene 1 Das Interview führte die Online-Redakteurin des oekom verlags Sonja Bonneß am 21. Januar 2020 im münchner zukunftssalon des oekom vereins.
3 überall auf der Welt wehren sich gegen die Zerstörung von „Mutter Erde“, auch die Frauen wehren sich. Ich hab vor Jahren das Konzept des „Ökofeminismus“ entwickelt. Überall auf der Welt sehnen sich junge Menschen, Frauen und Männer, danach, dass es einen Weg aus dem kapitalistischen Patriarchat gibt. Dass Frauen, die dominiert und als Bürger zweiter Klasse behandelt werden, als Öko-Partner wahrgenommen werden – genauso wie die Erde, die bislang nur als Mine für natürliche Ressource oder als Mülleimer für unsere Abfälle missbraucht wird. Es geht darum, dass wir diese Art des Denkens ändern. Dass die Kinder auf der Straße, dass die Bauern protestieren und nun sich neue Allianzen bilden, die anerkennen, dass die Biene und der Bauer entweder gemeinsam überleben oder gar nicht: das sind erstaunliche Verbindungen, die momentan entstehen. Und wenn man sie sich näher anschaut, empfinden wir es nicht mehr als Last und unüberwindbare Hürde, jene Minderheit zu wandeln, die sich selbst als das Ganze ausgibt. Frage 2 Unsere zweite Frage blickt nach Indien. Denn auch dort, wie überall auf der Welt, setzen sich Menschen für Artenvielfalt und Nachhaltigkeit ein. Wir wollten von Vandana Shiva wissen, was das zivilgesellschaftliche Engagement in Indien mit dem in Europa verbindet. Vandana Shiva: Ich habe meine Arbeit über den Erhalt des Saatguts 1987 begonnen und ich habe damals Indien als „Biodiversitätswirtschaft“ definiert und den industrialisierten Westen als „Fossilwirtschaft“. Aber natürlich hat sich die fossile „Infektion“ im Namen des Fortschritts überall verbreitet. Die meisten Inder*innen leben immer noch in einer Biodiversitätswirtschaft. Wenn wir also biologische Vielfalt erhalten und das Paradigma ändern, stellen wir sicher, dass es auf die Gewinnung von Lebensmitteln pro Hektar ankommt, nicht auf die Ausbeute von inhaltsleeren Rohstoffen. Wir stellen sicher, dass wir die Welt ernähren können, indem wir die biologische Vielfalt erhalten; dass andere Lebewesen und Menschen nicht miteinander im Wettbewerb stehen, sondern miteinander kooperieren. Und wenn man in die Berge von Bayern geht, wo ich gestern Abend war – die kleinen Milchbauern sind sich sehr bewusst, dass Milch ein Produkt der Pflanzen ist, welche von der Kuh gegessen werden. Deshalb bedeutet Eure gute Milch immer auch biologische Vielfalt. Egal wo man in der Welt ist: Diese Verbindung zwischen den Arten und dem Netz des Lebens durch Essen als das, was das Netz des Lebens als Nahrungskreislauf knüpft, ist ein grundlegendes ökologisches universelles Prinzip. Der Kolonialismus hat uns gespalten, das fossile Zeitalter hat uns gespalten, aber dies sind zwei riesige Fehler der Menschheit und wir müssen diese Fehler nicht so behandeln, als würden sie die Zukunft der Menschheit oder der Erde bestimmen.
4 Frage 3 Unsere dritte Frage an Vandana Shiva: Warum ist unser Ernährungssystem so instabil und was können wir tun, um den Hunger auf der Welt zu bekämpfen und Nahrungssicherheit für alle Menschen zu gewährleisten? Vandana Shiva: Uns wurde eingeredet, dass industrielle Landwirtschaft mit Monokulturen und einer Produktion, die viel Chemie und fossile Brennstoffe benötigt, mehr Nahrungsmittel produziert. Und der Trick fängt mit der Messung des Ertrags an. Sie hat mehr Ertrag. Aber wenn ich nur eine Monokultur an Getreide anbaue, habe ich natürlich viel Getreide – das ist keine große Leistung. Aber wenn ich Getreide und Bohnen anbaue, habe ich Bohnen und Getreide. Und der Boden hat Stickstoff. Und wenn ich unterschiedliche Arten Getreide und unterschiedliche Arten von Bohnen anbaue, erreiche ich Widerstandskraft in meinem Feld. Dieses System der Biodiversität habe ich angewendet, angepriesen und verteidigt und in Indien nennen wir es „Navdanya“, was „Neun Samen“ bedeutet. In Mexiko wird es „Milpa“ genannt. Wenn man also die biologische Vielfalt als wirklichen Ertrag misst, wird man herausfinden, dass je artenreicher ein Stück Land ist, desto mehr Nahrung produziert es. Nicht nur für Menschen, sondern für alle Lebewesen. Der Weg, um den Hunger in Angriff zu nehmen, ist, mehr Nahrung mit höherem Nährwert pro Quadratmeter zu produzieren, indem man die biologische Vielfalt erhöht – und nicht, indem man die industrielle Landwirtschaft intensiviert. Die industrielle Landwirtschaft zu intensivieren hat einen großen Fußabdruck. Der Hunger nach Biokraftstoffen, der Hunger nach Tierfutter ist so grenzenlos, dass man den Regenwald abbrennen muss. Kein Kleinbauer musste jemals den Wald eines anderen Landes abbrennen! Wenn wir den kompletten ökologischen Fußabdruck in die Rechnung mit aufnehmen, ist die industrielle Landwirtschaft ein extrem ineffizientes System. Sie nutzt viele Quadratmeter, um etwas zu produzieren, das nicht von Menschen gegessen wird. Nur zehn Prozent des Getreides und Sojas wird von Menschen gegessen, der Rest wird für Biokraftstoff und Tierfutter verwendet. Wie ändern wir das? Wir ändern es, indem wir Nahrung als die „Währung des Lebens“ anerkennen und dadurch die ökologischen Systeme, die Nahrung produzieren, respektieren, Bienen und Schmetterlinge beschützen, die Artenvielfalt der Pflanzen beschützen und Landwirtschaft hauptsächlich zur Bewahrung der biologischen Vielfalt des Planeten einsetzen. Wir bekommen Nahrungsmittel, aber wir bekommen qualitativ hochwertige, vielfältige Lebensmittel. Und das Problem der Monokultur des Geistes ist, dass sie nur ein Produkt anschaut, das keinen Nährwert hat, aber voller Gifte ist. Das ist keine Nahrung. Wenn wir biologisch vielfältige Nahrung haben, gibt es genug für alle.
5 Aber biologische Vielfalt geht Hand in Hand mit Dezentralisation. Globalisierung – Regeln, die von den Cargills, Monsantos, Nestlés und Pepsis geschrieben wurden – hat uns diesen Rohstoffhandel und Hunger beschert. Dezentralisation und Kreislaufwirtschaft und wahrer freier Handel – frei für die Natur, frei für die Biene, frei für die Kuh, frei für das Kind und frei für den Bauer und frei für uns in Bezug auf Lebensmittelfreiheit. Wir essen die richtigen Sache, wir essen gute Lebensmittel für alle. Unsere Arbeit in Indien hat gezeigt, dass wir das Zweifache von Indiens Bevölkerung ernähren können, indem wir die biologische Vielfalt bewahren. Wenn wir das in Indien schaffen, kann es auf der ganzen Welt funktionieren. Dann ändern wir den Handel zum Fairen Handel von den Dingen, die man nicht selber anbauen kann. Es ist in Ordnung, wenn Ihr unsere Gewürze kauft, Ihr könnt hier keinen Pfeffer anbauen – das ist in Ordnung, das haben wir schon damals gehandelt, das haben wir früher aus Indien exportiert. Deshalb wurde die East India Company gegründet als Versuch, uns zu kolonialisieren, denn wir hatten Gewürze. Die Alpen haben wunder- schöne medizinische Kräuter, der Himalaya hat wunderschöne medizinische Pflan- zen. Wir müssen anfangen, unsere Vorstellung davon, was das Land uns gibt, auszuweiten und die Landwirtschaft muss zu ihren Wurzeln zurückkehren – „agri- culture“: die Pflege und Kultivierung des Landes. Sobald wir dies tun, werden wir genug Nahrung für alle Lebewesen haben, inklusive guter Nahrung für alle Men- schen. Kein Kind wird verhungern, keine Person wird guter Nahrung beraubt. Frage 4 Mit der vierten und vorletzten Frage greifen wir ein zentrales Thema ihres jüngsten Buches auf: Welche Rolle spielen gewaltfreier Widerstand und ziviler Ungehorsam für die Ermöglichung einer „anderen Welt“? Vandana Shiva: Wissen Sie, es ist fast fünf Jahrzehnte her, seit ich meinen Aktivismus begonnen habe, um die Erde zu schützen. Und es begann mit der großartigen Bewegung von Frauen, die vortraten und sagten: „Wir werden die Bäume umarmen. Ihr müsst uns töten, bevor ihr einen Baum tötet.“ Das war ziviler Ungehorsam durch das Umarmen von Bäumen. Es hieß „Chipko“, was „Umarmen“ bedeutet. Ich hab mit Gemeinschaften gearbeitet, die den Bergbau bekämpft haben und wortwörtlich den Wald und die Berge und die Steine umarmt haben. Ich hab mit Gemeinschaften gearbeitet, die Flüsse umarmt haben und sagten „Ihr könnt keinen Damm bauen!“. Meine eigene Arbeit zu Navdanya und zum Schutz von Saatgut, die ich 1987 begon- nen habe, begann mit einer Verpflichtung zu zivilem Ungehorsam gegen Patent- gesetze. Und ich nenne es „Saatgut Satyagraha“. Und das habe ich von Gandhi gelernt.
6 Gandhi hat zwei großartige Aktionen des zivilen Ungehorsams durchgeführt. Die erste war in Südafrika. Er ist als Rechtsanwalt nach Südafrika gegangen. Und dann begannen die Briten, Gesetze zu verabschieden. Die Briten kämpften gegen die Buren und übernahmen die Macht und fingen dann an, Gesetze zu verabschieden, die Inder diskriminierten. Sie verlangten von Indern, einen verpflichtendes Registrie- rungsdokument zu haben, das sie immer bei sich führen mussten. Sie konnten in dein Haus eindringen und von einem acht-jährigen Kind verlangen, es zu vorzuzei- gen. Diese rassistische Diskriminierung war inakzeptabel für Gandhi und deshalb starteten er und andere Inder eine Aktion des non-kooperativen zivilen Ungehor- sams. Dies wurde viele Jahre später, als das System der Apartheid geschaffen wurde, die Basis für den Kampf gegen Rassismus und Anti-Apartheid. „Apartheid“ bedeutet „trennen“. Gandhis erstes „Satyagraha“, was ziviler Ungehorsam ist, bedeutet: »satya« – Wahrheit, »agraha« - Kraft, die Kraft der Wahrheit. Die Kraft der Wahrheit der Menschheit wird verletzt, wenn wir rassistisch diskriminieren, deshalb müssen wir uns jenem Gesetz widersetzen. Die Bürgerrechtsbewegung in Nordamerika wurde von Gandhi inspiriert, Martin Luther King, selbst Südafrikas Anti-Apartheid Kampf. Als er zurück nach Indien kam, schloss er sich zunächst der Bewegung gegen die Zwangskultivierung von Indigo an. Indigo war ein sehr wertvolles natürliches Färbemittel. Die Briten wollten es kontrollieren und zwangen die Bauern, es anzupflanzen, während die Bauern verhungerten. Es gab Proteste, Gandhi kam zurück und nahm daran teil und 1917 hielt er ein Satyagraha, zivilen Ungehorsam, gegen das Pflanzen von Indigo. 1930 wollten die Briten unser Salz monopolisieren, denn Monopole schaffen große Einkommen, besonders wenn es sich um essentielle Dinge handelt wie Salz, das wir jeden Tag benötigen. Gandhi ging zum Strand und hob das Salz auf und sagte „Wir brauchen es für unser Überleben. Wir werden weiter Salz herstellen, denn die Natur gibt es uns umsonst. Wir werden euren Gesetzen nicht folgen.“ Und das hat die Salzgesetze zu Fall gebracht. Als Monsanto und andere Firmen das Saatgut mittels Gentechnik patentieren woll- ten, hab ich mich von Gandhis Salz-Satyagraha inspirieren lassen und habe gesagt „Ich kämpfe, um zu verhindern, dass solche Gesetze erlassen werden. Und wir haben sie nicht in Indien! Unser Gesetz sagt, dass Pflanzen, Tiere und Saatgut nicht patentierbar sind. Aber ich sagte, selbst wenn unsere Regierung korrumpiert werden sollte, was durchaus möglich ist, werden wir nicht gehorchen, denn wir müssen dem höheren Gesetz des Lebens, der Artenvielfalt, des Saatguts gehorchen. Saatgut muss sich erneuern, Saatgut muss getauscht werden und deshalb haben wir die Saatgut-Satyagraha gestartet. Und wir setzen sie fort. Alle zehn Jahre versuchen die Konzerne durchzusetzen, dass es für Bauern illegal ist, Saatgut aufzubewahren. Und wir bringen unsere Saatgut-Satyagraha zurück. Wir haben es gerade erst wieder getan. Es gibt dieses Jahr ein neues Gesetz, das sie durchbringen wollen – wir
7 haben die Nachricht in der Gemeinschaft verbreitet und wir weigern uns, im zu folgen. Das schöne an Satyagraha ist, dass du niemals verlieren kannst. Denn bei Satyagraha geht es um deine Wahrheit und solange du diese nicht selber aufgibst können sie dir deine Wahrheit auch nicht wegnehmen. Frage 5 Die letzte Frage an Vandana Shiva versucht nochmals den Bogen zu spannen zwischen ökologischen und politischen Zusammenhängen: Warum ist der Kampf für biologische Vielfalt immer auch ein Kampf für Demokratie und Frieden? Vandana Shiva: Biologische Vielfalt ist Demokratie. Unser Nationaldichter Tagore hat einen wunderschönen Aufsatz mit dem Titel „The Poor One“ geschrieben und gesagt: „Indien ist besonders, denn unsere Zivilisation hat keine riesigen Gebäude errichtet. Unsere gebildeten Leute gingen in den Wald, um Demokratie zu lernen. Und im Wald sind die kleinsten Kräuter und die größten Bäume gleichberechtigt. Sie sind unterschiedlich, aber gleichberechtigt, was Ansehen und ihre Daseinsberechtigung betrifft. Tiere und Pflanzen haben das gleiche Recht zu existieren. Vom Wald haben wir Demokratie gelernt, von der biologischen Vielfalt haben wir Demokratie gelernt. Aber wenn man Demokratie durch Vielfalt lernt, schafft man die Bedingungen für Frieden.“ Tagore hat auch unsere Nationalhymne verfasst und ich hab kürzlich einen Blog geschrieben, denn Hass spaltet und schafft diese Dominanz einer scheinbar überlegenen Religion, einer überlegenen Rasse, einer überlegenen Person. Diese Idee der Überlegenheit war die Basis der Kolonialisierung. Sie wurde mit der „Zivilisierungsmission“ der christlichen Europäer gerechtfertigt. Es war im Grunde nur eine Plünderung von Ressourcen, aber wurde durch die Zivilisierungsmission gerechtfertigt. Wir erleben momentan ein Wiederstarken dieses Syndroms der Überlegenheit; dieses Syndrom der Überlegenheit herrscht durch das Prinzip „Teile und Herrsche“. Es verbreitet Hass. Tagores erster Absatz unserer Nationalhymne handelt davon, wie schön unser Land ist – die unterschiedlichen Berge, die unterschiedlichen Flüsse, die unterschiedlichen Klimazonen. Wir haben alle Pflanzenarten der Welt, wir haben die Arktis im Himalaya, die Sahara in unserer Wüste, und wir haben den Regenwald im Westen. Aber er sagt weiter: „Religionen kamen von der ganzen Welt und haben Gärten des Friedens gewoben.“ Wir aber haben Religion zu einem Nährboden für Konflikte gemacht. Deshalb heißt es in meinem Blog „Growing gardens of diversity, weaving garlands of love«. In der biologischen Vielfalt werden wir Demokratie, werden wir
8 Frieden finden, und deshalb müssen wir sie kultivieren, sowohl in der Natur als auch in der Kultur. Video Eine gekürzte Videoaufzeichnung des Interviews im münchner zukunftssalon findet sich unter: https://www.oekom.de/beitrag/in-der-artenvielfalt-werden-wir-demokratie-und- frieden-finden-61?p=1 Vandana Shiva im oekom verlag: Vandana Shiva & Lionel Astruc: Eine andere Welt ist möglich. Aufforderung zum zivilen Ungehorsam. oekom verlag: München 2019 https://www.oekom.de/buch/eine-andere-welt-ist-moeglich-9783962381349
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