Eine "Mutkultur" braucht Form und Gestalt - Kalaidos Fachhochschule
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Aktuelles | Arbeit neu denken 19 New World of Work Eine «Mutkultur» braucht Form und Gestalt Katja Schwedhelm unterrichtet an der Kalaidos Fachhochschule Schweiz New Work & Collaboration. Mit Persorama sprach sie darüber, worauf es bei neuen Formen der Zusammenarbeit besonders ankommt. Interview: Michaela Geiger | Fotos: Kaleidos, iStock_ Hispanolistic_Piranka Persorama: Mit New Work experimentieren ak- Agilität wurden dabei ungefähr zur gleichen Zeit – tuell viele Unternehmen. Worum geht es dabei in den 1970er-Jahren – geprägt. zentral? Die Brisanz, mit der diese Themen heute disku- Katja Schwedhelm: In vielen Unternehmen ist tiert werden, ist dem Transformationsdruck ge- New Work eher «New Office». Sicher tragen Kicker- schuldet. Um nicht den Anschluss zu verlieren, sind tische und Startup-Mobiliar dazu bei, neu über Unternehmen ständig gezwungen, sich anzupas- Arbeit zu denken und bereichsübergreifende Tätig- sen. Eine Dauerdynamik ist dabei jedoch wenig keiten zu erleichtern. Eine «Mutkultur» wird daraus zielführend, denn der Erfolg einer Organisation liegt noch nicht. Denn die eigentliche Herausforderung in der Mitte: Zwischen Stabilität – hier findet Wert- besteht darin, Mitarbeitende zur Mitgestaltung ein- schöpfung statt – und Dynamik, die Potenzial für ‹ zuladen. Dies gelingt besser, wenn der oder die Ein- künftige Geschäftsfelder erschliesst. zelne weiss, was sein oder ihr Beitrag zum Unter- nehmensziel ist und die Werte des Unternehmens mit den eigenen harmonieren. Vernetzung bedeutet nicht automatisch Mit steigender Komplexität wächst der Anspruch Verbundenheit. an Vernetzung. Diese wird gefördert, wenn Struktu- ren unternehmensintern die bereichsübergreifende und crossfunktionale Zusammenarbeit verbessern. Die heutige New Work-Bewegung wird oft auf Einzelne sind schon längst nicht mehr in der Lage, den Arbeitsbegriff innerhalb einer Organisa- Herausforderungen alleine zu lösen – dies gilt für tion verengt … Mitarbeitende, aber auch für Unternehmen. Gerade … Ja. Betrachten wir diesen Ausschnitt, geht es im für diese ist es wichtig, sich zu öffnen. Dadurch hält Miteinander hauptsächlich um Werte: gesehen ein Unternehmen Anschluss an den Markt, holt werden, Wertschätzung, Fairness. Auch das ist neues Wissen in die Organisation und testet Proto- nicht neu, nur machen technologische Entwicklun- typen auf Marktfähigkeit. gen dies heute transparent. Bewertungsplattformen wie Kununu machen sehr offensiv tatsächliche Fir- Wie viel ist bei den Buzzwords Agilität und New menkultur sichtbar; negative Bewertungen auf die- Work Hype, wie viel reelles Erfordernis? ser Plattform erschweren massiv die Suche nach Digitale Transformation, demografische Entwick- geeigneten Mitarbeitenden. lung, Globalisierung und der gesellschaftliche Wer- tewandel sind die wesentlichsten Treiber, die den Neben den Aspekten Technik und Raum ist auch Arbeitsbegriff neu prägen. Arbeitsformen ändern die Kultur ein wichtiger Faktor bei New Work … sich radikal, wie Coworking und Crowdworking ein- Die Kultur ist ganz entscheidend, gerät allerdings drücklich beweisen. Begriffe wie New Work und nur schwer in Bewegung. Hier etwas zu ändern,
New Work setzt eine veränderte Haltung der Mitarbeitenden voraus. Wie können sie ein gebunden werden, damit sie die anstehenden Veränderungen als sinnhaft und nützlich erleben? funktioniert nur in einer gewissen Radikalität. Diese An ETH und EPFL werden darüber hinaus erstklas- ist häufig für die Jüngeren gedacht, doch glaubwür- sige Spezialisten ausgebildet, was zu einer florie- dig wird ein Kulturwandel erst, wenn er auch dieje- renden Spinoff- und Startup-Szene führt. Im inter- nigen bewegt, die schon länger im Unternehmen nationalen World Digital Competitiveness Ranking sind. New Work kann hier als gesellschaftliche Vi- belegt die Schweiz Platz 5 (ICT’s Switzerland, IMD, sion ansetzen, die neben einer erfüllenden Tätigkeit 2019). auch soziale Verantwortung für die Gemeinschaft adressiert und damit ein übergeordnetes Ziel ver- New Work heisst auch «Arbeit neu denken». folgt. Was bedeutet das und wie unterscheidet sich New Work von bisherigen Formen der Arbeit? Ist ohne eine effektive Nutzung der modernen Die Arbeit soll dem Menschen dienen – nicht um- Informations- und Kommunikationstechnik ein gekehrt. Im Taylorismus war der Mensch Produk- konkurrenzfähiges Arbeiten noch möglich? tionsfaktor, hier ist spätestens mit dem Eintritt in Kaum. Wenn man bedenkt, dass ein Unternehmen die Netzwerkökonomie ein Umdenken erforderlich. immer auch die soziale (Mit)verantwortung für die Routineprozesse werden automatisiert. Was übrig Arbeitsmarktfähigkeit seiner Mitarbeitenden trägt, bleibt, sind komplexere Vorgänge. Das rückt den bekommt das für die Wettbewerbsfähigkeit im «War Menschen und seine Fähigkeiten wieder ins Zent- for Talents» noch eine andere Komponente. rum. Doch wir können nach den Jahrzehnten von Durch passende Tools und technische Grundla- «Command & Control» nicht plötzlich auf Eigenver- gen werden optimale Voraussetzungen für Projekt- antwortung umstellen. Dies ist ein längerer Prozess, entwicklung und Vernetzung geschaffen. Für den in dem Mitarbeitende im Wortsinn «ent-wickelt» Einsatz von Kollaborationstools gilt jedoch der werden müssen, um das vorhandene Potenzial wie- höchstnötige, nicht der höchstmögliche Einsatz. Di- der freizulegen. Hierfür müssen Unternehmen pas- gitalisierung bedeutet dabei Vernetzung; Vernet- sende Strukturen zur Verfügung stellen und zur ‹ zung ist jedoch noch nicht automatisch Verbunden- Übernahme von Verantwortung ermutigen. heit – diesen Schritt müssen viele Unternehmen noch gehen. New Work setzt eine veränderte Wie ist hier der Stand in Schweizer Unterneh- Haltung der Mitarbeitenden voraus. men? Die Schweiz hat dank der Anpassungsfähigkeit der Unternehmen hinsichtlich ICT-Lösungen eine sehr Welche Organisationsform ist zielführend? gute Ausgangslage. Auch deshalb betreiben inter- Das ist sehr individuell. Man sollte jedoch im Blick nationale Konzerne wie Google oder IBM lokale For- behalten, dass Selbstorganisation stark von der Ge- schungs- und Entwicklungszentren in der Schweiz. sellschaftsform des Unternehmens abhängt. Wo je-
Aktuelles | Arbeit neu denken 21 der mitbestimmen darf, aber einer dafür den Kopf Katja Schwed- hinhalten muss, sind die Machtverhältnisse doch helm leitet den ziemlich unausgeglichen. Studiengang New Work setzt auch eine veränderte Haltung der CAS FH in New Mitarbeitenden voraus. Wie können die Mitarbei- Work & Collabo- tenden eingebunden werden, damit sie die anste- ration an der Ka- henden Veränderungen als sinnhaft und nützlich laidos Fachhoch- erleben? schule Schweiz Information und Selbstwirksamkeit sind wichtig. und sieht sich als Zum einen müssen Mitarbeitende informiert wer- «Corporate Rebel den, aus welchen Gründen eine andere Haltung – mit einer Passion also «Fixed Mindset» versus «Growth Mindset» ent- für Arbeit, die wickelt werden muss. Dies kann man fördern, muss man wirklich es aber auch fordern. Mitarbeitende sollten eingela- liebt». Sie hat Ar- den werden, Verantwortung zu übernehmen, und als beits- und Organisationspsychologie an der Personen Aufmerksamkeit erhalten. Ergebnisse Bergischen Universität Wuppertal und Wirt- müssen sichtbar sein. Haben Mitarbeitende Erfolg, schaftswissenschaften an der Hochschule ist der Wunsch recht gross, diesen zu wiederholen. Harz studiert und eine langjährige Führungs- erfahrung im mittleren Management. Sind im New-Work-Umfeld HR-Instrumente wie Jahresgespräche noch sinnvoll? Dies ist zu überprüfen, vor allem, wenn Aufgaben sich sehr schnell ändern. HR und Führungskräfte sichtbar. Hier kann man schon den Bewerbungspro- sollten öfter Kontakt zu den Mitarbeitenden suchen zess so gestalten, dass er zur jeweiligen Stelle passt und Instrumente wie Retrospektiven einsetzen und mehr auf das Mindset Wert legen als auf lang- oder die Leistung der Mitarbeitenden mit Feedfor- jährige Berufserfahrung. «Hire for attitude, train for ward anstelle der Feedbackmethoden nutzen. skills» funktioniert jedoch nur, wenn «train for skills» auch Programm im Unternehmen ist. Wo muss HR den Hebel noch ansetzen bei New Work? Wo liegen die Grenzen von New Work? Ein wichtiger Stellhebel wäre die Vorbildfunktion Kollaborationsmethoden erreichen ihre Grenzen, der HR-Abteilung. Welche agilen Methoden finden wenn Mitarbeitende überfordert werden. Wenn bei- Anwendung im HR, wie ist diese organisiert und spielsweise auf zehn Kanälen parallel kommuniziert welche Arbeitsformen werden gelebt? Werden wird. Ob und wann Unternehmen eher hierarchisch neben den People Skills auch Business Skills aufge- oder kollaborativ und selbstorganisiert unterwegs baut, um als Gesprächspartner in strategischen Fra- sind, hängt hauptsächlich von der Dringlichkeit der gen wahrgenommen zu werden? Dies wäre zentral, Prozesse und der individuellen Entwicklung der Ak- um glaubhaft Transformation im Unternehmen an- teure ab. So ist eine starke Hierarchie in der Feuer- stossen zu können. wehr, in Armeen oder Krankenhäusern durchaus Mit Blick auf Mitarbeitende macht es auch Sinn, sinnvoll. Dies deckt sich ebenfalls mit der Beobach- den Begriff Karriere neu zu denken. Anstelle der tung, dass einige selbstorganisierte Unternehmen, klassischen, hierarchiebezogenen Karrierewege die in Schieflage geraten, sich oft ganz schnell wie- sollte auch an Fachkarrieren und alternative Ent- der zurück zur Hierarchie entwickeln. wicklungsmöglichkeiten gedacht werden. Welche Rolle haben Führungskräfte und Ge- Und beim Thema Lernen? schäftsleitung im Transformationsprozess? Lernen «on demand» ist wichtiger als Lernen auf Der Begriff Transformation lässt einen Anfang und Vorrat. Hierfür braucht es die nötigen Vorausset- ein Ende vermuten. Es ist jedoch eher davon auszu- zungen. Dem HR kommt die entscheidende Aufga- gehen, dass wir es bei New Work mit einer Evolu- be zu, die Kompetenzen der Mitarbeitenden richtig tion zu tun haben. Damit Wandel in Organisationen zu bewerten und abzubilden. Wissen ist in dem Fall gelingt, sollte die Unternehmensführung hinter den keine Kompetenz; diese werden in der Umsetzung Transformationsprozessen stehen und diese entwe-
Rubriktitel | Rubriktitel 23 Mitarbeitende sollten eingela- den werden, Verantwortung zu übernehmen und als Personen Aufmerksamkeit erhalten. der selbst mitinitiiert haben oder als Unterstützer mit wem in welchen Intervallen im Austausch be- einer Bottom-up-Initiative auftreten. Hierfür muss findet. Anhand dieser Informationen lässt sich eine HR nicht nur als Dienstleister auftreten, sondern auf Umgebung schaffen, die zur Zusammenarbeit ein- Augenhöhe mit der Geschäftsleitung operieren. lädt. Organisationale Ökosysteme sollten Lust auf Hier liegt dann auch die Chance für HR-Verantwort- Austausch und Lernen machen, Mentoring- und liche, aus dem administrativen Schatten in eine Coachingprozesse unterstützen, aber auch Fokus- wirklich gestaltende Rolle zu treten. zonen. ‹ Für Zusammenarbeitsprozesse eignet sich Mobi- liar, das sich leicht transportieren lässt, vorteilhaft Organisationale Ökosysteme sollten Lust ist hier alles, was Räder hat. «Huddle Rooms» mit Möglichkeiten für spontane Besprechungen sind auf Austausch und Lernen machen. bei Mitarbeitenden beliebter als Grossraumbüros. Für grosse Gruppen eignen sich Open-Space-Berei- che. Orientierung findet man auch bei herkömmli- Wie sollte eine Arbeitsumgebung im New-Work- chen Wohnkonzepten, bei denen man je nach Auf- Umfeld aussehen? gabe den Raum wechselt: das Schlafzimmer zum Wer eine Umgebung schaffen will, die zur Zusam- Ausruhen, die Bibliothek für konzentriertes Arbei- menarbeit einlädt, sollte zunächst mit seinen Mit- ten, das Wohnzimmer für den Austausch. • arbeitenden ein gemeinsames Verständnis der künftigen Kollaborationskultur erarbeiten. Hilfreich Literaturtipps hierzu ist zum Beispiel die Organisation eines Bar- Camps, in dem Faktoren einer gelingenden Zusam- Frithjof Bergmann: «Neue Arbeit, Neue Kultur» menarbeit diskutiert und die «Trampelpfade» des Daniel Pink: «Drive» Informationsflusses identifiziert werden können. Frederic Laloux: «Reinventing Organisations» Wichtig ist es, herauszufinden, an welchem Kno- Bernd Osterloh, Claudia Schröder: «Das kollegial ten Informationen zusammenlaufen und wer sich geführte Unternehmen»
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