AVES Pfannenstil - Verein Kettenreaktion

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AVES Pfannenstil
Aktion für vernünftige Energiepolitik Schweiz (AVES)
Regionalgruppe Pfannenstil
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BULLETIN Nr. 7                                                                        April 1982

Was nicht in den Zeitungen steht
Wenn sich in einem Kernkraftwerk irgendeine banale Panne ereignet, wie sie in jedem anderen
Kraftwerk oder Industriebetrieb alltäglich ist, wird darüber in den Massenmedien häufig in einer
Art und Weise berichtet, dass der technisch Unbefangene den Eindruck erhält, es sei gerade
knapp eine Katastrophe vermieden worden. Zum Beispiel kann es dann heissen: „Das
Kraftwerk musste aus Sicherheitsgründen abgeschaltet werden“. In Wirklichkeit handelt es sich
um einen einfachen Defekt an einem Ventil, der die Sicherheit des Reaktors in keiner Weise
tangiert. Jedoch lassen sich bestimmte Reparaturen einfach nicht bei laufendem Kraftwerk
durchführen – genauso wenig, wie ein Automechaniker bestimmte Reparaturen am laufenden
Motor ausführen kann.
Oft steht die Aufmachung der Meldung in keinem Verhältnis zur Bedeutung des Ereignisses.
Wird dagegen eine Pressemitteilung herausgegeben, die irgendwelche erfreuliche Tatsachen
über die Kernenergie feststellt, so sucht man diese Meldung meist vergeblich in den Zeitungen
(von Radio und Fernsehen ganz zu schweigen). Positive Neuigkeiten über Kernenergie sind
anscheinend uninteressant.
Zum Beispiel wurden         die   beiden   folgenden   Meldungen    von   den   Massenmedien
totgeschwiegen.

EPRI-Studie bestätigt: Reaktorunfall-Folgen überschätzt
Eine Studie des amerikanischen Electric Power Research Institute (EPRI) über die Freisetzung
radioaktiver Stoffe in die Umwelt bei Kernreaktor-Unfällen wurde Mitte November 1980 der
Nuclear Regulatory Commission (NRC) unterbreitet und an einer Tagung der American
Nuclear Society (ANS) und der European Nuclear Society (ENS) in Washington vorgestellt. Die
Studie „Realistic Estimates of the Consequences of Nuclear Accidents“ kommt zum Schluss,
dass die heute immer noch verwendeten Grundlagen für die Richtlinien der
Sicherheitsbehörden viel zu pessimistisch seien und das Ausmass der Strahlenbelastung der
Bevölkerung bei Reaktorunfällen um Faktoren 10 bis 100 überschätzten.
Im Zentrum der Ueberlegungen des EPRI-Teams steht der sogenannte „Quellenterm“. Diese
Grösse dient zur quantitativen Beschreibung von Menge, Zusammensetzung und zeitlichem
Ablauf der Freisetzung radioaktiver Stoffe aus einem beschädigten Reaktorkern. Der Quellen-
term, den die Behörden heute ihren Sicherheitsvorschriften und Alarmplänen zu Grunde legen,
stammt aus dem Jahr 1962. Damals standen noch sehr wenige einschlägige Erfahrungstatsa-
chen zur Verfügung. Deshalb trafen die Wissenschafter vorsichtigerweise die theoretische An-
nahme, während einem schweren Reaktorunfall würde ein grosser Teil der im Reaktor vorhan-
denen radioaktiven Stoffe an die Umwelt freigesetzt. Das EPRI hat nun die vielfältigen prakti-
schen Erfahrungen aus verschiedenen Reaktorstörfällen, bei denen der Reaktorkern beschä-
digt wurde, ausgewertet. Diese Schäden ereigneten sich in Forschungs- sowie Militärreaktoren
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und in einem Fall, Three Mile Island, in einem kommerziellen Kernkraftwerk. Die Untersuchung
der in diesen Fällen entwichenen Mengen und Zusammensetzungen radioaktiver Stoffe bestä-
tigt, dass eine Vielfalt von natürlichen Mechanismen den radioaktiven Stoffen zusätzliche wirk-
same Barrieren entgegenstellt, die bei den bisherigen Rechnungen nicht oder nur wenig be-
rücksichtigt wurden.
Bei genauerer Rechnung, so das EPRI, müsste u.a. die gegenüber dem Quellenterm von 1962
kleinere Stärke und andere Zusammensetzung der möglichen radioaktiven Abgaben berück-
sichtigt werden. Dies würde einerseits die errechnete Anzahl der nach einem grossen Unfall zu
erwartenden sofortigen und verzögerten Todesfälle verringern. Anderseits würde auch die er-
rechnete Ausdehnung des möglicherweise gefährdeten Gebiets um den Reaktor verkleinert,
was für die Alarmplanung wichtig ist.
(SVA-Bulletin 21/1980, Schweizerische Vereinigung für Atomenergie, Bern)

Kernschmelzenunfall:
Auswirkungen wesentlich kleiner als bisher angenommen
Am 17. November 1981 fand im Kernforschungszentrum Karlsruhe (KfK) das 8. Jahreskolloqu-
ium des Projekts Nukleare Sicherheit (PNS) mit ca. 400 Fachleuten aus dem nationalen und
internationalen Raum statt. Die wesentlichen Ziele des Projekts, das mit 150 Mitarbeitern eines
der grössten im KfK ist, sind die verbesserte Quantifizierung vorhandener Sicherheitsreserven
kerntechnischer Anlagen sowie die laufende Verbesserung ihrer sicherheitstechnischen Ausle-
gung zur Verhinderung von Störfällen und zur Eindämmung der Folgen hypothetischer Unfälle.

Für den Auslegungsstörfall, den doppelendigen Bruch der Hauptkühlmittelleitung mit kurzzeitig
ungekühltem Kern sind die Untersuchungen zum Brennstabverhalten weitgehend abgeschlos-
sen und haben gezeigt, dass nach erneutem Fluten des Kerns durch die Notkühleinrichtung die
Nachzerfallswärme sicher abgeführt werden kann und keine nachteiligen Folgen für die Umge-
bung auftreten.
Unter der Vielzahl weiterer berichtenswerter Ergebnisse dürften für die Oeffentlichkeit jedoch
neuere Erkenntnisse über Ablauf und Konsequenzen des sogenannten Kernschmelzenunfalls
von besonderem Interesse sein. Bei diesem, aufgrund seiner extrem geringen Eintritts-
wahrscheinlichkeit als hypothetisch bezeichneten Unfall, wird nach einem Versagen sämtlicher
Notkühleinrichtungen das Niederschmelzen des Reaktorkerns aufgrund der Nachwärme der
radioaktiven Spaltprodukte angenommen. Dabei wurde noch in Teil A der „Deutschen Risiko-
studie Kernkraftwerke“ von Unfallabläufen ausgegangen, bei denen es zu relativ frühem Ver-
sagen des Reaktorsicherheitsbehälters und schneller Freisetzung wesentlicher Mengen radio-
aktiver Stoffe kommen kann. Aus diesen Unfallabläufen wurden dann erhebliche Folgeschäden
abgeleitet.
Neuere Erkenntnisse, die zum grossen Teil im KfK, aber auch international gewonnen wurden,
revidieren dieses Bild gründlich. Als denkbare Mechanismen der Spaltproduktfreisetzung kom-
men Lecks und spätes Ueberdruckversagen des Reaktorsicherheitsbehälters durch die Frei-
setzung grosser Gasmengen bei der Wechselwirkung der Kernschmelze mit dem Beton des
Reaktorgebäudes in Frage. Die bisher vorliegenden experimentellen und theoretischen Ergeb-
nisse lassen das Ueberdruckversagen frühestens nach 4,5 Tagen erwarten. Diese verhältnis-
mässig lange Zeitspanne ist von erheblicher Bedeutung nicht nur für die organisatorischen
Möglichkeiten des Bevölkerungsschutzes, sondern auch für die Menge der freigesetzten radio-
aktiven Stoffe. Neuere experimentelle Untersuchungen zur Abscheidung der luftgetragenen
radioaktiven Substanzen (Aerosole) im Reaktorsicherheitsbehälter nach Eintreten des Kern-
schmelzenunfalls ergeben nämlich eine erstaunliche Reduktion der freisetzbaren Partikelmas-
se. Von 3,5 Tonnen, die sich anfänglich in der Atmosphäre des Reaktorsicherheitsbehälters
befinden, werden nach 4,5 Tagen nur noch 38 Milligramm in die Umgebung freigesetzt. Aehnli-
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ches gilt auch für die flüchtigen radioaktiven Jodkomponenten, die bei den bisherigen Betrach-
tungen der Risikostudie für die radiologischen Folgen des Kernschmelzenunfalls massgebend
waren. Neuere Untersuchungen zum chemischen Verhalten des Jods in der Nachunfallatmo-
sphäre im Sicherheitsbehälter zeigen, dass auch hier seine luftgetragene Aktivität und damit
seine radiologische Bedeutung wesentlich reduziert werden.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Folgen von Kernschmelzenunfällen bis-
her erheblich überschätzt worden sind. Aufgabe von Teil B der „Deutschen Risikostudie Kern-
kraftwerke“ wird es sein, die genannten Ergebnisse in eine quantitative Reduzierung der bisher
betrachteten Folgeschäden umzusetzen. Schon nach heutigem Kenntnisstand ist zu vermuten,
dass selbst die schlimmsten Folgen eines Kernschmelzenunfalls keinesfalls dazu berechtigen,
die in der Realität nicht existierenden Schreckensvisionen noch länger in der Oeffentlichkeit zu
diskutieren.
(Presseinformation 36/1981, Kernforschungszentrum Karlsruhe)

Kein Zusammenhang zwischen KKW und Leukämie-Sterblichkeit
Ein Zusammenhang zwischen dem Betrieb von Kernkraftwerken und der Sterblichkeit an Leu-
kämie kann nicht nachgewiesen werden. Dies geht aus einer Untersuchung des Bayerischen
Umweltministeriums hervor, die sich auf die Jahre 1970 bis 1978 erstreckt. Anlass für die Un-
tersuchung waren u.a. Berichte aus den USA über ein angeblich erhöhtes Auftreten von Leu-
kämie und anderen Krankheiten sowie Miss- und Fehlgeburten in der Umgebung von Kern-
kraftwerken, die inzwischen als statistisch falsch und wissenschaftlich unhaltbar widerlegt wor-
den sind.
(Kernpunkte Nr. 5, 15.2.1982)

Weltweit 272 KKW im Betrieb
Am 1. Januar 1982 standen in 23 Ländern der Welt 272 Kernkraftwerke mit zusammen rund
154'000 MW im Betrieb (Schweiz: 4 Einheiten von zusammen 2000 MW). Dies geht aus einer
Aufstellung der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) in Wien hervor. Im Bau stan-
den 238 weitere Kernkraftwerksblöcke mit 222’000 MW in 26 Ländern. In 24 Ländern waren
zudem 145 nukleare Einheiten mit 140’000 MW geplant. Laut IAEO-Rechnung beläuft sich die
Kernkraftwerks-Betriebserfahrung bis Mitte 1982 weltweit auf rund 2600 Reaktor-Betriebsjahre.
(Kernpunkte Nr. 9, 6.4.1982)

10 Jahre Beznau II
Das 350-MW-Kernkraftwerk Beznau II feierte am 15. März 1982 sein zehnjähriges Betriebsjubi-
läum. Wie der baugleiche, um zwei Jahre ältere Block Beznau I wurde die Anlage von der ame-
rikanischen Westinghouse zusammen mit der BBC AG Brown, Boveri & Cie. für die Nordost-
schweizerischen Kraftwerke AG (NOK) erstellt.
In den zusammen mehr als zwanzig Betriebsjahren von Beznau I und II ist keine vom Stand-
punkt der Sicherheit aus bedeutsame Störung aufgetreten, und es wurden keine Angehörigen
des Betriebspersonals stärker als zulässig bestrahlt. Die Abgabe von Radioaktivität und damit
die Bestrahlung der Bevölkerung der Umgebung war sehr gering und betrug lediglich einige
Prozent der von den Behörden festgelegten, äusserst strengen Limiten.
(Kernpunkte Nr. 9, 6.4.1982)
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Höchste Zuverlässigkeit der Schweizer KKW
Die vier Schweizer Kernkraftwerke, Beznau I und II, Mühleberg und Gösgen, lieferten im Jahr
1981 gesamthaft 14,4 Milliarden kWh Strom. Dies entspricht ungefähr dem totalen Strom-
verbrauch der Schweiz im Jahr 1959. Die Atomstromproduktion unseres Landes übertraf 1981
das Ergebnis des Vorjahres um 5,6 %. Trotz dieser Zunahme ging der Anteil der Kernkraftwer-
ke an der Landesstromerzeugung, der 1980 noch 28,4 % betragen hatte, im Jahr 1981 infolge
der überdurchschnittlich hohen Produktion der Wasserkraftwerke auf 28,0 % zurück.
Mit einer durchschnittlichen Arbeitsausnutzung von rund 85 % setzten sich die Schweizer KKW
international an die Spitze aller Länder mit Leichtwasserreaktor-Kraftwerken.
(Kernpunkte Nr. 6, 23.2.1982)

Ist Stromexport unmoralisch?
Der Endverbrauch an elektrischer Energie erhöhte sich in der Schweiz 1981 um 2,7 % auf 36,2
Mia kWh; die inländische Netto-Stromerzeugung nahm um 7,5 % auf 50,1 Mia kWh zu. Der im
Vergleich zu den Vorjahren niedrigere Zuwachs des Stromverbrauchs 1981 dürfte u.a. auf das
abgeschwächte Wirtschaftswachstum zurückzuführen sein.
Andererseits ist die erhöhte Stromerzeugung zum Teil durch die überdurchschnittliche Wasser-
führung bedingt, die das langjährige Mittel um rund 24 % überstieg, zum Teil aber auch durch
die hohe Verfügbarkeit der vier Kernkraftwerke. Wegen der grossen Wasserführung hat sich
der Anteil der Wasserkraft an der gesamten Stromerzeugung mit 70,1 % gegenüber dem Vor-
jahr (69,6 %) leicht verstärkt; der Kernenergieanteil ging demzufolge von 28,4 % (1980) auf
28,0 % (1981) zurück.
Nach Abzug der Uebertragungs- und Verteilverluste von 3,2 Mia kWh ergab sich 1981 per Sal-
do ein Ausfuhrüberschuss von 10,7 Mia kWh. Gemäss einer Schätzung des Verbandes
Schweizerischer Elektrizitätswerke entspricht dieser vielkritisierte Ausfuhrüberschuss Einnah-
men von rund Fr. 580 Mio. Dieser Summe sollte der Betrag von Fr. 6880 Mio gegenübergestellt
werden, den die Schweiz 1981 für Rohöl und Mineralölprodukte ans Ausland zahlen musste.
(Kernpunkte Nr. 7, 12.3.1982)

Kernpunkte: Kurzdokumentation zur Kernenergiediskussion der Schweizerischen Vereinigung
für Atomenergie, Bern.

Energie-Quiz
In Zeitungs- und Zeitschriften-Artikeln und in Diskussionen kann immer wieder festgestellt wer-
den, dass die Einheiten Kilowatt (kW) und Kilowattstunden (kWh) verwechselt werden. Kennen
Sie sich damit aus?
Machen Sie einen Test! Welche der folgenden Aussagen sind richtig und sinnvoll und welche
sind falsch oder sinnlos? Wie müssten die falschen oder sinnlosen Sätze verändert werden,
damit sie richtig werden?
   1)   Diese Glühlampe braucht 0,1 kWh.
   2)   Dieser elektrische Heizofen hat eine Leistung von 1,2 kW.
   3)   Eine 2-kW-Kochplatte braucht eine elektrische Energie von 2 kWh.
   4)   Eine 2-kW-Kochplatte braucht eine elektrische Leistung von 2 kW pro Stunde.
   5)   In diesem Haushalt werden für die Beleuchtung 700 kWh pro Jahr verbraucht.
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   6)   Die Elektroheizung dieses Einfamilienhauses brauchte gestern nacht 165 kW.
   7)   Das Kernkraftwerk Beznau I hat eine Nutzleistung von 350'000 kW und liefert im Mittel
        2600 Millionen kWh pro Jahr.
   8)   Diese Glühlampe hat eine Leistung von 60 W pro Stunde.
   9)   Um 5 dl Wasser von 11°C auf 98°C zu erwärmen, braucht es 1,5 kW.
   10) Dieses Fernsehgerät braucht 170 W.
   11) Diese Waschmaschine braucht 3,2 kWh.
   12) Dieser Heizkessel hat eine Leistung von 12 kW.

Mehr über Kilowatt und Kilowattstunden und die Auflösung des Quiz finden Sie im nächsten
Bulletin.

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