Einleitung ONLINE-PRÜFUNGSORDNUNGEN NACH DEM NIEDERSÄCHSISCHEN HOCHSCHULGESETZ

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Einleitung ONLINE-PRÜFUNGSORDNUNGEN NACH DEM NIEDERSÄCHSISCHEN HOCHSCHULGESETZ
DR. JANINE HORN, AP 3 KLÄRUNG DES RECHTSRAHMENS

ONLINE-PRÜFUNGSORDNUNGEN NACH DEM
NIEDERSÄCHSISCHEN HOCHSCHULGESETZ

Einleitung

Eine Online-Prüfung ist eine mittels digitaler Kommunikationssysteme (z.B. VK)
durchgeführte Fernprüfung, bei welcher die Prüflinge und die prüfenden Personen
nicht zugleich in einem Prüfungsraum physisch anwesend sind. Eine Ordnung für
Online-Prüfungen, welche Rechtsgrundlage für Online-Prüfungen im Regelbetrieb sein
soll, müsste auf einer formell gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruhen und die
Ordnung müsste selbst formell und materiell rechtmäßig sein. Sinnvoll ist eine Online-
Prüfungsordnung, welche als Rahmenprüfungsordnung gefasst wird und ergänzend
zu den bereits bestehenden Prüfungsordnungen der Fachbereiche für diese neue Prüfungs-
form anwendbar ist. Im Folgenden werden die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für eine
solche Ordnung identifiziert. Im Anhang ist eine Muster-Rahmenprüfungsordnung mit
dazugehörigen Datenschutzhinweisen und einer Einverständniserklärung der Prüflinge
zu finden. Diese Muster wurden in einer Arbeitsgemeinschaft der Hochschulen des
Souver@n-Projektes erarbeitet. Als Vorlage diente die Bayerische Fernprüfungsverordnung
(BayFEV) vom 16.09.20201 und die Ordnung über die Durchführung von Prüfungen in
elektronischer Form (Online-Prüfungen) an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
(OPO) vom 22.06.2022.2

1     https://www.stmwk.bayern.de/download/20638_BayFEV-mit-Begr%C3%BCndung-final_kurz.pdf

2     https://uol.de/uni/amtliche_mitteilungen/datei/?file=AM2022-036_OrdnungueberdieDurchfuehrungvon-
      PruefungeninelektronischerForm_OPO_2022.pdf&ts=1668541622

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Einleitung ONLINE-PRÜFUNGSORDNUNGEN NACH DEM NIEDERSÄCHSISCHEN HOCHSCHULGESETZ
1 Gesetzliche                                            3.1
Ermächtigungsgrundlage                                   Übereinstimmung mit der
                                                         Ermächtigungsgrundlage
Die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage
im niedersächsischen Hochschulgesetz                     Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 NHG dürfen
für eine Prüfungsordnung zur Regelung                    Prüfungen als Online-Prüfungen abge-
von Online-Prüfungen ist § 7 Abs. 4 NHG.3                nommen werden, die ihrer Natur nach
Danach dürfen Prüfungsordnungen vor-                     dafür geeignet sind, in elektronischer
sehen, dass Prüfungen, die ihrer Natur                   Form und ohne Verpflichtung, persönlich
nach dafür geeignet sind, in elektronischer              in einem bestimmten Prüfungsraum
Form und ohne Verpflichtung, persönlich                  anwesend sein zu müssen, durch-
in einem bestimmten Prüfungsraum anwe-                   geführt werden zu können. Die konkrete
send sein zu müssen, durchgeführt wer-                   Prüfungsgestaltung muss es zulassen,
den können.                                              dass Prüflinge und prüfende Person bzw.
                                                         Aufsicht nicht im selben Raum anwesend
2 Formelle Rechtmäßigkeit                                sein müssen. Eine Online-Prüfungsord-
der Prüfungsordnung                                      nung kann geeignete Prüfungsarten
                                                         nennen. § 2 Abs. 1 BayFEV nennt bspw.
Die formellen Voraussetzungen für den                    schriftliche Aufsichtsarbeiten, mündliche
Ordnungserlass (Zuständigkeit, Verfahren,                und praktische Einzelprüfungen als für
Form) nach dem Satzungsrecht der                         elektronische Fernprüfungen geeignete
jeweiligen Hochschule müssten eingehalten                Prüfungsarten. Schriftliche Prüfungen,
werden, damit die Prüfungsordnung                        die aufgrund ihrer Ausgestaltung nicht
formell rechtmäßig ist.                                  in einem vorgegebenen Prüfungsraum,
                                                         aber ohne Aufsicht angefertigt werden,
                                                         wie z. B. klassische Haus-, Studien- oder
3 Materielle Rechtmäßigkeit                              Seminararbeiten und ggf. Open-Book-
der Prüfungsordnung                                      Prüfungen, stellen keine elektronischen
                                                         Fernprüfungen dar. Promotions- und
Die Prüfungsordnung ist materiell                        Habilitationsverfahren sind vom Anwen-
rechtmäßig, wenn sie inhaltlich mit der                  dungsbereich der Ordnung auszunehmen,
Ermächtigungsgrundlage des § 7 Abs. 4                    da die vorgeschriebene Öffentlichkeit
NHG übereinstimmt und mit höherrangi-                    bei der mündlichen Prüfung bei dieser
gem Recht, insbesondere dem Grundge-                     Prüfungsform nicht gewährleistet werden
setz und der Datenschutzgrundver-                        kann. Ebenso ausgeschlossen dürften
ordnung, vereinbar ist.                                  diejenigen Hochschulprüfungen sein,
                                                         die gemeinsam mit einer Staatsprüfung,

3     Eingeführt mit dem Gesetz zur Stärkung der differenzierten Hochschulautonomie, LT-Nds.-Drs.18/9392 1,
      https://www.landtag-niedersachsen.de/drucksachen/drucksachen_18_10000/09001-09500/18-09392.pdf

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eine den Studiengang abschließende                       organisatorischen Maßnahmen und zu
Prüfung bilden. Zum Beispiel bei der                     den Löschungspflichten in den Prüfungs-
Juristen-, Lehramts- und Medizineraus-                   ordnungen zu treffen.
bildung. Zumindest bedürften diese als
Online-Prüfungen der Genehmigung des                     Die betroffenen Personen sind Prüflinge,
zuständigen Ministeriums.4 Nennt eine                    prüfende Personen und Aufsichtspersonen.
Online-Prüfungsordnung die geeignete                     Die Zwecke der Datenverarbeitung bei
Prüfungsarten nicht, steht die Prüfung der               Online-Prüfungen müssen in der Ordnung
Geeignetheit im Ermessen des jeweiligen                  konkretisiert werden, nämlich die Authen-
Prüfungsberechtigten.5                                   tifizierung, die Prüfungsaufsicht und die
                                                         Aufklärung von Täuschungsversuchen.
§ 7 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1-5 NHG setzt vor-                 Die Arten der personenbezogenen Daten,
aus, dass die Online-Prüfungsordnungen                   die insbesondere bei Online-Prüfungen
Bestimmungen zur Sicherung des Daten-                    verarbeitet werden, müssen genannt
schutzes (Nr. 1), zur Sicherstellung der                 werden. Das sind wie bei herkömmlichen
persönlichen Leistungserbringung durch                   Prüfungen auch Name, Vorname, Matrikel-
die Prüflinge während der gesamten                       nummer und zusätzlich Nutzerkennung,
Prüfungsdauer (Nr. 2), zur eindeutigen                   Authentifizierungsdaten, Prüfungsantworten,
Authentifizierung der Prüflinge (Nr. 3), zur             IP-Adresse, Zeitpunkte der Prüfungsbe-
Verhinderung von Täuschungshandlungen                    arbeitung, Logdaten, Bild- und Tondaten.
(Nr. 4) und zum Umgang mit technischen
Problemen (Nr. 5) enthalten.                             Die Hochschule sollte in der Ordnung
                                                         geeignete technische und organisatorische
Der neue § 7 Abs. 4 Nr. 1 NHG verlangt                   Maßnahmen (TOMs) zur Gewährleistung
allgemein Angaben zur Sicherung des                      der Vertraulichkeit, der Verfügbarkeit
Datenschutzes. Die gesetzliche Rechts-                   und der Integrität bei der Verarbeitung
grundlage zur Verarbeitung personen-                     der Daten zusichern. § 17 Abs. 3 NHG
bezogener Daten zu Prüfungszwecken                       verlangt vom Wortlaut her, die Nennung
des § 17 NHG ist konkreter gefasst. Laut                 der gewählten TOMs in der Ordnung. Da
§ 17 Abs. 3 NHG müssen die Ordnungen                     sich TOMs auf das jeweilige eingesetzte
nähere Bestimmungen zu den betroffenen                   Prüfungssystem (VK-Software, Prüfungs-
Personen, zu den Zwecken der Datenver-                   software) beziehen, können diese nicht
arbeitung, zur Art der personenbezogenen                 vorab in einer Ordnung genannt werden.
Daten, zu den Verfahren der Datenver-                    Allenfalls ein Verweis auf Standards, wie
arbeitung, zu den gewählten technisch-                   ISO 27001, wäre möglich.6 Die gewählten

4     Begründung zur BayFEV, S. 2, https://www.stmwk.bayern.de/download/20638_BayFEV-mit-
      Begr%C3%BCndung-final_kurz.pdf

5     So die Ordnung über die Durchführung von Prüfungen in elektronischer Form (Online-Prüfungen) an der
      Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (OPO) vom 22.06.2022.

6     Zur Auswahl von TOMs bei Online-Prüfungen siehe LfD Nds., 2021, S. 7.

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TOMs sollten in den individuell ange-             welche eine längere Speicherung voraus-
passten Datenschutzhinweisen, die den             setzen, zu beachten.
Prüflingen bei der Anmeldung zur Prüfung
bekannt zu geben sind, aufgeführt werden.         Prüfende sind verpflichtet, die Prüflinge
                                                  gemäß den Informationspflichten der Art.
Zudem sind Angaben zum Datenverarbei-             13 und Art. 14 DSGVO aufzuklären. Darauf
tungsverfahren in der Ordnung aufzu-              sollte in der Ordnung hingewiesen werden.
nehmen. Zum Beispiel, dass die Datenver-          Diese Informationen, insbesondere zu den
arbeitung elektronisch auf den Systemen           Betroffenenrechten, können ausführlich in
der Hochschule, insbesondere über die             den Datenschutzhinweisen erfolgen.
von der Hochschule zugelassen Prüfungs-
systeme stattfindet. Sofern die Daten-            Die Hochschule muss nach § 7 Abs.
verarbeitung nicht auf den Servern der            4 Satz 2 Nr. 2 NHG in der Ordnung Maß-
Hochschule erfolgt, sondern Anbieter von          nahmen festlegen, um die persönliche
Prüfungssoftware in Anspruch genommen             Leistungserbringung durch die Prüflinge
werden, ist auf eine Auftragsverarbeitung         zu gewährleisten. In einer Präsenzprüfung
gemäß Art. 28 DSGVO hinzuweisen. In der           geschieht dies durch eine Aufsicht durch
Ordnung sollte zugesichert werden, dass           natürliche Personen. Bei Online-Prüfungen
die Datenschutzstandards auch bei Über-           kann die Aufsicht durch eine Videoaufsicht
mittlung von personenbezogenen Daten              mit oder ohne Aufzeichnung erfolgen. Die
in das EU-Ausland gemäß Art. 44-50                Videoaufsicht kann durch eine natürliche
DSGVO eingehalten werden. Genauere                Person der Hochschule oder durch einen
Beschreibungen der Datenverarbeitungen            von der Hochschule beauftragten Online-
der eingesetzten Prüfungssoftware bzw.            Proctoring-Dienst erfolgen. Die Aufsicht
VK-Software sollte in den Datenschutz-            kann auch automatisiert durch eine Online-
hinweisen erfolgen.                               Proctoring-Software erfolgen, welche dann
                                                  durch eine natürliche Person ausgewertet
Die Ordnung sollte Angaben zur Spei-              wird. Eine Ordnung kann auch die vollständige
cherdauer und den Löschungsfristen                Kenntnisnahme des gesamten Prüfungs-
enthalten. Grundsätzlich sind die                 geschehens aller Beteiligten (Prüfling,
personenbezogenen Daten zu löschen,               prüfende Person, protokollführende
sobald sie nicht mehr zur Durchführung            Person, beisitzende Person) vorschreiben.
der Prüfung erforderlich sind. Grundsätz-         Die Ordnung muss nach § 7 Abs. 4 Satz
lich sind personenbezogene Daten nach             2 Nr. 3 NHG, Angaben zur eindeutigen
der technischen notwendigen Zwischen-             Authentifizierung der Prüflinge enthalten.
speicherung unverzüglich zu löschen. Zur          Geeignete Verfahren zur eindeutigen
Aufklärung von Täuschungshandlungen               Authentifizierung des Prüflings sind bei-
oder Störungen wird aber eine darüber-            spielsweise ein visueller Abgleich des
hinausgehende Speicherung erforderlich            Studierendenausweises mit Lichtbild oder
sein. Zudem sind an den Hochschulen               eines anderen amtlichen Ausweises mit
Vorschriften zur Aufbewahrung, Archi-             Lichtbild und Gesichtskontrolle per
vierung und Vernichtung von Schriftgut,           Webcam oder ein PIN/TAN-Verfahren.

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Die Ordnung muss nach § 7 Abs. 4 Satz 2             Prüfung per Telefon fortgesetzt werden
Nr. 4 NHG, Maßnahmen zur Verhinderung               kann, sofern bereits ein wesentlicher Teil
von Täuschungshandlungen unter Nennung              der Prüfung absolviert wurde. Dagegen
der prüfungsrechtlichen Rechtsfolgen                könnte § 7 Abs. 4 Nr. 2 NHG sprechen.
enthalten. Maßnahmen zur Täuschungs-                Verlangt wird die Sicherstellung der
prävention sind die Videoaufsicht während           persönlichen Leistungserbringung durch
der gesamten Prüfungsdauer, Einsatz von             die Prüflinge während der gesamten
Proctoring-Software sowie Software auf              Prüfungsdauer. Diese erfolgt im Wesent-
den Endgeräten der Prüflinge, welche                lichen durch die Videoüberwachung. Auch
bestimmte Funktionen unterbindet und                fließt bei einer mündlichen Prüfung der
der Hinweis, ausschließlich zugelassener            Gesamteindruck des Prüflings in die Be-
Hilfsmittel zu nutzen. Insbesondere sollte          wertung mit ein, was bei einem Telefonat
in der Ordnung der Hinweis erfolgen, dass           nicht gegeben ist.
jegliche persönliche oder ferntechnische
Kommunikation, wie Telefon, E-Mail, Chat,           3.2
soziale Medien, zwischen den zu prü-                Vereinbarkeit mit dem
fenden Personen während der Prüfung                 Grundgesetz
unzulässig ist und als Täuschungsversuch
gewertet wird. Des Weiteren sollte das              3.2.1
Vorgehen zur Aufklärung von Täuschungs-             Grundsatz der Chancengleichheit,
versuchen genannt werden.                           Art. 3 Abs. 1 GG

Gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 5 NHG ist der                  Der im Prüfungsrecht aus dem Allgemeinen
Umgang mit technischen Problemen in                 Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG
der Ordnung zu regeln. Die Prüfung ist              fließende Grundsatz der Chancengleichheit
vorzeitig zu beenden, wenn wesentliche              verlangt für das Prüfungsverfahren mög-
technische Störungen nicht beseitigt                lichst gleichmäßige äußere Voraussetzungen
werden können. Der Prüfungsversuch                  für alle Prüflinge zu schaffen und damit
gilt als nicht unternommen und die Prü-             allen Prüflingen gleiche Erfolgschancen
fungsleistung wird nicht gewertet. Allen            einzuräumen. Die Besonderheit bei Online-
Beteiligten obliegt die Pflicht, technische         Prüfungen ist, dass der Prüfling die tech-
Störungen unverzüglich anzuzeigen. Die              nische Infrastruktur (Internetverbindung,
Prüfungsleistung gilt als nicht bestanden           Mikro und Kamera, Computer und Bildschirm)
bewertet, wenn die Hochschule den                   und den Prüfungsraum privat bereitstellen
Prüflingen nachweisen kann, dass die                muss, um an der Online-Prüfung teilneh-
technische Störung in deren Verantwort-             men zu können. Zudem können technische
ungsbereich fällt. § 9 Abs. 2 BayFEV                Störungen auftreten, welche die Prüfung
sieht abweichend davon vor, dass bei                unterbrechen. Auch ist von einer höheren
technischen Störungen einer mündlichen              Täuschungsanfälligkeit auszugehen, weil
Prüfung per VK, wie Verbindungsstörungen            die Prüflinge dem räumlichen Zugriff der
der Bild-/Tonübertragung, die mündliche             Aufsichtsperson entzogen sind.

                                              -5-
3.2.1.1                                              ist und der Prüfling entscheiden kann, mit
Technische und räumliche                             privaten Kommunikationsmitteln von privaten
Infrastruktur                                        Räumlichkeiten aus oder am gleichen
                                                     Prüfungstermin in eingerichteten Räum-
Die Prüfungsberechtigten haben die                   lichkeiten der Hochschule die Prüfung
Prüflinge über die erforderliche technische          abzulegen (Wahlrecht), entfällt das Pro-
Ausstattung zu informieren, welche für               blem des zwingenden Einsatzes eigener
die ordnungsgemäße Durchführung der                  Hardware. Nach obiger Auffassung von
Prüfung erforderlich ist. Dass die Prüflinge         Dieterich, muss einen Online-Prüfung nicht
einen Internetanschluss sowie Notebook               grundsätzlich zur freien Wahl des Prüflings
mit Mikro und Kamera sowie einen neu-                stehen. Eine den Grundsatz der Chancen-
tralen Prüfungsraum vorhalten müssen,                gleichheit wahrende Alternativprüfung
um an der Online-Prüfung teilzunehmen,               könnte demnach auch nur für den Fall der
stellt nach Auffassung von Dieterich kein            Glaubhaftmachung besonderer Gründe in
Verstoß gegen den prüfungsrechtlichen                der Ordnung vorgesehen werden. Häufig
Grundsatz der Chancengleichheit dar.7                sehen Online-Prüfungsordnungen jedoch
Nach dem auch im Prüfungsrecht gel-                  ein Wahlrecht vor. Die Praxis hat gezeigt,
tenden Grundsatz von Treu und Glauben,               dass nur wenige Prüflinge die Alternativ-
wonach der Prüfling an der Realisierung              prüfung wählen und die Hochschule in
der Prüfung mitwirken müsse, dürfe die               keinem großen Umfang eine Alternativprü-
Hochschule davon ausgehen, dass eine                 fung anbieten muss.
entsprechende übliche Ausstattung
(Internetanschluss, Notebook mit Kamera              Folglich ist nicht von einem Verstoß gegen
und Mikro) vorliege. Sollte im Einzelfall            den aus dem Allgemeinen Gleichheits-
allerdings glaubhaft gemacht werden,                 grundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG fließende
dass dies nicht der Fall sei, müsse die              Grundsatz der Chancengleichheit durch
Hochschule Abhilfe schaffen. Die Hoch-               das Erfordernis der eigenverantwortlichen
schule sei nicht verpflichtet eine Präsenz-          Bereitstellung der technischen und
prüfung anzubieten. Sie kann auch eine               räumlichen Infrastruktur durch die Prüflinge
elektronische Prüfung oder eine Online-              auszugehen.
Prüfung in den von der Hochschule
eingerichteten Räumen anbieten. Die                  3.2.1.2
Alternativprüfung müsste nicht zeitgleich            Technische Störungen
erfolgen, wobei wiederum erhebliche
zeitliche Abstände wegen Verzögerung                 Möglicherweise eintretende technische
des Abschlusses bzw. Studienfortgangs                Störungen bei Online-Prüfungen stellen
unzulässig sein könnten, so Dieterich.               nach Auffassung des OVG Schleswig kein
                                                     Verstoß gegen den prüfungsrechtlichen
Sofern eine Ordnung vorsieht, dass die               Gleichheitsgrundsatz dar. Wesentliche und
Teilnahme an der Online-Prüfung freiwillig           unverzüglich gerügte Fehler im Prüfungs-

7     Dieterich, NVwZ 2021, 511 (513).

                                               -6-
verfahren führen grundsätzlich zu dessen                Eine zusätzliche Erklärung des Prüflings,
Wiederholung. Das OVG Schleswig weist                   dass die Störung nicht in seinem Verant-
im Zusammenhang des Einwands techni-                    wortungsbereich liegt (Beweis des
scher Störungen daraufhin, dass es keine                Gegenteils), wäre aber unzulässig.10 Um
tatsächlichen Anhaltspunkte dafür gibt,                 Störungen zu vermeiden und um Störungen
dass entsprechende Probleme gehäuft                     im Verantwortungsbereich des Prüflings
auftreten. Vielmehr habe sich die Nutzung               identifizieren zu können, sollten Tutorials,
von VK-Systemen seit der Pandemielage                   Testläufe und genaue Bestimmung von
insbesondere im Bildungsbereich etabliert,              Hard- und Softwarevoraussetzungen vor-
so das Gericht. Sofern die Störung nicht in             gegeben werden. Jedem Prüfling sollte
den Verantwortungsbereich des Prüflings                 die Gelegenheit gegeben werden, die
fällt, hat die Hochschule einen Ausgleich               Prüfungsdurchführung in Bezug auf Technik,
für die Störung (z.B. Verlängerung der                  Ausstattung und Räumlichkeiten vorab
Prüfungsdauer) zu schaffen oder die                     auszuprobieren. Dies gilt unabhängig
Prüfung zu wiederholen.8 Bei wesentlichen               davon, ob die Prüfung in privaten Räumen
technischen Störungen sollte die Prüfung                mit eigener technischer Ausstattung oder
vorzeitig beendet werden, sofern diese                  in den eingerichteten Räumlichkeiten der
Störungen nicht angemessen behoben                      Universität erfolgt.
werden können. Zugunsten des Prüflings
gilt der Prüfungsversuch als nicht unter-               Folglich ist nicht von einem Verstoß gegen
nommen. Prüflinge, prüfende Personen                    den aus dem Allgemeinen Gleichheits-
und Aufsichtspersonen trifft die Pflicht der            grundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG fließende
unverzüglichen Anzeige einer ihnen                      Grundsatz der Chancengleichheit durch
bekannt gewordenen Störung. Die Prü-                    auftretende technische Störungen auszu-
fungsleistung kann als nicht bestanden                  gehen.
bewertet werden, wenn die Hochschule
einen Prüfling nachweisen kann, dass die                3.2.1.3
technische Störung in dessen Verantwor-                 Maßnahmen gegen
tungsbereich fällt. Die Darlegungs- und                 Täuschungsversuche
Beweislast liegt grundsätzlich bei der
Hochschule. Allerdings sei der Prüfling                 Online-Prüfungen haben eine erhöhte
aus dem Grundsatz von Treu und Glauben                  Täuschungsanfälligkeit. Nach der
verpflichtet, an der Aufklärung der                     Rechtsprechung stellt dies aber keinen
Störungsquelle mitzuwirken, so Dieterich.9              durchgreifenden Einwand gegen die

8     OVG Schleswig, Beschl. v. 3.3.2021 – 3 MR 7/21, NJW 2021, 1407 (43-44).

9     Dieterich, NVwZ 2021, 511 (514).

10    Begründung zur BayFEV, S. 8, https://www.stmwk.bayern.de/download/20638_BayFEV-mit-
      Begr%C3%BCndung-final_kurz.pdf

                                                  -7-
Durchführung solcher dar.11 Auch bei                      Videoaufsicht, bedarf.13 Ob eine Aufzeich-
Präsenzprüfungen ließen sich nicht alle                   nung der Videoaufsicht erforderlich zur
Täuschungen unterbinden. Zur Gewähr-                      Täuschungsaufklärung ist, wird vom OVG
leistung der Chancengleichheit und der                    Schleswig und OVG Münster unterschied-
Aussagefähigkeit der Leistungskontrollen                  lich beurteilt:
müssen die Hochschulen alle Möglich-
keiten zur Täuschungsprävention und                       Das OVG Schleswig hält eine Videoauf-
Aufdeckung im Rahmen des technisch,                       sicht ohne Aufzeichnung zur Sicherung
finanziell und zeitlich Machbaren und                     der prüfungsrechtlichen Chancengleichheit
Zumutbaren vornehmen. Die Hochschulen                     grundsätzlich für geeignet und ausrei-
haben ein hinreichendes Maß an Täu-                       chend, auch wenn es derzeit keine
schungsprävention zu gewährleisten.                       Standards gibt.14 Die Videoaufsicht des
Wobei die Geeignetheit einer Maßnahme                     Prüfungsverlaufs sei geeignet zu über-
nicht die vollständige Erreichung, son-                   prüfen, ob sich der Prüfling mit anderen
dern nur die Förderung des angestrebten                   Personen austausche, Telefonate oder
Zwecks voraussetze, so Dieterich.12                       Chats führe oder nicht erlaubte Hilfsmittel
Maßnahmen gegen Täuschungsversuche                        benutze. Die Videoaufsicht wirke vor-
sind bspw. eine Videoaufsicht, der Einsatz                beugend und aufdeckend. Zudem werde
von Proctoring-Software, welche das                       die Identität des Prüflings während der
Nutzerverhalten der Prüflinge automati-                   gesamten Prüfungsdauer überwacht. Eine
siert auswertet, Überwachungssoftware                     Videoaufsicht während der gesamten
auf den Endgeräten der Prüflinge zur                      Prüfungsdauer erhöht folglich die Wahr-
Unterbindung bestimmter Funktionen                        scheinlichkeit, dass gewissen Täuschungen
und die Versicherung des Prüflings keine                  vorgebeugt oder diese durch die protokol-
unzulässigen Hilfsmittel zu verwenden.                    lierende Person schriftlich dokumentiert
Standards für geeignete Überwachungs-                     werden können. Damit werde die prüfungs-
maßnahmen haben sich laut Rechtspre-                      rechtliche Chancengleichheit zumindest
chung noch nicht herausgebildet. Dem                      gefördert, so das OVG Schleswig weiter.15
Beschluss des VG Frankfurt/Oder ist
zumindest zu entnehmen, dass eine                         Das OVG Münster hält eine Aufzeichnung
Fernklausur einer Aufsicht, hier einer                    und vorübergehende Speicherung der

11    OVG Schleswig, Beschl. v. 3.3.2021 – 3 MR 7/21, NJW 2021, 1407 (Rn 42); OVG Münster, Beschl. v.
      4.3.2021 – 14 B 2781/21, NJW 2021, 1414 (1416); VG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 11.5.2021 – VG 1 L 124/21,
      COVuR 2021, 488 (491).

12    Dieterich, NVwZ 2021, 511 (517).

13    VG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 11.5.2021 – VG 1 L 124/21, COVuR 2021, 488 (491).

14    OVG Schleswig, Beschl. v. 3.3.2021 – 3 MR 7/21, NJW 2021, 1407 (Rn 42); OVG Münster, Beschl. v.
      4.3.2021 – 14 B 2781/21, NJW 2021, 1414 (1416); VG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 11.5.2021 – VG 1 L 124/21,
      COVuR 2021, 488 (491).

15    OVG Schleswig, Beschl. v. 3.3.2021 – 3 MR 7/21, NJW 2021, 1407 (Rn 42).

                                                    -8-
Video- und Tonverbindung vom Beginn bis                  informationelle Selbstbestimmung sind
zum Ende der Prüfung für angemessen.                     jedoch im überwiegenden Allgemeininter-
Darüber hinaus sei eine dauerhafte                       esse vom Betroffenen hinzunehmen. Diese
Speicherung, die vor dem Ende der                        Beschränkungen bedürfen einer gesetz-
Prüfung von der aufsichtsführenden                       lichen Grundlage, aus der sich hinreichend
Person veranlasst wird, zu Zwecken der                   klar die Voraussetzungen und der Umfang
Beweissicherung von Täuschungs-                          der Datenerhebung und -verarbeitung
versuchen oder Störungen geboten. Denn                   ergeben. Hinreichende bestimmte Rechts-
im Gegensatz zur Präsenzklausur, bei der                 grundlagen sind durch den Erlass von
die aufsichtführende Person das gesamte                  Hochschulsatzungen gegeben.17 Eine
Geschehen im Raum im Blick hat, sei hier                 elektronische Fernprüfung, die auf frei-
nur ein Ausschnitt von Tisch und Oberkör-                williger Basis erfolgt, stelle zudem keinen
per zu sehen, so das Gericht.16                          so starken Grundrechtseingriff dar, dass
                                                         diese und die damit verbundene Datenver-
Eine Videoaufsicht ohne Aufzeichnung                     arbeitung in einem formellen Gesetz
stellt somit das Untermaß an Täuschungs-                 geregelt werden müsste, so das OVG
prävention dar. Folglich ist nach derzeitiger            Schleswig.18 Demnach stellt § 17 Abs. 1
Rechtsprechung davon auszugehen, dass                    und Abs. 3 NHG i.V.m. einer Online-
die Videoaufsicht ohne oder mit Aufzeich-                Prüfungsordnung eine hinreichende
nung eine hinreichende Prüfungsaufsicht                  gesetzliche Grundlage für die Beschränkung
darstellt, welche den aus dem Allgemeinen                dieses Grundrechts dar.
Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG
fließende Grundsatz der Chancengleich-                   3.2.3
heit wahrt.                                              Recht auf Unverletzlichkeit des
                                                         Wohnraums, Art. 13 Abs. 1 GG
3.2.2
Recht auf informationelle Selbst-                        Die in der Ordnung vorgesehene Video-
bestimmung, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m.                      aufsicht dürfte nicht gegen das Recht der
Art. 1 Abs. 1 GG                                         Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13
                                                         Abs. 1 GG verstoßen.
Die Verarbeitung der personenbezogenen
Daten der Prüflinge während der Online-                  Nach Auffassung des OVG Schleswig ist
Prüfung greift in deren Recht auf informa-               der Schutzbereich des Grundrechts auf
tionelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs.                Unverletzlichkeit der Wohnung durch eine
1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein. Verhältnis-            Videoaufsicht grundsätzlich nicht betrof-
mäßige Einschränkungen des Rechts auf                    fen. Denn Art. 13 Abs. 1 GG schütze vor

16    OVG Münster, Beschl. v. 4.3.2021 – 14 B 2781/21, NJW 2021, 1414 (Rn 10-13).

17    Niehues/Fischer/Jeremias, 2018, Rn 20-22.

18    OVG Schleswig, Beschl. v. 3.3.2021 – 3 MR 7/21, NJW 2021, 1407 (Rn 56).

                                                   -9-
einem für den Betroffenen unmerklichen                   eines in der Ordnung vorgesehenen
(digitalen) Eindringen in die private Woh-               Raumscans, von einem Grundrechtseingriff
nung durch die Staatsgewalt (Stichwort:                  ausgegangen werden sollte22, schließt
großer und kleiner Lauschangriff).19 Auch                nach Auffassung des OVG Schleswig ein
könnten die Prüflinge den zu sehende                     Einverständnis des Prüflings eine Verletzung
Ausschnitt der Wohnung so gestalten,                     des Grundrechts aus (Grundrechtsver-
dass ein visueller Zugriff auf den Wohn-                 zicht). Das OVG Schleswig geht davon
raum nicht möglich ist, so das Gericht                   aus, dass die Videoaufsicht nicht gegen
weiter. Deswegen sollten die Prüflinge in                den Willen der Prüfling erfolgt, solange
der Online-Prüfungsordnung verpflichtet                  eine alternative Prüfung angeboten wird
werden, einen neutralen Hintergrund für                  (Wahlrecht).23 Das kann eine herkömm-
die Kamera- und Mikrofoneinstellungen zu                 liche Präsenzprüfung, eine elektronische
wählen, der ihren Persönlichkeitsschutz                  Präsenzklausur oder eine Online-Prüfung
und ihre Privatsphäre nicht mehr als zu                  in von der Hochschule eingerichteten
dem berechtigten Kontrollzweck erforder-                 und bereitgestellten Räumen sein. Die
lich einschränkt (Selbstdatenschutz) und                 Prüflinge können in so einem Fall frei
dass die Sicherstellung der persönlichen                 entscheiden, ob sie die Prüfung in einem
Leistungserbringung durch den ausgewie-                  dem Wohnraumbegriff des Art. 13 Abs.
senen Prüfling kontrolliert werden kann                  1 GG unterfallenden geschützten Raum
(Wahrung der Chancengleichheit).                         ablegen oder nicht. Die Online-Prüfung
                                                         erfolgt dann auf freiwilliger Basis.
Die BayFEV schließt einen Raumscan
ausdrücklich aus, da dieser als Moment-                  Birnbaum und Beaucamp stimmen dem
aufnahme nicht geeignet sei, Täuschungs-                 OVG Schleswig insofern zu, dass das
handlungen zu unterbinden.20 Die Auffor-                 Recht der Unverletzlichkeit der Wohnung
derung, zu Beginn der Prüfung die Kamera                 der Disposition des Grundrechtsträgers
kurz auf den Arbeitsbereich zu richten,                  unterstehe, an die Freiwilligkeit eines
um dadurch unzulässige Hilfsmittel auszu-                Verzichts auf das Wohnungsgrundrecht
schließen, wird keinen Grundrechtseingriff               allerdings strenge Anforderungen zu
darstellen.21                                            stellen seien. Die Prüflinge dürften keine
                                                         wesentlichen Nachteile, wie eine Stu-
Doch auch wenn nach anderer Auffassung                   dienverzögerung, treffen, wenn sie nicht
in der juristischen Literatur, etwa aufgrund             auf ihr Wohnungsgrundrecht verzichten

19    OVG Schleswig, Beschl. v. 3.3.2021 – 3 MR 7/21, NJW 2021, 1407 (Rn 38-40).

20    Siehe Begründung zur BayFEV, S. 11.

21    LfD Niedersachsen, S. 4, 2021.

22    So Beaucamp, DÖV 2022, 283 (288-291).

23    OVG Schleswig, Beschl. v. 3.3.2021 – 3 MR 7/21, NJW 2021, 1407 (Rn 38-40).

                                                  -10-
und nicht an einer Online-Prüfung von zu                   3.2.4
Hause aus teilnehmen.24 Eine Alternativ-                   Recht auf Gewährleistung der Vertrau-
prüfung sollte demnach termingleich                        lichkeit und Integrität informations-
angeboten werden. Erforderlich ist nicht                   technischer Systeme, Art. 2 Abs. 1
eine tag- und stundengenaue Überein-                       i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG
stimmung, sondern eine Prüfung im
gleichen Prüfungszeitraum.25 Eine Studien-                 Das Grundrecht auf Vertraulichkeit und In-
verzögerung wird dann ausgeschlossen                       tegrität informationstechnischer Systeme
sein.                                                      (IT-Grundrecht) wurde vom Bundesver-
                                                           fassungsgericht im Jahr 2008 in der
Ist der Schutzbereich des Grundrechts                      Entscheidung zur sog. Online-Durchsuchung
nicht betroffen, entfallen nach der Auf-                   aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
fassung des OVG Schleswig auch die                         aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG
Anforderungen des Zitiergebots aus Art.                    abgeleitet.28 Die Landesbeauftragte für
19 Abs. 1 Satz 2 GG i.V.m. Art. 13 Abs. 7                  den Datenschutz Niedersachsen hält
GG.26 Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG muss                   es für unverhältnismäßig und somit für
ein formelles Gesetz, das bestimmte                        einen Eingriff in das IT-Grundrecht, wenn
Grundrechte, wie Art. 13 Abs. 1 GG, ein-                   Prüflinge durch eine Prüfungsordnung
schränkt, dieses Grundrecht unter Angabe                   verpflichtet werden, Software zur Über-
des Artikels nennen. Die das Grundrecht                    wachung auf ihren privaten Computern
einschränkenden Gesetze sind die Hoch-                     zu installieren, die über eine Verarbeitung
schulgesetze, welche die Hochschulen                       der IP-Adresse hinausgeht. Dies sei nur
zu Grundrechtseingriffen ermächtigen                       auf freiwilliger Basis möglich, sofern eine
können. Das Niedersächsische Hochschul-                    alternative Möglichkeit der Ablegung der
gesetz enthält keinen Verweis auf etwaige                  Prüfung in den Räumlichkeiten der Hoch-
Grundrechtseingriffe in Art. 13 Abs. 1 GG.                 schule besteht (Wahlrecht). Dabei muss
Das Bayerische Hochschulgesetz enthält                     gewährleitet sein, dass nach Abschluss
hingegen in Art. 106a BayHschG einen                       der Online-Prüfung kein weiterer Zugriff
entsprechenden Hinweis.27                                  auf das private IT-System der Prüflinge
                                                           erfolgen kann.29

24    Birnbaum, NJW 2021, 1356 (1357); Beaucamp, DÖV 2022, 283 (288-291).

25    Beaucamp, DÖV 2022, 283 (290).

26    OVG Schleswig, Beschl. v. 3.3.2021 – 3 MR 7/21, NJW 2021, 1407 (Rn 31); a.A. Beaucamp, DÖV 2022,
      283 (289); Birnbaum, NJW 2021, 1356 (1357).

27    Birnbaum, NJW 2021, 1356 (1357).

28    BVerfG, Urt. v. 27.2.2008 – 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07.

29    LfD Nds., 2021, S. 5; so auch Birnbaum, NJW 2021, 1356 (1357).

                                                    -11-
3.3                                                       der Authentifizierung, der Prüfungsauf-
Vereinbarkeit mit der                                     sicht und der Aufklärung von Täuschungs-
Datenschutzgrundverordnung                                versuchen, müsste zur Prüfungsdurch-
                                                          führung erforderlich sein. Die Verarbeitung
Die Verarbeitung der personenbezogenen                    von personenbezogenen Daten ist erfor-
Daten zur Durchführung von Online-                        derlich, soweit kein milderes, gleich
Prüfungen müsste den Vorgaben der                         geeignetes Mittel zur Verfügung steht. Bei
Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)                        der Wahl zwischen mehreren geeigneten
entsprechen. Die Verarbeitung von per-                    Systemen bzw. Maßnahmen für die
sonenbezogenen Daten ist grundsätzlich                    Authentifizierung, die Videoaufsicht und
verboten, es sei denn diese beruht auf                    die Aufklärung von Täuschungshandlungen,
einer gesetzlichen Grundlage oder einer                   ist das System bzw. die Maßnahme zu
Einwilligung der Betroffenen, vgl. Art. 6                 verwenden, welches bzw. welche mit der
Abs. 1 DSGVO. Als gesetzliche Rechts-                     Verarbeitung weniger personenbezogener
grundlage kommt Art. 6 Abs. 1 lit. e, Abs.                Daten auskommt (Angemessenheit der
2 und Abs. 3 DSGVO i.V.m § 17 Abs. 1-3                    Identifizierungs- und Überwachungsmaß-
NHG i.V.m. der Online-Prüfungsordnung in                  nahme).
Betracht.30
                                                          Nach Auffassung von Hoeren sind Maß-
Nach § 17 Abs. 1 NHG dürfen Hochschulen                   nahmen verhältnismäßig, die in etwa das
von Mitgliedern sowie von Angehörigen,                    Eingriffsniveau von Aufsichtsklausuren in
wie Studierende, die nicht in einem                       Präsenz erreichen, aber nicht über diese
Dienst- oder Arbeitsverhältnis zu ihnen                   wesentlich hinausgehen und somit eine
stehen, die für die Teilnahme an Lehr-                    funktionale Äquivalenz zwischen den
veranstaltungen und Prüfungen, erfor-                     Prüfungsformen vorliegt.31 Nach ähnlicher
derlichen und in Ordnungen bestimmten                     Auffassung der Landesbeauftragten für
personenbezogenen Daten einschließlich                    den Datenschutz Niedersachsen sind
besonderer Kategorien personenbezo-                       folgende Authentifizierungs- und Auf-
gener Daten im Sinne des Art. 9 Abs. 1                    sichtsfunktionen in datenschutzrechtlicher
DSGVO, verarbeiten. § 17 Abs. 2 NHG                       Hinsicht verhältnismäßig:32
enthält eine entsprechende Erlaubnis für
die Verarbeitung personenbezogener                        Identitätsfeststellung der Prüflinge durch
Daten der prüfenden Personen.                             Zeigen des Studierenden- oder amtlichen
                                                          Lichtbildausweises per Webcam, keine
Die Verarbeitung personenbezogener                        dauerhafte Speicherung,
Daten von Prüflingen, insbesondere bei

30    Indenhuck/Britz/Wettlaufer, DSRITB 2021, 499 (502-503).

31    Hoeren, 2021, S. 31; Albrecht/Mc Grath/Uphues, ZD 2021, 80 (80-82); so auch LfD Nds., 2021, S. 3;
      Fehling, OdW 2020, 137 (146).

32    LfD Nds., 2021, S. 3-5.

                                                   -12-
Videoaufsicht nur als Überblicksaufsicht,                   3.3.1
individuelle Einzelkontrolle nur bei kon-                   Authentifizierung
kreten Täuschungsverdacht nach Ankün-
digung (z.B. Bildschirmfreigabe) sofern                     Die Authentifizierung durch Gesichts-
andere Prüflinge keinen Einblick erlangen                   kontrolle und Abgleich des Ausweises per
(Breakout-Raum),                                            Webcam ist erforderlich, da sie das ein-
                                                            zige geeignete und mildeste Mittel zur
Raumscan am Beginn auf den Arbeitsbe-                       Identifizierung des Prüflings darstellt. Ein
reich, weitere Raumscans nur bei                            PIN/TAN-Verfahren zum Einloggen in
konkreten Täuschungsverdacht auf                            ein Prüfungssystem dürfte ebenso eine
freiwilliger Basis, d.h. das Prüfungsver-                   geeignete und angemessene Authentifi-
fahren muss eine alternative Prüfung in                     zierungsmaßnahme sein.
den Räumen der Hochschule vorsehen
(freie Vorab-Entscheidung des Prüflings),                   3.3.2
                                                            Videoaufsicht mit oder ohne
Videoaufzeichnungen nur bei konkreten                       Aufzeichnung
Täuschungsverdacht auf freiwilliger Basis,
d.h. das Prüfungsverfahren muss eine                        Nach Auffassung des OVG Schleswig
alternative Prüfung in den Räumen                           fördert eine Videoaufsicht ohne Aufzeich-
der Hochschule vorsehen (freie Vorab-                       nung als Mittel einen legitimen Zweck,
Entscheidung des Prüflings),                                nämlich Täuschungshandlungen zu
                                                            verhindern und aufzudecken.33 Mildere
Software zur Überwachung auf den pri-                       Mittel sind nicht ersichtlich, insbesondere
vaten Computern der Prüflinge nur auf                       stellt das Entfallen jeglicher Aufsicht bei
freiwilliger Basis, d.h. das Prüfungsverfahren              einer Aufsichtsarbeit ein Verstoß gegen
muss eine                                                   den prüfungsrechtlichen Grundsatz der
alternative Prüfung in den Räumen                           Chancengleichheit dar. Eine Versicherung,
der Hochschule vorsehen (freie Vorab-                       dass die Prüfungsleistung selbst und ohne
Entscheidung des Prüflings) und sicher-                     unzulässige Hilfsmittel erbracht wurde,
gestellt ist, dass nach Abschluss der                       ist zwar in milderes Mittel, aber bei einer
Online-Prüfung kein weiterer Zugriff auf                    Aufsichtsarbeit nicht geeignet, Täuschun-
die privaten IT-Systeme des Prüflings                       gen zu verhindern und aufzudecken. Eine
erfolgen kann,                                              Videoaufsicht ohne Aufzeichnung ist
                                                            demnach erforderlich, da sie das einzige
Überwachungsprogramme, die biomet-                          geeignete und mildeste Mittel zur Sicher-
rische Daten (Tastatur- und Mausbewe-                       stellung der persönlichen Leistungserbrin-
gung) verarbeiten, sind unzulässig.                         gung darstellt. Die Prüfungsdurchführung
                                                            ist schriftlich zu protokollieren. Täu-

33     OVG Schleswig, Beschl. v. 3.3.2021 – 3 MR 7/21, NJW 2021, 1407 (Rn 42); OVG Münster, Beschl. v.
       4.3.2021 – 14 B 2781/21, NJW 2021, 1414 (1416); VG Frankfurt/ Oder, Beschl. v. 11.5.2021 – VG 1 L 124/21,
       CoVuR 2021, 488 ( 491).

                                                     -13-
schungsversuche sind schriftlich festzu-                  der Hochschule beauftragt. Gleiches gilt,
halten.                                                   sofern Prüfungssoftware auf den Servern
                                                          eines externen Dienstes eingesetzt wird.
Das OVG Münster hält sogar eine generel-                  Werden personenbezogene Daten von
le Aufzeichnung und vorübergehende                        Prüflingen und der prüfenden Personen
Speicherung der Video- und Tonver-                        durch den externen Dienst verarbeitet,
bindung vom Beginn bis zum Ende der                       müssen Hochschulen mit den Anbietern
Prüfung für erforderlich. Darüber hinaus                  eine Vereinbarung zur Auftragsverarbei-
könne eine dauerhafte Speicherung, die                    tung nach Art. 28 DSGVO abschließen. Die
vor dem Ende der Prüfung von der auf-                     Hochschule muss den Auftragsverarbeiter
sichtsführenden Person veranlasst wird,                   sorgfältig auswählen, anweisen und be-
zu Zwecken der Beweissicherung von                        aufsichtigen. Der Auftragsverarbeiter führt
Täuschungsversuchen oder Störungen                        die Datenverarbeitung weisungsgebun-
geboten sein. Denn im Gegensatz zur                       den durch und entscheidet allenfalls über
Präsenzklausur, bei der die aufsichtfüh-                  technische-organisatorische Fragen. Die
rende Person das gesamte Geschehen                        Hochschule darf nur geeignete Dienst-
im Raum im Blick hat, sei hier nur ein                    leister beauftragen, welche die EU-Daten-
Ausschnitt von Tisch und Oberkörper zu                    schutzstandards einhalten. Dies kann eine
sehen, so das OVG Münster weiter.34 So                    Zertifizierung dokumentieren. Die Auf-
auch die oben zum Stichpunkt Videoauf-                    tragsverarbeitung durch Dritte muss die
zeichnung dargestellte Auffassung der                     Hochschule gegenüber den Prüflingen in
Landesbeauftragten für den Datenschutz                    den Datenschutzhinweisen kommunizieren
Niedersachsen. Nach deren Auffassung                      und den Dienstleister im Verarbeitungs-
soll eine Aufzeichnung der Online-Prüfung                 verzeichnis nach Art. 30 DSGVO als Emp-
bei konkreten Täuschungsverdacht ver-                     fänger aufführen. Möglich ist auch Dienst-
hältnismäßig sein, sofern die Teilnahme                   leister außerhalb der EU zu beauftragen,
an der Online-Prüfung auf freiwillige Basis               sofern die Datenverarbeitung auch in der
erfolgt (Wahlrecht). Im Ergebnis wird auch                EU zulässig wäre und ausreichend Garan-
die Videoaufsicht mit Aufzeichnung daten-                 tien bestehen, dass die betroffenen Per-
schutzrechtlich zulässig sein.                            sonen dort vergleichbare Rechte haben,
                                                          wie in der EU. Siehe Art. 44 bis Art. 50
3.3.3                                                     DSGVO. Laut Angemessenheitsbeschluss
Externe Proctoring- oder                                  der EU-Kommission gemäß Art. 45 Abs. 3
Prüfungssystem-Dienste                                    DSGVO sind dies folgende Länder:
                                                          Andorra, Argentinien, Kanada, Färöer-
Die Videoaufsicht erfolgt in der Regel                    Inseln, Guernsey, Israel, Isle of Man,
durch die prüfende Person bzw. autorisier-                Japan, Jersey, Neuseeland, Republik
tem Personal der Hochschule, es sei denn                  Korea (Südkorea), Schweiz, Uruguay
ein externer Proctoring-Dienst wird von                   und UK. In diese Länder ist die Daten-

34    OVG Münster, Beschl. v. 4.3.2021 – 14 B 2781/21, NJW 2021, 1414 (Rn 10-13).

                                                   -14-
übermittlung ausdrücklich gestattet. Die                  dungen im Einzelfall, welche gegenüber
USA zählt seit dem BGH-Urteil „Schrems                    der betroffenen Person rechtliche Wirkung
I“ nicht mehr dazu. Darüber hinaus nur                    entfalten oder sie in ähnlicher Weise er-
in Länder mit individuellem Vertragsab-                   heblich beeinträchtigen, verboten. Es ist
schluss mit sog. Standard-Datenschutz-                    demnach nicht zulässig, allein aufgrund
klauseln („Standard Contractual Clauses                   der automatisierten Auswertung einen
– SCCs“) der EU-Kommission gemäß Art.                     Täuschungsversuch zu bejahen, der zum
46 DSGVO.                                                 Nichtbestehen der Prüfung führt. Eine
                                                          vollautomatisierte Auswertung ohne Zutun
3.3.4                                                     einer prüfenden Person bzw. Aufsichtsperson
Automatisierte Auswertung von                             wäre nach Art. 22 Abs. 2 lit. b DSGVO nur
Bild-, Ton- und Logdaten                                  zulässig, wen eine hinreichende gesetz-
                                                          liche Rechtsgrundlage oder nach Art. 22
Beim Online-Proctoring wird das Verhalten                 Abs. 2 lit. c DSGVO eine ausdrückliche
der Prüflinge sowie die Nutzung des ver-                  Einwilligung des Prüflings zur vollautoma-
wendeten Endgeräts während der Prüfung                    tisierten Auswertung vorläge. Sollte
automatisiert aufgezeichnet und ausge-                    die vollautomatisierte Auswertung auf
wertet. Auffällige Verhaltensweisen und                   eine freiwillige Einwilligung des Prüflings
Nutzungsverhalten werden von der Soft-                    gestützt werden, müsste eine Alternativ-
ware gekennzeichnet. Üblicherweise wird                   prüfung angeboten werden. Beispiels-
diese Aufzeichnung durch eine natürliche                  weise legitimiert die Bayerische
Aufsichtsperson im Nachgang auf Täu-                      Fernprüfungsverordnung in § 6 Abs. 4
schungsversuche überprüft. Doch auch                      BayFEV eine automatisierte Videoaufsicht,
bei einer ausschließlichen Videoaufsicht                  wenn kein ausreichendes Aufsichtsper-
durch eine natürliche Person ist es für die               sonal zur Verfügung steht und alternative
Aufdeckung von Täuschungsversuchen                        Prüfungen angeboten werden und zudem
und Störungen erforderlich, die Nutzer-                   die Prüflinge vorab in die automatisierte
kennung, die IP-Adresse und die Logzeiten                 Videoaufsicht ausdrücklich einwilligen.
zu speichern und im Nachgang, evtl. auch
automatisiert, nach Auffälligkeiten auszu-                Da entscheidend ist, ob die Auswertung
werten.                                                   ausschließlich auf einer automatisierten
                                                          Entscheidung ohne menschliches Zutun
Bei einer automatisierten Auswertung                      beruht, wird kein Verstoß gegen Art. 22
von Bild- und Tondaten der Videoaufsicht                  Abs. 1 DSGVO vorliegen, wenn die Auf-
oder der Logdaten zur Aufdeckung von                      sichtsperson die automatisierte Auswer-
Täuschungsversuchen, ist das Verbot der                   tung überprüft und weitere Anhaltspunkte
vollautomatisierten Einzelfallentscheidung                in ihre Entscheidung miteinbezieht.35
des Art. 22 Abs. 1 DSGVO zu beachten.
Danach sind vollautomatisierte Entschei-                  Die Verarbeitung biometrischer Daten,

35     Indenhuck/Britz/Wettlaufer, DSRITB 2021, 499 (512).

                                                   -15-
wie Gesichtserkennung, Stimmerkennung                technisch organisatorische Maßnahmen
oder Fingerabdruck-Scan, durch eine                  (TOMs) gewährleistet sein.
automatisierten Überwachungssoftware
ist nach oben genannter Auffassung der               Diese Datenschutzhinweise müssen
Landesbeauftragten für den Datenschutz               folgende Informationen enthalten:
Niedersachsen nicht verhältnismäßig und
somit datenschutzrechtlich unzulässig.               • Kategorien der Daten, Art. 9 DSGVO;
Die Speicherung der Nutzerkennung, der                 Art. 4 Nr. 1, Nr. 13 und Nr. 14 DSGVO
IP-Adresse und der Logzeiten ist hingegen            • Zweck der Datenverarbeitung
zulässig. Eine Auswertung dieser Daten               • Rechtsgrundlage Art. 6 Abs. 1 lit. e, Abs.
bei konkreten Täuschungsverdacht wird                  2 und Abs. 3 DSGVO i.V.m § 17 Abs. 1-3
zulässig sein. Die Auswertung von Nutzer-              NHG i.V.m. der Online-Prüfungsordnung
kennung, IP-Adresse und Logzeiten ist zur              und evtl. Einwilligung Art. 6 Abs. 1 lit. a
Aufklärung von Täuschungshandlungen                    DSGVO
erforderlich, da sie das einzige geeignete           • Empfänger der Daten (extern/intern),
und mildere Mittel bspw. gegenüber einem               Art. 4 Nr. 9 DSGVO
Raumscan oder einem Online-Proctoring                • Auftragsverarbeitung, Art. 4 Nr. 8
zur Sicherstellung der persönlichen Leis-              DSGVO; Art. 28 DSGVO
tungserbringung darstellt.                           • Speicherdauer
                                                     • Name und Kontaktdaten der Hochschule
3.3.5                                                  als verantwortlichen Stelle, Art. 4 Nr. 7
Informationspflichten                                  DSGVO; Art. 24 DSGVO
                                                     • Name und Kontaktdaten des/der Daten-
Die Hochschule hat als für die Datenver-               schutzbeauftragten der Hochschule,
arbeitung verantwortliche Stelle die                   Art. 38 DSGVO
Betroffenenrechte zu wahren und die                  • Recht auf Auskunft, Art. 15 DSGVO
Organisations- und Informationspflichten             • Recht auf Berichtigung, Art. 16 DSGVO
nach Art. 13 und Art. 14 DSGVO zu erfüllen.          • Recht auf Löschung, Art. 17 DSGVO
Verantwortliche für die Verarbeitung                 • Recht auf Einschränkung der Verarbei-
personenbezogener Daten der Prüflinge                  tung, Art. 18 DSGVO
i. S. des Art. 4 Nr. 7 DSGVO ist die Hoch-           • Recht auf Datenübertragung, Art. 20
schule. Hochschulen müssen proaktiv                    DSGVO
Informationen zur Rechtsgrundlage                    • Recht auf Widerspruch, Art. 21 DSGVO
der Datenverarbeitung, zur Dauer der                 • ggf. jederzeitiges Widerrufsrecht ohne
Speicherung sowie zu den Betroffenen-                  Grund bei Einwilligungen, Art. 7 Abs. 3
rechten zur Verfügung stellen. Dazu                    DSGVO; Art. 4 Nr. 11 DSGVO
gehört, dass sie darüber informieren                 • Beschwerderecht bei der Landesbeauf-
müssen, dass, warum und wie Daten                      tragten für den Datenschutz Nieder-
verarbeitet werden. Die Daten dürfen                   sachsen, Art. 77 DSGVO; Art. 4 Nr. 21
nur so lange gespeichert werden wie                    und Nr. 22 DSGVO
nötig und deren Sicherheit muss durch

                                              -16-
Der Verfahrensablauf einer Online-Prüfung                 ist die Einsicht in die Prüfungsunterlagen
sollte transparent gemacht werden. Es                     auf Antrag nur vor Ort im Prüfungsamt zu
besteht die Pflicht, ein Verarbeitungsver-                bestimmten Zeiten möglich. Kopien sind,
zeichnis (VVT) nach Art. 30 DSGVO zu                      wenn überhaupt, nur gegen Entgelt zuläs-
erstellen, welches bei Anfrage der                        sig. Die Betroffenenrechte und somit der
Landesbeauftragten für den Datenschutz                    Auskunftsanspruch, können nach
Niedersachsen vorzulegen ist. Ebenso                      Art. 23 DSGVO gesetzlich beschränkt
besteht nach Art. 35 Abs. 3 lit. a DSGVO                  werden. Dies erfordert nach EWG 41
die Pflicht, eine Abschätzung der Folgen                  DSGVO nicht notwendigerweise ein
der vorgesehenen Verarbeitungsvorgänge                    formelles Gesetz, so dass auch eine
(DSFA) für den Schutz der betroffenen                     Hochschulordnung ausreichend sein wird.
Prüflinge durchzuführen. Dies gilt insbe-
sondere für automatisierten Prüfungs-                     Ein Berichtigungsanspruch nach Art. 16
verfahren, die eine systematische und                     DSGVO besteht laut Gerichtshof, wenn die
umfassende Bewertung persönlicher                         Prüfungsleistung unrichtig oder unvollstän-
Aspekte des Prüflings vornehmen.36                        dig dokumentiert wurde und somit unrich-
                                                          tige Daten vorliegen. Zum Beispiel, wenn
Es sind in den Datenschutzhinweisen                       die Prüfungsarbeit verloren gegangen ist
konkrete Ausführungen zu den Betroffe-                    oder die Antworten verschiedener Prüflinge
nenrechten zu machen:                                     vertauscht wurden. Unrichtige Daten sind
                                                          auch Anmerkungen des Prüfers, welche
Art. 15 DSGVO sieht einen Anspruch auf                    die Beurteilung der Antworten des Prüflings
ausführliche Auskunftserteilung über die                  nicht richtig dokumentieren. Falsche Ant-
Datenkategorien, Verarbeitungszwecke,                     worten des Prüflings sind keine unrichtigen
Empfänger und Speicherdauer innerhalb                     Daten, da diese zutreffend den Kenntnis-
kurzer Frist von vier Woche vor. Zusätzlich               stand des Prüflings zur Zeit der Prüfung
besteht ein Anspruch auf die Herausgabe                   widerspiegeln, so der Gerichtshof.37
der Daten, auf Wunsch auch als elektro-                   Nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO hat ein Prüfling
nische Kopie in einem „gängigen elektro-                  einen Anspruch auf unverzügliche Lö-
nischen Format“ (z. B. PDF). Die Erstkopie                schung (Vernichtung) bzw. Einschränkung
ist dabei kostenlos. Nach Auffassung des                  (Sperrung) seiner personenbezogenen
Europäischen Gerichtshofes bezieht sich                   Daten, sofern diese zur Zweckerreichung
der Auskunftsanspruch auf die Prüfungs-                   nicht mehr erforderlich sind, eine erteilte
antworten und das Prüfergutachten, nicht                  Einwilligung widerrufen wurde, die Daten-
hingegen auf den Aufgabentext. Der                        verarbeitung rechtswidrig erfolgte
Auskunftsanspruch der DSGVO kollidiert                    oder der Datenverarbeitung erfolgreich
häufig mit bestehenden älteren Regelun-                   widersprochen wurde. Nach Einlegung
gen in den Prüfungsordnungen. Häufig                      des Widerspruchs ist die Verarbeitung

36    Siehe hierzu den Hinweis auf das Prüfschema, LfD Nds., 2021, S. 7.

37    EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Az. C 434/16.

                                                   -17-
zunächst einzuschränken, siehe Art. 18              Widerruf im Zeitraum zwei Wochen vor der
Abs. 1 lit. c DSGVO. Das Recht auf                  Prüfung bis zum Prüfungstermin wird i.d.R.
Löschung besteht nicht, sofern die Verar-           als Prüfungsrücktritt gewertet. Ein Wider-
beitung zur Wahrnehmung einer Aufgabe,              ruf während der Prüfung gilt als Prüfungs-
die im öffentlichen Interesse liegt,                abbruch und die Prüfung wird als nicht
erforderlich ist, siehe Art. 17 Abs. 3              bestanden gewertet. Erfolgt ein Widerruf
DSGVO. Dazu gehören auch die aus den                erst nach der Prüfung, wird die Prüfung
Rechtsvorschriften der Hochschule                   immer noch bewertet.
resultierenden Aufbewahrungspflichten.
                                                    Nach Art. 20 DSGVO besteht für betrof-
Auch wenn die Verarbeitung personen-                fene Personen ein Anspruch auf Übertra-
bezogener Daten auf einer gesetzlichen              gung ihrer personenbezogenen Daten in
Erlaubnis wie § 17 Abs. 1 NHG i.V.m. einer          einem „gängigen und maschinenlesbaren
Online-Prüfungsordnung beruht, besteht              Format“ an sich selbst oder wahlweise an
ein Widerspruchsrecht gemäß Art. 21                 einen Dritten, wenn die Datenverarbeitung
DSGVO. Aus Gründen, die sich aus einer              auf einer Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit.
besonderen Situation ergeben, können                a DSGVO beruht und mithilfe automatisier-
Prüflinge der Verarbeitung der sie be-              ter Verfahren erfolgt. Die automatisierte
treffenden personenbezogenen Daten im               Datenverarbeitung erfolgt grundsätzlich
Rahmen des Online-Prüfungsvefahrens                 auf der Rechtsgrundlage der Online-
jederzeit widersprechen. Der Widerspruch            Prüfungsordnung und nicht aufgrund einer
kann jederzeit formlos geltend gemacht              Einwilligung. Zudem gilt dieses Recht
werden. Ein wirksamer Widerspruch                   nach Art. 20 Abs. 3 Satz 2 DSGVO nicht
entfaltet nur Wirkung für die zukünftige            für eine Verarbeitung, die für die Wahrneh-
Datenverarbeitung, eine rückwirkende                mung einer öffentlichen Aufgabe, wie
Löschungspflicht besteht nicht. Sofern              der Abnahme von Hochschulprüfungen
ein wirksamer Widerspruch vorliegt, sind            nach § 7 NHG, erforderlich ist. Demnach
die personenbezogenen Daten nicht mehr              ist ein Anspruch auf Übermittlung der
von der Hochschule zu verarbeiten, es               personenbezogenen Prüfungsdaten an
sei denn die Hochschule kann zwingende              sich selbst oder auf Wunsch, etwa im Fall
schutzwürdige Gründe für die Verarbei-              des Hochschulwechsels, direkt an eine
tung nachweisen, welche die Interessen,             andere Stelle zu übertragen, vom Prüfling
Rechte und Freiheiten des Prüflings                 grundsätzlich nicht durchsetzbar.
überwiegen, siehe EWG 69 DSGVO. Das
Widerspruchsrecht kommt aufgrund der
i.d.R. vorrangigen Interessen der Hoch-
schule hinsichtlich ihrer Erfüllung der
öffentlichen Aufgaben und Pflichten nur
in absoluten Ausnahmefällen zum Tragen.
Beim Widerruf bis zum Ende der Anmelde-
frist, ist die Anmeldung nicht gültig. Ein

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4 Fazit

Mit § 7 Abs. 4 NHG wurde eine gesetzliche Ermächtigungsrundlage in das Niedersäch-
sische Hochschulgesetz eingeführt, aufgrund welcher Hochschulen Online-Prüfungen
als Prüfungsform in ihren Prüfungsordnungen unabhängig von einer Pandemielage oder
Krisensituation vorsehen können. § 7 Abs. 4 Nr. 1-5 NHG, sowie die gesetzliche Erlaubnis
zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten der Prüflinge in § 17 NHG, stellen an die
zu erlassende Regelung umfangreiche inhaltliche Anforderungen. Deswegen ist es sinn-
voll, Online-Prüfungen in einer Rahmenprüfungsordnung zu verfassen, welche neben den
bereits bestehenden Prüfungsordnungen der Fachbereiche ergänzend gilt.

Verstöße oder unverhältnismäßige Eingriffe in die Grundrechte der Prüflinge sind nicht
ersichtlich, sofern die Teilnahme an der Online-Prüfung auf freiwilliger Basis erfolgt und die
Hochschule auf Wunsch eine alternative Prüfung in eingerichteten Räumen der Hochschule
anbietet. Dies betrifft insbesondere den grundrechtlich garantierten Grundsatz der Chan-
cengleichheit und das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Wohnraums. Die Praxis hat
gezeigt, dass die wenigsten Prüflinge die Alternativprüfungen wählen und die Hochschule
somit in der Regel nicht in Kapazitätsengpässe kommt.

Standards für geeignete Maßnahmen gegen Täuschungsversuche, welche einerseits den
Grundsatz der Chancengleichheit wahren und gleichzeitig in datenschutzrechlicher
Hinsicht nicht unverhältnismäßig in die Persönlichkeitsrechte des Prüflings eingreifen,
haben sich in der Rechtsprechung noch nicht abschließend herausgebildet. Eine Videoauf-
sicht ohne Aufzeichnung wird das Untermaß an Täuschungsprävention darstellen, welche
nicht unverhältnismäßig in die Persönlichkeitsrechte der Prüflinge eingreift. Auch eine
Videoaufsicht mit Aufzeichnung zur Täuschungsaufdeckung sieht die Rechtsprechung als
verhältnismäßig. Welche Maßnahmen schlussendlich erforderlich sein werden, wird sich
in der Praxis zeigen. Deswegen sollte für eine Online-Prüfungsordnung auch immer eine
zeitnahe Evaluierung vorgesehen werden.

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