Einleitung ONLINE-PRÜFUNGSORDNUNGEN NACH DEM NIEDERSÄCHSISCHEN HOCHSCHULGESETZ
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DR. JANINE HORN, AP 3 KLÄRUNG DES RECHTSRAHMENS ONLINE-PRÜFUNGSORDNUNGEN NACH DEM NIEDERSÄCHSISCHEN HOCHSCHULGESETZ Einleitung Eine Online-Prüfung ist eine mittels digitaler Kommunikationssysteme (z.B. VK) durchgeführte Fernprüfung, bei welcher die Prüflinge und die prüfenden Personen nicht zugleich in einem Prüfungsraum physisch anwesend sind. Eine Ordnung für Online-Prüfungen, welche Rechtsgrundlage für Online-Prüfungen im Regelbetrieb sein soll, müsste auf einer formell gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruhen und die Ordnung müsste selbst formell und materiell rechtmäßig sein. Sinnvoll ist eine Online- Prüfungsordnung, welche als Rahmenprüfungsordnung gefasst wird und ergänzend zu den bereits bestehenden Prüfungsordnungen der Fachbereiche für diese neue Prüfungs- form anwendbar ist. Im Folgenden werden die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für eine solche Ordnung identifiziert. Im Anhang ist eine Muster-Rahmenprüfungsordnung mit dazugehörigen Datenschutzhinweisen und einer Einverständniserklärung der Prüflinge zu finden. Diese Muster wurden in einer Arbeitsgemeinschaft der Hochschulen des Souver@n-Projektes erarbeitet. Als Vorlage diente die Bayerische Fernprüfungsverordnung (BayFEV) vom 16.09.20201 und die Ordnung über die Durchführung von Prüfungen in elektronischer Form (Online-Prüfungen) an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (OPO) vom 22.06.2022.2 1 https://www.stmwk.bayern.de/download/20638_BayFEV-mit-Begr%C3%BCndung-final_kurz.pdf 2 https://uol.de/uni/amtliche_mitteilungen/datei/?file=AM2022-036_OrdnungueberdieDurchfuehrungvon- PruefungeninelektronischerForm_OPO_2022.pdf&ts=1668541622 -1-
1 Gesetzliche 3.1 Ermächtigungsgrundlage Übereinstimmung mit der Ermächtigungsgrundlage Die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage im niedersächsischen Hochschulgesetz Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 NHG dürfen für eine Prüfungsordnung zur Regelung Prüfungen als Online-Prüfungen abge- von Online-Prüfungen ist § 7 Abs. 4 NHG.3 nommen werden, die ihrer Natur nach Danach dürfen Prüfungsordnungen vor- dafür geeignet sind, in elektronischer sehen, dass Prüfungen, die ihrer Natur Form und ohne Verpflichtung, persönlich nach dafür geeignet sind, in elektronischer in einem bestimmten Prüfungsraum Form und ohne Verpflichtung, persönlich anwesend sein zu müssen, durch- in einem bestimmten Prüfungsraum anwe- geführt werden zu können. Die konkrete send sein zu müssen, durchgeführt wer- Prüfungsgestaltung muss es zulassen, den können. dass Prüflinge und prüfende Person bzw. Aufsicht nicht im selben Raum anwesend 2 Formelle Rechtmäßigkeit sein müssen. Eine Online-Prüfungsord- der Prüfungsordnung nung kann geeignete Prüfungsarten nennen. § 2 Abs. 1 BayFEV nennt bspw. Die formellen Voraussetzungen für den schriftliche Aufsichtsarbeiten, mündliche Ordnungserlass (Zuständigkeit, Verfahren, und praktische Einzelprüfungen als für Form) nach dem Satzungsrecht der elektronische Fernprüfungen geeignete jeweiligen Hochschule müssten eingehalten Prüfungsarten. Schriftliche Prüfungen, werden, damit die Prüfungsordnung die aufgrund ihrer Ausgestaltung nicht formell rechtmäßig ist. in einem vorgegebenen Prüfungsraum, aber ohne Aufsicht angefertigt werden, wie z. B. klassische Haus-, Studien- oder 3 Materielle Rechtmäßigkeit Seminararbeiten und ggf. Open-Book- der Prüfungsordnung Prüfungen, stellen keine elektronischen Fernprüfungen dar. Promotions- und Die Prüfungsordnung ist materiell Habilitationsverfahren sind vom Anwen- rechtmäßig, wenn sie inhaltlich mit der dungsbereich der Ordnung auszunehmen, Ermächtigungsgrundlage des § 7 Abs. 4 da die vorgeschriebene Öffentlichkeit NHG übereinstimmt und mit höherrangi- bei der mündlichen Prüfung bei dieser gem Recht, insbesondere dem Grundge- Prüfungsform nicht gewährleistet werden setz und der Datenschutzgrundver- kann. Ebenso ausgeschlossen dürften ordnung, vereinbar ist. diejenigen Hochschulprüfungen sein, die gemeinsam mit einer Staatsprüfung, 3 Eingeführt mit dem Gesetz zur Stärkung der differenzierten Hochschulautonomie, LT-Nds.-Drs.18/9392 1, https://www.landtag-niedersachsen.de/drucksachen/drucksachen_18_10000/09001-09500/18-09392.pdf -2-
eine den Studiengang abschließende organisatorischen Maßnahmen und zu Prüfung bilden. Zum Beispiel bei der den Löschungspflichten in den Prüfungs- Juristen-, Lehramts- und Medizineraus- ordnungen zu treffen. bildung. Zumindest bedürften diese als Online-Prüfungen der Genehmigung des Die betroffenen Personen sind Prüflinge, zuständigen Ministeriums.4 Nennt eine prüfende Personen und Aufsichtspersonen. Online-Prüfungsordnung die geeignete Die Zwecke der Datenverarbeitung bei Prüfungsarten nicht, steht die Prüfung der Online-Prüfungen müssen in der Ordnung Geeignetheit im Ermessen des jeweiligen konkretisiert werden, nämlich die Authen- Prüfungsberechtigten.5 tifizierung, die Prüfungsaufsicht und die Aufklärung von Täuschungsversuchen. § 7 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1-5 NHG setzt vor- Die Arten der personenbezogenen Daten, aus, dass die Online-Prüfungsordnungen die insbesondere bei Online-Prüfungen Bestimmungen zur Sicherung des Daten- verarbeitet werden, müssen genannt schutzes (Nr. 1), zur Sicherstellung der werden. Das sind wie bei herkömmlichen persönlichen Leistungserbringung durch Prüfungen auch Name, Vorname, Matrikel- die Prüflinge während der gesamten nummer und zusätzlich Nutzerkennung, Prüfungsdauer (Nr. 2), zur eindeutigen Authentifizierungsdaten, Prüfungsantworten, Authentifizierung der Prüflinge (Nr. 3), zur IP-Adresse, Zeitpunkte der Prüfungsbe- Verhinderung von Täuschungshandlungen arbeitung, Logdaten, Bild- und Tondaten. (Nr. 4) und zum Umgang mit technischen Problemen (Nr. 5) enthalten. Die Hochschule sollte in der Ordnung geeignete technische und organisatorische Der neue § 7 Abs. 4 Nr. 1 NHG verlangt Maßnahmen (TOMs) zur Gewährleistung allgemein Angaben zur Sicherung des der Vertraulichkeit, der Verfügbarkeit Datenschutzes. Die gesetzliche Rechts- und der Integrität bei der Verarbeitung grundlage zur Verarbeitung personen- der Daten zusichern. § 17 Abs. 3 NHG bezogener Daten zu Prüfungszwecken verlangt vom Wortlaut her, die Nennung des § 17 NHG ist konkreter gefasst. Laut der gewählten TOMs in der Ordnung. Da § 17 Abs. 3 NHG müssen die Ordnungen sich TOMs auf das jeweilige eingesetzte nähere Bestimmungen zu den betroffenen Prüfungssystem (VK-Software, Prüfungs- Personen, zu den Zwecken der Datenver- software) beziehen, können diese nicht arbeitung, zur Art der personenbezogenen vorab in einer Ordnung genannt werden. Daten, zu den Verfahren der Datenver- Allenfalls ein Verweis auf Standards, wie arbeitung, zu den gewählten technisch- ISO 27001, wäre möglich.6 Die gewählten 4 Begründung zur BayFEV, S. 2, https://www.stmwk.bayern.de/download/20638_BayFEV-mit- Begr%C3%BCndung-final_kurz.pdf 5 So die Ordnung über die Durchführung von Prüfungen in elektronischer Form (Online-Prüfungen) an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (OPO) vom 22.06.2022. 6 Zur Auswahl von TOMs bei Online-Prüfungen siehe LfD Nds., 2021, S. 7. -3-
TOMs sollten in den individuell ange- welche eine längere Speicherung voraus- passten Datenschutzhinweisen, die den setzen, zu beachten. Prüflingen bei der Anmeldung zur Prüfung bekannt zu geben sind, aufgeführt werden. Prüfende sind verpflichtet, die Prüflinge gemäß den Informationspflichten der Art. Zudem sind Angaben zum Datenverarbei- 13 und Art. 14 DSGVO aufzuklären. Darauf tungsverfahren in der Ordnung aufzu- sollte in der Ordnung hingewiesen werden. nehmen. Zum Beispiel, dass die Datenver- Diese Informationen, insbesondere zu den arbeitung elektronisch auf den Systemen Betroffenenrechten, können ausführlich in der Hochschule, insbesondere über die den Datenschutzhinweisen erfolgen. von der Hochschule zugelassen Prüfungs- systeme stattfindet. Sofern die Daten- Die Hochschule muss nach § 7 Abs. verarbeitung nicht auf den Servern der 4 Satz 2 Nr. 2 NHG in der Ordnung Maß- Hochschule erfolgt, sondern Anbieter von nahmen festlegen, um die persönliche Prüfungssoftware in Anspruch genommen Leistungserbringung durch die Prüflinge werden, ist auf eine Auftragsverarbeitung zu gewährleisten. In einer Präsenzprüfung gemäß Art. 28 DSGVO hinzuweisen. In der geschieht dies durch eine Aufsicht durch Ordnung sollte zugesichert werden, dass natürliche Personen. Bei Online-Prüfungen die Datenschutzstandards auch bei Über- kann die Aufsicht durch eine Videoaufsicht mittlung von personenbezogenen Daten mit oder ohne Aufzeichnung erfolgen. Die in das EU-Ausland gemäß Art. 44-50 Videoaufsicht kann durch eine natürliche DSGVO eingehalten werden. Genauere Person der Hochschule oder durch einen Beschreibungen der Datenverarbeitungen von der Hochschule beauftragten Online- der eingesetzten Prüfungssoftware bzw. Proctoring-Dienst erfolgen. Die Aufsicht VK-Software sollte in den Datenschutz- kann auch automatisiert durch eine Online- hinweisen erfolgen. Proctoring-Software erfolgen, welche dann durch eine natürliche Person ausgewertet Die Ordnung sollte Angaben zur Spei- wird. Eine Ordnung kann auch die vollständige cherdauer und den Löschungsfristen Kenntnisnahme des gesamten Prüfungs- enthalten. Grundsätzlich sind die geschehens aller Beteiligten (Prüfling, personenbezogenen Daten zu löschen, prüfende Person, protokollführende sobald sie nicht mehr zur Durchführung Person, beisitzende Person) vorschreiben. der Prüfung erforderlich sind. Grundsätz- Die Ordnung muss nach § 7 Abs. 4 Satz lich sind personenbezogene Daten nach 2 Nr. 3 NHG, Angaben zur eindeutigen der technischen notwendigen Zwischen- Authentifizierung der Prüflinge enthalten. speicherung unverzüglich zu löschen. Zur Geeignete Verfahren zur eindeutigen Aufklärung von Täuschungshandlungen Authentifizierung des Prüflings sind bei- oder Störungen wird aber eine darüber- spielsweise ein visueller Abgleich des hinausgehende Speicherung erforderlich Studierendenausweises mit Lichtbild oder sein. Zudem sind an den Hochschulen eines anderen amtlichen Ausweises mit Vorschriften zur Aufbewahrung, Archi- Lichtbild und Gesichtskontrolle per vierung und Vernichtung von Schriftgut, Webcam oder ein PIN/TAN-Verfahren. -4-
Die Ordnung muss nach § 7 Abs. 4 Satz 2 Prüfung per Telefon fortgesetzt werden Nr. 4 NHG, Maßnahmen zur Verhinderung kann, sofern bereits ein wesentlicher Teil von Täuschungshandlungen unter Nennung der Prüfung absolviert wurde. Dagegen der prüfungsrechtlichen Rechtsfolgen könnte § 7 Abs. 4 Nr. 2 NHG sprechen. enthalten. Maßnahmen zur Täuschungs- Verlangt wird die Sicherstellung der prävention sind die Videoaufsicht während persönlichen Leistungserbringung durch der gesamten Prüfungsdauer, Einsatz von die Prüflinge während der gesamten Proctoring-Software sowie Software auf Prüfungsdauer. Diese erfolgt im Wesent- den Endgeräten der Prüflinge, welche lichen durch die Videoüberwachung. Auch bestimmte Funktionen unterbindet und fließt bei einer mündlichen Prüfung der der Hinweis, ausschließlich zugelassener Gesamteindruck des Prüflings in die Be- Hilfsmittel zu nutzen. Insbesondere sollte wertung mit ein, was bei einem Telefonat in der Ordnung der Hinweis erfolgen, dass nicht gegeben ist. jegliche persönliche oder ferntechnische Kommunikation, wie Telefon, E-Mail, Chat, 3.2 soziale Medien, zwischen den zu prü- Vereinbarkeit mit dem fenden Personen während der Prüfung Grundgesetz unzulässig ist und als Täuschungsversuch gewertet wird. Des Weiteren sollte das 3.2.1 Vorgehen zur Aufklärung von Täuschungs- Grundsatz der Chancengleichheit, versuchen genannt werden. Art. 3 Abs. 1 GG Gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 5 NHG ist der Der im Prüfungsrecht aus dem Allgemeinen Umgang mit technischen Problemen in Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG der Ordnung zu regeln. Die Prüfung ist fließende Grundsatz der Chancengleichheit vorzeitig zu beenden, wenn wesentliche verlangt für das Prüfungsverfahren mög- technische Störungen nicht beseitigt lichst gleichmäßige äußere Voraussetzungen werden können. Der Prüfungsversuch für alle Prüflinge zu schaffen und damit gilt als nicht unternommen und die Prü- allen Prüflingen gleiche Erfolgschancen fungsleistung wird nicht gewertet. Allen einzuräumen. Die Besonderheit bei Online- Beteiligten obliegt die Pflicht, technische Prüfungen ist, dass der Prüfling die tech- Störungen unverzüglich anzuzeigen. Die nische Infrastruktur (Internetverbindung, Prüfungsleistung gilt als nicht bestanden Mikro und Kamera, Computer und Bildschirm) bewertet, wenn die Hochschule den und den Prüfungsraum privat bereitstellen Prüflingen nachweisen kann, dass die muss, um an der Online-Prüfung teilneh- technische Störung in deren Verantwort- men zu können. Zudem können technische ungsbereich fällt. § 9 Abs. 2 BayFEV Störungen auftreten, welche die Prüfung sieht abweichend davon vor, dass bei unterbrechen. Auch ist von einer höheren technischen Störungen einer mündlichen Täuschungsanfälligkeit auszugehen, weil Prüfung per VK, wie Verbindungsstörungen die Prüflinge dem räumlichen Zugriff der der Bild-/Tonübertragung, die mündliche Aufsichtsperson entzogen sind. -5-
3.2.1.1 ist und der Prüfling entscheiden kann, mit Technische und räumliche privaten Kommunikationsmitteln von privaten Infrastruktur Räumlichkeiten aus oder am gleichen Prüfungstermin in eingerichteten Räum- Die Prüfungsberechtigten haben die lichkeiten der Hochschule die Prüfung Prüflinge über die erforderliche technische abzulegen (Wahlrecht), entfällt das Pro- Ausstattung zu informieren, welche für blem des zwingenden Einsatzes eigener die ordnungsgemäße Durchführung der Hardware. Nach obiger Auffassung von Prüfung erforderlich ist. Dass die Prüflinge Dieterich, muss einen Online-Prüfung nicht einen Internetanschluss sowie Notebook grundsätzlich zur freien Wahl des Prüflings mit Mikro und Kamera sowie einen neu- stehen. Eine den Grundsatz der Chancen- tralen Prüfungsraum vorhalten müssen, gleichheit wahrende Alternativprüfung um an der Online-Prüfung teilzunehmen, könnte demnach auch nur für den Fall der stellt nach Auffassung von Dieterich kein Glaubhaftmachung besonderer Gründe in Verstoß gegen den prüfungsrechtlichen der Ordnung vorgesehen werden. Häufig Grundsatz der Chancengleichheit dar.7 sehen Online-Prüfungsordnungen jedoch Nach dem auch im Prüfungsrecht gel- ein Wahlrecht vor. Die Praxis hat gezeigt, tenden Grundsatz von Treu und Glauben, dass nur wenige Prüflinge die Alternativ- wonach der Prüfling an der Realisierung prüfung wählen und die Hochschule in der Prüfung mitwirken müsse, dürfe die keinem großen Umfang eine Alternativprü- Hochschule davon ausgehen, dass eine fung anbieten muss. entsprechende übliche Ausstattung (Internetanschluss, Notebook mit Kamera Folglich ist nicht von einem Verstoß gegen und Mikro) vorliege. Sollte im Einzelfall den aus dem Allgemeinen Gleichheits- allerdings glaubhaft gemacht werden, grundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG fließende dass dies nicht der Fall sei, müsse die Grundsatz der Chancengleichheit durch Hochschule Abhilfe schaffen. Die Hoch- das Erfordernis der eigenverantwortlichen schule sei nicht verpflichtet eine Präsenz- Bereitstellung der technischen und prüfung anzubieten. Sie kann auch eine räumlichen Infrastruktur durch die Prüflinge elektronische Prüfung oder eine Online- auszugehen. Prüfung in den von der Hochschule eingerichteten Räumen anbieten. Die 3.2.1.2 Alternativprüfung müsste nicht zeitgleich Technische Störungen erfolgen, wobei wiederum erhebliche zeitliche Abstände wegen Verzögerung Möglicherweise eintretende technische des Abschlusses bzw. Studienfortgangs Störungen bei Online-Prüfungen stellen unzulässig sein könnten, so Dieterich. nach Auffassung des OVG Schleswig kein Verstoß gegen den prüfungsrechtlichen Sofern eine Ordnung vorsieht, dass die Gleichheitsgrundsatz dar. Wesentliche und Teilnahme an der Online-Prüfung freiwillig unverzüglich gerügte Fehler im Prüfungs- 7 Dieterich, NVwZ 2021, 511 (513). -6-
verfahren führen grundsätzlich zu dessen Eine zusätzliche Erklärung des Prüflings, Wiederholung. Das OVG Schleswig weist dass die Störung nicht in seinem Verant- im Zusammenhang des Einwands techni- wortungsbereich liegt (Beweis des scher Störungen daraufhin, dass es keine Gegenteils), wäre aber unzulässig.10 Um tatsächlichen Anhaltspunkte dafür gibt, Störungen zu vermeiden und um Störungen dass entsprechende Probleme gehäuft im Verantwortungsbereich des Prüflings auftreten. Vielmehr habe sich die Nutzung identifizieren zu können, sollten Tutorials, von VK-Systemen seit der Pandemielage Testläufe und genaue Bestimmung von insbesondere im Bildungsbereich etabliert, Hard- und Softwarevoraussetzungen vor- so das Gericht. Sofern die Störung nicht in gegeben werden. Jedem Prüfling sollte den Verantwortungsbereich des Prüflings die Gelegenheit gegeben werden, die fällt, hat die Hochschule einen Ausgleich Prüfungsdurchführung in Bezug auf Technik, für die Störung (z.B. Verlängerung der Ausstattung und Räumlichkeiten vorab Prüfungsdauer) zu schaffen oder die auszuprobieren. Dies gilt unabhängig Prüfung zu wiederholen.8 Bei wesentlichen davon, ob die Prüfung in privaten Räumen technischen Störungen sollte die Prüfung mit eigener technischer Ausstattung oder vorzeitig beendet werden, sofern diese in den eingerichteten Räumlichkeiten der Störungen nicht angemessen behoben Universität erfolgt. werden können. Zugunsten des Prüflings gilt der Prüfungsversuch als nicht unter- Folglich ist nicht von einem Verstoß gegen nommen. Prüflinge, prüfende Personen den aus dem Allgemeinen Gleichheits- und Aufsichtspersonen trifft die Pflicht der grundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG fließende unverzüglichen Anzeige einer ihnen Grundsatz der Chancengleichheit durch bekannt gewordenen Störung. Die Prü- auftretende technische Störungen auszu- fungsleistung kann als nicht bestanden gehen. bewertet werden, wenn die Hochschule einen Prüfling nachweisen kann, dass die 3.2.1.3 technische Störung in dessen Verantwor- Maßnahmen gegen tungsbereich fällt. Die Darlegungs- und Täuschungsversuche Beweislast liegt grundsätzlich bei der Hochschule. Allerdings sei der Prüfling Online-Prüfungen haben eine erhöhte aus dem Grundsatz von Treu und Glauben Täuschungsanfälligkeit. Nach der verpflichtet, an der Aufklärung der Rechtsprechung stellt dies aber keinen Störungsquelle mitzuwirken, so Dieterich.9 durchgreifenden Einwand gegen die 8 OVG Schleswig, Beschl. v. 3.3.2021 – 3 MR 7/21, NJW 2021, 1407 (43-44). 9 Dieterich, NVwZ 2021, 511 (514). 10 Begründung zur BayFEV, S. 8, https://www.stmwk.bayern.de/download/20638_BayFEV-mit- Begr%C3%BCndung-final_kurz.pdf -7-
Durchführung solcher dar.11 Auch bei Videoaufsicht, bedarf.13 Ob eine Aufzeich- Präsenzprüfungen ließen sich nicht alle nung der Videoaufsicht erforderlich zur Täuschungen unterbinden. Zur Gewähr- Täuschungsaufklärung ist, wird vom OVG leistung der Chancengleichheit und der Schleswig und OVG Münster unterschied- Aussagefähigkeit der Leistungskontrollen lich beurteilt: müssen die Hochschulen alle Möglich- keiten zur Täuschungsprävention und Das OVG Schleswig hält eine Videoauf- Aufdeckung im Rahmen des technisch, sicht ohne Aufzeichnung zur Sicherung finanziell und zeitlich Machbaren und der prüfungsrechtlichen Chancengleichheit Zumutbaren vornehmen. Die Hochschulen grundsätzlich für geeignet und ausrei- haben ein hinreichendes Maß an Täu- chend, auch wenn es derzeit keine schungsprävention zu gewährleisten. Standards gibt.14 Die Videoaufsicht des Wobei die Geeignetheit einer Maßnahme Prüfungsverlaufs sei geeignet zu über- nicht die vollständige Erreichung, son- prüfen, ob sich der Prüfling mit anderen dern nur die Förderung des angestrebten Personen austausche, Telefonate oder Zwecks voraussetze, so Dieterich.12 Chats führe oder nicht erlaubte Hilfsmittel Maßnahmen gegen Täuschungsversuche benutze. Die Videoaufsicht wirke vor- sind bspw. eine Videoaufsicht, der Einsatz beugend und aufdeckend. Zudem werde von Proctoring-Software, welche das die Identität des Prüflings während der Nutzerverhalten der Prüflinge automati- gesamten Prüfungsdauer überwacht. Eine siert auswertet, Überwachungssoftware Videoaufsicht während der gesamten auf den Endgeräten der Prüflinge zur Prüfungsdauer erhöht folglich die Wahr- Unterbindung bestimmter Funktionen scheinlichkeit, dass gewissen Täuschungen und die Versicherung des Prüflings keine vorgebeugt oder diese durch die protokol- unzulässigen Hilfsmittel zu verwenden. lierende Person schriftlich dokumentiert Standards für geeignete Überwachungs- werden können. Damit werde die prüfungs- maßnahmen haben sich laut Rechtspre- rechtliche Chancengleichheit zumindest chung noch nicht herausgebildet. Dem gefördert, so das OVG Schleswig weiter.15 Beschluss des VG Frankfurt/Oder ist zumindest zu entnehmen, dass eine Das OVG Münster hält eine Aufzeichnung Fernklausur einer Aufsicht, hier einer und vorübergehende Speicherung der 11 OVG Schleswig, Beschl. v. 3.3.2021 – 3 MR 7/21, NJW 2021, 1407 (Rn 42); OVG Münster, Beschl. v. 4.3.2021 – 14 B 2781/21, NJW 2021, 1414 (1416); VG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 11.5.2021 – VG 1 L 124/21, COVuR 2021, 488 (491). 12 Dieterich, NVwZ 2021, 511 (517). 13 VG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 11.5.2021 – VG 1 L 124/21, COVuR 2021, 488 (491). 14 OVG Schleswig, Beschl. v. 3.3.2021 – 3 MR 7/21, NJW 2021, 1407 (Rn 42); OVG Münster, Beschl. v. 4.3.2021 – 14 B 2781/21, NJW 2021, 1414 (1416); VG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 11.5.2021 – VG 1 L 124/21, COVuR 2021, 488 (491). 15 OVG Schleswig, Beschl. v. 3.3.2021 – 3 MR 7/21, NJW 2021, 1407 (Rn 42). -8-
Video- und Tonverbindung vom Beginn bis informationelle Selbstbestimmung sind zum Ende der Prüfung für angemessen. jedoch im überwiegenden Allgemeininter- Darüber hinaus sei eine dauerhafte esse vom Betroffenen hinzunehmen. Diese Speicherung, die vor dem Ende der Beschränkungen bedürfen einer gesetz- Prüfung von der aufsichtsführenden lichen Grundlage, aus der sich hinreichend Person veranlasst wird, zu Zwecken der klar die Voraussetzungen und der Umfang Beweissicherung von Täuschungs- der Datenerhebung und -verarbeitung versuchen oder Störungen geboten. Denn ergeben. Hinreichende bestimmte Rechts- im Gegensatz zur Präsenzklausur, bei der grundlagen sind durch den Erlass von die aufsichtführende Person das gesamte Hochschulsatzungen gegeben.17 Eine Geschehen im Raum im Blick hat, sei hier elektronische Fernprüfung, die auf frei- nur ein Ausschnitt von Tisch und Oberkör- williger Basis erfolgt, stelle zudem keinen per zu sehen, so das Gericht.16 so starken Grundrechtseingriff dar, dass diese und die damit verbundene Datenver- Eine Videoaufsicht ohne Aufzeichnung arbeitung in einem formellen Gesetz stellt somit das Untermaß an Täuschungs- geregelt werden müsste, so das OVG prävention dar. Folglich ist nach derzeitiger Schleswig.18 Demnach stellt § 17 Abs. 1 Rechtsprechung davon auszugehen, dass und Abs. 3 NHG i.V.m. einer Online- die Videoaufsicht ohne oder mit Aufzeich- Prüfungsordnung eine hinreichende nung eine hinreichende Prüfungsaufsicht gesetzliche Grundlage für die Beschränkung darstellt, welche den aus dem Allgemeinen dieses Grundrechts dar. Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG fließende Grundsatz der Chancengleich- 3.2.3 heit wahrt. Recht auf Unverletzlichkeit des Wohnraums, Art. 13 Abs. 1 GG 3.2.2 Recht auf informationelle Selbst- Die in der Ordnung vorgesehene Video- bestimmung, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. aufsicht dürfte nicht gegen das Recht der Art. 1 Abs. 1 GG Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG verstoßen. Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Prüflinge während der Online- Nach Auffassung des OVG Schleswig ist Prüfung greift in deren Recht auf informa- der Schutzbereich des Grundrechts auf tionelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. Unverletzlichkeit der Wohnung durch eine 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein. Verhältnis- Videoaufsicht grundsätzlich nicht betrof- mäßige Einschränkungen des Rechts auf fen. Denn Art. 13 Abs. 1 GG schütze vor 16 OVG Münster, Beschl. v. 4.3.2021 – 14 B 2781/21, NJW 2021, 1414 (Rn 10-13). 17 Niehues/Fischer/Jeremias, 2018, Rn 20-22. 18 OVG Schleswig, Beschl. v. 3.3.2021 – 3 MR 7/21, NJW 2021, 1407 (Rn 56). -9-
einem für den Betroffenen unmerklichen eines in der Ordnung vorgesehenen (digitalen) Eindringen in die private Woh- Raumscans, von einem Grundrechtseingriff nung durch die Staatsgewalt (Stichwort: ausgegangen werden sollte22, schließt großer und kleiner Lauschangriff).19 Auch nach Auffassung des OVG Schleswig ein könnten die Prüflinge den zu sehende Einverständnis des Prüflings eine Verletzung Ausschnitt der Wohnung so gestalten, des Grundrechts aus (Grundrechtsver- dass ein visueller Zugriff auf den Wohn- zicht). Das OVG Schleswig geht davon raum nicht möglich ist, so das Gericht aus, dass die Videoaufsicht nicht gegen weiter. Deswegen sollten die Prüflinge in den Willen der Prüfling erfolgt, solange der Online-Prüfungsordnung verpflichtet eine alternative Prüfung angeboten wird werden, einen neutralen Hintergrund für (Wahlrecht).23 Das kann eine herkömm- die Kamera- und Mikrofoneinstellungen zu liche Präsenzprüfung, eine elektronische wählen, der ihren Persönlichkeitsschutz Präsenzklausur oder eine Online-Prüfung und ihre Privatsphäre nicht mehr als zu in von der Hochschule eingerichteten dem berechtigten Kontrollzweck erforder- und bereitgestellten Räumen sein. Die lich einschränkt (Selbstdatenschutz) und Prüflinge können in so einem Fall frei dass die Sicherstellung der persönlichen entscheiden, ob sie die Prüfung in einem Leistungserbringung durch den ausgewie- dem Wohnraumbegriff des Art. 13 Abs. senen Prüfling kontrolliert werden kann 1 GG unterfallenden geschützten Raum (Wahrung der Chancengleichheit). ablegen oder nicht. Die Online-Prüfung erfolgt dann auf freiwilliger Basis. Die BayFEV schließt einen Raumscan ausdrücklich aus, da dieser als Moment- Birnbaum und Beaucamp stimmen dem aufnahme nicht geeignet sei, Täuschungs- OVG Schleswig insofern zu, dass das handlungen zu unterbinden.20 Die Auffor- Recht der Unverletzlichkeit der Wohnung derung, zu Beginn der Prüfung die Kamera der Disposition des Grundrechtsträgers kurz auf den Arbeitsbereich zu richten, unterstehe, an die Freiwilligkeit eines um dadurch unzulässige Hilfsmittel auszu- Verzichts auf das Wohnungsgrundrecht schließen, wird keinen Grundrechtseingriff allerdings strenge Anforderungen zu darstellen.21 stellen seien. Die Prüflinge dürften keine wesentlichen Nachteile, wie eine Stu- Doch auch wenn nach anderer Auffassung dienverzögerung, treffen, wenn sie nicht in der juristischen Literatur, etwa aufgrund auf ihr Wohnungsgrundrecht verzichten 19 OVG Schleswig, Beschl. v. 3.3.2021 – 3 MR 7/21, NJW 2021, 1407 (Rn 38-40). 20 Siehe Begründung zur BayFEV, S. 11. 21 LfD Niedersachsen, S. 4, 2021. 22 So Beaucamp, DÖV 2022, 283 (288-291). 23 OVG Schleswig, Beschl. v. 3.3.2021 – 3 MR 7/21, NJW 2021, 1407 (Rn 38-40). -10-
und nicht an einer Online-Prüfung von zu 3.2.4 Hause aus teilnehmen.24 Eine Alternativ- Recht auf Gewährleistung der Vertrau- prüfung sollte demnach termingleich lichkeit und Integrität informations- angeboten werden. Erforderlich ist nicht technischer Systeme, Art. 2 Abs. 1 eine tag- und stundengenaue Überein- i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG stimmung, sondern eine Prüfung im gleichen Prüfungszeitraum.25 Eine Studien- Das Grundrecht auf Vertraulichkeit und In- verzögerung wird dann ausgeschlossen tegrität informationstechnischer Systeme sein. (IT-Grundrecht) wurde vom Bundesver- fassungsgericht im Jahr 2008 in der Ist der Schutzbereich des Grundrechts Entscheidung zur sog. Online-Durchsuchung nicht betroffen, entfallen nach der Auf- aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht fassung des OVG Schleswig auch die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG Anforderungen des Zitiergebots aus Art. abgeleitet.28 Die Landesbeauftragte für 19 Abs. 1 Satz 2 GG i.V.m. Art. 13 Abs. 7 den Datenschutz Niedersachsen hält GG.26 Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG muss es für unverhältnismäßig und somit für ein formelles Gesetz, das bestimmte einen Eingriff in das IT-Grundrecht, wenn Grundrechte, wie Art. 13 Abs. 1 GG, ein- Prüflinge durch eine Prüfungsordnung schränkt, dieses Grundrecht unter Angabe verpflichtet werden, Software zur Über- des Artikels nennen. Die das Grundrecht wachung auf ihren privaten Computern einschränkenden Gesetze sind die Hoch- zu installieren, die über eine Verarbeitung schulgesetze, welche die Hochschulen der IP-Adresse hinausgeht. Dies sei nur zu Grundrechtseingriffen ermächtigen auf freiwilliger Basis möglich, sofern eine können. Das Niedersächsische Hochschul- alternative Möglichkeit der Ablegung der gesetz enthält keinen Verweis auf etwaige Prüfung in den Räumlichkeiten der Hoch- Grundrechtseingriffe in Art. 13 Abs. 1 GG. schule besteht (Wahlrecht). Dabei muss Das Bayerische Hochschulgesetz enthält gewährleitet sein, dass nach Abschluss hingegen in Art. 106a BayHschG einen der Online-Prüfung kein weiterer Zugriff entsprechenden Hinweis.27 auf das private IT-System der Prüflinge erfolgen kann.29 24 Birnbaum, NJW 2021, 1356 (1357); Beaucamp, DÖV 2022, 283 (288-291). 25 Beaucamp, DÖV 2022, 283 (290). 26 OVG Schleswig, Beschl. v. 3.3.2021 – 3 MR 7/21, NJW 2021, 1407 (Rn 31); a.A. Beaucamp, DÖV 2022, 283 (289); Birnbaum, NJW 2021, 1356 (1357). 27 Birnbaum, NJW 2021, 1356 (1357). 28 BVerfG, Urt. v. 27.2.2008 – 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07. 29 LfD Nds., 2021, S. 5; so auch Birnbaum, NJW 2021, 1356 (1357). -11-
3.3 der Authentifizierung, der Prüfungsauf- Vereinbarkeit mit der sicht und der Aufklärung von Täuschungs- Datenschutzgrundverordnung versuchen, müsste zur Prüfungsdurch- führung erforderlich sein. Die Verarbeitung Die Verarbeitung der personenbezogenen von personenbezogenen Daten ist erfor- Daten zur Durchführung von Online- derlich, soweit kein milderes, gleich Prüfungen müsste den Vorgaben der geeignetes Mittel zur Verfügung steht. Bei Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) der Wahl zwischen mehreren geeigneten entsprechen. Die Verarbeitung von per- Systemen bzw. Maßnahmen für die sonenbezogenen Daten ist grundsätzlich Authentifizierung, die Videoaufsicht und verboten, es sei denn diese beruht auf die Aufklärung von Täuschungshandlungen, einer gesetzlichen Grundlage oder einer ist das System bzw. die Maßnahme zu Einwilligung der Betroffenen, vgl. Art. 6 verwenden, welches bzw. welche mit der Abs. 1 DSGVO. Als gesetzliche Rechts- Verarbeitung weniger personenbezogener grundlage kommt Art. 6 Abs. 1 lit. e, Abs. Daten auskommt (Angemessenheit der 2 und Abs. 3 DSGVO i.V.m § 17 Abs. 1-3 Identifizierungs- und Überwachungsmaß- NHG i.V.m. der Online-Prüfungsordnung in nahme). Betracht.30 Nach Auffassung von Hoeren sind Maß- Nach § 17 Abs. 1 NHG dürfen Hochschulen nahmen verhältnismäßig, die in etwa das von Mitgliedern sowie von Angehörigen, Eingriffsniveau von Aufsichtsklausuren in wie Studierende, die nicht in einem Präsenz erreichen, aber nicht über diese Dienst- oder Arbeitsverhältnis zu ihnen wesentlich hinausgehen und somit eine stehen, die für die Teilnahme an Lehr- funktionale Äquivalenz zwischen den veranstaltungen und Prüfungen, erfor- Prüfungsformen vorliegt.31 Nach ähnlicher derlichen und in Ordnungen bestimmten Auffassung der Landesbeauftragten für personenbezogenen Daten einschließlich den Datenschutz Niedersachsen sind besonderer Kategorien personenbezo- folgende Authentifizierungs- und Auf- gener Daten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 sichtsfunktionen in datenschutzrechtlicher DSGVO, verarbeiten. § 17 Abs. 2 NHG Hinsicht verhältnismäßig:32 enthält eine entsprechende Erlaubnis für die Verarbeitung personenbezogener Identitätsfeststellung der Prüflinge durch Daten der prüfenden Personen. Zeigen des Studierenden- oder amtlichen Lichtbildausweises per Webcam, keine Die Verarbeitung personenbezogener dauerhafte Speicherung, Daten von Prüflingen, insbesondere bei 30 Indenhuck/Britz/Wettlaufer, DSRITB 2021, 499 (502-503). 31 Hoeren, 2021, S. 31; Albrecht/Mc Grath/Uphues, ZD 2021, 80 (80-82); so auch LfD Nds., 2021, S. 3; Fehling, OdW 2020, 137 (146). 32 LfD Nds., 2021, S. 3-5. -12-
Videoaufsicht nur als Überblicksaufsicht, 3.3.1 individuelle Einzelkontrolle nur bei kon- Authentifizierung kreten Täuschungsverdacht nach Ankün- digung (z.B. Bildschirmfreigabe) sofern Die Authentifizierung durch Gesichts- andere Prüflinge keinen Einblick erlangen kontrolle und Abgleich des Ausweises per (Breakout-Raum), Webcam ist erforderlich, da sie das ein- zige geeignete und mildeste Mittel zur Raumscan am Beginn auf den Arbeitsbe- Identifizierung des Prüflings darstellt. Ein reich, weitere Raumscans nur bei PIN/TAN-Verfahren zum Einloggen in konkreten Täuschungsverdacht auf ein Prüfungssystem dürfte ebenso eine freiwilliger Basis, d.h. das Prüfungsver- geeignete und angemessene Authentifi- fahren muss eine alternative Prüfung in zierungsmaßnahme sein. den Räumen der Hochschule vorsehen (freie Vorab-Entscheidung des Prüflings), 3.3.2 Videoaufsicht mit oder ohne Videoaufzeichnungen nur bei konkreten Aufzeichnung Täuschungsverdacht auf freiwilliger Basis, d.h. das Prüfungsverfahren muss eine Nach Auffassung des OVG Schleswig alternative Prüfung in den Räumen fördert eine Videoaufsicht ohne Aufzeich- der Hochschule vorsehen (freie Vorab- nung als Mittel einen legitimen Zweck, Entscheidung des Prüflings), nämlich Täuschungshandlungen zu verhindern und aufzudecken.33 Mildere Software zur Überwachung auf den pri- Mittel sind nicht ersichtlich, insbesondere vaten Computern der Prüflinge nur auf stellt das Entfallen jeglicher Aufsicht bei freiwilliger Basis, d.h. das Prüfungsverfahren einer Aufsichtsarbeit ein Verstoß gegen muss eine den prüfungsrechtlichen Grundsatz der alternative Prüfung in den Räumen Chancengleichheit dar. Eine Versicherung, der Hochschule vorsehen (freie Vorab- dass die Prüfungsleistung selbst und ohne Entscheidung des Prüflings) und sicher- unzulässige Hilfsmittel erbracht wurde, gestellt ist, dass nach Abschluss der ist zwar in milderes Mittel, aber bei einer Online-Prüfung kein weiterer Zugriff auf Aufsichtsarbeit nicht geeignet, Täuschun- die privaten IT-Systeme des Prüflings gen zu verhindern und aufzudecken. Eine erfolgen kann, Videoaufsicht ohne Aufzeichnung ist demnach erforderlich, da sie das einzige Überwachungsprogramme, die biomet- geeignete und mildeste Mittel zur Sicher- rische Daten (Tastatur- und Mausbewe- stellung der persönlichen Leistungserbrin- gung) verarbeiten, sind unzulässig. gung darstellt. Die Prüfungsdurchführung ist schriftlich zu protokollieren. Täu- 33 OVG Schleswig, Beschl. v. 3.3.2021 – 3 MR 7/21, NJW 2021, 1407 (Rn 42); OVG Münster, Beschl. v. 4.3.2021 – 14 B 2781/21, NJW 2021, 1414 (1416); VG Frankfurt/ Oder, Beschl. v. 11.5.2021 – VG 1 L 124/21, CoVuR 2021, 488 ( 491). -13-
schungsversuche sind schriftlich festzu- der Hochschule beauftragt. Gleiches gilt, halten. sofern Prüfungssoftware auf den Servern eines externen Dienstes eingesetzt wird. Das OVG Münster hält sogar eine generel- Werden personenbezogene Daten von le Aufzeichnung und vorübergehende Prüflingen und der prüfenden Personen Speicherung der Video- und Tonver- durch den externen Dienst verarbeitet, bindung vom Beginn bis zum Ende der müssen Hochschulen mit den Anbietern Prüfung für erforderlich. Darüber hinaus eine Vereinbarung zur Auftragsverarbei- könne eine dauerhafte Speicherung, die tung nach Art. 28 DSGVO abschließen. Die vor dem Ende der Prüfung von der auf- Hochschule muss den Auftragsverarbeiter sichtsführenden Person veranlasst wird, sorgfältig auswählen, anweisen und be- zu Zwecken der Beweissicherung von aufsichtigen. Der Auftragsverarbeiter führt Täuschungsversuchen oder Störungen die Datenverarbeitung weisungsgebun- geboten sein. Denn im Gegensatz zur den durch und entscheidet allenfalls über Präsenzklausur, bei der die aufsichtfüh- technische-organisatorische Fragen. Die rende Person das gesamte Geschehen Hochschule darf nur geeignete Dienst- im Raum im Blick hat, sei hier nur ein leister beauftragen, welche die EU-Daten- Ausschnitt von Tisch und Oberkörper zu schutzstandards einhalten. Dies kann eine sehen, so das OVG Münster weiter.34 So Zertifizierung dokumentieren. Die Auf- auch die oben zum Stichpunkt Videoauf- tragsverarbeitung durch Dritte muss die zeichnung dargestellte Auffassung der Hochschule gegenüber den Prüflingen in Landesbeauftragten für den Datenschutz den Datenschutzhinweisen kommunizieren Niedersachsen. Nach deren Auffassung und den Dienstleister im Verarbeitungs- soll eine Aufzeichnung der Online-Prüfung verzeichnis nach Art. 30 DSGVO als Emp- bei konkreten Täuschungsverdacht ver- fänger aufführen. Möglich ist auch Dienst- hältnismäßig sein, sofern die Teilnahme leister außerhalb der EU zu beauftragen, an der Online-Prüfung auf freiwillige Basis sofern die Datenverarbeitung auch in der erfolgt (Wahlrecht). Im Ergebnis wird auch EU zulässig wäre und ausreichend Garan- die Videoaufsicht mit Aufzeichnung daten- tien bestehen, dass die betroffenen Per- schutzrechtlich zulässig sein. sonen dort vergleichbare Rechte haben, wie in der EU. Siehe Art. 44 bis Art. 50 3.3.3 DSGVO. Laut Angemessenheitsbeschluss Externe Proctoring- oder der EU-Kommission gemäß Art. 45 Abs. 3 Prüfungssystem-Dienste DSGVO sind dies folgende Länder: Andorra, Argentinien, Kanada, Färöer- Die Videoaufsicht erfolgt in der Regel Inseln, Guernsey, Israel, Isle of Man, durch die prüfende Person bzw. autorisier- Japan, Jersey, Neuseeland, Republik tem Personal der Hochschule, es sei denn Korea (Südkorea), Schweiz, Uruguay ein externer Proctoring-Dienst wird von und UK. In diese Länder ist die Daten- 34 OVG Münster, Beschl. v. 4.3.2021 – 14 B 2781/21, NJW 2021, 1414 (Rn 10-13). -14-
übermittlung ausdrücklich gestattet. Die dungen im Einzelfall, welche gegenüber USA zählt seit dem BGH-Urteil „Schrems der betroffenen Person rechtliche Wirkung I“ nicht mehr dazu. Darüber hinaus nur entfalten oder sie in ähnlicher Weise er- in Länder mit individuellem Vertragsab- heblich beeinträchtigen, verboten. Es ist schluss mit sog. Standard-Datenschutz- demnach nicht zulässig, allein aufgrund klauseln („Standard Contractual Clauses der automatisierten Auswertung einen – SCCs“) der EU-Kommission gemäß Art. Täuschungsversuch zu bejahen, der zum 46 DSGVO. Nichtbestehen der Prüfung führt. Eine vollautomatisierte Auswertung ohne Zutun 3.3.4 einer prüfenden Person bzw. Aufsichtsperson Automatisierte Auswertung von wäre nach Art. 22 Abs. 2 lit. b DSGVO nur Bild-, Ton- und Logdaten zulässig, wen eine hinreichende gesetz- liche Rechtsgrundlage oder nach Art. 22 Beim Online-Proctoring wird das Verhalten Abs. 2 lit. c DSGVO eine ausdrückliche der Prüflinge sowie die Nutzung des ver- Einwilligung des Prüflings zur vollautoma- wendeten Endgeräts während der Prüfung tisierten Auswertung vorläge. Sollte automatisiert aufgezeichnet und ausge- die vollautomatisierte Auswertung auf wertet. Auffällige Verhaltensweisen und eine freiwillige Einwilligung des Prüflings Nutzungsverhalten werden von der Soft- gestützt werden, müsste eine Alternativ- ware gekennzeichnet. Üblicherweise wird prüfung angeboten werden. Beispiels- diese Aufzeichnung durch eine natürliche weise legitimiert die Bayerische Aufsichtsperson im Nachgang auf Täu- Fernprüfungsverordnung in § 6 Abs. 4 schungsversuche überprüft. Doch auch BayFEV eine automatisierte Videoaufsicht, bei einer ausschließlichen Videoaufsicht wenn kein ausreichendes Aufsichtsper- durch eine natürliche Person ist es für die sonal zur Verfügung steht und alternative Aufdeckung von Täuschungsversuchen Prüfungen angeboten werden und zudem und Störungen erforderlich, die Nutzer- die Prüflinge vorab in die automatisierte kennung, die IP-Adresse und die Logzeiten Videoaufsicht ausdrücklich einwilligen. zu speichern und im Nachgang, evtl. auch automatisiert, nach Auffälligkeiten auszu- Da entscheidend ist, ob die Auswertung werten. ausschließlich auf einer automatisierten Entscheidung ohne menschliches Zutun Bei einer automatisierten Auswertung beruht, wird kein Verstoß gegen Art. 22 von Bild- und Tondaten der Videoaufsicht Abs. 1 DSGVO vorliegen, wenn die Auf- oder der Logdaten zur Aufdeckung von sichtsperson die automatisierte Auswer- Täuschungsversuchen, ist das Verbot der tung überprüft und weitere Anhaltspunkte vollautomatisierten Einzelfallentscheidung in ihre Entscheidung miteinbezieht.35 des Art. 22 Abs. 1 DSGVO zu beachten. Danach sind vollautomatisierte Entschei- Die Verarbeitung biometrischer Daten, 35 Indenhuck/Britz/Wettlaufer, DSRITB 2021, 499 (512). -15-
wie Gesichtserkennung, Stimmerkennung technisch organisatorische Maßnahmen oder Fingerabdruck-Scan, durch eine (TOMs) gewährleistet sein. automatisierten Überwachungssoftware ist nach oben genannter Auffassung der Diese Datenschutzhinweise müssen Landesbeauftragten für den Datenschutz folgende Informationen enthalten: Niedersachsen nicht verhältnismäßig und somit datenschutzrechtlich unzulässig. • Kategorien der Daten, Art. 9 DSGVO; Die Speicherung der Nutzerkennung, der Art. 4 Nr. 1, Nr. 13 und Nr. 14 DSGVO IP-Adresse und der Logzeiten ist hingegen • Zweck der Datenverarbeitung zulässig. Eine Auswertung dieser Daten • Rechtsgrundlage Art. 6 Abs. 1 lit. e, Abs. bei konkreten Täuschungsverdacht wird 2 und Abs. 3 DSGVO i.V.m § 17 Abs. 1-3 zulässig sein. Die Auswertung von Nutzer- NHG i.V.m. der Online-Prüfungsordnung kennung, IP-Adresse und Logzeiten ist zur und evtl. Einwilligung Art. 6 Abs. 1 lit. a Aufklärung von Täuschungshandlungen DSGVO erforderlich, da sie das einzige geeignete • Empfänger der Daten (extern/intern), und mildere Mittel bspw. gegenüber einem Art. 4 Nr. 9 DSGVO Raumscan oder einem Online-Proctoring • Auftragsverarbeitung, Art. 4 Nr. 8 zur Sicherstellung der persönlichen Leis- DSGVO; Art. 28 DSGVO tungserbringung darstellt. • Speicherdauer • Name und Kontaktdaten der Hochschule 3.3.5 als verantwortlichen Stelle, Art. 4 Nr. 7 Informationspflichten DSGVO; Art. 24 DSGVO • Name und Kontaktdaten des/der Daten- Die Hochschule hat als für die Datenver- schutzbeauftragten der Hochschule, arbeitung verantwortliche Stelle die Art. 38 DSGVO Betroffenenrechte zu wahren und die • Recht auf Auskunft, Art. 15 DSGVO Organisations- und Informationspflichten • Recht auf Berichtigung, Art. 16 DSGVO nach Art. 13 und Art. 14 DSGVO zu erfüllen. • Recht auf Löschung, Art. 17 DSGVO Verantwortliche für die Verarbeitung • Recht auf Einschränkung der Verarbei- personenbezogener Daten der Prüflinge tung, Art. 18 DSGVO i. S. des Art. 4 Nr. 7 DSGVO ist die Hoch- • Recht auf Datenübertragung, Art. 20 schule. Hochschulen müssen proaktiv DSGVO Informationen zur Rechtsgrundlage • Recht auf Widerspruch, Art. 21 DSGVO der Datenverarbeitung, zur Dauer der • ggf. jederzeitiges Widerrufsrecht ohne Speicherung sowie zu den Betroffenen- Grund bei Einwilligungen, Art. 7 Abs. 3 rechten zur Verfügung stellen. Dazu DSGVO; Art. 4 Nr. 11 DSGVO gehört, dass sie darüber informieren • Beschwerderecht bei der Landesbeauf- müssen, dass, warum und wie Daten tragten für den Datenschutz Nieder- verarbeitet werden. Die Daten dürfen sachsen, Art. 77 DSGVO; Art. 4 Nr. 21 nur so lange gespeichert werden wie und Nr. 22 DSGVO nötig und deren Sicherheit muss durch -16-
Der Verfahrensablauf einer Online-Prüfung ist die Einsicht in die Prüfungsunterlagen sollte transparent gemacht werden. Es auf Antrag nur vor Ort im Prüfungsamt zu besteht die Pflicht, ein Verarbeitungsver- bestimmten Zeiten möglich. Kopien sind, zeichnis (VVT) nach Art. 30 DSGVO zu wenn überhaupt, nur gegen Entgelt zuläs- erstellen, welches bei Anfrage der sig. Die Betroffenenrechte und somit der Landesbeauftragten für den Datenschutz Auskunftsanspruch, können nach Niedersachsen vorzulegen ist. Ebenso Art. 23 DSGVO gesetzlich beschränkt besteht nach Art. 35 Abs. 3 lit. a DSGVO werden. Dies erfordert nach EWG 41 die Pflicht, eine Abschätzung der Folgen DSGVO nicht notwendigerweise ein der vorgesehenen Verarbeitungsvorgänge formelles Gesetz, so dass auch eine (DSFA) für den Schutz der betroffenen Hochschulordnung ausreichend sein wird. Prüflinge durchzuführen. Dies gilt insbe- sondere für automatisierten Prüfungs- Ein Berichtigungsanspruch nach Art. 16 verfahren, die eine systematische und DSGVO besteht laut Gerichtshof, wenn die umfassende Bewertung persönlicher Prüfungsleistung unrichtig oder unvollstän- Aspekte des Prüflings vornehmen.36 dig dokumentiert wurde und somit unrich- tige Daten vorliegen. Zum Beispiel, wenn Es sind in den Datenschutzhinweisen die Prüfungsarbeit verloren gegangen ist konkrete Ausführungen zu den Betroffe- oder die Antworten verschiedener Prüflinge nenrechten zu machen: vertauscht wurden. Unrichtige Daten sind auch Anmerkungen des Prüfers, welche Art. 15 DSGVO sieht einen Anspruch auf die Beurteilung der Antworten des Prüflings ausführliche Auskunftserteilung über die nicht richtig dokumentieren. Falsche Ant- Datenkategorien, Verarbeitungszwecke, worten des Prüflings sind keine unrichtigen Empfänger und Speicherdauer innerhalb Daten, da diese zutreffend den Kenntnis- kurzer Frist von vier Woche vor. Zusätzlich stand des Prüflings zur Zeit der Prüfung besteht ein Anspruch auf die Herausgabe widerspiegeln, so der Gerichtshof.37 der Daten, auf Wunsch auch als elektro- Nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO hat ein Prüfling nische Kopie in einem „gängigen elektro- einen Anspruch auf unverzügliche Lö- nischen Format“ (z. B. PDF). Die Erstkopie schung (Vernichtung) bzw. Einschränkung ist dabei kostenlos. Nach Auffassung des (Sperrung) seiner personenbezogenen Europäischen Gerichtshofes bezieht sich Daten, sofern diese zur Zweckerreichung der Auskunftsanspruch auf die Prüfungs- nicht mehr erforderlich sind, eine erteilte antworten und das Prüfergutachten, nicht Einwilligung widerrufen wurde, die Daten- hingegen auf den Aufgabentext. Der verarbeitung rechtswidrig erfolgte Auskunftsanspruch der DSGVO kollidiert oder der Datenverarbeitung erfolgreich häufig mit bestehenden älteren Regelun- widersprochen wurde. Nach Einlegung gen in den Prüfungsordnungen. Häufig des Widerspruchs ist die Verarbeitung 36 Siehe hierzu den Hinweis auf das Prüfschema, LfD Nds., 2021, S. 7. 37 EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Az. C 434/16. -17-
zunächst einzuschränken, siehe Art. 18 Widerruf im Zeitraum zwei Wochen vor der Abs. 1 lit. c DSGVO. Das Recht auf Prüfung bis zum Prüfungstermin wird i.d.R. Löschung besteht nicht, sofern die Verar- als Prüfungsrücktritt gewertet. Ein Wider- beitung zur Wahrnehmung einer Aufgabe, ruf während der Prüfung gilt als Prüfungs- die im öffentlichen Interesse liegt, abbruch und die Prüfung wird als nicht erforderlich ist, siehe Art. 17 Abs. 3 bestanden gewertet. Erfolgt ein Widerruf DSGVO. Dazu gehören auch die aus den erst nach der Prüfung, wird die Prüfung Rechtsvorschriften der Hochschule immer noch bewertet. resultierenden Aufbewahrungspflichten. Nach Art. 20 DSGVO besteht für betrof- Auch wenn die Verarbeitung personen- fene Personen ein Anspruch auf Übertra- bezogener Daten auf einer gesetzlichen gung ihrer personenbezogenen Daten in Erlaubnis wie § 17 Abs. 1 NHG i.V.m. einer einem „gängigen und maschinenlesbaren Online-Prüfungsordnung beruht, besteht Format“ an sich selbst oder wahlweise an ein Widerspruchsrecht gemäß Art. 21 einen Dritten, wenn die Datenverarbeitung DSGVO. Aus Gründen, die sich aus einer auf einer Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. besonderen Situation ergeben, können a DSGVO beruht und mithilfe automatisier- Prüflinge der Verarbeitung der sie be- ter Verfahren erfolgt. Die automatisierte treffenden personenbezogenen Daten im Datenverarbeitung erfolgt grundsätzlich Rahmen des Online-Prüfungsvefahrens auf der Rechtsgrundlage der Online- jederzeit widersprechen. Der Widerspruch Prüfungsordnung und nicht aufgrund einer kann jederzeit formlos geltend gemacht Einwilligung. Zudem gilt dieses Recht werden. Ein wirksamer Widerspruch nach Art. 20 Abs. 3 Satz 2 DSGVO nicht entfaltet nur Wirkung für die zukünftige für eine Verarbeitung, die für die Wahrneh- Datenverarbeitung, eine rückwirkende mung einer öffentlichen Aufgabe, wie Löschungspflicht besteht nicht. Sofern der Abnahme von Hochschulprüfungen ein wirksamer Widerspruch vorliegt, sind nach § 7 NHG, erforderlich ist. Demnach die personenbezogenen Daten nicht mehr ist ein Anspruch auf Übermittlung der von der Hochschule zu verarbeiten, es personenbezogenen Prüfungsdaten an sei denn die Hochschule kann zwingende sich selbst oder auf Wunsch, etwa im Fall schutzwürdige Gründe für die Verarbei- des Hochschulwechsels, direkt an eine tung nachweisen, welche die Interessen, andere Stelle zu übertragen, vom Prüfling Rechte und Freiheiten des Prüflings grundsätzlich nicht durchsetzbar. überwiegen, siehe EWG 69 DSGVO. Das Widerspruchsrecht kommt aufgrund der i.d.R. vorrangigen Interessen der Hoch- schule hinsichtlich ihrer Erfüllung der öffentlichen Aufgaben und Pflichten nur in absoluten Ausnahmefällen zum Tragen. Beim Widerruf bis zum Ende der Anmelde- frist, ist die Anmeldung nicht gültig. Ein -18-
4 Fazit Mit § 7 Abs. 4 NHG wurde eine gesetzliche Ermächtigungsrundlage in das Niedersäch- sische Hochschulgesetz eingeführt, aufgrund welcher Hochschulen Online-Prüfungen als Prüfungsform in ihren Prüfungsordnungen unabhängig von einer Pandemielage oder Krisensituation vorsehen können. § 7 Abs. 4 Nr. 1-5 NHG, sowie die gesetzliche Erlaubnis zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten der Prüflinge in § 17 NHG, stellen an die zu erlassende Regelung umfangreiche inhaltliche Anforderungen. Deswegen ist es sinn- voll, Online-Prüfungen in einer Rahmenprüfungsordnung zu verfassen, welche neben den bereits bestehenden Prüfungsordnungen der Fachbereiche ergänzend gilt. Verstöße oder unverhältnismäßige Eingriffe in die Grundrechte der Prüflinge sind nicht ersichtlich, sofern die Teilnahme an der Online-Prüfung auf freiwilliger Basis erfolgt und die Hochschule auf Wunsch eine alternative Prüfung in eingerichteten Räumen der Hochschule anbietet. Dies betrifft insbesondere den grundrechtlich garantierten Grundsatz der Chan- cengleichheit und das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Wohnraums. Die Praxis hat gezeigt, dass die wenigsten Prüflinge die Alternativprüfungen wählen und die Hochschule somit in der Regel nicht in Kapazitätsengpässe kommt. Standards für geeignete Maßnahmen gegen Täuschungsversuche, welche einerseits den Grundsatz der Chancengleichheit wahren und gleichzeitig in datenschutzrechlicher Hinsicht nicht unverhältnismäßig in die Persönlichkeitsrechte des Prüflings eingreifen, haben sich in der Rechtsprechung noch nicht abschließend herausgebildet. Eine Videoauf- sicht ohne Aufzeichnung wird das Untermaß an Täuschungsprävention darstellen, welche nicht unverhältnismäßig in die Persönlichkeitsrechte der Prüflinge eingreift. Auch eine Videoaufsicht mit Aufzeichnung zur Täuschungsaufdeckung sieht die Rechtsprechung als verhältnismäßig. Welche Maßnahmen schlussendlich erforderlich sein werden, wird sich in der Praxis zeigen. Deswegen sollte für eine Online-Prüfungsordnung auch immer eine zeitnahe Evaluierung vorgesehen werden. -19-
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