Einmal pro Woche müssen sie sich sehen - Schweizerischer ...
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12 | Migros-Magazin 42, 18. Oktober 2010
IRÈNE MEHR-ACHERMANN UND URSI
SIDLER-ACHERMANN (46), KAUFMÄNNISCHE
ANGESTELLTE AUS NIEDERGÖSGEN UND COIFFEUSE
UND BUSCHAUFFEUSE AUS ROTKREUZ
Einmal pro Woche
müssen sie sich sehen
Als junge Mädchen, erzählen Irène (links) und
Ursi, hätten sie keine Freundinnen gehabt.
«Wir hatten ja uns, das reichte vollkommen.»
Die anderen fünf Geschwister wiederum konn-
ten kaum nachvollziehen, warum die beiden
eine solche Einheit bildeten. «Unser Denken,
unser Fühlen ist vielleicht wirklich etwas
anders», erklärt Ursi. Als die beiden eineiigen
Zwillinge nach der gemeinsamen Schulzeit
getrennt wurden, fühlte sich das für Irène an,
als ob ihr ein Bein abgetrennt worden
wäre. «Ich würde darum heute Eltern von
Zwillingen empfehlen, diese schon in der
Schulzeit auseinanderzunehmen.» Irène hatte
bis zur Lehre immer alles mit ihrer Schwester
gemacht. Sie brachte nicht einmal den Mut
auf, mit dem Velo alleine in die Nachbarsge-
meinde zu fahren. «Ich wiederum», sagt Ursi,
die Erstgeborene, und lacht, «musste immer
zuerst den Kopf hinhalten: beim Zahnarzt, bei
der Autoprüfung, beim Coiffeur.» Irène ist
dann extra weit weggezogen. «Ich wusste,
dass ich mein Leben in die eigene Hand
nehmen muss.» Die Schwestern haben
geheiratet, Irène hat drei Kinder bekommen,
Ursi eins. Heute sind beide geschieden. Für
die Partner sei es manchmal nicht einfach
gewesen, diese Nähe zuzulassen. «Es hat
auch Tücken, Zwilling zu sein», sagt Ursi.
Gleichwohl möchten sie das innige Gefühl,
das sie verbindet, nicht missen. Wenn es
terminlich irgendwie geht, sehen sie sich
heute mindestens einmal in der Woche. «Und
wenn nicht», sagt Ursi, «telefonieren wir.»
MENSCHEN ZWILLINGE | 13
Zwei
Herzen,
eine Seele
Kein Mensch ist gleich wie der andere.
Oder doch? Für das Migros-Magazin
haben sich elf Zwillingspaare ins
rechte Licht gerückt. Und erzählen aus
ihrem einzigartigen Leben zu zweit.
Z
willinge faszinieren die Umwelteinflüssen und dem
Menschheit nicht erst, menschlichen Verhalten. Un-
seit Roger Federer Vater tersucht werden hauptsächlich
von zwei herzigen Mädchen eineiige Zwillinge, also Ge-
geworden ist. Bereits im spä- schwisterpaare, welche aus
ten 19. Jahrhundert initiierte einer befruchteten Eizelle ent-
der Engländer Francis Galton- stehen, die sich später teilt. Ihr
die Zwillingsforschung. Genmaterial ist identisch. Die
Das wissenschaftliche Inte- Forschung vergleicht sie gerne
resse an Zwillingen ist bis heu- mit zweieiigen Zwillingen.
te ungebrochen, denn diese Diese entstehen aus zwei Ei-
«speziellen» Geschwister er- zellen, die von zwei verschie-
möglichen den Forschern Ein- denen Spermien befruchtet
blicke in das komplexe Ver- wurden. Ihr Genmateri-
hältnis zwischen Erbanlagen, al ist laut dem deut- PETER UND HEINZ GIERER (51), DETAILHANDELSANGESTELLTER AUS FLAWIL
UND KONDITOR-CONFISEUR AUS WIL
Seelischer Schmerz, wenn einer nicht da ist
Peter (links) und Heinz spielen bei Schule wurden die eineiigen
der Herisauer Guggenmusig Zwillinge einmal in getrennte
«Gidiohüürler», sind passionierte Klassen gesteckt, da sie darüber
Taucher und ungewollt Single. aber so unglücklich waren, musste
«Bis jetzt», sagt Peter, «haben die der Entscheid rückgängig gemacht
Frauen immer Mühe damit gehabt, werden. Nach der Lehre zog Peter
dass der Zwillingsbruder im Leben nach Basel. Doch von dort kehrte
des anderen so präsent ist.» Heinz er nach kurzer Zeit zurück in die
wirft meistens zuerst ein Auge auf Ostschweiz — wegen der Einsam-
eine Frau, zweimal jedoch hat Peter keit. Heute können sich Peter
diese ihm wieder ausgespannt. und Heinz nicht vorstellen, weit
In die Haare geraten sei man sich auseinander zu wohnen. «Uns
deswegen nicht. «Wenn die Frauen fehlt die eine Hälfte, wenn der
den Peter sympathischer finden», andere weg ist, das ist ein seeli-
sagt Heinz, «ist das halt so.» In der scher Schmerz», sagt Peter.
Tanken Sie Sonne. 14 | Migros-Magazin 42, 18. Oktober 2010
Erstklassiges Ausspannen.
Last BEATRICE UND CLAUDIA ALDER (67),
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Minut
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zahlen: Touristenkarte Dom.Republik USD 15.–. Die Platzzahl ist beschränkt. Es gelten die
Allgemeinen Vertrags- und Reisebedingungen der MTCH AG. Preisstand 18.10.10.
schen Zwillingsforscher linge, kann dies als Hinweis ge-
Frank Spinath nur etwa zu deutet werden, dass das unter-
rund 50 Prozent identisch. Die suchte Merkmal in besonderem
Methode sei relativ simpel, erklär- Masse genetisch beeinflusst ist.
Jetzt buchen! Niemand
macht mehr
Schweizer
te Spinath gegenüber News.de: Den Forschern werden die
Die Zwillingsforscher würden ein- Probanden wohl nicht so schnell
0848 82 11 11 glücklich.
eiige und zweieiige Zwillingspaare ausgehen, denn es gibt immer
www.hotelplan.ch miteinander vergleichen. Wenn mehr Zwillinge. In der Schweiz
oder im Reisebüro eineiige Zwillinge einander in Be- beispielsweise kamen 1980 insge-
zug auf ein bestimmtes Merkmal samt 747 Zwillingspaare zur Welt.
stärker ähneln als zweieiige Zwil- 2009 waren es bereits 1415 Paare
MENSCHEN ZWILLINGE | 15
BELINDA UND SEREINA SCHULER (18),
BEIDE KV-LEHRNENDE, BEIDE WOHNHAFT
IN ROTHENTHURM
Sie finden sich unterschiedlich
Belinda (links) und Sereina wohnen noch bei den Eltern
und absolvieren beide eine KV-Lehre. «Natürlich sehen
wir ähnlich aus», sagt Sereina, «trotzdem sind wir
verschiedene Persönlichkeiten.» Beide könnten sie gut
reden, aber auch zuhören, erklärt Belinda. Sonst gäbe
es nicht viele Gemeinsamkeiten, finden die eineiigen
Zwillinge. Sereina denkt sozialer, spendet manchmal
Geld und neigt zum Perfektionismus. Belinda ist die
Lockerere, die nicht alles so genau nimmt. Dass es bei
Zwillingen immer eine Bessere und eine Schlech-
tere gebe, ärgert Belinda. Als Kinder hätten sie,
wenn sie von einem Ausflug zurückgekommen seien,
auch immer darum gekämpft, wer jetzt den Eltern die
Neuigkeiten zuerst erzählen dürfe. Bei den Kleidern
wiederum hätten sie einen ähnlichen Geschmack und
störten sich nicht daran, wenn die andere das gleiche
T-Shirt trage.
DORIS SUTER UND EMMA DENZLER (76),
RENTNERINNEN AUS NÄNIKON UND BRÜTTISELLEN
Zeitlebens beste Freundinnen
Doris (links) und Emma wuchsen zusammen auf
einem Bauernhof auf und wohnten nie weit
auseinander. Vor über 50 Jahren haben die
Zwillingsschwestern geheiratet; Doris hat vier
Kinder bekommen und Emma deren drei. Mit ihren
Männern leben sie noch heute zusammen. «Wir
sind uns sehr ähnlich und haben auch ein
ähnliches Leben geführt», sagt Doris, die
ehemalige Damenschneiderin. Als Doris einmal
krank war, ist Emma, die Bäuerin, für sie arbeiten
gegangen. Am Arbeitsplatz hat niemand etwas
bemerkt. Die Zwillingsschwester war für beide
zeitlebens beste Freundin und wichtige Vertrauens-
person. Länger als zwei Wochen waren die eineiigen
Zwillinge nie getrennt. «Wenn die eine etwas hat»,
sagt Doris, «ruft diese die Zwillingsschwester an,
und meistens geht es der anderen gleich.»
– also beinahe doppelt so viele. schen Zwillingstreffen, das Mitte Leben als Zwilling durchaus The- Zwillinge sogar per Knopfdruck
Die Gründe dafür sind vielfältig. September in Wil SG stattfand, für ma war, trafen sich die Paare im selbst in Szene. Texte Judith Wyder
Sie reichen von der steigenden einmal nicht. Auch nicht die Wiler Stadthaus in erster Linie zu Bilder Jorma Müller
Anzahl Fruchtbarkeitsbehandlun- Schwierigkeiten, mit denen Eltern einem ungezwungenen und fröh-
gen bis zur Tatsache, dass Frauen von Zwillingen oft konfrontiert lichen Plausch ganz unter sich.
heute später Kinder kriegen und sind. Und schon gar nicht die Mei- Nicht-Zwillinge hatten für www.migrosmagazin.ch
die Wahrscheinlichkeit einer nung von Fachleuten, die Zwillin- einmal keinen Zutritt. Eine Aus-
Mehrlingsgeburt bei älteren gen empfehlen, möglichst viele nahme machten die «Twins» nur Von Chancen auf Zwillinge bis zu
Frauen höher liegt. eigene Erfahrungen zu machen, für die Journalistin und den Foto- den Unterschieden: Die wichtigs-
All diese Fakten interessierten und deshalb eine getrennte Ein- grafen. Für sie und die Leser des ten Fragen und Antworten.
die Menschen am 35. Schweizeri- schulung propagieren. Obwohl das Migros-Magazins setzten sich die
Migros-Magazin 42, 18. Oktober 2010 MENSCHEN ZWILLINGE | 17
INGRID KULL UND ANITA MEIERHOFER (50),
BÜROANGESTELLTE AUS GOSSAU UND HAUSFRAU UND
WERKLEHRERIN AUS LENGGENWIL
Sie müssen einander immer nah sein
Als Kind waren Ingrid (links) und Anita sehr verschieden.
«Ich war das Mimöschen», sagt Anita, «und meine Zwil-
lingsschwester ein halber Bub.» Etwa mit 25 sind die
Schwestern plötzlich näher zusammengerückt, und heute
bezeichnen sie sich als beste Freundinnen. Ingrid: «Wir
hatten zuvor einfach sehr unterschiedliche Interessen.»
Ingrid hat viel Sport betrieben. Anita war der künstlerische,
musische Typ. Mit den Jahren sind die zweieiigen Zwillinge
ähnlicher geworden. «Früher wären wir nie zusammen
in die Ferien gegangen», sagt Anita, «heute kommt das
schon einmal vor.» Obwohl sie sich als Kinder überhaupt nicht
ähnlich sahen, mussten sie die gleichen Kleider anziehen.
Anita trug immer Rot, Ingrid Blau. «Das ist bis heute meist
so geblieben», sagt Ingrid. «Ich habe ein blaues Auto, Anita
ein rotes.» Voneinander wegziehen würden die beiden nicht.
«Ich muss in ihrer Nähe sein», sagt Ingrid. Anita ergänzt:
«Es fehlt einfach etwas, wenn die andere nicht da ist.»
PAUL UND PETER STUTZ (55), POLIZISTEN AUS HEDINGEN UND ZWILLIKON
Sogar geheiratet haben sie gemeinsam
Peter (rechts) sagt, Paul sei der gemeinsam absolvierten, erlaubten
Kränklichere und er als Erstgebore- sie sich ein kleines Verwirrspiel:
ner der Stärkere. Für beide ist der Peter absolvierte für Paul die
andere eine wichtige Vertrauens- Selbstverteidigungsprüfung, wobei
person. Weil die eineiigen Zwillinge er für Paul noch die bessere Note
in der Schule immer die gleichen herausholte, als für sich selber.
Noten erzielten und kaum ausein- Nach der Ausbildung fuhr man ab
anderzuhalten waren, musste Paul und zu zusammen auf Streife. Ein
in der 5. Klasse an die Schule der Autofahrer, der sich bei den
Nachbarsgemeinde wechseln. Zwillingspolizisten einer Kontrolle
Unter dieser Trennung litten unterziehen musste, fragte seine
beide, der Zweitgeborene Paul Freundin, ob es sein könne, dass er
aber etwas mehr, und als Folge doppelt sehe. Da Peter und Paul
davon nahmen die Schulnoten bei beinahe zeitgleich beschlossen, mit
beiden ab. Die Lehre als Feinme- ihren Freundinnen den Hafen der
chaniker und Werkzeugmacher Ehe anzusteuern, gab es am 20. Au-
absolvierten sie dann wieder in der gust 1983 eine Doppelhochzeit.
gleichen Firma. Danach begann Heute haben beide zwei Kinder.
Paul die Ausbildung zum Polizisten Je eine Tochter und je einen
am 1. März 1978, Peter am 1. Sep- Sohn. Die Söhne von Peter und
tember 1978. Die unterschiedlichen Paul haben übrigens kürzlich
Eintrittsdaten wurden festgelegt, zusammen die Polizistenausbildung
damit man die beiden während der erfolgreich abgeschlossen. Sie sind
Ausbildung nicht ständig verwech- keine Zwillinge, ihr Geburtsdatum
selte. Als sie später eine Prüfung liegt aber nur 17 Tage auseinander.
18 | Migros-Magazin 42, 18. Oktober 2010
HUGO UND HANS LENHERR (58),
AUTOMECHANIKER AUS HENAU
UND CHAUFFEUR AUS ZÜBERWANGEN
Bei Problemen muss
der Bruder zuhören
Hugo (links) und Hans mögen es,
wenn die Musik spielt. Ihre Leiden-
schaft leben sie in der Henauer
Blasmusik aus, wobei Hans kein
aktives Mitglied mehr ist. Schule
und Lehre absolvierten die eineiigen
Zwillinge gemeinsam und auch die
Noten waren Hans was Heiri,
pardon Hugo. Danach haben sich
ihre Wege getrennt, wobei man
immer in engem Kontakt blieb.
«Vermisst haben wir uns nie», sagt
Hans, «aber wir hatten sicher
ein engeres Verhältnis unterein-
ander als unsere Geschwister.»
Zusammen mit den Frauen sind die
Lenherr-Zwillinge auch schon in die
gemeinsamen Campingferien
gefahren. Das habe gut funktioniert.
Wenn es Probleme gibt, vertraut
man diese gerne dem Zwillingsbru-
der an. «Zwischen uns herrscht ein
100-prozentiges Vertrauen.»
DOLORES LINGGI UND YOLANDA GIANNINA TENTI UND ANGELA LEUENBERGER-TENTI (61), BABYSITTERIN
BIEFER (45), HAUSFRAU UND AUS WINTERTHUR UND HAUSFRAU AUS BEDIGLIORA
PÖSTLERIN AUS THALHEIM UND
SERVICEFACHFRAU AUS DÄNIKEN Krankheit gemeinsam besiegt
Heirat schmerzte Giannina (links) und Angela lieben
Tiere, tanzen und singen gerne,
sich ihr Leben noch einmal
gründlich. «Wir haben miteinan-
Dolores (links) und Yolanda haben spielen auf der Gitarre zusammen der gekämpft und konnten
bei den Kleidern den gleichen ihre eigenen Lieder und entwer- einander unterstützen. Am
Geschmack, aber nicht bei den fen Marionetten. Giannina, die Schluss wurden wir einander
Männern. Yolanda kam fünf Zweitgeborene, ist die Genauere, noch einmal geschenkt», sagt
Minuten früher zur Welt. Seither, zweifelt schneller und hat mehr Angela. Da sie im gleichen
sagt sie schmunzelnd, müsse sie Fantasie. Angela ist die Realistin Spital behandelt wurden, kam
immer die schützende Hand über und grundsätzlich risikofreudiger. es immer wieder zu unange-
Dolores halten. Bis zur Lehre Seit Kindsbeinen sei das so nehmen Verwechslungen. Als
gingen die eineiigen Zwillinge gewesen. Man habe sich im sich die eineiigen Zwillinge erholt
zusammen in die Schule. Yolanda Grunde immer gut ergänzt. Als hatten, kauften sie zusammen im
hatte Mühe, als Dolores heiratete, Angela mit 20 Jahren heiratete, Tessin ein 400-jähriges Haus.
weil ihr die Zwillingsschwester zog sie nach Mailand. «Ich Giannina, die in Winterthur als
damals zu abrupt entrissen wurde. wusste, dass jemand von uns Babysitterin arbeitet, verbringt
Gesagt hat sie das ihrer Schwester diesen Schritt machen muss, jedes Wochenende bei ihrer
erst Jahre danach. Später heiratete auch wenn er sehr schwierig Schwester in Bedigliora. Nach-
Ingrid ebenfalls. Beide bekamen war.» Weil sie die Stimme der dem ihre beiden Männer gestor-
zwei Buben. «Zwischen uns anderen nicht ertragen hätten, ben sind, freuen sich die Frauen
herrscht eine tiefe Seelenver- telefonierten die Schwestern auf einen gemeinsamen Lebens-
wandtschaft», sagt Dolores. im ersten Jahr nicht ein einziges abend. «Wir sind dankbar,
Man verstehe sich ohne Worte. Mal miteinander. Dafür schrie- Zwillinge zu sein», sagt Giannina.
Wer nicht als Zwilling geboren ben sie sich jeden Tag einen Und Angela ergänzt: «Dieses
werde, verpasse etwas im Leben. Brief. Als sie vor sechs Jahren vollkommene Vertrauen,
«Eine Zwillingsschwester zu beinahe zeitgleich schwer an der gleiche Geschmack und die
haben», sagt Dolores, «ist eine einer Infektion der Bauchspei- gleichen Ideen, das ist etwas
echte Bereicherung.» cheldrüse erkrankten, veränderte Wunderbares.»
MENSCHEN ZWILLINGE | 19
ASTRID BAUMGARTNER UND ADELHEID SIGNER (48),
KÖCHIN AUS VILLIGEN UND
DIPLOMIERTE PFLEGEFACHFRAU AUS THUN
Früher war es ihnen zuwider, heute
ziehen sie sich gerne gleich an
Die Präsidentinnen des Zwillingsvereins sind überaus
gesellig. Adelheid (rechts) sagt, sie seien eigentlich für jeden
Blödsinn zu haben. «Charakterlich aber unterscheiden wir
uns.» Adelheid, die diplomierte Pflegefachfrau, ist die
einfühlsamere. Astrid musste sich als Köchin in der Louise Müller (links) und Emma
Küche schon früh durchsetzen. Ihre Art ist direkter. Stadler (98) sind das zweitälteste
Das Tanzbein schwingen wiederum beide gerne. eineiige Zwillingspaar der Welt.
Adelheid besucht einen Square-Dance-Kurs, dort
Im Alter
werden Volkstänze einstudiert. Astrid schwärmt vom
Line Dance. Wie der Name sagt, tanzen hier
Tänzerinnen und Tänzer vor- und nebeneinander
auf einer Linie. Im Winter steigt Astrid aufs
Snowboard; Adelheid zieht die guten
alten Skier vor. Als Kinder war es den
unzertrennbar
L
eineiigen Zwillingen irgendwann ouise Müller und Emma Stad-
zuwider, immer gleich angezogen zu ler sitzen im Park des St. Galler
sein. Heute besitzen sie erneut ein Pflegeheims St. Otmar. «Nie-
Dutzend Kleider, die identisch sind. mand hätte gedacht, dass wir über-
«In der Mode haben wir in etwa haupt so alt werden. Wir kamen im
den gleichen Geschmack», sagt siebten Monat zur Welt, jede wog
Astrid. Verheiratet sind beide, nur 700 Gramm», sagt Louise
aber nur Adelheid hat Kinder. Müller und blinzelt in die Sonne.
Vier an der Zahl. Astrid hat vor Nun sind die einstigen Frühchen
der Heirat eine Weile in den 98 Jahre alt und wohl das zweit-
USA gelebt und dort in der älteste eineiige Zwillingspaar der
Küche eines Restaurants Welt. Am 2. Oktober wurden im
gearbeitet. Als Adelheids belgischen Spa eineiige Zwillings-
ältester Sohn zur Welt schwestern 100 Jahre alt.
kam, zog es sie zurück Louise Müller kam vor vier
in die Schweiz. «Wäre ich Jahren ins St. Otmar. «Dann habe
damals nicht ins Flugzeug ich sofort Emma aus dem Alters-
gestiegen, würde ich vermut- heim zu mir geholt», sagt sie. Hier
lich noch heute in Amerika teilen sich die beiden ein Zimmer
leben.» Dass es nicht so und verbringen den Tag möglichst
gekommen ist, darüber sind Seite an Seite. «Deshalb ist es
beide froh. schön, Zwilling zu sein», sagt
Louise Müller. Sie freut sich im-
mer über die Besuche ihres 60-jäh-
rigen Sohns und der Nichten. Ihre
Schwester liest dafür täglich die
Zeitung.
Als Louise Müller im berni-
schen Burgdorf wohnte, sahen
sich die beiden nur alle zwei Wo-
chen. 37 Jahre lang. Nach dem Tod
ihres Mannes zog sie wieder nach
St. Gallen. Dort half sie manchmal
als Bürokraft in der Migros-Filiale
aus, die Emma Stadler 50 Jahre
lang leitete.
Emma möchte nie mehr ohne
Louise sein. Louise weiss das und
hofft deshalb, dass Emma dereinst
vor ihr von dieser Welt geht.
Yvette Hettinger
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