Einwohnerentwicklung 2020 während der Coronavirus-Pandemie - Auswirkungen auf die Münchener Wanderungsbeziehungen

Die Seite wird erstellt Horst-Adolf Freitag
 
WEITER LESEN
Einwohnerentwicklung 2020 während der Coronavirus-Pandemie - Auswirkungen auf die Münchener Wanderungsbeziehungen
Schwerpunkt Corona

Ilka Kürbis

Einwohnerentwicklung 2020 während der
Coronavirus-Pandemie – Auswirkungen auf die
Münchener Wanderungsbeziehungen

Aus Sicht der Demografie zählt die Coronavirus-Pandemie zu      Die Coronavirus-Pandemie hat das Leben und die Arbeitswelt
den Ereignissen, die bedeutende Auswirkungen auf die Einwoh-    im Jahr 2020 geprägt wie kein anderes Ereignis der letzten
nerentwicklung haben, aber in Zeitpunkt und Ausmaß nicht zu     Jahrzehnte. COVID-19 (coronavirus disease 2019) oder auch
prognostizieren sind. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pan-     kurz Corona ist eine infektiöse Atemwegserkrankung, die
demie veränderten die Rahmenbedingungen für einen möglichen     durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 entsteht. Nach
Wanderungsaustausch. Lockdown und länderspezifische Ein-        dem Robert Koch-Institut, das die zentrale Einrichtung der
reise- und Ausreisebeschränkungen betrafen verstärkt die Aus-   Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung
landswanderung und bestimmte Branchen der berufsmotivierten     und -prävention ist, stellt COVID-19 eine hohe Gefährdung für
Zuwanderung. Zuzüge und Wegzüge wurden nachgemeldet,            die Gesundheit der Bevölkerung dar.
verschoben oder aufgegeben. Insgesamt kam es in München zu          Der erste Ausbruch der Infektionskrankheit wurde Ende
weniger Wanderungsbewegungen als in den Jahren zuvor und        Dezember 2019 in China registriert, entwickelte sich dort be-
nach 20 Jahren erstmals zu einem schwachen Wanderungsver-       reits im Januar zu einer Epidemie und wurde am 11. März
lust. Im Jahr 2020 war für München dennoch ein geringes Ein-    2020 von der WHO aufgrund eines mittlerweile weltweiten
wohnerwachstum zu verzeichnen, das bemerkenswerterweise         Ausbruchs zu einer Pandemie erklärt. In Deutschland trat
auf Geburtenüberschüssen basierte.                              der erste Coronavirus-Fall am 27. Januar 2020 im Münchener
                                                                Umland auf. Während im März 2020 die Zahl der Coronavirus-
                                                                Neuinfektionen in China zurückging, verlagerte sich das Infek-
                                                                tionsgeschehen nach Europa. Ab Mitte März waren auch die
                                                                USA von der Pandemie betroffen. Im weiteren Verlauf zählten
                                                                im Mai und Juni Lateinamerika und im August Indien zu den
                                                                Hot-Spots der Coronavirus-Pandemie. Im September wurde
                                                                in den europäischen Ländern ein erneuter Anstieg der Infek-
                                                                tionszahlen und Sterbefälle festgestellt, der kontinuierlich
                                                                anhält und als zweite Welle bezeichnet wird. Seit Dezember
                                                                2020 treten auch Virusvarianten auf, die als aggressiver ein-
                                                                gestuft werden.
                                                                    Um die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen, be-
                                                                schlossen weltweit zahlreiche Länder umfangreiche Maßnah-
                                                                men, die das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben im
                                                                Sinne eines Lockdowns einschränkten. In Deutschland be-
                                                                gann der für mindestens 14 Tage angesetzte Lockdown am
                                                                22. März mit dem Beschluss von Bund und Ländern zu einem
                                                                umfassenden Kontaktverbot. Erste Lockerungen der Corona-
                                                                Schutzmaßnahmen wurden ab dem 15. April angekündigt
                                                                und schrittweise umgesetzt. Mit dem erneuten Anstieg des
Dr. Ilka Kürbis                                                 Coronavirus-Infektionsgeschehens wurde von der Bundesre-
Dipl.-Geogr., DESS Eco-Développement (F), seit 1999 im Refe-    gierung ein zweiter Teil-Lockdown ab dem 2. November be-
rat für Stadtplanung und Bauordnung der Landeshauptstadt        schlossen. Trotz weiterer Verschärfung der Kontaktbeschrän-
München zum Thema Bevölkerungsprognosen tätig.                  kungen blieb das Infektionsgeschehen weiter hoch, so dass
: ilka.kuerbis@muenchen.de                                      ein harter Lockdown ab dem 16. Dezember 2020 beschlossen
                                                                wurde, der mehrmals verlängert wurde. Ende Dezember 2020
Schlüsselwörter:                                                starteten in Deutschland die ersten Impfungen.
Einwohnerentwicklung – Pandemie – Coronavirus –                     Aus Sicht der Demografie zählt die Coronavirus-Pandemie
SARS-CoV-2 – Wanderungsbewegungen –                             zu den Ereignissen, die in Zeitpunkt und Ausmaß nicht zu
Landeshauptstadt München                                        prognostizieren sind, aber bedeutende Auswirkungen auf

66            STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2021
Einwohnerentwicklung 2020 während der Coronavirus-Pandemie - Auswirkungen auf die Münchener Wanderungsbeziehungen
Schwerpunkt Corona

die Einwohnerentwicklung haben. Dies wurde im Jahresver-         Mit 17.593 Geburten in München lag das Jahr 2020 auf einem
lauf der Monatswerte und in der Jahresbilanz 2020 deutlich.      ähnlich hohen Niveau der beiden Vorjahre. Im Jahresverlauf
Während die Coronavirus-Erkrankung direkt auf die Sterbefälle    2020 war die hohe Geburtenhäufigkeit im September mit
wirkt, sind es vor allem die Maßnahmen zur Eindämmung der        1.878 Geburten auffällig. Hingegen wurden im April nur 1.197
Pandemie, die auf die Wanderungsbewegungen wirken. Seit          Geburten gemeldet. In München sind die Geburtenzahlen zu
März 2020 haben sich die Rahmenbedingungen für einen             einem Großteil durch die starke Zuwanderung junger Men-
Wanderungsaustausch grundsätzlich geändert. Lockdown             schen zu erklären. Wie für Großstädte typisch, liegt die Ferti-
und Reisebeschränkungen sind Gründe dafür, dass Wande-           lität in München vergleichsweise niedrig und mit einer Fertili-
rungen nachgemeldet, verschoben oder aufgegeben werden.          tätsrate (TFR) von 1,3 Kindern pro Frau unter dem Bayern- und
                                                                 Bundesdurchschnitt. Auswirkungen infolge der Pandemie
                                                                 auf die Geburtenfallzahlen waren noch nicht erkennbar. In
Einwohnerentwicklung                                             der Jahresbilanz für 2020 ergab sich mit den Sterbefällen ein
                                                                 Geburtenüberschuss von insgesamt +5.142 Personen.
Die Landeshauptstadt München befindet sich seit über 20
Jahren in einer Phase mit Einwohnerwachstum. Seit 1999 sind
steigende Einwohnerzahlen zu verzeichnen, die lediglich durch
                                                                 Wanderungsmotive
Registerkorrekturen der Jahre 2006, 2009 und 2017 unterbro-
chen wurden. Dabei basiert das Einwohnerwachstum in Mün-
                                                                 Die Zuwanderung nach München hat vielfältige Gründe und
chen auf Wanderungsgewinnen und Geburtenüberschüssen.
                                                                 setzt sich aus verschiedenen Wanderungsströmen unter-
    In den Jahren 2011 bis 2015 war ein verstärktes Einwoh-
                                                                 schiedlicher Motivation zusammen. Motor für eine Zuwan-
nerwachstum mit 1,8 % bis 2,1 % pro Jahr zu beobachten, das
                                                                 derung nach München sind vor allem Ausbildung und Beruf.
auf eine hohe Zuwanderung aus dem Ausland zurückzuführen
                                                                 Während der berufsmotivierte Zuzug verstärkt im Zusammen-
war. Seit 2017 hat sich die hohe Wanderungsdynamik etwas
                                                                 hang mit der wirtschaftlichen Entwicklung steht, sind es die
abgeschwächt und die Einwohnerentwicklung zeigt ein mo-
                                                                 Ausbildungsstätten und Universitäten, die alljährlich junge
derates Wachstum, das 2018 bei 1,0 % und 2019 bei 1,2 % lag.
                                                                 Erwachsene motivieren, nach München zu ziehen.
    Nach Einwohnerzuwächsen Anfang 2020 wurden von
                                                                      Attraktive Großstädte wie München sind bevorzugte
März bis August Einwohnerverluste in München registriert.
                                                                 Ankunftsorte für Zuwandernde aus dem Ausland, die über
Grund waren reduzierte Wanderungsbewegungen, die im
                                                                 bereits bestehende Verbindungen verstärkt werden. Hierbei
Zusammenhang mit den Maßnahmen zur Eindämmung der
                                                                 ist München als Teil des Wanderungsaustausches in überge-
Pandemie standen und zunächst verstärkt die Zuzüge betra-
                                                                 ordnete Prozesse eingebunden und von externen Faktoren
fen. Wanderungsgewinne und damit verbundene Einwohner-
                                                                 abhängig, die zum Teil in den Herkunftsländern entstehen. In
zuwächse wurden erst wieder in den Monaten September bis
                                                                 den letzten Jahren stand die Auslandswanderung im Kontext
November gemeldet. In der Jahresbilanz 2020 wurden leichte
                                                                 der EU-Osterweiterung, der Eurokrise und den anhaltenden
Wanderungsverluste festgestellt, die aber durch Geburten-
                                                                 Konflikten im Nahen Osten und in Afrika. Daneben zeigten
überschüsse kompensiert wurden und in der Summe zu einem
                                                                 auch die Aufhebung der EU-Visapflicht und die wirtschaftliche
schwachen Einwohnerwachstum führten. Ende Dezember
                                                                 Globalisierung Auswirkungen auf die Wanderungsbewegun-
2020 waren 1.593.488 Einwohnerinnen und Einwohner mit
                                                                 gen in München.
Haupt- oder Nebenwohnsitz in München gemeldet. Dies wa-
                                                                      Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben
ren +2.517 Personen bzw. 0,16 % mehr als Ende 2019.
                                                                 die bisherigen Wanderungsmotive eingeschränkt. Systemre-
                                                                 levante Branchen waren weniger stark betroffen als andere
                                                                 Branchen wie Gastronomie, Tourismus oder Einzelhandel. Hier
Geburten und Sterbefälle
                                                                 ist anzunehmen, dass die wirtschaftliche Entwicklung der stär-
Im Jahr 2020 verstarben 12.451 Münchnerinnen und Münch-          ker betroffenen Branchen einen Teil der berufsmotivierten
ner, davon 4,7 % bzw. 579 mit COVID-19. Die höchsten Sterbe-     Zuwanderung einschränkte. Aber auch die unsichere Situation
fallzahlen mit COVID-19 wurden im Dezember 2020 mit 221          und Perspektive während der Pandemie können Gründe für
(18,9 %), im November mit 108 (10,3 %) und zu Anfang der         eine geringere Wanderungsmotivation gewesen sein.
Pandemie im April mit 161 (13,5 %) Sterbefällen registriert.          Die Reisebeschränkungen und die Grenzschließungen
Hingegen wurden in den vier Monaten Juni bis September           reduzierten erwartungsgemäß die Möglichkeit eines Wan-
nur 12 (0,3 %) Sterbefälle mit COVID-19 festgestellt.            derungsaustauschs mit dem Ausland. Dabei waren die Pan-
     Insgesamt wurden im Jahr 2020 mehr Sterbefälle als in       demieentwicklung und die länderspezifischen Maßnahmen
den Jahren zuvor gemeldet. 2020 waren es 12.451 und 2019         der jeweiligen Herkunftsländer von Bedeutung, die an Gren-
11.714 Sterbefälle in München. Die rohe Sterberate (CDR)         zen gebunden waren und sich in Ausmaß, Zeitpunkt, Dauer
fiel 2020 mit 782 höher aus als 2019 mit 741 Sterbefällen auf    und Wiederholung unterschieden. Über das Jahr betrachtet
100.000 Einwohnerinnen und Einwohner gerechnet. Auch             waren die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-
unter Berücksichtigung der Altersstruktur zeigte sich 2020       Pandemie sehr unterschiedlich. Auch innerhalb Deutschlands
eine höhere Sterblichkeit. Theoretisch betrachtet würde die      unterschieden sich die Maßnahmen je nach Bundesland und
Zahl der Sterbefälle für 2020 bei nur 12.014 liegen, wenn die    zusätzlich lokal mit weiteren Auflagen für Hot-Spots mit hohen
altersspezifischen Sterberaten von 2019 für die (durchschnitt-   Inzidenzwerten.
liche) Einwohnerzahl 2020 angenommen werden.

                                                                              STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2021            67
Einwohnerentwicklung 2020 während der Coronavirus-Pandemie - Auswirkungen auf die Münchener Wanderungsbeziehungen
Schwerpunkt Corona

Grafik 1: Einwohnerentwicklung, Geburten und Sterbefälle und Zu- und Wegzüge von Januar 2018 bis Dezember 2020

Einwohnerentwicklung

Einwohnerinnen und Einwohner
mit Haupt- oder Nebenwohnsitz
in München

Geburten und Sterbefälle

Die COVID-19 Sterbezahlen
enthalten Sterbefälle, die mit
oder an COVID-19 verstorben sind

Zu- und Wegzüge

Wanderungsbewegungen
über die Stadtgrenze Münchens

Anmerkungen
Die Daten beziehen sich auf die Meldung eines Ereignisses. Die Anzahl und Lage von Feiertagen eines Kalendermonats haben Einfluss auf die
Meldung und den Eintrag im Melderegister.
Einwohner- und Einwohnerinnen mit Haupt- oder Nebenwohnsitz, Geburten und COVID-19 Sterbefälle am Hauptwohnsitz.
Für Mai 2018 liegt kein Abzug der Einwohnerdaten vor. In der Grafik wurde der Wert interpoliert.
Ein Großteil der Bevölkerungsbewegungen von November 2019 wurde erst im Dezember 2019 berichtet. In den Grafiken erfolgte eine nach-
trägliche Umverteilung in Anlehnung der Vorjahre.
Datenquellen: Statistisches Amt der Landeshauptstadt München, ZIMAS-Datenbank; Sterbefälle mit oder an COVID-19: muenchen.de/coronazahlen

68           STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2021
Einwohnerentwicklung 2020 während der Coronavirus-Pandemie - Auswirkungen auf die Münchener Wanderungsbeziehungen
Schwerpunkt Corona

Grafik 2: Wanderungsbewegungen nach Räumen von Januar 2018 bis Dezember 2020

Herkunft der Zuzüge
innerhalb Deutschlands

aus anderen Gemeinden
Deutschlands nach München

Ziele der Wegzüge
innerhalb Deutschlands

von München in andere
Gemeinden Deutschlands

Herkunft der Zuzüge
Auslandswanderung

aus dem Ausland nach München

Ziele der Wegzüge
Auslandswanderung

von München ins Ausland

                                                                       STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2021   69
Einwohnerentwicklung 2020 während der Coronavirus-Pandemie - Auswirkungen auf die Münchener Wanderungsbeziehungen
Schwerpunkt Corona

Wanderungsbewegungen                                             In der Jahresbilanz für die Wanderungsbewegungen innerhalb
                                                                 Deutschlands ergab sich mit insgesamt 58.794 Zuzügen und
Städte wie München leben von der Zuwanderung. In München         69.088 Wegzügen ein Wanderungsdefizit in Höhe von -10.294
haben die Wanderungen ein vielfach höheres Volumen als die       Personen. Aufgrund der vergleichsweise höheren Wegzugs-
natürlichen Bevölkerungsbewegungen und direkten Einfluss         zahlen fiel das Defizit 2020 stärker aus als 2019 mit -3.787
auf die Einwohnerzahl und -struktur. Da sich die Zuzugs- und     Personen. Im Vergleich zum Vorjahr wurden 2020 insgesamt
Wegzugsstruktur altersspezifisch unterscheiden, ist neben        95 % der Zuzüge aus anderen Gemeinden Deutschlands nach
dem Saldo auch das Wanderungsaufkommen für den Bevöl-            München und 105 % der Wegzüge aus München in andere
kerungsaufbau von Bedeutung.                                     Gemeinden Deutschlands erreicht. Die erhöhte Anzahl der
    Im Jahresverlauf der Wanderungsbewegungen wird die           Wegzüge deutet darauf hin, dass es sich auch um neu moti-
ausbildungsbezogene Zuwanderung nach München in den              vierte Wanderungen handeln könnte, die im Zusammenhang
Monaten September und Oktober deutlich. Hingegen über-           mit der Pandemie ausgelöst wurden. Es ist anzunehmen, dass
wiegen im August oftmals die Wegzüge. Von März bis August        ein Teil der zuvor nach München Zugezogenen ihre ursprüng-
2020 wurden weniger Zu- und Wegzüge als in den Jahren zu-        liche Zuzugsmotivation aufgrund der Pandemie nicht realisie-
vor gemeldet. Die Zuzüge erreichten im April und Mai nur die     ren konnten und wieder zurückkehrten bzw. von München
Hälfte der Monatswerte des Vorjahres 2019. Ab August stiegen     fortzogen.
die Zuzugszahlen und betrugen zwischen 85 % und 100 %                Im weiteren Kontext der Wanderungen sind auch die Um-
der Vorjahreswerte. Bei den Wegzügen fiel die Reduzierung        züge innerhalb der Stadtgrenze Münchens von Bedeutung.
weniger stark aus. Im April wurden 62 % und im Mai bereits       Mit 115.032 Umzügen in München waren es sogar mehr Be-
86 % der Vorjahresmonatswerte erreicht. Zum Jahresende hin       wegungen innerhalb der Stadt als im Vorjahr. Dabei lagen
lagen die Wegzugszahlen teilweise über den Vorjahreswerten.      die Umzugszahlen zu Beginn der Pandemie von März bis Mai
    Insgesamt war die Wanderungsdynamik 2020 reduziert. Im       unter dem Durchschnitt und ab August wiederum über dem
Vergleich zum Vorjahr 2019 wurden 82 % der Zuzüge und 94%        Durchschnitt der Vorjahresmonate.
der Wegzüge erreicht. Abgesehen von den Registerkorrektu-
ren wurden nach 20 Jahren erstmalig Wanderungsverluste in
München registriert. Die Bilanz für 2020 zeigte mit 94.751 Zu-
                                                                 Auslandswanderung
zügen und 98.537 Wegzügen ein Wanderungsdefizit in Höhe
von insgesamt -3.786 Personen.                                   Stärkere Auswirkungen der Maßnahmen zur Eindämmung
                                                                 der Pandemie betrafen die Wanderungsbeziehungen mit dem
                                                                 Ausland. Dabei war der Wanderungsaustausch mit dem Aus-
Wanderungen innerhalb Deutschlands                               land grundsätzlich von den länderspezifischen Maßnahmen
                                                                 mit Einreise- und Ausreisebeschränkungen geprägt, die sich
Die Reduzierung der Wanderungen innerhalb Deutschlands           hinsichtlich Zeit und Ausmaß unterschieden und an Länder-
begann mit dem ersten Lockdown im März 2020 und war im           grenzen orientierten.
April am deutlichsten. Die Zuzüge aus anderen Gemeinden              Die Rückgänge der Zu- und Wegzüge waren deutlich sicht-
Deutschlands nach München lagen im April und Mai um ein          bar, hielten länger an und lagen bis zum Jahresende weiter
Drittel niedriger als in den Vorjahresmonaten. Mit Lockerungen   unter dem Niveau der Vorjahre. Die Zuzüge waren auch bei
der Maßnahmen stiegen auch die die Zuzugszahlen ab Juni          der Auslandswanderung stärker betroffen als die Wegzüge.
wieder und lagen teilweise sogar über den Monatswerten von       2020 wurden 67 % der Zuzüge und 78 % der Wegzüge der
2019. Bei den Wegzügen konzentrierte sich der Einschnitt auf     Vorjahreswerte der Auslandswanderung erreicht. Dabei wur-
den April. Bereits ab Mai 2020 lagen die Monatswerten der        den Wanderungen nachgemeldet und verschoben. Ein Teil
Wegzüge über denen des Vorjahres 2019. Die vergleichsweise       des in den Vorjahren stattgefundenen Wanderungsvolumens
hohe Wanderungsdynamik zum Jahresende deutet darauf hin,         blieb 2020 aber aus. Die Differenzierung der Wanderungsda-
dass es sich zum Teil um Nachmeldungen und um verschobene        ten nach Räumen zeigte auch eine entfernungsabhängige
bzw. nachgeholte Zu- und Wegzüge handelte.                       Komponente.
    Der Wanderungsaustausch mit dem Münchener Umland                 Der Rückgang der Zuzüge aus Ländern Asiens war am
erreichte nach starken Zuzügen von August bis Oktober sogar      stärksten, was sich bereits im Februar 2020 ankündigte. Im Mai
das Vorjahresniveau. Mit den ebenfalls starken Wegzügen fiel     erreichten die Zuzüge nur ein Fünftel der Vorjahreswerte. Mit
der Wanderungsverlust in das Umland geringfügig höher aus.       5.330 Zuzügen aus Asien nach München hatte sich die Zuwan-
Eine Zunahme der Stadt-Umland-Wanderung, die durch verän-        derung 2020 aus Ländern Asiens fast halbiert. Dies zeigte sich
derte Arbeitsformen wie Home-Office ausgelöst werden könn-       beispielhaft bei den zuzugsstarken Ländern Indien und China,
te, war nicht erkennbar. Ein Zuzug in die Landeshauptstadt       die beide von der Coronavirus-Pandemie betroffen waren.
blieb weiter attraktiv. Der Trend, dass München Bevölkerung      China traf es verstärkt zu Beginn der Pandemie und Indien ab
durch Zuwanderung aus anderen Bundesländern gewinnt              August 2020. Die Zuwanderung aus Indien betrug 2019 noch
und an das Umland und Oberbayern verliert, war auch 2020         2.708 und reduzierte sich 2020 auf 1.067 Personen; aus China
zu beobachten. Der Saldoverlust im Wanderungsaustausch           waren es 2019 1.731 und 2020 nur 746 Zuzüge.
innerhalb Bayerns lag bei -12.210 Personen. Mit den anderen          Die Reisebeschränkungen innerhalb der EU waren we-
Bundesländern erzielte München Wanderungsgewinne in              niger hoch und betrafen mehr die privaten oder touristisch
Höhe von +1.916 Personen.                                        veranlassten Reisen als die berufsmotivierten Wanderungen.

70          STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2021
Einwohnerentwicklung 2020 während der Coronavirus-Pandemie - Auswirkungen auf die Münchener Wanderungsbeziehungen
Schwerpunkt Corona

Entsprechend waren die zahlenmäßig bedeutenden Wande-          Ausblick
rungsbeziehungen mit Ländern der EU weniger stark beein-
trächtigt. Im Jahresverlauf der Wanderungsbewegungen war       Die Coronavirus-Pandemie hat das Leben und die Arbeitswelt
nach dem Lockdown im Frühjahr wieder der ausbildungs-          im Jahr 2020 geprägt und auch die Einwohnerentwicklung
bezogene Zuzug in den Monaten September und Oktober            in München beeinflusst. Dabei ist die Pandemie ein Ereignis,
erkennbar. Bis zum Jahresende wurde 74 % der Zuwanderung       das nicht vorhersehbar war und für das es an vergleichbaren
aus Ländern der EU des Vorjahres erreicht. Die Zuwanderung     Ereignissen in den letzten Jahrzehnten fehlte.
aus Rumänien betrug 2019 insgesamt 3.516 und 2020 2.363            Die vorliegende Beschreibung und Auswertung der Mo-
Personen; aus Italien waren es 2019 insgesamt 3.181 und 2020   natsdaten geben eine erste Einschätzung zu den demografi-
2.170 Zuzüge nach München. Der temporäre Einreisestopp aus     schen Auswirkungen der Pandemie in München. Die Kenntnis
europäischen Ländern außerhalb der EU wirkte sich wiederum     der aktuellen und zukünftig zu erwartende Einwohnerent-
etwas mehr aus. Aus diesen Ländern wurden 2020 66 % der        wicklung ist in der Stadtentwicklungsplanung generell für
Zuzüge des Vorjahres gemeldet.                                 planerische Strategien und Maßnahmen bedeutend und eine
    Mit insgesamt 33.483 Zuzügen aus dem Ausland und           Grundlage für fachliche und räumlich differenzierte Prognosen
20.147 Wegzügen in das Ausland wurde ein Wanderungsge-         und Infrastrukturplanungen.
winn von +13.336 Personen in München erreicht. Das war etwa        Nach dem jetzigen Kenntnisstand zum weiteren Pande-
die Hälfte des Saldos von 2019 mit +24.284 Personen. Den       mieverlauf werden die Einschränkungen auch das Jahr 2021
Gewinnen aus der Auslandswanderung stehen die Verluste         treffen und das bisher bekannte Einwohnerwachstum in
aus der Wanderung innerhalb Deutschlands gegenüber. Für        München abschwächen. Es ist zu erwarten, dass mit Aufhe-
die Gesamtbilanz sind zusätzlich die Datensätze ohne räum-     bung der Einreise- und Ausreisebeschränkungen die Wan-
liche Zuordnung zu berücksichtigen, dessen Saldo 2020 bei      derungsdynamik mit dem Ausland wieder steigen wird. Für
-6.828 Personen lag.                                           die berufsmotivierten Wanderungen hingegen werden die
                                                               folgenden wirtschaftlichen Entwicklungen auf dem Arbeits-
                                                               markt entscheidend werden.
                                                                   Von der Pandemie direkt oder erst im weiteren Verlauf
                                                               ausgelöst, ist auch mit langfristen Veränderungen zu rechnen,
                                                               die beispielsweise die Wohnpräferenzen, veränderte Arbeits-
                                                               formen oder den Trend zur wirtschaftlichen Globalisierung be-
                                                               treffen. Weitere Veränderungen sind für das Fertilitätsverhalten
                                                               oder die Mortalität denkbar. Zukünftig wird der Fokus auf der
                                                               Abschätzung nachhaltiger Auswirkungen liegen und inwiefern
                                                               sich Trends abzeichnen, die sich auch in den Einwohnerdaten
                                                               wiederspiegeln.

                                                                            STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2021             71
Sie können auch lesen