Einwohnerentwicklung 2020 während der Coronavirus-Pandemie - Auswirkungen auf die Münchener Wanderungsbeziehungen
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Schwerpunkt Corona Ilka Kürbis Einwohnerentwicklung 2020 während der Coronavirus-Pandemie – Auswirkungen auf die Münchener Wanderungsbeziehungen Aus Sicht der Demografie zählt die Coronavirus-Pandemie zu Die Coronavirus-Pandemie hat das Leben und die Arbeitswelt den Ereignissen, die bedeutende Auswirkungen auf die Einwoh- im Jahr 2020 geprägt wie kein anderes Ereignis der letzten nerentwicklung haben, aber in Zeitpunkt und Ausmaß nicht zu Jahrzehnte. COVID-19 (coronavirus disease 2019) oder auch prognostizieren sind. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pan- kurz Corona ist eine infektiöse Atemwegserkrankung, die demie veränderten die Rahmenbedingungen für einen möglichen durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 entsteht. Nach Wanderungsaustausch. Lockdown und länderspezifische Ein- dem Robert Koch-Institut, das die zentrale Einrichtung der reise- und Ausreisebeschränkungen betrafen verstärkt die Aus- Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung landswanderung und bestimmte Branchen der berufsmotivierten und -prävention ist, stellt COVID-19 eine hohe Gefährdung für Zuwanderung. Zuzüge und Wegzüge wurden nachgemeldet, die Gesundheit der Bevölkerung dar. verschoben oder aufgegeben. Insgesamt kam es in München zu Der erste Ausbruch der Infektionskrankheit wurde Ende weniger Wanderungsbewegungen als in den Jahren zuvor und Dezember 2019 in China registriert, entwickelte sich dort be- nach 20 Jahren erstmals zu einem schwachen Wanderungsver- reits im Januar zu einer Epidemie und wurde am 11. März lust. Im Jahr 2020 war für München dennoch ein geringes Ein- 2020 von der WHO aufgrund eines mittlerweile weltweiten wohnerwachstum zu verzeichnen, das bemerkenswerterweise Ausbruchs zu einer Pandemie erklärt. In Deutschland trat auf Geburtenüberschüssen basierte. der erste Coronavirus-Fall am 27. Januar 2020 im Münchener Umland auf. Während im März 2020 die Zahl der Coronavirus- Neuinfektionen in China zurückging, verlagerte sich das Infek- tionsgeschehen nach Europa. Ab Mitte März waren auch die USA von der Pandemie betroffen. Im weiteren Verlauf zählten im Mai und Juni Lateinamerika und im August Indien zu den Hot-Spots der Coronavirus-Pandemie. Im September wurde in den europäischen Ländern ein erneuter Anstieg der Infek- tionszahlen und Sterbefälle festgestellt, der kontinuierlich anhält und als zweite Welle bezeichnet wird. Seit Dezember 2020 treten auch Virusvarianten auf, die als aggressiver ein- gestuft werden. Um die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen, be- schlossen weltweit zahlreiche Länder umfangreiche Maßnah- men, die das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben im Sinne eines Lockdowns einschränkten. In Deutschland be- gann der für mindestens 14 Tage angesetzte Lockdown am 22. März mit dem Beschluss von Bund und Ländern zu einem umfassenden Kontaktverbot. Erste Lockerungen der Corona- Schutzmaßnahmen wurden ab dem 15. April angekündigt und schrittweise umgesetzt. Mit dem erneuten Anstieg des Dr. Ilka Kürbis Coronavirus-Infektionsgeschehens wurde von der Bundesre- Dipl.-Geogr., DESS Eco-Développement (F), seit 1999 im Refe- gierung ein zweiter Teil-Lockdown ab dem 2. November be- rat für Stadtplanung und Bauordnung der Landeshauptstadt schlossen. Trotz weiterer Verschärfung der Kontaktbeschrän- München zum Thema Bevölkerungsprognosen tätig. kungen blieb das Infektionsgeschehen weiter hoch, so dass : ilka.kuerbis@muenchen.de ein harter Lockdown ab dem 16. Dezember 2020 beschlossen wurde, der mehrmals verlängert wurde. Ende Dezember 2020 Schlüsselwörter: starteten in Deutschland die ersten Impfungen. Einwohnerentwicklung – Pandemie – Coronavirus – Aus Sicht der Demografie zählt die Coronavirus-Pandemie SARS-CoV-2 – Wanderungsbewegungen – zu den Ereignissen, die in Zeitpunkt und Ausmaß nicht zu Landeshauptstadt München prognostizieren sind, aber bedeutende Auswirkungen auf 66 STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2021
Schwerpunkt Corona die Einwohnerentwicklung haben. Dies wurde im Jahresver- Mit 17.593 Geburten in München lag das Jahr 2020 auf einem lauf der Monatswerte und in der Jahresbilanz 2020 deutlich. ähnlich hohen Niveau der beiden Vorjahre. Im Jahresverlauf Während die Coronavirus-Erkrankung direkt auf die Sterbefälle 2020 war die hohe Geburtenhäufigkeit im September mit wirkt, sind es vor allem die Maßnahmen zur Eindämmung der 1.878 Geburten auffällig. Hingegen wurden im April nur 1.197 Pandemie, die auf die Wanderungsbewegungen wirken. Seit Geburten gemeldet. In München sind die Geburtenzahlen zu März 2020 haben sich die Rahmenbedingungen für einen einem Großteil durch die starke Zuwanderung junger Men- Wanderungsaustausch grundsätzlich geändert. Lockdown schen zu erklären. Wie für Großstädte typisch, liegt die Ferti- und Reisebeschränkungen sind Gründe dafür, dass Wande- lität in München vergleichsweise niedrig und mit einer Fertili- rungen nachgemeldet, verschoben oder aufgegeben werden. tätsrate (TFR) von 1,3 Kindern pro Frau unter dem Bayern- und Bundesdurchschnitt. Auswirkungen infolge der Pandemie auf die Geburtenfallzahlen waren noch nicht erkennbar. In Einwohnerentwicklung der Jahresbilanz für 2020 ergab sich mit den Sterbefällen ein Geburtenüberschuss von insgesamt +5.142 Personen. Die Landeshauptstadt München befindet sich seit über 20 Jahren in einer Phase mit Einwohnerwachstum. Seit 1999 sind steigende Einwohnerzahlen zu verzeichnen, die lediglich durch Wanderungsmotive Registerkorrekturen der Jahre 2006, 2009 und 2017 unterbro- chen wurden. Dabei basiert das Einwohnerwachstum in Mün- Die Zuwanderung nach München hat vielfältige Gründe und chen auf Wanderungsgewinnen und Geburtenüberschüssen. setzt sich aus verschiedenen Wanderungsströmen unter- In den Jahren 2011 bis 2015 war ein verstärktes Einwoh- schiedlicher Motivation zusammen. Motor für eine Zuwan- nerwachstum mit 1,8 % bis 2,1 % pro Jahr zu beobachten, das derung nach München sind vor allem Ausbildung und Beruf. auf eine hohe Zuwanderung aus dem Ausland zurückzuführen Während der berufsmotivierte Zuzug verstärkt im Zusammen- war. Seit 2017 hat sich die hohe Wanderungsdynamik etwas hang mit der wirtschaftlichen Entwicklung steht, sind es die abgeschwächt und die Einwohnerentwicklung zeigt ein mo- Ausbildungsstätten und Universitäten, die alljährlich junge derates Wachstum, das 2018 bei 1,0 % und 2019 bei 1,2 % lag. Erwachsene motivieren, nach München zu ziehen. Nach Einwohnerzuwächsen Anfang 2020 wurden von Attraktive Großstädte wie München sind bevorzugte März bis August Einwohnerverluste in München registriert. Ankunftsorte für Zuwandernde aus dem Ausland, die über Grund waren reduzierte Wanderungsbewegungen, die im bereits bestehende Verbindungen verstärkt werden. Hierbei Zusammenhang mit den Maßnahmen zur Eindämmung der ist München als Teil des Wanderungsaustausches in überge- Pandemie standen und zunächst verstärkt die Zuzüge betra- ordnete Prozesse eingebunden und von externen Faktoren fen. Wanderungsgewinne und damit verbundene Einwohner- abhängig, die zum Teil in den Herkunftsländern entstehen. In zuwächse wurden erst wieder in den Monaten September bis den letzten Jahren stand die Auslandswanderung im Kontext November gemeldet. In der Jahresbilanz 2020 wurden leichte der EU-Osterweiterung, der Eurokrise und den anhaltenden Wanderungsverluste festgestellt, die aber durch Geburten- Konflikten im Nahen Osten und in Afrika. Daneben zeigten überschüsse kompensiert wurden und in der Summe zu einem auch die Aufhebung der EU-Visapflicht und die wirtschaftliche schwachen Einwohnerwachstum führten. Ende Dezember Globalisierung Auswirkungen auf die Wanderungsbewegun- 2020 waren 1.593.488 Einwohnerinnen und Einwohner mit gen in München. Haupt- oder Nebenwohnsitz in München gemeldet. Dies wa- Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben ren +2.517 Personen bzw. 0,16 % mehr als Ende 2019. die bisherigen Wanderungsmotive eingeschränkt. Systemre- levante Branchen waren weniger stark betroffen als andere Branchen wie Gastronomie, Tourismus oder Einzelhandel. Hier Geburten und Sterbefälle ist anzunehmen, dass die wirtschaftliche Entwicklung der stär- Im Jahr 2020 verstarben 12.451 Münchnerinnen und Münch- ker betroffenen Branchen einen Teil der berufsmotivierten ner, davon 4,7 % bzw. 579 mit COVID-19. Die höchsten Sterbe- Zuwanderung einschränkte. Aber auch die unsichere Situation fallzahlen mit COVID-19 wurden im Dezember 2020 mit 221 und Perspektive während der Pandemie können Gründe für (18,9 %), im November mit 108 (10,3 %) und zu Anfang der eine geringere Wanderungsmotivation gewesen sein. Pandemie im April mit 161 (13,5 %) Sterbefällen registriert. Die Reisebeschränkungen und die Grenzschließungen Hingegen wurden in den vier Monaten Juni bis September reduzierten erwartungsgemäß die Möglichkeit eines Wan- nur 12 (0,3 %) Sterbefälle mit COVID-19 festgestellt. derungsaustauschs mit dem Ausland. Dabei waren die Pan- Insgesamt wurden im Jahr 2020 mehr Sterbefälle als in demieentwicklung und die länderspezifischen Maßnahmen den Jahren zuvor gemeldet. 2020 waren es 12.451 und 2019 der jeweiligen Herkunftsländer von Bedeutung, die an Gren- 11.714 Sterbefälle in München. Die rohe Sterberate (CDR) zen gebunden waren und sich in Ausmaß, Zeitpunkt, Dauer fiel 2020 mit 782 höher aus als 2019 mit 741 Sterbefällen auf und Wiederholung unterschieden. Über das Jahr betrachtet 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner gerechnet. Auch waren die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus- unter Berücksichtigung der Altersstruktur zeigte sich 2020 Pandemie sehr unterschiedlich. Auch innerhalb Deutschlands eine höhere Sterblichkeit. Theoretisch betrachtet würde die unterschieden sich die Maßnahmen je nach Bundesland und Zahl der Sterbefälle für 2020 bei nur 12.014 liegen, wenn die zusätzlich lokal mit weiteren Auflagen für Hot-Spots mit hohen altersspezifischen Sterberaten von 2019 für die (durchschnitt- Inzidenzwerten. liche) Einwohnerzahl 2020 angenommen werden. STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2021 67
Schwerpunkt Corona Grafik 1: Einwohnerentwicklung, Geburten und Sterbefälle und Zu- und Wegzüge von Januar 2018 bis Dezember 2020 Einwohnerentwicklung Einwohnerinnen und Einwohner mit Haupt- oder Nebenwohnsitz in München Geburten und Sterbefälle Die COVID-19 Sterbezahlen enthalten Sterbefälle, die mit oder an COVID-19 verstorben sind Zu- und Wegzüge Wanderungsbewegungen über die Stadtgrenze Münchens Anmerkungen Die Daten beziehen sich auf die Meldung eines Ereignisses. Die Anzahl und Lage von Feiertagen eines Kalendermonats haben Einfluss auf die Meldung und den Eintrag im Melderegister. Einwohner- und Einwohnerinnen mit Haupt- oder Nebenwohnsitz, Geburten und COVID-19 Sterbefälle am Hauptwohnsitz. Für Mai 2018 liegt kein Abzug der Einwohnerdaten vor. In der Grafik wurde der Wert interpoliert. Ein Großteil der Bevölkerungsbewegungen von November 2019 wurde erst im Dezember 2019 berichtet. In den Grafiken erfolgte eine nach- trägliche Umverteilung in Anlehnung der Vorjahre. Datenquellen: Statistisches Amt der Landeshauptstadt München, ZIMAS-Datenbank; Sterbefälle mit oder an COVID-19: muenchen.de/coronazahlen 68 STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2021
Schwerpunkt Corona Grafik 2: Wanderungsbewegungen nach Räumen von Januar 2018 bis Dezember 2020 Herkunft der Zuzüge innerhalb Deutschlands aus anderen Gemeinden Deutschlands nach München Ziele der Wegzüge innerhalb Deutschlands von München in andere Gemeinden Deutschlands Herkunft der Zuzüge Auslandswanderung aus dem Ausland nach München Ziele der Wegzüge Auslandswanderung von München ins Ausland STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2021 69
Schwerpunkt Corona Wanderungsbewegungen In der Jahresbilanz für die Wanderungsbewegungen innerhalb Deutschlands ergab sich mit insgesamt 58.794 Zuzügen und Städte wie München leben von der Zuwanderung. In München 69.088 Wegzügen ein Wanderungsdefizit in Höhe von -10.294 haben die Wanderungen ein vielfach höheres Volumen als die Personen. Aufgrund der vergleichsweise höheren Wegzugs- natürlichen Bevölkerungsbewegungen und direkten Einfluss zahlen fiel das Defizit 2020 stärker aus als 2019 mit -3.787 auf die Einwohnerzahl und -struktur. Da sich die Zuzugs- und Personen. Im Vergleich zum Vorjahr wurden 2020 insgesamt Wegzugsstruktur altersspezifisch unterscheiden, ist neben 95 % der Zuzüge aus anderen Gemeinden Deutschlands nach dem Saldo auch das Wanderungsaufkommen für den Bevöl- München und 105 % der Wegzüge aus München in andere kerungsaufbau von Bedeutung. Gemeinden Deutschlands erreicht. Die erhöhte Anzahl der Im Jahresverlauf der Wanderungsbewegungen wird die Wegzüge deutet darauf hin, dass es sich auch um neu moti- ausbildungsbezogene Zuwanderung nach München in den vierte Wanderungen handeln könnte, die im Zusammenhang Monaten September und Oktober deutlich. Hingegen über- mit der Pandemie ausgelöst wurden. Es ist anzunehmen, dass wiegen im August oftmals die Wegzüge. Von März bis August ein Teil der zuvor nach München Zugezogenen ihre ursprüng- 2020 wurden weniger Zu- und Wegzüge als in den Jahren zu- liche Zuzugsmotivation aufgrund der Pandemie nicht realisie- vor gemeldet. Die Zuzüge erreichten im April und Mai nur die ren konnten und wieder zurückkehrten bzw. von München Hälfte der Monatswerte des Vorjahres 2019. Ab August stiegen fortzogen. die Zuzugszahlen und betrugen zwischen 85 % und 100 % Im weiteren Kontext der Wanderungen sind auch die Um- der Vorjahreswerte. Bei den Wegzügen fiel die Reduzierung züge innerhalb der Stadtgrenze Münchens von Bedeutung. weniger stark aus. Im April wurden 62 % und im Mai bereits Mit 115.032 Umzügen in München waren es sogar mehr Be- 86 % der Vorjahresmonatswerte erreicht. Zum Jahresende hin wegungen innerhalb der Stadt als im Vorjahr. Dabei lagen lagen die Wegzugszahlen teilweise über den Vorjahreswerten. die Umzugszahlen zu Beginn der Pandemie von März bis Mai Insgesamt war die Wanderungsdynamik 2020 reduziert. Im unter dem Durchschnitt und ab August wiederum über dem Vergleich zum Vorjahr 2019 wurden 82 % der Zuzüge und 94% Durchschnitt der Vorjahresmonate. der Wegzüge erreicht. Abgesehen von den Registerkorrektu- ren wurden nach 20 Jahren erstmalig Wanderungsverluste in München registriert. Die Bilanz für 2020 zeigte mit 94.751 Zu- Auslandswanderung zügen und 98.537 Wegzügen ein Wanderungsdefizit in Höhe von insgesamt -3.786 Personen. Stärkere Auswirkungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie betrafen die Wanderungsbeziehungen mit dem Ausland. Dabei war der Wanderungsaustausch mit dem Aus- Wanderungen innerhalb Deutschlands land grundsätzlich von den länderspezifischen Maßnahmen mit Einreise- und Ausreisebeschränkungen geprägt, die sich Die Reduzierung der Wanderungen innerhalb Deutschlands hinsichtlich Zeit und Ausmaß unterschieden und an Länder- begann mit dem ersten Lockdown im März 2020 und war im grenzen orientierten. April am deutlichsten. Die Zuzüge aus anderen Gemeinden Die Rückgänge der Zu- und Wegzüge waren deutlich sicht- Deutschlands nach München lagen im April und Mai um ein bar, hielten länger an und lagen bis zum Jahresende weiter Drittel niedriger als in den Vorjahresmonaten. Mit Lockerungen unter dem Niveau der Vorjahre. Die Zuzüge waren auch bei der Maßnahmen stiegen auch die die Zuzugszahlen ab Juni der Auslandswanderung stärker betroffen als die Wegzüge. wieder und lagen teilweise sogar über den Monatswerten von 2020 wurden 67 % der Zuzüge und 78 % der Wegzüge der 2019. Bei den Wegzügen konzentrierte sich der Einschnitt auf Vorjahreswerte der Auslandswanderung erreicht. Dabei wur- den April. Bereits ab Mai 2020 lagen die Monatswerten der den Wanderungen nachgemeldet und verschoben. Ein Teil Wegzüge über denen des Vorjahres 2019. Die vergleichsweise des in den Vorjahren stattgefundenen Wanderungsvolumens hohe Wanderungsdynamik zum Jahresende deutet darauf hin, blieb 2020 aber aus. Die Differenzierung der Wanderungsda- dass es sich zum Teil um Nachmeldungen und um verschobene ten nach Räumen zeigte auch eine entfernungsabhängige bzw. nachgeholte Zu- und Wegzüge handelte. Komponente. Der Wanderungsaustausch mit dem Münchener Umland Der Rückgang der Zuzüge aus Ländern Asiens war am erreichte nach starken Zuzügen von August bis Oktober sogar stärksten, was sich bereits im Februar 2020 ankündigte. Im Mai das Vorjahresniveau. Mit den ebenfalls starken Wegzügen fiel erreichten die Zuzüge nur ein Fünftel der Vorjahreswerte. Mit der Wanderungsverlust in das Umland geringfügig höher aus. 5.330 Zuzügen aus Asien nach München hatte sich die Zuwan- Eine Zunahme der Stadt-Umland-Wanderung, die durch verän- derung 2020 aus Ländern Asiens fast halbiert. Dies zeigte sich derte Arbeitsformen wie Home-Office ausgelöst werden könn- beispielhaft bei den zuzugsstarken Ländern Indien und China, te, war nicht erkennbar. Ein Zuzug in die Landeshauptstadt die beide von der Coronavirus-Pandemie betroffen waren. blieb weiter attraktiv. Der Trend, dass München Bevölkerung China traf es verstärkt zu Beginn der Pandemie und Indien ab durch Zuwanderung aus anderen Bundesländern gewinnt August 2020. Die Zuwanderung aus Indien betrug 2019 noch und an das Umland und Oberbayern verliert, war auch 2020 2.708 und reduzierte sich 2020 auf 1.067 Personen; aus China zu beobachten. Der Saldoverlust im Wanderungsaustausch waren es 2019 1.731 und 2020 nur 746 Zuzüge. innerhalb Bayerns lag bei -12.210 Personen. Mit den anderen Die Reisebeschränkungen innerhalb der EU waren we- Bundesländern erzielte München Wanderungsgewinne in niger hoch und betrafen mehr die privaten oder touristisch Höhe von +1.916 Personen. veranlassten Reisen als die berufsmotivierten Wanderungen. 70 STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2021
Schwerpunkt Corona Entsprechend waren die zahlenmäßig bedeutenden Wande- Ausblick rungsbeziehungen mit Ländern der EU weniger stark beein- trächtigt. Im Jahresverlauf der Wanderungsbewegungen war Die Coronavirus-Pandemie hat das Leben und die Arbeitswelt nach dem Lockdown im Frühjahr wieder der ausbildungs- im Jahr 2020 geprägt und auch die Einwohnerentwicklung bezogene Zuzug in den Monaten September und Oktober in München beeinflusst. Dabei ist die Pandemie ein Ereignis, erkennbar. Bis zum Jahresende wurde 74 % der Zuwanderung das nicht vorhersehbar war und für das es an vergleichbaren aus Ländern der EU des Vorjahres erreicht. Die Zuwanderung Ereignissen in den letzten Jahrzehnten fehlte. aus Rumänien betrug 2019 insgesamt 3.516 und 2020 2.363 Die vorliegende Beschreibung und Auswertung der Mo- Personen; aus Italien waren es 2019 insgesamt 3.181 und 2020 natsdaten geben eine erste Einschätzung zu den demografi- 2.170 Zuzüge nach München. Der temporäre Einreisestopp aus schen Auswirkungen der Pandemie in München. Die Kenntnis europäischen Ländern außerhalb der EU wirkte sich wiederum der aktuellen und zukünftig zu erwartende Einwohnerent- etwas mehr aus. Aus diesen Ländern wurden 2020 66 % der wicklung ist in der Stadtentwicklungsplanung generell für Zuzüge des Vorjahres gemeldet. planerische Strategien und Maßnahmen bedeutend und eine Mit insgesamt 33.483 Zuzügen aus dem Ausland und Grundlage für fachliche und räumlich differenzierte Prognosen 20.147 Wegzügen in das Ausland wurde ein Wanderungsge- und Infrastrukturplanungen. winn von +13.336 Personen in München erreicht. Das war etwa Nach dem jetzigen Kenntnisstand zum weiteren Pande- die Hälfte des Saldos von 2019 mit +24.284 Personen. Den mieverlauf werden die Einschränkungen auch das Jahr 2021 Gewinnen aus der Auslandswanderung stehen die Verluste treffen und das bisher bekannte Einwohnerwachstum in aus der Wanderung innerhalb Deutschlands gegenüber. Für München abschwächen. Es ist zu erwarten, dass mit Aufhe- die Gesamtbilanz sind zusätzlich die Datensätze ohne räum- bung der Einreise- und Ausreisebeschränkungen die Wan- liche Zuordnung zu berücksichtigen, dessen Saldo 2020 bei derungsdynamik mit dem Ausland wieder steigen wird. Für -6.828 Personen lag. die berufsmotivierten Wanderungen hingegen werden die folgenden wirtschaftlichen Entwicklungen auf dem Arbeits- markt entscheidend werden. Von der Pandemie direkt oder erst im weiteren Verlauf ausgelöst, ist auch mit langfristen Veränderungen zu rechnen, die beispielsweise die Wohnpräferenzen, veränderte Arbeits- formen oder den Trend zur wirtschaftlichen Globalisierung be- treffen. Weitere Veränderungen sind für das Fertilitätsverhalten oder die Mortalität denkbar. Zukünftig wird der Fokus auf der Abschätzung nachhaltiger Auswirkungen liegen und inwiefern sich Trends abzeichnen, die sich auch in den Einwohnerdaten wiederspiegeln. STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2021 71
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