English Summer Camp in Albanien

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English Summer Camp in Albanien
Ein Bericht über das jüngste Projekt von „Schüler helfen Schülern“ in Fan/Albanien

Dass das Hilfsprojekt von Paul Wohlgenannt in den vergangenen 16 Jahren im
Bezirk Mirdite (im Norden von Albanien) nachhaltige, das heißt spürbare und
sichtbare positive Veränderungen in der Schullandschaft (und nicht nur dort!) bewirkt
hat, ist Insidern schon lange bekannt.

Alle 15 Schulen und die 5 Kindergärten wurden mit den gesammelten
Spendengeldern im Laufe dieser Jahre renoviert, bzw. neu gebaut und eingerichtet,
und in den vergangenen 3 Jahren wurde viel in die Ausbildung der Lehrpersonen
dieser Schulen investiert, damit die Schüler auch in dieser gottverlassenen Gegend
zeitgemäßen Unterricht haben.

2010 hat das albanische Unterrichtsministerium verordnet, dass ab 2012 in allen
Gymnasien des Landes Englisch zur Matura kommt.
Seit September 2010 hatten die Schüler im Gymnasium von Fan zum ersten Mal 2 (!)
Stunden Englisch pro Woche mit einer zwar engagierten, aber sehr jungen (20 Jahre)
und noch unerfahrenen Lehrerin.
Als Paul Wohlgenannt bei seinem Besuch im vergangenen Oktober von diesen
Umständen erfuhr, gelang es ihm, ab sofort eine zweite Lehrperson von auswärts zu
engagieren, die fortan jeden Samstag 3 Stunden zusätzlich Englisch unterrichtete.
Dieser freiwillige Zusatzunterricht wurde von den meisten Schülern freudig und
regelmäßig genutzt.
Es war aber klar, dass dies für die Maturanten des Schuljahres 2012 nicht reichen
würde, um in Englisch die Reifeprüfung erfolgreich abschließen zu können.

Die Idee eines „Intensiv English Summer Camp 2011“ wurde geboren, und jetzt ging
es um die konkrete Umsetzung dieser Idee.

Es brauchte einerseits bestens qualifizierte Lehrpersonen, die bereit waren, zwei
Wochen lang unter „ganz besonderen Bedingungen“ und umsonst zu unterrichten und
andererseits ein paar sehr gute, flexible Leute, die für die Logistik und Verpflegung des
ganzen Projektes verantwortlich waren.
Diese waren erfreulicherweise schnell gefunden: MMag. Olivia Vrabl (AHS Lehrerin für
Englisch und Spanisch), Heinz Siegfried Tragner (VS Lehrer) und Katharina Troy (VS
Direktorin) als Lehrpersonen für den Unterricht zuständig, und Paul Wohlgenannt
(Projektleiter), Ehefrau Ursula und Richard Gaßner (ehem. Gastwirt) zuständig für die
gesamte Logistik und die Verpflegung aller Teilnehmer.
Es haben sich ca. 40 Schüler für das English Summer Camp vom 18.7. bis 29.7.2011
angemeldet.
Die Vorbereitungen dazu waren sehr intensiv.
Bereits zu Ostern wurden mit einem vom Land Vorarlberg unterstützten Hilfstransport
einige Kisten mit Unterrichtsmaterial, Büchern, Pausenspielen u. dgl. nach Fan
transportiert. Etliche Unternehmen (Betzold, Helbling, Raiba, u.a.)und Privatpersonen
haben uns mit Sachspenden unterstützt, und dafür bedanken wir uns sehr.
Um über den aktuellen Leistungsstand der Schüler informiert zu sein und um in der
Folge einen detaillierten Unterrichtsplan für das English Camp ausarbeiten zu können,
organisierte Olivia über die österreichische bzw. über die albanische Botschaft in Wien
die Lehrbücher, die in diesem Jahr im Gymnasium von Fan verwendet wurden. Weiters
wurden Unmengen von Arbeitsblättern, Lernspielen etc. vorbereitet.

Am Freitag, 15.7., fuhren wir sechs also mit zwei voll gepackten PKWs in Richtung
Albanien los und kamen nach etwa 28 Stunden Fahrt sehr müde am frühen
Samstagabend in Fan an.
Früher hätte es noch etwa 3 bis 4 Stunden länger gedauert, aber seit drei Jahren führt
durch das endlos lange Tal eine nagelneue Autobahn in den Kosovo. Diese neue
Verbindung ermöglicht den Menschen in Mirdite endlich einen besseren Kontakt
sozusagen zum Rest der Welt, und der wird auch genützt: Überall stehen Menschen am
Rand der Autobahn und machen Autostopp….Dazwischen liegen Felsbrocken am
Straßenrand, denn die sehr kurvenreiche Autobahn wurde ohne Rücksicht auf die
Umwelt aus den Felsen herausgesprengt oder auf Pfeilern gebaut.
Das Haus, in dem wir wohnten, liegt ca. 40 Minuten zu Fuß oberhalb von Fan und kann
nur mit einem Geländefahrzeug erreicht werden. (Die Straßen in Mirdite sind allesamt
sehr schlecht.) Es wird seit einigen Jahren vom Verein für die regelmäßigen Besuche
angemietet und hat alles, was unsereins so braucht: Sauberes Bett, WC, Dusche. Bei
diesem Besuch wohnten hier bis zu neun Personen, und alle hatten Platz zum Schlafen
und zum Frühstücken.
Während der gesamten Zeit wurden wir bestens von „unseren“ Leuten im Gebiet, das
sind Ndue (für den schulischen Bereich), Nikoll (für das Organisatorische) und Ida
(Übersetzerin und guter Geist) betreut.

Am nächsten Tag, Sonntag, ging es los.

Zuerst wurde das Cafe inspiziert, in dem Richard und sein Team die nächsten zwei
Wochen täglich für ca. 50 Personen das Mittagessen zubereiten sollte. Wir wussten
im Voraus, dass in der Küche ein großer Gasherd und einige ganz große Töpfe
sowie genügend Teller vorhanden sind. Das war dann aber schon ziemlich alles. An
unseren betretenen Minen erkannte der Wirt, dass er bis zum nächsten Tag wohl
noch an der Sauberkeit der Räumlichkeiten und des Inventars etwas verbessern
musste.
Ein paar Grundnahrungsmittel (Kartoffel, Reis, Nudeln, Öl) hatte Nikoll bereits zuvor
beschafft, Gemüse, etc. wurden in Rreschen (nächste Stadt, ca. 25km entfernt) fürs
erste eingekauft, und so gab es am Montag leckere Gemüsenudeln und Obst als
Nachspeise. Uns allen hat es gut geschmeckt, aber Chefkoch Richard beklagte, dass
es kaum „gscheite Gewürze“ zu kaufen gibt.
Wir Lehrer schauten uns inzwischen die Räumlichkeiten in der Schule von Fan an
und bereiteten das English Camp vor.
Die Schule ist relativ groß und hat zwei Stockwerke. Wir wollten uns im Erdgeschoß
ausbreiten, aber das war zunächst nicht möglich, denn es war nur ein
Klassenzimmer offen, die anderen Klassen waren mit Markschlössern (!) versperrt.
(„Jede Lehrperson hat ein eigenes Markschloss für ihr Klassenzimmer, die Lehrer
sind jetzt in den Ferien….“) Nachtwächter Paschk löste das Problem, indem er mit
Stemmeisen und Hammer einfach alle Schlösser aufbrach…So wie dieser handelte,
so schaute es auch in den gewaltsam geöffneten Klassenzimmern aus. Der Dreck
der letzten Schulwochen lag noch herum. Hier gibt es niemanden, der aufräumt.

Das größte Problem ist aber die Tatsache, dass es in der Schule kein Wasser gibt.
Ich schätze, dass zur Schulzeit etwa 200 bis 250 Kinder hier zur Schule gehen. Das
WC in einem kleinen Gebäude nebenan verdient seinen Namen nicht: sechs
Stehklos, alle verdreckt, verstopft und kein Wasser. (bei 30 bis 36 Grad C.)
Es wurde in der Folge zwar jemand zum Putzen der Klos organisiert, aber…nun ja,
empfindlich darf man einfach nicht sein…und - Hände und Tafellappen wurden mit
Mineralwasser gewaschen…
Die Privathäuser, in denen wir zu Gast waren, waren einfach, aber sehr sauber, auch
die Toiletten. Es gibt genug Wasser in dieser gebirgigen Gegend, aber für Schulen,
Straßen und dergleichen hat die öffentliche Hand offenbar nicht viel übrig bzw.
einfach kein Geld.

Am nächsten Tag startete also unser English Summer Camp.
Nach 30min Morgenmarsch begrüßten wir vor der Schule eine große Zahl von
erwartungsvoll dreinblickenden Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren.
Dazwischen ein paar Erwachsene, der Landesschulinspektor, die beiden
Englischlehrerinnen Lindita und Maria und 3 andere Lehrerinnen, die am Camp
teilnehmen wollten.
Wir haben am Vortag in fünf Klassenzimmern einen Stationenbetrieb vorbereitet, und
eine weitere Klasse wurde zur Plenary Session erklärt. Da gab es die
Hörstation(listening corner), die Schreibstation (writing corner), die Sprechstation
(speaking corner), die Wiederholungs- und Festigungsstation (revision corner), die
Lernen lernen Station (study scills corner) und die Lesestation (reading corner).
Zusammen mit den beiden albanischen Lehrerinnen waren wir fünf Lehrpersonen.
Die Schüler haben wir in 5 Gruppen eingeteilt.
Um 9 Uhr versammelten sich dann alle dicht gedrängt in der Plenary Session.
Paul und der Inspektor hielten kurze Ansprachen und erklärten den Schülern, dass
dieses Projekt nur dann erfolgreich wird, wenn alle am gleichen Strang ziehen.
Dann gab es von Olivia eine geballte Ladung an Informationen zum Aufschreiben,
was an diesem Tag das erste Thema ist. Grammatik, Wortfelder zum Thema,
dazwischen auflockernde und heitere Spiele oder Musik.
Eine Stunde später begaben sich die Schülergruppen zu den einzelnen Stationen.

Zwischen 12 und 13.30 Uhr war Mittagessen im ca. 3 Minuten entfernten Cafe.

Großes Gejohle gab es am ersten Tag, als Olivia festsetzte, dass täglich eine andere
Gruppe die Kollegen und die Lehrer beim Mittagessen bedienen wird, das Geschirr
abwaschen und anschließend die Tische abwischen und den Boden kehren wird.
Eine weitere Gruppe räumt am Ende des Tages die Klassenzimmer auf und kehrt
dort. Das Gejohle entstand in erster Linie deshalb, weil natürlich auch die Jungs zum
Handkuss kamen, was in dieser sehr hierarchisch betonten Gesellschaft etwas ganz
Besonderes war. Später hat unser Küchenteam festgestellt, dass sich die Burschen
viel geschickter bei der Arbeit anstellten als die Mädchen, was wieder für großen
Spaß und Erstaunen sorgte.

Von 13.30 bis 16 Uhr waren wieder drei Unterrichtseinheiten in den jeweiligen
Stationen vorgesehen. Dazwischen kurze Pausen, die von den Schülern fleißig
genutzt wurden um die verschiedenen Pausenspiele, die wir mitgebracht haben,
auszuprobieren. Um 16 Uhr versammelten sich alle noch einmal kurz in der Plenary
Session für eine Zusammenfassung des abgelaufenen Tages.

Danach waren wir Lehrer meistens noch 2 weitere Stunden damit beschäftigt, den
kommenden Tag vorzubereiten. Auch wir Lehrer wechselten nach 2 oder 3 Tagen die
Stationen, sodass wir täglich vor einer neuen Herausforderung standen.

Wir hatten uns auch mit den großen Unterschieden, was das Können der Schüler
betraf, zu beschäftigen. Knapp die Hälfte der Teilnehmer war wirklich gut und begabt,
mit denen konnte Olivia in der zweiten Woche sogar ein Buch lesen; mit den anderen
musste differenzierter unterrichtet werden. Für alle gab es aber nur die eine Devise:
Abwechslung im Unterricht, gewürzt mit Spaß und Kreativität sollen Freude an der
englischen Sprache wecken und Lust auf mehr machen.

In der ganzen Zeit war es für uns sehr wichtig, dass Lindita und Maria bei diesen
Vorbereitungen mithalfen und mitgestalteten, dass sie Gefallen an den für sie neuen
Unterrichtsmethoden fanden und dass sie vor allem lernten, mit Laptop und Beamer
umzugehen. Es ist vorgesehen, dass die beiden Lehrerinnen diese Geräte ab Herbst
regelmäßig im Unterricht verwenden.

Ach ja, und da war noch ein albanisches Fernsehteam, das uns einen Vormittag lang
gefilmt und Interviews gemacht hat, was wir denn da machen und so. Irgendwelche
im Ministerium haben dann den Film im Fernsehen gesehen (wir nicht), und prompt
den Inspektor danach gefragt…Vielleicht gibt es irgendwann wenigstens Wasser in
der Schule…

Nach 2 Wochen English Summer Camp waren alle sehr müde, aber auch sehr
zufrieden und glücklich:

      Die 39 Schüler und Schülerinnen mit täglich 6 intensiven Unterrichtseinheiten,
       unterbrochen von kurzen Pausen, in denen jongliert, Ballspiele erlernt oder auf
       Stelzen laufen geübt wurde, das sind in Summe 60 Unterrichtseinheiten.
Englischunterricht von unterschiedlichen Seiten beleuchtet und von fünf
       verschiedenen Lehrern vermittelt. – Da bleibt einfach viel hängen, da kann
       man viel mitnehmen.
      Auch wir Lehrer waren sehr müde und ausgelaugt, aber auch glücklich und
       zufrieden: die äußeren Bedingungen in der Schule, der Lärm in den trostlosen
       Klassenräumen, die ständige Konzentration, die überschwängliche,
       körperbetonte Art der Schüler, ihre Dankbarkeit, ihre Freude am Lernen.

    Das Küchenteam, Richard, Ursula und Paul, auch sie waren müde, aber trotz
     allem auch sehr zufrieden: Sie haben dafür gesorgt, dass wir täglich eine
     gemütliche Mittagspause hatten, in der es stets ein reichhaltiges,
     schmackhaftes und abwechslungsreiches Essen gab. Die Bedingungen dazu
     waren nicht wirklich optimal….Aber der Wirt hat ihnen öfters über die Schulter
     geschaut….

Nach 2 Wochen Intensiv English Summer Camp waren wir sechs uns einig:
- wir waren ein Superteam
- die Zusammenarbeit war einmalig
- wir haben uns mit ganzem Herzen eingesetzt
- die Herzlichkeit der Schüler und ihre Freude am Lernen haben uns tief berührt
- wir haben das Gefühl, dass unser Einsatz hilfreich war
- wir machen das nochmal, wenn es notwendig ist.

Katharina Troy

PS: „Schüler helfen Schülern“ bedankt sich beim Verein „gravitas- Leben in Würde“ ,
     der den größten Teil der Finanzierung übernimmt!
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