Enterprise Content Management und E-Kollaboration als Cloud-Dienste: Potenziale, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren

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Enterprise Content Management und E-Kollaboration als Cloud-Dienste: Potenziale, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren
Enterprise Content Management
und E-Kollaboration als Cloud-Dienste:
Potenziale, Herausforderungen
und Erfolgsfaktoren
Vom Hype zur Wertschöpfung.
Crossing Borders.

Ergebnisse einer qualitativen Studie von
Elke Brucker-Kley, Carlo Colicchio, Ulrich Emanuel Gysel, Clemente Minonne

Studienpartner
Enterprise Content Management und E-Kollaboration als Cloud-Dienste: Potenziale, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren
Enterprise Content Management und E-Kollaboration als Cloud-Dienste: Potenziale, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren
Management Summary     3

Management Summary

Der Hype hat sich gelegt. Unternehmen wollen                   NUTZEN
nicht pauschal «in die Cloud», sondern haben kon-              Angesichts des geringen Reifegrades des Cloud-Einsatzes
krete Geschäftsanforderungen, die Enterprise Con-              fällt es der Anbieter- und Anwenderseite schwer, Nutzen­
tent Management oder E-Kollaboration in der Cloud              versprechen und erhofften Nutzen auf der einen Seite und
nahelegen oder gar erfordern. Auslöser für solche              effektiv bereits erzielten Nutzen auf der anderen Seite klar
Cloud-Initiativen sind in erster Linie strukturelle            zu differenzieren. Als eindeutig materialisierte Nutzenvortei-
und kulturelle Faktoren, die Unternehmen, einzelne             le gelten zum jetzigen Zeitpunkt die schnellere Umset-
Geschäftsbereiche oder bestimmte Anwendungs-                   zungsgeschwindigkeit und vereinfachte Kollaboration über
szenarien für die Cloud prädestinieren.                        die Unternehmensgrenzen hinweg, insbesondere dann,
                                                               wenn das Anwendungsszenario begrenzt ist.
POTENZIAL
Lösungsanbieter, Beratungs- und Anwenderunternehmen            HÜRDEN UND VORAUSSETZUNGEN
sind sich einig, dass E-Kollaboration der wichtigste Ein-      Mangelndes Vertrauen und Angst vor Kontrollverlust sind
satzbereich von Cloud-Lösungen ist und bleibt. Aber auch       auch im ECM- und E-Kollaborationsumfeld immer noch
im klassischen Enterprise Content Management (ECM) er-         wesentliche Argumente gegen einen breiten Einsatz von
öffnen sich Möglichkeiten, vorausgesetzt es gelingt, ECM-      Cloud-Diensten. Erst wenn Transparenz in Bezug auf die
Lösungen funktional aufzubrechen und feingranular in der       Geschäftsmodelle hergestellt ist und zentrale Fragen der
Cloud anzubieten. Lassen sich davon ausgehend standar-         Datenhaltung und des Datenzugriffs geklärt sind, lassen
disierte Lösungen und individualisierbare Komponenten          sich faktenbasierte Entscheide für oder gegen die Cloud
flexibel im Baukastensystem kombinieren, erschliessen          treffen. Ist diese grundlegende Hürde überwunden, bekla-
diese hybriden Angebote neue Anwendungskonstellatio-           gen Unternehmen, die grössere oder gar unternehmens-
nen und Kundenzielgruppen.                                     weite Cloud-Szenarien in Betracht ziehen, dass die Ver-
                                                               trags- und Preismodelle vieler Cloud-Anbieter noch nicht
PROZESSRELEVANZ                                                auf dieses Format der Nutzung ausgerichtet sind und zeit-
Die Eignung oder das Erfolgspotenzial von ECM und              aufwendige Verhandlungen und Anpassungen erfordern.
­E-Kollaboration für die Cloud lässt sich nicht an bestimm-    Vor diesem Hintergrund und aus Scheu vor aufwendiger
ten Branchen, Prozesskategorien oder Prozessgruppen            Integration bleiben Cloud-Projekte im ECM- und E-Kolla-
festmachen. Entscheidend sind vielmehr die strategischen       borationsumfeld in der Regel auf kleinere Anwendungs­
Ziele für die gesamte Organisation oder einzelne Leis-         szenarien beschränkt. Dies können durchaus ideale Cloud-
tungsbereiche sowie die Anforderungen an die Prozess­          Kandidaten mit grossem Nutzen sein. Um diesen Nutzen
gestaltung. Mobilisierung, Flexibilisierung, aber auch Stan-   jedoch auf Unternehmensebene zu optimieren, müssen
dardisierung von Geschäftsprozessen sind Motive für ECM        dringliche Standardisierungsfragen im Hinblick auf die Inte-
und E-Kollaboration in der Cloud. Solange die Integra­         gration von Cloud-Diensten gelöst werden.
tionsprobleme mit internen Systemen nicht gelöst sind,
bleibt darüber hinaus die lose Kopplung von Prozessen
eine Voraussetzung für deren Umsetzbarkeit in der Cloud.
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    HERAUSFORDERUNGEN                                            ERFOLGSFAKTOREN
    Sind die Eintrittshürden genommen und ist der Entscheid      Angesichts der geringen Reife von E-Kollaborations- und
    für die Cloud gefallen, begegnen Anbieter-, Beratungs-       insbesondere ECM-Lösungen für Unternehmenskunden in
    und Anwenderunternehmen bei der Planung, Umsetzung           der Cloud mag es voreilig erscheinen, Erfolgsfaktoren für
    und beim Einsatz ihrer Cloud-Lösungen einer Reihe von        deren Einsatz abzuleiten. Hinzu kommen die unterschied-
    Problemen. Technische Probleme wie Übertragungsge-           lich gelagerten Motivationen, mit denen Unternehmen
    schwindigkeit und Integration sind mit entsprechenden        Cloud-Lösungen einsetzen. Ist eine Cloud-Lösung, die die
    Investi­tionen lösbar, wobei die lückenhafte Standardisie-   Zusammenarbeit mit Externen in einem Projekt rasch und
    rung die Integrationsproblematik deutlich verschärft. Die    unkompliziert ermöglicht hat, aber keine weitere Anwen-
    Angebotsseite sieht die Herausforderungen verstärkt bei      dung im Unternehmen nach sich ziehen konnte, erfolg-
    den «weichen» Faktoren wie der Kooperation mit den un-       reich? Ist eine hoch standardisierte Cloud-Lösung für das
    ternehmensinternen IT-Abteilungen und insbesondere in        Vertragsmanagement, die Komplexität und Kosten signifi-
    der unklaren Erwartungshaltung und Ungeduld von Kun-         kant reduzieren konnte, aber die Verkaufsorganisation in
    den, die die Dynamik der Cloud ausnutzen wollen und da-      der Entwicklung neuer Vertragsmodelle beeinträchtigt, er-
    rüber die klare Definition von Zielen und Anforderungen      folgreich? Die Wahl eines klar begrenzten Anwendungs-
    vernachlässigen. Aber auch auf der Seite der Anwender-       szenarios kann der perfekte Ausgangspunkt für eine
    unternehmen kann Frustration entstehen, wenn neue For-       Cloud-Lösung sein oder aber Exempel für ein nicht aus­
    men des Informationsaustauschs und der Zusammenar-           geschöpftes Nutzenpotenzial. Bei Letzterem wird die Be-
    beit in der Cloud Wirkung zeigen und neue Bedürfnisse        seitigung von Eintrittshürden, wie beispielsweise die Lö-
    wecken, die jedoch von hoch standardisierten Angeboten       sung der Integrationsproblematik oder die Klärung von
    nicht erfüllt werden können.                                 Fragen zur Datenhaltung, zum Erfolgsfaktor für die Cloud.
                                                                 Einig sind sich die Experten darin, dass der Faktor Mensch
                                                                 eine entscheidende Rolle für die Akzeptanz und den lang-
                                                                 fristigen Erfolg von ECM- und E-Kollaborationslösungen in
                                                                 der Cloud spielt. Benutzerfreundlichkeit und Change Ma-
                                                                 nagement rücken daher in den Fokus der Bemühungen
                                                                 von Anbieter-, Beratungs- und Anwenderunternehmen.
Enterprise Content Management und E-Kollaboration als Cloud-Dienste: Potenziale, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren
Inhalt   5

Inhalt

7				    1. Einleitung
					          Ausgangssituation und Motivation

9				    2. Studienkonzept
         2.1   Gegenstand und Zielsetzung
         2.2   Vorgehen, Methodik und Forschungsfragen
         2.3   Klassifikation und Definitionen

17				   3. Studienergebnisse
         3.1   Treiber – Was veranlasst Unternehmen, Enterprise Content Management
               und E-Kollaboration in die Cloud zu verlagern?
         3.2   Wo steckt das grösste Potenzial für Enterprise Content Management
               und E-Kollaboration in der Cloud?
         3.3   In welchen Prozessen bietet sich der Cloud-Einsatz für Enterprise
               Content Management und E-Kollaboration an?
         3.4   Welchen Nutzen erzielen Unternehmen, wenn sie Enterprise Content
               Management und E-Kollaboration in die Cloud verlegen?
         3.5   Welche Eintrittshürden bestehen für Enterprise Content Management und E-Kollaboration
               in der Cloud und welche Voraussetzungen müssten für eine breitere Nutzung geschaffen
               werden?
         3.6   Welche Probleme gilt es bei der Einführung und Nutzung und Integration von
               Enterprise Content Management und E-Kollaboration in der Cloud zu bewältigen?

49				   4. Fazit
					          Was ist für den Erfolg von Enterprise Content Management
               und E-Kollaboration in der Cloud entscheidend?

54				   5. Studienpartner
56				   6. Experten
59				   7. Autoren
60				 8. Abkürzungs- und Literaturverzeichnis
62				   9. Anhang
					          Interviewleitfaden
Enterprise Content Management und E-Kollaboration als Cloud-Dienste: Potenziale, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren
Einleitung   7

1. Einleitung: Ausgangssituation
und Motivation

Kaum ein Anwendungsbereich im Unternehmens-                 Grössen zusätzlich interessant machen: IT-Ressourcen, sei
umfeld ist näher an der privaten Cloud-Nutzung als          es nun auf Ebene der Anwendungen, Applikationsplatt­
Content Management und E-Kollaboration. Die                 formen oder Basis-Infrastruktur sollen schnell, «on-de-
Cloud hat ganz selbstverständlich Einzug in unse-           mand» und flexibel skalierbar bereitgestellt werden. Doch
ren digitalen Alltag gehalten. Wir nutzen Cloud-            die damit erreichte Agilität und Kostenflexibilität hat ihren
Dienste, um zu kommunizieren, Inhalte unkompli-             Preis. Der Bezug standardisierter Cloud-Dienste bedeutet
ziert zu teilen und zu kommentieren und unabhängig          Verzicht auf funktionale Tiefe und Anpassungsfähigkeit so-
von Ort und Endgerät auf Dateien in Cloud-Spei-             wie häufig noch Verzicht auf Integration mit hausinternen
chern zuzugreifen. Die rasante Innovationsge-               Systemen und Datenbeständen.
schwindigkeit, die auf diesem Nährboden für das
persönliche Informationsmanagement und die IT-              E-Kollaboration aus der Cloud scheint sich mit diesen Be-
gestützte Kommunikation und Kollaboration ent-              schränkungen sehr viel besser vereinen zu lassen als das
standen ist, macht auch vor Unternehmen nicht halt.         klassische Enterprise Content Management, das traditio-
Unternehmen müssen auf die veränderten Bedürf-              nell sehr viel stärker mit den bestehenden IT-Landschaften
nisse ihrer Kunden, Geschäftspartner und Mitarbei-          verwachsen ist und auf die unternehmensspezifischen
tenden reagieren. Die Ankunft von Social Software           ­Bedürfnisse angepasst wurde. Dies bestätigen auch die
im Enterprise 2.0 war ein erstes Anzeichen dafür,           Ergebnisse quantitativer Studien. Gemäss der 2012 von
dass die Grenzen innerhalb und ausserhalb der Un-           ­Pierre Audoin Consultants durchgeführten Umfrage1 bei
ternehmen durchlässiger und offener für neue Mög-           deutschen Unternehmen wird bereits jede vierte Anwen-
lichkeiten des Informationsaustausches und der              dung für webbasierte Kollaboration und Web- und Video-
Zusammenarbeit werden. Gleichzeitig verschwim-              conferencing aus der Cloud bezogen. Nimmt man die Lö-
men die Grenzen der privaten und beruflichen Nut-           sungen hinzu, die über Managed Service bezogen werden,
zung durch Cloud-basierte Dienste, die von jedem,           liegt der Anteil der als Service bezogenen Lösungen in
und zunehmend auch vom privaten Endgerät zu-                diesem Segment bei über 50% (PAC 2012). Enterprise
greifbar sind («Bring Your Own Device»).                    Content Management wurde bei dieser Umfrage nicht be-
                                                            rücksichtigt und in internationalen Studien zum Software-
Für Anbieter von Cloud-basierten ECM- und E-Kollabora­      as-a-Service-Markt wird Enterprise Content Management
tionsdiensten, die sich in diesem dynamischen Umfeld be-    zwar Wachstumspotenzial, aber momentan eine eher un-
wegen oder ihre bewährten Enterprise-Applikationen für      tergeordnete Rolle zugeschrieben (Gartner 2010, 2013).
die Cloud aufbrechen, liegt die Messlatte im Unterneh-      Die Relevanz der Cloud-Option für Enterprise Content
menskundenmarkt entsprechend hoch. Sie müssen sich          Man­agement nimmt jedoch zu. Während im AIIM-Radar
den Ansprüchen von IT-Budgetverantwortlichen stellen,       «ECM by the Numbers» 2011 noch 4% Cloud als Option
die eine moderne und flexible Arbeitsumgebung für ihre      für Enterprise Content Management in Betracht zogen, lag
Mitarbeitenden, Kunden und Geschäftspartner wünschen        der Anteil derjenigen, die eine reine Cloud-Strategie für
und gleichzeitig das gewohnte Mass an Servicequalität,      ECM verfolgen, 2012 bereits bei 11%, ergänzt um weitere
Sicherheit und Einflussmöglichkeiten erwarten. Hinzu tre-   14%, die eine Kombination von on-premise ECM und
ten die zentralen Nutzenversprechen der Cloud, die ECM      Cloud planten (AIIM 2011, 2012). Ob sich diese Strategien
und E-Kollaboration in der Cloud für Unternehmen aller      umsetzen lassen, steht auf einem anderen Blatt, aber es

                                                            1 R
                                                               epräsentative Umfrage bei mehr als 200 sehr kleinen (ab
                                                              20 Mitarbeitenden) bis grossen Unternehmen in Deutschland.
8

    scheint konsequent, dass sich Unternehmen, die E-Kolla-          Die Hintergründe für diese Zurückhaltung lassen sich in na-
    boration in die Cloud verlegen, auch den Herausforderun-         hezu allen Analysen zum Thema Cloud-Computing nach­
    gen betreffend Content Management stellen müssen. Ist            lesen. So nennt auch die Schweizerische Akademie der
    E-Kollaboration in der Cloud für Unternehmen ohne Enter-         Technischen Wissenschaften in ihrem Whitepaper «Cloud
    prise Content Management möglich? Kann ein kollabora­            Computing» die einschlägigen Eintrittshürden (SATW,
    tiver oder mobiler Prozess in die Cloud verlegt werden,          2012, S. 43); Fehlende Transparenz, fehlendes Vertrauen,
    ohne die zeitgerechte, konsistente und sichere Bereitstel-       Festhalten am Status quo sowie Bedenken in Bezug auf
    lung strukturierter und unstrukturierter Informationen gelöst    Verfügbarkeit und Datenhaltung hemmen die Akzeptanz
    zu haben? Bestimmte Problematiken lassen sich nur lösen,         des Cloud Computing bekanntermassen nicht nur im ECM
    wenn traditionelle Stärken aus dem ECM-Umfeld genutzt            und E-Kol­laborationsbereich.
    werden, wie beispielsweise Versionenkontrolle oder Audit
    Trails zur Gewährleistung der Revisionssicherheit. Lassen        Demgegenüber steht die Tatsache, dass zahlreiche Cloud-
    sich ECM- und E-Kollaborationsfunktionalitäten flexibel in       basierte Angebote für ECM und E-Kollaboration auf den
    der Cloud kombinieren, ist dies einfacher zu lösen als durch     Unternehmensmarkt drängen und Unternehmen aller
    eine aufwendige Integration einer on-premise ECM-Installa-       Grös­sen sich mit den Möglichkeiten und der Relevanz die-
    tion mit Cloud-basierten E-Kollaborationsdiensten.               ser Lösungen auseinandersetzen. Hinzu treten erste Erfah-
                                                                     rungen, die Anbieter-, Beratungs- und Anwenderunterneh-
    Der ECM-Markt scheint auf diese Herausforderungen zu             men bei der Evaluation, Konzeption, Einführung und dem
    reagieren. Forrester Research bestätigt in der neuesten          Betrieb Cloud-basierter ECM- und E-Kollaborationslösun-
    ECM-Suite-Evaluation «Forrester’s Wave for Enterprise            gen sammeln konnten. Mit einer quantitativen Analyse las-
    Content Man­agement 2013» eine grundlegende Verände-             sen sich diese Hintergründe, Motive, Erfahrungen und offe-
    rung des Marktes (Roe, 2013). Zu beobachten sei ein er-          nen Fragen nur beschränkt erfassen. Sie bieten vielmehr
    weiterter Fokus der ECM-Anbieter, die sich nicht mehr nur        Raum für eine qualitative Studie, die die Potenziale, Her-
    auf robuste Kernfunktionalität und die Gewährleistung re-        ausforderungen und Erfolgsfaktoren von ECM und E-Kolla-
    gulatorischer Compliance konzentrieren, sondern ihren            boration in der Cloud beleuchtet.
    Schwerpunkt vermehrt auf Flexibilität und Mobilität im
    Kontext Geschäftsprozessmanagement legen. Als Indika-
    tor nennt Forrester Research das erhöhte Augenmerk auf
    intuitive Benutzeroberflächen, Agilität im Deployment
    (ECM-Apps) sowie standardbasierte Integrationsfähigkeit.
    Als Folge sieht Forrester zum einen die zunehmende Rele-
    vanz kleinerer Anbieter, die diese Kriterien erfüllen und spe-
    zialisierte Lösungen anbieten, und zum anderen eine Ten-
    denz, ECM als Plattform zu betrachten, die gewisse
    Basis­dienste zur Verfügung stellt und an die diese speziali-
    sierten, und typischerweise Cloud-basierten, ECM- und
    E-Kollaborations-Apps andocken können. Dieser Perspek-
    tive setzt Forrester entgegen, dass sich ECM-Anbieter für
    die Cloud rüsten, die Nachfrage auf Kundenseite jedoch
    noch zurückhaltend sei.
Studienkonzept   9

2. Studienkonzept

2.1 GEGENSTAND UND ZIELSETZUNG                                2.2 VORGEHEN, METHODIK UND
Ziel der vorliegenden Studie ist es, ausgehend von            FORSCHUNGSFRAGEN
einer qualitativen Untersuchung, neue und fundier-            Konzeption, Planung und Durchführung der
te Erkenntnisse zur Bereitstellung von Enterprise             Studie sind in Abbildung 1 dargestellt.
Content Management und E-Kollaboration als
Cloud-Dienste zu gewinnen.                                    Sekundärforschung und Studiendesign
                                                              Als Grundlage für die Präzisierung des Forschungsgegen-
Während eine Vielzahl internationaler und regionaler Studi-   standes, der Forschungsziele und für die Formulierung der
en wertvolle quantitative Analysen zur Marktsituation und     Forschungsfragen wurde in einem ersten Schritt eine
zum Einsatzspektrum von Enterprise Content Manage-            ­umfassende Sekundärforschung durchgeführt. Als Quel-
ment und E-Kollaboration in der Cloud bieten, zielt diese     len dienten aktuelle Studien und Fach­publikationen, wel-
Studie darauf ab, auf der Grundlage von Experteninter-        che für die Zielsetzung relevante Aspekte der Themenbe-
views ein breites Spektrum von qualitativen Einschätzun-      reiche Enterprise Content Man­agement, E-Kollaboration,
gen und Erfahrungen aus der Perspektive von Anbieter-,        Social Software und Cloud Computing darstellen und
Beratungs- und Anwenderunternehmen im deutschspra-            analysieren. Auf dieser Grundlage wurden der aktuelle
chigen Raum einzufangen. Aus der Analyse dieser Inter-        Stand   der   angewandten      Forschung    (Schwerpunkt:
views soll ein Meinungsbild zum aktuellen Stand und zur       deutschsprachiger Raum) erarbeitet, Forschungslücken
Perspektive von Enterprise Content Management und E-          identifiziert (Fokus: qualitative Analyse) sowie die Haupt-
Kollaboration in der Cloud entstehen, das folgende The-       und Unterforschungsfragen definiert (siehe Tabelle 1).
menschwerpunkte abdeckt:
–– Hintergründe und Entscheidungsgrundlagen für den           Auf Basis der Unterforschungsfragen wurden konkrete
   Cloud-Einsatz (Treiber, Potenziale, Eintrittshürden und    Fragestellungen für das qualitative Befragungsinstrument
   Erfolgsfaktoren)                                           (Interviewleitfaden, siehe Anhang) formuliert und zu ­einem
–– Aktuelle und Erfolg versprechende Einsatzbereiche für      modularen Fragenkatalog strukturiert, der es ermöglichte,
   Cloud-Dienste (ECM- und E-Kollaborationsdisziplinen/       zielgruppenspezifische Interviews mit Experten aus den
   -funktionalitäten, Branchen, Prozessbereiche)              drei Lagern (Anbieter-, Beratungs-, Anwenderunterneh-
–– Erfahrungen bei der Planung, Umsetzung und dem             men) und mit unterschiedlichem Stand des Cloud-Einsat-
   Betrieb von Cloud-Lösungen für ECM und E-Kollabo-          zes zu führen. Ein Fachbeirat, bestehend aus Vertretern
   ration (realisierter Nutzen, Herausforderungen)            der Studienpartner (siehe Kapitel 5), hatte Gelegenheit, die
                                                              Forschungsfragen und den Fragenkatalog zu beurteilen,
                                                              um die Qualität und Praxisrelevanz des Fragenkatalogs
                                                              und der angestrebten Ergebnisse sicherzustellen.

Abb. 1

VORGEHEN UND FORSCHUNGSMETHODE

         Sekundärforschung                 Experten-                   Analyse &                   Ergebnis-
            & Studiendesign               interviews               Interpretation                    bericht
10

     Auswahl der Experten und Durchführung                             Ab April 2013 wurden dann über eine Zeitdauer von drei
     der Interviews                                                    Monaten die standardisierten Experteninterviews mittels
     Die potenziellen Interviewpartner für die Experteninterviews      des oben beschriebenen modularen Fragenkatalogs (siehe
     wurden im Rahmen eines Random Sampling über diverse               Anhang) im Rahmen persönlicher oder telefonischer Befra-
     themenrelevante Forschungsgruppen, Fachforen, News-               gungen durchgeführt. Die Experten wurden über Rahmen-
     letter und Einträge auf verschiedenen Websites sowie über         bedingungen, Zielsetzung und Methodik der Studie infor-
     ein direktes Einladungsverfahren im deutschsprachigen             miert. Um die Objektivität der Untersuchung sicherzustellen,
     Raum angesprochen. Um Typ und Erfahrungshintergrund               wurde bewusst auf ein Anreizsystem verzichtet.
     der möglichen Interviewpartner zu eruieren, wurden mit-
     hilfe einer kurzen Online-Befragung im Vorfeld die Basis­         An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Ergebnisse dieser
     daten der potentiellen Interviewkandidaten erhoben.               Studie in erster Linie die Meinung jener Experten und Füh-
                                                                       rungskräfte darstellen, die sich mit ECM und E-Kollabora­
     Anschliessend wurden, basierend auf den erhobenen Da-             tion in der Cloud vertieft auseinandersetzen, das heisst
     ten, insgesamt 22 Interviewpartner identifiziert, die über        bereits Cloud-bezogene Massnahmen (Angebote, Projek-
     langjährige und umfassende Erfahrung im ECM-Umfeld                te) umgesetzt haben oder dies in absehbarer Zukunft ins
     verfügen. Um ein möglichst breites Spektrum an ECM-Ex-            Auge fassen beziehungsweise sich bewusst gegen den
     pertise in die Studienergebnisse einfliessen zu lassen, wur-      Cloud-Einsatz entschieden haben; sie sind somit nicht ge-
     den ECM-Fachexperten aus unterschiedlichen Branchen               neralisierbar, da das Studienkonzept auf ein fundiertes
     und Unternehmensgrössen angesprochen, die sich in                 Meinungsbild und nicht auf eine breit angelegte repräsen-
     verantwort­licher Funktion (Projekt, Linie, Kompetenzzent-        tative Umfrage ausgerichtet war.
     rum o.Ä.) mit ECM und/oder E-Kollaboration und Fragen
     des Cloud-Einsatzes in ihrer täglichen Arbeit auseinander-
     setzen.

     Tabelle 1

     FORSCHUNGSFRAGEN

                                  Welches sind die Potenziale, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren von Enterprise
     Hauptforschungsfrage         Content Management (ECM) und E-Kollaboration als Cloud-Dienste?

     Unterforschungsfragen (UF)
     UF-1                         Welche ECM- und E-Kollaborationsfunktionalitäten sind für Unternehmen als Cloud-Dienste aktuell und
                                  zukünftig von Interesse?
     UF-2                         Welche Gründe sprechen für und welche gegen einen Einsatz von ECM und E-Kollaboration als
                                  Cloud-Dienste?
     UF-3                         In welchen Führungs-, Kern- und Unterstützungsprozessen bieten sich Cloud-Dienste für ECM und
                                  E-Kollaboration insbesondere an beziehungsweise in welchen Prozessbereichen werden sie bereits
                                  eingesetzt oder sind konkret geplant?

     UF-4                         In welcher funktionalen Breite, Tiefe und Granularität müssen ECM und E-Kollaboration als Cloud-
                                  Dienste angeboten werden?
     UF-5                         In welchen Situationen und Konstellationen werden in-house installierte ECM-Lösungen mit Cloud-
                                  Diensten (ECM und E-Kollaboration) eingesetzt oder geplant? Welche Optionen und Herausforderungen
                                  existieren in Bezug auf die Integration?
Studienkonzept   11

Analyse und Interpretation                                               Rahmen der vorliegenden Studie lag darin, dass die Inter-
Im Anschluss an die Interviews wurden die Antworten nach                 viewer den Auswertungsrahmen, im Sinne der themati-
den drei Teilnehmertypen (Anbieter, Berater, Anwendungs-                 schen Kategorien, bereits nach den ersten Interviews hy-
unternehmen)      2
                      qualitativ ausgewertet und interpretiert.          pothetisch entwerfen und mit dem Fortgang der Interviews
Typübergreifend kam dabei die «Grounded Theory» nach                     laufend fortschreiben und präzisieren konnten. Da die Bil-
Strauss und Glaser als Methode der qualitativen Sozialfor-               dung der Kategorien von allen Interviewern kollaborativ im
schung zum Einsatz (Glaser, Strauss & Paul, 2010). Ziel                  Rahmen von Auswertungsworkshops durchgeführt wurde,
dieser «gegenstandsbezogenen» oder «datengestützten                      entstand ein gemeinsames Verständnis der Interviewresul-
Theoriebildung» ist es, inhaltliche Kategorien zu bilden, die            tate und die Interpretation der Ergebnisse konnte auf eine
ähnliche oder zusammenhängende Aussagen aus den In-                      systematische Basis gestellt werden. Abbildung 2 liefert
terviews mit sogenannten «theoretischen Codes» bezeich-                  einen Gesamtblick auf die im Rahmen der Auswertung
nen und in ihrer Gesamtheit den im Rahmen der Interviews                 identifizierten Kategorien auf der obersten Ebene.
und der Analyse erarbeiteten Themenraum abbilden. Die-
sen Kategorien konnten die relevanten Aussagen aus den                   Ergebnisbericht
einzelnen Interviews und Interviewfragen zugeteilt und so-               Die thematische Codierung sowie die damit verknüpften
mit eine nachvollziehbare Basis für die Interpretation der               Interviewaussagen und deren Interpretation diente als
Interviewergebnisse geschaffen werden ( = thematische                    Grundlage für die Ausarbeitung des vorliegenden Studien-
Kodierung). Ein wesentlicher Vorteil dieser Methodik im                  berichts.

2 D
   ie Nettostichprobe der Studie umfasst 22 Interviews mit Ex-
  perten aus 10 Anbieter-, 8 Beratungs- und 4 Anwenderunter-
  nehmen.

Abb. 2

THEMATISCHE KODIERUNG DER INTERVIEWAUSSAGEN

           Kritische Erfolgsfaktoren                                                                        Treiber

         Herausforderungen bei der                                                                          Potenzial
         Integration

                                                                                                            Einsatz in Prozessen
         Einführungs-/                                                 ECM UND
         Einsatzprobleme                                           E-KOLLABORATION
                                                                  ALS CLOUD-DIENSTE                         Nutzen

                      Eintrittshürden
                                                                                                            Voraussetzungen

                       Datenhaltung
12

     2.3 KLASSIFIKATION UND DEFINITIONEN                               and Image Management) verwendet (AIIM, o.J.). Dieser
     Nachfolgend werden die für die vorliegende Studie                 Definition zufolge umfasst Enterprise Content Manage-
     relevanten Begriffe definiert und klassifiziert. Die              ment (ECM) die Strategien, Methoden und Werkzeuge, die
     Klassifikation der Domänen Enterprise Content                     die Erfassung, das Management, die Speicherung und Ar-
     Management, E-Kollaboration und Social Software                   chivierung beziehungsweise Löschung sowie die Vertei-
     diente insbesondere als Grundlage für die Erhe-                   lung von geschäftsprozessrelevanten Inhalten ermögli-
     bung der Einsatzbereiche und Potenzial von Cloud-                 chen. ECM-Werkzeuge und -Technologien unterstützen
     Lösungen im Rahmen der Experteninterviews.                        das Management von unstrukturierten Informationen und
                                                                       deren Metadaten während ihres gesamten Lebenszyklus,
     Enterprise Content Management                                     unabhängig von deren Speicherort (intern, extern, zentral,
     Im Rahmen der Studie wurde die aufgaben- und lebens­              verteilt) und unabhängig vom Zielpublikum im Kontext der
     zyklusbezogene Definition von Enterprise Content Man­             Wertschöpfungskette (Mitarbeitende, Geschäftspartner,
     agement in Anlehnung an AIIM (Association for Information         Kunden).

     Abb. 3

     ECM-KOMPONENTEN

                    Capture                                   Manage                                       Deliver

     – Input Management                                                                       – Distribution, Publishing,
                                                                         W an
                                                         t
                                                  em en

                                                                                                Transformation,
                                                                          eb ag
                                                       t

                                                                          M
                                                    en
                                                ag m

                                                                            C em

                                                                                                Output Management
                                              an cu

                                                                             on e
                                             M Do

                                                                               te nt

     – Speichertechnologien                             Workflow / BPM
                                                                                 nt

     – Repositories
       (File-Systeme,
                                                              STORE
       Datenbanken)

     – Library services
       (Search, Versionen-
                                             D an

                                                         Kollaboration
                                                                               em ds

                                                                                    t
                                              ig ag

                                                                                 en
                                               M

                                                ita e

       kontrolle, audit trail)
                                                                            ag or
                                                                          an ec
                                                   l A me

                                                                             R
                                                      ss nt

     – Sicherheit,
                                                        et

                                                                          M

       Zugriffskontrolle

                                                              Preserve

                                               – Archivierung

     In Anlehnung an (AIIM, o. J.)
Studienkonzept   13

DIE FÜNF KOMPONENTEN VON ENTERPRISE CONTENT MANAGEMENT (ECM)

Erfassen (Capture)                                         Aufbereiten und Bereitstellen (Deliver)
Die Kategorie «Capture» beinhaltet Funktionalität zur      Unter «Deliver» lassen sich Verfahren und Werkzeuge
Erstellung, Erfassung und Aufbereitung von analogen        zusammenfassen, die die zielgruppengerechte Bereit­
                                                           ­
und elektronischen Informationen. Dabei lassen sich        stellung und Transformation von Informationen für un­
mehrere Stufen und Technologien unterscheiden, von         terschiedliche Distributionsplattformen unterstützen. Dar-
der einfachen Erfassung der Information bis zur kom-       unter kann neben herkömmlichen Technologien für das
plexen Aufbereitung durch eine automatische Klassifi-      Output Management wie COLD (Computer Output On
kation. Die Capture-Funktionalitäten werden häufig un-     LaserDisk) auch die Verteilung von Inhalten über Web-
ter der Rubrik «Input-Management» zusammengefasst          Portale, eBooks etc. sowie für verschiedenste Endgeräte
(Riggert, 2009, 6).                                        wie Handys oder PDAs verstanden werden (Riggert,
                                                           2009, 7). Im Rahmen der Studie wurden zudem Metho-
Verwaltung (Manage)                                        den und Technologien zur inhaltlichen Erschliessung,
Die «Manage»-Komponente dient der Verwaltung un-           Analyse und Suche in die Komponente «Deliver» aufge-
strukturierter Informationen entlang ihres Lebenszyklus.   nommen, da diese Funktionen Voraussetzungen für die
Abhängig von der Art der verwalteten Informationen wer-    gezielte Bereitstellung von Informationen darstellen.4
den die Methoden und Werkzeuge in die Kategorien Do-
kumentenmanagement, Web Content Management, Di-            Speichern (Store)
gital Asset Management und Records Management              Die Komponente «Store» dient der kontrollierten Spei-
eingeteilt. Unter Records Management wird gemäss (DIN      cherung von Informationen. Sie umfasst zum einen loka-
ISO 15489-1:2002 –12) die Schriftgutverwaltung ver-        le und verteilte Speichertechnologien und zum anderen
standen, das heisst die «als Führungsaufgabe wahrzu-       Repositories in Form von Datenbanken und/oder File-
nehmende effiziente und systematische Kontrolle und        Systemen zur geordneten Ablage von unstrukturierten
Durchführung der Erstellung, Entgegennahme, Aufbe-         Inhalten (AIIM, o.J.). Die Bearbeitung von Informationen
wahrung, Nutzung und Aussonderung von Schriftgut           durch mehrere Benutzer (z.B. Check-in und -out), Ver­
einschließlich der Vorgänge zur Erfassung und Aufbe-       sionenkontrolle sowie Nachvollziehbarkeit von Zugriffen
wahrung von Nachweisen und Informationen über Ge-          und Änderungen (audit trails) wird durch sogenannte «Li-
schäftsabläufe und Transaktionen in Form von Akten».       brary Services» sichergestellt (AIIM, o.J.).

Um die Verwendung der verwalteten Informationen im         Bewahren (Preserve)
Rahmen der Geschäftsprozesse und der Zusammenar-           Die Kategorie «Preserve» entspricht der Langzeitarchivie-
beit sicherzustellen, treten die Elemente Workflow- be-    rung, also der langfristig stabilen und unveränderbaren
ziehungsweise    Geschäftsprozessmanagement       sowie    Aufbewahrung von Informationen (Riggert, 2009, 7).
Kollaboration hinzu. Ebenfalls zur «Manage»-Komponen-
te gezählt werden können Berechtigungssysteme zur          3 (AIIM, o.J.) hingegen ordnet Sicherheitsmechanismen und
Zugriffsabsicherung3 und zum Schutz der Informationen         -technologien in die ECM-Komponente «Deliver» ein.
                                                           4 (AIIM, o.J.) hingegen zählt Retrieval und Suche zu den soge-
(Riggert, 2009, 7).                                           nannten «Library Services» in der ECM-Komponente «Store».
14

     E-Kollaboration und Social Software                                    kontext (Enterprise 2.0, (McAfee, Andrew, 2006), wurde
     Unter elektronischer Kollaboration wird die IT-unterstützte            E-Kollaboration und Social Software integriert betrachtet.
     Zusammenarbeit innerhalb einer Organisation sowie über                 Analog zur ECM-Klassifikation wurde für die Einteilung der
     die Organisationsgrenzen hinaus (z.B. mit Kunden, Part-                unterstützenden Methoden und Werkzeuge eine aufga-
     nern, Lieferanten), unabhängig vom Aufenthaltsort verstan-             benbasierte Klassifikation in Anlehnung an (Wenger, White
     den. E-Kollaboration bietet Grundlagen für ein IT-gestütztes           & Smith, 2009) verwendet (Abbildung 4).
     Wissensmanagement sowie für die «Integration von unter-
     nehmensinternen und unternehmensübergreifenden Ge-                     Cloud Computing
     schäftsprozessen» (Gabler Wirtschaftslexikon Online, o.J.).            Als Grundlage für die eindeutige Definition der Eigenschaf-
                                                                            ten sowie der Service- und Liefermodelle von Cloud Com-
     Unter Social Software werden Werkzeuge verstanden, die                 puting wurden die anerkannten Definitionen des US-ameri-
     auf «sozialer Interaktion und den technischen Möglichkei-              kanischen National Institute of Standards and Technology
     ten des sogenannten Web 2.0 basieren. Dabei stehen                     (NIST, 2011) sowie des deutschen Branchenverbandes
     Kommunikation und der Austausch nutzergenerierter In-                  BITKOM (Bundesverband Informationswirtschaft, Tele-
     halte (User-Generated Content) im Vordergrund.» (Gabler                kommunikation und neue Medien e.V.) verwendet.
     Wirtschaftslexikon Online, o.J.).
                                                                            Um Cloud Computing besser von anderen IT Sourcing-
     Angesichts der zunehmenden Relevanz von bottom-up                      Modellen abgrenzen zu können, bietet das NIST einen Kri-
     Web 2.0-Technologien und -Kultur für die vereinfachte Zu-              terienkatalog, der die kennzeichnenden Eigenschaften von
     sammenarbeit und Kommunikation im Unternehmens-                        Cloud Computing definiert.

     Abb. 4

     KLASSIFIKATION FÜR E-KOLLABORATION UND SOCIAL SOFTWARE

                                                                                                         –   Projekträume, Shared Workspaces
                                                            Publizieren,                                 –   Textverarbeitung, Autorenwerkzeuge
                                                               Teilen,                                   –   File-Sharing, Blog, Microblog, Wiki
                                                            Präsentieren                                 –   Social Bookmarks, RSS/Widgets
                                                                                                         –   Slide-Sharing, Video-Sharing, Podcasts

     – E-Learning
                                             Lernen                                 Kommunizieren
                                                                                                                 – Web-/Teleconferencing, VoIP
                                                                                                                 – Instant Messaging, Chat
                                                         E-KOLLABORATION
                                                                                                                 – E-Mail
                                                             & SOCIAL
                                                            SOFTWARE
     – Decision Support
     – Foren                              Verhandeln,
                                          Diskutieren,                               Koordinieren
                                          Entscheiden                                                            – Kalender, Terminfindung
                                                                                                                 – Planungstools

                                                            Zugehörigkeit
     – Personenverzeichnisse, Yellow Pages                   und Präsenz
     – Soziale Netzwerke
     – Location Based Services

     In Anlehnung an (Wenger, White & Smith, 2009)
Studienkonzept       15

                                                             Für die vorliegende Studie ist überdies der Umfang des
   WESENTLICHE EIGENSCHAFTEN DES                             Cloud-Einsatzes von Bedeutung, das heisst auf welcher
   CLOUD COMPUTING NACH (NIST, 2011)                         Ebene des Technologie-Stacks, Cloud-Dienste für Enter-
                                                             prise Content Management und E-Kollaboration eingesetzt
   On Demand Self-Service Kunden können bei Be-              werden (Abbildung 5). Die vom NIST geprägten Begriffe
   darf selbständig und vollautomatisch Ressourcen           IaaS, PaaS und SaaS haben sich international für die Be-
   abrufen oder nutzen, ohne mit dem Service Provider        schreibung der verschiedenen Ebenen des Cloud-Einsat-
   zu interagieren.                                          zes durchgesetzt.

   Measured Service Ressourcenverbrauch wird kon-            Abb. 5
   tinuierlich gemessen und berichtet; nur genutzte          SERVICE-EBENEN DES CLOUD-EINSATZES
   Dienste/Ressourcen werden abgerechnet.                    (BITKOM, 2013)

   Resource Pooling Ressourcen werden gebündelt
   und mehreren Nutzern dynamisch nach Bedarf zur                          Anwendungen

   Verfügung gestellt (multi-tenant model), ohne dass
   der Kunde zwingend wissen muss, wo sich die Res-                               Datenbank

   sourcen befinden.

                                                                                                                       SaaS
                                                                      Virtualisierung

                                                                                                                PaaS
   Rapid Elasticity Die Ressourcenbereitstellung kann

                                                                                                         IaaS
   schnell, idealerweise in Echtzeit, und automatisiert an                    Betriebssystem

   die schwankende Nachfrage angepasst werden.
                                                                       Hardware               Netzwerk

   Broad Network Access Ressourcen sind breitban-
   dig über Internet oder Intranet abrufbar. Der Zugriff
   erfolgt plattformunabhängig über Standardmecha-
   nismen.

«Beim Cloud Computing werden IT-Leistungen bedarfsgerecht und
­flexibel in Echtzeit als Service über das Internet oder ­innerhalb eines
 Firmennetzwerks bereitgestellt und nach Nutzung abgerechnet. Die IT-
 Leistungen können sich auf Software, Plattformen für die Entwicklung
 und den Betrieb von Anwendungen sowie die Basis-Infrastruktur wie
 beispielsweise Speicherplatz beziehen. Einer der vielen Vorteile für die
 Anwender: Aus fixen Investitionen werden variable Kosten.»
BITKOM, 2009
16

                                                            In der vorliegenden Studie werden verschiedene Einschät-
     DEFINITION DER CLOUD-SERVICE-EBENEN                    zungen, insbesondere zu Fragen der Sicherheit, Datenhal-
     (NIST, 2011; BITKOM, 2009)                             tung und des Standardisierungsgrades, in Abhängigkeit
                                                            vom spezifischen Cloud-Deployment-Modell formuliert.
     SaaS: Software as a Service                            (NIST, 2011) unterscheidet «Public», «Private», «Hybrid»
     Bereitstellung von Geschäftsanwendungen als stan-      und «Community Cloud». Während «Hybrid Cloud» eine
     dardisierte Services                                   Mischform der anderen Cloud-Deployment-Modelle dar-
                                                            stellt, bezieht sich «Community Cloud» auf die geteilte,
     PaaS: Platform as a Service                            aber nicht öffentliche Nutzung einer Cloud-Infrastruktur
     Bereitstellung von technischen Frameworks und          durch eine Gruppe von Organisationen mit gemeinsamen
     Anwendungsinfrastruktur wie z.B. Middleware, Ent-      Interessen. Die beiden relevantesten Deployment-Model-
     wicklungsumgebungen, Datenbanken oder Ge-              les sind «Public Cloud» und «Private Cloud», deren Unter-
     schäftsprozessmanagement als standardisierte           schiede nachfolgend dargestellt sind.
     Services

     IaaS: Infrastructure as a Service
     Bereitstellung von IT-Basisinfrastruktur (Netzwerk,
     Hardware, Virtualisierung, Betriebssystem) als stan-
     dardisierte Services

     CLOUD-DEPLOYMENT-MODELLE UND SOUR­CING-OPTIONEN (NIST, 2011; BITKOM, 2009)

     PUBLIC CLOUD                                           PRIVATE CLOUD
     –– Öffentliche Bereitstellung für einen nicht ein­     –– Exklusive Bereitstellung für eine Organisation und
          geschränkten Nutzerkreis via Internet               evtl. autorisierte Geschäftspartner
     –– Off-premise-Betrieb: in der Umgebung eines          –– On- oder off-premise-Betrieb:
          ­externen Cloud-Dienstleisters                       • Private Cloud: On-premise durch die eigene IT
                                                               • Managed Private Cloud: On-premise durch
                                                                  ­externen Dienstleister
                                                               • Outsourced Private Cloud: Dedizierte Cloud-­
                                                                  Umgebung, off-premise bei externem Dienstleister

     –– Fokus: Schnelle und flexible Bereitstellung hoch    –– Fokus: Kontrollierte und sichere Bereitstellung von
          standardisierter Services                           standardi­sierten, anpassbaren Services nach
     ––                                                       ­vordefinierten Service Levels
Studienergebnisse   17

3. Studienergebnisse

3.1 TREIBER – WAS VERANLASST UNTERNEHMEN,                  Wann immer Projekte schnell umgesetzt werden sollen,
ENTERPRISE CONTENT MANAGEMENT UND E-                       kommen Cloud-Lösungen ins Spiel. Dies gilt insbesondere
KOLLABORATION IN DIE CLOUD ZU VERLAGERN?                   für Initiativen aus dem Business, die darauf abzielen, den
Der Hype hat sich gelegt. Unternehmen wollen               Ad-hoc-Informationsaustausch              mit   wechselnden    Ge-
nicht pauschal «in die Cloud», sondern haben kon-          schäftspartnern und Kunden in dynamischen Geschäfts-
krete Geschäftsanforderungen, die Enterprise Con-          feldern zu ermöglichen. Ob diese Initiativen dann auch ef-
tent Management oder E-Kollaboration in der Cloud          fektiv rasch in der Cloud umgesetzt werden können, hängt
nahelegen oder gar erfordern. Auslöser für solche          von den Integrationsanforderungen ab. Für entkoppelbare
Cloud-Initiativen sind in erster Linie strukturelle        Lösungen ohne Altlasten oder Integrationsbedarf zu beste-
und kulturelle Faktoren, die Unternehmen, einzelne         henden Systemen, wie sie häufig in kollaborativen Settings
Geschäftsbereiche oder bestimmte Anwendungs-               zu finden sind, gilt die Implementierungsgeschwindigkeit
szenarien für die Cloud prädestinieren. Die Initia­        («time to use») sowohl auf Anbieter- als auch auf Anwen-
tive erfolgt, insbesondere im SaaS-Umfeld, über-           derseite als wesentliches Argument für die Cloud.
wiegend bottom-up, wohingegen hochgradig
standardisierte Lösungen, insbesondere im IaaS-
und PaaS-Umfeld, mehrheitlich top-down geplant           «Das primäre Motiv für die
und ausgerollt werden.                                   Cloud ist die Öffnung. Remo-
Hauptmotive: Geschwindigkeit und Öffnung                 te Zugriff, VPN und Home
Der Bedarf an Kollaboration über die Unternehmensgren-   Office sind längst implemen-
zen hinweg und die Notwendigkeit einer kurzfristigen Um-
setzung sind die beiden in den Interviews meistgenannten tiert. Bei Cloud geht es um
und naheliegendsten Treiber für Cloud-Initiativen.       die dedizierte und sichere
                                                         Öffnung gegenüber Dritten
«Es muss einen Leidensdruck ausserhalb dieser klar abge-
geben, Informationen ad hoc steckten organisatorischen
für Kunden oder Anbieter ver- Grenzen.»
fügbar zu machen. Es sind                                  Rolf Scheiber, Geschäftsleitung, Itartis AG

diese klaren Marktbedürfnis-
                                                         Virtuelle Unternehmensstrukturen, manifestiert in temporä-
se, die die Cloud pushen.»                               ren oder örtlich verteilten Mitarbeitenden und Koopera­
Max Brändle, Geschäftsführer, gds Schweiz GmbH             tionspartnern sowie unternehmensübergreifenden Ge-
                                                           schäftsprozessen, sind ein weiterer struktureller Treiber,
                                                           der Hand in Hand geht mit dem Bedarf an ortsunabhängi-
                                                           ger Zusammenarbeit und Kommunikation. In dieses Anfor-
                                                           derungsmuster gehört auch die Unterstützung mobiler
                                                           Prozesse und unterschiedlichster Endgeräte, die sowohl
                                                           von Anbietern als auch Anwendern als zunehmend rele-
                                                           vanter Auslöser für Cloud-Projekte eingeschätzt wird.
18

     Grösse und Reifegrad der IT                                     rung etc.) verfügen, die Nutzung von Cloud-Lösungen
     Zu den strukturellen Einflussfaktoren auf die Cloud-Nach-       grundsätzlich leichter als Unternehmen mit einer veralte-
     frage zählt letztlich auch die Unternehmensgrösse. Die be-      ten, unflexiblen Infrastruktur. Vor diesem Hintergrund ver-
     fragten Anbieter verzeichnen eine verstärkte Nachfrage          zeichnet die Mehrzahl der befragten Anbieter Cloud-Pro-
     nach Cloud bei KMUs, die die Cloud als Chance sehen,            jekte bei Finanzdienstleistern, die einen hohen IT-Reifegrad
     fehlende IT-Ressourcen und lückenhaftes IT-Know-how             aufweisen und Cloud gezielt einsetzen, um spezifische
     bedarfsgerecht und flexibel einzukaufen. Die Argumente          Geschäftsanforderungen und Kostenstrukturveränderun-
     der Anbieter liegen auf der Hand: Bei hochwertigen Cloud-       gen zu realisieren.
     Angeboten mit klar definierten Service Levels profitieren
     KMUs von einem erhöhten Sicherheits- und Qualitäts­             Kultur – Digital Natives und BYOD
     niveau, das sie mit beschränkten IT-Mitteln im eigenen          Neben den strukturellen Faktoren spielen die Unterneh-
     Haus in der Regel nicht erreichen könnten.                      menskultur und der Wunsch nach einer modernen Arbeits-
                                                                     umgebung bei der Entstehung und Verbreitung von Cloud-
                                                                     Initiativen eine wesentliche Rolle. Sowohl Anbieter- als
     «Nachfrage nach Cloud ver-                                      auch Anwendungsunternehmen sehen die neue Generati-
                                                                     on von Mitarbeitenden, für die mobile Apps und Cloud-
     zeichnen wir zunehmend bei                                      Angebote selbstverständlich sind und die ihre eigenen
     kleineren und mittelständi-                                     Endgeräte einsetzen («Bring Your Own Device»), als we-
                                                                     sentliche Impulsgeberin für den bottom-up Cloud-Einsatz.
     schen Unternehmen, die be-
     grenzte Ressourcen in den                                       Cloud-Angebot
                                                                     Nicht zu vernachlässigen ist die Wirkung, die das Cloud-
     ­IT-Abteilungen haben und sich                                  Angebot etablierter Anbieter (z.B. Microsoft, Swisscom,
      auf ihre Kernprozesse fokus-                                   ­T-System), die den kompletten Cloud-Stack und verschie-
                                                                     denste Anwendungsbereiche abdecken, auf potenzielle
      sieren wollen.»                                                Kunden und Konkurrenten hat. Lokale Ansprechpartner,
     Bernhard Braun, Director SaaS, Saperion AG                      bestehende Geschäftsbeziehungen und massive Marke-
                                                                     tingaktivitäten für Cloud-Angebote sowie neue Verrech-
                                                                     nungsmodelle bringen Kunden dazu, Cloud-Alternativen in
     Dennoch sehen die Experten ECM und Kollaboration in der         Betracht zu ziehen. Damit diese Überlegungen über die
     Cloud nicht als reines KMU-Phänomen. Reifegrad und              Phase der Evaluation hinauskommen, bedarf es jedoch rei-
     Leistungsfähigkeit der IT treiben die Nachfrage nach Cloud      fer und für alle Unternehmensgrössen überzeugender Ver-
     an beiden Enden des Spektrums. Auf der einen Seite              trags- und Preismodelle (siehe Kapitel 3.5 Eintrittshürden).
     profitieren Unternehmen mit einem geringen IT-Reife- und
     -Automatisierungsgrad (z.B. in der Bau- und Immobilien­
     branche) und begrenzten IT-Ressourcen (z.B. KMUs, Mik-
     rounternehmen) von der Möglichkeit, standardisierte IT-
     Dienstleistungen ohne Hardware-Investitionen oder Perso-
     nalaufwände aus der Cloud zu beziehen. Auf der anderen
     Seite fällt grossen, teilweise global agierenden IT-Abteilun-
     gen, die infrastruktur- und softwareseitig über eine moder-
     ne, strukturell entkoppelte IT-Landschaft (SOA, Virtualisie-
Studienergebnisse     19

Bottom-up oder top-down                                              In grossen Unternehmen werden insbesondere hochgradig
Die Frage, ob Cloud-Inititativen im ECM- und Kollaborati-            standardisierte Lösungen typischerweise top-down unter-
onsumfeld von der Unternehmensleitung (top-down) aus-                nehmensweit ausgerollt, wohingegen spezifische Anforde-
gehen oder auf Einzelinitiativen (bottom-up) basieren, lässt         rungen und Projekte aus den Abteilungen bottom-up reali-
sich nicht mehr so eindeutig beantworten wie in den op-              siert werden. Letztere sind nach Aussagen der Anbieter
portunistisch geprägten Anfangszeiten der Cloud. Die                 und Berater mehrheitlich im SaaS-Umfeld zu finden, wäh-
Mehrzahl der befragten Anbieter und Berater begegnen in              rend über den Bezug von Infrastruktur- und Plattformleis-
ihren Cloud-Projekten nach wie vor überwiegend Bottom-               tungen aus der Cloud überwiegend top-down entschieden
up-Initiativen, wobei abhängig vom Reifegrad des Cloud-              wird. Interessant ist, dass drei der vier befragten Anwen-
Einsatzes, der Cloud-Service-Ebene (IaaS, PaaS, SaaS)                dungsunternehmen, die ECM oder Kollaboration in der
und dem angestrebten Standardisierungsgrad auch Top-                 Cloud bereits einsetzen oder planen, ihren Cloud-Einsatz
down-Initiativen an Relevanz gewinnen.                               als strategischen top-down gefällten Entscheid mit unter-

«Projekte im Cloud-Umfeld kommen hauptsächlich von unten.
Insbesondere im Kollaborationsumfeld kommt der Wunsch
aus den Abteilungen, die sich nicht in ein festes ECM-Sche-
ma pressen lassen wollen, sehr spezifische Anforderungen
haben und auf den Informationsaustausch insbesondere mit
Externen fokussieren.»
Stefan Schwane, Business Development Manager, d.velop process solutions GmbH

Abb. 6

TREIBENDE FAKTOREN FÜR ECM UND E-KOLLABORATION IN DER CLOUD

                                                                               – Standardisierung
                                                               Top-down        – Kostendruck
                                                                               – IaaS, PaaS

                                                                                                                – Key Players mit lokalen Angeboten
                                       Reifegrad                                                                – On-demand-Preismodelle
                                                                                           Cloud-Angebot
                                        der IT

                      – Grösse / KMU
                                                              CLOUD-
                                                                                                                        – Bring Your Own Device
 – Öffnung & Kollaboration                                  STRATEGIE?
                                 Struktur &                                                                             – Digital Natives
 – Mobilität                                                                                           Kultur
                                  Dynamik
 – Virtualität

                                                              Bottom-up        – Spezifische Business Cases
                                                                               – SaaS
20

     nehmensweiter Reichweite einstufen. Der aktuelle oder ge-      aus der Cloud» bei 203 deutschen Unternehmen, wonach
     plante Cloud-Einsatz beschränkt sich in diesen Fällen kei-     52% der befragten Unternehmen ihren Cloud-Einsatz als
     nesfalls auf Infrastrukturprojekte, sondern reicht von         langfristig strategischen Entscheid einstufen (PAC, 2012).
     Dokumentenmanagement bis hin zu E-Kollaboration und
     Social Software. Dies mag mit dem unternehmensweit aus-        Braucht es eine Cloud-Strategie?
     gelegten Leistungsauftrag der befragten Experten zusam-        Eine Wende in der Nachfrage scheint sich aus Anbieter-
     menhängen, aber die Tendenz zu top-down strategischen          sicht insofern abzuzeichnen, als nicht mehr pauschal
     Ansätzen bestätigen auch aktuelle quantitative Studien, wie    «Cloud» nachgefragt wird, sondern ein bestimmtes An-
     zum Beispiel die von Pierre Audoin Consultants 2012            wendungsszenario oder eine konkrete Anforderung die
     durchgeführte Umfrage «Communication und Collaboration         Umsetzung in einer Cloud-Umgebung nahelegen.

     «Wenn in der aktuellen Cloud-Nutzung Muster auszumachen
     sind, dann sind es zum einen standardisierte Kompromisse,
     die unternehmensweit top-down ausgerollt werden (z.B.
     Sharepoint Standard), und zum anderen indviduelle use-case-
     getriebene Lösungen (z.B. E-Kollaboration), die bottom-up
     und mit beschränkter Reichweite realisiert werden. Klassische
     ECM-Lösungen verbleiben immer noch häufig individualisiert
     on-premise oder off-premise als Managed Service und
     werden noch kaum in der Cloud genutzt.»
     Dieter Lüscher, Senior Product Manager, Swisscom IT Services

     «In unseren Projekten sehen wir überwiegend bottom-up
     Initiativen, die wertschöpfungsgetrieben sind und einen kon-
     kreten Business Case zur Grundlage haben. Cloud ist nicht
     der Treiber, sondern ein bestimmtes Wertschöpfungsbedürf-
     nis, z.B. im Rahmen eines neuen Angebotes, Dokumente in
     einer hoch sicheren Umgebung mit Kunden zu teilen. Dies
     führt dann zum Cloud-Entscheid.»
     Tobias Christen, CEO DSwiss AG, SecureSafe
Studienergebnisse   21

Bei der Frage, ob solche opportunitätsgetriebenen Cloud-                Wird Cloud als Hebel für Standardisierung eingesetzt, um
Initiativen in eine übergeordnete Cloud-Strategie eingebet-             erhöhtem Kostendruck zu begegnen und Komplexität zu
tet sein müssen, scheiden sich die Geister. Eine Cloud-                 reduzieren,     erscheint     eine    Top-down-Cloud-Strategie
Strategie kann den Weg für innovative Initiativen, die auf              ebenfalls naheliegend. Die befragten Experten sehen diese
Offenheit, Flexibilität und Dynamik abzielen, ebnen, indem              Herangehensweise auch bei Unternehmen, die bereits un-
sie Rahmenbedingungen für eine sichere und effiziente                   ternehmensweite Kollaborationsplattformen klassisch be-
Umsetzung schafft. Diese Notwendigkeit sehen die befrag-                treiben und deren Überführung in die Cloud planen. Bleiben
ten Anbieter- und Anwenderunternehmen insbesondere in                   bei diesen top-down strategisch geplanten Vorhaben je-
stark regulierten und sicherheitssensitiven Branchen. So                doch Dynamik und Flexibilität auf der Strecke, bleiben we-
hat der Bund 2012 eine Cloud-Computing-Strategie ver-                   sentliche Potenziale der Cloud für die unternehmensüber-
abschiedet, die das Innovationspotenzial der Cloud für                  greifende Kollaboration unerfüllt. Dieses Spannungsfeld
eGovernment-Vorhaben manifestiert und davon ausge-                      zwischen IT-Strategie als Standardisierungshebel vs. Inno-
hend Massnahmen für eine kontrollierte Nutzung formuliert               vator ist nichts Neues und nicht Cloud-spezifisch. Die un-
(EDF/ISB, 2012). Diese Strategie macht deutlich, wie stra-              terschiedlichen Expertenmeinungen zeigen auf, dass der
tegische Stossrichtungen in bestimmten Sektoren und                     passende Mix aus Bottom-up-Dynamik und Top-down-
Funktionsbereichen den Ausbau von Cloud-Infrastrukturen                 Cloud-Strategie vom konkreten Unternehmens- und Bran-
vorantreiben können, wie dies auch in eHealth und mobile                chenkontext abhängt. Hier können die oben dargestellten
Finance zu beobachten ist.                                              strukturellen und kulturellen Faktoren Hinweise bieten.

«Die vorliegende Strategie ergänzt die E-Government-Strate-
gie der Schweiz im Hinblick auf den Einsatz von Cloud-Com-
puting. Sie beschreibt, wie die Schweizer Behörden mit den
neu entstehenden Möglichkeiten umgehen wollen und welche
Massnahmen zu treffen sind, damit die mit dem Cloud-Einsatz
einhergehenden Risiken minimiert und die sich damit eröffnen-
den Chancen insbesondere auch zur Unterstützung von
­E-Government genutzt werden können.»
Cloud-Computing-Strategie des Bundes 2012 – 2020 (S. 3), EDF-Eidgenössisches Finanzdepartement, ISB-Informatiksteuerungsorgan des Bundes ISB
22

     3.2 WO STECKT DAS GRÖSSTE POTENZIAL FÜR                                        (Dokumenten­
                                                                                               management, Web Content Management,
     ENTERPRISE CONTENT MANAGEMENT UND E-                                           Records Man­
                                                                                               agement, E-Mail-Management), da diese
     KOLLABORATION IN DER CLOUD?                                                    Bereiche Basisdienste für eine effiziente und sichere
     Lösungsanbieter, Beratungs- und Anwenderunter-                                 Cloud-basierte Zusammenarbeit bereitstellen.
     nehmen sind sich einig, dass E-Kollaboration der
     wichtigste Einsatzbereich von Cloud-Lösungen ist                               Kommunikationslösungen (E-Mail, Instant Messaging,
     und bleibt. Aber auch im klassischen Enterprise                                Web-/Teleconferencing) gelten nach wie vor als Killerappli-
     Content Management eröffnen sich Möglichkeiten,                                kationen für die Cloud, weil sie in der Regel sauber entkop-
     vorausgesetzt es gelingt, ECM-Lösungen funktional                              pelbar sind und traditionell internetbasiert bezogen wur-
     aufzubrechen und feingranular in der Cloud anzu-                               den. Auch wenn ein höherer Integrationsgrad dieser
     bieten. Lassen sich davon ausgehend standardi-                                 Kommunikationslösungen mit bestehenden Anwendungen
     sierte Lösungen und individualisierbare Komponen-                              Nutzenvorteile bietet, ist die Entkoppelung immer noch Re-
     ten flexibel im Baukastensystem kombinieren,                                   alität und gute Grundlage für die Cloud.
     erschliessen diese hybriden Angebote neue Anwen-
     dungskonstellationen und Kundenzielgruppen.

     Kooperieren, Teilen und Kommunizieren                                          «Wir sehen das grösste
     Wie im vorangegangen Kapitel dargestellt, ist der Wunsch
     nach Zusammenarbeit über die Unternehmensgrenzen hi-
                                                                                    Potenzial für Cloud-Lösungen
     naus die wesentliche Motivation, ECM- und E-Kollaborati-                       im kollaborativen Content
     onsfunktionalität aus der Cloud zu beziehen. Diese Grund-
     muster (Öffnung, Virtualisierung, Mobilität) spiegeln sich
                                                                                    Man­agement. Auslöser sind
     sowohl in der aktuellen Cloud-Nutzung als auch im Poten-                       die zunehmende Nachfrage
     zial, das in Cloud-Lösungen gesehen wird. Virtuelle Pro-
     jekträume und Enterprise Social Software, die das Publi-
                                                                                    nach mobilem Zugang von
     zieren,     Teilen      und      Präsentieren         von      Informationen   verschiedensten Endgeräten
     ermöglichen, sind und bleiben aus Sicht der befragten
     Experten aus dem Anwender- und Anbieterlager die viel-
                                                                                    und die Kollaboration mit
     versprechendsten Anwendungsbereiche für die Cloud                              Externen. Kollaboration und
     (siehe Abbildung 75). Davon betroffen ist zwangsläufig das
     Content Management in seinen verschiedenen Facetten
                                                                                    Social Media bieten sich für
                                                                                    die Cloud an, weil die Innova-
     5 G
        egenstand der vorliegenden Studie war eine qualitative Analy-
       se auf der Grundlage von 22 Experteninterviews. Das entschei-
                                                                                    tionszyklen kürzer sind und
       dende Auswahlkriterium war die fundierte Erfahrung im ECM,
         E-Kollaborations- und Cloud-Umfeld und nicht die repräsentati-
                                                                                    sehr viel mehr Beweglichkeit
         ve Verteilung aufgrund des Profils. Die begrenzte Anzahl der
       ­Interviews und die ungleiche Verteilung auf die drei Interview-             erfordern als klassische
         partner-Kategorien Lieferant (N=10), Berater (N=8) und
         Anwender­unternehmen (N=4) lässt keine stichhaltige Interpre-
       tation quantitativer Aussagen zu. Um dennoch eine Faktenba-
                                                                                    ECM-Applikationen.»
       sis für die Trendaussagen zum Potenzial zu erstellen, wurde im
       Rahmen der Online-Vorabbefragung und der Interviews die An-                  Patrick Thibor, Director, Head Enterprise Content Management,
       zahl der Nennungen der verschiedenen Funktionalitäten mittels                Swiss Reinsurance Company Ltd
        ­einer aufgabenorientierten Klassifikation erhoben. Die Klassifi-
         kation mit Details zu den in den Aufgabenbereichen enthalte-
         nen Funktionalitäten findet sich in Kapitel 2.3.
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