Arbeit und Digitalisierung - Warum Digitalisierung besser mit einer partizipativen Arbeitskultur gelingt
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Arbeit und Digitalisierung Warum Digitalisierung besser mit einer partizipativen Arbeitskultur gelingt
Impressum Herausgeber/Redaktion: Begleitforschung Mittelstand-Digital WIK-Consult GmbH Rhöndorfer Straße 68 53604 Bad Honnef HRB: Amtsgericht Siegburg, 7043 Tel. +49 (0)2224-9225-0, Fax +49 (0) 2224-9225-68 E-Mail: mittelstand-digital@wik.org www.mittelstand-digital.de Verantwortlich: Martin Lundborg Texte: Die jeweils angegebenen Autoren sowie Peter Stamm Bildquelle: (Titel) AdobeStock-Vasyl Januar 2022
Arbeit und Digitalisierung 1 Inhalt 1 Einleitung: Arbeit und Digitalisierung 2 1.1 Erfolgreichere Digitalisierung in Kooperation mit der Belegschaft 2 1.2 Die Digitalisierung im Unternehmen beginnt bei den Mitarbeitenden 3 2 Attraktiver Arbeitsplatz durch Digitalisierung 5 2.1 Die Landwirtschaft wird zum attraktiven Arbeitsplatz – Ein Praxisbeispiel aus Sachsen-Anhalt 5 2.2 Was ist bei mobiler Arbeit rechtlich zu beachten? 7 2.3 Menschzentrierte Digitalisierung für mehr Wohlbefinden in der Arbeit – Positive User Experience als Chance 9 2.4 Digital Diversity ist mehr als nur Toolvielfalt – Chancen und Herausforderungen für Diversity durch Digitalisierung 11 3 Digitale Veränderungen aktiv gestalten 14 3.1 Change Management 4.0: Alter Wein in neuen Schläuchen? Mitnichten! 14 3.2 Wie Beschäftigte die Digitalisierung in ihren Arbeitsprozessen erleben – Erfahrungen der Beschäftigten für Verbesserungen nutzen 16 3.3 Der Weg zur gelungenen Dokumentenarchivierung und was dies mit Kommunikation zu tun hat – Ein Praxisbeispiel aus dem Handwerk 18 3.4 Leitfaden zur partizipativen Gestaltung von Smart Factory-Implementierungen 21 3.5 Von der klassischen Weiterbildung zur virtuellen Lernkultur 24 4 Führen im digitalen Zeitalter 27 4.1 Führung 4.0 – Auf die innere Haltung kommt es an 27 4.2 Workshop zu Führung in der digitalisierten Arbeitswelt 29 4.3 Künstliche Intelligenz als Unterstützung für Führungskräfte der Zukunft 31 Quellen 34
2 Arbeit und Digitalisierung 1 Einleitung: Arbeit und Digitalisierung 1.1 Erfolgreichere Digitalisierung in Kooperation mit der Belegschaft Peter Stamm Mittelstand-Digital Begleitforschung Mit Hilfe verschiedenster Digitalisierungslösungen Dass die mitunter gravierenden Veränderungen der lassen sich in Unternehmen Effizienz und Nachhal- digitalen Transformation kein Selbstläufer sind, son- tigkeit steigern, Transparenz und Nutzerfreundlich- dern aktiv vom Wandel hin zu einer neuen Füh- keit verbessern und somit die Wettbewerbsfähigkeit rungs- und Arbeitskultur begleitet werden müssen, erhöhen. Ermöglicht durch neue Technologien bei- liegt auf der Hand. Dieser Kulturwandel muss von spielsweise der Sensorik, Datenanalytik, Digitalen der Unternehmensleitung gewollt, angestoßen und Zwillinge, Künstlichen Intelligenz oder der Augmen- moderiert werden.1 Zudem besteht ein großer ted und Virtual Reality entstehen beeindruckende Bedarf an Weiterqualifizierungen und Trainings, Möglichkeiten in vielfältigen Anwendungsfeldern. quer durch die gesamte Hierarchie im Unterneh- men. Für eine nachhaltig erfolgreiche Einführungen und Nutzungen dieser digitalen Technologien und In dieser Publikation möchten die Autorinnen und Anwendungen braucht es jedoch immer auch das Autoren aus den Zentren im Netzwerk Mittelstand- Engagement der Menschen, die in den Unterneh- Digital Ihnen zentrale Themen rund um die digitali- men arbeiten. Nur wenn diese von der Vorteilhaftig- sierte Arbeitswelt sowie zu den notwendigen Verän- keit der Digitalisierung überzeugt sind und eine derungen auf dem Weg dorthin vorstellen. Hierbei positive Einstellung hinsichtlich der mit ihrer Einfüh- wird insbesondere beleuchtet, wie Digitalisierung rung verbundenen Veränderungen einnehmen, zur Schaffung von attraktiven Arbeitsplätzen einge- können die bestehenden Potenziale der Technik setzt werden kann, was bei der Gestaltung des Ver- wirklich ausgeschöpft werden. änderungsprozesses zu beachten ist sowie welche Art von Führung im digitalen Zeitalter gefragt sein Sowohl Erkenntnisse der Arbeitswissenschaft als wird. Diese Auswahl an Artikeln soll Ihnen neue Ein- auch vielfältige Erfahrungen aus der betrieblichen blicke eröffnen und bei weiterem Interesse stehen Praxis zeigen, dass Digitalisierungsprojekte, die par- Ihnen die Mittelstand-Digital Zentren mit vielfälti- tizipativ organisiert werden und bereits zu einem gen Unterstützungsangeboten rund um Arbeitsthe- frühen Zeitpunkt die Menschen einbeziehen, deren men zur Seite. Arbeitsalltag durch das Projekt verändert wird, am Ende erfolgreicher umgesetzt werden. Es gilt hier- bei die Betroffenen frühzeitig zu Beteiligten zu machen. Wesentlicher Erfolgsfaktor ist hierbei, die Technik so zu gestalten, dass die Mitarbeitenden sich wohl fühlen und ihre Arbeit und die digitale Transformation als etwas Positives erleben. Je attrak- tiver die Arbeitsplätze, desto einfacher lassen sich Weitere Informationen und Angebote: auch künftig Fachkräfte gewinnen und desto moti- E-Mail: mittelstand-digital@wik.org vierter sind die Mitarbeitenden am Werk. www.mittelstand-digital.de 1 Vgl. Gries, C., M. Lundborg und P. Stamm (2021).
Arbeit und Digitalisierung 3 1.2 Die Digitalisierung im Unternehmen beginnt bei den Mitarbeitenden Svenja Dittmann Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Kommunikation Damit der digitale Wandel funktioniert, braucht es zessen durch neue technische Möglichkeiten vor- mehr als nur Technologie. Denn die Digitalisierung handen sein. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bietet viele Chancen: neue effizientere Geschäfts- könnten befürchten, hinsichtlich der Effizienz und modelle, Vernetzung von Daten und neue Mög- Schnelligkeit ihrer Arbeit überwacht und bewertet lichkeiten bei der Kommunikation – davon profitie- zu werden. Die Sorge ist hier, dass der Mensch zu ren Menschen und Unternehmen. Laut einer Studie einem sogenannten ‚gläsernen Mitarbeiter‘ wird, eines großen Anbieters von Soft- und Hardware- der permanenten Analysen und Kontrollmechanis- Lösungen stehen Mitarbeitende neuen Technolo- men unterliegt. gien grundsätzlich positiv gegenüber.2 Dennoch bestehen in Teilen der Belegschaft auch Ängste Datenschutzgrundverordnung als Absicherung für oder Vorbehalte gegenüber den teilweise tiefgrei- Mitarbeitende fenden Veränderungen, die die Digitalisierung im Unternehmen mit sich bringt. Dies stellt eine Her- Grundsätzlich bieten einige digitale Anwendungen ausforderung dar, die im Transformationsprozess zu die technischen Möglichkeiten zur Überwachung. berücksichtigen ist. Die Verfügung über mögliche Überwachungswerk- zeuge ist für Unternehmen tatsächlich jedoch sehr Ängste durch die Digitalisierung begrenzt, da viele dieser Überwachungsmöglich- keiten nicht nur Persönlichkeitsrechte der Ange- Einige Mitarbeitende sehen weniger die positiven stellten verletzten würden, sondern auch gegen Auswirkungen digitaler Lösungen, sondern stehen die gesetzlich fixierten Datenschutzvorgaben ver- der Einführung digitaler Anwendungen im Unter- stoßen. Grundlage dafür ist die am 28. Mai 2018 nehmen eher skeptisch gegenüber. Einer Studie in Kraft getretene EU- Datenschutz- Grundverord- zufolge entwickelt fast die Hälfte aller Mitarbeiten- nung (DSGVO), die nicht nur die Möglichkeiten der den Ängste in Bezug auf die digitale Transforma- Datenerhebung und -verarbeitung personenbezo- tion.3 Grund dafür können Berührungsängste mit gener Daten im privaten, sondern auch im beruf- technischen Lösungen für Arbeitsprozesse sein, lichen Rahmen reguliert. Diese räumt Arbeitneh- die zuvor analog organisiert waren. Dies geben mern und Arbeitnehmerinnen mehr Rechte ein und 48 Prozent der Befragten an. Es können aber auch setzt neue Regeln für Arbeitgeber fest. Die DSGVO existenziellere Befürchtungen ausgelöst werden. sichert Einzelpersonen gegen unrechtmäßige Über- Die Sorge ist hier, dass digitale Systeme menschli- wachung ab. che Arbeitskraft etwa durch Robotik, Automatisie- rung oder den Einsatz algorithmischer Anwendun- Belegschaft in Digitalisierungsprozesse einbinden gen ersetzen könnten. 51 Prozent der Befragten befürchten, dadurch ihren Arbeitsplatz zu verlieren, Die Digitalisierung und neue Prozesse erfordern so eine Studie. immer ein Umdenken auch bei Mitarbeitenden. Deshalb ist es wichtig, dass Veränderungen im Sorge vor digitaler Überwachung Unternehmen gemeinsam gestaltet werden. Unser Punkteplan kann dabei unterstützen eine positive Darüber hinaus können Unsicherheiten mit Blick auf Haltung gegenüber Veränderungen bei allen Mitar- Monitoring und Überwachung von Arbeitspro- beitenden zu fördern: 2 Vgl. Microsoft (2018). 3 Vgl. ebenda.
4 Arbeit und Digitalisierung ► Zeigen Sie den konkreten Mehrwert für Mitarbei- Ansatzpunkte für Unternehmen tende und Betrieb auf, den die neuen Technolo- gien bieten, die im Unternehmen Anwendung Für Unternehmen muss das Ziel also zum einen sein, finden sollen. Heben Sie hervor, inwiefern es Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Skepsis zu ermöglicht auch individuelle Potenziale besser nehmen und mit konkreten Maßnahmen dafür zu zu entfalten. sorgen, dass die Digitalisierung nicht als Bedrohung empfunden wird. Dabei gilt es Chancen und Poten- ► Informieren Sie Mitarbeitenden darüber, welche ziale hervorzuheben. Zum anderen müssen Unter- Maßnahmen ergriffen werden, um alle gleicher- nehmen hinsichtlich der geltenden Rechtsprechung maßen zum Umgang mit neuen Anwendungen sicherstellen, dass Aspekte der Sicherheit und des zu befähigen. Dies können Schulungen, Work- Schutzes personenbezogener Daten rechtmäßig shops oder Weiterbildungen sein. In diesem gehandhabt sind. Hiermit sind die Voraussetzungen Rahmen können Mitarbeitende konkrete Erfah- geschaffen, um das Vertrauen von Mitarbeiter/- rungen machen und sich von den neuen Techno- innen und Mitarbeitern zu festigen und Loyalität zu logien überzeugen. stärken. ► Fördern Sie eine Kultur des Vertrauens im Unter- Die Fruchtbarkeit digitaler Lösungen im Betrieb nehmen, indem Sie Mitarbeitenden zu Feedback hängt zu großen Teilen von der Einstellung der Mit- ermutigen und auf eventuelle Sorgen empa- arbeitenden ab. Wenn alle an einem Strang ziehen thisch reagieren. Achten Sie darauf, ihr Team und gleichermaßen von den digitalen Neuerungen über die Entwicklungen stets auf dem Laufen- im Unternehmen überzeugt sind, ist eine erfolgrei- den zu halten. che und ganzheitliche Verankerung digitaler Lösun- gen im Unternehmen möglich. Mit den richtigen ► Achten die auf Ihre Wortwahl. Schlagworte und Maßnahmen stellen Sie sicher, dass Vertrauen bei Anglizismen die im Zusammenhang mit der Digi- den Mitarbeitenden bei der Digitalisierung beste- talisierung häufig gebraucht werden, können bei hen bleibt. So ist der Grundstein für eine gewinn- einigen Mitarbeitenden Verwirrung stiften. For- bringende Digitalisierung in ihrem Unternehmen mulieren sie die Funktion und den Nutzen neuer gelegt. Lösungen unmissverständlich. ► Geben Sie Mitarbeitenden die Möglichkeit zum Experimentieren und Ausprobieren und neh- Autorin men Sie ihnen die Scheu vor Fehlern im Umgang Svenja Dittmann, Wissenschaftliche Mitarbeite- mit neuen Anwendungen. So tragen Sie zu einer rin beim FTK konstruktiven Fehlerkultur im Unternehmen bei. Weitere Informationen und Angebote Haben Sie Fragen zur Digitalisierung in Ihrem ► Geben Sie Mitarbeitenden die Möglichkeit zum Unternehmen: Kontaktieren Sie gerne das Experimentieren und Ausprobieren und neh- Team vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum men Sie ihnen die Scheu vor Fehlern im Umgang Kommunikation unter mit neuen Anwendungen. So tragen Sie zu einer info@kompetenzzentrum-kommunikation.de konstruktiven Fehlerkultur im Unternehmen bei.
Arbeit und Digitalisierung 5 2 Attraktiver Arbeitsplatz durch Digitalisierung 2.1 Die Landwirtschaft wird zum attraktiven Arbeitsplatz Ein Praxisbeispiel aus Sachsen-Anhalt Christina Maischak und Susanne Kaufmann Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Magdeburg Die Landwirtschaft gehört zu den Branchen, in fachliches Grundwissen ist genauso wichtig, wie denen die Digitalisierung schon vor vielen Jahren spätere Spezialisierungen. Deshalb muss die Bereit- Einzug gehalten hat und weit vorangeschritten ist. schaft der Beschäftigten zu Fort- und Weiterbildun- Dieser Prozess erfordert eine hohe technische Aus- gen gefördert werden. Die Beschäftigten der Land- stattung für landwirtschaftliche Betriebe, was oft mit wirtschaftlichen Betriebsgemeinschaft GbR Groß hohen Investitionen verbunden ist, dies gilt auch für Germersleben werden schon von Anfang an in Pro- alle vor- und nachgelagerten Bereiche. So können zesse digitaler Veränderungen aktiv eingebunden, landwirtschaftliche Arbeitsmaschinen zentimeter- um ihre Akzeptanz für neue digitale Technologien genau fahren und miteinander kommunizieren, zu erhöhen. Mit dem Einsatz neuer Maschinen und Drohnen können Teilflächen erkennen und Dünge- Systeme erhalten die Mitarbeitenden eine Einfüh- mittelmengen bedarfsgerecht berechnen, Tiere tra- rung und werden mit der Bedienung der digitalen gen digitale Halsbänder und ihre Gesundheit wird Systeme vertraut gemacht. Für Fragen, die manch- zentral überwacht und Roboter kommen bspw. zum mal auch erst im Umgang mit den neuen Technolo- Füttern, Melken und auf dem Feld zur Unkrautbe- gien auftreten, stehen Servicemitarbeiter:innen und kämpfung zum Einsatz. eine Hotline zur Verfügung. Die Maschinen in der Landwirtschaft sind mit GPS- Was hat es gekostet? Geräten ausgestattet, sie kommunizieren miteinan- der und sind vernetzt. Der sorgfältige Umgang mit Die Mitarbeiter:innen haben sehr positiv auf den der Technik in der Landwirtschaft kann auch in der Einsatz digitaler Technologie reagiert, es gab keine Landwirtschaftlichen Betriebsgemeinschaft GbR Widerstände. Es trat zwar die eine oder andere Groß Germersleben nur durch entsprechende Fach- Skepsis auf, der das Unternehmen aber erfolg- kompetenzen sichergestellt werden. Die Motivation reich begegnen konnte, indem die Beschäftigten der Beschäftigten für digitale Veränderungen sowie bei Einführung der neuen Technologien mit Schu- passgenaue Weiterbildungsaktivitäten sollten bei lungen unterstützt wurden. Die Schulungen haben landwirtschaftlichen Unternehmen einen sehr hohen sich hundertprozentig bezahlt gemacht, denn die Stellenwert einnehmen. Denn wenn die Belegschaft Skepsis gegenüber den neuen Technologien wurde nicht befähigt wird, mit neuen digitalen Technolo- abgebaut, Fragen wurden beantwortet und Sicher- gien umzugehen, dann scheitert deren Einsatz. heit im Umgang mit den neuen Systemen erlangt. Mit jedem Einführungsschritt in die Digitalisierung Die Lösung wird den Kolleg:innen der Landwirtschaftlichen Betriebsgemeinschaft ein Stück Verantwortung Durch die Nutzung vollautomatischer Maschinen in abgenommen und sie brauchen sich um bestimmte allen Bereichen der Landwirtschaft wird die klassi- Tätigkeiten nicht mehr kümmern, weil das jetzt die sche Landwirtschaft betreibende Person zur bedie- Computertechnologie übernimmt. Sie können sich nende Person von digitalen Systemen, zur/zum anderen, neu entstandenen Aufgaben oder Abläu- Techniker:in und Programmier:in. Ein breites fen widmen. Wenn beispielsweise ein Traktor durch
6 Arbeit und Digitalisierung die digitale Steuerung automatisch geradeaus fährt, Arbeitswelt. Digitalisierung ist ein großes Thema in braucht der Mitarbeiter sich nicht mehr ums Lenken, der Arbeitswelt und auch des täglichen Lebens, was sondern kann sich um die Bedienung der Maschine auch nicht aufzuhalten ist. Digitalisierung ist für die kümmern. Branche Landwirtschaft unerlässlich geworden und steigert nicht zuletzt die Attraktivität der Branche. Was würde das Unternehmen nicht wieder machen? „Wir nutzen viele Systeme, um es uns leichter zu Die Landwirtschaftliche Betriebsgemeinschaft GbR machen, um auch Entscheidungsfindungen leich- Groß Germersleben würde alles genauso wieder ter zu machen, um Hintergrundinformationen zu machen. Doch trotz Digitalisierung ist dem Unter- bekommen. Aber letztendlich was an welcher Stelle nehmen klar, dass der Mensch in der Landwirtschaft gespritzt, gedüngt oder gesät wird, das muss der nicht komplett ersetzt werden wird. In allen Syste- Bauer noch alleine entscheiden.“ SVEN BORCHERT, men, die in der Landwirtschaft im Bereich der Digita- Landwirtschaftliche Betriebsgemeinschaft GbR lisierung verwendet werden, soll der Mensch immer Groß Germersleben noch die entscheidungsbefugte Person bleiben. Was hat dem Unternehmen sehr geholfen? Autorinnen Christina Maischak befasst sich mit der Digitali- Unter den Beschäftigten hat der Erfahrungsaus- sierung (in) der Arbeitswelt am Zentrum für Sozi- tausch zwischen den Generationen hervorragend alforschung Halle e.V. funktioniert und das war sehr hilfreich für das Unter- Susanne Kaufmann arbeitet zu Bildungsverläu- nehmen. „Die Kommunikation zwischen Jung und fen, Sozialstruktur und betrieblicher Gesund- heitspolitik am Zentrum für Sozialforschung Alt funktioniert reibungslos. Die älteren Kollegen Halle e.V. lassen sich von den jüngeren Kollegen mitneh- men“ sagt der Betriebsleiter Sven Borchert. Die Weitere Informationen und Angebote Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Magdeburg Mitarbeitenden haben zum großen Teil auch pri- Sandtorstraße 23, 39106 Magdeburg vat Smartphones und moderne Technik, das ist Tel: 0391 54486 220 eine Entwicklung der Zeit und erleichtert somit www.vernetzt-wachsen.de auch den Umgang mit digitalen Neuerungen in der
Arbeit und Digitalisierung 7 2.2 Was ist bei mobiler Arbeit rechtlich zu beachten? Rechtliche Aspekte von dezentralem Arbeiten sowie ein Ausblick auf das Mobile Arbeit-Gesetz (MAG-E) Michael Rätze Mittelstand-Digital Zentrum Chemnitz Noch immer bestehen zahlreiche Fragen bezüglich Gesetzes (MAG-E), in der Fassung vom 14.01.2021, des dezentralen Arbeitens. Seien es Begrifflichkei- will dies künftig ändern, indem es nur noch von ten, wie Telearbeit, Fernarbeit und Mobile Working, „mobiler Arbeit“ spricht und dabei das heutige Home die noch immer unspezifisch eingesetzt werden Office dem Mobile Office unterordnet. oder die zentrale Frage, wie solche Arbeitsplätze auszugestalten sind und welche rechtlichen Folgen Unabhängig von der aktuellen Gesetzesentwicklung sich für die Beteiligten ergeben. Die Praxis, die oft- gelten für die Gestaltung dezentraler Arbeitsplätze mals Lösungen schnell umsetzen muss, überflügelt derzeit für Unternehmen die Anforderungen der hier teilweise den Rechtssetzer und greift ihm vor. Arbeitsstättenverordnung. Das MAG-E sieht gegen- wärtig keine Änderungen in diesem Bereich vor. Begriff des dezentralen Arbeitens Anforderungen aus der Arbeitsstättenverordnung Der Begriff „dezentrales Arbeiten“ ist in aller Munde. Allerdings sind bereits auf dieser Begriffsebene Grundsätzlich muss eine Tätigkeit, um der Arbeits- zahlreiche Ungenauigkeiten anzutreffen. Es werden stättenverordnung (ArbStättV) zu unterfallen, als sol- einschlägige Begriffe, wie Home Office, Mobile che der Dezentralisierung zugänglich sein. Meist Office usw. entweder ganz falsch verwendet oder dürfte es sich dabei um Bürotätigkeiten handeln, als Synonym, obwohl es sich dabei nicht um ein und welche dezentralisiert an Computern erledigt und dasselbe handelt. daher ausgelagert werden können. Strukturell lässt sich eine Abgrenzung gerade dieser Die Anforderungen an die Ausgestaltung des beiden zentralen Begriffe etwa nach dem Ort der Arbeitsplatzes sind dem Anhang der ArbStättV zu dezentralen Arbeit vornehmen. Handelt es sich um entnehmen. Für das Home Office und das Mobile ortsgebundene oder ortsveränderliche Tätigkeiten? Office gelten gewisse Grundsätze gleichermaßen. Ortsgebundene Tätigkeiten meint meistens die So sind die Arbeitsplätze so einzurichten, dass die Arbeit von zu Hause aus an einem fest eingerichte- Sicherheit und der Schutz der Beschäftigten gewähr- ten Arbeitsplatz, das Gesetz spricht hier von Telear- leistet wird, ausreichend Raum für wechselnde beit und diese ließe sich wohl zugleich als Home Arbeitshaltungen und -bewegungen vorhanden ist, Office bezeichnen. Bei der ortsveränderlichen Arbeit Bildschirmgeräte frei von störenden Reflexionen kann sich, wie der Name bereits verrät, der Arbeitsort und Belendungen sind und die Bildschirmgröße fortlaufend ändern. Mögliche Arbeitsorte sind daher und -form der Arbeitsaufgabe angepasst ist, um die beim Kunden, im Außendienst, in einem Café, in wichtigsten Grundsätze zu nennen. einem Co-Working-Space. Begrifflich wird man hier vom sog. Mobile Office oder mobilem Arbeiten spre- Speziell für das (stationäre) Home Office gehen die chen können. Während das Home Office nach der Anforderungen über diese Grundsätze hinaus. So derzeitigen Rechtslage einen stationären und einge- müssen die Bildschirme neben den reflexionsarmen richteten Arbeitsplatz erfordert, ist das Mobile Office Oberflächen noch frei und leicht dreh- und neigbar dadurch gekennzeichnet, dass es einen solchen dort sein. Die Tastatur muss von den Bildschirmen getrennt nicht gibt, weshalb eine Tätigkeit im Café, der Bahn sein und ebenfalls neigbar und reflexionsarm. Die usw. nicht als Home Office, sondern als Mobile Office Form und der Anschlag der Tastatur müssen ergo- gelten. Der Referentenentwurf des Mobile Arbeit- nomisch sein und die Beschriftung deutlich lesbar.
8 Arbeit und Digitalisierung Für das (ortsunabhängige) Mobile Office müssen werden. Regelmäßig wird dies durch einen Ände- Größe, Form und Gewicht tragbarer Bildschirmge- rungsvertrag realisiert, der den bestehenden räte der Arbeitsaufgabe entsprechen. Sobald eine Arbeitsvertrag anpasst oder durch eine sog. Home/ Trennung von Bildschirm und Tastatur nicht vorhan- Mobile Office-Vereinbarung, welche neben den den ist und auch keine anderen externen Eingabe- Arbeitsvertrag tritt und zeitlich begrenzt ist, sodass geräte vorhanden sind, werden solche Geräte nur nach deren Ablaufen die ursprüngliche Festlegung für eine kurzzeitige Verwendung als geeignet ange- wieder auflebt. sehen. Damit sind etwa Tablets für den längeren Gebrauch ausgeschlossen. So kann es für kurzzei- Anspruch auf dezentrale Arbeit tige Aufgaben, wie die Pflege des Terminkalenders oder das vereinzelte Schreiben einer E-Mail einge- Ein gesetzlicher Anspruch des/der Arbeitnehmers:in setzt werden, für dauerhafte Aufgaben, wie die auf Home Office oder Mobile Office besteht nicht Buchhaltung eines Unternehmens oder das Verfas- und soll auch durch das MAG-E nicht eingeführt sen langer mehrseitiger Texte wäre es ungeeignet. werden. Der vorübergehend bestehende Anspruch auf Home Office durch die SARS-CoV-2-Arbeits- Einführung der dezentralen Arbeit schutzverordnung während der Corona-Pandemie endete zum 30. Juni 2021. Der Entwurf zum MAG-E Die Einführung von Home Office oder Mobile Office sieht nunmehr für den/die Arbeitnehmer:in einen sollte sowohl vom/von der Arbeitgeber:in als auch Erörterungsanspruch gegenüber dem/der Arbeit- vom/von der Arbeitnehmer:in gewollt sein. Die geber:in vor. Der/die Arbeitnehmer:in kann danach Anordnung des dezentralen Arbeitens, ohne ent- seinen/ihren Wunsch über Beginn, Dauer, Umfang sprechende Grundlage im Arbeitsvertrag, in einer und Verteilung des mobilen Arbeitens an den/die Betriebsvereinbarung, einem Tarifvertrag oder Arbeitgeber:in herantragen, woraufhin dieser/diese gegen den Willen des/der Arbeitnehmers:in ist nur den Wunsch prüft und anschließend umsetzt oder schwer möglich, klammert man pandemische Kri- begründet ablehnt. Den/Die Arbeitgeber:in trifft sen einmal aus. also im Ablehnungsfall eine Erklärungspflicht. Ent- scheidet sich der/die Arbeitgeber:in innerhalb von Ist ein Arbeitsort nicht individual- oder kollektivver- zwei Monaten nicht, gilt die mobile Arbeit dem traglich festgelegt, kann der/die Arbeitgeber:in Wunsch des/der Arbeitnehmers:in entsprechend auch durch Inanspruchnahme seines/ihres Wei- als gestattet, allerdings höchstens für sechs Monate. sungsrechts einen Ort zur Ausübung der Tätigkeit Der Entwurf verfolgt hier einen Ansatz, wie er sich festlegen. Diese Festlegung muss jedoch billigem bereits für die Teilzeitarbeit etabliert hat. Ermessen entsprechen, also durch eine umfassende Interessenabwägung gerechtfertigt sein. Dabei ist Weitere Informationen rund um das dezentrale der Umstand, dass eine solche Weisung ggf. in den Arbeiten finden Sie auch unter: https://www.youtube. häuslichen Bereich des/der Arbeitnehmers:in hin- com/channel/UCe0edlie2kDZ1n3jdM4Ojbw/videos einreicht, besonders zu berücksichtigen. Die Unver- letzlichkeit der Wohnung und damit auch der Schutz vor entsprechenden Festlegungen sind grundrecht- Autor lich geschützt. Michael Rätze arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Privatrecht und Recht des geistigen Eigentums an der Techni- Ist ein Arbeitsort individualvertraglich festgelegt, schen Universität Chemnitz. bedarf es bei Einführung dezentraler Arbeit einer Änderung des Arbeitsvertrages. Denn der/die Weitere Informationen und Angebote Mittelstand-Digital Zentrum Chemnitz Arbeitnehmer:in schuldet lediglich die vereinbarte Tel: 0371 531 19935 Leistung an dem im Arbeitsvertrag festgelegten Ort, info@digitalzentrum-chemnitz.de meist einer Betriebsstätte. Will man davon abwei- www.digitalzentrum-chemnitz.de chen, muss der Vertrag entsprechend angepasst
Arbeit und Digitalisierung 9 2.3 Menschzentrierte Digitalisierung für mehr Wohlbefinden in der Arbeit Positive User Experience als Chance Magdalena Laib und Michael Burmester Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Usability Positive Psychologie, also der Teil der Psychologie, mit der Erlebnispotenzialanalyse (EPA)8 Produkte der sich wissenschaftlich mit Glück und Wohlbefin- und Systeme auf Potenziale für positives Erleben in den beschäftigt, hat Einzug in die Gestaltung von Arbeitskontexten untersucht werden. Hierfür wird Arbeit genommen.4 Wenig Beachtung hat dabei zunächst der Nutzungskontext analysiert. Anschlie- bisher die Technologie gefunden, ohne die Arbeit ßend wird für die einzelnen Aufgabenschritte syste- nicht mehr denkbar ist. Bereits 2012 nutzten Wis- matisch nach Potenzialen für positives Erleben sensarbeiter:innen ca. 28 Stunden pro Woche digi- gesucht. Als Basis hierfür dienen die Erlebniskate- tale Technologien. Wenn Unternehmen also das gorien9, welche Möglichkeiten für positives Erleben Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter:innen am Herzen bei der Arbeit kategorisieren. liegt, sollten nicht nur Unternehmenskultur und Organisationsstrukturen entsprechend geformt Die EPA wurde im Pilotprojekt mit der Firma Ascon werden. Die im Arbeitsalltag eingesetzte Technolo- zum Einsatz gebracht. Das Projekt beschäftigte sich gie sollte so gestaltet bzw. ausgewählt werden, dass mit einer Applikation für das Lieferantenmanage- sie das positive Erleben und damit das Wohlbefin- ment im Automobilbereich. Für die EPA konnte auf den der Nutzer:innen unterstützt. Professionelle erste Screens in Form von Clickdummies zurückge- Software sollte sich durch positive User Experience griffen werden. Die EPA ergab, dass die Erlebniska- (UX), ein positives Erleben der Nutzer:innen aus- tegorie „zu etwas Höherem beitragen“ ein beson- zeichnen. Die Frage wie positives Erleben durch ders hohes Potenzial in diesem Kontext hat. Diese Technikgestaltung erreicht werden kann, war lange Kategorie bezeichnet Erlebnisse bei denen die Zeit nur unzureichend beantwortbar. Einen wichti- eigene Arbeit in einen größeren Zusammenhang gen Schritt nach vorn machte die Erkenntnis, dass gestellt wird. So können den Mitarbeitenden Rück- positive UX erzielt wird, indem psychologische meldungen über ihren Beitrag zum Unternehmens- Bedürfnisse der Nutzer:innen erfüllt werden.5 Die- ziel oder die Weiterverwendung der Arbeitsergeb- ses Modell wurde mehrfach untersucht und konnte nisse gegeben werden. sehr weitgehend bestätigt werden.6 Positive User Experience spielt auch im Kontext der Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Usability Künstlichen Intelligenz (KI) eine Rolle, wie das Pilot- unterstützt kleine und mittlere Unternehmen nicht projekt mit der Firma Qymatix zeigt. Ziel dieses Pro- nur in Fragen der Usability, also in der Gestaltung jekts war es, die Akzeptanz einer auf Künstlicher benutzungsfreundlicher Systeme. Usability wird Intelligenz (KI) basierten Software zur vorhersagen- hier in ein umfassendes Verständnis der Technikge- den Vertriebsanalyse bei der Zielgruppe (Vertriebs- staltung für positives Erleben in Arbeitskontexten mitarbeitende mittlerer Unternehmen) von Qymatix integriert. Neben dem zur Verfügung stehenden zu erhöhen. Basis hierfür waren die Bedürfnisse der Kanon von Usability-Methoden wurden völlig neu- Nutzer:innen. Unter anderem wurde ihre Einstel- artige Methoden und Vorgehensweisen entwickelt lung zu digitalen Companions (unterstützender und adaptiert, die eine systematische Gestaltung Begleiter) erfragt. Als Projektergebnis wurde ein für positiv erlebte Arbeit ermöglichen.7 So können Videoprototyp erstellt, welcher die Interaktion 4 Vgl. Berend & Brohm-Badry (2020), P Alex Linley et al. (2013), Rose (2019) sowie Yeoman et al. (2019). 5 Vgl. Hassenzahl (2008). 6 Vgl. Hassenzahl et al. (2010) sowie Tuch et al. (2016). 7 Vgl. Burmester et al. (2017), Burmester et al. (2015) sowie Zeiner et al. (2017). 8 Vgl. Haspel, Laib, & Burmester (2020) sowie Laib, Burmester, & Zeiner (2017). 9 Vgl. Zeiner et al. (2018).
10 Arbeit und Digitalisierung Abbildung 1: Prototyp aus dem Pilotprojekt mit Qymatix (erstellt von Elena Arnold, Jana Falkner, Akina Hocke, Tabea Ibrahimi, Kimberley Winter) zwischen Nutzenden und KI darstellte und sich an Ideen und oft sogar ganz konkrete Konzepte entwi- bestehenden Companion-Arten mit der Rolle der ckeln, um die User Experience ihrer Software zu ver- Ratgeber oder Assistenten orientierte. Nutzende bessern. Doch werden sie diese auch tatsächlich haben dabei die Möglichkeit, Vorschläge der KI umsetzen? Und warum sollten sie das tun? anzupassen und so optimal in ihrem Arbeitsprozess anzuwenden. Die Nutzenden treffen also selbst die Befragungen im Rahmen des Kompetenzzentrums Entscheidung, ob und wie sie die Informationen der zeigten, dass die erarbeiteten Ideen meist nicht KI einsetzen (Bedürfnis nach Autonomie). Ein Kon- in die Umsetzung gehen. Bei allem Interesse am zept sieht zudem vor, dass Verkaufsgespräche ana- Thema positiver User Experience fällt es dann in der lysiert und häufig genannte Wörter als Schlagwörter Gewichtung mit anderen Parametern hinten runter. anzeigt werden. Durch einen Klick auf die Schlag- Wir haben uns mit dieser Krux bereits ausführlich wörter kann die/der Vertriebsmitarbeitende wäh- auseinandergesetzt und stellen fest, dass die meis- rend des Gesprächs schnell auf tiefergehende fach- ten Unternehmen einer strengen Businesslogik fol- liche Hintergrundinformationen zugreifen und gen, die den Unternehmensgewinn priorisiert. Der diese im eben stattfindenden Gespräch verwenden Wert einer positiven User Experience kann jedoch (siehe Abbildung 1). Durch die bereit gestellten schlecht kalkuliert werden. Um positive User Expe- Informationen haben sie die Möglichkeit, das Ver- rience nachhaltig zu implementieren, muss an ver- triebsgespräch optimal zu gestalten und sich so als schiedenen Ebenen angesetzt werden: Gestalter:in- besonders wirksam im Gespräch zu erleben (Bedürf- nen müssen fundiertes Wissen und Know-how zum nis nach Kompetenz). Thema erwerben.10 Unternehmen müssen positive User Experience als strategisches Ziel verstehen Diese Beispiele zeigen deutlich, wie Nutzer:innen und so Raum und Budget für die Gestaltung einer positives und bedeutsames Erleben systematisch in positiven UX einräumen.11 Über allem steht jedoch der Interaktion mit professionell genutzter Software die Änderung des gesellschaftlichen und politi- ermöglicht werden kann. In Zusammenarbeit mit schen Mindsets: wenn Gemeinwohl und Wohl- dem Kompetenzzentrum konnten die Unternehmen ergehen des Einzelnen mehr priorisiert würden, 10 Vgl. Burmester & Laib, 2019; Peters et al. (2020). 11 Vgl. Hermosa-Perrino et al. (2021).
Arbeit und Digitalisierung 11 Unternehmen aktiv dazu aufgerufen würden, sich Autor:innen um das Befinden der Mitarbeiter:innen zu küm- Dr. Magdalena Laib arbeitet als Wissenschaftli- mern, hätten Unternehmen einen größeren Anreiz che Mitarbeiterin zu User Experience und Positi- in eine positive User Experience ihrer Produkte ver Psychologie an der Hochschule der Medien und in die entsprechende Qualifizierung ihrer Mit- Stuttgart. Prof. Dr. Michael Burmester leitet die arbeiter:innen zu investieren. Der Wert einer posi- Information Experience and Design Research tiven User Experience würde sich dann nicht nur Group an der Hochschule der Medien Stuttgart. an ihrem Beitrag zum Unternehmensgewinn, son- Weitere Informationen und Angebote dern auch an ihrem Beitrag zum Wohlbefinden der Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Usability Tel: 0711 8923-3503 Belegschaft messen. m.laib@kompetenzzentrum-usability.digital www.kompetenzzentrum-usability.digital 2.4 Digital Diversity ist mehr als nur Toolvielfalt Chancen und Herausforderungen für Diversity durch Digitalisierung Ilknur Atakli, Dr. Viola Hellge Mittelstand-Digital Zentrum Kaiserslautern Dass die Digitalisierung die Arbeitswelt verändert, Teilnehmer:innen beschäftigen. Die Module sind so ist schon lange Zeit bekannt. Wichtig ist nun, die aufgebaut, dass zusätzlich zu den Grundlagenmo- Risiken zu erkennen sowie die zahlreichen Chancen dulen zahlreiche themenspezifische Module ausge- zu nutzen, um die Arbeitswelt noch effizienter, nach- wählt und an die Zielgruppe angepasst werden haltiger und diverser zu gestalten. Eine dieser Chan- können. Die Grundlagenmodule umfassen allge- cen liegt darin, durch die Möglichkeiten der Digitali- meine Informationen über Veränderungen der sierung Diversity in Organisationen zu fördern und Arbeitswelt, Vorteile von Diversity in Teams und Risi- voranzutreiben. Um diese Möglichkeiten aufzuzei- ken durch Digitalisierung für Diversity. Weitere gen und die vielfältigen Vorteile von Diversity in Module sind speziellere Einsatzszenarien und Bei- Organisationen herauszuarbeiten, wurde das Kon- spiele, die nach Diversity-Bereichen unterteilt sind. zept zum Workshop „Digital Diversity ist mehr als nur Toolvielfalt – Chancen und Herausforderungen für Laut Charta der Vielfalt werden sieben Kerndimensi- Diversity durch Digitalisierung“ im Mittelstand-Digi- onen von Diversity unterschieden, die eng mit der tal Zentrum Kaiserslautern entwickelt. Persönlichkeit verbunden sind: Alter, Ethnische Her- kunft & Nationalität, Geschlecht und geschlechtliche Ein wichtiger Faktor ist der modulare Aufbau der Identität, körperliche und geistige Fähigkeiten, Reli- Schulung, wodurch je nach Interessenschwerpunkt gion & Weltanschauung, sexuelle Orientierung und und beabsichtigtem Einsatzbereich Themen vertieft soziale Herkunft.12 Wir behandeln in unserem Work- werden können. Die an die jeweilige Organisation shop-Konzept vier dieser Dimensionen, da sich hier und mittelständischen Teil-Zielgruppen angepass- zahlreiche Einsatzmöglichkeiten von Digitalisierung ten Elemente und der interaktive Aufbau des Work- zur Förderung von Diversity etabliert haben und shops ermöglichen die optimale Ausrichtung der damit im Fokus der Thematik „Diversity durch Digi- Inhalte an die Erwartungen der Teilnehmer:innen talisierung“ stehen: „Gender“, „Inklusion von Men- sowie den Austausch über aktuelle Themen, die die schen mit Behinderung“, „Herkunft“ und „Alter“. 12 Vgl. Charta der Vielfalt (2021): Vielfaltsdimensionen (https://www.charta-der-vielfalt.de/; Stand: 02.11.21).
12 Arbeit und Digitalisierung Alter: Gerade in Anbetracht des demographischen Wandels und des allgemeinen Fachkräftemangels ist es wichtig, ältere Mitarbeiter:innen bei physi- Alter schen und mental anstrengenden Tätigkeiten zu unterstützen, damit ihre Expertise und Erfahrung als Ressource im Unternehmen erhalten bleibt.13 Dazu Inklusion Herkunft (MmB) gibt es vielfältige technologische Unterstützungs- Diversity möglichkeiten, wie Exoskelette zur Unterstützung bei physischen Arbeitsprozessen,14 oder Online- Lernplattformen sowie Umsetzungsmöglichkeiten moderner Konzepte der Arbeitsgestaltung (z.B. Gender ... Altersgemischte Digitalisierungsteams), die ein lebenslanges Lernen ermöglichen. Dadurch kön- nen ältere Mitarbeiter:innen in relevanten Themen wie Digitalisierung, Internet, Software etc. geschult methoden sowie kreativeren und vielschichtigen werden. Eine Mischung aus Mitarbeiter:innen ver- Ansichtsweisen führt und so einen Erfolgsfaktor für schiedener Altersstufen ist wichtig, um voneinander Organisationen darstellen kann Neben dem Vorteil zu lernen und sowohl Arbeitserfahrungen als auch der Fachkräftesicherung bringen Mitarbeiter:innen Kenntnisse über neue Technologien und Trends verschiedener Herkunft unterschiedliche Wertevor- miteinander auszutauschen.15 stellungen, Glaubenshaltung und Einstellungen ins Team, was zu unterschiedlichen Problemlösungsme- Herkunft: Durch Formen des ortsunabhängigen thoden sowie kreativeren und vielschichtigen Arbeitens ist es möglich, virtuelle Teams zusammen- Ansichtsweisen führt und so einen Erfolgsfaktor für zustellen, in denen orts- und zeitungebunden gear- Organisationen darstellen kann. beitet werden kann. Teams können daher auch mit Fachleuten/ Projektteams über die Landesgrenzen Gender: Im Zusammenhang mit Digitalisierung wird hinweg zusammenarbeiten.16 Damit dies problem- oft herausgestellt, dass Frauen in Bereichen, die digi- los funktioniert, müssen kulturelle Unterschiede und tale Technologien nutzen, seltener vertreten sind. lokale Besonderheiten angesprochen und diskutiert Auch ist zu beobachten, dass in technikbezogenen werden sowie in die (digitale) Arbeitsgestaltung mit Branchen die Geschlechterungleichheit besonders aufgenommen werden. groß ist. Der Gender Pay-Gap ist hier z.B. beson- Weiterhin können durch digitale Tools auch Mitar- ders stark ausgeprägt.18 Hintergründe für diese beiter:innen vor Ort, die nicht die lokale Sprache geschlechterspezifischen Unterschiede gerade in sprechen, schnell Unterstützung finden. Dafür gibt technikbezogenen Berufsfeldern sind vielfältig; z.T. es bspw. digitale Wörterbücher, Echtzeit-Überset- sind sie auf tradierte Rollenbilder zurückzuführen, zungssoftwares mit mobilen Endgeräten, oder auch die sich in Bildungs- und Berufsbiographien nieder- innovative Lösungen wie virtuelle Arbeitsräume17 schlagen. So können z.B. auch längere familienbe- zum Erlernen der Fachsprache. Neben dem Vorteil dingte Unterbrechungen von Frauen, die in geringe- der Fachkräftesicherung bringen Mitarbeiter:innen rer Berufserfahrung resultieren, diese Unterschiede verschiedener Herkunft unterschiedliche Wertevor- zur Folge haben. Durch neue digital-gestützte stellungen, Glaubenshaltung und Einstellungen ins Arbeitsformen und Home-Office haben Elternteile, Team, was zu unterschiedlichen Problemlösungs- die sich bspw. um ihr Kind zuhause kümmern, die 13 Vgl. Bellmann, Lutz (2017): Chancen und Risiken der Digitalisierung für ältere Produktionsarbeiter. 14 Vgl. Deutsche Verkehrs-Zeitung (2021): Neues Exoskelett für Lagerarbeiter. 15 Vgl. Institut für Technologie und Arbeit (2017): Altersgemischte Digitalisierungsteams. (https://www.ita-kl.de/ita-projekte/altersgemischte- digitalisierungsteams/; Abruf: 02.11.2021). 16 Peschl, Anika; Schüth, Nora Johanna; Ottersböck, Nicole (2019): Fachkräftesicherung durch Diversity und Digitalisierung – Wie lässt sich mit neuen Technologien vielfaltsbewusste Personalarbeit umsetzen? 17 Vgl. Kompetenzzentrum Magdeburg (2021): Mini-Projekt - Inlingua: Holo-Deck für Sprachschulen. 18 Tripp, Ina (2020): Diversity im Kontext des digitalen Transformationsprozesses.
Arbeit und Digitalisierung 13 Möglichkeit Familie und Beruf besser zu vereinen Grund, dass zum Training des Algorithmus ebenso und Erwerbsunterbrechungen zu minimieren.19 selten Gesichter von POC verwendet wurden.23 Weitere Herausforderungen liegen z.B. in der Inte- Inklusion von Menschen mit Behinderung: Neue gration von KI in bestehende Arbeitsprozesse und Technologien wie Assistenzsysteme und Robotik der damit verbundenen Ausgestaltung der Mensch- eröffnen Menschen mit Behinderung neue Mög- Technik-Interaktion zugunsten von Diversity oder lichkeiten der Teilhabe am Arbeitsleben. Beispiels- in der grundlegenden Transparenz von Daten- und weise können Greifarme oder Exoskelette Unter- Entscheidungsmodellen. stützung bei körperlichen Arbeitsschritten bieten.20 Auch Technologien wie VR und intelligente Assis- Solange die Gefahren bewusst und vorbeugend tenzsysteme können Arbeitsanweisungen für z.B. behandelt werden, kann Digitalisierung also zahl- gehörlose Lagermitarbeiter geben und so die Inklu- reiche Chancen für Diversity schaffen. Diversität in sion stärken.21 Dadurch entstehen neue Einsatzbe- Organisationen ist wichtig, um die Vielfältigkeit der reiche für Menschen mit Behinderung, die somit Ideen, Einstellungen, Erfahrungen und Ansichtswei- eine Chance bekommen sich selbst weiterzuentwi- sen zu nutzen, wodurch Innovationen erst entstehen ckeln, zu lernen und am Arbeitsleben teilzuhaben. sowie kreative und neue Lösungen angeregt werden. In diesem Kontext ist insbesondere auf eine lernför- Diese Chancen gilt es auch für KMU zu erschließen derliche Ausgestaltung digitaler Assistenzsysteme und damit Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. bei der Konzeption und Implementierung zu ach- ten, um Entwicklungspotenziale für Menschen mit Neben den Workshops, die sowohl online als auch Behinderung mit Hilfe dieser Systeme nicht unbe- in Präsenz durchgeführt werden können, werden rücksichtigt zu lassen bzw. negativen Auswirkungen die Inhalte der zentralen Module mittelfristig auch der Assistenz (wie z.B. Kompetenzverlust durch dau- als Online-Lernpfad-Kurs im Rahmen der Lern- und erhafte Anleitung) entgegenzuwirken. Aktionsplattform LEA (https://lea.ita-kl.de) des Mittel- stand-Digital Zentrums Kaiserslautern kostenfrei zur Neben diesen Chancen für Diversity birgt die Digi- Verfügung gestellt. Mittelfristig ist ebenfalls geplant, talisierung auch Gefahren, denen man sich jederzeit das Thema sowie die Workshopmethodik als Train- bewusst sein sollte und das Eintreten vorbeugen the-Trainer-Angebot für weitere Mittelstand-Digi- muss. Eine dieser Gefahren ist die Diskriminierung tal Zentren anzubieten. Bei Interesse am Workshop- durch künstliche Intelligenz. Auch wenn die Hoff- konzept wenden sie sich gerne an die folgenden nung groß ist, dass durch den Einsatz von KI objek- Ansprechpartnerinnen des Mittelstand-Digital Zent- tive, unvoreingenommene Entscheidungen getrof- rums Kaiserslautern, die das Thema betreuen. fen werden, z.B. in der Bewerberauswahl, ist das richtige Training der Algorithmen für diesen Pro- zess essenziell. In großen etablierten Unterneh- Autorinnen men hat sich dies anhand von einigen Beispielfällen Ilknur Atakli und Dr. Viola Hellge sind Wissen- bereits gezeigt, als in der Auswahl von Bewerber:in- schaftliche Mitarbeiterinnen am Institut für Tech- nologie und Arbeit e.V. an der Technischen Uni- nen Frauen eine automatische Absage von einer versität Kaiserslautern. KI erhielten, da diese die überwiegend männliche Belegschaft als Auswahlkriterium einordnete und Weitere Informationen und Angebote Mittelstand-Digital Zentrum Kaiserslautern daher „falsch“ gelernt hat.22 Ähnliche Risiken gibt Tel: 0631 20575-2080 es in der Gesichtserkennung, die häufig Gesichter info@ digitalzentrum-kaiserslautern.de von POC (People of Color) nicht erkennen konnte www.digitalzentrum-kaiserslautern.de oder falsch zuordnete. Dies geschah allein aus dem 19 Carstensen, Tanja (2020): Orts- und zeitflexibles Arbeiten: Alte Geschlechterungleichheiten und neue Muster der Arbeitsteilung durch Digitalisierung. 20 Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA (2016): Teilhabe durch Robotik. 21 Work by Inclusion (2018): Entwicklung von visuellen Arbeitsmitteln für in Lagerprozessen tätige Gehörlose. 22 Dastin, Jeffrey (2018): Amazon scraps secret AI recruiting tool that showed bias against women. 23 Benton, Angela (2019): An AI-Run World Needs to Better Reflect People of Color.
14 Arbeit und Digitalisierung 3 Digitale Veränderungen aktiv gestalten 3.1 Change Management 4.0: Alter Wein in neuen Schläuchen? Mitnichten! Florian Dörries und Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Kersten Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Hamburg Eine Redewendung besagt „Nichts ist so beständig Warum – braucht es ein angepasstes Change wie der Wandel“ – die fortwährende Entwicklung Management? von Gesellschaft, Unternehmen und Co. zeigt dies auch recht deutlich. Allerdings treffen Veränderun- Da das Change Management offensichtlich keine gen nicht immer auf Begeisterung seitens der neue Erfindung ist, drängt sich Ihnen vielleicht die betroffenen Personen. Der Mensch ist nun mal Frage auf „Warum sollte man sich damit auseinan- Gewohnheitstier. Beim Blick in die Unternehmens- dersetzen?“ – zwei mögliche Antworten hierauf: welt zeigt sich, dass Veränderungsprojekte häufig Einerseits kommen Studien immer wieder zu dem nicht „einfach so“ funktionieren. Das sogenannte Ergebnis, dass ca. 2/3 aller Change-Projekte hinter Change Management kann Abhilfe schaffen. den Erwartungen zurückbleiben bzw. vollständig scheitern.27 Andererseits stehen die tradierten CM- Was – ist Change Management überhaupt? Modelle teilweise in der Kritik, dass sie nicht mehr vollumfänglich den Anforderungen aktueller Verän- Unabhängig von den konkreten Inhalten möglicher derungen entsprechen.28 So heißt es bspw., dass Veränderungsprojekte kann unter dem Begriff die digitale Transformation die Anzahl bzw. die Change Management u. a. der Prozess von einem Geschwindigkeit von Veränderungen im Unterneh- nicht (mehr) befriedigendem Anfangszustand zu men erhöht.29 Demnach scheint eine Anpassung einem idealeren und gemeinsam getragenen Ziel- des Change Managements unumgänglich und zustand verstanden werden.24 Dabei ist ebenfalls im Interesse von Unternehmen. Change Management eine Funktion, die „dem ganzheitlichen und systematischen Planen, Initiie- Wie – kann Change Management die digitale Trans- ren, Realisieren, Reflektieren und Stabilisieren von formation unterstützen? Veränderungsprozessen in Organisationen“25 dient. Im Laufe der Jahre wurden diverse Modelle entwi- Vorweg sei gesagt: Unternehmen bzw. deren Verän- ckelt, welche den Sachverhalt rund um die Verände- derungsprojekte sind individuell. Folglich ist es rungen im Arbeitskontext verständlich machen bzw. nicht möglich einen pauschalen „eins zu eins-Fahr- Wege zum erfolgreichen Wandel aufzeigen sollen. plan“ zu entwickeln, welcher zu jedem Unterneh- Dies beginnt 1947 mit dem 3-Phasen-Modell von men und jedem Veränderungsprojekt passt. Den- Kurt Lewin.26 Seither gab es immer wieder Anpas- noch lassen sich diversere Herausforderungen sungen, Detailbetrachtungen, etc., wobei sich beim sowie Erfolgsfaktoren benennen, die für einen Vergleich verschiedener Modelle über die Jahre Großteil aller Unternehmen von Belang sind. Wer- hinweg Parallelen erkennen lassen. den diese nun mit einem groben Ablauf-Modell für 24 Vgl. Kostka (2016). 25 Kostka (2016). 26 Vgl. Lewin (1947). 27 Vgl. Dörries et al. (2021), Isern & Pung (2006), Miller (2002) sowie Beer & Nohria (2000). 28 Vgl. Kotter (2012). 29 Vgl. BMWi (2015).
Arbeit und Digitalisierung 15 Veränderungsprojekte zusammengebracht, ergibt Eine detaillierte Beschreibung des Ansatzes über- sich eine Richtschnur, welche vielen Unternehmen steigt den Rahmen des Artikels, daher eine kompri- unterstützend zur Seite stehen kann. mierte Erklärung: Prinzipiell startet ein Change-Pro- jekt beim Prozessschritt Bedarf identifizieren. Wurde Zu den größten Herausforderungen des Change festgelegt, was sich verändern muss, wird ein verant- Managements zählen die Koordination der Zusam- wortliches Projektteam erstellt – wenn möglich inter- menarbeit, die zeitliche Restriktionen und die Infor- disziplinär inkl. Führungskräften – welches den Fort- mations- bzw. Berichtserstattung. Auf der Seite der gang des Projektes steuert (Schritt Führungsteam Erfolgsfaktoren sind die Kommunikation, die Partizi- aufbauen/anpassen). Erste Aufgabe des Teams ist pation der Mitarbeitenden und die Führung im Wan- es, eine Vision bzw. Strategie für das Change-Projekt del zu nennen.30 Im Hinblick auf Veränderungspro- zu entwickeln und diese im Unternehmen bzw. der jekte im Rahmen der Digitalisierung kann weiter die betroffenen Einheit zu kommunizieren. Auf Grund- Frage gestellt werden: „Welche Dimensionen sind lage der Strategie können Maßnahmen zur Umset- relevant für eine erfolgreiche digitale Transformation zung der Veränderung abgeleitet werden, welche im und sollten ggf. bei Change Management-Maßnah- Nachgang – bspw. in einer Pilotgruppe – zum Einsatz men berücksichtigt werden?“. Hier lassen sich Mitar- kommen. Waren diese erfolgreich, kann die Verän- beiter, Führung, Kultur und Strategie benennen.31 derung auf die gesamte Zielgruppe ausgeweitet und als neuer Standard im Unternehmen definiert Eine Kombination aus Schritten der klassischen werden (Schritt Veränderung leben). Weiter sollen Change Management-Modelle, den genannten Her- bei allen benannten Schritten die Erfolgsfaktoren ausforderungen bzw. Erfolgsfaktoren und relevan- Partizipation der Mitarbeitenden, gute Führung und ten Dimensionen der digitalen Transformation ergibt ausgiebige und passende Kommunikation berück- das in Abbildung 1 dargestellte Change Manage- sichtigt werden. Zusätzlich gilt es, betroffene Mitar- ment-Konzept.32 beitende so früh wie möglich einzubinden; dies kann je nach Projekt bereits im ersten Prozessschritt erfol- gen. Zuletzt bleibt festzuhalten, dass dieser Ansatz als Regelkreis aufgebaut ist, da auch im Anschluss an ein abgeschlossenes Veränderungsprojekt weiter- Bedarf hin Bedarfe für mögliche weitere Change-Projekte identifizieren zu identifizieren sind. Dies dient als Reaktion auf die vorausgesagte Erhöhung der Anzahl bzw. Geschwin- Veränderung leben MI TA digkeit von Veränderungen bedingt durch die digi- R tale Transformation. BE I TE Partizipation Führungs- Und wie geht es nun – im Hinblick auf die konkrete NDE Führung team Kommunikation aufbauen/ Umsetzung in Ihrem Unternehmen – weiter? Hierzu EIN anpassen laden wir Sie ein, in unseren Umsetzungsleitfaden IN B Veränderung DE „Change Management – Wie Unternehmen den Ver- N umsetzen änderungsprozess aktiv gestalten können“ zu schauen. Neben generellen Hintergrundinformatio- Strategie entwickeln und nen, einer detaillierteren Beschreibung des gezeig- kommunizieren ten Vorgehenskonzeptes sowie Praxisbeispielen, finden Sie dort ebenfalls Anregungen, welche Abbildung 1: Angepasstes Change Management-Konzept Methoden Sie bei der Umsetzung der einzelnen (eigene Darstellung in Anlehnung an [Dörries et al. 2021]) Abschnitte unterstützen können. 30 Vgl. Dörries et al. (2021). 31 Vgl. Schumacher et al. (2016). 32 Vgl. Dörries et al. (2021).
16 Arbeit und Digitalisierung Autoren Weitere Informationen und Angebote Florian Dörries, M. Sc. arbeitet als wissenschaftli- Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Hamburg cher Mitarbeiter an der Technischen Universität Tel: 040 36138-443 Hamburg am Institut für Logistik und Unterneh- kompetenzzentrum@hk24.de mensführung. www.kompetenzzentrum-hamburg.digital Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Kersten leitet an der Technischen Universität Hamburg das Institut für Logistik und Unternehmensführung. 3.2 Wie Beschäftigte die Digitalisierung in ihren Arbeitsprozessen erleben Erfahrungen der Beschäftigten für Verbesserungen nutzen Inger Korflür und Marc Gerbracht Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Siegen Digitale Technologien sind in vielen Bereichen eine Beschäftigten in der konkreten Arbeitspraxis stär- echte Erleichterung und Hilfestellung für die Arbeit. ker sichtbar zu machen. Auf dieser Basis können Vielen Unternehmensleitungen ist jedoch oft unklar, passgenaue Konzepte und Maßnahmen für die welche positiven Effekte im Detail zu erwarten sind, Gestaltung und Umsetzung der Transformations- welche Probleme durch die Digitalisierung entste- prozesse im Unternehmen erarbeitet werden. hen können und welche Auswirkungen digitale Tools auf die unterschiedlichsten Arbeitsprozesse Die folgende Zusammenstellung bietet einen Über- haben. Unseren Erkenntnissen nach gelingt es des- blick an typischen Erfahrungen, die immer wieder wegen nicht, dass Potenzial der digitalen Unterstüt- beobachtet wurden. Sie können ein Anlass für Refle- zung voll auszuschöpfen. Das zeigen Erfahrungen xion und Verbesserung sein: aus den Digitalisierungsprojekten des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Siegen und der Anwen- Ein digitales Tool hat in den verschiedenen Abteilun- dung des Instrumentes „Betriebslandkarte Industrie gen eines Betriebes jeweils andere Auswirkungen. und Arbeit 4.0“. Umfassende Softwarelösungen (z. B. ERP-Systeme) Die Betriebslandkarte wurde vom Beratungsunter- werden in vielen Abteilungen eingesetzt – mit unter- nehmen SUSTAIN CONSULT aus Dortmund entwi- schiedlichen Erfahrungen. In der Vertriebsabteilung ckelt, um Transformationsprozesse in Unternehmen als große Hilfe bei der Arbeit erlebt, stellt dieselbe besser gestalten zu können. Mit dem Instrument Software im Projektmanagement ein großes Problem werden die Wirkungen der Transformation auf ein- dar, weil sich z. B. die Vielschichtigkeit eines bestimm- zelne Arbeitsbereiche eines Unternehmens her- ten Prozesses in der Software nicht abbilden lässt. ausgearbeitet. Gemeinsam mit der IG Metall NRW Deshalb sollten die unterschiedlichen Auswirkun- wurde die Betriebslandkarte im Rahmen des Pro- gen der digitalen Technologie auch in verschiede- jektes „Arbeit 2020“ zur Betriebslandkarte Indust- nen Abteilungen in den Blick genommen werden. rie und Arbeit 4.0 weiterentwickelt und in mehr als 70 Betrieben eingesetzt. Dabei geht es vor allem Schnittstellenprobleme sind in fast jedem Unter- darum, die Wahrnehmung und Erfahrungen der nehmen ein Problem.
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