Entscheid vom 10. September 2021 - Entscheidsuche

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Kantonsgericht von Graubünden
             Dretgira chantunala dal Grischun
             Tribunale cantonale dei Grigioni

Entscheid vom 10. September 2021

Referenz          KSK 21 32

Instanz           Schuldbetreibungs- und Konkurskammer als Aufsichtsbehörde
                  über Schuldbetreibung und Konkurs

Besetzung         Cavegn, Vorsitzender
                  Michael Dürst und Bergamin
                  Blumenthal, Aktuar ad hoc

Parteien          A._____
                  Beschwerdeführerin

                  gegen

                  Betreibungs- und Konkursamt der Region Surselva
                  Glennerstrasse 22A, Postfach 114, 7130 Ilanz
                  Beschwerdegegner

Gegenstand        Betreibungshandlungen

Mitteilung        13. September 2021
Sachverhalt

A.     Mit Schreiben vom 11. Mai 2021 gelangte A._____ an das Kantonsgericht
von Graubünden als Aufsichtsbehörde in SchKG-Sachen. Sie rügte das Auftreten
von B._____ als Mitarbeiter des Konkurs- und Betreibungsamts der Region
Surselva (nachstehend Betreibungsamt Surselva). Sie stehe in einer schwierigen
Zeit. B._____ vom Betreibungsamt habe seine Schweigepflicht verletzt, da er
gegenüber ihrer Schwester, zu welcher sie ein sehr schlechtes Verhältnis habe,
eine Betreibung bekannt gegeben habe. Letztere erzähle es überall herum und
könne sie nun erpressen. Sie werde Anzeige gegen B._____ erstatten und ein
Disziplinarverfahren anheben lassen. Davon könne aber noch abgesehen werden,
wenn ihr die Spesen erlassen würden und die Betreibung gelöscht werde.
Andernfalls würden rechtliche Schritte eingeleitet.

B.    In seiner Stellungnahme vom 18. Juni 2021 beantragte das Betreibungsamt
Surselva die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.

C.    Auf die weiteren Ausführungen in den Rechtsschriften sowie
die Verfahrensakten wird, soweit erforderlich, in den nachstehenden Erwägungen
eingegangen.

Erwägungen

1.1. Zur Überwachung der Betreibungs- und der Konkursämter hat jeder Kanton
eine Aufsichtsbehörde zu bezeichnen. Im Kanton Graubünden amtet das
Kantonsgericht nach Art. 13 SchKG i.V.m. Art. 13 EGzSchKG (BR 220.000) als
einzige Aufsichtsbehörde über die Betreibungs- und Konkursämter. Die interne
Zuständigkeit fällt dabei der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zu (Art. 8
Abs. 1 KGV [BR 173.100]).

1.2. Das Kantonsgericht als Aufsichtsbehörde hat mehrere Aufgaben. Zum
einen steht ihm gemäss Art. 13 Abs. 1 SchKG, konkretisiert in Art. 14 EGzSchKG,
die individuell-konkrete Aufsichtskompetenz zu. Das Kantonsgericht verfügt über
die Befugnis zur direkten Kontrolle der Betreibungs- und Konkursämter, wobei es
aufsichtsrechtlich einschreiten kann bzw. im Einzelfall organisatorische Vorkehren
oder Massnahmen treffen kann (BGer 7B.189/2005 v. 13.12.2005 E. 1.1). Zum
anderen obliegt ihm gemäss Art. 14 Abs. 1 SchKG die administrative
Aufsichtskompetenz. Es hat die Einhaltung administrativer Pflichten, namentlich
die Geschäftsführung, die Verwendung gesetzeskonformer Register und
Protokolle, die korrekte Kassenführung, die Überprüfung der personellen,
räumlichen und Informatikmittel, durch die Zwangsvollstreckungsorgane zu

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kontrollieren (Denise Weingart, in: Kren Kostkiewicz/Vock [Hrsg.], Bundesgesetz
über Schuldbetreibung und Konkurs, Kommentar, 4. Aufl., Zürich 2017, N 1 f. zu
Art. 14 SchKG). Weitere Aufgaben und Befugnisse sind in Art. 15 EGzSchKG
aufgeführt. Schliesslich obliegt ihm aufgrund der kantonalen Kompetenz gemäss
Art. 16 EGzSchKG die Disziplinaraufsicht. Art. 14 Abs. 2 SchKG listet die
Massnahmen, namentlich Rüge, Geldbusse bis zu CHF 1'000.00, Amtseinstellung
für die Dauer von höchstens sechs Monaten und Amtsentsetzung, abschliessend
auf.

1.3. Eine Amtspflicht stellt auch das Amtsgeheimnis gemäss Art. 9 EGzSchKG
dar. Die Amtspersonen, ihre Angestellten und Hilfspersonen, die mit der
ausseramtlichen Konkursverwaltung, der Sachwaltung oder der Liquidation
beauftragten Personen, die Aufsichts- und Gerichtsbehörden sowie die Polizei
sind verpflichtet, über alle in Ausübung ihres Amtes erlangten Kenntnisse und
anvertrauten Geheimnisse Verschwiegenheit zu wahren, soweit nicht nach
Bundesrecht ein Einsichtsrecht in Protokolle und Register besteht oder sie durch
ausdrückliche Vorschriften zur Anzeige oder Mitteilung an Behörden verpflichtet
sind.

1.4. Art. 18 EGzSchKG regelt das Verfahren vor Kantonsgericht als
Disziplinarbehörde. Es kann entweder von Amtes wegen oder aufgrund einer
Anzeige ein Verfahren eröffnen, wobei sie dies dem betroffenen Angestellten
mitzuteilen hat. Das Kantonsgericht hat die nötigen Abklärungen zu treffen und
nach Abschluss der Untersuchung dem Betroffenen Gelegenheit zur
Stellungnahme einzuräumen, wobei nötigenfalls eine mündliche Verhandlung
durchzuführen ist. Der Entscheid hat unter Angabe des Sachverhalts und der
wesentlichen Erwägungen schriftlich zu erfolgen. Im Übrigen sind die
Bestimmungen des Verwaltungsrechtspflegegesetzes über das Verfahren vor
kantonalen Verwaltungsbehörden sinngemäss anwendbar. Festzuhalten ist, dass
der Anzeigeerstatterin weder Parteirechte zustehen noch sie einen Anspruch auf
einen beschwerdefähigen Entscheid hat. Sie hat zudem weder Anspruch auf eine
disziplinarische Massregelung des Betreibungsorgans noch darauf, dass das
Kantonsgericht auf ihre Anzeige hin tätig wird (vgl. Daniel Staehelin, in:
Bauer/Staehelin [Hrsg.], Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung
und Konkurs, Ergänzungsband zur 2. Aufl., Basel 2017, N 13 b zu Art. 14 SchKG).

2.1. Vorliegend wird eine Verletzung des Amtsgeheimnisses gerügt, da der
Angestellte B._____ der Schwester der Anzeigeerstatterin bekannt gegeben habe,
dass eine Betreibung vorliege.

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2.2. Aus den Akten geht hervor, dass A._____ vom Kanton Graubünden für eine
Forderung von CHF 232.40 betrieben wurde. Sie war für die Zustellung eines
Zahlungsbefehls nicht erreichbar, da sie weder ihren Briefkasten leerte, noch ihre
Türe öffnete (BA act. 2). Von C._____ wurde B._____ per E-Mail aufgefordert,
keinen Zettel mehr in den Briefkasten zu legen (BA act. 5). Mit Schreiben vom 11.
Mai 2021 wurde B._____ eine Dienstpflichtverletzung in Form einer
Schweigepflichtverletzung unterstellt. Aus der beim Betreibungsamt Surselva
eingeholten Stellungnahme vom 18. Juni 2021 ist ersichtlich, dass B._____
angesichts der Schwierigkeit der Zustellung des Zahlungsbefehls um eine
Bestätigung der Adresse von A._____ bei der Gemeinde Disentis/Mustér
ersuchte. Bei der Gemeinde Disentis/Mustér wiederum ist die Schwester von
A._____ in entsprechender Funktion tätig.

2.3. Es ist Hauptaufgabe eines Betreibungsbeamten, die ihm im Gesetz einzeln
vorgeschriebenen besonderen Obliegenheiten im Zuge der Verfahrensabwicklung
zu verrichten (Kurth Amonn/Fridolin Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs-
und Konkursrechts, 9. Aufl., Bern 2013, S. 17 f.). Als weitere allgemeine Pflichten
im öffentlichen Dienst werden das persönliches Erbringen der Dienstleistung,
Gehorsamspflicht gegenüber den Aufsichtsträgern, innerdienstliche Treue- und
Interessenwahrungspflicht, Ausstandspflicht (vgl. Art. 10 SchKG), Verbot des
Selbstkontrahierens (vgl. Art. 11 SchKG), Schweigepflicht (vgl. Art. 9 EGzSchKG),
Streikverbot, Geschenkannahmeverbot und ausserdienstliches Wohlverhalten
angesehen (KGer GR SKA 04 71 v. 31.1.2005 E. 3b). Sodann ergibt sich aus der
Verfahrensabwicklung die Pflicht des Betreibungsbeamten, die sachliche und
örtliche Zuständigkeit von Amtes wegen zu prüfen (vgl. Ernst F. Schmid, in:
Staehelin/Bauer/Staehelin [Hrsg.], Basler Kommentar, Bundesgesetz über
Schuldbetreibung und Konkurs I, Basel 2010, N 28 zu Art. 46 SchKG).
Gegebenenfalls darf das Betreibungsamt, bevor eine Zustellung des
Zahlungsbefehls durch öffentliche Bekanntmachung erfolgt (Art. 66 Abs. 4 Ziff. 1
SchKG), eigene Nachforschungen anstellen und abklären, ob die Angaben des
Gläubigers betreffend die Wohnadresse (noch) stimmen (BGE 112 III 6 E. 4
m.w.H.). Die angefragten Behörden (einer Gemeinde) treffen dabei entsprechende
Auskunftspflichten (vgl. im Übrigen auch Art. 91 Abs. 5 SchKG). Es ist nun nicht
ersichtlich, inwiefern B._____ mit einer entsprechenden Anfrage an die Gemeinde
seine Dienstpflichten – namentlich das Amtsgeheimnis – als Angestellter des
Betreibungsamts Surselva verletzt haben soll. Vielmehr ist ein gesetzeswidriges
oder unangemessenes Verhalten nicht ersichtlich, ist doch von einem nicht
seltenen Vorgehen von Betreibungsbeamten betreffend die Abklärung von
Zustelladressen bei der Einwohnergemeinde auszugehen.

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2.4. Nicht relevant ist die Frage, ob die Schwester von A._____ ihrerseits das
Amtsgeheimnis verletzt hat, wenn ihr in der Eingabe vom 11. Mai 2021 implizit
unterstellt wird, mit dieser Information gegenüber ihrer Schwester aufzutreten.

2.5. Damit liegen keine Anhaltspunkte für eine Verletzung von Dienstpflichten
durch B._____ vor, weshalb auf die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens zu
verzichten ist. Indes kann der Wahrnehmung der Beschwerdeführerin, B._____ sei
angeblich aggressiv oder unmenschlich aufgetreten, nicht gefolgt werden. So
hinterlegte B._____ lediglich eine Mitteilung an die Beschwerdeführerin, nachdem
der Zahlungsbefehl nicht persönlich zugestellt werden konnte. Dieses Vorgehen
liegt im ordentlichen Aufgabenbereich eines Betreibungsbeamten und ist Ausfluss
aus Art. 64 SchKG. Aus den Akten sind auch keine anderweitigen Verfehlungen
ersichtlich, welche ein von Amtes wegen zu eröffnendes Disziplinarverfahren
rechtfertigen würden.

3.    Angesichts dieser Beurteilung rechtfertigt sich auch keine Weiterleitung der
Eingabe vom 11. Mai 2021 an die zuständigen Strafbehörden im Sinne von Art. 26
Abs. 2 EGzStPO (BR 350.100). Dies gilt umso mehr, als diese Bestimmung keine
Weiterleitungspflicht, sondern lediglich ein Weiterleitungsrecht enthält und
A._____ ihrerseits bereits angekündigt hat, allfällig selbst bei der Strafbehörde
Anzeige zu erstatten.

4.     Gemäss Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 Satz 1 SchKG und Art. 61 Abs. 2 lit. a GebV
SchKG ist das Verfahren vor der kantonalen Aufsichtsbehörde kostenlos. Die –
rein intern zu verbuchenden – Verfahrenskosten von CHF 800.00 verbleiben
demnach beim Kanton.

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Demnach wird erkannt:

1.   Es wird kein aufsichtsrechtliches Verfahren gegen B._____ eröffnet.

2.   Die Kosten des Verfahrens von CHF 800.00 verbleiben beim Kanton
     Graubünden und werden zu Lasten der Gerichtskasse verbucht.

3.   Mitteilung an:

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