Entwicklung der Fallzahlen von Legionärskrankheit vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie, Januar bis Juli 2020 - RKI
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Epidemiologisches Bulletin 44 | 2020 29. Oktober 2020 3 Entwicklung der Fallzahlen von Legionärskrankheit vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie, Januar bis Juli 2020 Einleitung/Hintergrund und in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen Die COVID-19-Pandemie, die sich seit Anfang des erworbene Legionellosen unterschieden. Mit knapp Jahres 2020 weltweit ausgebreitet hat, beherrscht 75 % machen dabei die im privaten und beruflichen auch das Geschehen in Deutschland und hat viel- Umfeld auftretenden Erkrankungen den Hauptan- fältige Auswirkungen in allen Bereichen des teil aus, gefolgt von reiseassoziierten Fällen mit Lebens. Neben einer hohen Belastung in Kliniken etwa 20 %. In Krankenhäusern oder Pflegeeinrich- und Arztpraxen sowie im öffentlichen Gesund- tungen erworbene Erkrankungen sind mit jeweils heitswesen haben die im März erfolgten Maßnah- unter 5 % nur für einen kleinen Teil der Erkrankun- men, einschließlich der Kontakteinschränkungen, gen verantwortlich.4 weltweiten Reisewarnungen, Schließungen von Hotels, Gaststätten, Schwimmbädern und anderen Die Pandemie-bedingten Maßnahmen und Verhal- öffentlichen Einrichtungen etc., das allgemeine tensänderungen könnten sich sowohl auf die Häu- öffentliche Leben vorübergehend nahezu zum figkeit der Legionärskrankheit im privaten/beruf Erliegen gebracht. Erste Lockerungen nach dem lichen Umfeld als auch auf die reiseassoziierten Lockdown traten ab Ende April in Kraft.1, 2 Nach und Fälle ausgewirkt haben. Zum Beispiel kann es nach wurden Schwimmbäder, Sporteinrichtungen durch die mehrwöchige Nicht-Benutzung von und andere Einrichtungen wieder geöffnet. Schwimmbädern in dieser Zeit zu einem erhöhten Legionellenwachstum in den betreffenden Trink- Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob wasseranlagen gekommen sein, wenn diese nicht sich diese Einschränkungen auf die Entwicklung adäquat gewartet wurden. Bei der Wiederinbetrieb- der Fallzahlen bei der Legionärskrankheit ausge- nahme könnte dies dann wiederum ein vermehrtes wirkt haben, denn mit den genannten Beschrän- Auftreten der Legionärskrankheit im privaten Um- kungen sind relevante Expositionen weggefallen, feld zur Folge haben. Ab Mitte Juni wurde auch der die oftmals im Zusammenhang mit der Legionärs- Reiseverkehr innerhalb des europäischen Auslands krankheit stehen. Umgekehrt können nach der wieder aufgenommen,1 gleichzeitig nahmen inner- Lockerung aber auch wieder Expositionsquellen, deutsche Urlaubsreisen im Verhältnis zu außer- d.h. Wasserquellen mit einer infolge der geänderten deutschen zu. Im In- und Ausland standen viele Nutzungsbedingungen relevanten Legionellenkon- Hotels ganz oder teilweise leer, auch hier könnte tamination, hinzugekommen sein. der vorübergehende Leerstand durch Stagnation des Trinkwassers in den Leitungen mit erhöhten Die Legionärskrankheit ist eine Pneumonie, die von Infektionsrisiken für die (reiseassoziierte) Legio- Bakterien der Gattung Legionella verursacht wird, närskrankheit verbunden sein. sich klinisch aber nicht von anderen Pneumonien unterscheiden lässt. Durch geeignete Antibiotika ist Ziel dieses Artikels ist es, den Verlauf der aktuellen die Legionärskrankheit gut behandelbar. Legionel- Meldedaten zur Legionärskrankheit im Jahr 2020 len sind nur in äußerst seltenen Fällen von Mensch (von Januar bis einschließlich Juli 2020) im Ver- zu Mensch übertragbar.3 Eine Infektion erfolgt in gleich zum Vorjahreszeitraum 2019 zu analysieren der Regel durch das Einatmen erregerhaltiger Aero- und mit Blick auf die COVID-19-Pandemie mögli- sole (generiert durch häusliche oder öffentliche che Zusammenhänge zu erkennen. Wassersysteme wie z. B. Duschen, Whirlpools oder durch industrielle Anlagen wie etwa Verdunstungs- Folgende Fragestellungen sollten dabei näher unter- kühlanlagen). Epidemiologisch werden im privaten sucht werden: und beruflichen Umfeld erworbene, reiseassoziierte
Epidemiologisches Bulletin 44 | 2020 29. Oktober 2020 4 ▶▶ Haben der Lockdown und die damit im Frühjahr aus dem Jahr 2019 (ebenfalls mit Datenstand verbundenen mehrwöchigen Schließungen von 10.8.2020) verwendet. Schwimmbädern, Sporteinrichtungen, Teilen von Altenheimen oder Krankenhäusern etc. sowie Sofern keine monatliche Darstellung erfolgte, son- deren spätere Wiederinbetriebnahme möglicher- dern Gesamtauswertungen unabhängig vom mo- weise einen Einfluss auf die Meldeinzidenz der natlichen Verlauf durchgeführt wurden, wurde auch im privaten und beruflichen Umfeld bzw. im beim Vorjahr nur der betreffende Zeitraum (Januar Krankenhaus oder in Pflegeeinrichtungen erwor- bis Juli) einbezogen, um die Vergleichbarkeit der benen Fälle von Legionärskrankheit? Fallzahlen zu gewährleisten. ▶▶ Inwiefern hatten die internationalen Reisewar- nungen bzw. die danach einsetzende Wiederauf- Die Gesamtzahlen und die Darstellung nach Expo- nahme von Reisen im Inland bzw. ins Ausland sitionskategorien im Jahresverlauf werden nach einen Einfluss auf die Entwicklung der reise Meldemonat angezeigt. assoziierten Fälle von Legionärskrankheit? Datengrundlage/Methoden Ergebnisse Datengrundlage der Analysen sind die Fälle von Le- (1) Alle Fälle gionärskrankheit, die im Rahmen der allgemeinen (unabhängig von der Expositionskategorie) Meldepflicht gem. Infektionsschutzgesetz (IfSG) von Von Januar bis Juli 2020 wurden insgesamt 712 Fäl- den Gesundheitsämtern über die Landesstellen an le von Legionärskrankheit an das RKI übermittelt das Robert Koch-Institut (RKI) übermittelt werden. (s. Tab. 1). Damit ist die Zahl derzeit geringfügig niedriger als im Vergleich zum entsprechenden Zu jedem Erkrankungsfall werden eine Reihe ver- Vorjahreszeitraum (739 Fälle). schiedener epidemiologisch relevanter Parameter erfasst. Neben allgemeinen Angaben wie Alter und Generell ließ sich in den vergangenen Jahren ein Geschlecht, Erkrankungsbeginn, Symptomatik, kontinuierlicher Anstieg der absoluten Fallzahlen Nachweismethode etc. werden unter anderem auch beobachten. So haben sich in den letzten 5 Jahren die Expositionsorte im Zeitraum der wahrscheinli- sowohl die absoluten Fallzahlen als auch die Inzi- chen Infektion – den 2 bis 10 Tagen vor Erkran- kungsbeginn – erfasst. Ein im wahrscheinlichen In- Jahr fektionszeitraum erfolgter Aufenthalt in einem Monat 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Krankenhaus wird als Krankenhaus-assoziiert ein- Jan 63 44 73 98 109 114 gestuft, Erkrankungen bei Bewohnern in Senioren- Feb 63 61 46 65 77 110 oder Pflegeheimen gelten als Pflegeheim-assoziiert. Mrz 59 58 49 74 71 74 Fand im wahrscheinlichen Infektionszeitraum eine Apr 44 60 52 76 90 67 Reise im Zusammenhang mit Unterkünften im Mai 51 74 84 96 88 74 In- oder Ausland statt, zählen diese Fälle als reise Jun 80 108 126 181 124 104 assoziiert. Erkrankungsfälle, die nicht einer dieser Jul 87 107 155 168 180 169 Kategorien zugeordnet werden können, werden als Ges. Jan.-Jul. 447 512 585 758 739 712 im privaten oder beruflichen Umfeld erworben Aug 93 129 210 154 175 (community) angenommen. Sep 111 110 159 170 223 Okt 94 104 130 146 201 Für die Analysen des aktuellen Jahres 2020 wur- Nov 82 78 101 110 124 den die Fälle eingeschlossen, die dem RKI für die Dez 54 61 97 111 97 Monate Januar bis einschließlich Juli 2020 (Mel- Gesamt 881 994 1.282 1.449 1.559 712 dedatum) von den Gesundheitsämtern übermittelt wurden (Datenstand 10.8.2020). Für den Vergleich Tab. 1 | Zahl der an das RKI übermittelten Fälle von mit den monatlichen Fallzahlen im Vorjahr wur- Legionärskrankheit nach Meldejahr und Meldemonat (für das Jahr 2020 nur die ersten sieben Monate Januar – Juli). den die entsprechenden übermittelten Fallzahlen
Epidemiologisches Bulletin 44 | 2020 29. Oktober 2020 5 denz (Erkrankungen je 100.000 Einwohner) von 250 2019 881 Fällen im Jahr 2015 (Inzidenz 1,1) auf (1.559 Fälle 2020 im Jahr 2019 (Inzidenz 1,9) fast verdoppelt. Tabelle 1 200 gibt eine Übersicht über die übermittelten Fallzah- Anzahl der Fälle len seit 2015. 150 Die Erkrankungszahlen weisen jedes Jahr einen sai- 100 sonalen Rhythmus mit einem Maximum in den Sommer- und Herbstmonaten auf (s. Abb. 1). 50 Während zu Beginn des Jahres 2020 im Januar und 0 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez insbesondere im Februar vergleichsweise mehr Meldemonat Fälle registriert wurden als in den entsprechenden Vorjahresmonaten, sind die im April übermittelten Abb. 1 | Monatlich an das RKI übermittelte Fallzahlen der Fallzahlen im Vergleich zum Vorjahresmonat zwar Legionärskrankheit im Jahr 2020 (Januar – Juli) im Vergleich zum Vorjahr. Die eingezeichnete vertikale Linie kennzeichnet etwas niedriger, insgesamt ist die Entwicklung der den allgemeinen Lockdown, der ab Mitte März erfolgte. Gesamtzahlen – auf leicht niedrigerem Niveau – aber ähnlich wie im Vorjahr (Abb. 1). 600 2019 (2) Fälle nach Expositionskategorien 2020 500 Abbildung 2 stellt eine Übersicht der von Januar bis Juli übermittelten Fälle von Legionärskrankheit 400 Anzahl der Fälle nach Expositionskategorie im Vergleich der Jahre 2020 und 2019 dar. 300 200 Die Anzahl der als community klassifizierten Fäl- le – also der im privaten bzw. beruflichen Umfeld 100 erworbenen Erkrankungen – war im Jahr 2020 mit 593 Fällen gegenüber dem gleichen Zeitraum 2019 0 Community Reise Krankenhaus Pflegeheim (517 Fälle) etwas höher, der Anteil an allen Fällen Expositionskategorie betrug 83% gegenüber 70% im Jahr 2019. Ein um- Abb. 2 | Fälle von Legionärskrankheit nach Expositionskate- gekehrtes Bild ergibt sich bei der Betrachtung der gorie. Vergleich der Jahre 2020 und 2019 (Meldezeitraum reiseassoziierten Fälle: Diese haben im Vergleich jeweils Januar – Juli). zum Vorjahreszeitraum um das 2,5-fache abge- nommen, von 164 Fällen (22,2%) 2019 auf 66 Fäl- le (9,3%) 2020. Die Krankenhaus- und Pflege- Während in „normalen“ Jahren die Zahl der reise heim-assoziierten Erkrankungen sind bei generell assoziierten Fälle ab April/Mai mit dem Start der niedrigen Fallzahlen indes in beiden Jahren gleich Urlaubs-Vorsaison ansteigt und ein erster Gipfel im geblieben (s. Abb. 2). Juni/Juli auftritt, blieben die Fallzahlen in diesem Jahr zunächst fast bei Null und stiegen erst langsam Die monatliche Anzahl der im privaten oder beruf- wieder an, nachdem Mitte Juni die ersten Lockerun- lichen Umfeld erworbenen Fälle von Legionärs- gen in Kraft traten und Reisewarnungen aufgeho- krankheit (community) sind in den beiden betrach- ben wurden (s. Abb. 3b). teten Jahren recht ähnlich bzw. tendenziell 2020 etwas höher als im jeweiligen Vorjahresmonat 2019 (3) Reiseassoziierte Fälle innerhalb bzw. (s. Abb. 3a). Dem gegenüber fiel – zeitgleich mit außerhalb Deutschlands dem COVID-19-bedingten Lockdown – die Anzahl Aufgrund der COVID-19-Pandemie hat nicht nur der reiseassoziierten Fälle von März bis Mai deutlich die Zahl der reiseassoziierten Fälle deutlich von 164 ab (Abb. 3b). im Jahr 2019 auf 66 Fälle 2020 abgenommen
Epidemiologisches Bulletin 44 | 2020 29. Oktober 2020 6 180 80 160 2019 2019 2020 2020 140 60 120 Anzahl der Fälle Anzahl der Fälle 100 40 80 60 20 40 20 0 0 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez a) Meldemonat b) Meldemonat Abb. 3 | Monatliche Legionellen-Fallzahlen 2020 (Januar – Juli, siehe blauen Linienverlauf) im Vergleich zum Verlauf im Jahr 2019 in den Expositionskategorien im privaten/beruflichen Umfeld erworben (community) (a) und reiseassoziiert (b). Die eingezeich- neten vertikalen Linien kennzeichnen den allgemeinen Lockdown, der ab Mitte März erfolgte. Reiseland Ausland Reiseland Deutschland (s. Abb. 3b), gleichzeitig ist auch der Anteil der rei- 100% seassoziierten Fälle im Zusammenhang mit einer Auslandsreise gegenüber dem Vorjahr gesunken. 80% 44,1% Anteil Fälle nach Reiseland 72,1% Angaben zum Reiseland lagen 2019 für 154 der 164 60% reiseassoziierten Fälle vor (94,0 %). Im Jahr 2020 waren es 59 von insgesamt 66 Fällen (89,4 %). 40% Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Gesamtzah- 55,9% len und die entsprechenden Anteile. 20% 27,9% Knapp drei Viertel der reiseassoziierten Erkran- 0% 2019 2020 kungsfälle, die von Januar bis Juli erfasst wurden Reiseland Ausland und zu denen entsprechende Angaben vorlagen, Reiseland Ausland 100% Reiseland Deutschland Reiseland Deutschland waren im Jahr 2019 mit einem Auslandsaufenthalt 100% Abb. 4 | Reiseassoziierte Fälle von Legionärskrankheit im assoziiert (72,1 %; 111 von insgesamt 154 Fällen), wäh- Jahr 2020 im Vergleich mit 2019 nach Anteil der Reisen 80% 44,1% rend nur rund ein Viertel (27,9 %; 43 der 154 Fälle) innerhalb und außerhalb Deutschlands; verwendet wurden Anteil Fälle nach Reiseland 80% jeweils nur die reiseassoziierten Fälle der44,1% ersten 7 Monate Anteil Fälle nach Reiseland mit einer Reise innerhalb Deutschlands im Zusam- (Januar – Juli) bei denen 60% 72,1% Angaben zum Reiseland vorlagen. menhang stand. Im Jahr 2020 ist der Anteil der 72,1% 60% reiseassoziierten Fälle – bei insgesamt niedrigeren 40% 40% Fallzahlen – im Zusammenhang mit einer Aus- 55,9% 20% 55,9% 2019 2020 Gesamt landsreise jedoch deutlich gesunken 20% 27,9%und betrug nur Anzahl Anteil Anzahl Anteil Anzahl noch 44,1 %27,9% (26 von insgesamt 59 Fällen). Dement- 0% Reiseland sprechend 0% stieg der Anteil reiseassoziierter 2019 Fälle mit 2020 Deutschland 43 27,9 % 33 55,9 % 76 Unterkünften in Deutschland auf 55,9 % (33 der 2019 2020 Reiseland 59 Fälle) (s. Tab. 2; Abb. 4). Ausland 111 72,1 % 26 44,1 % 137 Gesamt 154 100,0 % 59 100,0 % 213 Betrachtet man jedoch die absolute Anzahl der Tab. 2 | Absolute Zahlen und Anteile der an das RKI Fälle, die im Jahr 2019 bzw. 2020 im Zusammen- übermittelten Fälle von reiseassoziierter Legionärskrankheit hang mit einer Unterkunft in Deutschland standen, (jeweils Januar – Juli) nach Meldejahr und Reiseexposition in so ergaben sich hier nur vergleichsweise geringfü- Deutschland bzw. im Ausland. gige Unterschiede (43 Fälle vs. 33 Fälle; s. Tab. 2).
Epidemiologisches Bulletin 44 | 2020 29. Oktober 2020 7 Reiseland Ausland 2019 Reiseland Ausland 2020 Reiseland Deutschland 2019 Reiseland Deutschland 2020 Demgegenüber konnte bei den reiseassoziierten 45 40 Fällen im Zusammenhang mit einem Auslandsauf- 35 enthalt ein erheblicher Rückgang im Vergleich zum Anzahl der Fälle 30 Vorjahr beobachtet werden (111 Fälle vs. 26 Fälle; 25 s. Tab. 2). 20 15 Der monatliche Verlauf der reiseassoziierten Fälle 10 getrennt nach Reiseland Deutschland bzw. Reise- 5 land Ausland zeigt, dass nach Aufhebung der allge- 0 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez meinen Reisebeschränkungen Mitte Juni die Zahlen Reiseland Ausland 2019 Reiseland Ausland 2020 der reiseassoziierten Fälle innerhalb Deutschlands Reiseland Deutschland 2019 Reiseland Deutschland 2020 von Null Fällen im Mai auf neun Fälle im Juni ange- 45 stiegen sind. Dieser Trend setzt sich im Juli mit 40 5 | Monatliche Anzahl der Fälle mit reiseassoziierter Abb. Legionärskrankheit 35 im Jahr 2020 (Januar – Juli) im Vergleich 13 Fällen weiter fort und liegt damit leicht über dem zum30 Verlauf im Jahr 2019 getrennt nach Reiseland Deutsch- Anzahl der Fälle Vorjahresverlauf. Insgesamt zeigt sich derzeit aber land und Reiseland Ausland. Die eingezeichneten vertikalen 25 ein vergleichsweise ähnlicher Verlauf wie im Vorjahr Linien kennzeichnen den allgemeinen Lockdown, der ab 20 März erfolgte bzw. die Aufhebung der Reisebeschrän- Mitte (s. Abb. 5). Deutlich anders sieht dagegen die Situa- 15 kungen innerhalb Europas ab Mitte Juni. tion bei den reiseassoziierten Fällen im Zusammen- 10 hang mit einem Auslandsaufenthalt aus. Zwar wer- 5 den seit Aufhebung der Reisebeschränkungen für 0 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Europa auch wieder zunehmend reiseassoziierte Fäl- le im Zusammenhang mit einem Auslandsaufent- kenhaus oder Pflegeheim zeigen, dass es hier keinen halt registriert, im Vergleich zum Vorjahr sind die Einfluss durch die COVID-19-Pandemie gab. Zahlen aber deutlich niedriger. So wurden für den Monat Juli 2020 insgesamt 11 Fälle erfasst, während Die Zeitreihe der Fälle von Legionärskrankheit im es im betreffenden Vorjahresmonat mit 29 Fällen privaten/beruflichen Umfeld verdeutlicht, dass die fast dreimal so viele Fälle waren (Abb. 5). Fallzahl nicht nur von Januar bis März, sondern auch von Mai bis Juli im Vergleich zu den entspre- chenden Monaten im Vorjahr leicht höher war Diskussion (s. Abb. 3a). Zwar könnte die leicht höhere Fallzahl ab Im saisonalen Verlauf scheint sich bei vordergrün- Mai möglicherweise mit der Wiederbenutzung von diger Betrachtung der allgemeinen Meldezahlen Trinkwasserinstallationen z. B. in Schwimmbädern zur Legionärskrankheit im Zusammenhang mit oder anderen Freizeiteinrichtungen zu tun haben, es COVID-19 zunächst nicht viel geändert zu haben. ist aber auch möglich, dass durch die verminderte Reisetätigkeit die Zahl der exponierten Personen im Im Januar und Februar konnten zunächst ver- privaten und beruflichen Umfeld höher als gewöhn- gleichsweise höhere Fallzahlen als im Vorjahr beob- lich ist und sich daher auch mehr Fälle im privaten/ achtet werden, dies entsprach in etwa dem seit vie- beruflichen Umfeld infizierten. Alles in allem ent- len Jahren kontinuierlich steigenden Trend. Diese spricht der Anstieg jedoch in etwa demjenigen, der Entwicklung kehrte sich ab März um und es wurden im Trend der vergangenen Jahre zu erwarten wäre. vergleichsweise niedrigere Fallzahlen registriert. Die Zeitreihe der reiseassoziierten Fälle von Legio- Bei differenzierter Betrachtung der Fallzahl nach Ex- närskrankheit zeigt einen deutlichen Rückgang in positionskategorie stieg im gesamten Zeitraum im den Monaten März bis Mai 2020, bedingt durch die Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Fälle von Legio- weltweiten Reisewarnungen im Zuge der COVID-19- närskrankheit im privaten/beruflichen Umfeld an, Pandemie und dem damit zum Erliegen gekomme- während die Zahl der reiseassoziierten Fälle zurück- nen Reiseverkehr. Normalerweise zeigt sich mit Be- ging (s. Abb. 2). Die unverändert niedrigen Zahlen ginn der Reise-Vorsaison in diesen Monaten in der im Zusammenhang mit einem Aufenthalt im Kran- Regel ein kontinuierlicher Anstieg der Fallzahlen.5
Epidemiologisches Bulletin 44 | 2020 29. Oktober 2020 8 Ein entsprechender Rückgang ließ sich auch im in- auch oftmals mit Erkrankungen assoziiert sind ternationalen Vergleich beobachten, so wurden (z. B. Dubai), derzeit noch immer wegfallen. ELDSNet (European Legionnaires’ Disease Net- work) – dem Europäischen Netzwerk für die Erfas- Der Anteil der reiseassoziierten Fälle innerhalb sung reiseassoziierter Fälle von Legionärskrank- Deutschlands hat wieder zugenommen, die absolu- heit – während des Lockdowns kaum noch Fälle von ten Fallzahlen ähneln denjenigen im Jahr 2019. Ob den europäischen Mitgliedsstaaten gemeldet: Im auch die Zahl der Inlandsreisen 2020 denen im April und Mai wurden lediglich 30 Fälle an ELDSNet Jahr 2019 entsprechen, kann gegenwärtig nicht ge- gemeldet – rund sechsmal weniger als im Vorjah- sagt werden, da dazu keine Zahlen vorliegen. Hier reszeitraum (176 Fälle) (Quelle: ELDSNet netzwerk bleibt abzuwarten, wie sich die Zahlen im weiteren interne Monatsberichte). Vor diesem Hintergrund Verlauf entwickeln werden. Es ist aber möglich, kam es auch zu weniger Erkrankten aus dem Aus- dass u. a. wegen der schwierigen Planbarkeit von land, als jene die sich in einer Unterkunft in Auslandsreisen die Menschen in nächster Zeit ihren Deutschland aufgehalten hatten. Urlaub häufiger in Deutschland verbringen werden. Dies könnte zu einer weiteren Steigerung der Zahl Als die Reisewarnungen Mitte Juni aufgehoben reiseassoziierter Fälle im Zusammenhang mit wurden, konnte zeitgleich auch wieder eine Zunah- Unterkünften in Deutschland führen, auch deswe- me der reiseassoziierten Fälle von Legionärskrank- gen, weil nach dem Lockdown das Risiko durch heit beobachtet werden (s. Abb. 3b), was auf die wie- Legionellen-kontaminierte Trinkwasseranlagen in der beginnende Reisetätigkeit und den damit ver- entsprechenden Reise-Unterkünften erhöht sein bundenen Expositionsrisiken (Aufenthalt in Hotels könnte (z. B. durch Stagnation in den Wasserleitun- oder anderen Reiseunterkünften) zurückzuführen gen oder eine nicht sachgerechte Wartung der An- ist. Dabei ließ sich feststellen, dass es im Rahmen lage). Daher sollten Betreiber von Hotels und ande- der Lockerungen anscheinend zu einer Änderung ren Reiseunterkünften in der jetzigen Situation den in Bezug auf das Reiseverhalten gekommen ist: So einwandfreien Betrieb der Trinkwasseranlage in ih- hat sich die Zahl der reiseassoziierten Fälle, die mit ren Gebäuden sicherstellen und mit der Wiedereröff- einem Auslandsaufenthalt assoziiert waren, deut- nung die erforderlichen technischen Maßnahmen lich verringert. Da nicht davon auszugehen ist, dass zur Minimierung des Infektionsrisikos beachten.6 sich mögliche Legionellen-Expositionsquellen bzw. das Infektionsrisiko im Ausland gegenüber den Vor- Fazit: Die COVID-19-Pandemie hatte im betrachte- jahren geändert haben, ist der Rückgang der aus- ten Zeitraum hauptsächlich einen Einfluss auf die landsassoziierten Fälle wahrscheinlich darauf zu- Entwicklung der reiseassoziierten Fälle von Legio- rückzuführen, dass aufgrund der zum Teil noch närskrankheit: Während des Lockdowns konnte hier fortbestehenden Reisewarnungen viele Menschen eine deutliche Abnahme der Fälle beobachtet wer- derzeit nicht ins Ausland verreisen, was somit auch den, was auf die internationalen Reiseeinschränkun- weniger reiseassoziierte Fälle im Zusammenhang gen zurückzuführen war. Seit Beginn der Reise mit einem Auslandsaufenthalt zur Folge hat. Außer- lockerungen werden wieder steigende Fallzahlen re- dem besteht bis Ende September weiterhin eine Rei- gistriert, die jedoch – vermutlich aufgrund des ver- sewarnung für außereuropäische Länder, so dass änderten Reiseverhaltens – in den meisten Fällen entsprechende ausgefallenere Reiseländer, die sonst mit Reisen innerhalb Deutschlands verbunden sind. Literatur 2 Bundesministerium für Gesundheit: Coronavirus 1 MDR Aktuell: Die Chronik der Corona Krise. Verfüg- SARS-CoV-2: Chronik der bisherigen Maßnahmen. bar unter https://www.mdr.de/nachrichten/politik/ Verfügbar unter https://www.bundesgesundheits- corona-chronik-chronologie-coronavirus-100.html#- ministerium.de/coronavirus/chronik-coronavirus. sprung2 (Download 14.9.2020) html (Download 14.9.2020)
Epidemiologisches Bulletin 44 | 2020 29. Oktober 2020 9 3 Correia AM, Ferreira JS, Borges V, Nunes A, Autorinnen und Autoren Gomes B, Capucho R, Goncalves J, Antunes DM, Dr. Bonita Brodhun | Dr. Udo Buchholz Almeida S, Mendes A et al: Probable Person-to- Person Transmission of Legionnaires’ Disease. Robert Koch-Institut, Abt. 3 Infektionsepidemiologie, N Engl J Med 2016, 374(5):497–498 FG 36 Respiratorisch übertragbare Erkrankungen 4 Robert Koch-Institut: RKI Ratgeber Legionellose Korrespondenz: BrodhunB@rki.de 2019. Verfügbar unter: https://www.rki.de/DE/Cont- ent/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Legio- Vorgeschlagene Zitierweise nellose.html Brodhun B, Buchholz U: Entwicklung der Fallzahlen 5 Buchholz U, Altmann D, Brodhun B.: Differential von Legionärskrankheit vor dem Hintergrund der Seasonality of Legionnaires’ Disease by Exposure COVID-19-Pandemie, Januar bis Juli 2020 Category. Int J Environ Res Public Health. 2020 Apr Epid Bull 2020; 44:3–9 | DOI 10.25646/7195 28;17(9):3049. doi: 10.3390/ijerph17093049. PMID: 32353925 6 Robert Koch-Institut: Wiederaufnahme von Reisen Interessenkonflikt und Tourismus Legionellenwachstum vorbeugen – Die Autorin und der Autor erklären, dass kein Erkrankungen verhindern. Epidemiologisches Interessenkonflikt besteht. Bulletin 24/2020 Beitragsreihe zu COVID-19 im Journal of Health Monitoring: Sterblichkeit Älterer zu Beginn der COVID-19-Pandemie – Gab es Nord-Süd-Unterschiede? In Special Issue S9/2020 wird die Entwicklung Die aktuelle Journal-Ausgabe kann über die RKI- der Gesamtmortalität für Deutschland insgesamt Internetseite unter www.rki.de/johm-covid19 auf sowie für eine norddeutsche und eine süddeutsche Deutsch sowie unter www.rki.de/johm-covid19-en Region während der COVID-19-Pandemie für die auf Englisch kostenlos heruntergeladen werden. Bevölkerung ab 65 Jahren untersucht. Informationen über neue Ausgaben des Journal of Health Monitoring bietet der GBE-Newsletter, für Für die Analyse des Ausmaßes der COVID-19- den Sie sich unter www.rki.de/gbe-newsletter an- bedingten Mortalität und Exzess-Mortalität (Über- melden können. sterblichkeit) ist es erforderlich, die Zeiträume zu bestimmen, in denen eine erhöhte Gesamtmorta- lität vorlag. Der Beitrag untersucht daher kalender- wöchentliche Sterbedaten, die vom Statischen Bundesamt für die ersten 23 Kalenderwochen 2020 veröffentlicht wurden. Zum Vergleich wird Martina Rabenberg, JoHM-Redaktion derselbe Zeitraum des Jahres 2016 herangezogen, Robert Koch-Institut | Abteilung für Epidemiologie des letzten Jahres ohne grippebedingte Exzess- und Gesundheitsmonitoring Mortalität. Korrespondenz: RabenbergM@rki.de
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