Epidemiologie okulärer Manifestationen bei Autoimmunkrankheiten
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ÜBERSICHTSARBEIT Kompass Ophthalmol 2022;8:2–16 • DOI: 10.1159/000521961 Übersetzung aus Front Immunol. 2021;12:744396. DOI: 10.3389/fimmu.2021.744396. Epidemiologie okulärer Manifestationen bei Autoimmunkrankheiten Katie Glover Deepakkumar Mishra Thakur Raghu Raj Singh School of Pharmacy, Medical Biology Centre, Queen’s University Belfast, Belfast, Vereinigtes Königreich Schlüsselwörter okuläre Manifestationen · Autoimmunerkrankungen · Retinopathie · Epidemiologie · systemische Autoimmunerkrankungen Zusammenfassung Die weltweite Prävalenz von Autoimmunkrankheiten nimmt zu. In- oder durch die Behandlung zur Bekämpfung der primären Autoim- folgedessen haben auch die mit Autoimmunkrankheiten verbun- munerkrankung verursacht werden. Diese Übersicht gibt einen de- denen okulären Komplikationen zugenommen, die von leichten taillierten Einblick in die epidemiologischen Faktoren, die die zu- Symptomen bis hin zur Bedrohung des Sehvermögens reichen. nehmende Prävalenz von Augenkomplikationen im Zusammen- Diese okulären Manifestationen können durch die Krankheit selbst hang mit verschiedenen Autoimmunerkrankungen beeinflussen. © 2021 Glover, Mishra and Singh Einleitung können auch während der aktiven Krankheit oder Jahre nach der Diagnose auftreten. Eine Verzögerung der Behandlung dieser Autoimmunkrankheiten entstehen dadurch, dass das körperei- Krankheitserscheinungen hat unmittelbare Auswirkungen auf gene Immunsystem Selbstantigene angreift [1], und werden je die Lebensqualität der Patienten, und in einigen Fällen besteht nach Zielgebiet im Körper entweder als organspezifisch oder sys- zweifellos die Gefahr einer Sehbehinderung. temisch eingestuft. Obwohl über 80 Autoimmunkrankheiten be- Jeder Teil des Auges ist ein potenzielles Ziel für autoimmunbe- kannt sind, ist die genaue Ätiologie vieler dieser Krankheiten dingte Komplikationen. Idealerweise sollte eine Augenuntersu- noch unbekannt. Genetische und umweltbedingte Faktoren sind chung ein Routinebestandteil des Krankheitsmanagements wer- ausschlaggebend für die Anfälligkeit für und die Prävalenz und den, um auftretende Augensymptome rechtzeitig zu diagnosti- den Schweregrad von Krankheiten bedingt durch das zelluläre zieren, zu untersuchen und zu behandeln. Darüber hinaus sollte Immunsystem. die Bedeutung regelmäßiger Screenings, auch bei asymptomati- Die vielfältigen okulären Manifestationen, die mit verschiedenen schen Patienten, aufgrund des Potenzials für akute, sehkraftbe- Autoimmunerkrankungen in Verbindung stehen, werden häufig drohende Augenkomplikationen, die bei mehreren der in dieser übersehen und in ihrer Bedeutung unterschätzt. Diese Manifesta- Übersicht behandelten Autoimmunkrankheiten beobachtet wer- tionen reichen von leichten Störungen bis hin zu bedrohlichen Zu- den, hervorgehoben werden. ständen, die ein sofortiges medizinisches Eingreifen erfordern. Autoimmunerkrankungen nehmen weltweit zu, von einer ge- Das Auge ist ein empfindliches Organ mit einer Mikroumgebung, schätzten Prävalenz von 3,2% zwischen 1965 und 1995 auf 19,1 ± die empfindlich auf systemische Veränderungen im Körper re- 43,1% im Jahr 2018 [4, 5]. Bis 2026 wird der weltweite Markt für agiert und auch als erster Indikator für eine zugrunde liegende die Diagnose von Autoimmunkrankheiten, der derzeit einen Autoimmunerkrankung dienen kann [2, 3]. Augensymptome Wert von 4,1 Mrd. USD hat, schätzungsweise 6,3 Mrd. USD er- information@karger.com © 2022 S. Karger GmbH, Freiburg Korrespondenz an: www.karger.com/kop Thakur Raghu Raj Singh, r.thakur @ qub.ac.uk
Autoimmunerkrankung Systemische Organspezifische Autoimmun- Autoimmun- erkrankungen erkrankungen Auto-Antigene sind im gesamten Auto-Antigene sind Organ-, Gewebe-/Zell- Körper präsent und die Autoimmunreaktion spezifisch und die Autoimmunreaktion wird wird von Auto-Antikörpern vermittelt von T-Zellen und Auto-Antikörpern vermittelt Rheumatoide Arthritis Morbus Basedow Systemische Sklerose Myasthenia gravis Kryoglobulinämie Diabetes mellitus Typ 1 Antiphospholipid-Syndrom Multiple Sklerose Mikroskopische Polyangiitis Neonataler Lupus erythematodes Abb. 1. Klassifikation von Autoimmunkrankheiten. Neurologische Multiple Sklerose Autoimmunerkrankungen Myasthenia gravis Nervensystem Haut Endokrines System Psoriasis Diabetes mellitus Typ 1 Dermatomyositis Morbus Basedow Dermatologische Endokrine Autoimmunerkrankungen Autoimmunerkrankungen Gastrointestinaltrakt Knochen Rheumatoide Arthritis Sjögren-Syndrom Colitis ulcerosa Morbus Crohn Rheumatische Autoimmuner- krankungen Rheumatische Gastro-intestinale Autoimmunerkrankungen Autoimmunerkrankungen Abb. 2. Verschiedene Körperstellen, die von Autoimmunerkrankungen betroffen sein können. reichen [6]. Einige Gründe für diesen Anstieg sind auf die geneti- Bedingungen erhöhen das Risiko systemischer Manifestationen, sche Veranlagung in einer alternden Bevölkerung und auf verbes- einschließlich solcher, die das Auge betreffen. serte Diagnosetechniken zurückzuführen. Die zunehmende Prä- Angesichts der zunehmenden Prävalenz von Autoimmunkrank- valenz wurde jedoch stärker von Umweltfaktoren beeinflusst, was heiten in der Weltbevölkerung, des zusätzlichen Risikos einer Po- auf eine Möglichkeit schließen lässt, wie diese Probleme verrin- lyautoimmunität und der alternden Bevölkerung können wir nur gert werden können. vermuten, dass die begleitenden okulären Manifestationen dieser Darüber hinaus ist Polyautoimmunität oder ein multiples Au- Krankheiten ebenfalls zunehmen werden. Es wurden verschiede- toimmun-Syndrom bei einem einzigen Patienten keine Selten- ne Übersichtsarbeiten veröffentlicht, um die Prävalenz von oku- heit, wie z.B. die Verbindung zwischen rheumatoider Arthritis, lären Manifestationen verschiedener Autoimmunkrankheiten Schilddrüsenentzündung und Diabetes mellitus Typ 1 [7]. Solche hervorzuheben. Eine Übersichtsarbeit, die die epidemiologische Kompass Ophthalmol 2022;8:2–16 3 DOI: 10.1159/000521961
Katarakt Prävalenz zusammen mit aktueller Literatur hervorhebt, ist je- doch sehr wünschenswert [8–11]. Diese Übersichtsarbeit soll das ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ Bewusstsein für die verschiedenen Augenkomplikationen im Zu- Atrophie Optikus- sammenhang mit Autoimmunkrankheiten und für die am stärks- ten gefährdeten Personen schärfen, damit beim Screening und bei ✓ ✓ der Diagnose mit besonderer Sorgfalt vorgegangen werden kann. Hornhaut- Diplopie ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ Autoimmunerkrankungen und ihre Auswirkungen auf geschwüre das Auge ✓ ✓ ✓ ✓ Autoimmunerkrankungen lassen sich grob in systemische und Glaukom organspezifische Erkrankungen einteilen (Abb. 1). Bei systemi- ✓ ✓ ✓ ✓ schen Autoimmunerkrankungen richtet sich die Autoimmunität ausschließlich gegen das ubiquitär (universell) exprimierte Selbst- verschluß Retinaler Venen- antigen und führt zu Antikörper-vermittelten Endorganschäden. ✓ ✓ ✓ Autoimmunerkrankungen betreffen auch verschiedene Teile des und Netzhaut- Körpers, einschließlich der Haut und des Magen-Darm-Systems Glaskörper- blutungen (Abb. 2). Autoantikörper spielen im Vergleich zu T-Zellen eine bedeutende Rolle bei systemischen Autoimmunerkrankungen. ✓ ✓ ✓ ✓ Bei organspezifischen Autoimmunerkrankungen zielen die Au- Netzhaut- ablösung toantikörper und die T-Zellen auf die organ-/gewebe-/zellspezifi- schen Antigene ab, was zu einer spezifischen und zielgerichteten ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ Autoimmunreaktion führt. phobie Photo- Augenkomplikationen infolge von Autoimmunität reichen von ✓ ✓ ✓ weniger schwerwiegenden Auswirkungen, z.B. topische Kon- Makula- Choroiditis junktivitis und Skleritis, bis hin zu chronischen und schwerwie- genden Auswirkungen, z.B. Neuropathien und choroidale Angio- ✓ genese. Wie in Tabelle 1 zusammengefasst, ist ein breites Spek ödem trum von Autoimmunerkrankungen häufig mit gemeinsamen ✓ ✓ ✓ ✓ okulären Manifestationen verbunden; einige okuläre Manifesta- Uveitis tionen sind jedoch krankheitsspezifisch (Tab. 2). Verschiedene ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ Autoimmunerkrankungen, die in dieser Übersicht besprochen Blepharitis Keratitis werden, stehen in Zusammenhang mit nachteiligen okulären Ma- Tab. 1. Häufige okuläre Manifestationen verschiedener Autoimmunerkrankungen ✓ ✓ ✓ nifestationen; weitere Einzelheiten über die Prävalenz und die Symptome der okulären Auswirkungen mehrerer Klassen von ✓ ✓ ✓ ✓ Autoimmunerkrankungen werden ebenfalls diskutiert. Konjunk- tivitis Rheumatische Autoimmunerkrankungen ✓ ✓ ✓ ✓ Autoimmunrheumatische Erkrankungen (ARD) sind eine viel- Vaskulitis Episkleritis Retinale fältige Gruppe von Erkrankungen, die in erster Linie Gelenke, ✓ ✓ ✓ ✓ Knochen, Muskeln und Bindegewebe betreffen, wobei die rheu- matoide Arthritis die häufigste ist. ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ Rheumatoide Arthritis Skleritis Rheumatoide Arthritis ist eine chronische Erkrankung, die eine ✓ ✓ ✓ ✓ systemische Polyarthritis verursacht, die im Allgemeinen in bila- Keratocon- junctivitis teraler Form vorliegt und durch eine Entzündung des Synovial- sicca gewebes gekennzeichnet ist. In den letzten Jahren lagen die Schät- ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ zungen der globalen Prävalenz zwischen 1% und 2% [12, 13]. Guillain-Barré-Syndrom Die Keratokonjunktivitis sicca oder das trockene Auge ist die häu- Hashimoto-Thyreoiditis Diabetes mellitus Typ 1 Rheumatoide Arthritis Systemische Sklerose figste okuläre Präsentation der rheumatoiden Arthritis und tritt Myasthenia Gravis Sjögren-Syndrom Morbus Basedow Dermatomyositis Multiple Sklerose Manifestationen Häufige okuläre Morbus Behçet Colitis ulcerosa Morbus Crohn bei 10–35% der Patienten auf. Weitere häufige Manifestationen der Krankheit sind Episkleritis, Skleritis, periphere ulzerative Keratitis (PUK) Psoriasis Zöliakie und retinale Vaskulitis. In einer neueren Studie wies ein Drittel 4 Kompass Ophthalmol 2022;8:2–16 DOI: 10.1159/000521961
Tab. 2. Seltene okuläre Manifestationen verschiedener Autoimmunerkrankungen Autoimmunkrankheit Ungewöhnliche okuläre Manifestationen im Zusammenhang mit Autoimmunkrankheiten Rheumatoide Arthritis periphere Ulzeration, Pterygium, Ausdünnung des peripheren Stromas, akute zentrale Hornhautschmelze, Choroiditis Sjögren-Syndrom Netzhautvaskulitis, Einschmelzen der Hornhaut, Hornhautperforation, konjunktivale epitheliale Verhornung, Optikusneuropathie, steriles Hornhautgeschwür Morbus Behçet Hypopyon, Papillitis, Chorioretinitis, retinale Periphlebitis, Periarteritis, posteriore Synechien, Irisbombe, keratische Präzipitate, epiretinale Membran Morbus Crohn subepitheliale Infiltrate, perivaskuläre Umhüllung, Lidschwellung, Lidrand, orbitale Myositis, Sehnervenentzündung, Dyakroadenitis, Ptosis palpebralis, choroidale Neovaskularisation, zentrale seröse Chorioretinopathie Ulzerative Colitis Orbitaschwellung, Vaskulitis, Iritis, zentrale seröse Chorioretinopathie, Keratopathie, Aderhauterguss, choroidale Neovaskularisation, Hirnnervenlähmung, Sehnervenentzündung Zöliakie orbitale Myositis, Keratomalazie, mikrobielle Keratitis, Retinopathie, Pseudotumor cerebri, Nyktalopie, Schilddrüsen- assoziierte Orbitopathie Multiple Sklerose Hirnnervenlähmungen, Sehnervenentzündung, Optikusneuritis, internukleäre Ophthalmoplegie, Nystagmus, Pars planitis, retinale Periphlebitis, Oszillopsie, verminderte Farbwahrnehmung, Läsionen des Chiasmas Guillain-Barré-Syndrom Akkommodationsinsuffizienz, Papillophlebitis, Watteflecken, Pupillendysfunktion, Ophthalmoparese, Esotropie, Lagophthalmus, Ektropium, Hornhautempfindlichkeit, Papillenödem, Colgan-Lidzucken, Mydriasis, vertikale Blickparese Myasthenia gravis internukleäre Ophthalmoplegie, Ptosis, Schilddrüsenerkrankungen, Ophthalmoparese, Lagophthalmus, Orbicularisschwäche Diabetes mellitus Typ 1 diabetische Retinopathie, Akkommodationsinsuffizienz, reduzierte Gefäßdichte, Hornhauterosion, Hornhauthypoästhesie Morbus Basedow Schilddrüsen-assoziierte Ophthalmologie, Hornhauthysterese, Proptose, Meibom-Drüsen-Dysfunktion, Augenläsionen, Bindehauterythem, Augenlidödem Hashimoto-Thyreoiditis Schilddrüsen-assoziierte Ophthalmologie, Hornhauthysterese, Ptosis, reduzierte Farbwahrnehmung, Retraktion des oberen Augenlids, Chemosis, Vorfall der Konjunktiva, Proptosis, Exophthalmos, von Graefe’sches Zeichen Psoriasis Psoriasis der Augenlider, konjunktivale Läsionen, Xerosis, Ektropium, orbitale Myositis, Hornhautpigmentdispersion, Hornhauttrübungen, Ptosis, peripheres Hornhautschmelzsyndrom, Funktionsstörung der Meibomschen Drüsen Systemische Sklerose Telangiektasie, Keratokonus, Iris-Transillumination, Funktionsstörung der Meibomschen Drüsen, Keratopathie, Hornhautastigmatismus Dermatomyositis Ptosis, Strabismus, Bindehautödem, Nystagmus, Iritis, Watteflecken, internukleäre Ophthalmoplegie, Papillenödem, orbitale Myositis, canthale Narben der Patienten mit rheumatoider Arthritis okuläre Manifestatio- nicht auf die tief in der Sklera liegenden Gefäße wirken, was eine nen auf, wobei die Keratokonjunktivitis sicca 85% der okulären wirksame Behandlung erschwert. Bei Patienten mit rheumatoi- Erkrankungen ausmachte [14]. Das trockene Auge ist auf eine der Arthritis wurden im Vergleich zu gesunden Kontrollgrup- Schädigung der Tränendrüse durch angreifende B- und T-Lym- pen dünnere Aderhautschichten und ein erhöhter Widerstand phozyten zurückzuführen. Obwohl es derzeit keine wirksame Be- gegen den Blutfluss festgestellt [17]. Dabei wurde jedoch kein handlung gibt, können Augentropfen zur Linderung der Sympto- Zusammenhang mit dem Schweregrad der Erkrankung festge- me Juckreiz, Rötung und Fremdkörpergefühl eingesetzt werden. stellt, was auf das Risiko potenziell schwerer okulärer Manifes- In schwereren Fällen kann ein Verschluss der ableitenden Tränen- tationen bei gut behandelten Patienten mit rheumatoider Ar pünktchen oder eine Tarsorrhaphie erforderlich sein. Bei Patien- thritis hinweist. ten mit rheumatoider Arthritis wurde kein Zusammenhang zwi- Skleritis macht 10% der okulären Komplikationen bei Patienten schen dem Schweregrad der Erkrankung und dem Schweregrad mit rheumatoider Arthritis aus [12], kann jedoch erheblich des trockenen Auges festgestellt. Ein eher schwerere Keratokon- schmerzhafter sein. PUK ist bei rheumatoider Arthritis selten junktivitis sicca war mit einer längeren Krankheitsdauer verbun- und wird hauptsächlich in Fallstudien berichtet. Ein Fall zeigt je- den [15]. Es wurde festgestellt, dass die Hornhaut von Patienten doch die rasche Entwicklung von allgemeinen Symptomen zu ei- mit rheumatoider Arthritis signifikant dünner ist als bei gesun- ner schweren bilateralen PUK mit Sehverlust [18]. Skleritis und den Kontrollkohorten, wobei die Verringerung der Hornhautdi- PUK können sich zu einer retinalen Vaskulitis entwickeln [19], cke mit zunehmender Hornhautkrümmung abnahm [16]. die zum Verlust des Sehvermögens führen kann, wenn nicht Eine Episkleritis tritt bei bis zu 10% der Patienten mit rheuma- rechtzeitig eingegriffen wird. In einigen Fällen verläuft die reti- toider Arthritis auf und wird durch eine Entzündung der supra- nale Vaskulitis asymptomatisch, sodass ein regelmäßiges Scree- choroidalen Schicht verursacht. Zur Verengung der Blutgefäße ning aller Patienten für die Erkennung und Behandlung von oku- können topische Augentropfen verabreicht werden, die jedoch lären Manifestationen von größter Bedeutung ist. Kompass Ophthalmol 2022;8:2–16 5 DOI: 10.1159/000521961
Abb. 3. (a) Beobachtung der limbalen Plattenepi- thel-Neoplasie der Augenoberfläche zusammen mit Keratin-Plaques bei Patienten mit Morbus Crohn. (b) Histopathologie des invasiven Platten epithelkarzinoms nach Exzision des Tumors unter Verwendung von Hämatoxylin-Eosin (H&E)-Fär- bung. Bild verwendet mit Genehmigung von Tri- phathy et al. [35]. Sjögren-Syndrom Bei einem männlichen Patienten, der neben einem Makulaödem Das Sjögren-Syndrom ist eine chronische Entzündungskrankheit, und einem Bandscheibenödem eine verminderte Sehschärfe und die insbesondere die Tränen- und Speicheldrüsen betrifft. Patien- intraretinale Blutungen aufwies, wurde ein Versuch mit systemi- ten mit Sjögren-Syndrom zeigen Sicca-Symptome aufgrund einer schen Kortikosteroiden, Immunsuppressiva und einem intravi entzündlichen Schädigung der exokrinen Tränen- und Speichel- trealen Dexamethason-Implantat durchgeführt. Obwohl sich das drüsen. Die aktuelle weltweite Prävalenz wird auf bis zu 1% der Makulaödem zurückbildete, blieb eine verminderte Sehschärfe Bevölkerung geschätzt [20]. zurück, was die irreversiblen Auswirkungen der Behçet-assoziier- Einer von drei Patienten mit Sjögren-Syndrom weist okuläre ten Uveitis verdeutlicht [25]. In einer Studie trat bei über der Hälf- Symptome auf, von denen 13% das Sehvermögen bedrohen [21]. te der Patienten ein Makulaödem auf. Am häufigsten trat jedoch Wie bei der rheumatoiden Arthritis ist die Keratokonjunktivitis eine retinale Periphlebitis auf [29]. sicca die häufigste okuläre Manifestation. Als Vorstadium weist 1 von 10 amerikanischen Patienten über 50 Jahren, bei denen ein Magen-Darm-Autoimmunerkrankungen trockenes Auge diagnostiziert wird, letztlich ein Sjögren-Syn- Bei gastrointestinalen Autoimmunkrankheiten richtet sich das drom auf [22]. Unglücklicherweise liegen bei denjenigen, bei de- Immunsystem gegen die Organe des Magen-Darm-Trakts. Der nen die Diagnose gestellt wird, schätzungsweise 10 Jahre zwi- derzeitige Mangel an Bewusstsein für diese Krankheiten wird an- schen dem ersten Auftreten von Augensymptomen und der Dia- hand von Fallstudien in der Literatur nachgewiesen. So ist bei- gnose des Sjögren-Syndroms [21], was darauf hindeutet, dass die spielsweise nur wenig erforscht, wie die Hornhaut bei Patienten Bedeutung der okulären Manifestationen des Sjögren-Syndroms mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) beein- nicht ausreichend bekannt ist. trächtigt wird. Neuere Untersuchungen haben jedoch ergeben, Andere Erkrankungen wie Episkleritis, Skleritis, retinale Vasku- dass Morbus-Crohn-Patienten, die keine Symptome einer Augen- litis und eine Einschmelzung oder Perforation der Hornhaut wer- beteiligung aufwiesen, eine verringerte Hornhautdicke und eine den häufig mit dem primären Sjögren-Syndrom in Verbindung geringere Tränenmenge aufwiesen [30]. gebracht, wobei einige Untersuchungen darauf hindeuten, dass Männer ein höheres Risiko haben, diese okulären Symptome zu Morbus Crohn entwickeln [23], obwohl diese Feststellung durchaus infrage ge- Morbus Crohn ist durch Entzündungsschübe im Magen-Darm- stellt werden kann [24]. Trakt gekennzeichnet, die zu Narbenbildung und Geschwüren führen. Morbus Crohn kann jede Altersgruppe betreffen, tritt je- Morbus Behçet doch am häufigsten im späten Teenageralter auf. Neuere Studien Morbus Behçet ist gekennzeichnet durch eine chronische Vasku- deuten auf einen Anstieg der Prävalenz hin [31]. litis mehrerer Organe, einschließlich der Augen und des Nerven- Bis zu 12% der Morbus-Crohn-Patienten weisen okuläre Manifes- systems. Morbus Behçet weist eine hohe Inzidenz von okulären tationen auf, wobei die Episkleritis die häufigste ist, dicht gefolgt Manifestationen auf, wobei bei 70% der Patienten irgendeine von Skleritis und Uveitis [32]. Eine posteriore Uveitis bei Morbus Form der Augenerkrankung festgestellt wird [25]. Bei Morbus Crohn wird mit einer gemeldeten Inzidenz von 5,6 Personen pro Behçet sind die Augensymptome in der Regel nicht die ersten 100 000 Einwohnern gemeldet [33]. Oral eingenommenes Pred- Symptome, die sich bemerkbar machen, ihre Bedeutung darf je- nisolon linderte bei 1 Patienten Augenläsionen, eine leichte Vitri- doch nicht unterschätzt werden. tis und intraretinale Blutungen, die vor der Diagnose des Morbus Eine rezidivierende bilaterale Uveitis tritt bei etwa zwei Dritteln Crohn aufgetreten sind, ohne dass über bleibende Augenschäden der Patienten mit Morbus Behçet auf [26], wobei bei 25% dieser berichtet wurde [34]. Okuläre Neoplasien wurden auch mit Mor- Patienten eine Erblindung eintreten kann [27]. Darüber hinaus bus Crohn in Verbindung gebracht (Abb. 3) [35]. können bereits in einem frühen Stadium der Behçet-assoziierten Okuläre Manifestationen treten vor allem in den frühen Stadien Uveitis schwerwiegende Komplikationen auftreten, wie Netz- der Krankheit auf [36], können aber auch während der aktiven hautläsionen (75–80%) [28], Katarakte (39,5%) und Sekundär Krankheit oder in der Remission auftreten. So wurde beispiels- glaukom (17,1%) [29], die zu einer Sehbehinderung führen. weise eine orbitale Myositis, die bei Morbus Crohn zwar immer 6 Kompass Ophthalmol 2022;8:2–16 DOI: 10.1159/000521961
noch selten ist, häufiger als bei Colitis ulcerosa gemeldet. Bei ei- Außerdem haben Zöliakiepatienten im Vergleich zur Allgemein- nem Patienten kam es zu einem akuten Ausbruch einer orbitalen bevölkerung aufgrund von Krankheitsfaktoren wie oxidativem Myositis während einer Phase der Krankheitsremission, die mit Stress und Dehydrierung durch chronischen Durchfall ein höhe- Prednisolon und Adalimumab schnell abklang [37]. res Risiko, an Katarakten zu erkranken. Auch ein Vitamin-A- Zu den weniger häufigen Manifestationen gehören «Hornhautge- Mangel kann bei bis zu einem Drittel der Patienten auftreten und schwüre, Blepharitis, Katarakte, Konjunktivitis, Makulahämor- zu Nyktalopie, trockenen Augen und Hornhautgeschwüren füh- rhagie, subepitheliale Infiltrate, perivaskuläre Umhüllungen und ren [49]. retinale Vaskulitis» [36]. Das trockene Auge tritt bei Morbus Augenmanifestationen können auf eine asymptomatische Zölia- Crohn im Vergleich zur Colitis ulcerosa häufiger auf [30, 38]. Die kie hinweisen [50], einschließlich filamentärer Keratitis, Kerato- retinale Vaskulitis wurde 5 Jahre vor den gastrointestinalen malazie, mikrobieller Keratitis, Hornhautgeschwüren und Diplo- Symptomen entdeckt, die eine Diagnose des Morbus Crohn er- pie. Eine Diplopie tritt häufiger bei weiblichen Patienten auf, die möglichten [2]. dann auf eine orbitale Myositis untersucht werden sollten. Redu- zierte Funktionen des Tränenfilms und Anomalien in den Struk- Colitis ulcerosa turen des Hornhautepithels treten bei Zöliakiepatienten ebenfalls Colitis ulcerosa (CU) ist eine andere Form von CED, die nur den auf [51]. Retinopathie wurde mit Zöliakie in Verbindung ge- Dickdarm und das Rektum betrifft. Trotz der zunehmenden Prä- bracht, insbesondere in Verbindung mit Diabetes mellitus Typ 1 valenz bleibt die genaue Ätiologie der CU unbekannt. [52]. Zöliakie wurde mit anteriorer Skleritis in Verbindung ge- Auch bei Patienten mit Colitis ulcerosa wird eine Inzidenz von bracht [53], bei der okuläre und gastrointestinale Symptome nach okulären Manifestationen zwischen 4–12% berichtet, wobei Uvei- dem Verzehr von Gluten zusammentrafen, was sich nach der Auf- tis und Iritis häufiger mit Colitis ulcerosa als mit Morbus Crohn nahme einer glutenfreien Ernährung besserte. in Verbindung gebracht werden [32]. Eine Studie ergab, dass 83% Die meisten Fälle von Zöliakie bleiben unentdeckt, weil sie asymp der Patienten okuläre Manifestationen aufwiesen, wobei Kata- tomatisch sind und das Bewusstsein für die Krankheit fehlt, was rakte und Konjunktivitis am häufigsten waren [38]. Es liegen wi- verheerende Folgen für das Auge haben kann. Dogan et al. beob- dersprüchliche Daten vor, wobei einige Studien über ein höheres achteten dünnere subfoveale Aderhautschichten bei Zöliakiepati- Ausmaß okulärer Manifestationen bei Colitis ulcerosa berichte- enten, bei denen die Diagnose erst nach mehr als 60 Monaten ten [39, 40], und eine Studie berichtete, dass Patienten mit Morbus gestellt wurde, was auf die Notwendigkeit einer effizienteren Di- Crohn ein höheres Risiko für die Entwicklung okulärer Manifes- agnose und eines besseren Bewusstseins hinweist, um die Entste- tationen haben [41]. hung von Augenkomplikationen zu verhindern [54]. Weitere seltene Manifestationen sind der Zentralvenenverschluss der Netzhaut, Vaskulitis, periphere Hornhautgeschwüre, Horn- Neurologische Autoimmunerkrankungen hautinfiltrate, zentrale seröse Chorioretinopathie und Netzhaut- Neurologische Autoimmunerkrankungen wie multiple Sklerose ablösung. Keratopathie und Nachtblindheit infolge von Vitamin- sind das Ergebnis eines immunologisch bedingten Entzündungs- A-Mangel können auch auftreten [42]. Zu den weniger häufig auf- angriffs auf das zentrale Nervensystem, der zu schweren Behin- tretenden okulären Nebenwirkungen gehören Vitritis, Aderhaut- derungen und systemischen Symptomen führt. erguss, choroidale Neovaskularisation, Hirnnervenlähmung und Sehnervenentzündung. Obwohl sie bei Morbus Crohn häufiger Multiple Sklerose vorkommt, gibt es Fallberichte über eine orbitale Myositis im Zu- Multiple Sklerose (MS) ist eine fortschreitende Erkrankung des sammenhang mit Colitis ulcerosa [43, 44]. Darüber hinaus wurde zentralen Nervensystems, die zu schweren Behinderungen führt. über Fälle von Colitis ulcerosa-Patienten mit ZVV (Zentralvenen- Die Autoimmunreaktion führt zu einer Demyelinisierung von verschluss im Auge)) berichtet, die in einigen Fällen zu einem dau- Nervenfasern, was weiter zu einer verminderten oder unterbun- erhaften Sehverlust führten [2, 45]. Eine orbitale Schwellung wur- denen Signalübertragung entlang der Nerven führt. Studien deu- de bei einem Patienten mit Colitis ulcerosa berichtet, was den ers- ten darauf hin, dass die Augenbewegung in 70% der MS-Fälle ten bekannten Zusammenhang zwischen Colitis ulcerosa und beeinträchtigt ist [55]. Die Prävalenz von multipler Sklerose IgG4-ROD (IgG4-related ophthalmic disease) darstellt [46]. nimmt mit 2 Millionen Fällen weltweit zu [56]. Eine Optikusneuritis ist eine häufige Manifestation aufgrund von Zöliakie Läsionen des Sehnervs und betrifft 7 von 10 MS-Patienten [57], Zöliakie ist eine chronische Erkrankung des Dünndarms, von der insbesondere bei Frauen. Die Sehnervenentzündung ist in der Re- 1–2% der Weltbevölkerung betroffen sind [47] und die durch den gel durch akuten Sehverlust und Augenschmerzen gekennzeich- langfristigen Verzehr von Gluten ausgelöst wird. Außerdem ha- net; es wird jedoch auch von schweren Komplikationen berichtet. ben bis zu 15% der Zöliakiepatienten das Sjögren-Syndrom als Diese Komplikationen, die auch als atypische Sehnervenentzün- sekundäre Autoimmunerkrankung [48], was das Risiko von Au- dung bezeichnet werden, umfassen Netzhautblutungen, Optikus genproblemen erhöht. atrophie und einen geschwollenen Sehnerv und erfordern eine Ein Vitamin-D-Mangel tritt bei 20–60% der Zöliakiepatienten intensive Behandlung, um einen Sehverlust oder eine chronische auf [47], was zu einer möglichen Kataraktbildung führen kann. Sehnervenentzündung zu verhindern. Kompass Ophthalmol 2022;8:2–16 7 DOI: 10.1159/000521961
Über Pupillenstörungen wurde auch bei MS berichtet, mit einer Photophobie, Lähmung des vertikalen Blicks, interne Ophthal- ungefähren Prävalenz von 60% der MS-Patientenkohorten [58]. moplegie, abnorme Lidfunktion, Mydriasis, Anisokorie, Ptosis, Darüber hinaus tritt bei 30% der MS-Fälle eine internukleäre Lidretraktion, Oberlidzuckungen, Lidnystagmus und Lagoph- Ophthalmoplegie auf, die durch Läsionen des Fasciculus longitu- thalmus. Es wurde auch über Farbenblindheit, verminderte Seh- dinalis medialis zu einer eingeschränkten Augenbewegung führt schärfe, Pupillenanomalien und supranukleäre Blicklähmung [59]. Nystagmus ist auch bei Patienten mit multipler Sklerose häu- berichtet. fig, wobei der erworbene Pendelnystagmus (APN) am häufigsten auftritt [60]. APN kann zu schweren Sehstörungen führen, die Myasthenia gravis jedoch bei rechtzeitiger und angemessener Behandlung rückgän- Myasthenia gravis ist eine chronische Erkrankung, die aufgrund gig gemacht werden können [61]. der Zerstörung von Rezeptorzellen an der Nervenverbindung zu Die Häufigkeit der MS-assoziierten Uveitis variiert in der Litera- einer verminderten Signalübertragung in der Skelettmuskulatur tur, wobei die höchste bekannte Vorhersage bei 36% liegt [62]. führt. Infolgedessen sind Patienten mit Myasthenia gravis anfäl- Wenn sie übersehen wird, kann eine MS-assoziierte Uveitis zu lig für die Entwicklung von Schilddrüsenerkrankungen, was das Katarakten, Glaukomen, zystoiden Makulaödemen oder Netz- Risiko einer Schilddrüsen-Augenerkrankung weiter erhöht [71]. hautablösungen führen. Die Prävalenz der Myasthenia gravis nimmt zu, wobei die welt- weite Prävalenz derzeit auf 20 Personen pro 100 000 Einwohner Guillain-Barré-Syndrom geschätzt wird [72]. In einer Studie wurde festgestellt, dass bei Mit einer geschätzten Inzidenz von 1 von 100 000 [63] verursacht 82% der untersuchten Patienten eine Augenschwäche das erste das Guillain-Barré-Syndrom Demyelinisierung und axonale De- Symptom war [73]. generation, typischerweise nach einer vorangegangenen Infekti- Diplopie und asymmetrische extraokulare Beteiligung [74, 75] on des Magen-Darm-Trakts oder der Atemwege. Trotz verschie- sind häufige erste Symptome der Myasthenia gravis, die auf eine dener Subtypen liegen dem Guillain-Barré-Syndrom eine Ver- Beteiligung der Augenmuskeln hinweisen, die als okuläre Myas- schlechterung der Nervenleitung sowie eine Schwäche der thenia gravis (OMG) bezeichnet wird. Derzeit tritt OMG bei Gliedmaßen und der Gesichtsmuskulatur zugrunde. Die Symp- 10–40% der Patienten mit Myasthenia gravis auf [76]. Bei diesen tome schreiten schnell voran und erreichen oft innerhalb weniger Patienten kommt es zu Diplopie, Ptosis, pupillenaussparender Wochen den Höhepunkt der Krankheit. Ophthalmoplegie, internukleärer Ophthalmoplegie und Schild- Akkommodationsinsuffizienz und Ptosis können, auch wenn drüsen-Augenkrankheit. Ophthalmoparese kann bei allen extra- keine Ophthalmoplegie vorliegt, auf ein zugrunde liegendes Guil- okularen Muskeln auftreten und zu einer stark eingeschränkten lain-Barré-Syndrom hinweisen [64]. Die Papillophlebitis wurde Bewegung des Augapfels führen. In einer Kohortenstudie von auch als erste Manifestation der Krankheit dokumentiert, die zu Tang et al. wiesen knapp 70% eine Diplopie und 25% eine Ptosis schwerwiegenden Komplikationen wie Blutungen des Sehnervs, bei der ersten Untersuchung auf. Bei allen 40 Patienten war der Makulaödemen und Watteflecken führen kann [65]. seitliche Rektusmuskel betroffen, was zu einer Einschränkung Bis zu 50% der Patienten haben eine Form der Hirnnervenbetei- der Augenbewegung führte [73]. ligung [64], und Ophthalmoparese ist eine häufige okuläre Mani- Bei 21% der OMG-Patienten wurde ein trockenes Auge festgestellt festation des Guillain-Barré-Syndroms. Lähmungen von Hirn- [77], das auf Lagophthalmus und Orbicularis-Schwäche zurück- nerven, in der Regel des dritten, sechsten und zwölften Hirn- zuführen ist, und auch Blepharitis tritt auf [74]. Obwohl OMG bei nervs, können zu Symptomen wie Esotropie, Augenschmerzen, Myasthenia gravis häufiger vorkommt, bestätigen seltene Fallbe- Augenmuskelparese, Empfindlichkeit der Hornhaut, Lagoph- richte Nystagmus und pseudo-intranukleäre Ophthalmoplegie thalmus, Ektropium, eingeschränkter Augenlidbewegung und [78]. Bei diesen Patienten ist die Adduktion eingeschränkt. trockenem Auge führen [66]. Bei einigen Guillain-Barré-Patien- ten kann ein Papillenödem aufgrund von erhöhter Hirnflüssig- Endokrine Autoimmunerkrankungen keit und Hirnödemen auftreten [67]. Bei endokrinen Autoimmunerkrankungen werden hormonpro- Aufgrund der Ähnlichkeit der klinischen Symptome, wie z.B. Ano- duzierende Drüsen vom Immunsystem angegriffen, was zu einer malie der Augenlider und Pupillenfunktionsstörungen, kann das Unter- oder Überproduktion verschiedener Hormone führt, die Miller-Fisher-Syndrom (MFS) fälschlicherweise für eine okuläre zur Aufrechterhaltung der Homöostase benötigt werden. Myasthenia gravis gehalten werden [68], was eine angemessene Behandlung der okulären Manifestationen verzögert. Das MFS Diabetes mellitus Typ 1 macht 5% bis 10% der Guillain-Barré-Fälle aus und ist durch eine Bei Diabetes mellitus Typ 1 führt die Zerstörung der insulinpro- Diplopie gekennzeichnet, die beim Guillain-Barré-Syndrom in duzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse dazu, dass der der Regel fehlt und auf eine externe Ophthalmoplegie zurückzu- Blutzuckerspiegel nicht mehr kontrolliert werden kann, da Insu- führen ist [69]. MFS ist in Asien stärker verbreitet und macht al- lin die Aufnahme von Glukose in die Zellen signalisiert. Diabetes lein in Japan bis zu einem Viertel der Guillain-Barré-Fälle aus mellitus Typ 1 ist eine systemische Erkrankung, die zu schweren [70]. Zu den weiteren okulären Manifestationen des Guillain-Bar- Komplikationen führen kann. Daher ist die Früherkennung der ré-Syndroms gehören Blepharoptose, verschwommenes Sehen, Schlüssel zur Verhinderung von Organschäden, einschließlich 8 Kompass Ophthalmol 2022;8:2–16 DOI: 10.1159/000521961
des Auges. Im Gegensatz zu Typ-2-Diabetes wird Typ-1-Diabetes tersuchungen durchgeführt werden, auch bei Personen, die keine oft schon in jungen Jahren diagnostiziert. offensichtlichen Kataraktsymptome aufweisen. Es fehlen jedoch Im Jahr 2020 lag die weltweite Prävalenz von Typ-1-Diabetes bei eindeutige Informationen über das okuläre Screening bei Kin- 9,5%. Allein in Großbritannien stieg die Prävalenz von Diabetes dern mit Typ-1-Diabetes. jedoch zwischen 1980 und 2014 um 40%, wobei der Typ-1-Diabe- tes etwa 10% dieser Fälle ausmacht [79]. Morbus Basedow Bei Patienten mit Typ-1-Diabetes wurden eine diabetische Reti- Morbus Basedow (Graves’ disease) tritt auf, wenn die Immunzel- nopathie (DR), ein diabetisches Makulaödem (DME), Katarakte len die Homöostase der Schilddrüse angreifen und stören, was und ein Glaukom festgestellt, wobei die Diplopie im Frühstadium durch die Überproduktion von Schilddrüsenhormonen zu einer der Erkrankung häufiger auftritt [80]. Linsenveränderungen, die Hyperthyreose führt. Eine höhere Prävalenz von Morbus Base- natürlicherweise mit dem Alterungsprozess auftreten, sind bei dow tritt in entwickelten Ländern auf, in denen Jod leicht verfüg- Diabetikern deutlicher erkennbar, ebenso wie ein geringerer Ak- bar ist. Die Prävalenz von Morbus Basedow wird weltweit auf kommodationsreflex [81]. Gefäßschäden sind in der Prädiabetes- 2–3% geschätzt [93]. Morbus Basedow wurde auch mit anderen Phase möglicherweise nicht nachweisbar; daher kann sich eine Autoimmunerkrankungen wie Myasthenia gravis [94] in Verbin- Augenerkrankung entwickeln und fortschreiten, bevor sie über- dung gebracht, was das Risiko von okulären Manifestationen er- haupt erkannt wird, wenn kein regelmäßiges ophthalmologisches höht. Screening durchgeführt wird. Bei bis zu 50% der Patienten mit Morbus Basedow treten okuläre Ein frühzeitiges Screening auf DR ist für den Erhalt des Sehver- Manifestationen auf [95], einschließlich der Basedow-Ophthal- mögens von entscheidender Bedeutung, da ein frühzeitiges Ein- mologie (GO; Graves’ ophthalmology), die bei bis zu einem Drit- greifen nachweislich das Risiko der Entwicklung einer DR ver- tel der Patienten auftritt und Symptome wie Diplopie und Foto- ringert [82] und eine Verschlechterung der Sehschärfe verhin- phobie verursachen kann [96, 97]. Obwohl GO-Symptome inner- dern kann [83]. Da ein Drittel der Diabetespatienten über 40 halb von Monaten oder einigen Jahren nach der Erstdiagnose Jahre eine DR entwickelt [84], könnte ein frühzeitiges und regel- auftreten können [8], können sie oft schon vor der Diagnose des mäßiges ophthalmologisches Screening den Sehkraftverlust von Morbus Basedow auftreten, was wiederum das Auge als Indikator Millionen von Menschen verhindern. Hammes et al. fanden he- für die zugrunde liegende Krankheit hervorhebt [98]. Weitere raus, dass 27,4% einer Typ-1-Diabetes-mellitus-Kohorte eine häufige Symptome sind die Einziehung der Oberlider, trockene Retinopathie entwickelten, davon waren 8% schwere Fälle. Nach Augen und Ptosis. Es wurde auch eine positive Korrelation zwi- einer Nachbeobachtungszeit von 40 Jahren wurde bei 84,1% der schen erhöhtem Augeninnendruck (IOP) und Alter im Vergleich Patienten eine Retinopathie festgestellt, wobei 50,2% schwere zur Krankheitsschwere berichtet [97]. Darüber hinaus kommt es Fälle waren, was die potenziellen Auswirkungen von mangeln- bei 60% der Patienten mit Morbus Basedow ohne Ptosis zu einem dem Bewusstsein, fehlendem Screening und nicht rechtzeitiger erhöhten IOP beim Blick nach oben aufgrund eines vergrößerten Behandlung auf die Patienten verdeutlicht [85]. In ähnlicher unteren Rektus [8]. Weise stellten Srinivasan et al. fest, dass sich bei 43% der unter- Ein Sehverlust bei GO ist selten, sollte aber nicht unterschätzt suchten Kohorte die DR bei der Nachbeobachtung verschlim- werden. Schwere Komplikationen wie dysthyreote Optikusneu- merte [86]. ropathie treten bei bis zu 5% der GO-Patienten auf [99]. Zhang et Während die verminderte Sehschärfe stark mit dem Grad des Ka- al. dokumentierten den ersten bekannten Fall eines Basedow-Pa- pillarverlustes bei Patienten mit DR zusammenhängt, können tienten mit schwerer Chemose und Bindehautprolaps. In der Re- diese Veränderungen asymptomatisch sein. Dies wird durch die gel ist ein chirurgischer Eingriff erforderlich, um den Druck zu Ergebnisse von Duet et al. [87] unterstützt: Von Patienten, die sich mindern, der von den vergrößerten Augenmuskeln ausgeübt einer OCT-A- und OCT-Bildgebung (OCT = optische Kohärenz- wird, die den Sehnerv zusammendrücken. In diesem Fall stellte tomografie) unterzogen, wiesen etwa 30% eine Verringerung der die orbitale Strahlentherapie eine sichere und wirksame Behand- Gefäßdichte im tiefen Kapillarplexus auf, obwohl sie keine Symp lungsoption dar, da der Patient nicht für eine Operation infrage tome einer DR zeigten [87]. Dies zeigt, wie wichtig ein frühzeitiges kam [100]. Screening für alle Patienten ist. Bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 ist die Wahrscheinlich- Hashimoto-Thyreoiditis keit, ein Glaukom und einen grauen Star zu entwickeln, doppelt Die Hashimoto-Thyreoiditis tritt aufgrund eines Angriffs von Im- so hoch wie bei gesunden Personen [80], wobei die Inzidenzrate munzellen auf die Schilddrüse auf und ist die Hauptursache für in der afroamerikanischen Bevölkerung höher ist [88]. Darüber eine Hypothyreose in den Industrieländern [101]. Sie wird mit hinaus haben Frauen ein höheres Risiko für Katarakte im Zusam- anderen Autoimmunkrankheiten wie rheumatoider Arthritis menhang mit Typ-1-Diabetes [89, 90]. Auch bei 0,7–3,5% der pä- und Typ-1-Diabetes in Verbindung gebracht [102]. Es gibt Hin- diatrischen Typ-1-Diabetiker [91] wird über das Auftreten von weise darauf, dass Augenprobleme in erheblichem Maße mit der Katarakten berichtet, häufig innerhalb der ersten 6 Monate nach Hashimoto-Thyreoiditis in Verbindung stehen; es sind jedoch der Diagnose [92], die zum Verlust des Sehvermögens führen kön- noch viele groß angelegte Studien erforderlich, um diese ersten nen. Aus diesem Grund sollten regelmäßige augenärztliche Un- Ergebnisse verallgemeinern zu können. Kompass Ophthalmol 2022;8:2–16 9 DOI: 10.1159/000521961
Obwohl die Schilddrüsen-assoziierte Ophthalmopathie (TAO) Dermatologische Autoimmunerkrankungen häufiger bei Morbus Basedow auftritt, wurde auch berichtet, dass Dermatologische Autoimmunerkrankungen führen in der Regel sie bei 6% der Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis auftritt. Al- zu gereizten oder blasigen Hautstellen am ganzen Körper, die für ter, Krankheit und Raucherstatus gelten als TAO-Risikofaktoren den Patienten unangenehm sind. Erkrankungen wie die systemi- [103]. Da die TAO häufiger bei Morbus Basedow auftritt, wurde sche Sklerose betreffen vor allem die Haut. Häufig sind jedoch ihre Assoziation mit der Hashimoto-Thyreoiditis in der wissen- auch andere Organe von der Krankheit betroffen, darunter auch schaftlichen Forschung bisher vernachlässigt, und es gibt nur we- das Auge. nige Berichte in der Literatur. In mehreren Fallstudien wird über eine schwere TAO berichtet [104, 105], die mit einer Vergrößerung Psoriasis der Augenmuskeln zusammenhängt. Obwohl selten, kann TAO Bei der Psoriasis kommt es zu einem beschleunigten Wachstum auch bei euthyreoten Patienten auftreten, was darauf hinweist, der Hautzellen, was zu roten, schuppigen Läsionen am ganzen dass man sich beim Screening von Patienten nicht zu sehr zurück- Körper führt. Derzeit leben bis zu 3% der Weltbevölkerung mit halten sollte, da diese schweren Fälle zu einer Kompression des Psoriasis [111]. In Norwegen wurden Prävalenzschätzungen von Sehnervs und damit zu einer Sehbehinderung führen können. bis zu 11,4% gemeldet, und die Prävalenz nimmt zu [112]. Bei Hashimoto-Patienten wurden auch Unterschiede oder Ano- Die Prävalenz der okulären Manifestationen ist umstritten, aber malien der Hornhaut festgestellt. Kirgiz et al. beobachteten in ei- bis zu 70% der Patienten weisen eine okuläre Assoziation auf ner Kohorte mit Hashimoto-Thyreoiditis eine signifikant redu- [113]. Eine positive Korrelation zwischen dem Schweregrad der zierte Hornhauthysterese und einen erhöhten kornealen kompen- Exazerbationen der Haut und den okulären Manifestationen sierten IOD im Vergleich zur Kontrollgruppe. Die Verringerung wurde ebenfalls festgestellt [113]. Chowdhury et al. fanden heraus, der Hornhauthysterese erzeugt Druck auf den Sehnerv, was zu dass fast die Hälfte der gescreenten Patienten mit okulären Ma- Komplikationen wie dem Glaukom führt [106]. nifestationen unauffällige Symptome haben oder asymptoma- In Fallstudien wird auch über das seltene Auftreten von schwerer, tisch sind [114], was darauf hindeutet, dass Patienten unabhängig langfristiger Diplopie und Sehverlust bei Hashimoto-Patienten von Risikofaktoren oder bei Asymptomatik regelmäßig augen- berichtet [107]. Bei einem Patienten, bei dem zuvor fälschlicher- ärztlich untersucht werden sollten, um eine frühzeitige Behand- weise eine doppelte elevatorische Lähmung diagnostiziert wor- lung zu ermöglichen. Am Auge kann die Psoriasis das Augenlid, den war, trat im Laufe eines Jahres eine schwere Diplopie auf. Erst die Bindehaut und die Hornhaut betreffen [111]. als ein positives Ergebnis eines Zwangstests, Bluttests und Ultra- Eine chronische Konjunktivitis betrifft etwa 64,5% der Patienten schalluntersuchungen auf eine Schilddrüsenunterfunktion hin- [111, 115, 116]. In der Bindehaut können Bindehautläsionen, Xe- deuteten, wurde Hashimoto-Thyreoiditis diagnostiziert. Die Di- rose, Symblepharon und Trichiasis auftreten. Chronische Blepha- plopie wurde durch orales Prednisolon nicht behoben. Dieser Be- ritis ist ebenfalls häufig und führt zu Ektropium, Trichiasis, Ma- richt zeigt, wie wichtig ein regelmäßiges Screening bei Patienten darose, Verlust von Gewebe am Augenlid und Sehstörungen [117], mit typischen TAO-Symptomen und atypischen Symptomen ist. am häufigsten bei jüngeren Patienten [118]. Erbagci et al. fanden Es stellt sich unweigerlich die Frage: Hätte ein rechtzeitigeres und bei 67,74% der Plaque-Psoriasis-Patienten mindestens eine Ano- gründlicheres Screening Fehldiagnosen vermieden und zu erfolg- malie des vorderen Abschnitts. Die chronische Blepharokonjunk- reicheren Behandlungsergebnissen geführt? tivitis war bei 64,5% der Patienten die wichtigste Augenerkran- Eine Keratokonjunktivitis sicca trat bei bis zu 85% der TAO-Pati- kung. Es wurde auch über Hornhauttrübungen, Katarakte und enten auf [108, 109], wobei zu den Risikofaktoren eine Proptose Pigmentstörungen der Hornhaut berichtet [119]. und ein erniedrigter Spiegel an freiem Thyroxin gehören, doch Eine trockenes Auge tritt Berichten zufolge bei 18,75% der Pati- gibt es nur wenige Literaturberichte über diese Manifestation. enten mit Psoriasis auf [111], wobei dieser Wert je nach Studie Obwohl sie bei euthyreoten Patienten in milderer Form auftritt, variiert. Im Allgemeinen ist eine Beteiligung der Hornhaut selten; gibt es keine Korrelation zwischen der Keratokonjunktivitis sicca in einem Bericht wurde jedoch über ein peripheres Schmelzsyn- und dem Schweregrad der Hashimoto-Thyreoiditis [109]. Insge- drom der Hornhaut (PCMS) bei einem Patienten berichtet. In die- samt weisen Hashimoto-Patienten im Vergleich zu gesunden sem Fall trat ein schweres Hornhautgeschwür auf, bei dem 90% Kontrollgruppen eine deutlich höhere Prävalenz des trockenen der Hornhautdicke betroffen waren. Trotz des möglichen Seh- Auges auf, einschließlich einer wesentlich geringeren durch- kraftverlusts lassen sich die Augenprobleme mit einer aggressiven schnittlichen Tränenproduktion und Tränenstabilität. Zu den Behandlung beheben [120]. weiteren berichteten Manifestationen gehören Lidretraktion, Bei bis zu 20% der Patienten wurde eine Uveitis festgestellt [121], Weichteilödeme, Proptosis und extraokuläre Beteiligung [110]. In wobei es sich in der Regel um eine pustulöse Form handelt. Es dieser Studie wurden eine Keratokonjunktivitis sicca, eine deut- wurden Zusammenhänge zwischen Psoriasis und DR festgestellt lich geringere Tränenproduktion und Tränenstabilität, eine [122]. Darüber hinaus berichteten Ajitsaria et al. über den ersten Funktionsstörung der Meibom-Drüsen, eine Proptose und eine bekannten Fall einer rezidivierenden orbitalen Myositis in Ver- verringerte Becherzelldichte festgestellt. Der durchschnittliche bindung mit juveniler Psoriasis, die zu einer dauerhaften Sehbe- Flächenverlust der Meibom-Drüsen lag bei 25%, bei einem Pati- hinderung führte [123]. enten sogar bei 50%. 10 Kompass Ophthalmol 2022;8:2–16 DOI: 10.1159/000521961
Systemische Sklerose richtet [135]. Die lineare Sklerodermie ist bei Kindern häufiger zu Die systemische Sklerose oder Sklerodermie betrifft weltweit bis zu beobachten [137], wobei okuläre Manifestationen beim ESC-Sub- 2,5 Millionen Menschen [124] und tritt entweder als lokalisierte typ bei pädiatrischen Patienten häufiger vorkommen [138]. Die Form auf, bei der nur die Haut betroffen ist, oder als systemische lineare ECS wurde auch mit retinalen Teleangiektasien und exsu- Form, bei der mehrere Organe betroffen sind. Bei systemischer dativen Netzhautablösungen [137] sowie Uveitis [138] in Verbin- Sklerose führt die beschleunigte Kollagenproduktion zu einer dung gebracht. harten, dicken Haut sowie zu Schwellungen und Gelenkschmer- zen. Darüber hinaus wird Sklerodermie auch mit anderen Au- Dermatomyositis toimmunkrankheiten wie rheumatoider Arthritis und dem Sjög- Dermatomyositis ist die häufigste Form der idiopathischen ent- ren-Syndrom in Verbindung gebracht [125]. Allein in Großbritan- zündlichen Myopathie, die darauf zurückzuführen ist, dass das nien leben fast 20 000 Menschen mit systemischer Sklerose, und Immunsystem die Muskelgefäße und das Bindegewebe des Kör- bis zum Jahr 2038 wird ein Anstieg der Prävalenz um 26% prog- pers angreift. Zu den charakteristischen Symptomen gehören nostiziert [126]. rote, schuppige Hautflecken und Gottron-Papeln. Außerdem Bei systemischer Sklerose treten zahlreiche Manifestationen des können ein heliotroper Ausschlag am oberen Augenlid und Öde- Auges mit unterschiedlichem Schweregrad auf, darunter retinale me um die Augen auftreten. Von Dermatomyositis sind schät- Anomalien, Katarakte, Blepharitis, Teleangiektasien, sklerale zungsweise 9,6 pro 1 Million Menschen betroffen, wobei das Ri- Grübchen und Keratokonus [127, 128]. In einer Studie war der siko für Frauen [139] und Afroamerikaner [140] am größten ist. häufigste Befund das trockene Auge (64,71%), gefolgt von Haut- Am häufigsten sind Erwachsene zwischen 40 und 60 Jahren und veränderungen der Augenlider (56,86%) und retinalen Anomali- Kinder zwischen 5 und 15 Jahren betroffen, wobei Kinder im All- en (50,98%). Die Patienten haben oft eine reduzierte Gefäßversor- gemeinen eine akutere Erkrankung erleiden [141]. gung, was zu einer möglichen Aderhautatrophie führt [129]. In Die okulären Manifestationen der Dermatomyositis sind zahl- einer kleinen Studie von Grennan et al. traten bei diesen Patienten reich und umfassen heliotropen Ausschlag, Ödeme um die Au- zwar nicht häufig trockene Augen und retinale Anomalien auf, gen, Ptosis, Diplopie, verschiedene Schielerkrankungen, Binde- aber 50% der Patienten wiesen Anomalien der Aderhaut auf, bei hautödeme, Nystagmus, Iritis, Watteflecken, Optikusatrophie, denen es sich um Bereiche ohne Perfusion handelte [130]. Ein Pa- Pseudopolyposis der Bindehaut, Linsenanomalien, Episkleritis tient mit Keratokonus wies eine verringerte Hornhautdicke, eine und Uveitis mit Glaukom [142]. Es wurde auch über internukleä- schwere Keratokonjunktivitis sicca und eine verringerte Tränen- re Ophthalmoplegie berichtet [143]. Außerdem wurde über irre- stabilität zusätzlich zur Hornhautverkrümmung auf [131]. Iris- versible Sehstörungen infolge okulärer Manifestationen der Der- Transillumination tritt auf, wenn die Sklerodermie die Pigmente matomyositis berichtet [144, 145]. Die systemische Verabreichung der Iris beeinträchtigt [132]. Bei Sklerodermie-Patienten wurde von Methylprednisolon und Cyclophosphamid konnte den durch festgestellt, dass die subfovealen Aderhautschichten dünner sind. eine Schädigung der Makula und des Sehnervenkopfes verur- Über die Hälfte der Patienten mit systemischer Sklerose leidet an sachten Sehverlust bei einer Patientin nicht beheben. Auch hier trockenen Augen [133]. Horan fand heraus, dass, obwohl nur ein stellt sich die Frage nach einem früheren Eingreifen und der Mög- Drittel ihrer Kohorte unter trockenen Augen litt, fast die Hälfte lichkeit, eine dauerhafte Sehbehinderung zu vermeiden [144]. über eine verringerte Tränensekretion berichtete, was auf eine Seltene Fälle von akutem retinalem Zentralarterienverschluss mögliche Entwicklung zu einer Keratokonjunktivitis sicca hin- (ZAV) im Zusammenhang mit Dermatomyositis sind in der Lite- deutet [134]. Eine Fibrose der Tränendrüse, eine chronische Ble- ratur beschrieben worden [146]; sie äußern sich durch Symptome pharitis und eine Funktionsstörung der Meibom-Drüsen können wie Papillenödeme und peripapilläre Blutungen, die umfangrei- zu einem trockenen Auge führen. In früheren Berichten wurde che Netzhautschäden verursachen. In diesem Fall wurde eine Is- festgestellt, dass bei bis zu 65% der untersuchten Sklerodermie- chämie des Sehnervs für die ZAV-Präsentation verantwortlich Patienten eine Lidsteifigkeit auftritt [125], die auf eine Fibrose der gemacht. Ein Sehverlust bei ZAV ist zwar selten, kommt aber vor. Augenlider zurückzuführen ist. Diese Steifheit der Augenlider Darüber hinaus treten bei einem ZAV, der länger als 240 Minuten kann zu einem Lagophthalmus führen, der die Patienten anfällig andauert, erhebliche irreversible Schäden auf [147], was die Be- für Schäden oder Infektionen macht [132]. deutung des Bewusstseins für die Krankheit und einer rechtzei- Bei der begrenzten Form der Krankheit treten auch okuläre Ma- tigen Behandlung unterstreicht. nifestationen auf. ECS (Sklerodermie en coup de sabre) weist Die orbitale Myositis ist eine weitere seltene, aber schwere Mani- zahlreiche Augensymptome auf, darunter Ptosis, Uveitis, trocke- festation der Dermatomyositis. Der erste bekannte Bericht über nes Auge, Episkleritis, orbitale Myositis [135] und eine reduzierte dieses Vorkommnis stammt aus dem Jahr 2005, als ein männli- Größe des Augapfels und der Augenmuskeln [136]. Die meisten cher Patient Muskelschmerzen gefolgt von Augenlidödemen und bekannten Berichte über Augensymptome bei ECS traten bei 26% Augenschmerzen hatte, zusammen mit einer nicht diagnostizier- der Patienten auf. Es wurden Keratopathie, Netzhautablösung, ten Dermatomyositis. Die Magnetresonanztomografie zeigte eine eingeschränkte Augenbeweglichkeit, Diplopie, Katarakte und beidseitige Vergrößerung des lateralen und inferioren Rektus- Hornhautastigmatismus beobachtet [136]. Obwohl selten, wurde muskels, die erfolgreich mit einer Immunglobulintherapie be- eine Adie-Pupille als initialer Krankheitsindikator für ECS be- handelt wurde [148]. Kompass Ophthalmol 2022;8:2–16 11 DOI: 10.1159/000521961
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