CED und Krebserkrankungen - Onkologische Fragen - DCCV
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BEGLEITERKRANKUNGEN BEI CED Onkologische Fragen CED und Krebserkrankungen Dr. med. Klaus Kannengiesser, Prof. Dr. med. Torsten Kucharzik Die Mehrzahl der Patienten erkrankt an letztlich kein generell erhöhtes Risiko für Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa in eher Krebserkrankungen außerhalb des Darms. jungem Lebensalter, wenn sowohl Patient Bei näherer Betrachtung stellte sich aber für als auch der behandelnde Arzt eher wenig einzelne Krebserkrankungen je nach Art der Sorge um mögliche Krebserkrankungen CED ein leichtgradig erhöhtes Risiko dar. Im haben. Gleichwohl erkranken einige Pati- Falle eines Morbus Crohn wurde ein leicht enten auch erst in höherem Alter. Auch als gradig erhöhtes Risiko für die Entwicklung fol junger Patient mit einer solchen chroni- gender Tumorarten festgestellt: Magenkrebs, schen Erkrankung wird mit zunehmendem Harnblasenkrebs, Lungenkrebs, schwarzer Alter über die Jahre die Thematik der Krebs- und weißer Hautkrebs sowie eventuell für erkrankungen bedeutsamer. Ist das Risiko Lymphknotenkrebs. Bei Patienten mit Colitis einer Krebserkrankung durch die chronisch ulcerosa war die Entstehung für Krebserkran entzündliche Darmerkrankung erhöht? Gibt kungen der Gallenwege und für Leukämien es ein Risiko für Krebserkrankungen durch leichtgradig erhöht, dafür war das Risiko für die eingesetzten Medikamente? Was ist, das Auftreten von Lungenkrebs sogar leicht wenn schon im Vorfeld eine Krebserkran- gradig erniedrigt. In den letzten Jahren erga kung bestand und behandelt wurde? ben sich auch aus anderen Studien Hinweise auf eine geringe Erhöhung des Risikos einzel ner Krebsarten bei Morbus Crohn bzw. Colitis Im Folgenden sollen die wichtigsten Aspekte ulcerosa. Bei CED-Patienten mit der Diagnose erörtert werden. einer Krebserkrankung in der Vorgeschichte, ist das Risiko eines erneuten Auftretens die ser Erkrankung oder einer weiteren Krebs Allgemeines Krebsrisiko bei chronisch erkrankung deutlich erhöht gegenüber CED- entzündlichen Darmerkrankungen Patienten ohne Krebserkrankung. Dieses Risiko ist altersabhängig und betrifft über In verschiedenen Studien wurde die Frage wiegend Menschen, die älter als 50 Jahre sind. nach dem allgemeinen Krebsrisiko bei CED Unabhängig von möglichen Therapien der untersucht; eine zusammenfassende Analy Darmentzündung ist hier also eine erhöhte se dieser Studien ergab vor einigen Jahren Wachsamkeit geboten. 2 | Bauchredner | 1/2018
BEGLEITERKRANKUNGEN BEI CED Darmkrebsrisiko bei chronisch langjähriger Colitis ulcerosa als auch bei entzündlichen Darmerkrankungen Colitis ulcerosa und begleitender PSC ab der Diagnosestellung regelmäßige Koloskopien Colitis ulcerosa (und PSC) zur Vorsorge erfolgen sollten. Patienten, bei Das Darmkrebsrisiko ist bei Patienten mit denen dabei bösartige Schleimhautverände chronisch entzündlichen Darmerkran rungen im Frühstadium, sogenannte Dyspla kungen leicht erhöht, Studien gehen von sien, gefunden werden, haben das höchste einem 1.5- bis 2-fach erhöhten Risiko aus. Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, so dass Insbesondere bei der Colitis ulcerosa lässt besonders in diesem Falle die weitere Über sich ein Zusammenhang des Auftretens von wachungsstrategie kritisch mit der Alterna Dickdarmkrebs mit der Dauer der Erkran tive einer Operation diskutiert werden muss. kung und der Ausdehnung der Darment Überwachungsstrategien zur Darmkrebsvor zündung zeigen. Des weiteren ist das Darm sorge sollten bei jedem Patienten mit einer krebsrisko bei Colitis-Patienten mit einer Colitis ulcerosa ab dem 6. bis 8. Erkrankungs primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) jahr festgelegt werden. Die Empfehlungen besonders erhöht, weswegen sowohl bei für die Überwachungskoloskopien richten Tabelle 1: Untersuchungsintervall der Überwachungskoloskopie zur Darmkrebsvorsorge bei Colitis ulcerosa nach Risikostratifizierung (modifiziert nach der aktuellen ECCO-Diagnostik Leitlinie, Maaser/Sturm et al., JCC, 2018, im Druck). Anm.: Bei Patienten mit PSC ist eine jährliche Überwachungskoloskopie ab der Diagnosestellung der PSC empfohlen. Untersuchungsintervall ab dem 8. Erkrankungsjahr zur Überwachungskoloskopie nach Risiko stratifizierung bei Colitis ulcerosa (bei Erfüllung eines Kriteriums gilt das jeweils höchste Risiko) Jedes Jahr Alle zwei bis drei Jahre Alle vier Jahre (hohes Risiko) (intermediäres Risiko) (geringes Risiko) Ausgedehnte Kolitis Kolitis mit milder Es liegt keines der Kriterien mit hochgradiger Entzündung bis mäßiggradiger Kolitis für ein hohes oder intermediäres Risiko vor Erstgradiger Verwandter Erstgradiger Verwandter mit Kolonkarzinom < 50 Jahre mit Kolonkarzinom > 50 Jahre Intraepitheliale Neoplasie Viele Pseudopolypen in den letzten fünf Jahren Primär sklerosierende Cholangitis (PSC) Stenose 1/2018 | Bauchredner | 3
BEGLEITERKRANKUNGEN BEI CED sich dann nach dem individuellen Risiko, Azathioprin und 6-Mercaptopurin ein leicht welches sich aus dem Ausbreitungsmus gradig erhöhtes Risiko für die Entstehung ter der Colitis, der Schwere der Erkrankung von Lymphknotenkrebs unter der laufenden sowie aus den Begleiterkrankungen ergibt. Therapie zu bestehen, während dies nach Eine Überwachungs-Darmspiegelung sollte Beendigung der Therapie nicht mehr mess optimalerw eise mit einer so genannten bar ist. Das absolute Risiko an Lymphknoten Chromoendoskopie oder mittels Darmspie krebs zu erkranken, ist jedoch auch unter gelung mit besonderen hochauflösenden einer Therapie mit Thiopurinen nach wie vor Endoskopen durchgeführt werden. als sehr gering einzustufen. Morbus Crohn anti-TNF Bei Patienten mit Morbus Crohn ist das Risiko Für die anti-TNF-Substanzen scheint einer für Dickdarmkrebs geringfügiger erhöht als mittlerweile recht großen Anzahl von Studien bei der Colitis ulcerosa. Lediglich Patienten mit nach kein generell erhöhtes Krebsrisiko ins einem Morbus Crohn mit ausschließlichem gesamt messbar zu sein. In einigen Studien und ausgedehntem Befall des Dickdarms ließ sich ein vermehrtes Auftreten von Krebs haben ein ähnlich hohes Darmkrebsrisiko erkrankungen wie Lymphknotenkrebs mes wie Patienten mit Colitis ulcerosa. Außerdem sen, allerdings waren dabei viele Patienten ist bei Patienten mit Morbus Crohn die Rate nicht nur mit anti-TNF-Substanzen, sondern an dem allerdings insgesamt seltenen Dünn auch mit Medikamenten wie Azathioprin oder darmkrebs erhöht. In den letzten Jahrzehnten 6-Mercaptopurin zusätzlich behandelt, so hat sich das Darmkrebsrisiko bei Patienten dass die Risikoabschätzung für die einzelnen mit CED nicht relevant reduziert, allerdings Substanzen erschwert wird. ist durch Vorsorgemaßnahmen die Wahr scheinlichkeit, an dieser Krebserkrankung zu Andere versterben, etwas gesunken. Zu den seltener bei chronisch entzünd lichen Darmerkrankungen eingesetzten Medikamenten wie Cyclosporin, Tacrolimus oder Methotrexat (MTX) liegen für diese Risiko einer Krebserkrankung Patienten keine größeren Untersuchungen unter der Behandlung von zum Krebsrisiko vor. Bezüglich MTX ist von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa anderen Erkrankungen kein erhöhtes Krebs risiko bekannt, während eine längerfristige Thiopurine Behandlung mit Cyclosporin oder Tacroli Bei einigen Medikamenten, die zur Behand mus das Risiko für verschiedene Tumoren mit lung schwerer Formen von chronisch zunehmender Therapiedauer erhöhen kann. entzündlichen Darmerkrankungen einge Da letztere Medikamente aber in aller Regel setzt werden, gibt es Hinweise auf eine Risiko nur sehr kurz und in speziellen Situationen erhöhung für die Entstehung von Krebs eingesetzt werden, ist dieses Risiko von eher erkrankungen. So scheint für die Thiopurine untergeordneter Bedeutung. 4 | Bauchredner | 1/2018
BEGLEITERKRANKUNGEN BEI CED Schutz durch EBV-Infektion? Hautkrebs In speziellen Untersuchungen zu Lymphkno Ein weiteres wichtiges Thema bei Patienten tenkrebserkrankungen unter der Behandlung mit chronisch entzündlichen Darmerkran mit Azathioprin oder 6-Mercaptopurin hat sich kungen insgesamt und unter Therapie mit in den letzten Jahren gezeigt, dass statistisch Thiopurinen besonders ist ein erhöhtes Risiko betrachtet besonders Patienten, die bisher für Hautkrebs. Wie erwähnt ist das Risiko für keine Mononukleose, also eine Infektion mit schwarzen und weißen Hautkrebs durch die dem Ebstein-Barr-Virus (EBV), durchgemacht Erkrankung bereits leichtgradig erhöht. Eine haben, eine etwas erhöhte Anfälligkeit für Therapie mit Thiopurinen scheint eine weitere Lymphknotenkrebs unter der Therapie haben. Verdopplung des Risikos für weißen Haut Oftmals verläuft diese EBV-Infektion eher mild, krebs, eine Behandlung mit anti-TNF-Medika so dass vielen Patienten die durchgemachte menten eine leichte Zunahme des Risikos für Erkrankung nicht bewusst ist, im Blut lässt sich schwarzen Hautkrebs zu bedingen, so dass aber die durchgemachte Infektion nachweisen. auf einen ausreichenden Sonnenschutz inkl. Besonders bei jungen männlichen Patienten, Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor die noch keine EBV-Infektion hatten, ist man geachtet werden sollte. Unter der Behand wegen des Risikos einer Lymphknotenkrebs lung mit anti-TNF oder mit Azathioprin oder erkrankung zunehmend zurückhaltender 6-Mercaptopurin wird zudem eine jährliche beim Einsatz von Azathioprin oder 6-Mercap hautärztliche Krebsvorsorgeuntersuchung topurin, da hierbei für diese Patientengruppe empfohlen. das höchste Risiko besteht. Auch bei Patienten, die schon eine EBV-Infektion durchgemacht Gebärmutterhalskrebs haben, ist das Risiko für Lymphknotenkrebs Die weit verbreitete Infektion mit dem Human etwas erhöht, möglicherweise auch im Rah Papilloma Virus (HPV) ist mit der Möglichkeit men einer Reaktivierung einer älteren EBV- einer Entstehung von Gebärmutterhalskrebs Infektion. verbunden; bei Patientinnen mit CED unter immunsuppressiver Behandlung ist eine Alter leichte Risikoerhöhung hierfür messbar. Vor Neben der genannten Risikogruppe junger sorgemaßnahmen umfassen die HPV-Imp Männer ohne EBV-Infekt erhöht sich das fung sowie regelmäßige PAP-Abstriche durch Risiko für Lymphknotenkrebs mit zunehmen die behandelnden Gynäkologen. dem Lebensalter, und steigt bei Patienten über 50 langsam an. Allerdings treten auch ohne chronische Darmentzündungen diese Risiko des erneuten Auftretens Erkrankungen im höheren Lebensalter häufi einer zuvor behandelten Krebs ger auf. Mit dem Absetzten der Medikamente erkrankung unter der CED-Therapie normalisiert sich das Risiko für Lymphknoten krebs, es gibt also kein bleibendes Krebsrisiko Bei Patienten, bei denen im Vorfeld eine durch die Medikamente über das Therapie Krebserkrankung behandelt wurde, ist das ende hinaus. Risiko eines erneuten Auftretens dieser 1/2018 | Bauchredner | 5
BEGLEITERKRANKUNGEN BEI CED Krebsart oder einer neuen Krebserkrankung bis mindestens zum Ende der Krebstherapie erhöht. Die o.g. Ausführungen lassen anneh empfohlen, idealerweise auch für zwei Jahre men, dass eine immunsuppressive Behand darüber hinaus. lung dieses Risiko weiter erhöhen müsste. In Tabelle 2 sind Tumorerkrankungen auf Bisherige Studien konnten bei tendenziell geführt und Medikamente, die zumindest in erhöhtem Risiko hierfür bisher keine eindeu den ersten Jahren nach Tumordiagnose mög tigen Ergebnisse liefern. Mit der Diagnose lichst vermieden werden sollten bzw. Medika einer Krebserkrankung wird aktuell die Unter mente, die vermutlich ohne große Bedenken brechung der immunsuppressiven Therapie eingesetzt werden können. Als sicher in dieser Tabelle 2: Welche Immunsuppressiva und Biologika sollten bei welcher Tumorerkrankung vermieden werden? Tumorart Zu vermeiden Mit Vorsicht einzusetzen Kann vermutlich eingesetzt werden Lymphom Thiopurine Anti-TNF, Methotrexat, Steroide Leukämien und Thiopurine Anti-TNF Methotrexat, Myelodysplastische Steroide Syndrome Melanom Anti-TNF Thiopurine, Steroide Methotrexat Hautkrebs (ohne Melanome) Thiopurine Anti-TNF, Steroide Methotrexat Karzinom der Harnwege Thiopurine Anti-TNF Methotrexat, Steroide Andere Tumoren Thiopurine, Methotrexat, Anti-TNF Steroide Thiopurine: Azathioprin, 6-Mercaptopurin ECCO, Malignom-Leitlinie; Annese V et al. JCC 2015 6 | Bauchredner | 1/2018
BEGLEITERKRANKUNGEN BEI CED Hinsicht gelten Medikamente wie Mesalazin, Budesonid jeweils in Tablettenform oder als topische Therapie sowie Ernährungsthera pien. Auch eine Operation kann individuell unter gemeinsam mit den behandelnden Onkologen und Chirurgen erwogen werden, wenn hierdurch eine immunsuppressive Therapie umgangen werden kann. Insge samt handelt es sich bei den Empfehlungen in Tabelle 2 allerdings nur um eine Orientie rungshilfe. Die individuelle Entscheidung über den Umgang mit solchen schwierigen Situatio nen kann nur von Fall zu Fall getroffen werden. Prof. Dr. Torsten Kucharzik Zusammenfassung ist Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Gastroenterologie Patienten mit chronisch entzündlichen Darm am Klinikum Lüneburg erkrankungen haben kein allgemein erhöhtes Krebsrisiko, wenngleich für einzelne Krebs arten die Gefahr einer Erkrankung leichtgra dig erhöht sein kann. Insbesondere für das Risiko der Entstehung von Dickdarmkrebs bei Patienten mit Colitis ulcerosa oder Patienten mit Colitis Crohn gibt es mit der Überwach ungskoloskopie gute Vorsorgemaßnahmen. Einige Medikamente, die zur Behandlung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen eingesetzt werden, können in der Lage sein, für bestimmte Krebsarten das Erkrankungs risiko zu erhöhen. Die Gefahr, dass eine bös artige Erkrankung entsteht, bleibt absolut betrachtet dabei immer noch sehr gering. Im offenen Dialog zwischen Patienten und behandelnden Ärzten sollten diese Risiken, Dr. Klaus Kannengiesser aber auch mögliche Sorgen der Patienten ist leitender Oberarzt der Klinik besprochen werden, um eine angemessene für Allgemeine Innere Medizin Abwägung der Chancen und Risiken einer und Gastroenterologie Klinikum Lüneburg Therapie zu ermöglichen und wichtige Vor sorgemaßnahmen zu ergreifen. 1/2018 | Bauchredner | 7
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