Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main - JAHRESGESUNDHEITSBERICHT 2009 - Stadt Frankfurt
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Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main JAHRESGESUNDHEITSBERICHT 2009
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main JAHRESGESUNDHEITSBERICHT 2009
Impressum Herausgeber: Stadt Frankfurt am Main Amt für Gesundheit Breite Gasse 28 60313 Frankfurt am Main v.i.S.d.P.: Dr. Dr. Oswald Bellinger, Amt für Gesundheit der Stadt Frankfurt am Main Druck: Druckservice Grube, Hirzenhain – Glashütten Bildnachweis: Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main/Tanja Schäfer: Titelseite Bild 1 Amt für Gesundheit der Stadt Frankfurt am Main/Heike Märtens: Titelseite Bild 2 Fotografie Andreas Mann in Frankfurt am Main: Titelseite Bild 4 Erscheinungsdatum: September 2010 Copyright: © Stadt Frankfurt am Main, Amt für Gesundheit, 2010 Nachdruck ist mit Quellenangabe gestattet. ISBN 978-3-941782-11-2
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main 2009 3 Vorwort Die Abteilung Infektiologie des Amtes für Der Bericht soll den politisch Verantwort- Gesundheit in Frankfurt stellt im vorlie- lichen als Informationsgrundlage für ihre genden Bericht die infektionsepidemiolo- gesundheitspolitischen Entscheidungen gische Situation in Frankfurt für das Jahr dienen. 2009 dar und zeigt die Präventionsmaß- nahmen auf, die zur Verhütung der Wei- Darüber hinaus dient er der Abteilung terverbreitung von Infektionskrankheiten Infektiologie im Sinne des internen Qua- im Jahr 2009 durchgeführt wurden. Des litätsmanagements als Grundlage für die Weiteren gibt der Bericht Aufschluss weiteren Planungen, um den Service für über zukünftig geplante Präventions- die Bürger zu verbessern und sie weiter- maßnahmen. hin vor Infektionskrankheiten zu schüt- zen. Insbesondere wird auf die Influenzapan- demie als das entscheidende Ereignis Vorangestellt wird eine Zusammenfas- des Jahres eingegangen. Im Kampf ge- sung, die einen Überblick über die wich- gen das Neue Influenzavirus A/H1N1 hat tigsten infektionsepidemiologischen Er- sich der Öffentliche Gesundheitsdienst eignisse des Jahres 2009 vermittelt und als tragende Säule für das Management die wesentlichen Präventionsmaßnahmen infektiologischer Gefahrenlagen erneut aufzeigt. bewähren können, wie auch schon bei dem Lassa-Fall im Jahr 2006, bei der Danach werden die wichtigen Erreger SARS-Epidemie 2003 und der Bioterror- und Infektionskrankheiten in ihrer Be- Gefahr durch Milzbrandbriefe 2001. deutung für Frankfurt im Vergleich zu Durch angemessenes Agieren wurden die Hessen und der Bundesrepublik be- Auswirkungen durch die Neue Influenza schrieben sowie die durchgeführten Prä- („Schweinegrippe“) erfolgreich begrenzt. ventionsmaßnahmen und deren Ergeb- Die medizinische Versorgung konnte in nisse dargestellt. allen Bereichen voll aufrechterhalten und Auswirkungen auf das öffentliche Leben Am Ende sind in einem Glossar alle wich- verhindert werden. tigen Erreger alphabetisch aufgelistet und in Kurzform ihre Bedeutung für Des weiteren werden der interessierten Frankfurt erläutert. Öffentlichkeit Antworten auf Fragen zur lokalen infektionsepidemiologischen Si- Im Anhang wird ein detaillierter Über- tuation gegeben und über Infektions- blick über die Häufigkeit meldepflichtiger schutzmaßnahmen in Frankfurt infor- Infektionskrankheiten in Frankfurt in den miert. letzten Jahren gegeben; des weiteren sind die Leistungen der Abteilung Infek- tiologie im Jahr 2009 tabellarisch in Kurzform beschrieben.
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main 2009 4 Inhaltsverzeichnis A INFEKTIONSEPIDEMIOLOGISCHE SITUATION IN FRANKFURT AM MAIN: ZUSAMMENFASSUNG 6 1. Infektiologisch wichtige Ereignisse des Jahres 2009 6 2. Allgemeine infektionsepidemiologische Situation in Frankfurt am Main 2009 7 3. Konsequenzen für die Zukunft 8 B EPIDEMIOLOGIE UND PRÄVENTION VON INFEKTIONSKRANKHEITEN IN FRANKFURT AM MAIN 2009 9 1. Influenza 9 1.1 Influenzapandemie 2009/2010 9 1.2 Vogelgrippe 11 1.3 Literatur 12 2. Tuberkulose 13 2.1 Globale Situation 13 2.2 Tuberkuloseinzidenzen in Frankfurt 14 2.3 Risikofaktoren 15 2.4 Ansteckungsfähigkeit 15 2.5 Resistenzen 16 2.6 Behandlungsergebnisse 16 2.7 Aktive Fallfindung 17 2.8 Röntgen 17 2.9 Flughafen Frankfurt am Main 18 2.10 Fazit und Ausblick in der Tuberkulosefürsorge 18 2.11 Literatur 19 3. Sexuell übertragbare Erkrankungen 20 3.1. HIV/AIDS 20 3.1.1 Epidemiologische Daten 21 3.1.2 Präventionsmaßnahmen in Frankfurt am Main 22 3.1.3 Ausblick 24 3.2 Andere sexuell übertragbare Krankheiten 24 3.2.1 Epidemiologische Daten 24 3.2.2 Präventionsmaßnahmen 27 3.3 Literatur 28 4. Hepatitiden 30 4.1 Kurzbeschreibung der Hepatitiden 30 4.2 Epidemiologische Situation in Frankfurt: Die Lage vor Ort 30 4.3 Präventionsmaßnahmen in Frankfurt 33 4.4 Ausblick: Wie lassen sich die Erkrankungshäufigkeiten weiter senken? 35 4.5 Literatur 35 5. Gastroenteritiden 37 5.1 Gastroenteritiden: ein unterschätztes Problem? 37 5.2 Aktuelle Trends 37 5.3 Virale Gastroenteritiden 38 5.4 Bakterielle Gastroenteritiden 40
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main 2009 5 5.5 Parasiten als Gastroenteritiserreger 41 5.6 Prävention von Gastroenteritiden in Frankfurt am Main, Ausblick 41 5.7 Literatur 42 6. Seltene Infektionskrankheiten 43 6.1 Weitere gefährliche Infektionskrankheiten 43 6.2 Sehr seltene gefährliche Infektionskrankheiten 44 7. Infektionen in Kindergemeinschaftseinrichtungen 45 7.1 Häufige Infektionskrankheiten in Kindergemeinschaftseinrichtungen 45 7.2 Seltene Infektionskrankheiten in Kindergemeinschaftseinrichtungen 46 7.3 Präventionsmaßnahmen, Ausblick 46 8. Kompetenzzentrum für hochinfektiöse lebensbedrohliche Erkrankungen (HKLE) 48 C GLOSSAR 50 D ANHANG 59
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main 2009 6 A Infektionsepidemiologische Situation in Frankfurt am Main: Zusammenfassung 1. Infektiologisch wichti- Das medizinische Versorgungssystem in Frankfurt war zwar vorübergehend star- ge Ereignisse des Jahres ken Belastungen ausgesetzt, die Versor- 2009 gung der Frankfurter Bürger jedoch stets gewährleistet. Auch der Flugbetrieb Das herausragende Infektionsepidemio- konnte selbst in der anfänglichen Phase logische Ereignis des Jahres 2009 war der Personenkontrolle von Flugpassagie- die von Experten schon seit Jahren er- ren aus Mexiko („Entry Screening“) in wartete Influenzapandemie, hervorge- den ersten drei Wochen voll aufrecht rufen jedoch nicht durch eine Variante erhalten werden. Für Erkrankte und ihre des Vogelgrippevirus A/H5N1, sondern Kontaktpersonen ließen sich Isolierungs- durch das Neue Influenzavirus A/H1N1 und Quarantänemaßnahmen erfolgreich („Schweinegrippe“). durchführen. Sie stellte eine große Herausforderung Sofort mit der Verfügbarkeit von Impf- für den Öffentlichen Gesundheitsdienst stoff wurde unter der Regie des Amtes dar und war in Frankfurt die große Be- für Gesundheit mit der Impfung begon- währungsprobe für den 2007 von der nen. Von über 10 000 Impfungen in Stadtverordnetenversammlung beschlos- Frankfurt wurden mehr als 4 000 im Amt senen kommunalen Influenzapandemie- selbst durchgeführt. Mit 23,6 % konnten plan. deutlich mehr Mitarbeiter aus medizini- schen Berufen geimpft werden als im Der ungewöhnliche Beginn im Frühjahr bundesweiten Durchschnitt (16 %). und die hohe Ansteckungsfähigkeit der Neuen Influenza ließen keinen Zweifel an Insgesamt war die Stadt Frankfurt auf ihrem Pandemiecharakter. Die ersten diese Bedrohung durch die Influen- aus Mexiko gemeldeten Zahlen gaben zapandemie gut vorbereitet, auch wenn Anlass zu der Befürchtung, dass sich ca. durch die Milde der Erkrankung die im 30 % der Bevölkerung infizieren könnten kommunalen Pandemieplan getroffenen und allein für Frankfurt mit 5 000– Vorkehrungen nicht voll ausgereizt wer- 14 000 Toten zu rechnen wäre. den mussten. Die Maßnahmen am Frank- furter Flughafen konnten unter Beibehal- Erst nach und nach stellte sich der ins- tung des regulären Flugbetriebes durch- gesamt milde Verlauf der Pandemie her- geführt werden. aus. In ganz Deutschland wurden 226 000 Erkrankungen gemeldet. 263 Der Betrieb in Frankfurter Schulen und Personen, davon zu 80 % jüngere Men- Kitas war durch die Pandemie nicht we- schen und Kinder, starben an der Neuen sentlich beeinträchtigt. Das öffentliche Influenza. In Frankfurt wurden 2 214 Leben lief reibungslos ab. Somit hat der bestätigte Fälle gezählt; in den Kliniken kommunale Pandemieplan von 2007 die- der Stadt gab es fünf Todesfälle durch sem großen Belastungstest gut standge- die Krankheit, darunter waren auch zwei halten. Es ließen sich wertvolle Schluss- Frankfurter Bürger. folgerungen für die Vorgehensweise für zukünftige, schwerer verlaufende Pan- Damit verlief die Influenza in Frankfurt demien gewinnen. milder als in anderen Großstädten, wie Düsseldorf und München, und wesentlich günstiger als in Großbritannien oder Spanien. Allein in London erkrankten 120 000 Menschen und 85 starben an der „Schweinegrippe“.
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main 2009 7 2. Allgemeine infektions- probleme, prekäre soziale Verhältnisse oder eine zusätzliche Suchterkrankung epidemiologische Situati- eine Führung der Patienten während der on in Frankfurt am Main mindestens sechsmonatigen Behand- lungszeit. Trotzdem konnte in Frankfurt 2009 bei 77 % aller Tuberkuloseerkrankten die Behandlung nach der regulären Zeit von Rechnet man die Influenzaerkrankungen sechs Monaten erfolgreich abgeschlossen ab, so lagen die Meldezahlen im Jahr werden. Eine Zwangsabsonderung war 2009 mit 5 555 deutlich unter denen der 2009 nur in einem einzigen Falle not- Vorjahre (2008: 6 873; 2007: 6 915). wendig. Der überwiegende Anteil der Meldungen betraf erwartungsgemäß die Durchfaller- Im Gegensatz zur Tuberkulose nehmen krankungen. Mit 2 633 Meldungen wurde HIV-Neuinfektionen weiterhin zu. die gleiche Größenordnung erreicht wie Nach Angaben des Robert Koch- im Vorjahr (2 526). Allerdings trat der Institutes gab es in Frankfurt 2009 87 Gipfel der winterlichen Norovirusepi- Neuinfektionen (2008: 75; 2007: 78). demie erst verspätet im Januar/Februar Damit liegt Frankfurt unter den deut- 2010 auf. Die Saison 2009/2010 war schen Städten mit 13,1 Fällen/100 000 somit von einer kurzen, aber starken Einwohner an zweiter Stelle hinter der Erkrankungswelle durch Noroviren ge- Stadt Köln. Die Inzidenz ist mehr als 3- prägt. Erneut waren Gemeinschaftsein- mal so hoch wie in der Bundesrepublik richtungen wie Kindergärten und Schu- bzw. in Hessen. Mit 25 Fällen wurde fast len, Alteneinrichtungen und Krankenhäu- jede dritte HIV-Neuinfektion im Amt für ser besonders betroffen und wurden Gesundheit festgestellt. Hauptrisiko- durch das Amt für Gesundheit im Aus- gruppe sind nach wie vor Männer, die bruchmanagement entsprechend bera- Sex mit Männern haben (MSM). Daher ten. Der Trend der Vorjahre, dass bakte- sind verstärkte Anstrengungen gemein- rielle Durchfallerkrankungen durch Sal- sam mit AIDS-Aufklärung und AIDS-Hilfe monellen und Campylobacter zurückge- geplant, der Kondommüdigkeit in dieser hen und virusbedingte, oft ausbruchartig Gruppe entgegen zu wirken. Daneben auftretende Durchfallerkrankungen wei- spielt die Präventionsarbeit mit Jugendli- ter an Bedeutung zunehmen, setzte sich chen an Schulen, Häftlingen in Justizvoll- fort. zugsanstalten und Menschen mit hoher Promiskuität weiterhin eine wichtige Rol- Die Zahl der Tuberkuloseerkrankun- le. gen ging in Frankfurt erfreulich zurück. Mit 91 Neuerkrankungen wurde ein In einer ähnlichen Größenordnung liegen Tiefstwert erreicht, so dass die Inzidenz die Neuerkrankungen für Syphilis. Dem nur noch beim 2,5-fachen der bundes- Robert Koch-Institut wurden aus Frank- weiten Erkrankungsrate liegt. Dies furt 77 akute Neuinfektionen anonym spricht für den Erfolg und für die Fortfüh- gemeldet, dies entspricht einer Inzidenz rung der risikogruppenspezifischen Prä- von 11,6 Syphilisfällen/100 000 Einwoh- ventionsangebote in Frankfurt, um die ner, die damit um das 4-fache höher auch aus anderen Ballungszentren be- liegt als in Hessen bzw. im Bundesge- kannten hohen Fallzahlen in bestimmten biet. Jeder Zehnte dieser Syphilisfälle Bevölkerungsgruppen, wie sozial Be- wurde im Amt für Gesundheit diagnosti- nachteiligten, Migranten, Drogenabhän- ziert. gigen und HIV-Infizierten weiter nach- haltig zu senken. Auch wenn die Neuinfektionen an Hepa- titis B und Hepatitis C 2009 rückläufig Auffällig ist seit einigen Jahren, dass die waren und die Therapie- und Heilungs- Betreuung der Tuberkuloseerkrankten möglichkeiten für chronische Verläufe komplexer wird. Zwar spielen multiresis- beider Erkrankungen verbessert werden tente Keine mit 2 % in Frankfurt weiter- konnten, dürfen die Präventionsanstren- hin keine wesentliche Rolle, jedoch er- gungen nicht nachlassen. Dies betrifft schweren zunehmend Verständigungs- insbesondere die Aufforderung zur Imp-
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main 2009 8 fung gegen Hepatitis B bei Kindern und 3. Konsequenzen für die Angehörigen von Risikogruppen. Für die Hepatitis C gewinnen sexuelle Übertra- Zukunft gungsrisiken offenbar an Bedeutung. So hat in der Gruppe der Männer, die Sex Der kommunale Influenzapandemieplan mit Männern haben die Infektionsrate an hat sich in der Pandemie durch die Neue Hepatitis C deutlich zugenommen. Dies Influenza A/H1N1 („Schweinegrippe“) spiegelt sich auch in der Altersverteilung bewährt und wird mit Hilfe der dabei der Neuerkrankten, die eine zunehmen- gemachten Erfahrungen fortgeschrieben. de Verschiebung auf die 30- bis 60- Jährigen zeigt. Die Zusammenarbeit mit Gemeinschafts- einrichtungen zur Eindämmung von Meldungen von Infektionserkrankun- Norovirusausbrüchen wird fortgesetzt, gen in Kindergemeinschaftseinrich- ebenso wie Aufklärungsaktionen über tungen waren mit 1 733 weniger häufig besondere Hygienemaßnahmen zur Ver- als in den Vorjahren (2008: 2 621). Dies hinderung der Ausbreitung von Durch- wird allerdings ganz wesentlich bedingt fallerkrankungen. durch die Verschiebung der Norovirus- epidemiewelle in die ersten Monate des Die Zunahme der HIV-Infektionen und Folgejahres 2010. Daneben bereiten die zunehmende Bedeutung von Hepati- Läusebefall und Scharlachinfektionen den tis C, aber auch von Hepatitis B in der Kindergemeinschaftseinrichtungen wei- Gruppe der Männer, die Sex mit Männern terhin Probleme. Offenbar durch Einfüh- haben (MSM), geben Anlass zu verstärk- rung der Impfung im Säuglingsalter gin- ten Präventionsanstrengungen gemein- gen Windpocken erfreulicherweise zu- sam mit anderen Akteuren, um Safer rück. Sex-Praktiken stärker ins Bewusstsein zu rücken und gleichzeitig durch Hinweis Das Kompetenzzentrum für hochin- auf die Therapiemöglichkeiten das An- fektiöse und lebensbedrohliche Er- steckungsrisiko für Hepatitis B und C zu krankungen setzte auch 2009 seine senken. Weiterhin sind Wissenslücken beratende Funktion für hessische und bei Jugendlichen zu Hepatitiden und HIV rheinland-pfälzische Gesundheitsämter durch das Hep-mobil bzw. das Aids-mobil fort. In insgesamt 29 Beratungen konnte zu schließen und die Durchimpfungsrate in der überwiegenden Zahl der Fälle ein gegen Hepatitis B in dieser Gruppe zu virales hämorrhagisches Fieber rasch verbessern. ausgeschlossen werden, in zwei Fällen erfolgte die Beratung im Zusammenhang Zur gezielten Tuberkuloseprävention mit Erkrankungen an Lassa-Fieber bzw. wird die Teilnahme an einer vom Bun- Krim-Kongo Hämorrhagischem Fieber desministerium für Bildung und For- (CCHF). Als Vorbereitung auf den Ernst- schung geförderten Studie zur Identifi- fall wurden die Fortbildungen und Übun- zierung von Risikogruppen fortgesetzt gen, soweit die Influenzapandemie es und der eigene zielgruppenspezifische zuließ, fortgesetzt. Präventionsansatz weiter verfolgt.
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main 2009 9 B Epidemiologie und Prävention von Infektions- krankheiten in Frankfurt am Main 2009 land an der neuen Influenza. (Arbeits- 1. Influenza gemeinschaft Influenza, Wochenbericht 19/2010). Weltweit hat die Influen- 1.1 Influenzapandemie zapandemie in über 200 Ländern nach- weislich zu über 18 000 Todesfällen ge- 2009/2010 führt (www.who.int). Im Jahr 2009 trat die von Experten Pandemieverlauf in Frankfurt schon lange erwartete Influenzapande- Insgesamt wurden in Frankfurt 2 214 miesituation ein. Sie war die große Her- bestätigte Fälle von Influenzaerkrankung ausforderung für das öffentliche Gesund- registriert. 5 Personen sind an der neuen heitssystem im Jahr 2009, wenn die Influenza H1N1 (Schweinegrippe) ver- Pandemie auch rückblickend unerwartet storben, darunter 2 Frankfurter Bürger. milde verlief. Sie stellte die erste Bewäh- Unter den Erkrankten waren rungsprobe für den im Jahr 2007 erstell- 42 % Kinder unter 14 Jahren. Nur 3 % ten kommunalen Influenzapandemieplan der Patienten waren älter als 60 Jahre. dar. Es konnte verhindert werden, dass Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Pandemie zu einer Beeinträchtigung die wahre Zahl an Influenzaerkrankten des öffentlichen Lebens in Frankfurt um ein vielfaches höher lag. Viele Pati- führte und größeren Schaden anrichtete. enten mit mildem Verlauf haben sich Das medizinische Versorgungssystem selbst behandelt, viele Ärzte haben auf war zwar vorübergehend starken Belas- Grund der phasenweise schwierigen tungen ausgesetzt, die Versorgung der Möglichkeit einer gezielten Diagnostik Frankfurter Bürger war jedoch stets ge- auf diese verzichtet und in der Spätpha- währleistet. Unter großem personellem se wurden durch Veränderung der Mel- Aufwand konnte der reguläre Flugbetrieb dekriterien eine Reihe von Influenzapati- am Frankfurter Flughafen auch in der enten nicht mehr erfasst. Phase des Entry-Screenings im Mai 2009 aufrechterhalten werden. Die Impfaktion Die ersten importierten Fälle wurden in von Oktober bis Dezember 2009 mit Deutschland am 29.04. bekannt, aber Pandemie-Impfstoff verlief in Frankfurt schon am 01.05. wurde das Virus in reibungslos und es wäre problemlos Bayern erstmals nachweislich von möglich gewesen, deutlich mehr Perso- Mensch zu Mensch übertragen. Der erste nen mit der Impfung zu versorgen. bestätigte Erkrankungsfall trat in Frank- furt relativ spät am 05.06. auf. Im Ver- Pandemieverlauf weltweit lauf der Sommermonate Juli und August Rückblickend war der Verlauf der wurden, im Gegensatz zu anderen Kom- Schweinegrippe milder als anhand der munen in Deutschland, nur Einzelfälle Zahlen aus Mexiko zu erwarten war. Im registriert. Ein Sommergipfel, wie in Juli musste man noch davon ausgehen, Düsseldorf, hervorgerufen durch Reise- dass sich ca. 30 % der gesamten Bevöl- rückkehrer aus Mittelmeerländern, ließ kerung mit dem H1N1-Virus infizieren sich nur andeutungsweise feststellen. Die würden und Hochrechnungen gingen von Erkrankungen beschränkten sich, abge- einer Sterblichkeit von 5 000–14 000 sehen von wenigen Ausbrüchen, auf Ein- Personen allein für Frankfurt aus. zelfälle. Diese Befürchtungen bestätigten sich glücklicherweise nicht. Beim Robert Koch-Institut wurden für ganz Deutsch- land 226 000 bestätigte Erkrankungen notiert. 263 Personen, zum großen Teil jüngere Menschen, starben in Deutsch-
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main 2009 10 1400 80 74 70 1200 70 62 62 1000 60 55,7 Fallzahl 800 50 44 46,2 40 600 40 30 27 400 21,9 20 16 200 20,3 10,5 13,2 10 7,2 5,4 0 26 31 36 41 46 51 3 0 Kalenderwoche Kalenderwoche München Frankfurt Schichten/Woche Anrufe/Schicht Abb. 1.1: Influenza A/H1N1: Erkrankungs- Abb. 1.3: Influenza A/H1N1: Telefonische zahlen Frankfurt, München 2009 Bürgerberatung am Amt für Gesundheit, Frankfurt 2009 Im Vergleich zu München stieg die Zahl der Erkrankungen in Frankfurt erst ab Versorgung von Erkrankten Ende Oktober deutlich an und erreichte Mit zunehmender Erkenntnis über die Mitte November ihren Höhepunkt mit geringe Aggressivität des Virus wurden über 800 Meldungen pro Woche. Glückli- die getroffenen Maßnahmen zum Schutz cherweise war die Pandemiewelle bis vor Weiterverbreitung des Keimes in Mitte Dezember weitestgehend abge- Frankfurt stufenweise zurückgenommen. ebbt. Somit war der Verlauf in Frankfurt, So wurden die Entry- trotz der großen Eintrittspforte über den Screeningmaßnahmen am Flughafen internationalen Flughafen, günstiger als wegen mangelnder Effizienz nach 3 Wo- in anderen deutschen Metropolen. chen eingestellt und stattdessen auf die Aufklärung und Information aller Flug- 900 passagiere in mehreren Sprachen ge- 800 setzt. Durch den späten Beginn der In- 700 fluenzaerkrankungen in Frankfurt waren 600 nur wenige Personen von den anfangs strengen Isolierungs- und Quarantäne- Fallzahl 500 400 vorschriften betroffen, so dass eine 300 200 Überlastung der stationären Versor- 100 gungskapazitäten bis auf eine mehrtägi- 0 ge Bettenknappheit in der Universitäts- 44 45 46 47 48 49 50 51 kinderklinik weitestgehend vermieden Kalenderwoche werden konnte. Abb. 1.2: Influenza A/H1N1: Erkrankungs- 70 zahlen während der Pandemiewelle, Frank- 60 furt 2009 50 Anzahl 40 Unabhängig vom milden Verlauf der Er- 30 krankung war das Interesse der Bürger 20 an Informationen sehr groß. Trotz In- 10 formation der Presse über Pressemittei- 0 lungen und Pressekonferenzen sowie die 16.11. 23.11. 30.11. 07.12. 14.12. Nutzung des Internets zur Aufklärung Altersgruppe Krankheitsverdachtsfälle PCR-gesichert nicht beatmungspflichtig PCR-gesichert beatmungspflichtig und Information der Bürger machten viele vom Angebot der individuellen tele- Abb. 1.4: Influenza A/H1N1: Stationäre Ver- fonischen Beratung Gebrauch. Phasen- sorgung der Influenza Patienten in Frankfur- weise waren im Callcenter 10 Mitarbeiter ter Kliniken 2009 in zwei 4-Stunden-Schichten im Einsatz mit bis zu 18 Beratungsgesprächen in der Stunde. Während der Pandemiewelle wurden am Tag bis zu 70 Patienten in Frankfurter
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main 2009 11 Kliniken aufgrund der Influenza stationär Ausblick auf die nächste Influen- behandelt, davon bis zu 8 Patienten an zasaison der Beatmungsmaschine. Die unterste Derzeit spielt das Virus auf der Nord- Eskalationsstufe des im kommunalen halbkugel keine Rolle mehr, ist aber auf Pandemieplan beschriebenen Stufen- der Südhalbkugel weiter in Zirkulation plans war für die stationäre Versorgung und es ist zu erwarten, dass die neue allerdings noch ausreichend. Influenza H1N1 auch in den nächsten Jahren der vorherrschende Influenza- Impfkampagne in Frankfurt stamm sein wird. Aber dieser Stamm Unter Regie des Amtes für Gesundheit ändert sich kontinuierlich. Ob er im Laufe wurden vom 26.10.2009 bis zum der Zeit an Aggressivität gewinnen wird, 31.03.2010 10 375 Impfungen durchge- lässt sich derzeit nicht vorhersagen. Be- führt, darunter 4 377 Impfungen im Amt obachtungen auf der Südhalbkugel spre- für Gesundheit und 5 998 Impfungen chen weiterhin für einen eher milden über Betriebsärzte. Bis auf häufig be- Verlauf dieses Keims im Erkrankungsfall. klagte lokale Beschwerden an der Injek- Wachsamkeit ist jedoch weiterhin ange- tionsstelle, gelegentlich auftretendes raten, da sich eine Erhöhung der Aggres- Fieber und seltene vasovagale Reaktio- sivität nicht ausschließen lässt. Die WHO nen wurde als wesentliche Nebenwirkung hat diesen Stamm im nächsten saisona- nur eine Poliradikulitis aus Frankfurt an len Impfstoff berücksichtigt, so dass das Paul-Ehrlich-Institut gemeldet. auch für die bisher nicht Geimpften im Die Impfaktion hatte genau wie in ande- nächsten Herbst ein wirkungsvoller ren Kommunen und Ländern wahrschein- Impfstoff angeboten werden kann. Eine lich keinen nachweislichen Einfluss auf von diesem Influenzavirus ausgehende den Verlauf der Pandemie, da der Impf- Pandemie ist daher nicht zu befürchten. stoff, obwohl in außergewöhnlich kurzer Zeit hergestellt, Ende Oktober schon zu spät kam, um den Pandemieverlauf we- 1.2 Vogelgrippe sentlich zu beeinflussen. Darüber hinaus wurde das Impfangebot durch die kont- Die Vogelgrippe stellte im Jahr 2009 kei- rovers geführte öffentliche Diskussion ne Gefahr für Menschen in Europa dar. über die Sinnhaftigkeit der Impfung nicht In Deutschland wurde lediglich bei einem im gewünschten Ausmaß wahrgenom- einzigen Vogel in Bayern das Virus H5N1 men. nachgewiesen. Erkrankungen beim Men- schen traten in mehreren asiatischen Ländern sowie in Ägypten auf. Die Ge- 2500 2000 samtzahl der Erkrankten war deutlich niedriger als in den Vorjahren, die Sterb- Anzahl Impfungen lichkeitsraten sind allerdings weiterhin 1500 1000 sehr hoch. Wie sich die Vogelgrippe in Zukunft weiter entwickeln wird, lässt sich schwer voraussagen. Bisher hat das Vi- 500 0 rus seine Infektiosität gegenüber Men- 44 45 46 Kalenderwoche 47 48 49 schen nicht wesentlich verändert. Es Amt für Gesundheit Kliniken und Betriebe handelt sich daher weiterhin primär um einer Erkrankung von Vögeln, die, gera- Abb. 1.5: Influenza A/H1N1: Impfungen in de in Asien, jedoch weiterhin in sehr ho- Frankfurt 2009 her Anzahl daran sterben.
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main 2009 12 Abb. 1.6: Vogelgrippe: Fälle beim Menschen weltweit 2009 1.3 Literatur - Arbeitsgemeinschaft Influenza, Wochenbericht 19/2010 - www.who.int
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main 2009 13 verhältnisse, Armut, Suchterkrankungen 2. Tuberkulose und Migration stellen nicht nur Risikofak- toren für die Tuberkulose dar, sondern In Frankfurt am Main wurden im Jahr erschweren auch die Behandlung. Umso 2009 91 Neuerkrankungen an Tuberku- bemerkenswerter ist ein Anteil von 77 % lose gemeldet, 20 weniger als im Jahr erfolgreicher Behandlungen in Frankfurt. zuvor. Trotz des Rückgangs ist die Er- krankungsrate noch doppelt so hoch wie Mit dem Ziel, Umgebungsuntersuchun- im hessischen Durchschnitt und 2,5-mal gen künftig noch effektiver zu gestalten, so hoch wie im Bund. Betroffen waren beteiligt sich das Amt für Gesundheit überwiegend Migranten (70 %). Die Zahl weiterhin an einer vom Bundesministeri- der Resistenzen ist im Vergleich zu den um für Bildung und Forschung geförder- Vorjahren nur geringfügig von 9,6 % auf ten Studie zur Erforschung der geneti- 11,1 % gestiegen. Wie in den Vorjahren schen Resistenz gegen Tuberkulose. Sie wurden zwei Fälle so genannter Multire- soll auch Erkenntnisse über Infektions- sistenzen gemeldet. Schwierige Wohn- ketten in Frankfurt liefern. Abb. 2.1: Tuberkulose: Neuerkrankungsraten im Jahr 2008 weltweit Die multiresistente Tuberkulose, kurz 2.1 Globale Situation MDR genannt, ist definiert durch die gleichzeitige Resistenz des Tuberkulose- Wie in den Vorjahren ist die Tuberkulos- stamms gegen die beiden wirksamsten einzidenz im weltweiten Vergleich am Medikamente Isoniazid und Rifampicin. höchsten im tropischen und subtropi- Sie verlangt nicht nur eine längere und schen Afrika. Wegen ihrer großen Bevöl- kostenträchtigere Therapie, sondern be- kerungen tragen China und Indien zah- deutet für den Erkrankten auch eine ge- lenmäßig am stärksten zu den Neuer- ringere Heilungschance und ein erhöhtes krankungen bei. In Indien wurden im Risiko der Weiterverbreitung. Die WHO Jahr 2008 ca. 2 Millionen neue Tuberku- gibt für das Jahr 2008 die höchste jemals losefälle registriert, in China ca. registrierte Zahl von MDR-Fällen an, 1,3 Millionen. während die Daten für das Folgejahr noch nicht vorliegen. In einigen Regio-
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main 2009 14 nen der früheren Sowjetunion erreicht 30 der Anteil der MDR 22 %. 25 20 Inzidenz 2.2 Tuberkuloseinzidenzen in 15 Frankfurt 10 5 0 25 0-9 10-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 >69 Altersgruppe 20 männlich weiblich 15 Inzidenz Abb. 2.3: Tuberkulose: Inzidenz nach Alters- 10 gruppe und Geschlecht Frankfurt 2009 5 0 Der Anteil von Migranten unter den Tu- 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 berkuloseerkrankten liegt in Frankfurt Frankfurt Hessen Bund seit Jahren deutlich höher als im Bun- desdurchschnitt: im Jahr 2009 betrug er Abb. 2.2: Tuberkulose: Inzidenzen Frankfurt, 70 %. Damit zeichnet sich seit 2004 ein Hessen, Bund 2002-2009 Anstieg ab mit einem Gipfel von 82 % im Jahr 2008. Die aktuelle Vergleichszahl des Bundes aus dem Jahr 2007 beträgt In Frankfurt am Main wurden im Jahr 43 %. Anschaulicher in Bezug auf das 2009 91 Neuerkrankungen an Tuberku- hohe Erkrankungsrisiko von Migranten lose registriert, entsprechend einer Ab- ist Abb. 2.5, die sich allerdings nicht auf nahme um 18 % gegenüber dem Vorjahr die Herkunft, sondern auf die Staatsan- (111 Neuerkrankungen). Aufgrund der gehörigkeit bezieht. kleinen Zahlen auf lokaler Ebene sind Abweichungen in beide Richtungen, wie 90 in Abb. 2.2 veranschaulicht, in Frankfurt 80 nicht ungewöhnlich. In Deutschland ist 70 die Zahl der gemeldeten Neuerkrankun- 60 gen an Tuberkulose gegenüber dem Vor- Anteil in % 50 jahr um 2 % auf 4 395 gesunken, in 40 Hessen um 3 % auf 393. 30 20 Wie in den Vorjahren waren überwiegend 10 Männer (62 %) betroffen. Hier ist das 0 Erkrankungsrisiko in der Gruppe der 40– 2004 2005 2006 2007 2008 2009 bis 59-Jährigen am größten. Bei Frauen zeichnet sich ein Erkrankungsgipfel im Abb. 2.4: Tuberkulose: Anteil der im Ausland jungen Erwachsenenalter (20-29 Jahre) Geborenen unter den an Tuberkulose Er- ab. Bis zum Alter von 39 Jahren besteht krankten in Frankfurt 2004-2009 (in %) kein Unterschied in der Inzidenz zwi- schen Frauen und Männern. Erst danach Diese wird vom Amt für Statistik für die steigt die Erkrankungshäufigkeit der differenzierte Altersschichtung der Männer auf den doppelten Wert der der Frankfurter Bevölkerung zugrunde ge- Frauen. Das gleiche Phänomen wird vom legt. Die Graphik zeigt nicht nur eine um Robert Koch-Institut für die Bundeszah- den Faktor 5 höhere Inzidenz bei den len beschrieben. Möglicherweise spielt Frankfurter Bürgern mit ausländischem die Angleichung der Rauchgewohnheiten Pass, sondern auch die unterschiedliche zwischen den Geschlechtern in den jün- Verteilung in den beiden Gruppen. geren Jahrgängen eine entscheidende Rolle. Bekanntlich verdoppelt das Rau- Während bei der deutschen Bevölkerung chen das Tuberkuloseerkrankungsrisiko. mit zunehmendem Alter auch die Er- krankungshäufigkeit tendenziell zu-
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main 2009 15 nimmt, sind bei der ausländischen Be- wird, dass sie die Tuberkulose begünsti- völkerung die Altersgruppen der 20- bis gen. Daraus lassen sich Ansätze zur Prä- 29-Jährigen, der 40- bis 60-Jährigen vention und Früherkennung der Tuberku- sowie der über 69-Jährigen am stärksten lose in bestimmten Risikogruppen ablei- betroffen. ten. 50 Bei der überwiegenden Zahl der Erkrank- 45 ten konnten ein oder mehrere Risikofak- 40 35 toren durch Befragung ermittelt werden. 30 Neben der Herkunft aus einem Hochprä- Inzidenz 25 valenzland wurde wie im Vorjahr ein 20 15 niedriger Sozialstatus als häufigster Risi- 10 kofaktor ermittelt. Bei prädisponierenden 5 Erkrankungen handelte es ich in erster 0 0-9 10-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 >69 Linie um Diabetes mellitus, der mit einer Altersgruppe Verdoppelung des Tuberkuloseerkran- Deutschland Ausland kungsrisikos einhergeht. Neun der 91 Patienten waren HIV-positiv. Unter ihnen Abb. 2.5: Tuberkulose: Inzidenz nach Alters- stammten zwei aus Deutschland, zwei gruppe und Staatsangehörigkeit Frankfurt 2009 aus anderen Ländern Europas, einer aus Thailand und vier aus der Subsaharare- gion. Es fällt auf, dass besonders viele Patien- ten aus den Ländern des früheren Ost- niedriger Sozialstatus blocks stammen, die im Vergleich zu prädisp. Erkrankung Deutschland immer noch bis zu 10-mal schwierige Wohnsit. höhere Erkrankungsraten aufweisen. Der Tb-Vorerkrankung Krieg in Afghanistan wirkt sich auf die HIV-Infektion medizinische Versorgung im Lande, die chron. Alkoholabusus Migration und somit auf die Häufigkeit Drogenabhängigkeit der Tuberkulose unter in Deutschland Kontakt zu offener Tb lebenden Afghanen aus. 0 5 10 15 20 25 30 2008 2009 übriges Afrika 18% Abb. 2.7: Tuberkulose: Risikofaktoren in Deutschland 29% Frankfurt 2008/2009 (in %) Nordafrika 7% 2.4 Ansteckungsfähigkeit übriges Asien 9% Südostasien Osteuropa 16% übriges Europa 2% 19% Wegen der vermeintlich großen Anste- ckungsgefahr weckt die Tuberkulose in den meisten Fällen unbegründete Ängs- Abb. 2.6: Tuberkulose: Herkunft der Er- te. Ansteckend ist lediglich die so ge- krankten, Frankfurt 2009 nannte offene Lungentuberkulose. Bei 68 der 91 Tuberkuloseerkrankten in Frank- furt (75 %) war die Lunge als Hauptor- gan betroffen. An zweiter Stelle steht die 2.3 Risikofaktoren Lymphknotentuberkulose mit acht Er- krankten (9 %). In sechs Fällen (5 %) Der Kontakt zu den an Tuberkulose Er- lag eine Peritonealtuberkulose vor. Eine krankten wird in Frankfurt seit Jahren Tuberkulose anderer Organe wie die der dazu genutzt, soziale, medizinische und Hirnhäute (Meningen) oder des Skeletts Verhaltensmerkmale zu dokumentieren, ist sehr selten. Es handelt sich bei all von denen bekannt ist oder vermutet diesen Krankheitsbildern um Sekundär-
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main 2009 16 formen nach vorangegangener, möglich- Jahre alten aus China stammenden erweise stumm verlaufener oder unzu- Mann, der zum Erkrankungszeitpunkt reichend behandelter Lungentuberkulo- bereits seit 16 Jahren in Deutschland se. lebte, zum anderen um eine 59-jährige Patientin aus Äthiopien, die die letzten 29 Jahre in Deutschland verbracht hatte. 1% Beide hatten keine Vorbehandlung der 3% 2% 2% Tuberkulose. 75% 25% 9% Eine ausgedehntere Resistenz, auch als 7% XDR (extensively drug resistance) be- 1% zeichnet, mit Unwirksamkeit mindestens zweier weiterer Substanzklassen wurde auch 2009 bei keinem Patienten in Lunge Pleura Skelett Urogenitaltrakt Disseminierte Tuberkulose Peritoneum, Verdauungstrakt Lymphknoten, extrathorakal sonstiges Organ Frankfurt nachgewiesen. Abb. 2.8: Tuberkulose: Hauptorgan, Frank- jegliche Resistenz furt 2009 INH+RMP+PZA+SM Von den 68 Erkrankten mit Lungentu- INH+RMP+SM berkulose sind 22 (32 %) bei mikrosko- InNH+PZA+EMB+SM pischem Nachweis von Tuberkulosebak- terien im Sputum als hoch ansteckend INH einzustufen. In 28 weiteren Fällen (42 %) konnte die Tuberkuloseerkran- 0,0 2,0 4,0 6,0 8,0 10,0 12,0 Anteil in % kung nur durch kulturelle Anzüchtung als Zeichen eines mäßigen Ansteckungsrisi- Abb. 2.9: Tuberkulose: Resistenzen von Tu- kos gesichert werden und in 7 Fällen berkulosestämmen in Frankfurt 2009 (n = (10 %) handelte es sich um eine nicht 63) ansteckende, geschlossene Lungentu- berkulose. In 11 Fällen (16 %) blieb das Ansteckungsrisiko infolge unvollständiger Labordiagnostik ungeklärt. 2.6 Behandlungsergebnisse Neben einer frühen Diagnosestellung ist 2.5 Resistenzen die erfolgreiche Behandlung der Tuber- kulose nicht nur in Bezug auf die Progno- Eine wesentliche Zunahme multiresisten- se für den einzelnen Patienten von Be- ter Tuberkulosestämme ist in Frankfurt deutung, sondern wirkt sich auch auf das nicht feststellbar. Bei 11,1 % der Er- Risiko einer anhaltenden oder erneut krankten, von denen eine Kultur vorlag, erworbenen oder aufflammenden Anste- bestand eine Resistenz gegenüber min- ckungsfähigkeit aus. Daher strebt die destens einem der Standardmedikamen- Therapieüberwachung durch den Öffent- te. In den Jahren zuvor betrug dieser lichen Gesundheitsdienst einen möglichst Anteil 15,8 % (2007) bzw. 9,6 % hohen Anteil erfolgreicher Behandlungen (2008). an. Da sich die Behandlung der Tuberku- lose über mindestens sechs, gelegentlich Die große Schwankungsbreite im Ver- auch über 12 Monate oder mehr er- gleich zu Bund und Hessen beruht auf streckt, liegen die Ergebnisse erst im den kleinen Zahlen. Interpretationen Folgejahr vor. Hier werden daher die sind nur im langjährigen Verlauf möglich. Behandlungsergebnisse des Jahres 2008 Eine Resistenz gegen die beiden wich- dargestellt. tigsten Medikamente Isoniazid und Bei 62 Patienten (77 %) konnte die Be- Rifampicin wurde bei zwei Patienten be- handlung erfolgreich abgeschlossen wer- obachtet. Es handelte sich um einen 51 den, entweder mit oder ohne Nachweis einer negativen Kultur im letzten Be-
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main 2009 17 handlungsmonat. Bei fünf Patienten rung nach Parsberg eingewiesen werden (6 %) wurde die Behandlung über 12 musste. Monate hinaus fortgeführt. Drei Erkrank- Bei zehn Patienten ist das Behandlungs- te (3,7 %) verstarben an der Tuberkulo- ergebnis unbekannt. Es handelt sich se, vier (5 %) an anderen Erkrankungen. überwiegend um Patienten, die Deutsch- Zwei Erkrankte (2,5 %) brachen die Be- land verlassen haben, im Allgemeinen handlung ab. In einem Fall handelte es freiwillig bis auf einen nach Rumänien sich um eine Drogenabhängige mit Kno- abgeschobenen Patienten. Insofern kann chentuberkulose, in dem anderen um in der überwiegenden Zahl der Fälle von einen obdachlosen polnischen Staatsbür- einer Fortsetzung der Therapie ausge- ger, der schließlich zur Zwangsabsonde- gangen werden. Abschluss der Behandlung mit Nachweis 67% einer negativen Kultur Abschluss der Behandlung ohne Nachweis einer negativen Kultur Fortführung der Behandlung nach >= 12 Monaten (Ergebnis folgt noch) Abbruch der Behandlung Tod an TB vor Beginn oder während der Behandlung 5% Tod aus anderer Ursache 2% unbekannt 3% 9% 4% 10% Abb. 2.10: Tuberkulose: Behandlungsergebnisse in Frankfurt 2008 berkuloseerkrankungen im gleichen Zeit- 2.7 Aktive Fallfindung raum nach. Zehn Patienten (2008: 9) wurden aktiv 100 durch Maßnahmen des Öffentlichen Ge- 80 sundheitsdienstes entdeckt. Darunter befanden sich zwei nach Behandlung 60 weiterhin überwachte Patienten, eine 40 Kontaktperson und drei Obdachlose. Bei 20 drei Personen wurde die Tuberkulose anlässlich einer Untersuchung vor Auf- 0 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2008 2009 nahme in eine Justizvollzugsanstalt ent- bis Juli Aug- Jan- deckt, bei einem Flüchtlingskind anläss- Dez Juni Drogenabh. Obdachlose Gesamt lich einer nach dem Infektionsschutzge- setz durchgeführten Röntgenuntersu- Abb. 2.11: Tuberkulose: Röntgenuntersu- chung. chungen nach Untersuchungsgrund im Amt für Gesundheit, Frankfurt 2002-2009 2.8 Röntgen Ein im November 2008 eingeführter Blut- test zum Nachweis einer Tuberkulosein- Die Zahl der vom Amt für Gesundheit im fektion bei Kontaktpersonen hat dazu Zusammenhang mit der Tuberkulose beigetragen, die Zahl der Röntgenunter- veranlassten Röntgenuntersuchungen suchungen weiter zu senken. Im glei- sinkt seit 2004. Diese Entwicklung zeich- chen Jahr wurde im Vorgriff auf den be- net in erster Linie die Abnahme der Tu- vorstehenden Umzug in die Breite Gasse
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main 2009 18 die Röntgenleistung vom Amt für Ge- den Patienten mit auffälligen Befunden sundheit in das Hospital zum Heiligen erschwert, da sie nach der Röntgenun- Geist ausgelagert. Dieser Wechsel führte tersuchung oft nicht ins Amt für Gesund- nicht zu einem weiteren Rückgang der heit zurückkehren. Zukünftig soll insbe- Untersuchungszahlen. Auf Grund der sondere die Aufklärung über die Tuber- Änderung in der Registrierung sank die kulose für Personal und Nutzer von Dro- Zahl der Drogenabhängigen, während geneinrichtungen dazu beitragen, das die der als obdachlos Registrierten ent- Vertrauensverhältnis zu Drogenabhängi- sprechend in gleichem Maße anstieg. gen wieder zu festigen und die Bereit- schaft zur Teilnahme an einem freiwilli- gen Screening zu verbessern. 2.9 Flughafen Frankfurt am Main Die Abteilung Infektiologie des Amtes für Gesundheit ist an einer prospektiven, vom Bundesministerium für Bildung und Aus der Zuständigkeit des Amtes für Ge- Forschung geförderten Studie zur Unter- sundheit für den Frankfurter Flughafen suchung des individuellen Infektions- als Drehscheibe des internationalen und Erkrankungsrisikos beteiligt. Unter Flugverkehrs erwachsen besondere Auf- der Leitung des Forschungszentrums gaben auch für die Tuberkulosefürsorge. Borstel werden durch Untersuchungen Im Berichtsjahr wurden Ermittlungen von Erkrankten und deren engen Kon- von Kontaktpersonen zu an Tuberkulose taktpersonen genetische und immunolo- erkrankten Flugreisenden entsprechend gische Merkmale gesucht, die zu einer den Vorgaben der WHO in vier Fällen Tuberkulose prädisponieren. Damit wäre eingeleitet. In keinem Fall wurde eine es möglich, nur diejenigen gezielt prä- Tuberkuloseansteckung während des ventiv zu behandeln, die ein hohes Er- Fluges ermittelt. krankungsrisiko haben. Darüber hinaus werden von der Teilnahme an der Studie Erkenntnisse über die Infektionsketten 2.10 Fazit und Ausblick in der erwartet. Damit verbunden ist die Hoff- Tuberkulosefürsorge nung, bei Migrantinnen und Migranten, die im Berichtsjahr mit 70 % den größ- In Frankfurt am Main bleibt die Zahl der ten Teil der Neuerkrankten ausgemacht Tuberkuloseerkrankungen trotz des haben, die Tuberkulose durch gezieltes Rückgangs im letzten Jahr aufgrund der Screening früher erkennen zu können. besonderen Bevölkerungsstruktur auf einem im Vergleich zum Land Hessen Im Jahr 2008 wurde begonnen, das Ge- und zur Bundesrepublik erhöhten Ni- ographische Informationssystem GIS zur veau. Deshalb werden die Anstrengun- Infektionsbekämpfung zu nutzen. Eine gen fortgesetzt, Personen mit einem ho- detaillierte Dateninterpretation mit Hilfe hen Tuberkuloserisiko zu identifizieren des geographischen Informationssys- und besondere zielgruppenspezifische tems soll zukünftig helfen, die Schwer- Maßnahmen zur frühzeitigen Entdeckung punkte in der Tuberkulosebekämpfung und Behandlung der Erkrankung für die- auch stadtteilbezogen zu setzen. Die sen Personenkreis zu etablieren. Graphik zeigt die kumulative Verteilung der Tuberkulose über den Zeitraum von Die seit 2002 durchgeführte aktive Fall- 2001-2009. Es ergibt sich erwartungs- findung mittels Röntgenscreening bei gemäß keine Gleichverteilung, jedoch Obdachlosen und Drogenabhängigen auch keine klare Häufung oder gar eine lässt sich nach Auslagerung des Rönt- Beschränkung auf soziale Brennpunkte. gens nicht in der bisherigen Form fort- Nicht nur Stadtteile wie das Gallusviertel, führen. Besonders drogenabhängige Pa- Griesheim und Ostend, tienten sind häufig nicht bereit, den Weg sondern auch Sachsenhausen-Nord, in die Klinik für eine freiwillige Röntgen- Nordend-Ost und vor allem Bockenheim untersuchung auf sich zu nehmen. Dar- sind besonders betroffen. über hinaus ist die Kontaktaufnahme zu
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main 2009 19 Abb. 2.12: Tuberkulose: Verteilung innerhalb des Stadtgebietes in Frankfurt 2001-2009 Die Interpretation bedarf einer genauen teilen seltener vorkommt als im Zentrum Kenntnis der Sozialstruktur der Stadt, Frankfurts. die sich zurzeit noch nicht mit GIS abbil- den lässt. 2.11 Literatur In jedem Fall lässt sich festhalten, dass die Tuberkulose in den peripheren Stadt- - WHO Global tuberculosis control, 2009
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main 2009 20 3.1. HIV/AIDS 3. Sexuell übertragbare Erkrankungen Die HIV/AIDS-Epidemie bleibt trotz deut- lich verbesserten Behandlungsmöglich- Sexuell übertragbare Erkrankungen wer- keiten eines der größten Gesundheits- den durch verschiedene Erreger - wie probleme der Welt. Die WHO rechnet für Viren, Bakterien, Pilze, Einzeller und Pa- das Jahr 2009 mit mehr als 40 Millionen rasiten – hervorgerufen, deren Gemein- HIV-Infizierten weltweit – darunter allein samkeit der Hauptübertragungsweg se- 3 Millionen Neuinfektionen und 3 Millio- xuelle Kontakte darstellt. Neben den Sy- nen Todesfällen. philis- und Gonorrhö- (Tripper-)erregern, Chlamydien, humanen Papillomviren, Im internationalen Vergleich ist die Situ- Herpesviren, Pilzen, Trichomonaden, ation in Deutschland immer noch güns- Mykoplasmen und Ureoplasmen gehören tig, insbesondere durch die relativ früh dazu auch HIV und Hepatitis B-Viren. begonnenen und ursprünglich auch ef- fektiven Präventionsmaßnahmen ist die Der Fokus des öffentlichen Interesses Erkrankung überwiegend eine Infektion bezüglich sexuell übertragbarer Krank- unter Männern, die Sex mit Männern heiten liegt weiterhin auf HIV/AIDS. haben (MSM), geblieben. Die Anzahl der Aber auch andere Erkrankungen und Neuerkrankungen stieg jedoch in den Erreger gelangen (wieder) zunehmend in ersten Jahren nach der Jahrtausendwen- das Bewusstsein der Allgemeinbevölke- de deutlich an. Die absolute Zahl an HIV- rung: Neuinfektionen pro Jahr betrug vorher etwa 2 000 und hat sich auf derzeit ca. - Syphilis wegen steigender Fallzahlen 3 000 Neudiagnosen pro Jahr erhöht. bei homo- und bisexuellen Männern - Humane Papillomviren (HPV) auf- Seit 2007 scheint ein gewisses Plateau grund der Neuzulassung von zwei erreicht; 2009 lag die Inzidenz bei Impfstoffen gegen die Erregerstäm- 3,5/100 000 Einwohner (2 866 Fälle) me Typ 16 und 18, die bei der Ent- und damit in etwa so hoch wie im Vor- stehung von Gebärmutterhalskrebs jahr (3,4/100 000 Einwohner, 2 826 Fäl- maßgeblich beteiligt sind. Einer die- le). Die beschriebene Dynamik ist im ser Impfstoffe schützt auch vor Wesentlichen auf veränderte Infektions- Feigwarzen (Condylomata acumina- raten in der Hauptrisikogruppe der ho- ta), hervorgerufen durch die HPV- mo- und bisexuellen Männer zurückzu- Stämme Typ 6 und 11 führen. - Chlamydien in Zusammenhang mit dem seit 2008 allgemein angebote- Derzeit leben etwa 65 500 infizierte Per- ne Screening auf genitale Chlamydi- sonen in der Bundesrepublik Deutsch- eninfektionen bei weiblichen Jugend- land, jedes Jahr sterben ca. 650 Men- lichen und Frauen bis zum 25. Le- schen an AIDS. bensjahr Ähnlich wie in anderen Ballungszentren Da außer der Hepatitis B keine der o. g. liegt in Frankfurt am Main die Inzidenz Infektionen dem Gesundheitsamt na- mit inzwischen 13,1 Fällen/100 000 Ein- mentlich meldepflichtig ist, basieren die wohner schon seit Jahren deutlich höher im Folgenden analysierten Daten auf den als im Bundesdurchschnitt. Für Frankfurt nicht-namentlichen Meldungen für am Main wurden vom 01.01.2001 bis HIV/AIDS und Syphilis an das Robert 31.12.2009 insgesamt 710 HIV- Koch-Institut sowie auf den Daten der Infektionen beim Robert Koch Institut Sentineluntersuchung des Robert Koch- (RKI) gemeldet, und 1 577 Personen Institutes zu Syphilis, Gonorrhö und sind an AIDS erkrankt. Bis einschließlich Chlamydien-Infektionen. Daneben wer- Dezember 2009 waren insgesamt 936 den Daten aus den eigenen Beratungs- Todesfälle durch die Erkrankung zu be- stellen und Projekten interpretiert. klagen.
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main 2009 21 3.1.1 Epidemiologische Daten ren Großstädten (Berlin: 71 %, Köln: 72 %). Neuinfektionen in Frankfurt 2009 wurden für Frankfurt 87 Neuinfek- Der Anteil der Patienten aus Pattern-II- tionen mit HIV beim RKI gemeldet Ländern (Länder mit weiter Verbreitung (2008: 75; 2007: 78). Es handelt sich von HIV) entsprach mit 10,4% dem dabei um 11 Frauen und 75 Männer. Be- Bundesdurchschnitt (10%) und lag etwas trachtet man die HIV-Neuinfizierten be- höher als in anderen Großstädten (Köln: zogen auf 100 000 Einwohner, nimmt 7%; Berlin: 5,5%,). Frankfurt unter den Großstädten hinter Köln den zweiten Platz ein. Die HIV- Im Amt für Gesundheit ermittelte Inzidenz liegt aktuell bei 13,1 Fäl- HIV-Neuinfektionen len/100 000 Einwohner und ist damit Im Jahr 2009 wurde mit 25 Fällen fast mehr als dreimal so hoch wie in der BRD jede dritte aller HIV-Neuinfektionen in bzw. Hessen. Frankfurt in den anonymen Beratungs- stellen des Amtes für Gesundheit diag- 14,0 nostiziert. Damit sind hier seit 2001 ins- 12,0 gesamt 205 HIV-Fälle gefunden worden. 10,0 Bei jährlich etwa 2 000 Untersuchten liegt die Fallfindungsrate (Anteil an posi- Inzidenz 8,0 tiven Testergebnissen) bei 1 %. Dieser 6,0 Wert ist als sehr hoch einzustufen, dass die Menschen, die in die Beratungsstellen 4,0 kommen, auch ein hohes Risiko für die 2,0 0,0 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Infektion haben. Jahr Frankfurt Hessen Bund 35 30 Abb. 3.1: HIV: Inzidenzen Frankfurt, Hessen 25 Bund 2002-2009 Fallzahl 20 15 Wie in den Vorjahren ist 2009 die Alters- 10 gruppe der 30- bis 39-jährigen Männer 5 am stärksten betroffen, gefolgt von den 0 40- bis 49-jährigen und den 25- bis 30- 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 jährigen; dies entspricht der Verteilung Jahr auf überregionaler Ebene. Abb. 3.3: HIV: Anzahl der im Amt für Ge- 35% sundheit ermittelten Neuinfektionen, Frank- 30% furt 2002-2009 25% 20% Insgesamt wurden im Jahr 2009 2 876 15% Untersuchungen auf HIV-Antikörper 10% durchgeführt, 1 975 in der anonymen 5% AIDS-Beratung und 901 in der Bera- 0% tungs- und Untersuchungsstelle für se- xuell übertragbare Krankheiten. 0-14 15-20 21-24 25-29 30-39 40-49 50-59 60-74 75-99 k.A. Altersgruppe Frankfurt Bund Von den 25 Neuinfizierten waren 24 Abb. 3.2: HIV: Vergleich der Altersverteilung Männer. 10 Männer (40 % der Infizier- Frankfurt, Bund 2009 ten) stammten aus dem Ausland, davon 9 aus Endemiegebieten (Lateinamerika 6, Afrika 2, Osteuropa 1). 22 (92%) der 59 % der Neuinfizierten waren homo- neu infizierten Männer stammen aus der oder bisexuelle Männer, damit lag der Risikogruppe der MSM. Anteil etwas niedriger als in vergleichba-
Epidemiologie und Prävention von Infektionskrankheiten in Frankfurt am Main 2009 22 Wie in den letzten Jahren gehören die wichtige Säule der Früherkennung und meisten der 2009 im AfG ermittelten damit der Sekundärprävention in Frank- Neuinfizierten zu der auch bundesweit furt. Neben der Hauptrisikogruppe der am stärksten betroffenen Altersgruppe MSM dient die anonyme AIDS-Beratung der 30– bis 39-Jährigen (n=9). am Amt für Gesundheit auch heterose- xuell orientierten Männern und Frauen 10 als niedrigschwellige Anlaufstelle. Unter- 9 8 suchungs- und Beratungsstelle für sexu- 7 ell übertragbare Krankheiten wendet sich 6 schwerpunktmäßig an SexarbeiterInnen, Fallzahl die auf HIV bezogen ebenfalls als beson- 5 4 3 dere Risikogruppe gelten. Die hohe Zahl 2 durchgeführter HIV-AK-Tests, die hohe 1 0 HIV-Positivenrate und die große Anzahl 20-24 25-29 30-39 40-49 50-59 an Erstdiagnosen zeigen, dass die ano- nyme AIDS-Beratung am Amt für Ge- Altersgruppe sundheit sich einer hohen Akzeptanz Männer Frauen erfreut und die richtigen Zielgruppen Abb. 3.4: HIV: Im Amt für Gesundheit fest- erreicht. gestellte Neuinfektionen nach Altersgrup- pen, Frankfurt 2009 Auffallend war die starke Frequentierung der anonymen AIDS-Beratung, nachdem Hinsichtlich des Safer Sex-Verhaltens durch die Medien auf spektakuläre Weise gaben von den 2 027 Patienten der ano- bekannt wurde, dass die Sängerin einer nymen AIDS-Beratung lediglich 39 % an, bekannten deutschen Girlband HIV- durchgehend Safer Sex zu praktizieren. positiv ist. In den Monaten darauf stieg „Kein Safer Sex“ wurde von 11 % bzw. die Zahl der Telefonanrufe, Beratungen „nicht immer Safer Sex“ von den übrigen und AK-Tests um fast das Doppelte an. ca. 50 % der Patienten beschrieben. Von Es kamen auch viele junge Paare, die den HIV-Neuinfizierten gaben nur zuvor noch nie einen Test hatten machen 16,7 % an, immer Safer Sex zu prakti- lassen. Eine höhere Anzahl von Neuinfi- zieren. 48 Personen hatten wissentlich zierten resultierte hieraus jedoch nicht. sexuelle Kontakte zu HIV-Positiven (2,4% aller Patienten). Allgemeine AIDS-Präventionen Seit 2006 finden in jedem Jahr die 70% Frankfurter AIDS-Präventionstage als 60% Kooperationsprojekt des Amtes für Ge- 50% sundheit mit der AIDS-Hilfe Frankfurt 40% e.V. und der AIDS-Aufklärung e.V. statt. 30% 20% Die diesjährige Veranstaltung fand vom 10% 17. bis 18.9.2009 statt und konnte ins- 0% gesamt 2 385 Besucher verzeichnen. Es 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 wurde wieder ein Präventionsparcours für Jugendliche mit Spielen zu HIV- Jahr Verhütungsmaßnahmen einschließlich ja nicht immer nein des „Kondom-Führerscheins“ angeboten. Abb. 3.5: HIV: Angaben zum Safer Sex bei Die Veranstaltung wurde darüber hinaus den Patienten der anonymen AIDS- Beratung, Frankfurt 2002-2009 von 8 Schulklassen(ca. 160 Schüler) be- sucht. 3.1.2 Präventionsmaßnahmen in Auch zum Welt-Aids-Tag (1. Dezember) Frankfurt am Main fanden wieder Aktionen in Kooperation mit den AIDS-Hilfsorganisationen statt. AIDS-Prävention für Risikogruppen Darüber hinaus bot das Amt für Gesund- Neben AIDS-Aufklärung und AIDS-Hilfe heit an diesem Tag eine offene AIDS- ist die anonyme AIDS-Beratung eine Sprechstunde mit kostenlosen HIV-
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