Erfahrungen von Wiener Psychotherapeut_innen mit der Antragstellung und Bewilligungspraxis der Krankenkassen
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originalarbeit Psychotherapie Forum https://doi.org/10.1007/s00729-021-00177-2 Erfahrungen von Wiener Psychotherapeut_innen mit der Antragstellung und Bewilligungspraxis der Krankenkassen Brigitte Schigl · Leonore Lerch · Julia Rohner Angenommen: 5. Mai 2021 © Der/die Autor(en) 2021 Zusammenfassung In dem Online-Survey wurden Experiences of Viennese psychotherapists with die Erfahrungen von Wiener Psychotherapeut_innen the application and approval practice of the (n = 380) mit dem Procedere der Antragstellung bzgl. health insurance companies Kostenzuschuss für Psychotherapie sowie der Bewil- ligungspraxis der Krankenkassen erhoben. Ziel war Summary In the online survey, the experiences of es, Veränderungen und aktuellen Stand des Umgangs Viennese psychotherapists (n = 380) with the proce- mit Bewilligungen im Vergleich der Krankenkassen dure for submitting applications for cost subsidies for aus Sicht der Wiener Psychotherapeut_innen auf- psychotherapy as well as the approval practice of the zuzeigen, da vermehrt Probleme berichtet wurden. health insurance companies were recorded. The aim Die deskriptiv dargestellten qualitativen und quan- was to compare changes and the current status of titativen Ergebnisse beziehen sich auf strukturelle/ the handling of permits by health insurers, as more operationale Aspekte und patient_innenbezogene and more problems with this were reported by the Dynamiken. In den Ergebnissen zeigen sich v. a. be- therapists. The descriptively presented qualitative richtete Schwierigkeiten mit zwei Krankenkassen, and quantitative results relate to structural ones. The die auf eine Ungleichbehandlung der Patient_innen results show above all reported difficulties with two durch die einzelnen Versicherungsträger schließen health insurance companies, which shows that the lassen. individual insurance providers treat patients unequal. Schlüsselwörter Psychotherapie · Keywords Psychotherapy · Health insurance · Krankenversicherung · Extratherapeutische Faktoren Extratherapeutic factors Zur Ausgangslage der Studie Zwischen 2016 und 2018 verzeichnete der Wiener Lan- desverband für Psychotherapie1 (WLP) eine Zunah- me von Anfragen und Rückmeldungen von Psycho- B. Schigl () therapeut_innen betreffend unterschiedlicher Proble- Karl Landsteiner Privatuniversität me mit der Antragstellung und Bewilligungspraxis der für Gesundheitswissenschaften, Dr. Krankenkassen für Kostenzuschüsse zur Psychothera- Karl-Dorrek-Straße 30, 3500 Krems, Österreich pie. Im Juli 2018 wurde eine WLP-Arbeitsgruppe da- Rembrandtstraße 4/11, 1020 Wien, Österreich zu eingesetzt und der WLP beschloss, eine Befragung brigitte.schigl@aon.at der Psychotherapeut_innen durchzuführen. Von Au- L. Lerch gust 2018 bis April 2019 arbeitete ein Team, in der WLP – Wiener Landesverband für Psychotherapie, Löwengasse 8/1/1, 1030 Wien, Österreich 1 Der WLP ist die größte berufspolitische Interessenvertretung J. Rohner für Psychotherapeut_innen im Bundesland Wien und Landesor- Psychotherapeutische Praxis, ganisation des Österreichischen Bundesverbands für Psychothe- Fünfhausgasse 5/20, 1150 Wien, Österreich rapie (ÖBVP). K Erfahrungen von Wiener Psychotherapeut_innen mit der Antragstellung und Bewilligungspraxis der. . .
originalarbeit Anfangsphase dankenswerterweise mit Unterstützung peutische Faktoren“ eher als Störfaktoren diskutiert. der Donau Universität Krems, an der Erstellung des Dennoch sind diese wesentlich für die Praxis von Fragebogens einer Online-Befragung. Die Studie soll- Psychotherapie, denn sie können die Behandlung in te empirische Daten bezüglich der Erfahrungen mit Richtung besserer Outcome unterstützen oder behin- der Antragstellung und Bewilligungspraxis der einzel- dern. Lambert schreibt in seiner Schätzung diesen nen Krankenkassen und deren Einfluss auf den the- extratherapeutischen Faktoren 40 % der Varianzauf- rapeutischen Prozess liefern. Besonders interessierte klärung psychotherapeutischer Einflussfaktoren zu es, ob sich nach einer Adaptierung des Antragsfor- (Asay und Lambert 2001). Solch allgemeine Wirkfakto- mulars der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) im ren können sich auf verschiedenste Dimensionen des November 2016 die Bewilligungspraxis der Kranken- Psychotherapieprozesses beziehen. Darunter fallen kassen seit 2017 im Vergleich zu den Vorjahren in der die Patient_innenfaktoren (also alle Eigenschaften die Wahrnehmung der Therapeut_innen geändert hatte. Patient_innen von sich aus mitbringen, u. a. auch de- Dabei sollte v. a. der Frage nachgegangen werden, ob ren sozioökonomische Situation) ebenso Eigenschaf- es sich bei den Anfragen und Beschwerden um Ein- ten des Umfelds (wie etwa soziale Unterstützung etc.) zelfälle handelte oder auch andere Wiener Psychothe- und ganz allgemein Aspekte der gesellschaftlichen rapeut_innen, die sich nicht von sich aus gemeldet Rahmenbedingungen der Organisation von Psycho- hatten, solche Beobachtungen machten. therapie. Hierzu würde auch die Möglichkeit der In- anspruchnahme von Psychotherapie als – zumindest Psychotherapie und Gesellschaft – partielle – Versicherungsleistung zählen. Eine solche „Extratherapeutische“ Faktoren reguliert den Zugang zur Psychotherapie, indem sie die Entscheidung zur Aufnahme einer Psychothera- Um die Ergebnisse dieser Studie in einen größeren pie erleichtert oder erschwert (Epping et al. 2017). Rahmen zu stellen, kann auf Orlinksy’s Generic Model In der vorliegenden Studie steht dieses Element der of Psychotherapy (2009) zurückgegriffen werden: Die- gesellschaftlichen Umfeldbedingungen im Zentrum ses auf empirischen Daten basierende Metamodell des Forschungsinteresses. Generell zeigt Forschung versucht, alle Psychotherapie bestimmenden Parame- zur sozialen Ungleichheit eine höhere gesundheitli- ter zu berücksichtigen. Darin ist ein Einflussfaktor für che Belastung von Frauen und Männern in prekären die Aufnahme und den Prozess einer Psychotherapie Lagen, auch was die psychische Gesundheit betrifft das gesellschaftlich begründete „treatment milieu“. (Jacobi et al. 2014). Umgekehrt ist es hingegen bei der Dieses beinhaltet Faktoren wie die Kultur und ge- Inanspruchnahme von Psychotherapie: Hier sind so- sellschaftliche Organisation, in der Psychotherapie zioökonomisch besser gestellte Patient_innen in der angeboten wird. Einige Jahre zuvor spezifierten Or- Überzahl – für Menschen mit geringerem Einkom- linky et al. (2004) im Generic Modell Einflussfaktoren men ist Psychotherapie schwerer zugänglich (Bartram seitens der Patient_innen in Bezug auf die Aufnah- und Stewart 2019). Man könnte daraus schließen, me und den Prozess einer Behandlung. Hier wurden dass die Wichtigkeit von Psychotherapie noch immer unter „other contracting partners in patients social unterbewertet ist und ihre Verteilung nicht immer network“ neben Familien der Patient_innen auch de- den Notwendigkeiten entspricht – der Prozess des ren Versicherungen genannt, die es beeinflussen, ob Zugangs zur Behandlung sollte transparent sein, um jemand Psychotherapie in Anspruch nimmt. Diese ethisch korrekte Zugangsmöglichkeiten bereitzustel- auf gesellschaftlichen Übereinkünften basierenden len (Robertson-Preidler et al. 2020). Faktoren der Organisation der Versorgung mit Psy- chotherapie haben einen direkten Input auf die Auf- Das österreichische Versorgungssystem für nahme und den Prozess einer Behandlung: Es macht Psychotherapie einen Unterschied, ob Menschen auf von öffentli- cher Hand finanzierte Psychotherapie zurückgreifen Mit der 50. ASVG2-Novelle wurde in Österreich ab können oder ihre Behandlung selbst bezahlen müs- 01.01.1992 Psychotherapie als Krankenbehandlung sen – bzw. wie im Falle Österreichs der überwiegende rechtlich der ärztlichen Hilfe gleichgestellt und in Anteil der Patient_innen einen eher geringen Anteil den Pflichtleistungskatalog der gesetzlichen Kranken- am Honorar für die Psychotherapie im Rahmen eines versicherung aufgenommen. Die vertragsrechtliche Genehmigungs- und Erstattungsverfahrens von der Regelung der Psychotherapie sollte am ärztlichen Ge- Krankenversicherung zurückerhält. samtvertragsmodell anknüpfen, kam aber nie zustan- In der neueren Entwicklung der naturalistischen de. Ab dem Jahr 2000 installierten die Sozialversiche- Psychotherapieforschung wird versucht, solche Para- rungsträger ein System mit privaten Psychotherapie- meter zu berücksichtigen. Allerdings finden die meis- Versorgungsvereinen in fast allen Bundesländern. Psy- ten klinischen Studien zur Psychotherapie in statio- chotherapie „auf Krankenschein“ (d. h. als Sachleis- nären Settings mit ausgesuchten Patient_innen und tung) wird seither von den Sozialversicherungsträgern häufig Psychotherapeut_innen statt, die für die Stu- die Therapie nach Manualen praktizieren. In solchen Studien, so wertvoll sie sind, werden sog. „extrathera- 2 ASVG: Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (2020). Erfahrungen von Wiener Psychotherapeut_innen mit der Antragstellung und Bewilligungspraxis der. . . K
originalarbeit kontingentiert angeboten. Darüberhinaus schlossen Die dazu konzipierte Online-Umfrage enthält ne- einige Sozialversicherungsträger Verträge mit psycho- ben demografischen Angaben 28 geschlossene Fra- sozialen Institutionen ab, die Psychotherapie kosten- gen in einer sechsstufigen Likert-Skala. Bei acht Fra- los für ihre jeweiligen Zielgruppen anbieten. Auch in gen gab es die Möglichkeit, in freien Antworten Spe- den wenigen kasseneigenen Einrichtungen kann Psy- zifizierungen und Beispiele anzugeben. Zur Vorgabe chotherapie als Sachleistung in Anspruch genommen im Netz wurde das Open Source Tool „SoSciSurvey“ werden. verwendet. Der Link zur Umfrage war ein Einmal- Zusätzlich zur Sachleitung existiert eine österreich- Link, der direkt an die Mitglieder des WLP sowie beim weit gültige Kostenzuschussregelung, die als Über- WLP registrierte Wiener Psychotherapeut_innen ver- gangslösung bis zum Abschluss eines Gesamtvertra- sendet wurde. Weiters wurden Fachspezifika ersucht, ges eingerichtet wurde. Hierbei leisten die Kranken- den Link an Wiener Psychotherapeut_innen weiter- kassen auf Antrag der Patient_innen einen Kostenzu- zuleiten (Im Internet war der Link nicht frei zugäng- schuss zu den Honoraren der Psychotherapeut_innen, lich veröffentlicht.). Eine Mehrfachbeantwortung wur- die je nach Krankenkasse zwischen 28 und 40 pro de durch einen Einmal-Link ausgeschlossen. Sitzung variieren. Die Auswertung der Fragen erfolgte mittels de- Die Voraussetzungen für die Bewilligung dieses skriptiver Statistik sowie Korrelationsberechnungen Kostenzuschusses sowie die damit einhergehenden und Signifikanzprüfungen, die offenen Fragen wur- Modalitäten sind in den einzelnen Bundesländern, den zu inhaltlichen Kategorien zusammengefasst und wie auch je nach Krankenkasse, unterschiedlich gere- bezüglich deren Häufigkeit geordnet. Die Berechnun- gelt. gen erfolgten mittels SPSS Statistics Version 23.0.0.0, Der Bedarf an Psychotherapie liegt bei geschätzten die qualitative Auswertung der offenen Fragen erfolgte 1–3 % der Gesamtbevölkerung, wobei allerdings kei- händisch mittels Kategorienbildung. ne genauen Bedarfszahlen für Österreich zu erheben Im Mai 2019 erhielten die Mitglieder des Wiener sind (Rechnungshof 2019). Es kann aber noch immer Landesverbands für Psychotherapie und jene Wiener von einer Unterversorgung mit Psychotherapie aus- Psychotherapeut_innen, die beim WLP als Interes- gegangen werden (Plessen et al. 2016). Dabei besteht sent_innen registriert waren, per E-Mail eine Einla- im Bundesland Wien als urbanem Raum eine relativ dung zur Mitarbeit an der Studie und den Link zum hohe Versorgungsdichte (Besthelp 2020). Laut einer Fragebogen. Insgesamt wurden 2352 Psychothera- aktuellen Erhebung der Gesundheit Österreich GmbH peut_innen mit Praxis in Wien und Eintragung in die (Tanios et al. 2020) beziehen 52 % aller Patient_innen, Psychotherapeut_innenliste zur Umfrage eingeladen. die in freier psychotherapeutischer Praxis ambulant Weiters wurden alle Fachspezifika mit der Bitte um behandelt werden, einen Kostenzuschuss ihrer Kran- Weiterleitung des Umfragelinks an ihre Wiener Mit- kenversicherung, 21 % bezahlen ihre Behandlung zur glieder kontaktiert. Der Fragebogen stand mittels Link Gänze selbst und 27 % erhalten Psychotherapie als vom 20. Mai bis 24. Juni 2019 online zur Verfügung. Sachleistung vollfinanziert von ihrer Krankenversiche- rung. D. h. 79 % aller Patient_innen müssen über ein Die Stichprobe Antrags- oder Bewilligungsverfahren bei den Kranken- kassen ihre Psychotherapie bewilligen lassen, um bei Insgesamt antworteten 412 Personen, was einem ihrer/m niedergelassenen Psychotherapeut_in behan- Rücklauf von 17,5 % (der 2352 direkt kontaktierten delt werden zu können. Die überwiegende Anzahl der Personen) entspricht. Nach einer Entfernung der un- Behandlungen findet im Einzelsetting statt. Die Psy- vollständig beantworteten Fragebögen verblieben 380 chotherapeut_innen geben an, dass fast 74 % ihrer Pa- Datensätze, die zur Endauswertung herangezogen tient_innen an mittelgradigen bis schweren psychi- wurden. Dies entspricht 11 % aller in Wien tätigen schen Störungen leiden. Psychotherapeut_innen (Gesamt: 3537 zum Stand 01.01.2019). Forschungsfragen und Design der Studie Die Antworten stammen zu 76 % von weiblichen und 23 % von männlichen Psychotherapeut_innen Folgende Hauptfrage sollte in der Studie erhoben wer- (1 % o. A.; 0 % divers). Die Altersgruppen verteilen sich den: Welche Erfahrungen machen Wiener Psychothe- zu 4 % auf Therapeut_innen zwischen 30–39 Jahren, rapeut_innen bei der Antragserstellung auf Kostenzu- 25 % von 40–49 Jahren, 47 % von 50–59 und 18 % von schuss für Psychotherapie in den Jahren 2017 bis 2018? 60–69 Jahren. Fast drei Viertel davon (71 %) arbeiten Nehmen Sie eine Änderung in der Bewilligungspraxis in privater Einzelpraxis, 31 % in privaten Gemein- seitens der Krankenkassen wahr? Wenn ja, in welche schaftspraxen und 24 % in Institutionen (Mehrfach- Richtung, von welchen Kassen? Als weitere Fragestel- nennungen möglich). Vom Setting her bieten die lungen ergeben sich daraus: Wie wirkt sich das Proce- Mehrheit (64 %) wöchentliche Sitzungen, 26 % we- dere der Antragstellung auf den therapeutischen Pro- niger als einmal wöchentliche Frequenz und 10 % zess, insbesondere auf die therapeutische Beziehung mindestens zweimal wöchentliche Sitzungen an. Et- aus? wa die Hälfte der Antwortenden (51 %) behandelt 11–20 Patient_innen pro Woche, jeweils etwas we- K Erfahrungen von Wiener Psychotherapeut_innen mit der Antragstellung und Bewilligungspraxis der. . .
originalarbeit niger als ein Viertel 1–10 bzw. 21–30 Patient_innen Krankenkassen (alle anderen Kassen lagen bei/unter pro Woche. Im Schnitt werden 17,5 Patient_innen bei fünf Prozent der Nennungen). 18,8 Arbeitsstunden pro Woche behandelt. Von den antwortenden Psychotherapeut_innen Ergebnisse rechnen sich 30 % dem humanistischen Cluster zu, 21 % dem tiefenpsychologischen, 14 % dem systemi- Die Nutzung der freien Antwortmöglichkeiten wurde schen und 9 % geben die verhaltenstherapeutische von fast allen Therapeut_innen (insgesamt 91,6 % der Methode an. Antwortenden) in Anspruch genommen. Der Prozentsatz der antwortenden Psychothera- Die Psychotherapeut_innen geben an, im Schnitt peut_innen entspricht in etwa jenem Rücklauf, der 13–14 Anträge pro Jahr für unterschiedliche Versiche- bei derartigen Umfragen zu erwarten ist. Beim Ver- rungsträger zu bearbeiten. gleich der demografischen Daten mit jenen der Psy- Die Zufriedenheit der Psychotherapeut_innen mit chotherapeut_innen in Österreich (Tanios et al. 2020) der Antragstellung ist über alle fünf meistgenannten zeigt sich, dass die Stichprobe der antwortenden Kassen gesehen generell recht gering. Nur vier Prozent Therapeut_innen die soziografische Struktur der ös- sind sehr zufrieden, die Mehrzahl ist tendenziell oder terreichischen Psychotherapeut_innen gut abbildet. deutlich unzufrieden (siehe Abb. 1). Die Antworten bezogen sich einerseits auf Erstan- Ausgewogener ist die Zufriedenheit mit dem Ab- träge, wie sie bei Beginn einer Psychotherapie, für lauf und Prozedere nach der Antragstellung bis zur die ein Kostenzuschuss beantragt werden soll, in- Bewilligung bzw. Nichtbewilligung (siehe Abb. 2). nerhalb der ersten zehn Therapiestunden von der Ähnliche Ergebnisse liefert auch die Frage „Wie zu- Psychotherapeut_in ausgefüllt werden; andererseits frieden sind Sie mit der Bearbeitungsdauer der Kran- auf Folgeanträge, die nötig werden, wenn die beim kenkassen im Rahmen der Bewilligungspraxis (Zeit- Erstantrag genehmigten Sitzungen aufgebraucht sind raum nach Antragstellung bis zur Bewilligung bzw. und der Kostenzuschuss zur Psychotherapie verlän- Nichtbewilligung des Antrags)?“: Hier stehen 29 % sehr gert werden soll. oder gut Zufriedene 30 % sehr und gänzlich Unzufrie- In der Erhebung wurde nach den Erfahrungen mit denen gegenüber. allen, zum Zeitpunkt der Befragung in Österreich tä- Die folgenden Items wurden von den Psychothera- tigen, Krankenkassen gefragt. Als Basis der folgenden peut_innen für jene drei Krankenkassen beantwortet, Berechnungen wurden in der Auswertung dann die bei denen ihre Patient_innen am häufigsten versichert fünf am häufigsten genannten Krankenkassen heran- waren. Da diese Abfrage dreistufig erfolgte (häufigste, gezogen. Es waren dies (Mehrfachnennungen mög- zweithäufigste und dritthäufigste) konnte bei den Ein- lich): Die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), auf stufungsitems die Signifikanzprüfung zwischen den die sich 98 % der Psychotherapeut_innen bezogen, die Krankenkassen nicht mit den Rohdaten erfolgen, son- Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) mit dern es wurde die Anzahl der TOP 2 Einstufung („5“ 57 %, die Sozialversicherung der gewerblichen Wirt- und „6“ als hohe Zustimmung) auf ihren signifikanten schaft (SVA) mit 40 %, die Niederösterreichische Ge- Unterschied mittels eines T-Test (95 % Signifikanzni- bietskrankenkasse (NÖGKK) mit 38 % sowie der Kran- veau) überprüft. Diese Berechnung erzielte folgende kenfürsorge der Bediensteten der Stadt Wien (KFA) Ergebnisse: Die sprachliche Verständlichkeit der An- mit 25 % aller Nennungen. Alle folgenden Ergebnisse träge wird im Durchschnitt als gut eingestuft. Auf der beziehen sich auf diese fünf am häufigsten genannten 6-teiligen Skala (von „1“ = „niedrig“ bis „6“ = „hoch“) Abb. 1 „Alles in allem: Wie zufrieden sind Sie mit der Antragstellung der Kran- kenkassen betreffend Kos- tenzuschuss?“ Erfahrungen von Wiener Psychotherapeut_innen mit der Antragstellung und Bewilligungspraxis der. . . K
originalarbeit Abb. 2 „Alles in allem: Wie zufrieden sind Sie mit der Bewilligungspraxis der Krankenkassen betreffend Kostenzuschuss? Wie zu- frieden sind Sie mit dem Prozedere nach Antragstel- lung bis zu Bewilligung bzw. Nichtbewilligung des An- trags?“ Abb. 3 „Der zeitliche Auf- wand innerhalb der Psy- chotherapiesitzungen für die Antragstellung des Kos- tenzuschusses ist mei- ner Erfahrung nach . . . “ Durchschnitt auf einer Ska- la von „1“ = „niedrig“ bis „6“ = „hoch“ erzielen beim Top2-Ergebnis die WGKK zwar mit Befragten signifikant schlechter als alle vier anderen 45,2 % die niedrigste Zustimmung, aber der Unter- meistgenannten Kassen ab (T-Test; 95 % Signifikanz- schied zu der nächstgereihten KFA (52,1 %) ist nicht niveau) (vgl. Abb. 3). signifikant. Die Planungssicherheit des psychothe- Über alle Krankenkassen gesehen ist die Zahl je- rapeutischen Prozesses im Zusammenhang mit der ner Therapeut_innen, die Anträge mit Ergänzungser- Antragstellung und Bewilligungspraxis der Kranken- suchen von den Kassen zurückbekommen hoch: 71 % kassen wurde ebenfalls in einem durchschnittlichen der Therapeut_innen haben 2017 und 2018 Erstanträ- Bereich angegeben: Die höchste Zustimmung erziel- ge mit einem Ergänzungsersuchen zu weiteren Ana- te beim Top2-Wert die BVA mit 27,8 %. Alle anderen mnesedaten oder Vermerken von den Krankenkassen Krankenkassen lagen bei Werten zwischen 21,4 und zurückbekommen. Davon entfielen mit 95,2 % hoch- 26,5 %. Bezüglich Bearbeitungsdauer, Verständlich- signifikant die meisten auf die Wiener Gebietskran- keit und Planungssicherheit wurden auf einem 95 % kenkasse (BVA: 2,8 %, KFA: 0,7 %, SVA: 0,3 %, NÖGKK Signifikanzniveau keine signifikanten Unterschiede 2,1 %). Die Vermerke betrafen zu 74 % eine Verminde- zwischen den einzelnen Kassen gefunden. rung der beantragten Sitzungszahl. 24 % der Psycho- In den offenen Antworten wird zum Thema Pla- therapeut_innen gaben an, dass Anträge im Zeitraum nungssicherheit v. a. die lange Dauer der Bearbeitung 2017–2018 gänzlich abgelehnt wurden. In den offenen durch die Krankenkassen beklagt, in der vier bis sechs Antworten zu diesen Themen zeigt sich eine Häufung Wochen unklar ist, ob der Prozess mit Krankenkassen- der Rückmeldungen darüber, dass v. a. bei der WGKK zuschuss weitergehen kann. deutlich weniger Stunden, als die im Antrag gestell- Was den Zeitaufwand und persönlichen Admi- ten, bewilligt wurden. Die Gründe dafür sind den Psy- nistrationsaufwand für die Antragstellung betrifft, chotherapeut_innen laut ihren Kommentaren in den schneidet die Wiener Gebietskrankenkasse bei den offenen Fragen zumeist nicht nachvollziehbar bzw. es K Erfahrungen von Wiener Psychotherapeut_innen mit der Antragstellung und Bewilligungspraxis der. . .
originalarbeit Abb. 4 „Bitte geben Sie kurz an, was jeweils zu ergänzen war bzw. vermerkt wurde.“ (Mehrfachantwort möglich) Basis: Perso- nen, die einen Erstantrag mit Ergänzungsersuchen bzw. einem Vermerk zurückbekommen haben wird von der Krankenkasse keine Begründung für die Antrags im Zeitraum ab der Einreichung des Antrags Verringerung oder Ablehnung gegeben. Abb. 4 zeigt bis zur Bewilligung. Dabei zeigt sich immer dasselbe eine Zusammenschau der Antworten zu den Inhalten Bild: Das für die Wiener Gebietskrankenkasse erfor- der Vermerke der Krankenkasse (betraf überwiegend derliche Prozedere bedeutet in der Wahrnehmung die WGKK und KFA). der Therapeut_innen eine signifikant (t-Wert 2,36, Ein hoher Prozentsatz der Befragten nimmt ei- Signifikanzniveau 95 %) höhere Beeinflussung der ne deutliche Veränderung in der Bewilligungspraxis therapeutischen Beziehung als bei den anderen Ver- wahr: Während 36 % keine oder nur mäßige Verände- sicherungen. Die Richtung der Beeinflussung wurde rungen konstatieren, geben 62 % an, große bis sehr in der Frageformulierung nicht ausgeführt. Die of- große Veränderungen in den Jahren 2017 und 2018 fenen, ergänzenden Antworten berichten allerdings erlebt zu haben. Mehrere Antwortende vermuteten ausschließlich von negativer Einflussnahme auf die im offenen Teil der Fragen, dass diese Veränderung therapeutische Beziehung (vgl. Abb. 5). aufgrund einer Einsparungspolitik erfolgte. Ebenso ist es bei den Fragen nach Stress seitens der Weitere Fragen bezogen sich darauf, ob der Prozess Patient_in in Zusammenhang mit der Antragstellung und die Art der Antragstellung in der Wahrnehmung (durch Weitergabe intimer Daten in der Anamnese) der Psychotherapeut_innen einen Einfluss auf die und der Bewilligungspraxis im psychotherapeutischen therapeutische Beziehung ausübt. Hier zeigen sich in Prozess: Auch hier ist der Prozess für die Patient_innen den Antworten der Therapeut_innen bei WGKK und bzgl. Anträgen bei der Wiener Gebietskrankenkasse in KFA Unterschiede zu den anderen Kassen in Bezug den Augen der Therapeut_innen signifikant am be- auf eine generelle Beeinflussung durch die Bewilli- lastendsten (t-Wert 2,65 Signifikanzniveau 95 %) (vgl. gungspraxis. Abb. 6). Weitere skalierte Detailfragen zum Einfluss der An- Die offenen Antworten der Befragung beziehen sich träge auf die therapeutische Beziehung beschäftigten zu einem überwiegenden Teil auf das Bewilligungs- sich mit dem Aufbau der therapeutischen Beziehung procedere der WGKK. Sie zeigen, dass eine v. a. von in der Phase der Antragstellung, dem Ausfüllen des der WGKK geforderte fachärztliche psychiatrische Antrags oder dem Warten auf die Genehmigung des Begutachtung oft über mehrere Wochen Thema in Erfahrungen von Wiener Psychotherapeut_innen mit der Antragstellung und Bewilligungspraxis der. . . K
originalarbeit Abb. 5 „Ich habe die Er- fahrung gemacht . . . dass durch die Bewilligungs- praxis der Krankenkas- sen (Zeitraum ab der Ein- reichung des Antrags bis zur Bewilligung bzw. Nicht- bewilligung) die therapeu- tische Beziehung beein- flusst wird.“ Top 2 („6“ und „5“) einer 6-stufigen Ska- la von „1“ = „niedrig“ bis „6“ = „hoch“ Abb. 6 „Der Stress sei- tens des/r Patient_in/ Klient_in in Zusammen- hang mit der Antragstel- lung und Bewilligungspra- xis im psychotherapeuti- schen Prozess ist laut Aus- sagen von Patient_innen/ Klient_innen . . . “ Top 2 („6“ und „5“) einer 6-stufigen Skala von „1“ = „niedrig“ bis „6“ = „hoch“ der Therapie ist. Diese Begutachtungen werden ent- Diagnose aber nur mit verkürzter Stundenanzahl ge- weder schon zur Genehmigung des Erstantrags oder nehmigt wird. Immer wieder geben Therapeut_innen bei einer Verlängerung der Therapie gefordert. Die bei der WGKK und KFA auch an, wie schwierig für Therapeut_innen beklagen, dass die Bewilligung der Sie die Gratwanderung ist, einerseits die Daten der Therapie durch die WGKK oftmals an die Einnahme Patient_innen ausreichend zu schützen und anderer- von Psychopharmaka geknüpft wird. Es gibt Berichte, seits doch genügend Inhalte zur Genehmigung des dass in den Begutachtungen der Patient_innen durch Antrags zur Verfügung zu stellen. Krankenkassenärzt_innen die jeweilige psychothe- rapeutische Methode in Zweifel gestellt wird – was Weitere Ergebnisse ebenfalls zu Belastungen in der therapeutischen Be- ziehung führt. Vor allem hochfrequente Therapien Ein Zusammenhang von Berufserfahrung (Zeit seit mit (mehr als) zwei Sitzungen/Woche werden nicht der Berechtigung zur Berufsausübung = Eintragung bzw. selten genehmigt bzw. die Frequenz und Anzahl in die Psychotherapeut_innenliste des Gesundheits- der Sitzungen stark herabgesetzt. Dies macht bald ministeriums) und der Anzahl der zurückbekom- Folgeanträge nötig, für die dann wieder Hürden wie menen Anträge mit Anmerkungen war nicht festzu- die einer externen Begutachtung errichtet werden. All stellen. Allerdings haben jene Therapeut_innen, die dies behindert den Prozess der Therapie und braucht viele Patient_innen behandeln und daher viele An- zusätzliche Zeit, um die so entstandenen Irritationen träge ausfüllen, signifikant weniger Rückfragen und zu bearbeiten. Die Therapeut_innen geben zudem Anmerkungen durch die Krankenkassen (für 2017: an, dass die Anträge von ein und derselben Kran- –0,0144 und für 2018: –0,0170 Pearson Test). Je mehr kenkasse individuell sehr unterschiedlich behandelt Patient_innen behandelt (und Anträge ausgefüllt) werden. Sie können oft nicht nachvollziehen, warum werden, desto weniger werden abgelehnt oder modi- ein Antrag angenommen, ein anderer mit derselben fiziert. D. h. die Routine im Ausfüllen von Anträgen K Erfahrungen von Wiener Psychotherapeut_innen mit der Antragstellung und Bewilligungspraxis der. . .
originalarbeit dürfte eine bedeutende Rolle spielen, ob der Antrag wortenden Psychotherapeut_innen mit der aktuellen zufriedenstellend bearbeitet wird. Bewilligungspraxis, insbesondere durch die Wiener Es werden signifikant mehr Anträge von Psycho- Gebietskrankenkasse und KFA unzufrieden ist. Je therapeut_innen aus der privaten Einzelpraxis als von mehr Routine Psychotherapeut_innen allerdings mit solchen, die in Institutionen arbeiten, mit Nachforde- der Antragstellung haben (d. h. je mehr Patient_innen rungen oder Anmerkungen retourniert (t-Test 0,126). pro Woche/Jahr sie behandeln und somit für sie An- Bezüglich der Variablen „Gender“ zeigt sich, dass An- träge ausfüllen) desto weniger Nachfragen und Nach- merkungen und Rückfragen seitens der Krankenkas- forderungen werden berichtet. Eindrücklich sind die sen bei weiblichen und männlichen Therapeut_innen inhaltlichen Ergebnisse aus den offenen Antworten, gleichverteilt sind. Männliche Therapeuten berichten die in hoher Übereinstimmung immer wieder die glei- allerdings signifikant häufiger über gänzlich abge- chen Kritikpunkte v. a. an zwei Versicherungsträgern lehnte Anträge (t-Test 0,124). (WGKK und KFA) belegen. Jene Therapeut_innen, die eine hohe Unzufrieden- heit mit der Bewilligungspraxis angaben, waren auch Conclusio jene, die eine hohe Anzahl an Anträgen zur weiteren Bearbeitung retourniert bekamen. Diese hoch unzu- Neben der berufspolitischen Vertretung der Wiener friedenen Therapeut_innen sehen auch eher eine Ver- Psychotherapeut_innen ist eines der Hauptziele des änderung der Bewilligungspraxis. Wiener Landesverbandes für Psychotherapie die Qua- lität der psychotherapeutischen Versorgung sicher- Diskussion und Limitationen zustellen. Die Befragungsergebnisse sprechen dafür, dass die Krankenkassen, insbesondere die WGKK und Auftraggeber der Forschung ist ein berufspolitisches die KFA, in den letzten Jahren ab 2017 ihre Bearbei- Gremium (WLP), das die Ergebnisse auch in Gesprä- tungs- bzw. Bewilligungspraxis von Kostenzuschüssen chen mit den Krankenkassen3 thematisieren will. Die zur Psychotherapie in einer Weise verändert haben, so entstandene Studie stellt ein Beispiel für die Ver- die die Qualität der Psychotherapie mindern können schränkung von psychotherapeutischer Praxis und (nicht ausreichende Behandlungsdauer, Irritationen Wissenschaft dar: Sie versucht Praxisbeobachtun- in der therapeutischen Beziehung und im Prozess). gen zu systematisieren und Hintergründe sichtbar zu Allerdings scheint es auch von der Erfahrung der machen, um diese Ergebnisse zur Optimierung der Psychotherapeut_innen mit der Antragstellung abzu- Praxis einzusetzen. Das Thema der Untersuchung ist hängen, wie viele Anträge von den Krankenkassen zu- ein Feld, das in der Psychotherapieforschung nur sel- rückgeschickt bzw. abgelehnt werden. Hier könnten ten in den Blick genommen wird. Die Organisation Schulungen der Psychotherapeut_innen möglicher- und Abwicklung von Psychotherapie, deren Finanzie- weise vorbeugen. rung und die damit verbundenen Prozesse spiegeln Psychotherapie ist in Österreich im Rahmen der den gesellschaftlichen Status dieser Heilbehandlung Krankenbehandlung eine der ärztlichen Hilfe gleich- wider. Sie sind als extratherapeutische Faktoren we- gestellte Leistung (§ 135 Abs. 1 Z. 3 ASVG). Gemäß sentlicher Einflussfaktor auf die Inanspruchnahme § 133 ASVG muss „die Krankenbehandlung . . . aus- von Psychotherapie durch psychisch leidende Pa- reichend und zweckmäßig sein, sie darf jedoch das tient_innen. Die Studie wirft ein Streiflicht auf die Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Durch administrativen Schwierigkeiten, mit denen Psycho- die Krankenbehandlung sollen die Gesundheit, die therapeut_innen und ihre Patient_innen zu kämpfen Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebens- haben, vor allem wenn längerfristige Behandlungen wichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, nach in freier Praxis indiziert sind. Möglichkeit wiederhergestellt, gefestigt oder gebessert An der vorliegenden Befragung haben zumeist werden . . . “. Was die Krankenkassen als zweckmäßig Psychotherapeut_innen, die schon länger in freier und ausreichend zur Wiederherstellung oder Verbes- Praxis arbeiten, teilgenommen. Von diesen berich- serung der Gesundheit beurteilen, unterscheidet sich tet ein hoher Prozentsatz über Schwierigkeiten mit laut der Erfahrungen der Psychotherapeut_innen je der Antragstellung speziell bei einem Krankenversi- nach den einzelnen Versicherungsträgern, oft auch cherungsträger, die stellenweise den Prozess und die je nach Sachbearbeiter_in in einer Versicherung. therapeutische Beziehung beeinflussen. Die Studie Die Befragung zeigt deutlich, dass die Psychothe- zeigt, dass ein deutlich überwiegender Teil der ant- rapeut_innen bezüglich der einzelnen Krankenkassen eklatante Unterschiede berichten, ob und wann eine Krankenbehandlung von einer Krankenkasse ausrei- 3 Seit 2020 sind die österr. Krankenkassen einem Fusionsprozess chend und zweckmäßig beurteilt wird und das Maß unterworfen. Bis auf die KFA gibt es die genannten Kassen no- des Notwendigen nicht überschreitet. Weitere Be- minell nicht mehr. Nachfolgerin der neun Gebietskrankenkassen mühungen um Transparenz in diesem Feld wären der Bundesländer ist die Österreichische Gesundheitskasse mit neun Landesstellen. An den Abläufen die Psychotherapie betref- zu begrüßen, v. a. aber wäre eine Änderung der auf- fend hat diese Zusammenlegung der Kassen allerdings (bis dato) gezeigten Ungleichbehandlung nötig. Es ist für die noch nichts geändert. befragten Psychotherapeut_innen wenig transparent, Erfahrungen von Wiener Psychotherapeut_innen mit der Antragstellung und Bewilligungspraxis der. . . K
originalarbeit welche Kriterien die Krankenkassen hinsichtlich ih- chotherapy Ethics gefordert (vgl. Robertson-Preidler rer unterschiedlichen Beurteilungen einer psychothe- et al. 2020). rapeutischen Behandlung anwenden. Unterschiede Förderung Wir danken der Karl Landsteiner Privatuniversität zeigen sich z. B. ganz deutlich zwischen der WGKK für Gesundheitswissenschaften, Krems, Österreich, für ihre und NÖGKK (vgl. Abb. 3, 5 und 6), wobei letztere Unterstützung durch den Open Access Publikationsfonds. deutlich einfacher Zugänge zum Kostenzuschuss für Psychotherapie zu ermöglichen scheint. Interessenkonflikt B. Schigl, L. Lerch und J. Rohner geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Die Studie belegt deutlich, dass eine Ungleich- behandlung der Patient_innen durch die einzelnen Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Krankenkassen in Bezug auf die Antragsbearbeitung Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, wel- und Zuschussgenehmigung vorliegt. Die Antragstel- che die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung lung und der Beginn der Psychotherapie verläuft für und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle manche Patient_innen stressvoller als für andere – ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons je nachdem, bei welcher Krankenkasse sie versichert Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen sind und welches Antragsverfahren sie durchlaufen wurden. müssen. Dass das Antragsprocedere und die Bewil- Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Dritt- ligungspraxis einen Einfluss auf die therapeutische material unterliegen ebenfalls der genannten Creative Com- Beziehung haben, geht ebenso aus den Erfahrungen mons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts der Psychotherapeut_innen hervor. Aus wissenschaft- anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter licher Sicht belegt es die hohe Relevanz von extrathe- der genannten Creative Commons Lizenz steht und die be- rapeutischen Faktoren auf den Prozess der Psychothe- treffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften er- rapie, die in herkömmlicher Psychotherapieforschung laubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen oft nicht beachtet werden. Die vorliegende Studie, des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. die diese Faktoren in den Mittelpunkt stellt zeigt auf, wie wichtig deren Einbeziehung in die Untersuchung Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenz- von Psychotherapie ist. Weitere Analysen etwa der information auf http://creativecommons.org/licenses/by/4. Antragstexte, der Ergänzungsforderungen oder auch 0/deed.de. eine Befragung der Patient_innen, um deren Sicht einzuholen, sind Desiderate für künftige Forschungen Literatur in dem Bereich. Am Beispiel dieser Befragung wird deutlich, dass Allgemeines Sozialversicherungsgesetz ASVG (2020). Inter- bei der Inanspruchnahme von Psychotherapie nicht net. https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe? Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10008147. nur die Interessen von Patient_innen und Psychothe- Zugegriffen: 26. Dez. 2020. rapeut_innen eine Rolle spielen, sondern auch die Asay, T. P., & Lambert, M. J. (2001). Empirische Argumente für Interessen der Sozialversicherungsträger. Die Inter- die allen Therapien gemeinsamen Faktoren: Quantitative essenabwägungen, die stattfinden zwischen dem Gut Ergebnisse. In M. A. Hubble, B. L. Duncan & S. D. Miller einer qualitativ hochwertigen Psychotherapie – ohne (Hrsg.), So wirkt Psychotherapie (S. 41–81). Dortmund: Beeinträchtigung durch die Antragstellung und Bewil- verlag modernes lernen. ligungspraxis – und dem Gut einer zweckdienlichen Bartram, M., & Stewart, J. (2019). Income-based inequities in access to psychotherapy and other mental health services und kostenschonenden Behandlung, sollten nicht in Canada and Australia. Health Policy, 123(1), 45–50. so weit gehen, dass sie zum Nachteil für den/die https://doi.org/10.1016/j.healthpol.2018.10.011. Patient_in gereichen. Finanzielle Interessen von Kos- bestNET Information-Service GmbH (2020). Verhältnis von tenträgern, auf den psychotherapeutischen Prozess EinwohnerInnen zu PsychotherapeutInnen nach Bun- Einfluss zu nehmen, diesen zu verkürzen oder nicht desland. https://www.psyonline.at/contents/14722/ zu bewilligen, müssen zum Wohle des/r Patient_innen statistik-und-daten-zur-psychotherapie. Zugegriffen: nachranging und maßvoll sein. Aus ethischer und 3. Juni 2021 Epping, J., Muschik, D., & Geyer, S. (2017). Social inequalities politischer Sicht kann man die Frage ableiten, wie in the utilization of outpatient psychotherapy: analyses of groß der Einfluss von Krankenkassen und sonstigen registry data from German statutory health insurance. In- Interessenträgern (z. B. Zusatzversicherungen, sons- ternational Journal for Equity in Health, 16, 147. https:// tige Behörden) auf Psychotherapie sein darf. Hier doi.org/10.1186/s12939-017-0644-5. könnte das österreichische Gesundheitsministerium Jacobi, F., Höfler, M., Strehle, J., Mack, S., Gerschler, A., Scholl, als oberste Aufsichtsbehörde für Psychotherapie ei- L., et al. (2014). Psychische Störungen in der Allge- meinbevölkerung. Studie zur Gesundheit Erwachsener ne Feststellung vornehmen, wieviel Einflussnahme in Deutschland und ihr Zusatzmodul psychische Gesund- durch die Sozialversicherungsträger auf den Zugang heit (DEGS1-MH). Nervenarzt, 85(1), 77–87. und die Qualität der Psychotherapie für Patient_innen Orlinsky, D. E. (2009). The “Generic Model of Psychotherapy” sowie Psychotherapeut_innen zumutbar ist bzw. wo after 25 years: evolution of a research-based metatheo- die Grenze zum Schutz der Psychotherapie gezogen ry. Journal of Psychotherapy Integration, 19(4), 319–339. werden muss. Eine diesbezügliche Transparenz und https://doi.org/10.1037/a0017973. Bewusstheit wird auch im Oxford Handbook of Psy- K Erfahrungen von Wiener Psychotherapeut_innen mit der Antragstellung und Bewilligungspraxis der. . .
originalarbeit Orlinsky, D. E., Ronnestad, M. H., & Willutzki, U. (2004). Fif- Robertson-Preidler, J., Biller-Andorno, N., &Johnson, T. (2020). ty years of psychotherapy process-outcome research: Mental health care funding systems and their impact continuity and change. In M. J. Lambert (Hrsg.), Bergin on access to psychotherapy. In M. Trachsel, J. Gaab, and Garfield’s handbook of psychotherapy and behavior N. Biller-Andorno, Ş. Tekin & J. Z. Sadler (Hrsg.), The change (5. Aufl. S. 307–389). New York: Wiley. oxford handbook of psychotheray ethics. https://doi.org/ Plessen,C.,Boeckle,M.,Liegl,G.,Leitner,A.,Schneider,A.,Prei- 10.1093/oxfordhb/9780198817338.013.28. ning, B., & Pieh, C. (2016). Bedarfsanalyse für ambulan- Tanios, A., Grabenhofer-Eggerth, A., & Valady, S. (2020). Studie te Psychotherapie in Österreich. Psychologische Medizin, zur Versorgungswirksamkeit von Psychotherapeutinnen 27(2), 4–9. und Psychotherapeuten in freier Praxis. https://jasmin. Rechnungshof (2019). Bericht des Rechnungshofes. Versor- goeg.at/1499/1/Bericht_Versorgungswirksamkeit%20P gung psychisch Erkrankter durch die Sozialversicherung. TH_bf.pdf. Zugegriffen: 22. Apr. 2020. Wien: Eigenverlag. https://www.rechnungshof.gv.at/rh/ home/home/Versorgung_psychisch_Erkrankter_SV.pdf. Hinweis des Verlags Der Verlag bleibt in Hinblick auf geo- Zugegriffen: 22. Apr. 2020. grafische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröf- fentlichten Karten und Institutsadressen neutral. Erfahrungen von Wiener Psychotherapeut_innen mit der Antragstellung und Bewilligungspraxis der. . . K
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