PALLPAN Nationale Strategie für die Betreuung von schwerkranken und sterbenden Menschen und ihren Angehörigen in Pandemiezeiten (PallPan) - medidoc

Die Seite wird erstellt Yanick Braun
 
WEITER LESEN
PALLPAN Nationale Strategie für die Betreuung von schwerkranken und sterbenden Menschen und ihren Angehörigen in Pandemiezeiten (PallPan) - medidoc
PALLPAN

Nationale Strategie für die Betreuung
von schwerkranken und sterbenden Menschen
und ihren Angehörigen in Pandemiezeiten (PallPan)

Forschungsverbund Palliativmedizin
im Netzwerk Universitätsmedizin (NUM)
PALLPAN Nationale Strategie für die Betreuung von schwerkranken und sterbenden Menschen und ihren Angehörigen in Pandemiezeiten (PallPan) - medidoc
Inhaltsverzeichnis
                                                                                                                               PALLPAN

                     I. Palliativversorgung in der Pandemie
                        Hintergrund..................................................................................... 3
                        Nationale Strategie.......................................................................... 4
                        Betreuung schwerkranker und sterbender Menschen................... 5
                        PallPan-Projekt................................................................................. 6
                        National Pandemic Preparedness................................................... 7

                     II. Handlungsempfehlungen
                         Patient*innen und Angehörige unterstützen.................................. 8
                         Mitarbeitende unterstützen........................................................... 26
                         Strukturen und Angebote der Palliativversorgung
                         unterstützen und aufrechterhalten................................................ 33

                     III. Anhang
                          Übersicht der PallPan-Studien........................................................ 42
                          Zusammenfassungen der 16 PallPan-Studien................................ 43
                          Literaturverzeichnis........................................................................ 75
                          Der PallPan-Verbund...................................................................... 78
                          Impressum...................................................................................... 81
PALLPAN Nationale Strategie für die Betreuung von schwerkranken und sterbenden Menschen und ihren Angehörigen in Pandemiezeiten (PallPan) - medidoc
Hintergrund                                            Universitätsmedizin Rostock
                                                       Klinik III (Hämatologie/Palliativmedizin)

                                                       Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Sterben und Tod während der Corona-Pandemie            II. Medizinische Klinik und Poliklinik
Erfahrungen im Umgang mit Sterben und Tod              (Onkologie/Hämatologie/Palliativmedizin)
während der Corona-Pandemie waren geprägt
                                                       Universitätsmedizin Düsseldorf
                                                                                                                                  PALLPAN
von Einsamkeit. Schwerstkranke und sterbende
                                                       Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin
Menschen, ob infiziert oder nicht, waren von
Besuchseinschränkungen ganz besonders                  Universitätsklinikum Würzburg
betroffen - viele blieben selbst in der letzten, oft   Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin
schwersten Phase ihres Lebens allein. Darunter
litten Patient*innen, ihre Angehörigen, aber auch      Universitätsklinikum RWTH Aachen
die Versorgenden. Einige unterstützende Angebote       Klinik für Palliativmedizin
für die Behandlung und Begleitung der Menschen
am Lebensende waren durch die ergriffenen              Uniklinik Köln
Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nicht            Zentrum für Palliativmedizin und
                                                       Klinik für Innere Medizin I
mehr umsetzbar.
                                                       Universitätsmedizin Göttingen
Nationale Strategie für die Betreuung                  Klinik für Palliativmedizin
Schwerkranker und Sterbender in Pandemiezeiten
                                                       Universitätsklinikum Jena
Damit schwerkranke und sterbende Menschen              Abteilung Palliativmedizin
sowie ihre Angehörigen im weiteren Verlauf der
Pandemie und auch in künftigen Pandemien in            Universitätsklinikum Bonn
vollem Umfang begleitet und unterstützt werden         Klinik für Palliativmedizin
können, braucht es eine nationale, verbindliche
Strategie in Form von Handlungsempfehlungen und        LMU Klinikum München
Best Practice-Beispielen für den praktischen Alltag.   Klinik für Palliativmedizin

                                                       Universitätsklinikum Freiburg
PallPan                                                Klinik für Palliativmedizin
Die Entwicklung dieser Nationalen Strategie ist das
Ziel des Verbundprojekts „Palliativversorgung in       Universitätsklinikum Erlangen
Pandemiezeiten“ - kurz PallPan. PallPan ist Teil des   Palliativmedizinische Abteilung
Netzwerks Universitätsmedizin (NUM) und wird
                                                       Medizinische Hochschule Hannover
vom Bundesministerium für Bildung und Forschung        Institut für Allgemeinmedizin
(BMBF) gefördert.

                                                       Der PallPan-Verbund: 13 universitäre palliativmedizinische Einrichtungen
                                                                                                                                            3
PALLPAN Nationale Strategie für die Betreuung von schwerkranken und sterbenden Menschen und ihren Angehörigen in Pandemiezeiten (PallPan) - medidoc
Nationale Strategie
Ziel
Die Nationale Strategie für die Betreuung von
                                                                       Versorgende                                         PALLPAN
schwerkranken und sterbenden Menschen und
ihren Angehörigen in Pandemiezeiten verfolgt das
Ziel, deutschlandweit eine menschenwürdige und                       Ärzt*innen, Pflegende,
kompetente Begleitung schwerkranker, sterbender                  Psycholog*innen, Seelsorgende,
und trauernder Menschen unter den erschwerten                         Sozialarbeiter*innen,
Umständen einer Pandemie zu ermöglichen.                         Therapeut*innen, Ehrenamtliche
                                                                          und Weitere
Datengrundlage                                                                                                    Leiter*innen von
Die Grundlage für die Entwicklung der Strategie                                                                  Einrichtungen und
bilden - neben den Studien aus der internationalen                                                                    Diensten
Literatur - die Ergebnisse aus insgesamt 16 Studien,
die 2020 und 2021 im Verbundprojekt PallPan                                                                   Menschen in Leitungsfunktionen in
durchgeführt wurden. Die PallPan-Studien haben                                                              Krankenhäusern, Alten-/Pflegeheimen,
Betroffene, Versorgende und Verantwortliche im                                                                   ambulanten Pflegediensten,
Gesundheitssystem und in der Politik nach ihren                                                                SAPV (Spezialisierte Ambulante
Erfahrungen während der Corona-Pandemie befragt                                                                     Palliativversorgung),
und deren Aussagen systematisch untersucht und                   Bundes-/Landes-                                   Hospizen und Weitere
ausgewertet.                                                     regierungen und
                                                              kommunale Verwaltungen
Handlungsempfehlungen
Kernstück der Strategie sind konkrete                               u.a. Gesundheitsämter, RKI,
Handlungsempfehlungen, die sich in drei Kapitel                     Krisenstäbe von Bund-Land-
untergliedern:                                                              Kommunen
 • Patient*innen und Angehörige unterstützen
 • Mitarbeitende unterstützen
 • Strukturen und Angebote der Palliativversorgung
   unterstützen und aufrechterhalten

                                                       Zielgruppen der Nationalen Strategie für die Betreuung von schwerkranken und sterbenden Menschen
                                                       und ihren Angehörigen in Pandemiezeiten

                                                                                                                                                          4
Betreuung schwerkranker
und sterbender Menschen
                                                                                                  Bestmögliche
Ziele der Palliativversorgung                                                                   Lebensqualität bis
                                                                                                     zuletzt
Die Hospiz- und Palliativversorgung - die Betreuung schwer-                                                                        Linderung
kranker und sterbender Menschen und ihrer Angehörigen                                                                           von körperlichen
- ist inzwischen fester Bestandteil des deutschen Gesund-                                                                        Beschwerden
heitswesens. Ziel ist es, Leiden zu lindern und die Lebens-
                                                                        Information und
qualität der Betroffenen zu erhalten und zu verbessern. Die                Begleitung
Angehörigen werden bis in die Trauerphase unterstützt.                von Angehörigen und
Manche sprechen auch von Palliativmedizin oder Palliativ-/                 Trauernden
Hospizversorgung oder Palliative Care.
                                                                                                         Grundsätze
                                                                                                        der Betreuung                         Unterstützung
Einrichtungen und Beteiligte                                                                                                                bei psychosozialen
                                                                                                      schwerkranker und                      und spirituellen
Die Betreuung von schwerkranken und sterbenden Men-
schen ist Aufgabe von allen Haupt- und Ehrenamtlichen im
                                                                                                         sterbender                            Belastungen
Gesundheitswesen, die Menschen am Lebensende behan-                                                       Menschen
deln und begleiten. Dies kann zuhause, im Pflegeheim oder                Berücksichtigung
im Krankenhaus sein (= allgemeine Palliativversorgung). Bei                 kultureller
schwierigen und komplexen Situationen können Spezialisten                 Hintergründe
der Palliativversorgung (= spezialisierte Palliativversorgung)
ergänzend hinzugezogen werden. Diese stehen ambulant                                                                             Gemeinsame
                                                                                                                               Entscheidung über
für die häusliche Versorgung oder in Pflegeheimen (z.B. als
                                                                                                                                 Behandlungs-
SAPV-Team) oder stationär im Krankenhaus (z.B. als Palliativ-                                     Begleitung und
                                                                                                                                  maßnahmen
dienste oder Palliativstation) zur Verfügung.                                                   Unterstützung in der
                                                                                                   Sterbephase
Palliativversorgung in der Pandemie
Die Grundsätze der Palliativversorgung sind in der Charta
zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen
in Deutschland (Link) und in der S3-Leitlinie Palliativmedizin
(Link) ausführlich beschrieben. Die hier vorgestellte Natio-
nale Strategie beschreibt 33 konkrete Handlungsempfehlun-
gen, um die Grundsätze der Palliativmedizin auch unter den       Grundsätze zur Palliativversorgung, auch unabhängig von einer Pandemie (S3 Leitlinie Palliativmedizin/
schwierigen Bedingungen während einer Pandemie sicherzu-         Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland)
stellen.

                                                                                                                                                                          5
PallPan-Projekt
                                                                  Erfahrungen von Patient*innen und           AP   PALLPAN
Die Arbeitspakete des PallPan-Projektes                               Angehörigen in Pandemiezeiten

                                                                                                              1
                                                            Erfahrungen, Bedürfnisse, Belastungen von
Das PallPan-Projekt besteht aus zehn gleichzeitig        schwerkranken und sterbenden Patient*innen                      Pandemiepläne und Krisenstäbe auf Bundes-,
laufenden Arbeitspaketen:                                        in verschiedenen Versorgungssettings                    Landes-, Stadt- und Kreisebene und lokaler
                                                                                                                    AP   Gesundheitseinrichtungen

                                                                                                                   6
                                                                                                                         Untersuchung von Pandemie-Krisenstäben und
16 Studien | AP 1-7                                                                                                      Schnittstellen zu Krisenstäben der lokalen Gesund-
In den Arbeitspaketen 1-7 wurden Betroffene,                Allgemeine ambulante Palliativversorgung                     heitseinrichtungen hinsichtlich ethischer und prak-
Versorgende und Verantwortliche im                                                             (AAPV)
                                                                   Erfahrungen, Herausforderungen und
                                                                                                              AP         tischer Herausforderungen (Priorisierung/Triage),

                                                                                                              2
Gesundheitssystem und in der Politik nach ihren                                                                          Sammlung und Auswertung von Pandemieplänen
                                                                    Lösungsansätze von Hausärzt*innen,
Erfahrungen während der Corona-Pandemie befragt            Fachärzt*innen, ambulanten Pflegediensten,
und deren Aussagen systematisch untersucht und              Alten- und Pflegeheimen, Einrichtungen der                   Evidenzsynthese der nationalen und
ausgewertet. Außerdem wurden Pandemie- und                                          Eingliederungshilfe             AP   internationalen Literatur zu Palliativversorgung

                                                                                                                   7
                                                                                                                         in Pandemiezeiten
Krisenpläne sowie die nationale und internationale                                                                       Identifikation und Synthese der nationalen und
Literatur ausgewertet.                                                                                                   internationalen Literatur und von Empfehlungen
                                                          Spezialisierte ambulante Palliativversorgung
                                                                 (SAPV) und ambulante Hospizdienste
                                                                                                              AP         für Palliativversorgung in Pandemiesituationen

                                                                                                              3
Handlungsempfehlungen | AP 8                                      Erfahrungen, Herausforderungen und
In Arbeitspaket 8 wurden die                             Lösungsansätze für die Arbeit von SAPV-Teams                    Handlungsempfehlungen
                                                                        und ambulanten Hospizdiensten
Handlungsempfehlungen basierend auf den                                                                             AP   Entwicklung und Konsentierung von
                                                                                                                         Handlungsempfehlungen für die Nationale

                                                                                                                   8
Ergebnissen der Arbeitspakete 1-7 entwickelt.
                                                                                                                         Strategie für die Betreuung von schwerkranken
Die Handlungsempfehlungen wurden im Rahmen                                                                               und sterbenden Menschen und ihren
eines Delphi-Prozesses mit 120 Expert*innen aus             Allgemeine stationäre Palliativversorgung                    Angehörigen in Pandemiezeiten basierend auf
verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens,                                                 (ASPV)         AP         den Studien aus den Arbeitspaketen AP 1-7

                                                                                                              4
                                                                 Erfahrungen, Herausforderungen und
der Verwaltung und Politik konsentiert.                             Lösungsansätze in Krankenhäusern                     Informationsmaterialien für die Praxis und
                                                                  der Regel-, Schwerpunkt-, sowie der                    Definition von Merkmalen zur wissenschaftlichen
Informationssammlung | AP 9                                                       Maximalversorgung                 AP   Erfassung der Palliativversorgung in

                                                                                                                   9
                                                                                                                         Pandemiezeiten
Arbeitspaket 9 hat Best Practice-Beispiele gesammelt                                                                     Erstellen von Informations- und
und Merkmale zur Betreuung schwerkranker und               Spezialisierte stationäre Palliativversorgung                 Schulungsmaterialien, Best Practice-
sterbender Menschen für Forschungsprojekte                                                          (SSPV)
                                                                   Erfahrungen, Herausforderungen und
                                                                                                              AP         Beispiele, digitale Informationsplattform,

                                                                                                              5
identifiziert.                                                                                                           Forschungsdatenbank
                                                                 Lösungsansätze von Mitarbeitenden auf
                                                            Palliativstationen, in Palliativdiensten und in
Projektkoordination | AP 10                            stationären Hospizen in Bezug auf die Betreuung
                                                                                                                    AP   Projektmanagement und Koordination

                                                                                                                   10
Arbeitspaket 10 beinhaltet die Koordination und                      sowie Schutz- und Hygienekonzepte                   Koordination des Forschungsverbund PallPan,
Organisation des ganzen PallPan-Projekts.                                                                                Kontakt mit Nationaler Task Force und
                                                                                                                         anderen Konsortien im Forschungsnetzwerk,
                                                                                                                         Organisation eines Abschlusssymposiums
                                                        Die Arbeitspakete des PallPan-Projektes
                                                                                                                                                                            6
PallPan als ein Baustein der
                            Nationalen Pandemic Preparedness

           Webbasierte                                                       Weiterentwicklung
         PallPan-Plattform                                                          und
                (in 2021)                                                     Aktualisierung
Zielgruppengerechte Bereitstellung
       von Informationsmaterial:                                             Kontinuierliche Aktualisierung
                                                                              der zur Verfügung gestellten
          • Schulungsmaterial                                                  Informationen und
             • Praxisbeispiele                                                   Anpassung der
   • Angebot für trauernde                                                        Handlungsempfehlungen
                 Angehörige                                                       an neue Erkenntnisse
   • Weiterführende Links
      • Studiendatenbank                            PALLPAN
                                               Nationale Strategie
                                              für die Betreuung von
                                     schwerkranken und sterbenden Menschen
                                              und ihren Angehörigen
                                                in Pandemiezeiten

                                                                                                              7
33 Handlungsempfehlungen

Handlungsempfehlungen     Handlungsempfehlungen     Handlungsempfehlungen

      1-19                     20-25                     26-33
  Patient*innen             Mitarbeitende         Strukturen und Angebote
 und Angehörige             unterstützen           der Palliativversorgung
   unterstützen                                       unterstützen und
                                                      aufrechterhalten

                                                                             8
Handlungsempfehlungen

                                               1-19
                                     Patient*innen
                                                                                                           Hintergrund der Handlungsempfehlungen
                                    und Angehörige                                                         Welche Herausforderungen wurden durch die

                                      unterstützen                                                         PallPan-Studien identifiziert?
                                                                                                           ●● Die Pandemie führte zu einer medizinischen Unterversor-
                                                                                                              gung der schwerkranken und sterbenden Menschen:
                                                                                                               •• Infizierten Patient*innen stand oft keine spezialisierte
                                                                                                                  Palliativversorgung zur Verfügung; Versorgende hatten
                                                                                                                  z.T. Angst vor einer Infektion.
                                                                                                               •• Es fanden weniger Hausbesuche aufgrund bestehen-
      Handlungsempfehlungen 1-5                                                                                   der Unsicherheiten bei Versorgenden und Patient*in-
                                                                                                                  nen oder aufgrund der Kontaktbeschränkungen statt.
      Palliativversorgung bei infizierten und nicht-infizierten                                                •• Symptome konnten oft nicht ausreichend gelindert
      Menschen gewährleisten                                                                                      werden aufgrund zu weniger oder zu später eigentlich
                                                                                                                  notwendiger stationärer Aufenthalte oder zu früher
      Die im Rahmen des PallPan-Projektes durchgeführten Erhebungen verdeutlichen, wie die                        Krankenhaus-Entlassungen. Z.T. wollten die Patien-
      Versorgung von Menschen am Lebensende in einer Pandemiesituation herausgefordert ist.                       ten selbst nicht ins Krankenhaus aus Angst vor einer
                                                                                                                  Infektion.
      Schwerkranken und sterbenden Menschen mit einer Infektionskrankheit drohen in erster
      Linie Vereinsamung und palliativmedizinische Unterversorgung. Aber auch nicht-infizierte                 •• Die Verfügbarkeit von Medikamenten war durch
      Menschen sind von den Kontaktbeschränkungen, den z.T. unzureichenden materiellen                            Lieferengpässe und Mangel an Verschreibungen
      Kapazitäten (Impfungen, Schutzausrüstung, Testungen, etc…) und der starken Auslastung des                   aufgrund reduzierter Arzt-Patienten-Kontakte einge-
      Gesundheitssystems betroffen. Doch die Erhebungen haben auch gezeigt, dass der Einsatz und                  schränkt.
      das Engagement vieler Versorgenden es oft ermöglichte, die Einschränkungen in der Versorgung             •• Es gab zu wenige Testmöglichkeiten, z.B. bei Entlas-
      anderweitig zu kompensieren.                                                                                sung in den ambulanten Bereich.
      Pandemieszenarien, in denen eine generelle intensivmedizinische Ressourcenknappheit herrscht,            •• Kontaktbeschränkungen erschwerten die interdiszipli-
      sind bisher in Deutschland nicht aufgetreten. Solche Erfahrungen in anderen Ländern machen                  näre und multiprofessionelle Zusammenarbeit.
      dennoch deutlich, wie wichtig eine gute palliativmedizinische Behandlung bei Menschen ist, die       ●● Patient*innen vereinsamten oft aufgrund der einge-
      lebenserhaltende Therapien nicht (mehr) bekommen können. Insgesamt weisen die Erhebungen                schränkten Besuchsmöglichkeiten durch die Angehörigen,
      auf die zentrale Rolle der spezialisierten Palliativversorgung hin, deren Expertise durch Beratung      aber auch aufgrund seltener Besuche des Pflegepersonals
      und (Mit-)Behandlung zur bestmöglichen Betreuung am Lebensende beiträgt.                                und häufiger Verlegungen am Lebensende. Fehlende
                                                                                                              Berührungen/Körperkontakt durch die Isolierung wirkten
                                                                                                              sich negativ auf das Wohlbefinden der Patient*innen aus.

PALLPAN
                                                   1                                                                                                                         9
Handlungsempfehlungen 1-5
Palliativversorgung bei infizierten und nicht-infizierten Menschen gewährleisten

                                       1
                  Versorgende sollen infizierte und nicht-infizierte
                                                                                   1 | Umsetzungsbeispiele aus den PallPan-Studien und der Literatur
                                                                                       ●● Telefonische/digitale palliativmedizinische und seelsorgerische Beratung,
                                                                                          auch der Angehörigen.
                  schwerkranke und sterbende Menschen und ihre                         ●● Kontinuierliche Ansprache der Betroffenen durch das multiprofessionelle
                    Angehörigen palliativmedizinisch bestmöglich                          Team (inkl. psychosozialer Berufsgruppen) auf informeller Ebene
                                    behandeln:                                            (bspw. Flurgespräche) und auf strukturierter Ebene (bspw. regelmäßige
                                                                                          Telefonkontakte).
                                                                                       ●● Eintägiger „Letzte Hilfe Kurs“ für Angehörige von schwerkranken und
                 ●● Sie erfassen und lindern belastende Symptome.                         sterbenden Patient*innen (Bollig, 2020).
                 ●● Sie erheben psychosoziale und spirituelle Bedürf-                  ●● Einsatz von Seelsorgenden, Sozialarbeiter*innen und Psycholog*innen in
                                                                                          der Versorgung auch bei Kontaktbeschränkungen.
                    nisse und bieten bei Bedarf Unterstützung an.
                                                                                       ●● Einsatz von ambulanten Hospizkoordinator*innen zur Beratung und
                 ●● Die Einrichtungsleitung hält Medikamente für die                      Unterstützung Angehöriger.
                    Linderung der häufigsten Infektionssymptome                        ●● Freiwillige treffen sich vor Stationen mit Angehörigen.
                    vor.                                                               ●● Zentralapotheken legen Vorrat mit essentiellen Medikamenten (z.B.
                                                                                          Morphin) für 4 Wochen an. (Link)
                 ●● Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin
                    (DGP) erstellt bei einer Pandemie evidenzbasierte               Weitere Informationen:
                    Empfehlungen zur symptomatischen Linderung                       ●● Übersicht über verschiedene palliativmedizinische Ansätze für die
                    der häufigsten Infektionssymptome.                                  Versorgung von Patient*innen mit COVID-19 und ihren Angehörigen
                                                                                        (Fadul, 2020).

                                                                                     2                                                                                10
Handlungsempfehlungen 1-5
Palliativversorgung bei infizierten und nicht-infizierten Menschen gewährleisten

                                                                                   2 | Umsetzungsbeispiele aus den PallPan-Studien und der Literatur
                                                                                       ●● Palliativdienste und SAPV bieten kurze Praxisempfehlungen,
                                                                                          Schulungen, (konsiliarische) Mitbehandlung, Beratung über
                                                                                          Telefon- und Videosprechstunden.
                                                                                       ●● Peer-Learning für Palliativversorgung und -medizin (kollegiale

                                          2
                                                                                          Telefonberatung und palliativmedizinische Schulungen für andere
                                                                                          Abteilungen, ggf. online).
                                                                                       ●● Zusammenarbeit von spezialisierten und allgemeinen
                                                                                          Palliativversorgungs-Netzwerken und Landesverbänden.
                                                                                       ●● Ethikberatung konsultieren.
                                                                                       ●● Entwicklung eines „Palliative Care Pandemic Pack“ für eine
                          Versorgende sollen bei der Behandlung                           Palliativversorgung durch nicht-spezialisierte Kollegen (Ferguson,
                von infizierten schwerkranken und sterbenden Menschen                     2020).
                     die Expertise und Ressourcen der spezialisierten                  ●● „Palliative Care Toolkit“ für Pflegende in der Notaufnahme (Dundin,
                                                                                          2020).
                 Palliativversorgung (z.B. Palliativdienste, Spezialisierte            ●● In Ressourcen-limitierten Settings werden für die Reaktion auf die
                  ambulante Palliativversorgung (SAPV)) einbeziehen:                      Pandemie drei Schlüsselbereiche vorgeschlagen: 1. Integration
                                                                                          von Palliative Care-Ansätzen in die tägliche Praxis 2. Vereinfachung
                ●● Indikationen für die Einbeziehung: z.B. bei unzureichen-               des biomedizinischen Managements neben multidisziplinärer
                                                                                          Teamarbeit 3. Effektiver Einsatz von Freiwilligen (Knights, 2020).
                   der Symptomlinderung und zur psychosozialen/spiritu-
                   ellen Begleitung, inkl. der Begleitung der Angehörigen;            Weitere Informationen:
                   bei komplexen Therapiezielgesprächen und -entschei-                ●● Flowchart für mögliches Vorgehen der Palliativversorgung bei
                                                                                         schwerkranken COVID-19 Patient*innen und ihren Familien (Ofosu-
                   dungen; bei Bedarf nach Sterbe- und Trauerbegleitung.                 Poku, 2020).
                ●● Wege der Unterstützung: z.B. durch kurze Praxisemp-                ●● Innovationen bei Versorgungsangeboten, Personal, Technologie
                   fehlungen, Schulungen, (konsiliarische) Mitbehand-                    und Ausbildung zur Stärkung der Palliativversorgung in der
                                                                                         Notaufnahme (Aaronson, 2020).
                   lung, Beratung über Telefon/ Videosprechstunden/                   ●● Umfassendes Toolkit mit weiteren Referenzen zur
                   Telemedizin.                                                          Herangehensweise an Symptommanagement, Kommunikation,
                                                                                         pflegerische Maßnahmen mit Video und schriftlichen Online-
                                                                                         Protokollen (deLima Thomas, 2020).

                                                                                                                         3                                       11
Handlungsempfehlungen 1-5
Palliativversorgung bei infizierten und nicht-infizierten Menschen gewährleisten

                                                            3 | Umsetzungsbeispiele aus den PallPan-Studien und
                                                                der Literatur
                                                                ●● Fehlende Sterbebegleitung durch Angehörige
                                                                                                                                      3
                            4
                                                                   auf Infizierten-Stationen wird durch Versorgende    Versorgende sollen Vereinsamung,
                                                                   (inkl. Seelsorge, Ehrenamt, Hospizdienste)         Stigmatisierung und Unterversorgung
                                                                   versucht zu kompensieren, falls gewünscht.
                                                                                                                        der infizierten schwerkranken und
                                                                ●● Ängste der Versorgenden vor einer
                                                                   Infektion thematisieren, reflektieren und            sterbenden Menschen vermeiden.
                                                                   Umgangsstrategien entwickeln.
                                                                ●● Versorgende zur pandemischen Erkrankung
                Schwerkranke Menschen,                             schulen.
                    die aufgrund einer
            Priorisierungsentscheidung keine
          lebenserhaltende Therapie erhalten,
          sind palliativmedizinisch bestmöglich
                       zu behandeln.

                                                                                        5
                                                                                                                       5 | Umsetzungsbeispiele aus den PallPan-Studien
                                                                                                                           und der Literatur
                                                                                                                           ●● Krisenstabsleitungen beziehen
                                                                                                                              Palliativmediziner*innen in die Entwicklung
      4 | Umsetzungsbeispiele aus den PallPan-Studien
                                                                                                                              von Triage-Konzepten ein.
          und der Literatur
          ●● Anbindung von SAPV im ambulanten Bereich                  Leiter*innen der Einrichtungen/
             und Palliativdienste im stationären Bereich.           Dienste und Fachgesellschaften sollen
          ●● Entwicklung von Konzepten, die psychosoziale            bei der Entwicklung von lokalen und
             Begleitung durch ambulante Hospizdienste,
             Seelsorge, Psycholog*innen ermöglichen,
                                                                      nationalen Priorisierungskonzepten
             Begleitung besonders auch den Angehörigen              („Triage“-Konzepten) die Anliegen von
             anbieten.                                            schwerkranken und sterbenden Menschen
                                                                  unter Einbeziehung eines Vertretenden der
                                                                     Palliativversorgung berücksichtigen.

                                                                                                                                                                            12
Hintergrund der Handlungsempfehlungen
                                                                          Welche Herausforderungen wurden durch die PallPan-Studien
                                                                          identifiziert?
                                                                          ●● Viele Faktoren schränkten die Patient*innenaufklärung und
                                                                             Therapieziel-Gespräche ein:
     Handlungsempfehlungen 6-7                                               • Kontakt- oder Besuchsbeschränkungen erschwerten den
                                                                               Kontakt zwischen Versorgenden und Patient*innen und ihren
     Patient*innenwillen erfassen und respektieren                             Angehörigen.
                                                                             • Es herrschte Unsicherheit bei den Ärzt*innen bzgl.
     Die Entscheidung über eine Therapie oder medizinische Maßnahmen           Hausbesuchen, klinischem Verlauf der (möglichen) Infektion,
     ist immer in den Kriterien der medizinischen Indikation und der           intensivmedizinischen Kapazitäten. Teilweise kam es zu
     Patienteneinwilligung zu begründen unter der Voraussetzung, dass          suggestiver Kommunikation.
     ausreichend Ressourcen für die Behandlung zur Verfügung stehen.         • Patient*innen waren verunsichert bzgl. der Infektionsgefahr
                                                                               beim Arztkontakt oder Hausbesuch durch die SAPV-Teams
     Die Erhebungen weisen auf die Gefahr hin, dass die Bedürfnisse und        (Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung).
     Präferenzen vulnerabler, insbesondere schwerkranker und sterbender      • Es kam zu Verzögerungen oder Ablehnung von palliativen
     Menschen in Pandemiezeiten aus verschiedenen Gründen (u.a.                Therapien (bspw. Chemotherapien, Bestrahlung) aufgrund
     erschwerter Kontakt zu den Patient*innen und den Angehörigen)             der Kontakt- und Besuchseinschränkungen, die eine
     übersehen werden können. Der Bedarf an frühzeitigen und gut               Einweisung ins Krankenhaus mit sich gebracht hätte.
     dokumentierten Gesprächen über Behandlungspräferenzen und               • Die fehlenden Gespräche über Therapieziele und
     Patientenverfügungen wird deutlich und wiederholt beschrieben.            Behandlungspräferenzen führten immer wieder zu einem
                                                                               Mangel oder Überfluss an intensivmedizinischer Versorgung.
                                                                          ●● Angehörige wurden über Therapiezieländerungen z.T. nicht in
                                                                             Kenntnis gesetzt.
                                                                          ●● Aufgrund von Schnittstellenproblemen zwischen den
                                                                             verschiedenen Versorgenden kam es zu Mängeln in der
                                                                             Patientendokumentation. Auch fehlten häufig (aktuelle)
                                                                             Vorsorgedokumente wie z.B. eine Patientenverfügung oder es
                                                                             wurden keine Aussagen zur Therapie im Infektionsfall getroffen.

PALLPAN                                           6                                                                                            13
Handlungsempfehlungen 6-7
Patient*innenwillen erfassen und respektieren

                                            6
                                 Versorgende sollen Menschen,
                                                                                 6 | Umsetzungsbeispiele aus den PallPan-Studien und der Literatur
                                                                                     ●● Haus- und Fachärzt*innen, SAPV, Palliativdienste und qualifizierte
                                                                                        Gesprächsbegleiter*innen werden bei der Erstellung oder der
                                                                                        Überprüfung und ggf. Überarbeitung von Patientenverfügungen in
                                                                                        Bezug auf die pandemische Erkrankung einbezogen.
                 die schwerkrank sind oder zur Risikogruppe für einen schweren       ●● Einsatz von Berater*innen für die Planung der
                                                                                        Gesundheitsversorgung in Alten- und Pflegeheimen.
                  Infektionsverlauf gehören, und ihren Angehörigen Gespräche
                                                                                     ●● Entwicklung einer App für Videosprechstunde gemäß § 219g Absatz
                     über Therapieziele und Behandlungspräferenzen (u.a. zu             4 SGB V.
                 Krankenhauseinweisung, Behandlung auf einer Intensivstation         ●● Entwicklung von Gesprächsleitfäden.
                             und Reanimation) frühzeitig anbieten:                   ●● Implementierung eines Palliative-Care-Response Teams in der
                                                                                        Notaufnahme zur Durchführung von Therapiezielgesprächen in
                   ●● Leiter*innen der Einrichtungen/Dienste planen Gesprä-             zeitkritischen Situationen (Nakagawa, 2020).
                      che im Pandemieplan ein.                                       ●● Möglichkeiten zur Identifizierung gefährdeter Patient*innen:
                                                                                        Surprise Question, SPICT Kriterien (Indikatoren für eine supportive
                   ●● Im Gespräch nicht suggestiv kommunizieren, um durch               und palliative Versorgung).
                      einen Therapieverzicht knappe Ressourcen freizuhalten.         ●● Hinweise zu Aktualisierungen von Patientenverfügungen angesichts
                                                                                        der Pandemie nutzen (Link).
                   ●● Persönliches Gespräch bevorzugen; wenn nicht möglich,          ●● Wahrung der Patient*innenwürde durch die „Patient Dignity
                      dann proaktiv digitale Kommunikationsmittel nutzen.               Question“ (PDQ) (Chochinov, 2020).

                   ●● Gespräche dokumentieren und entsprechende Formula-           Weitere Informationen:
                      re nutzen.                                                   ●● Vorgaben für Versorgende zur Planung, Durchführung und
                                                                                      Auswertung von Gesprächen über Versorgungsziele: GOOD-
                   ●● Gespräche möglichst präklinisch anbieten.                       Framework (Petriceks, 2020).

                                                                                                           7                                                  14
Handlungsempfehlungen 6-7
Patient*innenwillen erfassen und respektieren

                                                7
                                Versorgende sollen den aktuell erklärten,
                        vorausverfügten oder mutmaßlichen Willen der infizierten
                          und nicht-infizierten schwerkranken oder sterbenden
                         Menschen bezüglich einer indizierten Therapie erfassen
                                           und berücksichtigen:
                                                                                   7 | Umsetzungsbeispiele aus den PallPan-Studien und der Literatur
                                                                                       ●● Aachener Notfallbogen (Link).
                          ●● Prüfen, ob bereits verfasste Patientenverfügungen
                             und weitere Willensbekundungen aktualisiert
                             sind, u.a. ob sie auf die Infektionskrankheit
                             zutreffen.
                          ●● Patientenverfügungen und weitere
                             Willensbekundungen dokumentieren.
                          ●● Leiter*innen der Einrichtungen/Dienste stellen
                             sicher, dass die Dokumentation zugänglich bleibt
                             und beim Setting-Wechsel mitgeben werden.

                                                                                                                                                       15
Hintergrund der Handlungsempfehlungen
                                                                           Welche Herausforderungen wurden durch die PallPan-Studien identifiziert?
                                                                           ●● Besuchsverbote hatten zum Teil drastische Folgen:

    Handlungsempfehlungen 8-14                                                •• Patient*innen starben allein.
                                                                              •• Es war kein Abschiednehmen möglich, häufig auch, weil die Sterbephase zu
    Besuche und Nähe zwischen                                                     spät erkannt wurde.
                                                                              •• Die Patient*innenversorgung verschlechterte sich, z.B. weil keine Angehöri-
    Patient*innen und Angehörigen ermöglichen                                     gen in der Kommunikation mit den Versorgenden vermitteln konnten.
    Besuchseinschränkungen und –verbote haben seit Anfang der                 •• Angehörige waren traumatisiert, oft auch noch Monate nach dem Tod des*r
    Corona-Pandemie viel Leid sowohl bei den schwerkranken und                    Patient*in (erschwerte Trauer).
    sterbenden Patient*innen als auch bei den Angehörigen und                 •• Die Versorgung durch Hospizmitarbeitende oder Ehrenamtliche wurde an
    Trauernden verursacht und wurden auch in der Öffentlichkeit breit             vielen Orten eingestellt, weil Ehrenamtliche als Besucher gewertet wurden
    thematisiert.                                                                 und keine Zugang mehr erhielten.
                                                                              •• Es kam zu einer massiven psychischen Belastung der Patient*innen. Beson-
    Es gilt einerseits den Einzelnen vor einer Infektion zu schützen und          ders betroffen waren alleinstehende oder körperlich eingeschränkte Pati-
    die Ausbreitung des Erregers in der Bevölkerung zu verhindern.                ent*innen. Das hatte auch Auswirkungen auf den Krankheitsprogress durch
                                                                                  fehlende Fürsorge, z.B. ein verstärkter kognitiver Abbau bei fortgeschrittener
    Andererseits ist das Bedürfnis nach Nähe gerade in schwerer
                                                                                  Demenz oder die Entstehung von neuen Symptomen.
    Krankheit und beim Sterben sowohl für die Patient*innen als
                                                                           ●● Besuchseinschränkungen hatten oft auch strukturelle Ursachen, wie Mangel
    auch für die Angehörigen so wichtig und existentiell, dass ein
                                                                              an Schutzausrüstung für Angehörige, an Personal zur Einweisung der Besucher
    Nicht-Nachkommen dieses Bedürfnisses nicht vertretbar ist und
                                                                              oder an Rückzugsräumen.
    als Verletzung der Menschenwürde beurteilt wird. Trauernde
                                                                           ●● Differenzierte Konzepte, die auch Besuche ermöglichen, waren oft nicht Teil der
    Angehörige, denen der Zugang aufgrund des Infektionsschutzes zu
                                                                              Pandemiepläne (sofern vorhanden), wurden nicht umgesetzt oder waren unklar
    ihren sterbenden Nahestehenden verweigert wurde, berichten auch           formuliert und führten zu Verunsicherung bei Patient*innen und Angehörigen.
    Monate nach dem Versterben von schweren Traumatisierungen.                Es fehlten Konzepte für den Zugang infizierter Angehöriger oder für den Besuch
                                                                              von mehr als einer Kontaktperson (der Besuch durch Kinder war sonst fast
    Andererseits gibt es zahlreiche Berichte von vielfältigen guten           unmöglich).
    Beispielen und Lösungen im Einzelfall oder auf Einrichtungsebene,      ●● Infektionsschutz und Hospizgedanke bzw. würdige Sterbebegleitung waren nur
    in denen eine angemessene Begleitung am Lebensende durch                  schwer zu vereinbaren.
    Angehörige auch in Hochphasen der Pandemie ermöglicht wurde.           ●● Um persönliche Besuche durch digitale Kommunikation kompensieren zu
                                                                              können, fehlten die Voraussetzungen: Es mangelte an Endgeräten oder stabi-
                                                                              lem Internet, das Personal hatte keine Kapazitäten, um bei Schwierigkeiten im
                                                                              Umgang mit Kommunikationsmitteln zu helfen und es herrschte Unklarheit über
                                                                              den Datenschutz.
                                                                           ●● Dokumentation. Es fehlten häufig (aktuelle) Vorsorgedokumente wie z.B. eine
                                                                              Patientenverfügung oder es wurden keine Aussagen zur Therapie im Infektions-

                                          8
                                                                              fall getroffen.

PALLPAN                                                                                                                                                            16
Handlungsempfehlungen 8-14

                                                                                                                        8
Besuche und Nähe zwischen Patient*innen und Angehörigen ermöglichen

                                                                                                           Die individuellen Bedürfnisse
                                                                                                          schwerkranker und sterbender
                                                                                                           Menschen, insbesondere das
                                                                                                        Bedürfnis nach Nähe, sollen in der
                                                                                                       Abwägung mit dem Infektionsschutz
                                                                                                       der Bevölkerung eine immer größere

                                  9
                                                                                                        Gewichtung erhalten, je näher die
                                                                                                                 Sterbephase rückt.

               Leiter*innen der Einrichtungen/Dienste dürfen
                den sterbenden Menschen nicht den Besuch
                 und die Begleitung durch ihre Angehörigen            9 | Umsetzungsbeispiele aus den PallPan-Studien und der Literatur
                                verweigern:                               ●● Einzelzimmer mit guter Lüftungsmöglichkeit und Einhalten der
                                                                             Hygienemaßnahmen, um gemeinsam Abschied nehmen zu können.
              ●● Der Zugang ist frühzeitig zu gewährleisten (bei          ●● Permanenter Aufenthalt bis zum Versterben ermöglichen (Gebäude/
                                                                             Zimmer wird nicht verlassen).
                 Verdacht auf eine nahende Sterbephase und                ●● Testung aller Angehörigen, die sich (längere Zeit) in der Einrichtung
                 möglichst bevor eine Kommunikation mit dem                  aufhalten und damit z.B. Übernachtungsmöglichkeit aufrechterhalten.
                 schwerkranken Menschen nicht mehr möglich                ●● Ausnahmeregelungen für Besuche für alle Teammitglieder transparent
                 ist).                                                       kommunizieren, im Dokumentationssystem eintragen.
                                                                          ●● Das Feiern von Festen, z.B. letzter Geburtstag, ermöglichen (mit
              ●● Besuch von mehreren nahen Angehörigen                       begrenzter Personenanzahl oder draußen) zur Steigerung der
                 gemeinsam oder gestaffelt ermöglichen.                      Lebensqualität.
                                                                          ●● Angehörige von hochinfektiösen Patient*innen werden während des
                                                                             zeitlich begrenzten Besuchs konsequent durch das Personal begleitet;
                                                                             die dadurch gewährleistete Einhaltung von Hygienemaßnahmen kann
                                                                             die Verhängung einer anschließenden Quarantäne für Besucher*innen
                                                                             verhindern.

                                                                                                                10                                   17
Handlungsempfehlungen 8-14

                                                                                                                                            10
Besuche und Nähe zwischen Patient*innen und Angehörigen ermöglichen

                  10 | Umsetzungsbeispiele aus den PallPan-Studien und der Literatur
                       ●● Erlass des NRW-Gesundheitsministeriums (Link).
                       ●● Einbeziehung verschiedener Akteur*innen (Ärzt*innen, Gesundheitsamt, Leiter*innen
                          stationärer Pflegeeinrichtungen/Kliniken, spezialisierte ambulante Palliativversorgung            Die Bundes- und Landesregierungen
                          (SAPV)) bei der Entwicklung von zentralen (kreis-, landes- oder bundesweiten)                       und kommunalen Verwaltungen
                          Besuchsregelungen, z. B. für Pflegeeinrichtungen.
                                                                                                                                sollen bei Anordnungen von
                       ●● Verordnung Niedersachsens, die Sterbebegleitung durch ambulante Hospizdienste erlaubt
                          (Niedersächsische Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 8. Mai 2020)
                                                                                                                            Kontaktbeschränkungen gesonderte
                                                                                                                          Regelungen für schwerkranke, sterbende
                                                                                                                             und trauernde Menschen und ihre
                                                                                                                          Angehörigen (jeweils für nicht Infizierte

                                       11
                                                                                                                                  und Infizierte) erstellen.

                   Leiter*innen der Einrichtungen und Krisenstäbe
                    sollen ein Besuchskonzept für Angehörige von
                 nicht-infizierten und infizierten schwerkranken und                           11 | Umsetzungsbeispiele aus den PallPan-Studien und der Literatur
                            sterbenden Menschen erstellen:                                          ●● Lübecker Ampelsystem (LAS) (Link).
                                                                                                    ●● Regelmäßige Testung von Angehörigen.
                ●● Einzelfallentscheidungen ermöglichen, wofür                                      ●● „Ganzkörperschutzfolie“, die das gegenseitige Umarmen erlaubt.
                   Verantwortliche benannt werden müssen (z.B. mehrere                              ●● Räumliche/bauliche Maßnahmen: Einrichtung von Infektionszimmern und
                   Angehörige gleichzeitig, längere Besuchszeiten).                                    -stationen unter Berücksichtigung palliativer Bedürfnisse; Ausbau/Nutzung
                                                                                                       baulicher Gegebenheiten mit Besucherraum, Schaffung von räumlichen
                ●● Besuch durch infizierte Angehörige als Sonderfall erwägen                           Möglichkeiten bereits außerhalb von pandemischen Situationen notwendig;
                   (Absprache mit Gesundheitsbehörden notwendig).                                      bestehende Abschiedsräume nutzen; Einlass durch den Neben-/ Terrasseneingang.
                                                                                                    ●● Palliativdienst begleitet aktiv Angehörige von infizierten Patienten in leicht
                ●● Zur Sicherstellung des Infektionsschutzes Besuche                                   zugänglichen Räumen außerhalb der Klinik (niederschwellige Hygienevorschriften
                   bei infizierten Menschen möglichst durch Personal                                   und Anwesenheitskontrollen).
                   begleiten lassen.                                                                ●● Möglichkeiten im Freien schaffen, z.B. Balkon-/Fensterbesuche, Spaziergänge,
                                                                                                       Terrasse, Garten.
                ●● Regelungen an alle Beteiligten regelmäßig
                                                                                                    Weitere Informationen:
                   kommunizieren und Ansprechpartner*innen
                                                                                                    ●● Individuelle Entscheidungshilfe, ob virtuelle oder Präsenzbesuche auf
                   benennen.                                                                           verschiedenen Ebenen (Hawkins, 2020).

                                                                                                                     12                                                                 18
Handlungsempfehlungen 8-14

                                                                                                                  12
Besuche und Nähe zwischen Patient*innen und Angehörigen ermöglichen

                                  12 | Umsetzungsbeispiele aus den PallPan-Studien               Leiter*innen der Einrichtungen sollen
                                       und der Literatur                                           für Besuche der Angehörigen von
                                       ●● Anleitungen für Angehörige erstellen, dabei          schwerkranken und sterbenden Menschen
                                          mit Piktogrammen arbeiten.
                                                                                                  ausreichend Schutzausrüstung sowie
                                       ●● Schulungen anbieten, inkl. Videos etc.
                                                                                                 geschultes Personal zur sachgerechten
                                                                                                   Anleitung der Besucher*innen und
                                                                                                    Sicherstellung der Einhaltung der
                                                                                                        Regelungen bereitstellen.

                               13                                            13 | Umsetzungsbeispiele aus den PallPan-Studien und der Literatur
                                                                                  ●● Einsatz von Ehrenamtlichen zur Begleitung von Angehörigen von schwerkranken
                                                                                     und sterbenden Menschen (auch zu Hause oder digital), sofern das
                                                                                     Infektionsgeschehen dies zulässt; Kriterien für den Einsatz: 1. Freiwilligkeit,
                   Leiter*innen der Einrichtungen sollen                             2. Hygieneschulung, 3. Verpflichtung zur Einhaltung der Hygieneregeln;
                                                                                     Ehrenamtliche haben den gleichen Status wie Mitarbeitende der Einrichtung.
                   für den Fall, dass persönliche Besuche
                                                                                  ●● Ehrenamtliche des Hospizdienstes (Teil der Klinik für Palliativmedizin) unterliegen
                   nicht oder nur eingeschränkt möglich                              als Mitarbeitende des Klinikums nicht dem Besuchsverbot und können auch
                 sind, den schwerkranken und sterbenden                              außerhalb der Palliativstation im Haus begleiten ohne damit Angehörigen, die in
                     Menschen und ihren Angehörigen                                  der Sterbephase begleiten dürfen, die Besuchsmöglichkeit zu nehmen.
                 Alternativen der Begleitung anbieten, z.B.                       ●● Einrichtungen mit bestehendem Palliativversorgungskonzept gelingt eher eine
                                                                                     Begleitung.
                 durch Mitarbeitende, Seelsorgende oder
                                                                                  ●● Sterbebegleitung auf Infektionsstation (ebenso wie auf anderen Stationen) mit
                        Ehrenamtliche/Hospizdienst.                                  Unterstützung der spezialisierten Palliativversorgung.

                                                                                    14                                                                                     19
Handlungsempfehlungen 8-14
Besuche und Nähe zwischen Patient*innen und Angehörigen ermöglichen

                                       14                                 14 | Umsetzungsbeispiele aus den PallPan-Studien und der Literatur
                                                                               ●● Video-Telefonate der Angehörigen mit Patient*innen möglich
                                                                                  machen.
                                                                               ●● Tablets und Smartphones bereitstellen.
                                                                               ●● Ehrenamt/Hospizdienst einbeziehen.
                                                                               ●● Entwicklung und Implementierung einer Telefon-Hotline für
                      Versorgende und Leiter*innen der Einrichtungen              Fragen zur palliativmedizinischen Versorgung, Gesprächen mit
                    sollen für den Fall, dass persönliche Besuche durch           Angehörigen und Coaching von Mitarbeitenden (Ankuda, 2020).
                     Angehörige nicht oder nur eingeschränkt möglich
                                                                             Weitere Informationen:
                    sind, Kommunikationsmittel für die Herstellung von
                                                                             ●● Hindernisse in der Kommunikation mit Familien und mögliche
                          Kommunikation und Nähe bereitstellen:                 Abhilfestrategien sowie Strategien für die Kommunikation mit
                                                                                und die Einbeziehung von Familien während social distancing/
                    ●● Proaktiv und niederschwellig anbieten.                   Besuchsverboten (Hart, 2020).
                                                                             ●● Vorbereitung von Videotelefonaten zur bestmöglichen Gestaltung
                    ●● Bei der Nutzung ggf. unterstützen und hierfür            von virtueller Kommunikation mit Patienten und Angehörigen am
                       Mitarbeitende schulen.                                   Lebensende (Frydman, 2020 und Kuntz, 2020).
                                                                             ●● Checkliste zur Organisation und Durchführung von
                    ●● Art der Medien nach Wünschen der                         Videotelefonaten zwischen Patient*innen und Angehörigen durch
                       schwerkranken Menschen und ihrer Angehörigen             Sozialarbeiter*innen (Anantham, 2020).
                       richten (Telefon, digitale Medien).                   ●● Standardarbeitsanweisung für den sicheren Einsatz von
                                                                                Tablet-Computern für eine stationäre Palliativberatung und
                                                                                Familienbesuche (Beschaffung, Installation, Schulung für
                                                                                klinisches Personal und andere Beteiligte) (Ritchey, 2020).

                                                                                                                                                 20
Hintergrund der Handlungsempfehlungen
                                                                              Welche Herausforderungen wurden durch die PallPan-Studien identifiziert?
                                                                              ●● Die Kommunikation zwischen Versorgenden und Angehörigen war aus
                                                                                 vielen Gründe eingeschränkt:
                                                                                 • Durch Besuchsverbote, wurden die Angehörigen nicht in die
                                                                                    Kommunikation vor Ort einbezogen, Ansprechpartner*innen fehlten und
                                                                                    Zuständigkeiten waren unklar.
    Handlungsempfehlungen 15-16                                                  • Das Personal war überlastet.
                                                                                 • Es fanden weniger Hausarztbesuche statt.
    Information und Kommunikation zwischen Behandelnden
                                                                                 • Das Tragen von Masken erschwerte die non- und paraverbale
    und Angehörigen sicherstellen                                                   Kommunikation.
    Die Pandemiesituation hat die Kommunikation zwischen Behandelnden         ●● Ein Abbruch des Kontaktes, z. B. bei einer notfallmäßigen Aufnahme, führte
                                                                                 zu belastenden bis hin zu traumatisierenden Erlebnissen bei Angehörigen
    und Patient*innen oder Angehörigen erschwert, wie die Erhebungen
                                                                                 und Patient*innen.
    zeigen. Besonders die Information der Angehörigen über den Zustand
    der schwerkranken und sterbenden Menschen durch die Versorgenden          ●● Uneinheitliche Kommunikation (z.B. variierende Aussagen zu
    hat sich u.a. durch die Kontaktbeschränkungen und die Arbeitsauslastung      Schutzmaßnahmen oder Besuchsregelungen) und fehlende Transparenz
                                                                                 über Ausbruchsgeschehen führten zu Unsicherheiten bei Patient*innen und
    als schwierig bis unmöglich erwiesen. Neue bzw. ergänzende Lösungen,
                                                                                 Angehörigen.
    insbesondere durch digitale Kommunikationswege, werden teilweise
    implementiert und müssen weiterentwickelt werden.                         ●● Patient*innen und Angehörige waren durch die (ungefilterte) Flut von
                                                                                 Informationen verunsichert.
                                                                              ●● Verunsicherte und beunruhigte Angehörige hatten oft keinen
                                                                                 Toleranzspielraum gegenüber unsensibler Kommunikation von
                                                                                 medizinischem und Sicherheits-Personal und fühlten sich schnell
                                                                                 degradiert, entmächtigt und nicht respektiert. Eine empathische
                                                                                 Kommunikation war unter Pandemiebedingungen noch wichtiger und
                                                                                 wurde gleichzeitig durch die hohe Belastung des Personals, auch durch
                                                                                 einen deutlich erhöhten Informationsbedarf durch Besuchsverbote und
                                                                                 allgemeine Unsicherheit in der Pandemie, erschwert.
                                                                              ●● Digitale Kommunikation konnte die persönliche Begegnung und
                                                                                 Kommunikation nur zum Teil ersetzen. Patient*innen mussten außerdem
                                                                                 häufig dabei unterstützt werden.

PALLPAN                                           15                                                                                                          21
Handlungsempfehlungen 15-16
                                                                                             15 | Umsetzungsbeispiele aus den PallPan-Studien und der Literatur
Information und Kommunikation zwischen Behandelnden und                                           ●● Ein medizinisch informierter zusätzlicher Mitarbeitender auf der Station (in
Angehörigen sicherstellen                                                                            Gesprächsführung mit Angehörigen geschult) übernimmt den Kontakt zu Ange-
                                                                                                     hörigen.

                                       15
                                                                                                  ●● Telefonsprechstunde für Angehörige durch Ethik/Psycholog*innen.
                                                                                                  ●● Mitarbeitende führen Intensivtagebücher zur Dokumentation von Erlebnissen,
                                                                                                     wichtigen Gesprächen und Entscheidungen, zur Sicherstellung der Kommunika-
                                                                                                     tion zwischen Patient*innen und Angehörigen (MÄA-22-2020online Abschied-
                                                                                                     nehmen im Krankenhaus, ÄKBV 2020).
                                                                                                  ●● Niedrigschwellige Angebote an das Personal mit Hinweisen zur empathischen
                     Bei Kontaktbeschränkungen sollen Versorgende                                    Kommunikation in schwierigen Situationen, z.B. Postkarten oder „Bierdeckel“
                                                                                                     mit typischen Sätzen in kritischen Kommunikationssituationen.
                    regelmäßig Kontakt mit Angehörigen aufnehmen,
                                                                                                  ●● Wenn es Pandemie-bedingt nicht möglich ist, in einer Notfallsituation eine opti-
                    um sie über die Situation der schwerkranken und                                  male Information und Begleitung von Angehörigen zu gewährleisten, sollte dies
                     sterbenden Menschen zu informieren und sie in                                   zumindest rückblickend adressiert werden, um Angehörigen durch die Benen-
                             Entscheidungen einzubeziehen:                                           nung des Erlebten eine Einordnung und emotionale Entlastung anzubieten.
                                                                                                  ●● Telefonseelsorgerische Expertise einbeziehen, um Nähe trotz digitaler Distanz
                                                                                                     zu vermitteln.
                 ●● Feste Ansprechpartner*innen, klare Zuständigkeiten
                                                                                                  ●● „Remote communication liasion program“, hilft Teams von Intensivstationen
                    und feste Zeiten verabreden.                                                     und der Palliativmedizin, Familien von schwerkranken Patient*innen zu betreu-
                                                                                                     en. (Lipworth, 2021).
                 ●● Empathische Kommunikation u.a. durch Wertschätzung
                    und Verständnis zeigen, Sicherheit vermitteln.

                                                                                                                                     16
                 ●● Leiter*innen der Einrichtungen/Dienste stellen
                    Personalressourcen bereit.
                 ●● Digitale Kommunikationswege proaktiv nutzen und
                    technische Voraussetzungen hierfür erbringen.
                                                                                                                   Leiter*innen der Einrichtungen/Dienste
                                                                                                                  sollen die schwerkranken und sterbenden
                                                                                                                  Menschen und ihre Angehörigen über die
                                                                                                                   lokale Pandemielage und die geltenden
                                                                                                                     Regelungen regelmäßig informieren:
                             16 | Umsetzungsbeispiele aus den PallPan-Studien und der Literatur
                                  ●● Mögliche Kommunikationswege: Homepage, Newsletter, Aushänge,
                                                                                                                 ●● Kommunikationsverantwortliche in Pan-
                                     Hotline, Pressemitteilung.                                                     demieplänen festlegen und benennen.
                                  ●● Informationsmaterial für Patient*innen und Angehörige: Flyer,               ●● Tagesaktuell Informationen nieder-
                                     Beitrag in gesundheitsspezifischen Medien, Videoclips etc.
                                                                                                                    schwellig (einfacher Zugang und leichte
                                  ●● Bildung von Task Forces, Einsatzleitungen u.a., die
                                     pandemiebezogene Anweisungen tagesaktuell veröffentlichen.                     Sprache) zur Verfügung stellen.
                                  ●● Zentral-regionale Verteiler informieren über sich schnell ändernde
                                     Regelungen.
                                  ●● Online-Beratungsangebote auf Krisenplattform.

                                                                                                                                                                                        22
Handlungsempfehlungen 17-19                                            Hintergrund der Handlungsempfehlungen
                                                                           Welche Herausforderungen wurden durch die PallPan-Studien identifiziert?
    Abschied nach dem Versterben ermöglichen                               ●● Der Abschied von Verstorbenen wurde für Angehörige z.T. eingeschränkt
                                                                              oder untersagt.
    Das Abschiednehmen von einem Verstorbenen ist eine sehr sensible,
    vulnerable und individuelle Situation, v.a. für die Angehörigen, die   ●● Es herrschte Unklarheit über den Umgang mit der Leiche, vereinzelt kam
    zurückbleiben. Die Möglichkeit zum Abschied ist sehr wichtig für den      es zu einer Stigmatisierung infizierter Verstorbener.
    Umgang mit dem Tod der*des Verstorbenen und hat eine große Bedeutung   ●● Bestattungsmöglichkeiten waren eingeschränkt.
    für die weitere Trauer der Hinterbliebenen. Durch die Pandemie wird
                                                                           ●● Trauerangebote für Angehörige waren stark eingeschränkt oder brachen
    vielerorts das Abschiednehmen am Sterbeort, beim Bestatter oder           vollständig weg.
    bei der Beerdigung eingeschränkt und beeinträchtigt. Zudem sind die
    Trauerangebote oft eingeschränkt.                                      ●● Der Wegfall persönlicher Kontakte in der unmittelbaren Trauerphase
                                                                              führte möglicherweise zu erschwerter Trauer.

PALLPAN                                          17                                                                                                    23
Handlungsempfehlungen 17-19
Abschied nach dem Versterben ermöglichen

                                           17
                       Das Abschiednehmen von Verstorbenen (infiziert/     17 | Umsetzungsbeispiele aus den PallPan-Studien und der Literatur
                        nicht-infiziert) soll am Sterbeort oder im nahen        ●● Aufbahrungsraum in der Pathologie/Prosektur.
                           Umfeld des Sterbens ermöglicht werden:               ●● Abschiedsraum auf Infektionsstation, in dem der Leichnam
                                                                                   aufgebahrt und hergerichtet wird (letzte Fotos für Angehörige
                      ●● Versorgende und Leiter*innen der Einrichtungen            machen, Verabschiedung durch Team).
                                                                                ●● Broschüre mit Anregungen für alternative Abschiedsrituale.
                         ermöglichen gemeinsames oder gestaffeltes
                                                                                ●● Abschiednehmen von nicht-infizierten Verstorbenen wird auf
                         Abschiednehmen auch durch mehrere Angehörige              Palliativstation und in Hospizen mit einer begrenzten Anzahl an
                         und informieren Angehörige frühzeitig über                Personen im Zimmer oder mit mehreren Personen im Freien (z.B.
                         bestehende Regelungen.                                    Terrasse) ermöglicht.

                      ●● Bestatter*innen ermöglichen den Abschied.
                      ●● Politik und öffentliche Verwaltung schaffen in
                         Verordnungen und Gesetzen die notwendigen
                         Voraussetzungen.

                                                                                                               18                                    24
Handlungsempfehlungen 17-19
Abschied nach dem Versterben ermöglichen

                        18 | Umsetzungsbeispiele aus den PallPan-Studien
                                                                                                            18
                             und der Literatur                                            Religionsgemeinschaften und kommunale
                             ●● Trauerfeier/Totengedenken wird ins Freie                  Verwaltungen ermöglichen die Teilnahme
                                verlegt oder die Trauernden in Gruppen
                                aufgeteilt, um allen den Abschied zu
                                                                                            an Bestattungen unter Einhaltung der
                                ermöglichen.                                               Hygienevorschriften sowie individuelles
                             ●● Kultursensibler Umgang mit unterschiedlichen                    Totengedenken auf Friedhöfen:
                                Abschiedsritualen.
                                                                                       ●● Als Alternative oder Ergänzung digitale
                                                                                          Übertragungsmöglichkeiten von Bestattungen
                                                                                          bereithalten.
                                                                                       ●● Bundes-, Landesregierungen und kommunale
                                                                                          Verwaltungen regeln dies in Verordnungen.

                                     19
                       Versorgende und Einrichtungen sollen
                         Hinterbliebene über Angebote zur
                        Unterstützung in der Trauer proaktiv                   19 | Umsetzungsbeispiele aus den PallPan-Studien und der Literatur
                    hinweisen und bedarfsorientierte Angebote                       ●● Ambulante Hospizdienste als Ansprechpartner für Trauerarbeit.
                                     machen:                                        ●● Trauerbank: Zeiten, zu denen Trauernde mit Ehrenamtlichen auf einer Bank
                                                                                       Gespräche führen können.
                                                                                    ●● Angehörige von infizierten Verstorbenen erhalten besondere Trauer-/
                     ●● Persönliche Begleitung bevorzugen                              Beileidskarte mit Ansprechpersonen/Kontaktdaten.
                     ●● wenn nicht möglich, alternative                             ●● Webbasierte Angebote zur Trauerbewältigung, z.B. Trauergruppe.
                        Wege anbieten (z.B. Telefon, digitale                       ●● Trauerhotline.
                        Kommunikationsmittel, Schriftform).                         ●● Webseite für Vernetzung/Selbsthilfe ähnlich wie TheGoodGriefTrust (Link).

                                                                                  Weitere Informationen:
                                                                                   ●● Evidenzbasierte Empfehlung zur Milderung schlechter Trauer-Outcomes bei
                                                                                      Angehörigen (Selman, 2020) (AP7).
                                                                                   ●● Verzeichnis der Trauergruppen in Deutschland (Link).

                                                                                                                                                                   25
Handlungsempfehlungen

                                                20-25
                                          Mitarbeitende
                                          unterstützen

          Die Mitarbeitenden aus dem Gesundheitsbereich im Allgemeinen und in der palliativmedizinischen
          Versorgung im Speziellen sind während einer Pandemie einer Vielzahl von Belastungen ausgesetzt.
          Zum einen wird von ihnen erwartet, die Versorgung der schwerkranken und sterbenden
          Menschen und deren Angehörigen auch unter Pandemiebedingungen mit vielen Unsicherheiten,
          Ressourcenverschiebungen, Änderungen von Abläufen etc. aufrechtzuerhalten, zum anderen
          haben sie auch ganz persönliche, individuelle Sorgen und Ängste bzgl. Infektion und Pandemie.
          Zudem stehen die Mitarbeitenden im öffentlichen Fokus in einer Pandemie, was positiv
          erlebt werden kann (Anerkennung, Dankbarkeit), aber auch belastend sein kann (vermehrte
          Beobachtung).
          Die Versorgung von schwerkranken und sterbenden Menschen und ihren Angehörigen kann auch
          in einer Pandemie nur gelingen, wenn die Mitarbeitenden ausreichend Unterstützung, v.a. durch
          ihre Vorgesetzten und die Leiter*innen der Einrichtungen bzw. Dienste, angeboten bekommen und
          erfahren.

PALLPAN                                                                                                     26
PALLPAN

Hintergrund der Handlungsempfehlungen 20-25
Welche Herausforderungen wurden durch die PallPan-Studien identifiziert?

●● Es stand nicht genügend persönliche Schutzausrüstung                    ●● Verschiedene Faktoren führten zu einer höheren Belastung der
   zur Verfügung, da keine Vorräte angelegt wurden oder es                    Versorgenden:
   Schwierigkeiten bei der Verteilung und Priorisierung gab.                   • Hygienevorgaben führten zu einem größeren
●● Beim Personal bestanden Unsicherheiten im Umgang mit                          Arbeitsaufwand.
   infizierten Patient*innen sowie mit der Schutzausrüstung.                   • Besuchsverbote führten dazu, dass das Personal die
●● Durch vielfache Kontakte mit Angehörigen (in der Regel                        Rolle der Angehörigen, z.B. in der Kommunikation oder
   unklarer Infektionsstatus) und anderen Versorgenden war das                   Sterbebegleitung, übernehmen musste.
   Personal einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt.                        • Mitarbeitende fielen durch Infektion oder Quarantäne aus.
●● Der Umgang mit Angehörigen, die die vorgeschriebenen                        • Es kamen private Belastungen hinzu (z.B. Wegfall von
   Hygienemaßnahmen ignorierten, war herausfordernd.                             Kinderbetreuung, Homeschooling).
●● Für spezialisierte ambulante Palliativteams (SAPV-Teams)                    • Die Angst vor Ansteckung, die Vereinsamung von
   war die Refinanzierungsmöglichkeit für persönliche                            Patient*innen und die fehlende Möglichkeit, sich von
   Schutzausrüstung zeitweise unklar.                                            sterbenden Patient*innen zu verabschieden, führten zu
                                                                                 psychischer Belastung.
●● Die (ungefilterte) Flut an Informationen, gerade zu Beginn der
   Pandemie, führte auch beim Personal zu großer Unsicherheit.                 • Die Sterblichkeit vor allem auf den Intensivstationen war
                                                                                 höher als gewohnt.
●● Regelungen wurden nicht einheitlich umgesetzt oder häufig
                                                                               • Konflikte, Ängste und Sorgen (Nervosität) im Team führten
   geändert.
                                                                                 zu mehr Zeit- und Koordinationsaufwand für Leitungen.
●● Mitarbeitende gingen sehr unterschiedlich mit der                           • Wenn multiprofessionelle Teambesprechungen ausgesetzt
   Infektionsgefahr und ihren eigenen Ängsten und Sorgen                         wurden, fehlte der Austausch und die Zusammenführung
   diesbezüglich um.                                                             der verschiedenen Perspektiven.
●● Es wurde beklagt, dass Unterstützungsangebote für belastete                 • Der kollegiale Kontakt und der Austausch waren
   Mitarbeitende fehlten.                                                        eingeschränkt, teambildende Treffen fielen weg.

                        20                                                                                                                             27
Handlungsempfehlungen 20-25
Mitarbeitende unterstützen

                                        20
                     Leiter*innen der Einrichtungen/Dienste sollen den
                                                                                20 | Umsetzungsbeispiele aus den PallPan-Studien und der Literatur
                  bestmöglichen Infektionsschutz für ihre Mitarbeitenden             ●● Umfunktionierung von Material: sterile OP-Kittel als Isolationskittel.
                   in der Versorgung von schwerkranken und sterbenden                ●● Bei Ressourcenmangel: Priorisierung bei der Verteilung von
                 Menschen auf der Basis des Erreger-spezifischen Standards              Schutzausrüstung.
                               (RKI-definiert) gewährleisten:                        ●● Schutz- und Testkonzept für die Dienste erstellen mit Konzepten
                                                                                        für Hygienemaßnahmen, Einsatz von Schutzausrüstung
                                                                                        und (Schnell-)Tests.
                 ●● Mitarbeitende wiederholt zum Umgang mit infizierten
                                                                                     ●● Kassenärztliche Vereinigungen bevorraten Schutzkleidung,
                    Personen und zum Gebrauch der persönlichen                          Flächen- und Händedesinfektionsmittel, Sichtschutz/Spuckschutz.
                    Schutzausrüstung schulen, um Sicherheit zu vermitteln und        ●● Home-Office ermöglichen, wo praktikabel.
                    Ängste zu reduzieren.                                            ●● Praxisöffnungszeiten strecken.
                 ●● Ansprechpartner*innen für Rückfragen benennen.                   ●● Personalplanung in getrennten Clustern (feste
                                                                                        Mitarbeiterkohorten).
                 ●● Ausreichend Schutzausrüstung und Testmöglichkeiten zur           ●● Um potentielle Infektions-Ausbrüche überschaubar zu halten,
                    Verfügung stellen.                                                  werden Mitarbeitende in feste Zimmer/Patienten aufgeteilt.
                                                                                     ●● „Infektionsräume“ in Praxen für Patient*innen mit Verdacht auf
                 ●● Abläufe überprüfen und ggf. anpassen, um eigene Infektion           eine pandemische Erkrankung, Personal versorgt die Patient*innen
                    und Verbreitung der Infektion zu verhindern.                        hier mit persönlicher Schutzausrüstung.
                 ●● Ausreichend Personalressourcen zur Verfügung stellen.

                                                                                                             21                                                  28
Sie können auch lesen