Ersatzpflicht des säumigen Sachverständigen ( 354 Abs 1 ZPO) - Kostenersatzpflicht dem Grunde und der Höhe nach ( 326 und 334 ZPO) ...

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Entscheidungen und Erkenntnisse

Ersatzpflicht des säumigen Sachverständigen (§ 354 Abs 1
ZPO) – Kostenersatzpflicht dem Grunde und der Höhe nach
(§§ 326 und 334 ZPO) – Entschuldigung des Sachverständigen
(§ 333 Abs 2 ZPO)
1. Über Parteiantrag ist gemäß § 354 Abs 1 ZPO einem       Kostenersatzansprüche „als Schaden“ zu verzeich-
   gerichtlich bestellten Sachverständigen, der ohne       nen. In einem weiteren Beschluss (der wieder nach
   genügende Entschuldigung das Gutachten nicht in         den Regeln über Kostenrekurse anfechtbar ist) sind
   der festgesetzten Frist erstattet, durch Beschluss      daraufhin die dem Sachverständigen als Kostener-
   der Ersatz der durch seine Säumnis verursachten         satz an die Antragsteller aufzuerlegenden Kosten
   Kosten aufzuerlegen. In Bezug auf diese Beschluss-      zu bestimmen. Wenn dem Sachverständigen zuvor
   fassung sind gemäß § 354 Abs 1 letzter Satz ZPO         keine Gelegenheit für eine Entschuldigung gege-
   die für den Zeugenbeweis geltenden §§ 326, 333          ben worden war, kann eine solche Entschuldigung
   und 334 ZPO sinngemäß anzuwenden.                       gemäß § 333 Abs 2 ZPO auch noch nachträglich
                                                           erfolgen und dem Sachverständigen können auf-
2. Zunächst ist in einem Grundsatzbeschluss (§ 326
                                                           grund seiner Entschuldigung die zum Ersatz aufer-
   Abs 1 und § 334 ZPO) darüber zu entscheiden, ob
                                                           legten Kosten ganz oder teilweise erlassen werden.
   und in welcher Weise der Fortgang des Verfahrens
   in der Hauptsache ausschließlich durch eine unge-    OLG Graz vom 29. März 2019, 2 R 45/19h, 2 R 46/19f
   rechtfertigte Säumnis des Sachverständigen beein-    und 2 R 47/19b
   flusst wurde, wobei es gemäß § 326 Abs 1 Satz 3
                                                        Das Erstgericht hat in diesem Zivilprozess am 11. 3. 2016
   ZPO in das pflichtgemäße Ermessen des Erstge-
                                                        Dipl.-Ing. N. N. zum Sachverständigen mit dem Auftrag
   richts gestellt ist, ob diese Entscheidung ohne
                                                        bestellt, binnen acht Wochen ab Übermittlung der Akten
   vorgängige mündliche Verhandlung erfolgt. Dieser
                                                        „aufgrund des bisherigen Akteninhalts und nach Befund-
   Beschluss, ob eine Kostenersatzpflicht des Sach-
                                                        aufnahme ein schriftliches Gutachten in vierfacher Aus-
   verständigen dem Grunde nach besteht, ist nach
                                                        fertigung zu der im wechselseitigen Parteienvorbringen
   den Regeln über Kostenrekurse selbständig an-
                                                        enthaltenen technischen Sachverhaltsfrage, ob ..., zu er-
   fechtbar. Vor der Beschlussfassung ist dem Sach-
                                                        statten“.
   verständigen Gelegenheit zu einer Entschuldigung
   im Sinne des § 354 Abs 1 ZPO zu geben.               In ON 31 wurde festgehalten, dass der Akt zum Gutach-
                                                        tensauftrag am 4. 4. 2016 an Dipl.-Ing. N. N. übermittelt
3. Nach Rechtskraft eines die Kostenersatzpflicht des
                                                        wurde.
   Sachverständigen dem Grunde nach bejahenden
   Grundsatzbeschlusses (aus dem sich zu ergeben        Nach (offenbar telefonischen) „Betreibungen“ des Sach-
   hat, inwieweit durch die Säumnis des Sachverstän-    verständigengutachtens durch das Erstgericht am 5. 7.
   digen das Verfahren verzögert wurde), ist den Par-   2016, 14. 9. 2016, 8. 11. 2016 und 1. 2. 2017 verfügte das
   teien Gelegenheit zu geben, binnen 14 Tagen ihre     Erstgericht am 20. 2. 2017 eine schriftliche Betreibung mit
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Entscheidungen und Erkenntnisse

folgendem Beisatz: „Letztmalige Betreibung. Bei nicht er-      e) Weiters wolle das Gericht dem Sachverständigen Dipl.-
folgender Gutachtenserstattung oder Bekanntgabe der            Ing. N. N. den Ersatz sämtlicher Schäden auftragen, die
Hinderungsgründe droht Auftragsentziehung bei Gebüh-           der klagenden Partei nachweislich durch den Leistungs-
renverlust.“                                                   verzug in Hinkunft entstehen.“
Am 2. 3. 2017 widerrief das Erstgericht den Gutachten-         Diesem Antrag war ein Kostenverzeichnis des Klagsver-
sauftrag an den Sachverständigen Dipl.-Ing. N. N. „bei         treters mit einem Rechnungsbetrag von € 12.743,52 an-
Entfall sämtlicher Gebührenansprüche“, worauf Dipl.-Ing.       geschlossen.
N. N. dem Erstgericht am 8. 3. 2017 ein Schreiben mit fol-
                                                               Am 4. 5. 2017 beantragte die Beklagte, dem Sachverstän-
gendem Inhalt übermittelte:
                                                               digen Dipl.-Ing. N. N. den Auftrag zur Gutachtenserstattung
„Sehr geehrte Frau Rat,                                        zu entziehen und ihn mit Beschluss zu verpflichten, „auf-
                                                               grund des Verschuldens des Sachverständigen Dipl.-Ing.
aufgrund meiner projektbezogenen Auslandsaufenthalte
                                                               N. N. frustrierte Vertretungskosten“ von € 6.523,62 der Be-
habe ich Ihre beiden Schreiben nicht rechtzeitig beant-
                                                               klagten zu ersetzen.
worten können. Dafür möchte ich mich entschuldigen. Be-
züglich Ihres Beschlusses vom 2. 3. 2017 erlaube ich mir,      Am 9. 5. 2017 beantragte die Nebenintervenientin „im Falle
Ihnen folgende Stellungnahme abzugeben:                        der Enthebung des Sachverständigen“ Dipl.-Ing. N. N., ihm
                                                               den Ersatz von anwaltlichen Vertretungskosten der Neben-
Mit der Erstellung des Gutachtens hatte ich bereits im
                                                               intervenientin von € 5.488,20 aufzuerlegen.
Spätsommer 2016 begonnen. Die Befundaufnahme wurde
meinerseits am 3. 11. 2016 an Ort und Stelle meinerseits       Am 10. 5. 2017 übermittelte Dipl.-Ing. N. N. dem Erstgericht
im Beisein der klagenden und der beklagten Partei durch-       ein mit 2. 5. 2017 datiertes schriftliches Sachverständigen-
geführt. Die von mir benötigten Unterlagen wurden seitens      gutachten.
der Parteien Mitte Januar 2017 mir via Post übermittelt.
                                                               Am 11. 5. 2017 übermittelte das Erstgericht dieses Gut-
Ich war/bin gerade dabei, das Gutachten fertigzustellen.       achten den Parteien und der Nebenintervenientin, worauf
Ich wäre daher sehr gerne bereit, das Gutachten Ihnen          die Klägerin am 7. 6. 2017 die mündliche Erörterung des
in fertiger Form spätestens bis Mitte April zu übermitteln.    Gutachtens (samt Fragenkatalog), die Beklagte die schrift-
Bitte geben Sie mir kurzfristig Bescheid, ob ich mit der Er-   liche Beantwortung von Fragen und die Nebenintervenien-
stellung des Gutachtens fortsetzen darf.“                      tin die Erstreckung zur Vorlage eines Fragenkatalogs bis
                                                               29. 6. 2017 beantragten.
Am 13. 3. 2017 übermittelte das Erstgericht diese Stellung-
nahme des Sachverständigen den Parteien zur Äußerung,          Am 18. 7. 2017 trug das Erstgericht dem Sachverstän-
ob sie „für oder gegen eine Fertigstellung des Gutachtens      digen Dipl.-Ing. N. N. die schriftliche Beantwortung der
durch den Sachverständigen sind (allenfalls Wiederbestel-      Fragen der Klägerin, der Beklagten und der Nebeninter-
lung)“.                                                        venientin bis 31. 8. 2017 auf und es beraumte die nächs-
                                                               te Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung für den
Nachdem die Klägerin am 20. 3. 2017 einer Wiederbestel-
                                                               12. 10. 2017 an.
lung des Sachverständigen Dipl.-Ing. N. N. zugestimmt
hatte, bestellte das Erstgericht am 21. 3. 2017 neuerlich      Am 26. 7. 2017 legte die Klägerin dem Erstgericht einen
Dipl.-Ing. N. N. mit dem Auftrag zum Sachverständigen,         weiteren Fragenkatalog an den Sachverständigen vor, den
„ein Gutachten bis längstens 20. 4. 2017 im Sinne des Be-      das Erstgericht am 27. 7. 2017 dem Sachverständigen mit
schlusses vom 29. 9. 2015 zu den dort angeführten Fragen       dem Auftrag übermittelte, auch diese Fragen bis längstens
zu erstatten“.                                                 31. 8. 2017 zu beantworten.
Am 3. 5. 2017 richtete die Klägerin an das Erstgericht den     Am 7. 9. 2017 verfügte das Erstgericht: „Betreibe Gutach-
Antrag,                                                        tensergänzung bei Sachverständigem“.
„a) den Gutachtensauftrag an den Sachverständigen Dipl.-       Am 25. 9. 2017 beantragte die Klägerin, dem Sachverstän-
Ing. N. N. bei Entfall sämtlicher Gebührenansprüche mit        digen Dipl.-Ing. N. N. unter Androhung „entsprechender
sofortiger Wirkung widerrufen;                                 Sanktionen“ eine Nachfrist zur Auftragserfüllung zu setzen.
b) der Sachverständige wolle aufgefordert werden, den Akt      Am 26. 9. 2017 trug das Erstgericht dem Sachverständigen
umgehend dem Gericht zu retournieren;                          Dipl.-Ing. N. N. die umgehende Gutachtensergänzung oder
                                                               die Bekanntgabe entgegenstehender Hindernisse auf.
c) gleichzeitig wolle dem Sachverständigen Dipl.-Ing. N. N.
beschlussmäßig aufgetragen werden, die von ihm verur-          Am 5. 10. 2017 hielt das Erstgericht in einem Aktenver-
sachten Kosten in Höhe von € 12.743,52 der klagenden           merk fest, dass es das Gutachten beim Sachverständigen
Partei binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu erset-       Dipl.-Ing. N. N. urgiert hat.
zen.
                                                               Noch am 5. 10. 2017 beraumte das Erstgericht die für den
d) Das Gericht wolle unverzüglich einen neuen geeigne-         12. 10. 2017 anberaumte Tagsatzung ab und es teilte den
ten gerichtlich beeideten Sachverständigen mit der Causa       Parteien und der Nebenintervenientin seine Absicht mit,
beauftragen.                                                   einen anderen Sachverständigen zu bestellen.
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Entscheidungen und Erkenntnisse

Am 10. 10. 2017 langte beim Erstgericht eine schriftliche      Am 24. 11. 2017 und am 21. 12. 2017 nahm Dipl.-Ing. N. N.
„Gerichtsgutachten-Ergänzung Beantwortung der Fragen           zu „angeblichen Kosten des Rechtsvertreters der klagen-
der klagenden Partei vom 21. 7. 2017“ ein.                     den Partei“ wörtlich wie folgt Stellung:
Am 9. 10. 2017 beantragte die Klägerin,                        „1. Es lag ein sehr komplizierter und lang dauernder Gut-
                                                               achtensauftrag vor. Es wurden bis dato mehrere Gutach-
,,a) den erteilten Gutachtensauftrag an den Sachverstän-
                                                               ter für den gegenständlichen Fall eingesetzt, jedoch ohne
digen Dipl.-Ing. N. N. bei Entfall sämtlicher Gebührenan-
                                                               Ergebnis.
sprüche mit sofortiger Wirkung widerrufen;
                                                               2. Die entstandenen Schäden waren bereits (vor meiner
b) der Sachverständige wolle unter Fristsetzung aufgefor-
                                                               Beauftragung) repariert gewesen. Eine Rekonstruktion der
dert werden, den Gerichtsakt zu retournieren.
                                                               Schäden und deren Beurteilung erforderte entsprechende
c) Gleichzeitig wolle dem Sachverständigen Dipl.-Ing. N. N.    Vorbereitungszeit.
beschlussmäßig aufgetragen werden, die bisher durch die
Verzögerung der klagenden Partei verursachten Schäden          3. Eine gebäudeschonende Bestandsaufnahme war und
in Höhe von € 19.720,90 der klagenden Partei binnen            ist nicht möglich. ...
14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.                  4. Der Art und Weise der Befundaufnahme vom 2. 11. 2016
d) Das Gericht wolle einen neuen geeigneten unabhängi-         war entsprechend dem Gerichtsauftrag seinerzeit von mir
gen gerichtlich beeideten Sachverständigen in der gegen-       fixiert gewesen. Die seitens der klagenden Partei gestell-
ständlichen Causa beauftragen.“                                ten Fragen erforderten neuerliche vertiefte Befundauf-
                                                               nahme. Diesen Umstand habe ich im Rahmen der Beant-
Diesem Antrag ist ein Kostenverzeichnis des Klagsvertre-       wortung der Gutachtensergänzungsfragen entsprechend
ters mit einem Rechnungsbetrag von € 19.720,90 ange-           angemerkt.
schlossen.
                                                               5. Dass es bei solchen Prozessen je nach Fragenkatalog
Am 13. 10. 2017 übermittelte das Erstgericht den Parteien      der beteiligten Parteien weitere Befundaufnahmen stattfin-
und der Nebenintervenientin die schriftliche Gutachtenser-     den können oder müssen, ist durchaus üblich. Die Fragen
gänzung des Sachverständigen Dipl.-Ing. N. N. vom 10. 10.      der klagenden Partei durch vertiefte Befundaufnahmen,
2017 mit dem Beisatz: „Das Gericht beabsichtigt eine Tag-      die meinerseits mehrfach vorgeschlagen wurden, zu be-
satzung zur mündlichen Gutachtenserörterung anzube-            antworten, war selbstverständlich möglich. Das Ergebnis
raumen. Sofern auf mündliche Gutachtenserörterung mit          des Gutachtens wäre jedoch – womöglich – marginal an-
dem Sachverständigen N. N. verzichtet wird, möge dies          ders. Das Ignorieren der prozessökonomischen Betrach-
binnen 14 Tagen bekannt gegeben werden. Von der Um-            tungsweise des Sachverständigen ist daher nicht nachvoll-
bestellung wird derzeit abgesehen.“                            ziehbar.“
Am 18. 10. 2017 beantragte die Nebenintervenientin die         I. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 30. 11. 2018 trug
Enthebung des Sachverständigen Dipl.-Ing. N. N. mit dem        das Erstgericht dem Sachverständigen Dipl.-Ing. N. N. auf,
weiteren Antrag, ihm „die frustriert anlaufenden Kosten“ im    der Klägerin „mit der Verzögerung seiner Gutachtenser-
Sinne eines beiliegenden Kostenverzeichnisses der Ne-          stattung verbundene“, mit € 10.665,– (darin € 1.777,50
benintervenientin (darin werden anwaltliche Vertretungs-       Umsatzsteuer) bestimmte Kosten zu ersetzen (Spruch-
kosten von € 11.146,88 verzeichnet) zum Ersatz an die          punkt 1.); das Mehrbegehren „zum Antrag vom 9. 10. 2017,
Nebenintervenientin aufzuerlegen.                              dem Sachverständigen die Kosten beschlussmäßig mit
Am 23. 10. 2017 beantragte die Klägerin, „den erteilten        insgesamt € 19.720,90 als Schadenersatz aufzuerlegen,
Gutachtensauftrag an den Sachverständigen Dipl.-Ing.           sowie den Antrag vom 3. 5. 2017“ wies das Erstgericht un-
N. N. bei Entfall sämtlicher Gebührenansprüche mit sofor-      bekämpft ab.
tiger Wirkung zu widerrufen“ und einen anderen Sachver-        Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Sach-
ständigen zu bestellen.                                        verständigen Dipl.-Ing. N. N. mit dem Antrag, ihn ersatzlos
Am 27. 10. 2017 widerrief das Erstgericht den Gutachten-       zu beheben.
sauftrag an den Sachverständigen Dipl.-Ing. N. N. „bei Ent-    Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem
fall sämtlicher Gebührenansprüche“.
                                                               Rekurs nicht Folge zu geben.
Am selben Tag übermittelte es Dipl.-Ing. N. N. die Anträge
                                                               II. Nachdem das Erstgericht am 30. 11. 2018 die Zustel-
der Klägerin vom 9. 10. 2017 mit dem angeschlossenen
                                                               lung der Kostenersatzanträge der Nebenintervenientin
Kostenverzeichnis „zur allfälligen Äußerung zum Kostener-
                                                               vom 18. 10. 2017 und der Beklagten vom 31. 10. 2017
satzantrag binnen drei Wochen“.
                                                               samt den angeschlossenen Kostenverzeichnissen an den
Am 31. 10. 2017 beantragte die Beklagte, den Sachver-          Sachverständigen Dipl.-Ing. N. N. zur allfälligen Äußerung
ständigen Dipl.-Ing. N. N. zu entheben und ihn zu verpflich-   zu den Kostenersatzanträgen binnen 14 Tagen verfügt hat-
ten, der Beklagten Verfahrenskosten von € 9.130,50 (die        te, nahm der Sachverständige Dipl.-Ing. N. N. am 15. 12.
als anwaltliche Vertretungskosten in diesem Schriftsatz        2018 dazu in der Weise Stellung, dass er auf seine Stel-
aufgegliedert waren) zu ersetzen.                              lungnahme zum Kostenersatzantrag der Klägerin mit dem
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Entscheidungen und Erkenntnisse

Hinweis verwies, dass diese Stellungnahme sinngemäß           digen beeinflusst wurde, wobei es gemäß § 326 Abs 1
auch für die angeblichen Kosten der Beklagten und der         Satz 3 ZPO in das pflichtgemäße Ermessen des Erstge-
Nebenintervenientin gelte.                                    richts gestellt ist, ob diese Entscheidung ohne vorgängige
                                                              mündliche Verhandlung erfolgt. Dieser Beschluss, ob eine
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 18. 1. 2018, 2 R
                                                              Kostenersatzpflicht des Sachverständigen dem Grunde
46/19f, trug das Erstgericht dem Sachverständigen Dipl.-
                                                              nach besteht (Frauenberger, aaO, § 333 ZPO Rz 6 und
Ing. N. N. auf, der Beklagten „mit der Verzögerung sei-
                                                              § 334 ZPO Rz 1), ist nach den Regeln über Kostenrekur-
ner Gutachtenserstattung verbundene“ € 9.130,50 (darin
                                                              se selbständig anfechtbar (Frauenberger, aaO, § 326 ZPO
€ 1.521,75 Umsatzsteuer) und der Nebenintervenientin
                                                              Rz 3, § 333 ZPO Rz 6 und § 334 ZPO Rz 3). Vor der Be-
„mit der Verzögerung seiner Gutachtenserstattung verbun-
                                                              schlussfassung ist dem Sachverständigen Gelegenheit zu
dene“ € 394,13 („darin € 65,69“) zu ersetzen.
                                                              einer Entschuldigung im Sinne des § 354 Abs 1 ZPO zu
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Sach-      geben (Frauenberger, aaO, § 333 ZPO Rz 9).
verständigen Dipl.-Ing. N. N. mit dem Antrag, ihn ersatzlos
                                                              3. Nach Rechtskraft eines die Kostenersatzpflicht des
zu beheben.
                                                              Sachverständigen dem Grunde nach bejahenden Grund-
Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem       satzbeschlusses (aus dem sich zu ergeben hat, inwieweit
Rekurs nicht Folge zu geben.                                  durch die Säumnis des Sachverständigen das Verfahren
                                                              verzögert wurde), ist den Parteien Gelegenheit zu ge-
Die Nebenintervenientin hat sich an diesem Rekursverfah-
                                                              ben, binnen 14 Tagen ihre Kostenersatzansprüche „als
ren nicht beteiligt.
                                                              Schaden“ (Obermaier, aaO, Rz 1.355) zu verzeichnen. In
III. Am 1. 2. 2019 beantragte die Nebenintervenientin in      einem weiteren Beschluss (der wieder nach den Regeln
einem „Kostenrekurs/Berichtigungsantrag“, dem Sachver-        über Kostenrekurse anfechtbar ist) sind daraufhin die dem
ständigen Dipl.-Ing. N. N. nicht € 394,13, sondern die von    Sachverständigen als Kostenersatz an die Antragsteller
der Nebenintervenientin verzeichneten € 11.146,88 zum         aufzuerlegenden Kosten zu bestimmen (Obermaier, aaO,
Ersatz an die Nebenintervenientin aufzuerlegen, worauf        Rz 1.355; Frauenberger, aaO, § 333 ZPO Rz 6 und § 334
das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom           ZPO Rz 3). Wenn dem Sachverständigen zuvor keine Ge-
8. 2. 2019, 2 R47/19d, seinen Beschluss vom 18. 1. 2019       legenheit für eine Entschuldigung gegeben worden war,
dahin berichtigte, dass dem Sachverständigen Dipl.-Ing.       kann eine solche Entschuldigung gemäß § 333 Abs 2 ZPO
N. N. aufgetragen wird, der Nebenintervenientin mit der       auch noch nachträglich (Frauenberger, aaO, § 333 ZPO
Verzögerung seiner Gutachtenserstattung verbundene            Rz 9) erfolgen und dem Sachverständigen können auf-
€ 11.146,88 (darin € 173,04 Barauslagen) zu ersetzen.         grund seiner Entschuldigung die zum Ersatz auferlegten
                                                              Kosten ganz oder teilweise erlassen werden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Sach-
verständigen Dipl.-Ing. N. N. mit dem Antrag, ihn ersatzlos   4. Diesen gesetzlichen Anforderungen werden die ange-
zu beheben.                                                   fochtenen Beschlüsse nicht gerecht:
Die Nebenintervenientin beantragt in ihrer Rekursbeant-       a) Es fehlen die für einen Grundsatzbeschluss erforder-
wortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.                     lichen Tatsachenfeststellungen, ob und in welcher Weise
                                                              der Verfahrensfortgang durch eine Säumnis des Sachver-
IV. Die ohne Vertretung durch einen Rechtsanwalt einge-
                                                              ständigen beeinflusst wurde (§ 326 ZPO). Insbesondere
brachten schriftlichen Rekurse des Sachverständigen sind
                                                              ermöglichen die angefochtenen Beschlüsse keine Beur-
zulässig (3 0b 184/97z; Schneider in Fasching/Konecny,
                                                              teilung, ob (gegebenenfalls inwieweit) die Ergebnisse der
Zivilprozessgesetze3, § 367 ZPO Rz 4; Frauenberger in Fa-
                                                              Befundaufnahme des Sachverständigen vom 2. 11. 2016
sching/Konecny, Zivilprozessgesetze3, § 348 ZPO Rz 1);
                                                              für das weitere Verfahren verwertbar sind. Davon hängt es
sie sind im Sinne der in den Abänderungsanträgen enthal-
                                                              ab, ob die Kosten dieser Befundaufnahme ausschließlich
tenen Aufhebungsanträge auch berechtigt.
                                                              (Frauenberger, aaO, § 333 ZPO Rz 5) durch eine Säumnis
1. Über Parteiantrag (9 ObA 7/87; Obermaier, Kosten-          des Sachverständigen verursacht wurden.
handbuch3, Rz 1.355) ist gemäß § 354 Abs 1 ZPO einem
                                                              b) Der Sachverständige erwähnt in seinen Stellungnah-
gerichtlich bestellten Sachverständigen, der ohne genü-
                                                              men zu den Kostenersatzanträgen – offenbar als Entschul-
gende Entschuldigung das Gutachten nicht in der fest-
                                                              digung im Sinne des § 354 Abs 1 ZPO – neben einem
gesetzten Frist erstattet, durch Beschluss der Ersatz der
                                                              „komplizierten und lang dauernden Gutachtensauftrag“
durch seine Säumnis verursachten Kosten aufzuerlegen;
                                                              (den das Erstgericht im Rahmen einer mündlichen Streit-
in Bezug auf diese Beschlussfassung sind gemäß § 354
                                                              verhandlung mit dem Sachverständigen und den Parteien
Abs 1 letzter Satz ZPO die für den Zeugenbeweis gelten-
                                                              erörtern und vereinfachen hätte können [dies betrifft ins-
den §§ 326, 333 und 334 ZPO sinngemäß anzuwenden.
                                                              besondere die Fragenkataloge der Parteien und der Ne-
2. Zunächst ist in einem Grundsatzbeschluss (§ 326 Abs 1      benintervenientin]) – Schwierigkeiten einer erforderlichen
und § 334 ZPO) darüber zu entscheiden, ob und in wel-         weiteren vertieften Befundaufnahme, die damit zusam-
cher Weise der Fortgang des Verfahrens in der Hauptsa-        menhängen sollen, dass die Schäden vor dem Auftrag an
che ausschließlich (Frauenberger, aaO, § 333 ZPO Rz 5)        den Sachverständigen bereits repariert waren und eine
durch eine ungerechtfertigte Säumnis des Sachverstän-         gebäudeschonende Befundaufnahme nicht mehr möglich
234   SACHVERSTÄNDIGE                                                                                         HEFT 4/2020
Entscheidungen und Erkenntnisse

war. In keinem der angefochtenen Beschlüsse finden sich       Entschuldigungsbehauptungen des Sachverständigen als
Tatsachenfeststellungen, die eine (rechtliche) Beurteilung    „genügend“ im Sinne des § 354 Abs 1 ZPO anzusehen
ermöglichen, ob (inwieweit) diese Tatsachenbehauptun-         sind. Dabei wird insbesondere auf die Klarheit und Deut-
gen des Sachverständigen der Wahrheit entsprechen und         lichkeit des Gutachtensauftrags und seiner Ergänzungen
eine genügende Entschuldigung darstellen, die dazu füh-       (durch Zulassung aller in den Fragenkatalogen der Partei-
ren kann, die zum Ersatz auferlegten Kosten im Sinne des      en und der Nebenintervenientin enthaltenen Fragen), auf
§ 333 Abs 2 ZPO „ganz oder teilweise“ zu erlassen.            die Verwertbarkeit der Ergebnisse der Befundaufnahme
c) Dass die angefochtenen Beschlüsse keine nachvollzieh-      vom 2. 11. 2016, auf die Möglichkeit und Notwendigkeit er-
bare Aufschlüsselung und Berechnung des dem Sachver-          gänzender in die Gebäudesubstanz eingreifender Befund-
ständigen auferlegten Kostenersatzes enthalten, ist derzeit   aufnahmen und auf die Frage Bedacht zu nehmen sein,
noch nicht von Bedeutung, weil es noch an einem rechts-       inwieweit eine mit dem Sachverständigen, den Parteien
kräftigen Grundsatzbeschluss im Sinne von § 326 Abs 1,        und den Nebenintervenienten durchgeführte Tagsatzung
§ 334 und § 354 Abs 1 ZPO fehlt.                              zur mündlichen Streitverhandlung den Verfahrensfortgang
5. Im fortgesetzten Verfahren (ob mit oder ohne mündliche     beschleunigen hätte können.
Verhandlung im Sinne des § 326 Abs 1 ZPO, unterliegt dem      Aus diesen Gründen waren in Stattgebung der Rekurse
Ermessen des Erstgerichts) wird daher ein Grundsatzbe-        des Sachverständigen die angefochtenen Beschlüsse auf-
schluss zu fassen sein, der eine ausreichende Tatsachen-      zuheben und dem Erstgericht war die neuerliche Entschei-
grundlage zu den Fragen enthält, ob und in welcher Weise
                                                              dung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
der Verfahrensfortgang ausschließlich durch eine Säumnis
des Sachverständigen verzögert wurde und inwieweit die        Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 Satz 3 ZPO.

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