Erwachsenenbildung am Puls der Zeit? - Wirtschaftswelt im Umbruch als Thema in der Akademie Frankenwarte
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J AH R E STH E M A IM Ad B
Erwachsenenbildung am Puls
der Zeit?
Wirtschaftswelt im Umbruch als Thema in der Akademie
Frankenwarte
Wie verändern sich politische Bildung, ihre Formate und Rahmenbedingungen ange-
sichts aktueller Herausforderungen? Wie kann Erwachsenenbildung im Strudel welt
weiter Megatrends erkenntnisreich, am Puls der Zeit und für ihre Zielgruppen erreich-
bar bleiben? Ein Seminarbericht aus der Akademie Frankenwarte Würzburg / Ge-
sellschaft für Politische Bildung e. V. über Ideen für eine soziale, ökologische und
demokratische Wirtschaft zeigt, wie das aktuelle Jahresthema des AdB „Transfor
mationen. Globale Entwicklungen und die Neuvermessung der politischen Bildung“
in der Praxis politischer Bildung aufgegriffen werden kann. von Sebastian Haas
Es war so schön geplant zu Beginn des Jahres 2020: Ein auf den Würzburger Nikolausberg. Die Stimmung bei den
Bericht aus einer Tagungsstätte, die zum großen Thema ersten Bildungsurlauber*innen? Mal so, mal so. Reduzierte
„Soziale Gerechtigkeit jenseits von Wirtschaftswachstum“ Teilnehmendenzahlen, Sicherheitsabstand selbst beim Mit-
in sommerlich-entspanntem Rahmen mit methodischer tagessen, Videoschalten ins Seminar, abgesperrte Weinstu-
Vielfalt glänzt. Doch die Realität funkte dazwischen – in be und Sauna sowie eine Kaffeemaschine, die nur zu den
Form der COVID-19-Pandemie und zeitgleich in Form der Arbeitszeiten des Küchenteams von eben diesem bedient
Ankündigung des Trägervereins der Akademie Franken- werden darf – das schafft einfach keine bahnbrechend
warte, in ein Insolvenzverfahren zu steuern. So spielte gute Lern- und Erholungsatmosphäre, vor allem nicht,
sich die Planung der Veranstaltung auf drei Ebenen der wenn auf der anderen Straßenseite die Bänke im Biergar-
Neuvermessung politischer Bildung ab: in Bezug auf die ten teils eng besetzt sind. Doch wir konnten nachbessern
Bewältigung der Corona-Einschränkungen, in Bezug auf und zum Seminar Ende Juni zum Beispiel wieder Gruppen-
ein Bildungshaus im Kampf um seine Existenz und in Be- arbeit im Freien, die Öffnung der Aufenthaltsräume und
zug auf den thematischen wie didaktischen Umgang mit vor allem des Frankenwein-Schrankes möglich machen – in
weltweiten Transformationsprozessen. Griffweite natürlich immer: Desinfektionsspray und Mas-
ken zum Schutze aller sowie der Zollstock zum Abmessen
Die Ebenen der Neuvermessung der Sicherheitsabstände.
Herausforderung I: Corona Herausforderung II: Ein Tagungshaus im Umbruch
Im Zuge des allgemeinen Shutdowns fanden in der Aka- Ende März 2020 hatte die Gesellschaft für Politische
demie Frankenwarte ab Mitte März 2020 fast drei Monate Bildung e. V., Trägerverein der Akademie Frankenwarte,
lang keine Veranstaltungen statt. Vorbereitet durch ein einen Antrag auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens
ausgeklügeltes Hygiene- und Sicherheitskonzept fanden in gestellt. Trotz enormer Einnahmensteigerung und Ausga-
der zweiten Juniwoche die ersten Gäste wieder den Weg bensenkung konnte die Finanzierungslücke letztlich nicht
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geschlossen werden, die nach dem Wegfall langjähriger des Seminars neben der Diskussion aktueller Ideen auch
Fördermittel entstanden war. Da aber keinerlei Verbindlich- der Austausch eigener Erfahrungen aus dem Kreis der Teil-
keiten bestanden und inzwischen Insolvenzgeld (statt dem nehmenden sowie das Hinzuziehen lokaler Expert*innen.
regulären Gehalt) an die Mitarbeitenden floss, konnten wir Kein VWL-Meisterkurs und keine Upcycling-Werkstatt
uns vergleichsweise entspannt dem Risiko aussetzen, den also. Stattdessen jede Menge Anpackmomente, die zum
ein wenig gefülltes Tagungshaus für die eigene Kasse be- Mitgestalten anregten, und ein wahres Methoden-Feuer-
deutet. Zeitgleich führten die Vorstandsvorsitzenden des werk: aus Gruppendiskussionen oder Spaziergängen zu
Trägervereins und unsere Akademieleiterin Gespräche mit zweit, aus Vortrag und Fragerunden oder Arbeitsgruppen-
politischen Mitstreiter*innen, mit Institutionen der Zivilge- phasen, aus Filmabend und Video-Schalten, aus Lesezeiten
sellschaft, mit lokaler und regionaler Politik und der Insol- und Bewegungspausen, aus Open Space und Power Poe-
venzverwaltung. Festes und realistisches Ziel bleibt, unsere try. Auffallend – und für so manche Teilnehmenden sicht-
politische Bildungsarbeit auch über den Herbst 2020 hin- lich ungewohnt – war es, dass der inhaltliche Input von-
aus fortzusetzen – wenn auch mit Sicherheit unter verän- seiten der Seminarleitung auf ein Minimum reduziert war
derten organisatorischen und finanziellen, personellen wie und Wissen, Erkenntnisse und Meinungen zum größten
räumlichen Rahmenbedingungen. Teil selbst erarbeitet wurden. Fünf Tage intensives Nach-
denken zu einem weltumspannenden Thema machten
Herausforderung III: Neue Konzepte für die Wirtschaft aber deutlich: Eine ständige Vermittlung von Detailwissen
Veränderte Rahmenbedingungen führen nun endlich ist in der Erwachsenenbildung tatsächlich nicht (mehr) nö-
zu den Inhalten des Seminars – und zur Frage: Wie gehen tig. Die Teilnehmenden können sich auch selbst tief in ein
wir damit um, dass unsere Wirtschaft nicht immer weiter Thema eingraben. Und sie fordern das auch: Regt uns an,
wachsen kann? „Nötig ist eine Diskussion über soziale und unseren eigenen Verstand zu bedienen. Vermittelt uns die
ökologische Gerechtigkeit und neue Wirtschaftsmodelle, Kompetenz, um Themen miteinander zu verknüpfen und
wenn es keine Option ist, auf Wirtschaftswachstum als uns eine eigene Meinung zu bilden.
Allheilmittel für gesellschaftliche Probleme zu hoffen“, er-
läutern Nadine Kaufmann und Esther Wawerda vom Kon-
zeptwerk Neue Ökonomie e. V. in Leipzig (https://konzept-
Nachhaltigkeit hat Vorrang, Werte
werk-neue-oekonomie.org), die beiden Hauptreferentinnen
des Seminars. und Denkmuster sowie Lebens- und
Das Konzeptwerk Neue Ökonomie ist vor allem eines:
Produktionsweisen müssen sich
Ein Denkort, in dem interessante Ansätze und erprobte
Alternativen zum kapitalistischen Wirtschaften diskutiert ändern.
werden, mit einem Team, das ermutigen will, an der sozi-
al-ökologischen Transformation mitzuwirken sowie Denk-
strukturen, Lebensweisen und politische Rahmenbedin- Grundlagen von Wachstumskritik
gungen zu hinterfragen. Das gelingt durch die Vernetzung Also stellen Sie sich doch einmal selbst die Fragen: Was
verschiedenster Akteure in der Projektarbeit, durch die ist das Ziel unseres Wirtschaftens? Geht es wirklich um das
Verbindung von wissenschaftlicher Forschung und aktiver Befriedigen materieller Bedürfnisse? Oder wird nur um des
Öffentlichkeitsarbeit – und vor allem durch Bildungsarbeit Produzierens willen produziert? Brauchen wir all den Lu-
online wie offline. xus? Was macht ein gutes Leben aus? Und von wessen
Leben reden wir hier eigentlich, auch von dem der pa-
Herausforderung IV: Ein Methodenfeuerwerk kistanischen Näherin und dem Leben der Menschen, die
So haben Nadine Kaufmann und Esther Wawerda hier vor Ort prekär leben müssen? Oder dem der Tiere und
gemeinsam mit der und für die Akademie Frankenwarte Pflanzen auf dieser Erde?
Würzburg ein Seminar entwickelt, das sich um die Fragen Hier setzen Wachstums-Kritik und Post-Wachstums-
dreht: Wie kann Lebensqualität für alle gesichert werden, Diskurse an. Dies ist ein Sammelbegriff für vielfältige
wenn sich Arbeitswelten und ganze Regionen verändern? Konzepte und konkrete Projekte, die weit über ökolo-
Wie lässt sich ein solcher Umbau ökologisch, sozial und gische Aspekte hinausgehen. Da gibt es kulturelle Kritik
demokratisch gestalten? Zentral war bei der Konzeption am Lebensgefühl des Schneller-Höher-Weiter-Mehr, da
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gibt es sozioökonomische Kritik am kapitalistischen Wirt- Neubewertung und Neuverteilung von Arbeit zum Beispiel.
schaftskreislauf mit seinen dazugehörigen Krisen, da gibt Denn sowohl die Umfragen im Großen als auch die im
es feministische Kritik an un- und unterbezahlter Sorge- kleinen Seminarraum zeigen: Die meisten von uns arbeiten
Arbeit, da gibt es Kritik an der Ausbeutung von Menschen mehr als sie eigentlich wollen. Wie wäre es also, den Tag
und Natur im Globalen Süden. Doch drei Ziele einen die idealtypisch in möglichst gleich große Teile aufzuteilen und
Post-Wachstums-Bewegung: ökologische und soziale Ge- diese zu verbringen zum Beispiel mit Erwerbsarbeit für uns
rechtigkeit sowie die Unabhängigkeit von wirtschaftlichem selbst, kultureller Arbeit für die Gesellschaft, Sorgearbeit
Wachstum. Denn dieses hält im Post-Wachstums-Denken für unsere Umgebung und politischer Arbeit für das große
eben nicht, was es verspricht – auch nicht hierzulande, wo Ganze? Ziele sind die gerechtere Verteilung von Erwerbs-
trotz kontinuierlichem Wirtschaftsaufschwung die sozialen und Sorgetätigkeiten innerhalb unserer Gesellschaft und
Sicherungssysteme gestutzt wurden, die Staatsverschul- Zeitwohlstand, indem wir souverän mit den 24 Stunden
dung weiter steigt, industrielles Wachstum meist auf Kos- eines jeden Tages umgehen, diese mit uns ausfüllenden
ten der Umwelt geht oder durch Subventionen überhaupt Tätigkeiten nutzen, und dabei immer noch Freizeit, Urlaub
erst zustande kommt. und Muße haben, auch mal nichts zu tun.
Muße hatten auch die 15 Teilnehmenden des Semi-
nars an der Akademie Frankenwarte. Sie begaben sich in
kleine Utopie-Zirkel und entwarfen Schlagzeilen aus dem
Die sozial-ökologische Transformation Jahr 2038. Diese lauteten unter anderem: „Skandal: Wie-
ist ein demokratischer Prozess, an der mehr Männer in Führungspositionen!“, „Mieten kom-
plett abgeschafft“, „Bedingungsloses gleiches Einkommen
dem alle teilhaben können. für alle“, „24-Stunden-Arbeitswoche umgesetzt“, „Wir
sind energieautark“, „Letzte Burnout-Patientin offiziell
Wer dieser Argumentation nun entgegenhält, dass Bil- genesen“, „Letztes Gefängnis zu Konzerthaus umge-
dung, Gesundheit, Altersvorsorge und der gesamte So- baut“ oder „Kindergärten und Seniorenheime sind jetzt
zialstaat nur mit einer boomenden Wirtschaft finanziert Mehrgenerationen-Häuser“.
werden kann, oder dass eine Schrumpfung der Wirtschaft
fatale Folgen für die öffentlichen Finanzen hat (weil dann Wie Post-Wachstum gestaltet werden kann
die Steuereinnahmen sinken, der Konsum stagniert, der Schöne Utopien, doch wie können sie Realität wer-
Staat noch mehr Geld für neue Kredite samt Zinsen ausge- den? Der Gestaltung von (Post-Wachstums-)Wirtschaft
ben muss) – dem kann man wiederum erwidern: „Eure Krise und zivilgesellschaftlichem Engagement widmete sich ein
ist nicht unser Postwachstum“ – und glücklich macht Wirt- kompletter Seminartag. Zunächst zur Theorie – und da-
schaftswachstum auch nicht! In Deutschland zum Beispiel mit zur Theorie der sozial-ökologischen Transformation.
ist das BIP in den vergangenen Jahren auf ein Vielfaches „Diese bedeutet nicht, dass ein bestehendes, ausbeu-
gestiegen, doch das Niveau der Lebenszufriedenheit ist un- terisches System und die Privilegien einiger weniger mit
verändert. Außerdem befördern auch negative Ereignisse neuen Mitteln stabilisiert werden sollen“, erläutert Nadine
die Wirtschaft – das reicht vom Autounfall, in dessen Folge Kaufmann. „Die Lösungen sollen über die heutige Situati-
Werkstätten und Ärzte konsultiert werden, über Umwelt- on hinausweisen.“ Nachhaltigkeit hat Vorrang, Werte und
zerstörung, gegen die Schutzmaßnahmen implementiert Denkmuster sowie Lebens- und Produktionsweisen müssen
werden müssen, bis zum Krieg, von dem Waffenindustrie sich ändern – angeleitet durch die Frage: Was bedeutet ein
oder am Wiederaufbau beteiligte Institutionen profitieren. gutes Leben für alle wirklich?
Die sozial-ökologische Transformation ist ein demokra-
Wie wollen wir arbeiten? tischer Prozess, an dem alle teilhaben können. Das bedeu-
Es gibt also viele gute Argumente auf beiden Seiten des tet: Alternativen aufbauen und sichtbar machen, positive
Wirtschaftswachstums-Blattes. Und so bieten die beiden Leitbilder vermitteln, den politischen Rahmen schrittweise
Seminarleiterinnen neue Gedankenspiele an: „Statt neuen verändern und heutige Nischen unterstützen, gesellschaft-
Reichtum zu schaffen – wäre es nicht sinnvoller zu fra- liche Wahrheiten anzweifeln, Bildungsangebote anpassen,
gen, wie ein gutes Leben für alle möglich sein kann? Und Machtfragen stellen und Scheinlösungen thematisieren.
was brauche ich wirklich für ein glückliches Leben?“ Eine Klingt in der Theorie ganz gut. Doch was hindert uns,
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selbst aktiv zu werden und dem immerwährenden Konsum- und hat deshalb die Initiative Zukunftshaus ins Leben ge-
und Leistungsdruck den Kampf anzusagen? Gründe fanden rufen. Das Zukunftshaus möchte eine Alternative für Men-
sich im Seminar-Rund genug: Eigene Gewohnheit, Trägheit schen mit hohem ökologischen und sozialen Bewusstsein
und Bequemlichkeit; die Angst vor Verzicht und Verlust, vor sein; an einem Ort (den man bereits gefunden, aber noch
Repression oder der eigenen Ohnmacht. Zum Glück wurden nicht bezogen hat), bequem zu erreichen und alltagstaug-
auch genügend Antworten auf die Anschlussfrage gegeben: lich. Kaufen und mieten, tauschen und reparieren soll hier
Wie schaffe ich es doch? Gibt es nicht genug Positivbeispiele ebenso möglich sein wie Gastronomie und Co-Working-
für gesellschaftlichen Wandel? Oh ja, die gibt es: Vernetzung Angebote. Sozial und ökologisch – das soll hier etwas
und die demokratische Mitgestaltung von Planungsprozes- nicht nur für Personen mit dickem Geldbeutel werden.
sen; Transparenz, Bildung und Information; die Möglichkeit, Markus Leisegang ist Physiker, aber auch engagierter
Veränderung positiv zu besetzen und erfolgreiche Projekte Förderer einer regionalen und umweltverträglichen Lebens-
zu zeigen – und die reichen von der schrittweisen Ächtung mittel-Erzeugung. Er führte den Seminarteilnehmenden vor
von Plastiktüten und Einwegdosen über die Eröffnung ei- Augen, dass der Lebensmittelmarkt weltweit geprägt ist
nes Repaircafés vor Ort bis hin zum Atomausstieg. Denn er von Marktkonzentration und Marketingkampagnen, von
kommt, langsam zwar, aber er kommt. Verarbeitung und Verpackung. Die Fragen in diesem Zu-
sammenhang lauten: Warum bewegen wir Lebensmittel
über so weite Strecken? Wieso verkaufen wir so viel Milch
ins Ausland, wenn wir gleichzeitig große Mengen einfüh-
ren müssen, um den Bedarf der Bevölkerung zu decken?
Benötigen wir wirklich Trauben im Frühling oder Erdbeeren
im Winter? Warum ernten wir unsere Kirschbäume nicht
ab? Muss es so viel Kaffee sein? Fakt ist: Umgerechnet auf
die genutzte Agrarfläche wird der deutsche Lebensmittel-
konsum zu 60 % im Ausland be- und erwirtschaftet. 12
Millionen Tonnen Lebensmittel werden hierzulande jährlich
weggeworfen. Unfassbare 30 der 50.000 essbaren Pflan-
zen auf dieser Erde machen 95 % der weltweit umgesetz-
ten Nahrungsenergie aus.
Wie lässt sich ein gesellschaftlicher Umbau ökologisch, sozial und Dass es anders gehen kann, beweist die Verbraucher-
demokratisch gestalten? Suche nach Antworten in der Akademie Erzeuger-Gemeinschaft Würzburg: Man setzt auf direkten
Frankenwarte Foto: Sebastian Haas Kontakt zwischen Erzeuger*innen und Verbraucher*innen
in der Region, ermöglicht über einen Solidarbeitrag auch
Doch was geschieht bereits 2020? Zwei Beispiele aus Mitgliedern mit kleinem Geldbeutel den Konsum ökolo-
dem räumlichen Umfeld der Akademie Frankenwarte gischer Lebensmittel, bietet Vorträge, Kochabende und
stellten sich vor: Zukunftshaus und Verbraucher-Erzeuger- Filmvorführungen zu Umwelt- und Naturschutz an. Klingt
Gemeinschaft Würzburg. vernünftig und unterstützenswert, hat aber natürlich auch
Haken: Landwirte zum Beispiel, die auf Pestizide verzichten
Wirtschaft ohne Wachstum im Alltag und den Böden Zeit lassen zum Regenerieren, müssen mehr
Matthias Pieper ist derzeit Geschäftsführer des Welt- für ihren Ertrag tun (in diesem Falle übrigens auch die Ver-
laden Würzburg – und meint: „Wenn alle fairen Handel einsmitglieder). Und das Risiko für Ernteausfälle ist höher.
betreiben, löst man zwar soziale Probleme, aber nicht das
Ressourcenproblem.“ Da die Erde uns tatsächlich klare Politische Maßnahmen auf dem Weg zum
Grenzen setzt und in den Industrienationen große Angst Post-Wachstum
vor Verzicht herrscht, werde technischer Fortschritt immer So viel zum Engagement in der direkten Umgebung.
durch unsere Art des Konsums aufgefressen. „Das Elek Aber auch die große Politik muss die sozial-ökologische
troauto, der energiesparende Kühlschrank oder das ener- Transformation von Anfang an begleiten und gerecht ge-
getisch sanierte Haus auch in 20 Jahren so zu nutzen wie stalten. Zehn Szenarien auf dem Weg in die Post-Wachs-
jetzt – das hilft unserem Planeten auch nicht“, sagt Pieper, tums-Gesellschaft (entwickelt vom Forschungsnetzwerk
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Research & Degrowth) haben die Teilnehmenden des Se- Interessantes Material zum Thema
minars an der Akademie Frankenwarte zu guter Letzt dis-
kutiert und bewertet: Dion, Cyril / Laurent, Mélanie (2016): Tomorrow – Die Welt ist voller
Lösungen. Ein Film; www.tomorrow-derfilm.de (Zugriff auf diesen und
alle folgenden Links: 20.08.2020)
1. Ein Schuldenschnitt für alle (mal abgesehen von
Herrmann, Ulrike (2020): Nachhaltigkeit im Kapitalismus? Ein Vortrag
denen, die mit ihrem Geld spekulieren); der Wirtschaftsjournalistin; www.youtube.com/watch?v=1XsTaSz_8H4
2. Ein Grund- bzw. Maximaleinkommen;
Konzeptwerk Neue Ökonomie (Hrsg.) (2013): Zeitwohlstand. Wie wir
3. Die optimierte Nutzung von Gebäuden, das Vermei-
anders arbeiten, nachhaltig wirtschaften und besser leben. Freiburg:
den von Leerständen, auf dass sich der Immobilien-
oekom Verlag; https://konzeptwerk-neue-oekonomie.org/themen/
markt beruhigt; zeitwohlstand/buch-oekom-zeitwohlstand
4. Die gerechte Aufteilung von Arbeit in Unterneh-
Langen, Kristin / Sontheimer, Leonie (2020): Vom Zauber einer
men – durch Teilzeit, flexible Arbeitszeit und andere
Zahl – Die Erfindung des Wirtschaftswachstums. Zeitfragen-Feature;
Arbeitsmodelle;
www.ardaudiothek.de/zeitfragen-feature/vom-zauber-einer-zahl-die-
5. Die Förderung von alternativen Wirtschaftsformen; erfindung-des-wirtschaftswachstums/74718794
6. Die drastische Reduktion von Werbung;
Schmelzer, Matthias / Vetter, Andrea (2019): Degrowth/Postwachstum
7. Eine „Grüne“ Steuerreform, die umweltfreundliches
zur Einführung. Hamburg: Junius Verlag; www.junius-verlag.de/
Verhalten fördert;
Programm/Degrowth-Postwachstum-zur-Einfuehrung.html
8. Der Stopp umweltschädlicher Subventionen;
9. Die Einführung verbindlicher Emissionsgrenzen für Tagesspiegel Causa (2020): Schlägt in der Krise die Stunde der
Postwachstumsökonomie – eine Debatte; https://causa.tagesspiegel.de/
alle, ohne Emissionshandel durch die Hintertür;
gesellschaft/schlaegt-in-der-krise-die-stunde-der-postwachstumsoeko
10. Die Abschaffung des Bruttoinlandsprodukts als Indi-
nomie
kator für den Wohlstand einer Nation.
Ausgewählte, weiterführende Links
Sie finden das alles unrealistisch? Das ist es womög-
lich. Doch, so mahnt Esther Wawerda vom Konzeptwerk www.netzwerk-oekonomischer-wandel.org
Neue Ökonomie: „Warum sollten diese Ideen unvorstellbar www.regiogeld.de
sein? Ich kann mir keine Welt vorstellen, in der in 50 Jah- www.degrowth.net
ren alles noch ebenso läuft wie jetzt.“ Und genau darum www.foodsharing.de
ging es an der Akademie Frankenwarte: Sich bewusst zu www.teamglobal.de
www.globaleslernen.de
machen, was wir für unmöglich halten und warum – und
www.wir-haben-es-satt.de
dadurch den Spielraum dessen zu erweitern, was möglich
www.mehr-demokratie.de
sein könnte.
Zum Autor
Dr. Sebastian Haas ist Referent an der Akademie
Frankenwarte Würzburg. 2010–2019 verantwortete er
die Öffentlichkeitsarbeit der Akademie für Politische
Bildung in Tutzing und organisierte Seminare zu
Journalismus und Digitalisierung. Er war Aufbauhelfer
für das Media Lab Ansbach. Er studierte Geschichte,
Politikwissenschaften und Anglistik an der Universität
Passau und promovierte über die Wirkungsgeschichte
der Preußischen Jahrbücher in der Reichsgründungszeit.
Er absolvierte ein Zeitungsvolontariat bei der Passauer
Neuen Presse.
sebastian.haas@frankenwarte.de
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