Europäische Immobilien: Bauen oder nicht bauen? - NET
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IMMOBILIEN Europäische Immobilien: Bauen oder nicht bauen? BA RIN G S IN S I G H T S Höhere Baukosten und längere Bauzeiten können die Gewinne unter Druck setzen. Doch in einigen Märkten können Bauträger Spitzenmieten verlangen und die erforderlichen Renditen daher möglicherweise übertreffen. Joanne Warren Associate Director, Real Estate Research BARINGS INSIGHTS AUGUS T 2021 1
Die europäische Wirtschaft ist für den Aufschwung gerüstet... doch die Inflation bringt Gegenwind Dank zunehmender Impfungen werden weniger Menschen ins Krankenhaus eingewiesen, daher werden Lockdown-Maßnahmen gelockert und die Wirtschaft in Europa öffnet sich wieder. Sowohl für den Dienstleistungssektor als auch für das verarbeitende Gewerbe liegen robuste, hochfrequente Umfragedaten vor und deuten auf einen Aufschwung auf breiter Front hin. In der nächsten Zeit werden das Tempo der Impfungen—insbesondere der zweiten Dosen—und die Zahl der neuen Fälle gegenüber den Krankenhauseinweisungen bei der Bewertung der unmittelbaren Risiken im Zusammenhang mit der Erholung eine entscheidende Rolle spielen. Allerdings ist das Gespenst der Inflation zurückgekehrt, da weltweite Engpässe bei wichtigen Einsatzstoffen und die Ressourcenknappheit den Preisdruck erhöhen. Unserer Ansicht nach ist dieser Inflationsschub kein Ausdruck einer überhitzten Wirtschaft, die auf Hochtouren fährt, sondern das Resultat einer Konjunktur, die überraschend früh erwacht. Somit könnte die Inflation in der Eurozone in der zweiten Jahreshälfte 2021 auf 2,5 Prozent bis 3 Prozent pro Jahr steigen, bevor sie 2022 wieder nachlässt.1 Anfang Juli kündigte die Europäische Zentralbank (EZB) ein neues asymmetrisches Inflationsziel von 2 Prozent an, um die Preisstabilität zu wahren und den Entscheidungsträgern die Flexibilität zu bieten, die Zinsen länger niedrig zu halten. Was bedeutet Inflation für Bauvorhaben? Immobilien sind zwar keine echte Inflationsabsicherung, bieten aber Cashflows mit indexgebundenen Eigenschaften und damit einen gewissen Inflationsschutz. In kleinen Dosen können inflationäre Tendenzen Immobilienmärkten sogar nutzen, da sie die Anlegernachfrage nach der Assetklasse anheizen können. Eine übermäßige Inflation kann jedoch die Aussichten für die Immobilienmärkte beeinträchtigen, insbesondere wenn sie zu steigenden Zinsen führt und sich durch höhere Entwicklungskosten negativ auf die Bewertung von Bauvorhaben auswirkt. ABBILDUNG 1: Globale Rohstoffpreise 140 Base 100 = Juni 2010 120 100 80 60 Juni-10 Juni-12 Juni-14 Juni-16 Juni-18 Juni-20 Juni-22 Juni-24 Juni-26 Preise, Rohstoffe, Welt Index der Weltrohstoffpreise, ohne Brennstoffe Prognose QUELLE: Oxford Economics. Stand: 12. Juli 2021. Steigende Baukosten und längere Projektzeiten aufgrund von Engpässen bei Baumaterialien wirken sich derzeit negativ auf den internen Zinsfuß (IRR) von Bauvorhaben in Europa aus. Infolgedessen könnte das allgemeine Aktivitätsniveau in der Entwicklungspipeline in den kommenden Monaten nachlassen. Aber an Standorten, an denen der langfristige strukturelle Ausblick wirklich vorteilhaft bleibt (und nach der Pandemie vielleicht noch günstiger ist), könnten die Renditeaussichten sogar besser sein. Zu diesen sogenannten „Hotspots für Bauträgergewinne“ gehören die 1. Quelle Oxford Economics. Stand: 12. Juli 2021. BARINGS INSIGHTS AUGUS T 2021 2
Immobiliensektoren, die von Rückenwind durch Technologie und Umwelt-, Sozial- und Governance- Faktoren (ESG) profitieren werden. Inhärente strukturelle Engpässe und eine mangelnde Elastizität beim Angebot—etwa topografische Herausforderungen, fehlende Grundstücke und langwierige Planungsprozesse—sind ebenfalls von entscheidender Bedeutung, um ein hohes Mietniveau zu gewährleisten. Wenn diese strukturellen Faktoren zusammentreffen, dürften Bauträger die Preise bestimmen und Spitzenmieten verlangen können und daher die Bewertungen entsprechend ansetzen. Bei nicht optimalen Marktbedingungen dürften sie Preisnehmer sein und wahrscheinlich nicht die gewünschte Rendite oder Rentabilität erzielen können, sodass ihnen nichts anderes übrig bleibt, als ihre Pläne auf Eis zu legen oder gänzlich von ihnen abzusehen. Die Auswirkungen auf die wichtigsten Immobiliensektoren LO G I S T IK S E K TO R Der europäische Logistiksektor profitierte außerordentlich von der Pandemie, denn die zunehmende strukturelle Verlagerung zum Online-Shopping heizte die Nachfrage nach Flächen enorm an. Unsere internen Schätzungen gehen davon aus, dass allein aufgrund der Nachfrage des Einzelhandels bis 2024 in Westeuropa 20 Prozent bis 25 Prozent mehr an modernen Logistikobjekten benötigt werden. Der derzeitige endemische Mangel an modernen Flächen—da die Nachfrage nur unzureichend durch neue Bauvorhaben gedeckt ist und in vielen Märkten nur wenige genehmigte Grundstücke für die Entwicklung zur Verfügung stehen—lässt auf ein starkes Potenzial für Mietwachstum schließen. ABBILDUNG 2: Europäischer Logistiksektor: Zusätzliche Nutzernachfrage (2020–2024) 50% Zunahme moderner Bestände 40% 30% 20% 10% 0% Niederlande Schweden Italien Spanien Frankreich Deutschland Großbritannien Online Büro QUELLEN: Barings; CBRE; Capital Economics; Oxford Econmics; CRR. Stand: Januar 2021. Bei aktuellen Entwicklungsprojekten erweisen sich in die Höhe kletternde Stahlkosten und Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung als problematisch. Berichten zufolge haben Zulieferer ihre Auftragsbücher auf unbestimmte Zeit geschlossen oder sind nicht in der Lage, vor dem zweiten Quartal 2022 Material zu liefern. Wenn die derzeitige Materialknappheit und die höheren Baukosten den Start von Projekten verzögern und die Bauzeiten verlängern, kann sich der gegenwärtige Angebotsdruck bei modernen Flächen weiter verschärfen. Um die höheren Baukosten abzufedern und die erforderlichen Projektrenditen zu erzielen, können Bauträger mit Objekten in Vorzugslage einen beträchtlichen Mietaufschlag verlangen. Nach unserer Analyse der Break-even-Mieten für Bauunternehmen könnten die Mieten für die besten Logistikzentren zur Zustellung auf der „letzten Meile“ und in überregionalen Knotenpunkten um bis zu 30 Prozent steigen. Das könnte Investoren, die derzeit die Nachhaltigkeit der Renditen für erstklassige Logistikimmobilien infrage stellen, zum Umdenken bewegen—auch wenn die Definition von wirklich erstklassigen Immobilien nach der Pandemie vielleicht enger gefasst ist. BARINGS INSIGHTS AUGUS T 2021 3
WO H N U N G S S E K TO R Der europäische Wohnimmobiliensektor ist zunehmend attraktiv, insbesondere für Anleger, die eine Alternative zum Einzelhandel und einen stetigen Einkommensstrom wünschen. Nachhaltig steigende Immobilienpreise, die durch niedrige Zinsen und einen Mangel an Wohnraum unterstützt werden, zeigen keine Hinweise auf eine Abkühlung, sodass Wohneigentum zunehmend unerschwinglich ist und die Mietnachfrage angefacht wird. Unserer Ansicht nach deuten die weit verbreitete Wohnungsnot und die wachsende Zahl von Mietern in Verbindung mit großen Unterschieden bezüglich der Größe und des Reifegrads der institutionellen Märkte einzelner Länder darauf hin, dass sich eine Vielzahl von interessanten Möglichkeiten für den Wohnungsbau bietet (und auch in Zukunft bieten wird). Zwar sind die Argumente für Investitionen in Wohnimmobilien nach wie vor solide, doch werden sich höhere Baukosten und Engpässe bei Baustoffen in nächster Zeit negativ auf die IRRs einiger Bauvorhaben auswirken. Beispielsweise werden die knappe Holzversorgung und steigende Preise angesichts des hohen Holzanteils eines typischen Neubaus eine große Herausforderung darstellen. ABBILDUNG 3: Durchschnittliche jährliche Fertigstellung von Bauvorhaben in den letzten 20 Jahren 2.5% Über- alterung 2.0% 1.5% 1.0% Angebots- lücke 0.5% 0.0% Deutschland Schweden Groß- Italien Niederlande France Spanien britannien Durchschn. Fertigstellungen pro Jahr (% aller Haushalte) 100 Jahre Lebensdauer für Gebäude QUELLEN: Barings; EZB. Stand: Dezember 2020. Unserer Schätzung nach könnten die Break-even-Mieten der Bauträger für die stärksten Projekte eine Prämie von etwa 10 Prozent bis 15 Prozent enthalten— diese Prämie muss nun freigesetzt werden. Allerdings lassen sich diese höheren Mieten und Verkaufspreise nur an Standorten erzielen, an denen der Druck durch die Wohnungsnot am größten ist—mit anderen Worten: dort, wo Bauvorhaben nicht mit der Überalterung Schritt gehalten haben. Wenn Mieter und Käufer es sich leisten können und bereit sind, mehr zu zahlen, um in brandneuen, hochwertigen Wohnungen zu leben, können Bauträger Spitzenmieten und -verkaufspreise ansetzen. BARINGS INSIGHTS AUGUS T 2021 4
O FFI CE Bei der Rückkehr ins Büro könnten viele Unternehmen ein hybrides Arbeitsmodell in Betracht ziehen, was auf eine geringere Nachfrage nach Büroflächen schließen lässt. Gleichzeitig erwarten wir eine Flucht in die Qualität, wobei flexible, besonders hygienische und moderne Büroflächen mit robusten ESG-Merkmalen sehr gefragt sein werden. Zahlreiche Städte in Europa leiden bereits jetzt unter einem chronischen Mangel an modernem Wohnraum, der sich bei einer deutlichen Abkühlung der Bautätigkeit wahrscheinlich noch verschärfen wird. Das wiederum spricht dafür, dass die Spitzenmieten mittel- bis längerfristig steigen werden. Selbst während der Pandemie erzielten die am besten gelegenen und hochwertigsten Bürogebäude weiterhin hohe Preise. Da Unternehmen allmählich überschüssige Altflächen abstoßen, vergrößert sich die Renditespanne zwischen den „Besten“ und „dem Rest“. ABBILDUNG 4: Büros in Großbritannien: Anfängliche Nettorendite 12% 700 Spanne (erstes vs. drittes Quartil, Bp) 600 10% 500 8% 400 6% 300 4% 200 2% 100 2006 2009 2012 2015 2018 2021 Erstes Quartil Drittes Quartilt Spread (Bp, rechts) SOURCE: MSCI. As of July 2021. In Kernmärkten ergeben sich vermehrt Möglichkeiten zur Neupositionierung von gebrauchten Bürogebäuden, aber der Schwerpunkt liegt inzwischen viel stärker auf der ESG-Bewertung nach der Fertigstellung. Die gute Nachricht ist: Mieter sind bereits bereit, eine „Umweltprämie“ in Kauf zu nehmen. So hat eine Untersuchung von JLL ergeben, dass Mieter im Zentrum Londons für Bürogebäude mit höherem ESG-Rating 6 Prozent bis 10 Prozent mehr zahlen würden.2 Da die Pandemie den Trend zu Wellness und sozialer Verantwortung noch verstärkt hat, wird sich diese Prämie in Zukunft wahrscheinlich noch erhöhen. ABBILDUNG 5: Mietprämie für BREEAM-Bewertung Klasse A (Britisches Nachhaltigkeitszertifikat) 2011–2013 2014–2016 2017–2019 Herausragend/Ausgezeichnet (441) 9% 11% 10% Sehr gut (303) 9% 5% 6% QUELLE: JLL. Stand: Mai 2020. 2. Quelle: Jones Lang La Salle: The impact of sustainability on value. (Die Auswirkungen der Nachhaltigkeit auf den Wert.) Stand: 2020. BARINGS INSIGHTS AUGUS T 2021 5
„Hotspots für Bauträgergewinne werden dort zu finden sein, wo breitere demografische, technologische und gesellschaftliche ESG-Trends auf strukturelle Angebotsbeschränkungen treffen.“ Zentrale Erkenntnis Die Erholung der Wirtschaft ist eine gute Nachricht für den Immobiliensektor in Europa. Weniger erfreulich sind die Auswirkungen höherer Baukosten und möglicherweise längerer Bauzeiten auf die Gewinne der Bauträger. Diese Kosteneffekte und die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf den internen Zinsfuß werden zwangsläufig viele geplante Projekte belasten und dazu führen, dass einige Vorhaben vorübergehend und andere möglicherweise dauerhaft auf Eis gelegt werden. Doch in Märkten, in denen Bauträger die Preise bestimmen, können sie Spitzenmieten verlangen und die erforderlichen Projektrenditen erreichen oder sogar möglicherweise übertreffen. Diese „Hotspots für Bauträgergewinne“ werden dort zu finden sein, wo breitere demografische, technologische und gesellschaftliche ESG-Trends auf strukturelle Angebotsbeschränkungen treffen. BARINGS INSIGHTS AUGUS T 2021 6
Barings ist ein globaler Investmentmanager mit mehr als 382 Milliarden Dollar verwaltetem Vermögen*, der differenzierte Möglichkeiten sucht und lang fristige Portfolios in öffentlichen und privaten Renten-, Immobilien—und spezialisierten Aktienmärkten aufbaut. Mit Anlageexperten in Nordamerika, Europa und im asiatisch-pazifischen Raum ist das Unternehmen, eine Tochtergesellschaft von MassMutual, bestrebt, seinen Kunden, Gemeinden und Mitarbeitern zu dienen, und setzt sich für nachhaltige Praktiken und verantwortungsbewusste Investitionen ein. WICHTIGE INFORMATIONEN Prognosen in diesem Material basieren auf der Meinung von Barings über den Markt am Datum der Erstellung und können sich in Abhängigkeit von vielen Faktoren ohne vorherige Ankündigung ändern. Eine Vorhersage, Hochrechnung oder Prognose lässt nicht notwendigerweise auf die künftige oder wahrscheinliche Performance schließen. Anlagen bergen Risiken. 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