European Green Deal - Mehr Fassadenbegrünung als Aufbruch in eine neue Zeit
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European Green Deal – Mehr Fassadenbegrünung als Aufbruch in eine neue Zeit
Inhalt Einleitung 3 Frequently Asked Questions 5 Einbettung des Green Deals in die bestehende Klima- und Nachhaltigkeitspolitik der EU 6 Nachhaltigkeitspolitik 7 1. Saubere Energie – Perspektiven für alternative, saubere 8 Energiequellen? 2. Nachhaltige Industrie – nachhaltige und umweltfreundliche 11 Produktionszyklen? 3. Gebäude und Renovierung – ein umweltfreundlicher Bausektor? 12 bzw. vorrangiger Wärmenutzung 4. Nachhaltige Mobilität – Förderung umweltverträglicher Verkehrsmittel? 16 5. Biodiversität - Maßnahmen zum Schutz unseres empfindlichen Ökosystems? 19 6. Vom Hof auf den Tisch – Gewährleistung einer nachhaltigeren Lebensmittelkette? 22 7. Beseitigung der Umweltverschmutzung 25 Finanzierung – Gerechten Wandel ermöglichen? 27 2 BUND-Positionierung European Green Deal
Einleitung Der Impuls, den die Europäische Kommission mit dem ist Vorsicht geboten, denn verbindliche Ziele und kon- Green Deal setzt, ist ausdrücklich zu begrüßen. Alle krete Maßnahmen für ein drastisches Senken von Gesellschaften in Europa müssen sich die Frage stellen, Ressourcen- und Energieverbrauch oder zum Erhalt wie wir ein gutes Leben in Zeiten der Klimakrise, dem der Biodiversität fehlen an vielen Stellen. Auch ver- Artensterben und der Ressourcenkrise ausgestalten missen wir die Rolle zivilgesellschaftlicher Organisa- können. Wie müssen sich unsere Arbeits-, Lebens- und tionen als Akteure des Wandels. Produktionsweisen ändern, um die natürlichen Res- sourcen auch für die zukünftigen Generationen zu In weiten Teilen wird jedoch bereits jetzt deutlich, erhalten? Die Bundesregierung sollte auch in der aktu- dass der Green Deal einer kritischen Prüfung nicht ellen Krise und mit Blick auf anstehende Konjunktur- standhält. So ist das Ziel einer Klimaneutralität bis programme den Green Deal als Anregung verstehen, 2050 zu spät angesetzt. Auch, dass die EU sich derzeit um ernsthaft auf Artenkrise und Klimakrise zu rea- nicht in der Lage sieht Atomkraft und Erdgas als gieren und unsere Volkswirtschaft so umzugestalten, schmutzige Energiequellen auszuweisen, lässt erheb- dass sie zukunftsfähig wird. In Zeiten von Ressourcen- liche Zweifel an den ökologischen Ambitionen des knappheit, Flächenfraß und Artensterben geht es eben Green Deals aufkommen. Gleiches gilt für die Förde- heute nicht mehr nur darum, die CO2-Emissionen im rung des Einsatzes von sogenanntem Carbon Capture Energiebereich zu senken. Es geht um die Verwirkli- Storage (CCS) und Carbon Capture Utilization (CCU), chung eines sozialökologischen Umbaus mittels geeig- also der Abscheidung, Speicherung und Nutzung von neter Rahmenbedingungen. CO2 aus Kraftwerksabgasen, die wir entschieden ablehnen. Ein Green Deal der diese Maßnahmen als Einige der im Green Deal der EU beschriebenen Maß- ökologische Alternativen vorantreibt, kann nicht nahmen gehen dabei in die richtige Richtung. unsere Unterstützung finden. So unterstützen wir ausdrücklich die Überlegungen zu einem CO2-Grenzausgleichsystem. Auch die ange- Auf europäischer Ebene müsste der Green Deal die kündigte strenge Prüfung der Effizienzvorschriften Treiber der Krisen ebenso wie die Blockierer einer für Gebäude wäre ein wichtiger und notwendiger wirkungsvollen Umwelt- und Klimapolitik benennen. Schritt, um Versäumnisse in den Mitgliedsstaaten in Ohne eine tiefergehende Analyse werden aktuell nur diesem Sektor anzuzeigen. Auch begrüßend wir aus- Maßnahmen entwickelt, die leicht durch andere drücklich die Debatte um eine Einführung eines Rechts Politikbereiche konterkariert werden können. So steht auf Reparatur für Verbraucher*innen. Eine derartige die aktuelle export- und wachstumsorientierte Wirt- Regelung ist ökologisch höchst sinnvoll und schafft schaftspolitik in den meisten Fällen den Bemühungen zugleich Beschäftigung. Auch die Verlagerung des um eine ambitionierte Nachhaltigkeits-, Klima-, Güterverkehrs auf die Schiene durch Einführung einer Agrar-, Biodiversitäts- bzw. Naturschutzpolitik wirksamen europaweiten Straßenmaut für den Güter- entgegen. Unter dem Eindruck der COVID-19-Pande- und Personenverkehr findet bei uns Unterstützung. mie müssen die globalen Lieferketten auf den Prüf- Wir bestärken die EU-Kommission auch in ihren stand. Intelligent vernetzte europäische Lieferketten Überlegungen, Subventionen für fossile Brennstoffe mit starker Kreislaufführung in den Regionen müssen abzuschaffen. Sowohl die Stärkung der Schiene im Vordergrund stehen. Ebenso ist die aktuelle Finanz- gegenüber dem Individualverkehr, als auch der Weg- sowie Finanzmarktpolitik gegenläufig zu vielen fall von fossilen Subventionen wären ein wichtiges umweltpolitischen Bestrebungen. Fossile Energieindus- Signal für eine benötigte Mobilitätswende. Dennoch trie, die Agrarindustrie, die Chemie- und Plastikindustrie BUND-Positionierung European Green Deal 3
sowie die Automobilindustrie und große Akteure der Finanzindustrie sind zudem die stärksten Blockierer einer sozial und ökologisch nachhaltigen Energie-, Mobilitäts-, Agrar- und Ressourcenwende. Ihre Rolle aber wird durch den Green Deal nicht adressiert. Statt das wachstums- und exportorientierte Wirt- schaftsmodell zu hinterfragen, stellt der Green Deal eine neue Wachstumsstrategie dar. Er setzt weiter auf eine Entkopplung von Ressourcenverbrauch und Treibhausgasemissionen vom Wirtschaftswachstum, obschon so die Pariser Klimaziele nicht erreicht und der Verlust der Biodiversität nicht gestoppt werden kann. Das Versprechen des Green Deal, den Ressour- cenverbrauch vom Wirtschaftswachstum abkoppeln zu können ist auf Sand gebaut. Ein Green New Deal, der die ökologischen Krisen wirklich adressiert, müsste veränderte Rahmenbedingungen für ein Wirtschaften im Sinne des Erhalts der natürlichen Lebensgrundla- gen, des Gemeinwohls und des sozialen Zusammen- haltes entwickeln. 4 BUND-Positionierung European Green Deal
Frequently Asked Questions Was ist der Green Deal? Der Green Deal ist eine Strategie der EU-Kommission, Schon zuvor gab es Institutionen, die vereinzelt den um die Wirtschaft der Europäischen Union bis zum Begriff des Green New Deals genutzt haben: So Jahr 2050 klimaneutral und umweltverträglich aus- sprach das Umweltprogramm der Vereinten Nationen zugestalten. Die neue Kommissionspräsidentin Ursula (UNEP) im Jahr 2008 von einem Global Green Deal von der Leyen hat den Green Deal am 11. Dezember und die New Economics Foundation in Großbritan- 2019 in Brüssel vorgestellt. Um die Ziele des Green nien veröffentlichte im gleichen Jahr einen Bericht, Deals zu erreichen, soll ein Umbau von Energieversor- der sich für einen Green New Deal mit Politikmaß- gung, Industrie, Mobilität und Landwirtschaft erfol- nahmen zur Bekämpfung der Klimakrise einsetzte. gen. Darüber hinaus sollen die Maßnahmen des Green Zur Europawahl 2019 forderten die österreichischen Deals zu mehr sozialer Gerechtigkeit beitragen. Neben Sozialdemokrat*innen die Erarbeitung eines Green einem europäischen Klimaschutzgesetz sind weitere New Deals. Nach der Europawahl 2019 wurde von Aktionspläne und Strategien, beispielsweise eine Anhänger*innen aus dem Umfeld der DiEM25-Bewe- Industriestrategie, eine Biodiversitätsstrategie, ein gung1 eine überparteiliche Kampagne für einen Euro- Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft und die Stra- päischen Green New Deal gestartet. In Großbritannien tegie „Vom Hof auf den Tisch“ für eine nachhaltige hatte die Labour Partei bereits im September 2019 Landwirtschaft vorgesehen. Das Arbeitsprogramm der das Programm für einen Green Deal formuliert. neuen EU-Kommission für 2020 bestätigte den Green Deal und seine Elemente im Januar 2020 als einen wichtigen Arbeitsschwerpunkt. Insgesamt sieht die Europäische Kommission den Green Deal als eine Wachstumsstrategie für die europäische Wirtschaft. Woher kommt der Name Green Deal? Der ursprüngliche Begriff Green New Deal stammt aus den USA und ist wiederum angelehnt an die Bezeich- nung New Deal, also den Wirtschafts- und Sozialre- formen der Regierung des US-amerikanischen Präsi- denten Franklin D. Roosevelt als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise zu Beginn der 1930er Jahre. Hauptinstrumente des New Deals waren die Einfüh- rung von Sozialleistungen, die Regulierung der Finanz- märkte sowie umfangreiche gemeinwohlorientierte Investitionen. In den USA prägte vor allem das Sunrise Movement im Jahr 2019 den Begriff Green New Deal – eine Graswurzelbewegung für mehr Klimaschutz, 1 Die DiEM25-Bewegung ist die durch Alexandria Ocasio-Cortez, eine Abgeordnete eine linke politische der Demokratischen Partei im Repräsentantenhaus, Bewegung, die 2016 vom ehemaligen griechischen unterstützt wird. Im Februar 2019 veröffentlichten Finanzminister Yanis Alexandria Ocasio-Cortez und der demokratische Varoufakis gegründet wurde und die Demokratisierung Senator Edward Markey eine 14-seitige Resolution Europas anstrebt. mit Politikvorschlägen für einen Green New Deal. BUND-Positionierung European Green Deal 5
Einbettung des Green Deals in die bestehende Klima- und Nachhaltigkeitspolitik der EU Der Green Deal knüpft an die bisherige Klimapolitik Plan zur Anhebung des Klimaziels der EU für das Jahr der Europäischen Union an und ergänzt sie um 2030 erstellt. Bestehende Instrumente der Klima- weitere Strategien und Maßnahmen der Umwelt- und politik wie die Richtlinie über das Emissionshandels- Nachhaltigkeitspolitik. Ein Hauptziel des Green Deals system, die Lastenteilungsverordnung, die Energie- ist es, die europäische Wirtschaft bis zum Jahr 2050 effizienz-Richtlinie, die Energiebesteuerungsrichtlinie klimaneutral auszugestalten. Dazu wurde im März sowie die CO2-Emissionsnormen für Personenkraft- 2020 der Vorschlag für ein europäisches Klimagesetz wagen und leichte Nutzfahrzeuge sollen im Rahmen veröffentlicht. Darüber hinaus wird ab Sommer ein des Green Deals im Jahr 2021 überprüft werden. Politikprozesse im Rahmen des Green Deals Zeitplan Europäisches Klimagesetz, das das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 festschreibt Q1 2020 (legislativ, Artikel 192 Absatz 1 AEUV) Der Europäische Klimapakt Q3 2020 (nichtlegislativ, Artikel 191-193 AEUV) Klimazielplan 2030 Q3 2020 (nichtlegislativ, inkl. Folgenabschätzung, Artikel 191-193 AEUV) Neue EU-Strategie zur Anpassung an den Klimawandel Q4 2020 (nichtlegislativ, Artikel 191-193 AEUV) Das Ziel, innerhalb der Europäischen Union im Jahr 2050 gelegt werden. So sollen Wettbewerbsverzerrungen klimaneutral zu wirtschaften, ist aus Sicht des BUND verhindert werden, wenn innerhalb der Europäischen viel zu spät. Um die Pariser Klimaziele einzuhalten und Union CO2 höher bepreist wird. Die Europäische Kom- im Sinne der globalen Gerechtigkeit und der histori- mission hat zuletzt angekündigt, einen solchen schen Verantwortung der EU muss dieses Ziel deutlich Mechanismus statt der Industrieausnahmen im Emis- vorher, mindestens jedoch im Jahr 2040, erfüllt werden. sionshandel einzuführen. Dies ist zu begrüßen, da so Außerdem gibt der Green Deal keine Zwischenziele für klimaschädliche Importe eingeschränkt werden, und die Jahre 2030 und 2040 an. Erst ab Sommer 2020 soll da es einen Präzedenzfall für die Begrenzung des ein Klimaziel für 2030 vorgelegt werden. Dieses hätte unregulierten Freihandels zugunsten von Natur und schon mit dem Green Deal veröffentlicht werden sollen. Umwelt darstellt. Um wirksam zu sein, muss es für Darüber hinaus müssen auch diese Ziele kompatibel mit alle Handelsgüter und alle Handelspartner gleich dem Pariser Klimaabkommen sein. angewandt werden. Dadurch könnte es zu aus ent- wicklungspolitischer Sicht negativen Auswirkungen Ein zentrales Instrument im Green Deal ist die Auswei- kommen, wenn für Produktionsstandorte im Globalen tung des EU-Emissionshandels auf andere Sektoren. Der Süden der Marktzugang zur EU erschwert wird. Die Emissionshandel hat sich jedoch in der Vergangenheit Lösung ist jedoch keine Abschwächung des Grenz- als relativ wirkungslos erwiesen. Insbesondere für den ausgleichssystems, sondern die Gewährung von Verkehrsbereich ist eine Ausweitung nicht zielführend. Anpassungshilfen an die ökologischen Standards. Im Jahr 2021 soll außerdem der Vorschlag für ein CO2- Grenzausgleichssystem für ausgewählte Sektoren vor- 6 BUND-Positionierung European Green Deal
Nachhaltigkeitspolitik Der Green Deal selbst könnte als Nachhaltigkeits- der Vereinten Nationen und die UN-Nachhaltigkeits- strategie verstanden werden: Die EU Kommission ziele (SDGs) umzusetzen. Der Text des Green Deals stellt beschreibt, dass sie den Green Deal als integralen aber über diese allgemeine Aussage hinaus keinen Bestandteil ihrer Strategie sieht, um die Agenda 2030 Bezug zu konkreten Nachhaltigkeitszielen her. Politikprozesse im Rahmen des Green Deals Zeitplan Einbindung der Ziele für nachhaltige Entwicklung in das Europäische Semester 2020 Im Rahmen des Green Deals plant die EU-Kommission ausreichend mit den Verhandlungen zum Mehr- die UN-Nachhaltigkeitsziele als Kriterium in das Euro- jährigen Finanzrahmen und den laufenden Verhand- päische Semester2 zu integrieren. Damit verbunden lungen zur Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrar- formuliert sie den Anspruch, das Wohlergehen der politik abgestimmt ist. Alle Kommissar*innen müssten Bürger*innen in den Mittelpunkt der Wirtschaftspo- die Strategie für ihren jeweiligen Bereich verantwort- litik und die UN-Nachhaltigkeitsziele in den Mittel- lich umsetzen. Federführung und Koordination müss- punkt der Politikgestaltung und allen politischen te klar bei der Kommissionsleitung liegen. Diese Kri- Handelns zu stellen. Es wird nun entscheidend darauf terien werden vom bisherigen Green Deal nicht ankommen, wie diese Maßnahmen ausgestaltet wer- erfüllt. den, welche Kriterien formuliert werden und wie sie nachgehalten werden, um zu beurteilen, wie wir- kungsvoll diese Instrumente sein werden. Nachdem vorherige EU-Kommissionspräsidenten sich seit 2012 immer wieder weigerten, im Lichte der Agenda 2030 der Vereinten Nationen eine Nachhal- tigkeitsstrategie vorzulegen, wäre aus Sicht des BUND dringend geboten, dass Ursula von der Leyen und Frans Timmermans den European Green Deal zu einer ambitionierten EU-Nachhaltigkeitsstrategie entwi- ckeln, die verbindliche lang- und mittelfristige quan- 2 Das Europäische Semester titative Ziele enthält. Diese müssen mit konkreten dient als Rahmen der Koor- Maßnahmen unterlegt sein sowie mit dem Haushalt dinierung der Wirtschafts- und mit Sanktionsmechanismen verbunden sein. politik innerhalb der Europäischen Union. Kritisch beim Green Deal ist zu sehen, dass er nicht BUND-Positionierung European Green Deal 7
1. Saubere Energie – Perspektiven für alternative, saubere Energiequellen? Auf Erzeugung und Verbrauch von Energie entfallen systems wird im Green Deal auf drei Grundprinzipien laut EU-Kommission mehr als 75 Prozent der Treib- verwiesen: (1) Energieeffizienz und Entwicklung eines hausgasemissionen der Europäischen Union. Die Dekar- Energiesektors, der sich weitgehend auf erneuerbare bonisierung des Energiesektors ist deshalb ein zentrales Energiequellen stützt (2) Sichere und bezahlbare Ener- Element im Green Deal, um das Ziel der Klimaneutra- gieversorgung der EU und ein (3) vollständig integrier- lität bis 2050 zu erreichen. Zum Umbau des Energie- ter, vernetzter und digitalisierter EU-Energiemarkt. Politikprozesse im Rahmen des Green Deals Zeitplan Strategie für intelligente Sektorenintegration Q2 2020 (nicht-legislativ) Strategie für Offshore-Energie 2020 Bewertung und Überprüfung der Verordnung 2020 über die transeuropäische Energieinfrastruktur Es ist besorgniserregend, dass der Green Deal sich nur rung noch problematischerer Geoengineering-Maß- dafür ausspricht, weitgehend und nicht ausschließlich nahmen ebnen. Dies sind großtechnische Eingriffe in auf erneuerbare Energiequellen umzusteigen. Außer- unser Erdsystem zur Reduzierung von Treibhausgas- dem scheut der Green Deal sich davor, Erdgas und emissionen, bei denen die Konsequenzen vollkommen Atomkraft als schmutzige und nicht zukunftsfähige unklar sind oder die beispielsweise im Fall von Bio- Energiequellen zu benennen. Das an anderer Stelle energie mit CO2-Abscheidung und Speicherung angekündigte Gas-Paket wird im Green Deal nicht (BECCS) durch die problematische Ausweitung des erwähnt. Dies lässt befürchten, dass Erdgas auch nach Anbaus von Biomasse mit hoher Wahrscheinlichkeit 2050 noch eine Rolle innerhalb der Europäischen Uni- zu deutlichen Verlusten an biologischer Vielfalt füh- on spielen könnte. Gleichzeitig soll innerhalb des ren würden (IPBES 2019). Aus Sicht des BUND müssen Green Deals der regulatorische Rahmen für die Ener- CO2-Emissionen vermieden werden, statt sie nach- gieinfrastruktur so angepasst werden, dass der Einsatz träglich abzuscheiden. von sogenanntem Carbon Capture Storage (CCS) und Carbon Capture Utilization (CCU) – also der Abschei- Es ist zu begrüßen, dass Energieeffizienz vor allen dung, Speicherung und Nutzung von CO2 aus Kraft- anderen Maßnahmen priorisiert wird. Nur mit einem werksabgasen – gefördert wird. Es ist zu befürchten, deutlich gesenkten Energieverbrauch wird eine natur- dass diese Technologien als Legitimation dafür und sozialverträgliche Versorgung mit regenerativen genutzt werden könnten, die Laufzeiten schmutziger Energie zu möglich sein. Die vom Green Deal gelisteten fossiler Kraftwerke zu verlängern. So könnte der Effizienz-Maßnahmen sind somit ein wichtiger Hebel Umbau des Energiesektors auf saubere Erneuerbare zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Was es Energien verzögert werden. Eine Einführung von CCS jedoch bedarf, ist eine absolute Senkung des Energie- und CCU würde außerdem den Weg für die Einfüh- verbrauchs, die im Green Deal keine Erwähnung findet 8 BUND-Positionierung European Green Deal
und die ohne Suffizienzpolitik und auch die aktive Insgesamt sind Maßnahmen im Green Deal zu vage, Einbindung der Konsument*innenseite nicht zu haben um zu überprüfen, ob das Ziel der Klimaneutralität ist. Es ist außerdem problematisch und nicht kohärent, 2050 im Energiesektor erreicht werden kann. Was kei- dass auf der einen Seite Energieeffizienz gefordert ne Erwähnung im Green Deal findet, sind die umwelt- wird und auf der anderen Seite Technologien wie bezogenen Auswirkungen des europäischen Energie- Wasserstoff-Netzwerken ein prominenter Platz ein- sektors weltweit. Denn der Import von Steinkohle, geräumt wird. Denn direkte Stromlösungen sind Öl und Gas geht weltweit mit enormer Umweltzer- immer effizienter als die Umwandlung von Erneuer- störung und sogar mit kriegerischen Auseinanderset- baren-Energien-Strom in einen anderen Energie- zungen einher, beispielsweise der Steinkohleabbau in träger. Selbst bei Wasserstoff ohne Methanisierung Kolumbien, Fracking in den USA und Argentinien oder geht mindestens die Hälfte der Energie verloren. Des die Öl-Importe aus Libyen und Westsibirien. Weiteren ist der GreenDeal auf großmaßstäbliche Lösungen fokussiert, wie dem Ausbau von Offshore- Was es für einen Umbau des Energiesektors tatsächlich Windkraft und der damit verbundenen Netzinfra- braucht, ist die absolute Senkung des Energiever- struktur zum Transport des Stroms. Aus Naturschutz- brauchs in der Europäischen Union (der BUND unter- perspektive gibt es allerdings einige problematische stützt eine Halbierung des Primärenergieverbrauchs), Aspekte an dieser Technologie und vor allem an der die Deckung des Restbedarfs mit 100 Prozent Erneu- aktuellen Ausführungsweise. Ein Beispiel ist das erbaren Energien und eine dezentrale Energiewende Überschreiten von Lärmgrenzwerten beim Einrammen in Bürger*innenhand durch Bürger*innenenergiege- der Fundamente. Im Green Deal fehlen jedoch jegliche nossenschaften oder kommunale Stadtwerke. Der Maßnahmen um einen natur- und umweltverträgli- Eigenverbrauch muss erleichtert werden und Erzeu- chen Ausbau der Offshore Windenergie zu gewähr- ger*innen-verbraucher*innnen Gemeinschaften müs- leisten. Ein regionaler und bürger*innennaher Ausbau sen ermöglicht werden, statt die Energieversorgung kann effizienter und kostengünstiger sein, vermindert weiter wie bisher in der Hand großer Energieunter- die Eingriffe in die Natur und ermöglicht zudem ein nehmen zu belassen. Die Versorgung mit Energie ist resilientere Energieversorgung ein Bereich der Daseinsvorsorge und sollte verstärkt öffentlich und demokratisch organisiert werden. Die soziale Gerechtigkeit der Maßnahmen wird von der Europäischen Kommission vermeintlich darüber hergestellt, dass Energie erschwinglich sein soll. Was der Green Deal verschweigt, ist die soziale Ungerech- tigkeit der enormen Energiepreisvergünstigungen und Ausnahmeregelungen für die energieintensive Industrie, denen entsprechend höhere Energiepreise für Haushalte gegenüberstehen, und dass gleichgültig auf welchem Preisniveau die Energiekosten für untere Einkommensschichten immer einen höheren Anteil des verfügbaren Haushaltseinkommens ausmachen als bei den höheren. BUND-Positionierung European Green Deal 9
Problembereiche Erläuterung Dekarbornisierung Statt klimaschädliche Kohle-, Öl- und Gas-Förderung und Infrastruktur kon- des Gas-Sektors sequent als Problem zu benennen, propagiert der Green Deal eine Dekarbo- nisierung des Gas-Sektors und lässt das für 2020 angekündigte Gas-Paket, das eine progressive Klimapolitik stark konterkarieren könnte, unerwähnt. CCS/CCU Die Abscheidung, Speicherung und Nutzung von CO2 aus Kraftwerksabgasen (CCS/CCU) ist keine nachhaltige Technologie. Sie lenkt als Scheinlösung davon ab, dass wir so schnell wie möglich aus der fossilen Energie aussteigen müssen. Keine Ausweisung der Atomkraft ist anfällig für Unfälle und Störfälle, der Uranabbau schädigt Atomkraft als schmutzige Mensch und Umwelt und Kraftwerke, Atommüll-Zwischenlager sowie Atom- Energiequelle mülltransporte geben radioaktive Strahlen ab, die Krebs verursachen und das Erbgut schädigen können. Zudem ist die Frage nach der Endlagerung von Atommüll nicht geklärt. Damit ist Atomkraft keine saubere Technologie. Trotzdem trifft der Green Deal keine Aussage dazu. Fokussierung auf Windenergieanlagen im Meer (Offshore-Windparks) liefern zwar mehr Ener- Offshore-Windparks gie als Anlagen an Land. Allerdings sind sie teuer, führen zu einem zentralen statt dezentralen Netzausbau und werfen erhebliche Fragen hinsichtlich des Natur- und Lärmschutzes auf. Keine Maßnahmen An mehreren Stellen des Green Deals wird das Problem der Energiearmut, bezüglich Energiearmut also hohe Energiekosten als Armutsrisiko bzw. die Schwierigkeit für sozio- ökonomisch benachteiligte Menschen Energiekosten zu bezahlen, als Problem benannt. Es werden jedoch keine Maßnahmen ausgeführt, um diesem Pro- blem entgegenzugehen. Alternativen Erläuterung Dezentrale Der BUND setzt sich für eine dezentrale von Bürger*innen getragene Ener- Bürger*innenenergie giewende ein, d.h. dezentraler Ausbau Erneuerbarer Energien (vor allem Wind an Land und Solarenergie auf und an Gebäuden), statt großmaßstäbliche zentralisierte Lösungen (Wind Offshore, Wasserstoffnetzwerke, CCS/CCU, dekarbonisierte Gas-Märkte) Absolute Senkung des Der Green Deal setzt auf Energieeffizienz und den Ausbau Erneuerbarer Energieverbrauchs Energien, macht aber keine Angaben zur Absoluten Senkung des Energie- verbrauchs. Energiesparen bzw. die Senkung des Energieverbrauchs bleibt auch in einem dekarbonisierten Energiesystem ein wichtiges Ziel. 100 Prozent Erneuerbare Der Green Deal setzt sich das Ziel eines Energiesektors, der weitgehend auf Energien bis spätestens Erneuerbare Energien setzt. Das Konzept des BUND für eine nachhaltige 2040 Energiezukunft zielt auf hundertprozentige Deckung eines deutlich vermin- derten Energieverbrauchs bis spätestens 2040 in Deutschland. 10 BUND-Positionierung European Green Deal
2. Nachhaltige Industrie – nachhaltige und umweltfreundliche Produktionszyklen? Die Industrie ist laut EU-Kommission für 20 Prozent Der Green Deal benennt explizit besonders klima- und der Treibhausgasemissionen innerhalb der Europäi- umweltschädliche Branchen: Bei der Dekarbonisie- schen Union verantwortlich. Eine weitere problema- rung der Industrie legt der Green Deal einen Fokus tische Auswirkung der Industrie ist ihr Ressourcen- auf die energieintensive Stahl-, Zement- und Che- und Rohstoffverbrauch. Nach Angaben der EU- mieindustrie. Bei der Reduzierung des Ressourcen- Kommission hat sich die jährliche weltweite Rohstoff- verbrauchs stellt der Green Deal die Textilindustrie, gewinnung im Zeitraum von 1970 bis 2017 verdrei- die Bauwirtschaft, Elektronikindustrie und den Plas- facht und nimmt weiter zu. Mehr als 90 Prozent des tiksektor in den Vordergrund. Verlusts an Biodiversität und der Wasserknappheit weltweit sind auf die Rohstoffgewinnung und -verarbeitung zurückzuführen. Politikprozesse im Rahmen des Green Deals Zeitplan Aktionsplan für die neue Kreislaufwirtschaft (nicht-legislativ) Q1 2020 Stärkung der Verbraucher*innen für den grünen Übergang Q4 2020 (legislativ, inkl. Folgenabschätzung, Artikel 114 AEUV) Industriestrategie Q1 2020 Das Kapitel zur nachhaltigen Industrie ist der Versuch Die Dekarbonisierung der Industrie wird nur mit zwei im Green Deal die Debatten um Klimaauswirkungen Sätzen abgehandelt. Neben der Betonung der Wich- der Industrie mit denjenigen um Kreislaufwirtschaft tigkeit der Dekarbonisierung bezieht sich der Green und den Ressourcen- und Rohstoffverbrauch der Deal auf Empfehlungen einer Hochrangigen Gruppe Industrie zu verknüpfen. Die Reduzierung des Roh- energieintensiver Industrien, um das Engagement der stoffverbrauchs und der Stoffströme ist neben der Industrie zu verdeutlichen. Es bleibt abzuwarten, ob Klimakrise und dem Artensterben die dritte große die angekündigte Industriestrategie hier wirksame ökologische Herausforderung unserer Zeit. Es zeigt Maßnahmen und Lösungen anbieten wird. sich hierbei, dass der steigende Ressourcenverbrauch Treiber sowohl für die Klimakrise als auch das Arten- Die vom Green Deal genannten Ressourceneffizienz- sterben ist. Denn die Rohstoffgewinnung und Maßnahmen sind ein wichtiger Teil zur Reduzierung -verarbeitung ist nicht nur die Ursache für Biodiver- des Ressourcenverbrauchs. Der Green Deal verkennt sitätsverluste. Sie ist außerdem für etwa die Hälfte jedoch die Tatsache, dass die Effizienzsteigerungen der der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. letzten Jahre nicht zu einem geringeren Ressourcen- Damit liegt die Ressourcenkrise den anderen beiden verbrauch geführt haben. Wir wirtschaften zurzeit ökologischen Krisen in vielerlei Hinsicht ursächlich außerhalb der weltweiten Kapazitäten, weshalb sich zugrunde. Der Green Deal benennt zwar für das die Stoffströme um ein Vielfaches verringern müssen. Artensterben diese Zusammenhänge, leitet aber nicht Da eine absolute Entkopplung von Wirtschaftswachs- die entsprechenden Maßnahmen ab. tum und Ressourcenverbrauch nicht realistisch ist, BUND-Positionierung European Green Deal 11
werden relative Größen wie Ressourceneffizienz nicht Die aktuelle Wirtschafts- und Industriepolitik ist hin- ausreichen, um eine absolute Senkung des Ressourcen- gegen ausschließlich darauf ausgerichtet, Versor- verbrauches zu erreichen. Für die notwendige gungssicherheit für die europäische Industrie mit Ressourcenwende braucht es deshalb ein klares Reduk- ihrem steigenden Rohstoffbedarf zu erreichen. Mitt- tionsziel, das durch Maßnahmen mit konkreten Hand- lerweile passiert dies sogar unter dem Deckmantel lungsvorschlägen, Zeitangaben und Verantwortlich- der Energie- und Verkehrswende, wenn es darum geht, keiten flankiert wird. Das Hauptziel sollte auf dem auf kritische Rohstoffe zugreifen zu können. Das Indikator für den Gesamtmaterialverbrauch basieren, kommt auch im Green Deal zum Ausdruck, der der bis 2030 eine Reduzierung um mindestens 50 Pro- behauptet, dass der Zugang zu Ressourcen elementar zent anstrebt (Basisniveau 2017) und mit einem ist, um den Green Deal umzusetzen. Ein Großteil der Dashboard von Subindikatoren zu Land, Wasser und negativen Umweltauswirkungen des Konsums inner- Treibhausgasemissionen etc. versehen ist. Betrachtet halb der EU finden im Ausland statt. Aufgrund dieser man die Zunahme des weltweiten (Primär-)Rohstoff- Auslagerung von Umweltproblemen, braucht es eine verbrauchs, so wird außerdem deutlich, dass es inter- andere Indikatorik, welche nicht nur den Inlandskon- nationaler Vereinbarungen außerhalb der EU bedarf, sum („domestic consumption“) misst, sondern auch die um diesen Trend zu brechen. Mittelfristig sollte es Exporte sowie indirekt Materialflüsse einbezieht. daher Ziel der EU sein, hier zu vertraglichen Festlegun- gen zu kommen, d. h. eine Vereinbarung von Obergren- Im Green Deal wird Digitalisierung hauptsächlich als zen des Ressourcenverbrauchs ähnlich des Pariser Kli- Teil der Lösung angesehen. Es wird zwar auch darauf maabkommen festzulegen. verwiesen, dass es eine nachhaltige Digitalisierung geben muss, aber dies bezieht sich lediglich auf die Mit Blick auf Fragen sozialer Gerechtigkeit lässt der Energieeffizienz und Kreislaufwirtschafts-Kompatibilität. Green Deal außer Acht, dass 80 Prozent der Ressour- Hier werden nicht grundsätzlicher die ökologischen cen von 20 Prozent der Weltbevölkerung verbraucht Auswirkungen von digitalen Anwendungen betrachtet werden – und zwar von den Menschen der reichen oder das Thema Digitale Suffizienz betrachtet. Industrienationen und auch hier von einem kleinen Teil der sozioökonomisch bevorteilten Menschen. Es Insgesamt sind die Maßnahmen im Green Deal zu werden im Green Deal keine Maßnahmen vorgeschla- nachhaltiger Industrie zu vage, um zu überprüfen, ob gen, um diesen Entwicklungen entgegenzutreten. das Ziel der Klimaneutralität 2050 erreicht werden kann. Auch die Maßnahmen, die die Industrie umwelt- Im Rahmen des geplanten Aktionsplans zur Kreis- verträglich ausgestalten wollen, greifen zu kurz und laufwirtschaft ist positiv zu bewerten, dass Verbrau- nicht an der Wurzel der Probleme an. cher*innenrechte gestärkt werden sollen, zum Beispiel indem die Notwendigkeit eines Rechts auf Reparatur Was es braucht, ist eine saubere und kleinere Kreis- diskutiert und gegen geplante Obsoleszenz vorge- laufwirtschaft, die perspektivisch ohne giftige Inhalts- gangen werden soll. Ein wahrhaftes Ökodesign im stoffe auskommt. Hier schlägt der Green Deal keine Sinne einer wirklichen Kreislaufführung der Materia- Verbindung zur Beseitigung der Umweltverschmut- lien braucht jedoch mehr als eine Ermutigung der zung. Zusammenfassend wäre eine Konzentration Unternehmen und eine auf Energieverbrauch und darauf, den Kreislauf kleiner zu machen und gleich- bestimmte Produktgruppen verengte Ökodesignricht- zeitig zu schließen, zielführend. Hierzu braucht es kon- linie. Statt einer Befassung nur mit „Produkten" und sequente Regulierung der entsprechenden Industrien „Materialien" braucht es eine ganzheitliche ökologi- sowie Suffizienzpolitiken. sche Wirtschafts- und Industriepolitik. 12 BUND-Positionierung European Green Deal
Problembereiche Erläuterung Keine Maßnahmen Das Kapitel fokussiert auf Ressourcen- und Rohstoffverbrauch und schlägt keine kon- zur Dekarbonisierung der kreten Maßnahmen vor, wie die Industrie und insbesondere die Stahl, Zement- und Industrie Chemieindustrie dekarbonisiert werden kann. Entkopplung von Res- Die vorgeschlagene Entkopplung ist nicht realistisch, denn eine absolute Entkopp- sourcenverbrauch und lung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch, die ausreicht die Wirtschaftswachstum planetaren Grenzen einzuhalten wird es realistischerweise nicht geben. Digitalisierung Digitalisierung wird als Schlüssel gesehen, die möglichen negativen Auswirkungen auf Energie- und Ressourcenverbrauch und die damit verbundenen Umweltauswir- kungen werden nicht ausreichend diskutiert. Alternativen Erläuterung Begrenzung des absolu- Ein übergreifendes Ziel würde es ermöglichen, den Fortschritt einer Kreislaufwirt- ten Verbrauchs natürli- schaft zu messen und eine rechtliche Grundlage für die Unterstützung ehrgeiziger cher Ressourcen Gesetze zur Ressourcenreduzierung und für echte Lösungen zu schaffen. Es könnte eine ähnliche Rolle spielen wie Klima- oder Energieeffizienzziele. Das Hauptziel sollte auf dem Indikator für den Gesamtmaterialverbrauch basieren, der bis 2030 eine Reduzierung um mindestens 50 % anstrebt (Basisniveau 2017), und mit einem Dashboard von Subindikatoren zu Land, Wasser und Treibhausgasemissionen ver- sehen sein, wie z. B. in der EU-Roadmap 2011 für ein ressourceneffizientes Europa. Verbindliches Abfallver- Abfallvermeidung ist das wichtigste Ziel in der Abfallhierarchie (siehe Waste Frame- meidungsziel work Directive) Es ist von entscheidender Bedeutung, dass ein verbindliches EU-Ziel festgelegt wird, das die Menge an festem Siedlungsabfall in kg pro Kopf und Jahr, die die Mitgliedstaaten erzeugen können, begrenzt. Spezifische sektorale Ziele könnten auch in Schlüsselbereichen wie Lebensmittelabfällen, Bauabfällen, Industrieabfällen und Verpackungsabfällen festgelegt werden. Ziel zur maximalen Es fehlen konkreten Maßnahmen zur Begrenzung der Ausweisung von Sied- Flächeninanspruchnahme lungs- und Verkehrsflächen. Nur durch die konsequente Entwicklung und Umsetzung von planerischen, rechtlichen und ökonomischen Instrumenten zum Flächensparen kann die Ressource Fläche geschützt und das Entwicklungsziel einer „land degradation-neutral world“ (SDG 15) bis 2030 erreicht werden. Dabei kommt dem Flächenrecycling und der Sanierung von Altlasten zur Wie- dernutzbarmachung von Flächen eine besondere Bedeutung zu. Systemische Maßnahmen Es braucht verbindliche Ziele für die Reduzierung und Wiederverwendung von zur Steigerung der Wie- Verpackungen Mitgliedstaaten sollten die Einführung von Rücknahmesystemen derverwendung mit standardisierten Behältern für Verbraucher*innenverpackungen erleichtern. BUND-Positionierung European Green Deal 13
3. Gebäude und Renovierung – ein umweltfreundlicher Bausektor? Auf Gebäude entfallen laut der EU-Kommission Der Green Deal beschreibt, dass es eine Stakeholder- 40 Prozent des Energieverbrauchs. Im Rahmen eines Beteiligung zur Diskussion wie Anreize für Sanierungen Green Deals sollen die Sanierungsraten von öffentli- geschaffen werden könnten, geben soll. Hier sind weder chen und privaten Gebäuden mindestens verdoppelt NGOs noch Mieter*innen-, Verbraucher*innenverbände werden. Um dem Abkommen von Paris gerecht zu aufgeführt. Es ist jedoch elementar wichtig, diese rele- werden, bräuchte es allerdings eher eine Verdreifa- vanten Stakeholdergruppen miteinzubeziehen. chung der Sanierungsrate. Neben der Sanierungsrate, muss zudem die Sanierungstiefe adressiert werden. Insgesamt zielt der Green-Deal vor allem auf techni- Dazu bedarf es aufeinander abgestimmter Maßnah- sche Effizienzmaßnahmen ab, um jedoch den abso- men (verpflichtende Sanierungsfahrpläne) sowie luten Energieverbrauch zu senken, bedarf es einer einer zielkompatiblen Förderung (z. B. Stopp der Reduktion der Pro-Kopf Wohnfläche. Diese lässt sich Förderung rein fossiler Heizungsanlagen). Es fehlt vor allem durch gesellschaftlich-transformativer gänzlich ein Ansatz wie die Sanierungsrate erhöht Maßnahmen und alternativer Wohnkonzepte wie werden soll. Die Mitgliedstaaten müssen dazu die z. B. Mehrgenerationen-Hausprojekte erzielen. Ansätze Hemmnisse und Herausforderungen analysieren und dazu fehlen im Green Deal gänzlich. durch förder- und ordnungsrechtliche Maßnahmen beseitigen. In Deutschland, wo ca. 60 Prozent der Bevölkerung zur Miete wohnt, muss die Auflösung Inves- tor*innen-Nutzer*innen Dilemmas (Vermieter*innen- Mieter*innen-Dilemma) im Fokus stehen. Die öffentlichen Gebäude werden zwar bei der ange- strebten „Sanierungswelle“ mit genannt, bekommen jedoch keine Sonderfunktion. Doch grade die Vor- bildfunktion öffentlicher Gebäude z. B. bei der Beschaffung von Baumaterialien (Recycling-Zement) kann eine Lenkungswirkung auf die Baubranche haben. In Deutschland gehen beispielsweise etwa ein Viertel des Zementverbrauchs auf öffentliche Bautä- tigkeit zurück. Um die Sanierungsrate und -tiefe zu erhöhen, braucht es zusätzlich ein Informations-, Beratungs- und Qualifizierungsoffensive. Nur so kann die Umsetzung gelingen. Dieser Aspekt wird im Green Deal nicht behandelt. Der Green-Deal kündigt an, die Umsetzung der Effi- zienzvorschriften für Gebäude streng zu prüfen. Dies ist zu begrüßen und könnte für Deutschland und die derzeit im Gebäudeenergiegesetz festgelegten Vor- gaben problematisch sein. 14 BUND-Positionierung European Green Deal
Problembereiche Erläuterung Fehlende Maßnahmen zur Der Green Deal schlägt keine ausreichenden Maßnahmen vor, um den Ressour- Ressourcenreduzierung im cenverbrauch im Bausektor zu minimieren. Es geht in erster Linie um Energieef- Bausektor fizienz bei der Sanierung, und dass diese kompatibel zu den Vorgaben aus der Kreislaufwirtschaft sein soll. Dies führt jedoch nicht zur absoluten Einsparung von Sand, Kies oder Zement. Ungerechte Flächenvertei- Es wird weder der Flächenverbrauch noch die ungerechte Verteilung von Fläche lung thematisiert. Es braucht perspektivisch eine Reduktion der Wohnfläche pro Person. Technologieoffenheit Der Green Deal formuliert Technologieoffenheit, was problematisch ist, da dies auch für Öl und Gas da diese ja perspektivisch auch erneuerbar sein können (dies synthetisch bereitzustellen erfordert immense Mengen an EE-Strom, der in Europa auf keinen Fall zur Verfügung stehen wird). Es braucht einen klaren Ausstiegspfad für Kohle, Öl und Gas und ein deutliches Zeichen, dass synthetische Kraft- und Brennstoffe so ineffizient sind, dass eine Nutzung im größeren Maßstab nicht zielführend ist. Alternativen Erläuterung Absolute Senkung der Hier bräuchte es viel grundlegendere Maßnahmen, z. B. eine Reduktion der Wohn- Energiebedarfe fläche pro Person, auch mit Blick auf die Senkung des Flächenverbrauchs und die Reduzierung grauer Energie. BUND-Positionierung European Green Deal 15
4. Nachhaltige Mobilität – Förderung umweltverträglicher Verkehrsmittel? Laut der EU-Kommission ist der Verkehrssektor für hat neben der Verlagerung des Gütertransports von ein Viertel der Treibhausgasemissionen in der Euro- der Straße auf die Schiene und Binnenwasserstraßen päischen Union verantwortlich, davon entfallen mehr den Anspruch, Maßnahmen gegen die Luftver- als 70 Prozent auf Straßenverkehr. Der Green Deal schmutzung durch den Verkehr durchzuführen. Politikprozesse im Rahmen des Green Deals Zeitplan Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität (nicht-legislativ) Q4 2020 ReFuelEU Aviation – Nachhaltige Flugkraftstoffe (legislativ, einschließlich Folgen- Q4 2020 abschätzung, Artikel 100 Absatz 2 AEUV und/oder Artikel 192 Absatz 1 AEUV) FuelEU Maritime – Grüner Europäischer Seeverkehrsraum (legislativ, einschließlich Q4 2020 Folgenabschätzung, Artikel 100 Absatz 2 AEUV und/oder Artikel 192 Absatz 1 AEUV) Es ist zu begrüßen, dass die Einführung einer wirk- Als Teil des Green Deals sollen außerdem die CO2-Flot- samen europaweiten Straßenmaut für den Güter- tengrenzwerte für Autos, also die Grenzwerte für alle und Personenverkehr angedacht wird und dass ein neu zugelassenen Pkw, im Sommer 2021 überprüft wesentlicher Teil des heute auf der Straße beförderten werden. Gegen diese zu begrüßende Maßnahme regt Binnengüterverkehrs laut Green Deal auf die Schiene sich bereits von Seiten des deutschen Wirtschaftsmi- verlagert werden sollen. Noch werden allerdings keine nisteriums Widerstand. Hier ist es besonders wichtig, konkreten Maßnahmen vorgeschlagen, um dies dass die EU-Kommission auf dieser Maßnahme umzusetzen. Zudem soll ein Teil auf Binnenwasser- besteht und die Vorgaben verschärft. Hieran wird straßen verlegt werden. Die Kapazität der Wasserstra- auch der Einfluss großer Automobilkonzerne und ßen ist jedoch vielerorts schon ausgeschöpft und wird ihrer Lobbyverbände auf die Politik als ein Bremser angesichts der veränderten Wasserstände des Klima- für eine nachhaltige Mobilität in der Europäischen wandels eher schrumpfen. Insofern ist bei einer Ver- Union deutlich. lagerung auf die Binnenwasserstraßen sorgfältig zu prüfen, ob sie tatsächlich langfristig und vor allem Die Kommission wird im Rahmen des Green Deals unter Einhaltung der Wasserrahmenrichtlinie reali- außerdem vorschlagen, den europäischen Emissions- sierbar ist. Auch die bestehenden Ausbauvorhaben handel auf den maritimen Sektor auszuweiten und (Ten-T Netz) sind daraufhin zu überprüfen. die den Fluggesellschaften kostenlos zugeteilten Zer- tifikate des EU-Emissionshandelssystems zu reduzie- Positiv zu bewerten sind auch die Pläne zur Abschaf- ren. Es ist enorm wichtig, den internationalen Schiffs- fung der Subventionen für fossile Brennstoffe. Aller- und Flugverkehr mit in die europäischen Klimaan- dings sind die Formulierungen im Green Deal hier strengungen mitaufzunehmen, da die entsprechen- relativ schwach. So wird die Kommission zunächst den internationalen Organisationen (Internationale einmal die derzeitigen Steuerbefreiungen für Flug- Seeschifffahrtsorganisation, IMO und Internationale und Schifffahrtskraftstoffe nur prüfen und noch kei- Zivilluftfahrtorganisation, ICAO) nicht ausreichend ne konkreten Maßnahmen erarbeiten. tätig werden und keine verbindlichen Ziele vorgeben. 16 BUND-Positionierung European Green Deal
Allerdings hat der Handel mit Emissionszertifikaten Die weltweiten Auswirkungen der Automobilindustrie in der Vergangenheit nicht die gewünschten Effekte wie die Umweltzerstörung durch den Abbau von Roh- gezeigt. Im Flugverkehr müssen diese auch nicht-CO2- stoffen wie Eisenerz, Bauxit, Kupfer, Kobalt, Nickel und Emissionen berücksichtigen. Außerdem muss davor Mangan, aber auch der nach wie vor bestehenden Ölför- gewarnt werden, den Europäischen Emissionshandel derung oder neuer Probleme durch die Produktion von auf den Verkehrssektor auszuweiten. Es müssen sehr Wasserstoff finden im Green Deal keine Erwähnung. viel weitergehende Maßnahmen entwickelt werden, Wenn das Ziel des Green Deal eine nachhaltige Mobilität um den Verkehrssektor klimaneutral auszugestalten. ist, müssen auch diese Auslagerungen von Umweltzer- störung ins Ausland berücksichtigt werden. Neben Treibhausgasen trägt der Straßen-, Schiffs- und Flugverkehr stark zur Luftverschmutzung bei. Der Was es braucht ist nicht nur eine Antriebs-, sondern eine Green Deal setzt sich das Ziel die Verringerung der Mobilitätswende. Es muss dezentrale Mobilitätslösungen Luftverschmutzung in den Häfen zu verringern und wie einen Ausbau des ÖPNV als Teil der öffentlichen zur Verbesserung der Luftqualität in der Nähe von Daseinsvorsorge geben. Mobilitätslösungen sollten vor- Flughäfen beizutragen. Das ist dringend notwendig. rangig öffentlich bereitgestellt werden, statt die Vor- Es werden aber keine konkreten Maßnahmen genannt. macht der Automobilunternehmen weiter zu stärken, die sich politisch gegen eine Mobilitätswende einsetzen. Die Initiativen zur Produktion und Förderung alter- Sogenannte automatisierte und vernetzte multimodale nativer Treibstoffe sollten kritisch begleitet werden. Mobilität darf in ihrem Beitrag für Klimaschutz in Europa Denn alternative Treibstoffe wie Agrosprit oder syn- nicht überschätzt werden und muss kritisch auf ihre thetische Treibstoffe bedeuten entweder erhebliche Potentiale hinterfragt werden. Auf europäischen Straßen Umweltfolgen oder große Umwandlungsverluste, im braucht es außerdem ein Weniger an Autos. Um dies schlimmsten Falle beides. Dies sind außerdem Tech- umzusetzen, sollte unter anderem die EU-Infrastruktur- nologien, die zu einer Legitimierung von Verbren- förderung ausschließlich in emissionsfreie Verkehrsmittel nungsmotoren beitragen und so die Transformation investiert werden. im Verkehrssektor verzögern könnten. Hier werden falsche Hoffnungen geweckt, alternative Kraftstoffe könnten eine echte und nachhaltige Verkehrswende überflüssig machen. Aus der Perspektive sozialer Gerechtigkeit ist zu kri- tisieren, dass der Green Deal hauptsächlich Lösungen für den Individualverkehr entwickelt und den Öffent- lichen Personennahverkehr (ÖPNV) nicht als zentralen Ansatz einer Mobilitätswende ansieht. Insbesondere sozial-ökonomisch benachteiligte Menschen sind darauf angewiesen, dass es einen möglichst guten und kostengünstigen ÖPNV gibt. Es werden darüber hinaus keine Lösungskonzepte für eine Transformation der jetzigen Automobilindustrie und dem möglichen Weg- fall von Arbeitsplätzen entwickelt. BUND-Positionierung European Green Deal 17
Problembereiche Erläuterung Technologieoffenheit und Alternative Kraftstoffe sollen vor allem den Verbrennungsmotor retten. Doch Förderung alternativer die aktuell diskutierten Mengen an synthetischen oder biogenen Kraftstoffen Treibstoffe sind nachhaltig nicht darstellbar. Ausweitung Emissions- Die Ausweitung des EU-Emissionshandels auf den Verkehr ist problematisch, handel weil die 2030er Reduktionsziele des bestehenden Emissionshandels für den Verkehr, der seine THG-Emissionen noch nicht reduziert hat, völlig unzurei- chend sind und die bisherigen Preise keine Lenkungswirkung für den Ver- kehrsbereich hätten – zumal, wenn die hohen umweltschädlichen Subven- tionen beibehalten werden. Verlagerung auf Wasser- Verkehr auf Wasserstraßen ist oft nicht zukunftsfähig (z. B. erreichte die Elbe straßen bedeutet Ausbau 2018 an 183 Tagen extremes Niedrigwasser). Ausbau und Staustufen sind langfristig keine Lösung. Die bestehenden Planungen, insbesondere das alte Ten-T Netzwerk, wurde ausgewiesen ohne zu überprüfen, ob die Ausbau- maßnahmen mit Europarecht, insbesondere der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) grundsätzlich möglich sind. Zudem sind parallel zur Elbe leistungs- fähige Bahnstrecken vorhanden bzw. werden z. Z. ausgebaut (sog. Ostkorridor von Uelzen über Magdeburg, Leipzig, Hofe, Regensburg, München). Alternativen Erläuterung Öffentlichen Personen- Nur mit einem gut ausgebauten, verlässlichen und bezahlbaren öffentlichen verkehr (ÖV) ausbauen Verkehr kann die Klimaschutz im Verkehr gelingen. Menschen brauchen Alter- nativen, nur dann werden sie auf individuelle motorisierte Verkehrsmittel verzichten. Verkehrsvermeidung Die beste Maßnahme zur Reduktion von Emissionen aus den Verkehr, ist die Reduktion des Verkehrs selbst. Dafür müssen unnötige Verkehre vermieden werden. Z.b. durch eine koordinierte europäische Hafenpolitik, die die Mit- telmeerhäfen stärkt und die Förderung von Kurzstrecken-Seeverkehren („Motorways of the Sea“) zur Entlastung der Landverkehre. Zur Verkehrsver- lagerung und Verkehrsvermeidung ist eine Anlastung der Klimakosten über die Lkw-Maut und eine echte, elektronisch und europaweit erhobene ent- fernungsabhängige Pkw-Maut unverzichtbar. Im Straßengüterverkehr schlägt der BUND vor, die Lkw-Maut progressiv nach Entfernungsstufen zu staffeln. 18 BUND-Positionierung European Green Deal
5. Biodiversität – Maßnahmen zum Schutz unseres empfindlichen Ökosystems? Die EU-Kommission nennt im Green Deal drei Treiber und Düngemitteln als Problem und gesteht ein, die hinter der weltweiten Erosion der biologischen Viel- Aichi Ziele der Biodiversitätskonvention (CBD) für falt: (1) Veränderungen der Land- und Meeres- 2020 zu verfehlen. Im Green Deal kündigt die EU an nutzung, (2) die direkte Ausbeutung der natürlichen in einer EU-Biodiversitätsstrategie die Beiträge der Ressourcen und (3) die Klimakrise. Sie benennt darü- EU für die 15. Vertragsstaatenkonferenz (COP) der ber hinaus den übermäßigen Einsatz von Pestiziden CBD in Kunming festzuhalten. Politikprozesse im Rahmen des Green Deals Zeitplan EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 (nicht-legislativ) Q 1 2020 Aktionspläne zur Umsetzung der EU-Biodiversitäts-Strategie Q 1-4 2021 (inkl. legislativ) Neue EU-Strategie zur Anpassung an den Klimawandel Q 2 2021 8. Umweltaktionsprogramm (legislativ, Artikel 192 Absatz 3 AEUV) Q 2 2020 Der Green Deal bleibt im Bereich Biodiversität sehr diese ordnungsgemäß verwaltet werden sollen, muss vage und es bleibt, die neue Biodiversitätsstrategie jedoch in der Biodiversitätsstrategie konkretisiert für 2030 abzuwarten sowie ob die Formulierung der werden. Darüber hinaus hat z. B. Deutschland in sei- beschlossenen EU-Agrarpolitik neu geöffnet und an nen Meeressschutzgebieten noch gar keine Manage- die Vorgaben des Green Deal angepasst wird. mentpläne entwickelt und umgesetzt. Diese sind nur Geschieht dies nicht, wird – wie die ersten beiden – Schutzgebiete auf dem Papier, es besteht jedoch auch die neue, dritte EU-Biodiversitätsstrategie zum kein effektiver Schutz. Das sollte die EU dringend ein- Scheitern verurteilt sein (s. u.). Ähnliches gilt für die fordern. Förderrichtlinien für transeuropäische Netze und wei- tere bestehende Politiken. Außerdem beschreibt der Green Deal im Abschnitt „Ökosysteme und Biodiversität erhalten und wieder- In der Zielrichtung der EU-Biodiversitätsstrategie herstellen“, wie eine nachhaltige „blaue Wirtschaft“ benennt der Green Deal ausschließlich die interna- durch eine stärkere Nutzung der aquatischen und tionale Ebene als Handlungsfeld und trifft zurzeit kei- marinen Ressourcen den Druck auf landwirtschaftliche ne Aussage zu Zielen der EU-Biodiversitätsstrategie Flächen verringern soll. Der Deal deutet hier Pläne zur auf europäischer Ebene. Weder werden verstärkte Förderung der Aquakultur an, was Fragen zu den mög- Umsetzung bestehenden Rechts noch neue Gesetz- lichen Auswirkungen und deren Management auf- gebung formuliert. Es fehlen außerdem Bezüge zur wirft. Insbesondere bleibt offen, ob und inwieweit die Finanzierung und notwendigen Leistungen anderer Aquakulturen zu einer faktischen Verringerung der Ressorts jenseits der Land- und Forstwirtschaft. Nutzung marines Ressourcen führen soll (bisher wird Meeresfisch als Futter in Fischkulturen eingesetzt). Die Kommission proklamiert mehr vernetzte und gut verwaltete Meeresschutzgebiete zu unterstützen. Wie BUND-Positionierung European Green Deal 19
Für eine konkretere blaue „Navigationskarte" muss päische Schritte hin zu verpflichtender Lieferketten- die Ozeankonferenz der Vereinten Nationen im Jahr regulierung sollten jedoch sektorenübergreifend wir- 2020 in Portugal abgewartet werden, auf der die ken und umweltbezogene und menschenrechtliche Kommission laut des Green Deal „Maßnahmen im Sorgfaltspflichten für Unternehmen etablieren und Bereich der Ozeane“ hervorheben wird. Hoffentlich angemessene Sanktionsinstrumente einführen. wird dies auch starke Maßnahmen in Bezug auf die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie und ihr Ziel eines Die Leistung der „Vom Hof auf den Tisch“-Strategie guten Umweltzustands bis 2020 beinhalten, das in (siehe nächster Abschnitt) für die Biologische Vielfalt der jetzigen Fassung des Deals nicht enthalten ist. Da wird auf die Reduktion von Pestiziden und Dünge- die UN Konferenz die Weltmeere im Fokus hat, muss mitteln beschränkt, es fehlen damit konkrete Pläne die EU Kommission hier sicherstellen, dass ihre Ziele für die Minderung weiterer Belastungen durch die z. B. in der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) Landwirtschaft. sich auch wirklich in den Beschlüssen widerspiegeln. Ansonsten muss die EU den Green Deal bzgl. der Ziele für den Meeresschutz in der EU nochmals aktualisie- ren und schärfen. Süßgewässer und ihre Auen müssen in der Biodiver- sitätsstrategie unbedingt adressiert werden und ver- bindliche und konkrete Ziele müssen gesteckt werden. Bislang betrachtet der Green Deal im Gewässerbereich nur den Meeresschutz und greift Süßgewässer nur unter dem Aspekt Zero Pollution auf. Der Biodiversi- tätsverlust in Süßgewässern ist besonders drastisch und muss gestoppt werden. Süßgewässerökosysteme sowie ihre natürlichen Funktionen müssen durch Renaturierungsmaßnahmen wiederhergestellt und die Einträge von Schadstoffen minimiert werden. Flüsse müssen wieder mit ihren Auen vernetzt wer- den. Ebenso muss die Durchgängigkeit der Flüsse wie- derhergestellt werden, Dämme zurückgebaut und kei- ne neuen Querbauwerke dürfen gebaut werden und schädliche Subventionen abgebaut. Eine fristgerechte und ambitioniertere Umsetzung der Wasserrahmen- richtlinie mit strengeren Ausnahmeregelungen muss im Green Deal verankert werden. Der einzige Bereich, in dem die globalen Umweltaus- wirkungen der europäischen Wirtschaft genannt wer- den, sind entwaldungsfreie Lieferketten. Es ist ein wichtiger Schritt, dieses Problem zu benennen. Euro- 20 BUND-Positionierung European Green Deal
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