Faszination Grenzfläche - Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen - SFB 1083
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Inhalt Faszination Grenzfläche ................................................................................................................................................. 4 Wissenschaftliche Highlights .......................................................................................................................................... 8 Projektbereich A Entwicklung und Charakterisierung von Modellsystemen .............................................................................................. 12 Projektbereich B Ladungstransfer und Optodynamik ............................................................................................................................... 34 Projektleitende der beendeten Projekte ......................................................................................................................... 48 Chemikum Marburg im SFB 1083 – Wir gehen an die Grenze ........................................................................................ 52 Optimale Förderung für hochqualifizierte Forscherinnen und Forscher ............................................................................ 54 Internationale Partner ................................................................................................................................................... 56 Infrastruktur – eine Übersicht ....................................................................................................................................... 58 Projektübersicht ........................................................................................................................................................... 62 Zahlen & Fakten ........................................................................................................................................................... 66 Impressum ................................................................................................................................................................... 68 3
Faszination Grenzfläche Elektronische Bauteile basieren darauf, dass an ihren inneren Grenzflächen – dort, wo zwei unter- schiedliche Materialien aufeinanderstoßen – die Ladungsträger entweder getrennt oder aber darüber hinweg transportiert werden. Doch wie funktioniert das genau auf mikroskopischer Skala? Wie lassen sich die physikalischen und chemischen Prozesse gezielt steuern? In einem Sonderforschungsbereich wollen Forschende aus Physik und Chemie gemeinsam die „Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen“ von Grund auf verstehen lernen. Ihre Erkenntnisse dienen langfristig dazu, die Leistungsfähigkeit der Bauteile zu verbessern und Materialien mit neuen opto-elektronischen Eigenschaften zu entwickeln. Prof. Dr. Kerstin Volz und Prof. Dr. Michael Gottfried Die Miniaturisierung nimmt immer weiter zu: Milliarden Gleichzeitig tritt an Grenzflächen eine Vielzahl neuer von Transistoren finden auf Fingernagelgröße Platz. Die Phänomene auf, die ein weites Feld für die erkenntnis typischen Abmessungen von Transistorstrukturen liegen orientierte Grundlagenforschung bieten. Es können sich dabei bei wenigen Nanometern (Millionstel Millimeter). neuartige elektronische Zustände ausbilden, die weder Der Forschungsbedarf ist daher groß. Denn nicht nur ver- „Nur gemeinsam können die Forscherinnen und Forscher Damit steigen auch die Anzahl und die Bedeutung innerer eine Entsprechung im Volumen der beiden Festkörper langt die fortschreitende Miniaturisierung herkömmlicher beider Fachrichtungen die Grenzflächen vielfältiger Ma- Grenzflächen. Denn ihre optischen und elektronischen noch in den Atomen haben, aus denen sie aufgebaut sind. Bauelemente ein besseres Verständnis der Grenzflächen- terialkombinationen – anorganisch/organisch, Metall/ Eigenschaften bestimmen ganz wesentlich die Funktions- Viele elementare Anregungen wie Elektron-Loch-Paare prozesse. Weitere Materialien kommen hinzu: Leucht- Polymer, oder innerhalb von Halbleiter-Heterostrukturen und Leistungsfähigkeit des Bauteils. Den deutsch-ameri- (Exzitonen) oder Gitterschwingungen (Phononen) haben dioden, Displays und Solarzellen, die auf organischen und Atomlagen-dünnen zweidimensionalen Materia- kanischen Physiknobelpreisträger Herbert Kroemer veran- an der zweidimensionalen Grenzfläche völlig andere Ei- Materialien basieren, oder eines Tages vielleicht sogar lien – herstellen, charakterisieren und untersuchen“, lasste das zur prägnanten Feststellung: „Die Grenzfläche genschaften als im dreidimensionalen Volumen. Genauso Logikbausteine, bei denen einzelne Moleküle an einer sagt Prof. Kerstin Volz. Die Physikerin ist seit 2021 die ist das Bauteil.“ spannend sind die Strukturfragen: Wann verläuft die Grenzfläche die Schaltvorgänge steuern. Hier treffen dann Sprecherin des im Jahr 2013 eingerichteten Sonder- Grenzfläche zwischen zwei hochgeordneten Materialien auch mit der Physik und der Chemie zwei wissenschaftli- forschungsbereichs SFB 1083 „Struktur und Dynamik atomar abrupt, wann bildet sich eine Art Mischphase aus, che Disziplinen aufeinander. innerer Grenzflächen“, der die physikalischen und che- und kann man das steuern? mischen Prozesse in Grenzflächen aufdecken soll. 4 SFB 1083 | Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen 5
Offene Fragen – Langfristige Forschung Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen Die Untersuchung der Grenzflächen gilt als eine der drän- gegenüber dem Volumensignal herauszufiltern. Daher Der SFB gliedert sich in zwei Teile. Im Arbeitsgebiet A gendsten Fragestellungen der aktuellen Festkörperphysik. muss diese Forschung langfristig angelegt werden, wenn entwickeln und charakterisieren elf Projekte Modellstruk- „Grenzflächen sind erstens komplex. Und zweitens sind sie nachhaltige Erfolge erzielen soll“, betont Experimen- turen der Schichtsysteme. Da die Grenzflächen in realen viele leistungsfähige experimentelle Untersuchungsmetho- talphysikerin Kerstin Volz und gibt ein Beispiel: „Es hat Bauteilen oft nicht genau definiert sind, stellen die For- den der Festkörperphysik und der Oberflächenphysik nicht nahezu ein Jahrhundert gedauert, das Transmissionselek- schenden idealisierte, speziell präparierte Modellschicht- auf innere Grenzflächen übertragbar. Es ist schwierig, die tronenmikroskop dahingehend weiter zu entwickeln, dass systeme her und charakterisieren diese auf atomarer schwachen Signale der Grenzflächen in den Experimenten einzelne Atome in Proteinen heutzutage sichtbar gemacht Ebene. Die Forschenden aus der Synthesechemie stellen werden können.“ beispielsweise wohldefinierte Clusterbausteine oder or- ganische Moleküle bereit, während die Forschenden An dem auf zwölf Jahre von der Deutschen Forschungs- aus der Physik hochgenau abgeschiedene Halbleiter-He- gemeinschaft (DFG) angelegten SFB beteiligen sich ins- terostrukturen präparieren, die im Elektronenmikroskop gesamt 20 Forschergruppen aus der Physik und Chemie. geprüft werden. Ins Leben gerufen wurde der SFB unter Leitung von Prof. Ulrich Höfer zunächst als Zusammenschluss von Marbur- Im Arbeitsgebiet B untersuchen weitere sieben Projekte ger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich die opto-elektronischen Eigenschaften dieser Modellsyste- zum Ziel gesetzt haben, den kleineren Standort durch die me. Im Blick steht insbesondere der Ladungstransfer über Zusammenarbeit in einem speziellen Themengebiet im die Grenzfläche. Die Methoden der Wahl kommen aus der Vergleich zu größeren Städten zu stärken. In der zwei- optischen Spektroskopie. Mit ausgeklügelten Messverfahren ten und dritten Förderperiode haben sich nun weitere lassen sich die schwachen Signale der Grenzschicht detek- Gruppen aus Gießen, ein Zusammenschluss von Oberflä- tieren. Teilweise erlauben sie eine Zeitauflösung im Bereich chenphysikern im Forschungszentrum Jülich und je eine von Femtosekunden (Millionstel einer Milliardstel Sekunde). Theoriegruppe aus Münster und Leipzig hinzugesellt. Rund 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler steuern ihre Der SFB verknüpft in seinen Projekten die chemische Hinzu kommt, dass erst in jüngster Zeit die experimentel- Expertise in der chemischen Synthese, Halbleiterphysik, Synthese der Grenzflächenmaterialien, den Aufbau der len Techniken sowie die Theoriebildung weit genug fort- Oberflächenphysik, Strukturanalyse, Laserspektroskopie Schichten, die spektroskopischen Untersuchungen und geschritten sind, um die Grenzflächen auf atomarer Skala und physikalischen wie chemischen Theorie bei. Bei der die theoretische Modellierung. „Diese enge Verknüpfung untersuchen zu können. Dazu zählen beispielsweise die Auswahl der teilnehmenden Gruppenleitenden wurde und Rückkopplung von Experiment und Theorie ist für Transmissionselektronenmikroskopie für die Strukturauf- dabei auch darauf geachtet, neben den renommierten Marburg einmalig und hat es uns erlaubt, in der dritten klärung in Grenzflächen und optische Methoden, um die Professoren auch fünf Nachwuchswissenschaftlerinnen Förderphase den Fokus auch weiter auf Bauelementan- elektronischen Prozesse tief im Inneren eines Festkörpers und Nachwuchswissenschaftlern die Möglichkeit zu ge- wendungen unserer Forschung zu legen“ betont Prof. aufklären zu können. Für die Forscherinnen und Forscher ben, ihre wissenschaftliche Karriere durch ihren Beitrag Michael Gottfried, der stellvertretende Sprecher des SFB. um Kerstin Volz und Michael Gottfried ist daher die Zeit voranzubringen. Mit Investitionen in die Forschungsinfrastruktur und einer gekommen, die offenen Fragen der Grenzflächenphysik gezielten Personalstrategie hat die Universität ihr Profil in und -chemie zu klären. der Grenzflächenforschung geschärft. 6 SFB 1083 | Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen 7
Wissenschaftliche Highlights Deep inside: Elektrische Felder direkt mit dem Transmissionselektronenmikroskop messen Die Verteilung elektrischer Felder in Materialien zählt zu wir auch Methoden der künstlichen Intelligenz einsetzen Acht Jahre nach seinem Start im Jahr 2013 geht der SFB 1083 in die zweite Verlängerung. Mehr als 350 wissenschaft- den maßgeblichen Treibern des Verhaltens von Ladungsträ- wollen“, sagt Physikerin Kerstin Volz. Der Aufwand lohnt liche Publikationen sind erschienen. Die PIs und ihre Forschung haben sich weiterentwickelt. Forschungsschwerpunkte gern an Grenzflächen und ist damit auch entscheidend für sich, denn wie das Modellbeispiel eines GaAs p-n-Über- und -orte haben sich verschoben: PIs kamen neu hinzu oder erhielten einen Ruf, blieben an der Universität Marburg die Anwendung. Doch wie lassen diese sich lokal aufgelöst gangs zeigt, kann das elektrische Feld an der Grenzfläche oder wechselten den Standort. Wieder wurden etliche Projekte erfolgreich abgeschlossen, neue wurden in der dritten messen? Die Arbeitsgruppe von Kerstin Volz hat dazu ihr bestimmt werden und das mit hoher lateraler Auflösung. Förderperiode aufgelegt. Hier sollen fünf Highlights aus Forschung und Methodenentwicklung die Fortschritte illustrieren. hochauflösendes Rastertransmissionselektronenmikroskop Weitere Arbeiten gehen nun dahin, die Materialpalette (STEM) aufgerüstet. Ein hauchdünner Strahl von fokussier- auszuweiten zu 2D-Materialien, verdrehten Schichtsyste- Hybridsysteme mit hohem Ordnungsgrad ten Elektronen (der Fokus kann dabei kleiner als ein Atom- durchmesser sein) scannt eine Probe ab. Dabei werden die men und anderen Heterostrukturen. Auch für zukünftige Materialsysteme wie etwa für Feststoffbatterien könnte die Elektronen natürlich von elektrischen Feldern in der Probe Methode wichtig werden, um die Feldstärken zu vermessen Wie ordnen sich organische Moleküle auf Oberflächen Die Herausforderung: Die Moleküle wechselwirken nur sehr abgelenkt. Eine hochempfindliche Kamera nimmt bis zu und die Strukturen zu verstehen und zu optimieren. an, wenn sie keine wohldefinierte chemische Bindung mit schwach mit den TMDCs, was die Herstellung und Kontrolle 10.000 Bilder in der Sekunde auf. Beim Abrastern entste- der Unterlage, dem Substrat, ausbilden? Das haben die geordneter Molekülfilme erheblich erschwert, da die flach hen solchermaßen etwa 100.000 Einzelbilder pro Mess- Arbeitsgruppen um den Physiker Gregor Witte und den liegenden Moleküle eine abstoßende Rand-zu-Rand-Wech- zyklus – ein riesiger Datensatz. Aus der Datenmenge wird Chemiker Ulrich Koert an Modellsystemen untersucht. selwirkung zeigen. Die Forschenden haben herausgefunden, üblicherweise die geometrische Struktur des Materials Hybridsysteme aus anorganischen Trägersubstraten und welche Faktoren für die Ausbildung wohldefinierter Schich- und die Anordnung der Atome berechnet. Doch organischen Molekülschichten sollen das Beste aus zwei ten von aromatischen Molekülen auf TMDCs nötig sind. In auch die Ablenkung des Elektronenstrahls Welten vereinen: Anorganische Materialien lassen sich ultradünnen 2D-Molekülfilmen benötigt es aufgrund geo- in Bruchteilen eines Winkelgrads steckt gut ansteuern, prozessieren und in Bauelemente packen. metrischer Restriktion anziehende Molekül-Molekül-Wech- darin und kann heraus berechnet wer- Moleküle hingegen können für spezifische Funktionen selwirkungen, welche die Bildung einer geordneten Lage den. „Ein riesiger apparativer und leicht maßgeschneidert werden, etwa für organische überhaupt erst ermöglicht. Diese können durch gezielte rechnerischer Aufwand, für den Solarzellen oder Sensoren. Heißer Kandidat für zukünftige chemische Modifikation der Prototyp-Moleküle, z.B. durch opto-elektronische Bauelemente sind aromatische orga- Teilfluorierung, maßgeschneidert werden. In dickeren Fil- nische Halbleiter wie etwa Pentacen auf 2D-Materialien men, in denen die Molekül-Molekül-Wechselwirkungen auf- des Typs Übergangsmetall-Dichalkogene (TMDC, engl. grund der fehlenden geometrischen Einschränkung deutlich transition metal dichalcogenide). verstärkt sind, ermöglicht die schwache Molekül-Substrat- Wechselwirkung die Ausbildung von Mikrometer großen Domänen. Und mehr noch: Sie erlaubt es sogar mittels An- passung von Prozessparametern die Ausrichtung des Films genau einzustellen. Im weiteren Verlauf des SFBs sollen die opto-elektrischen Eigenschaften der Ladungsträgerbildung und ihres Transports genauer untersucht werden. 8 SFB 1083 | Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen 9
Highlights Das zeitauflösende Impulsmikroskop Auf die Perspektive kommt es an. Sind manche direkte sagt Physiker Ulrich Höfer. Mit einem Pump-Probe-Ex- Messgrößen nicht zugänglich, etwa wo sich gerade die periment regen die Forschenden die Ladungsträger in Elektronen in einem Material bewegen, dann lohnt sich organischen Halbleitern oder 2D-Systemen zunächst an vielleicht ein Blick auf Alternativen. Physiker schauen sich und schlagen sie dann aus dem Material heraus. Die das Systemverhalten dann meist im sogenannten Impuls- Winkelinformation des austretenden Elektrons enthält die raum an, der etwa die Geschwindigkeitsverteilung der Impulsinformation. In einem Flugzeitexperiment bekom- Ladungsträger beschreibt. Dann ist die Ortsinformation men die Forschenden die Energie des Elektrons heraus. nur eine mathematische Transformation entfernt. Die Ar- Bei Molekülen auf Oberflächen können die Physiker die beitsgruppen um Ulrich Höfer und Robert Wallauer haben chemischen Reaktionen verfolgen. In Festkörpern nehmen daher ein ganz spezielles Impulsmikroskop entwickelt, sie die Bandstruktur ins Visier. „Das ist ein herausragendes dass nicht auf Ortsinformationen schaut, sondern auf Experiment, da wir alle Quantenzustände und -informa- Ein Traum wird wahr: Elektrische Ströme an die Impulsverteilung von Ladungsträgen. „Solchermaßen tionen der Ladungsträger direkt messen können“, erklärt können wir genau sehen, wie Elektronen sich in Molekül Höfer. In der dritten Förderperiode erweitern die Forschen- orbitalen bewegen und den Bindungspartner wechseln“, den ihre Experimente auf weitere Materialklassen im SFB. Grenzflächen kontaktlos vermessen In der vergangenen Förderperiode haben die Marburger Physiker um Ulrich Höfer mit kooperierenden Gruppen eine gelingt es den Forschenden, den elektrischen Strom kon- taktlos zu vermessen, etwa wie lange es dauert, bis die Mehr als Graphen: überraschendes 2D-Kohlenstoffmaterial neue Messmethode entwickelt, um in Oberflächen und Elektronen im Material streuen (also phänomenologisch entlang von Grenzflächen elektrische Ströme kontaktlos auf einen elektrischen Widerstand treffen). Dieser Wider- Das Highlight einer Forscherkarriere in der Physik ist es, hatten die Forscherinnen und Forscher nun, indem sie zu vermessen. Hier werden die Ströme zunächst optisch stand ist in topologischen Isolatoren sehr stark vermindert, neue physikalische Gesetzmäßigkeiten oder Effekte zu ent- auf einer Goldoberfläche Molekülketten herstellten, die erzeugt: Mit Terahertz-Strahlung wird ein elektrisches was an den Grenzflächeneigenschaften des Material- decken, in der Chemie ist das die Synthese neuer Moleküle sich geordnet zusammenlagern und anschließend die Wechselfeld aufgebaut, das die Elektronen beschleunigt. systems Bi2Te3 liegt. Die Elektronen verhalten sich hier oder Materialien. Letzteres ist den Arbeitsgruppen des neue Kohlenstoffart bilden. Im Unterschied zu Graphen „Und während das Feld einwirkt, messen wir mit der wie Kanonenkugeln, die nichts abbremst. Die Forscher Physikochemikers Michael Gottfried und des organischen haben bereits sehr schmale Steifen des neuen Materials Photoelektronenspektroskopie“, sagt Ulrich Höfer. Die sprechen hier von einem sogenannten ballistischen Strom. Chemikers Ulrich Koert gelungen. Sie synthetisierten gewis- metallische Eigenschaften. Für den SFB erweitert das neue Forschenden richten einen scharfen UV-Laserpuls auf das Im weiteren Verlauf des SFB setzen die Forschenden diese sermaßen einen Zwilling des Wundermaterials Graphen. Material den Baukasten, Schichtsysteme aus metallischen, Material, der Elektronen herauslöst und einem Spektro- Methode ein, um in unterschiedlichen Materialsystemen Während Graphen einer Monolage aus Kohlenstoff-Sechs- halbleitenden und organischen Lagen zu kombinieren meter zuführt. Die Zeitauflösung liegt dabei unterhalb die Wechselwirkung der Grenzflächeneffekte mit dem ecken entspricht, besteht das neue Material aus einer und die physikalischen Eigenschaften der Grenzflächen der Schwingungszeit einer Terahertz-Welle. Solchermaßen Stromfluss zu untersuchen. Anordnung von vier-, sechs- und achteckigen Ringen. „Die weiter zu untersuchen und zu steuern. Interessant dürfte Ringe sind in diesem sogenannten Biphenylen-Netzwerk insbesondere sein, wie sich die physikalischen Eigenschaf- völlig regelmäßig angeordnet“, sagt Michael Gottfried. ten solcher Schichtsysteme ändern, wenn die einzelnen Bislang war die neue Struktur nur theoretisch vermutet Schichten in einem Winkel gegeneinander verdreht sind worden, aber herstellen ließ sie sich noch nicht. Erfolg und übereinander liegen. 10 SFB 1083 | Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen 11
Entwicklung und Charakterisierung von Modellsystemen Prof. Dr. Gregor Witte Philipps-Universität Marburg A2 Organisch/anorganische- und Molekulare Festkörperphysik (+49) 6421 28-21384 organisch/organische-Grenzflächen: gregor.witte@physik.uni-marburg.de EXPERTISE: Struktur und Ladungsträgertransport Organische Halbleiterschichten, physikalische Chemie der Adsorbate, tem- plat- und grenzflächenabhängiges Dünnschicht-Wachstum, Synchrotron-ba- sierte Röntgenabsorptionsspektroskopie, Röntgendiffraktometrie, Rasterson- denmikroskopie, UV/Vis Spektroskopie, Device-Charakterisierung Materialien: Metall/Organik, Anorganik/Organik, Organik/Organik, Um die komplexe Struktur organischer Bauelemente, etwa Die Forschenden studieren dann die mikroskopischen 2D Grenzflächen organischer Solarzellen oder Transistoren, zu verstehen Wechselwirkungen von Molekülen untereinander, von Methoden: Strukturanalyse, Epitaktisches Wachstum, und deren Leistungsfähigkeit zu verbessern, braucht es Dünnfilmen mit ihren Substraten, sowie die Grenzflä- Optische Spektroskopie ein grundlegendes Verständnis der Modellsysteme. Dazu cheneffekte übereinander gestapelter funktioneller Mo- zählen Schichtstrukturen organischer Moleküle auf an- lekülschichten. Ein detailliertes Verständnis all dieser organischen Trägersubstraten, die in der Arbeitsgruppe Wechselwirkungen ermöglicht ihnen die präzise Kontrolle von Gregor Witte hergestellt werden. Die kontrollierte der Orientierung kristalliner Dünnfilme auf 2D-Materialien Herstellung kristalliner Dünnfilme aus Molekülen wie und damit die Untersuchung neuer Grenzflächeneffekte. Acenen oder molekularen Akzeptoren mit definierter Molekülorientierung auf 2D-Materialien und anderen In einem weiteren Experiment zeigen die Forschenden, Substraten beherrschen in Deutschland nur wenige dass die Terminierung der Substratoberfläche vor dem Arbeitsgruppen. Aufbringen von Molekülen einen drastischen Einfluss auf Ladungsträgertransport Organisch/anorganische Grenzflächen die Performance organischer Feldeffekt-Transistoren (OFETs) „Wir nehmen uns der Herausforderung hat. Mittels gezielter Oberflächenoxidation der Elektroden an, einzelne Schichten, die nur durch oder durch Aufbringen von molekularen Kontaktschichten schwache van-der-Waals-Kräfte ge- sind sie in der Lage, Transistoren mit außerordentlich kleinen bunden sind, kontrolliert in kristalline Kontaktwiderständen herzustellen. Um ihre Transistoren Ordnung zu bringen“, sagt Witte. weiter zu verbessern, haben die Forscher eine weltweit einzigartige Prozesskette zur Herstellung von OFETs im Ul- trahochvakuum entwickelt. Durch den Einsatz hochpräziser Mikromanipulatoren lassen sich zudem molekulare Einkris- talle sowie Flocken von 2D-Materialien im Ultrahochvakuum Hochdefinierte Kontaktflächen zwischen organischen Im Gegensatz zu metallischen Substraten wird das Wachstum organischer kontrolliert positionieren, ausrichten und spalten. Mithilfe Dünnfilmen und ihrem Substrat ermöglichen Filme auf 2D-Materialien primär durch Molekül-Molekül-Wechselwirkungen dieser Techniken können die Forscher den Ladungstransport die Herstellung von OFETs mit extrem kleinen bestimmt. Die sogenannte van-der-Waals-Epitaxie konnte in der Gruppe von an hochdefinierten Grenzflächen zwischen organischen Kontaktwiderständen. Prof. Witte erstmals experimentell nachgewiesen werden Materialien und 2D-Materialien untersuchen. 12 SFB 1083 | Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen 13
Entwicklung und Charakterisierung von Modellsystemen A3 Grenzflächen organischer Heteroschichtsysteme: Struktur und Vibrationsanregungen Organische Modellstrukturen auf Metallen, wie z. B. Silber Da die Moleküle je nach Anordnung unterschiedlich oder Gold, präpariert und charakterisiert die Arbeitsgruppe schwingen, und dies durch theoretische Studien auch von Peter Jakob. Zunächst scheiden die Forschenden die modelliert werden kann, können die Forscherinnen und organischen Moleküle mit speziellen opto-elektronischen Forscher den Strukturaufbau der Schichten anhand der Prof. Dr. Peter Jakob Eigenschaften per Molekülstrahlepitaxie im Ultrahochva- Schwingungsbanden im Infrarot-Spektrum verifizieren Philipps-Universität Marburg kuum ab. Über die Prozessparameter, wie etwa Tempe- und Präparationsbedingungen entsprechend modifizieren. Eine weitere wichtige Fragestellung betrifft die Kopplung Oberflächenphysik ratur und Substanzmenge, kann auf die Anordnung der Genauso lassen sich chemische Reaktionen im Detail zwischen molekularen Schichten, sowie Ladungstrans- Moleküle – ob gerade aufliegend oder verkantet schräg untersuchen und die sich bildenden Produktspezies mit ferprozesse an der Molekül-Metall Grenzfläche. Dabei (+49) 6421 28-24328 stehend – Einfluss genommen werden; ebenso auf die hoher Empfindlichkeit nachweisen. stehen der Einfluss von Strukturparametern, sowie der peter.jakob@physik.uni-marburg.de relative Lage der Moleküle bei Mehrkomponentensys- Schichtzusammensetzung im Vordergrund des Interesses EXPERTISE: temen. Wie sich die Schichtsysteme mikroskopisch und inwieweit sich die physikalischen Prozesse und Zeit- Vibrationsspektroskopie an Oberflächen und Grenzflächen, ausgebildet haben, überprüfen die Wissen- skalen durch gezielte Modifikationen beeinflussen lassen. Oberflächenchemie, Kinetik von Oberflächenprozessen, organische schaftlerinnen und Wissenschaftler mit Molekularstrahldeposition der Infrarot-Spektroskopie und über die Elektronenbeugung LEED (Low Materialien: Metall/Organik, Organik/Organik, Anorganik/Organik Energy Electron Diffraction). Methoden: Strukturanalyse, Epitaktisches Wachstum, Optische Spektroskopie Die Prozesskette zur Erzeugung graphen-artiger ‚nanoribbons‘ an der Molekül-Metall Grenzfläche lässt sich mittels Infrarot-Spektroskopie präzise nachverfolgen. 14 SFB 1083 | Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen 15
Entwicklung und Charakterisierung von Modellsystemen Prof. Dr. Michael Gottfried Philipps-Universität Marburg A4 Reaktivität, Energetik und Struktur von Physikalische Chemie (+49) 6421 28-22541 vergrabenen Organik/Metall-Grenzflächen michael.gottfried@chemie.uni-marburg.de EXPERTISE: Oberflächenchemie, Modellkatalyse, organische und organometallische Dünnschichten, Photoelektronenspektroskopie Materialien: Metall/Organik, 2D Grenzflächen Methoden: Strukturanalyse, Epitaktisches Wachstum Die mikroskopische Struktur und Dynamik von Grenzflä- Beim Bedampfen der organischen Modellsubstanzen chen zwischen Metallen und organischen Materialien mit einem Metall diffundiert dieses in die organische Die nichtbenzenoiden Moleküle sind außerdem gute spielen insbesondere beim Kontaktieren organischer Schicht und reagiert zu einem Metallkomplex, der eine Modelle für Defekte in Graphen“, erklärt Gottfried. Mit Halbleiter (in Solarzellen oder Leuchtdioden) eine ent- Zwischenschicht (Interphase) ausbildet. „Das sind gute diesen realitätsnahen Materialsystemen wollen die For- scheidende Rolle. Das Team von Michael Gottfried un- Modellsysteme, mit denen wir die Bildung der wichtigen scherinnen und Forscher besser verstehen, wie zukünftige tersucht die physikalisch-chemischen Prozesse Interphasen verstehen können, die auch bei organischen Bauelemente auf Basis von organischen Molekülen oder in der Kontaktzone: Wie verhält sich die Batteriematerialien eine Rolle spielen“, sagt Michael Gott- Graphen optimiert werden können. Neben Präparation organische Schicht gegenüber dem fried. Photoelektronenspektroskopie mit harter Röntgen- und Charakterisierung der Schichtsysteme studiert die Metall? Welche Reaktionen lau- strahlung, durchgeführt am Berliner Elektronensynchrotron Arbeitsgruppe daher auch, wie sich die reaktiven Prozesse fen ab? Und wie ändert sich BESSY II, liefert den Forschern genaue Tiefenprofile der an der Grenzfläche steuern – etwa verstärken oder unter- der chemische Zustand, wie Schichtsysteme. binden – lassen und welche chemischen Bindungen sich etwa die Oxidationsstufe an den Grenzflächen bilden. der Reaktionspartner? Mit der Nanojoulekalorimetrie will das Team außerdem Dafür setzen sie u.a. die Bindungsenergien der Metallatome an die Oberfläche reaktionsfreudige Me- der organischen Modellsubstanz messen. „Wir wollen talle wie Lithium ein. dann schrittweise die Komplexität unserer Modellsysteme steigern, aber die volle Kontrolle über alle Eigenschaften behalten“, sagt Michael Gottfried. Die Forschenden be- Grenzflächen zwischen Metallen und trachten dazu auch Moleküle mit sogenannten nichtben- benzoiden (links) bzw. nichtbenzenoiden zenoiden Topologien. Das sind Moleküle, die Ringe mit (rechts) Molekülen. Die stärkere Metall- beispielsweise vier, fünf oder sieben Ecken enthalten und Organik-Bindung bei den nichtbenzenoiden die daraus resultierend ganz andere Eigenschaften haben Molekülen sollte sich auch auf die darüber als Moleküle, die nur auch den sechseckigen Benzolringen liegenden Molekülschichten auswirken Organik/Metall-Grenzflächen werden mit verschiedenen komplementären bestehen. „Wir machen hier als Chemiker den Schritt zu und die elektronischen Eigenschaften der Methoden präpariert und die dabei ablaufenden Prozesse untersucht. neuartigen Modellsystemen für die organische Elektronik. Grenzfläche beeinflussen. 16 SFB 1083 | Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen 17
Entwicklung und Charakterisierung von Modellsystemen A5 Atomar aufgelöste Struktur vergrabener Prof. Dr. Kerstin Volz Grenzflächen zwischen Festkörpern Philipps-Universität Marburg Struktur- & Technologieforschungslabor (+49) 6421 28-22297 kerstin.volz@physik.uni-marburg.de EXPERTISE: Strukturanalyse, Transmissionselektronenmikroskopie, Epitaktisches Wachstum von Halbleiterstrukturen, strukturelle, optische Mit ihren Methoden schaut die Arbeitsgruppe von Ker- Der auf atomare Dimensionen fokussierte Elektronen- und Wachstumskorrelation von funktionalen Materialien stin Volz den Materialsystemen gewissermaßen unter strahl bewegt sich parallel zur Grenzschicht durch die die Motorhaube. Zentrales Instrument ist das Trans dann nur wenige Hundert Atomlagen dicke Probe und Materialien: Anorganik/Anorganik, Anorganik/Organik, 2D Grenzflächen missionselektronenmikroskop. Damit lassen sich Fest- rastert den gesamten Schichtverlauf ab. Methoden: Strukturanalyse, Theorie/Modellierung körper atomar durchleuchten. Um eine hohe Grenz- flächenempfindlichkeit zu erreichen, bedarf es einer äußerst präzisen Probenvorbereitung. Zunächst stellen Wichtige Fragestellungen sind, wie sich die Atome im die Forscherinnen und Forscher der verschiedenen Grenzschichtgefüge anordnen und welche elektrischen Arbeitsgruppen des SFB ihre Schicht-Modell- Felder dort herrschen – welches Verhalten wird intrinsisch systeme her. Die Proben werden an- durch das Material vorgegeben und welchen Einfluss schließend geschliffen und weiter mit spielt die Herstellung? Kerstin Volz betrachtet Halblei- Ionenstrahlen gedünnt. „Die Probe termaterialien und deren Heterostrukturen, wie etwa muss sehr dünn sein. Das ist eine Silizium, GaP, oder auch TMDCs, die sich beispielsweise hohe Kunst“, sagt Kerstin Volz. in den elektrischen Eigenschaften (Polarität) und Struktur (Gitterabstände) unterscheiden. Interessant ist dann, wie sich die Grenzflächen in Abhängigkeit dieser Parameter bilden und Ladungen sich gegebenenfalls umverteilen. Wichtiges Arbeitsgebiet ist auch, die Empfindlichkeit Beim Abrastern der hauchdünn geschnittenen Schichtsysteme mit einem atomar des Rastertransmissionselektronenmikroskops und die feinen Elektronenstrahl ergibt sich ein Transmissionsbild, das die genaue Modellierung immer weiter zu verbessern, um noch mehr Position der einzelnen Atome im Kristallgefüge verrät. Dies ermöglicht die Einsicht Informationen aus den experimentellen Aufnahmen zu in die mikroskopische Struktur vergrabener Grenzflächen. erhalten. Dies geschieht durch Simulationen des Abbil- dungsprozesses auf Hochleistungsrechnern, auch unter zu Hilfenahme von Methoden der künstlichen Intelligenz. 18 SFB 1083 | Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen 19
Entwicklung und Charakterisierung von Modellsystemen A6 Gemeinsame Beschreibung von chemischer Bindung und Wechselwirkungen an Anorganik/Organik- Grenzflächen mittels Dichtefunktionaltheorie Mit ihren theoretischen Methoden können die Forschen- In einem weiteren Teilprojekt schauen sich die Chemiker- den der Gruppe von Prof. Ralf Tonner genau beschreiben, innen und Chemiker Grenzflächen zwischen ungewöhnli- wie sich organische Moleküle auf Oberflächen verhalten. chen, aromatischen Molekülen und Metalloberflächen an. Im Fokus stehen dabei die Anordnung in der Oberflä- In Vorarbeiten wurden hier überraschende elektronische chenschicht und die Bindungstypen, etwa van-der-Waals- Eigenschaften gefunden, die nun intensiver untersucht Kräfte oder kovalente chemische Bindungen. Aus diesen werden sollen. „ab initio“-Simulationen leiten die Chemikerinnen und Chemiker auch die elektronischen Eigenschaften der In Zukunft wollen die Forschenden weitere elektronische Prof. Dr. Ralf Tonner Grenzflächen ab, die von Physikern mit spektroskopischen und dynamische Effekte in ihre Modelle einbeziehen, um Universität Leipzig Methoden untersucht und im Wechselspiel von Theorie den experimentellen Disziplinen Vorhersagen zu liefern. Es und Experiment verifiziert werden können. klingt schon verrückt: Nur auf Basis von Formeln und Ge- Theoretische Chemie komplexer Materie dankenarbeit sowie der Hilfe leistungsstarker Großrechner (+49) 341 97-36401 Die Modelle helfen den Forschenden aus der Synthe- errechnen die Theoretikerinnen und Theoretiker ein Bild, ralf.tonner@uni-leipzig.de sechemie, die Moleküle so zu funktionalisieren, dass das der Experimentierende dann im Tunnelmikroskop oder diese zielsicher ihren Ort auf der Oberfläche finden und als spektroskopische Messkurve sieht. EXPERTISE: beispielsweise keine unerwünschten Nebenreaktionen Computerchemie, Dichtefunktionaltheorie, Oberflächenchemie, stattfinden. „Wir untersuchen auch, ob und wie Verfahren Chemische Bindung, Grenzflächen der Klick-Chemie funktionieren, um die nächste Lage an Schichten organischer Moleküle auf Halbleiter-Oberflächen Materialien: Anorganik/Organik, Anorganik/Anorganik organischen Molekülen anzubinden“, sagt Tonner. bieten vielfältige Ansätze zum Verständnis elektronischer Effekte Methoden: Theorie/Modellierung und chemischer Reaktivitäten im Grenzflächen-Aufbau. 20 SFB 1083 | Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen 21
Entwicklung und Charakterisierung von Modellsystemen A8 Organische Moleküle als Bausteine Prof. Dr. Ulrich Koert Philipps-Universität Marburg für die Synthese innerer Grenzflächen Organische Chemie (+49) 6421 28-26970 koert@chemie.uni-marburg.de EXPERTISE: Organische Synthese komplexer Moleküle (Naturstoffe, Funktionsstoffe, Ionenkanäle, molekulare Schalter), Entwicklung selektiver und effizienter Ein wichtiger wissenschaftlicher Meilenstein in den ersten Im Fokus steht hier das Molekül Cyclooctin, ein Ring aus Synthesemethoden Förderperioden des SFBs war die erfolgreiche Kontak- acht Kohlenstoffatomen mit einer gespannten Dreifachbin- Materialien: Anorganik/Organik, Organik/Organik tierung, also die kovalente chemische Anbindung, von dung, die besonders reaktiv ist. Die Forschenden aus Che- Methoden: Chemische Synthese funktionalisierten organischen Molekülen auf der hochre- mie und Physik haben zuerst den Reaktionsmechanismus aktiven Siliziumoberfläche. Das gelang durch die direkte von Cyclooctin auf der Siliziumoberfläche aufgeklärt und Kooperation von Forschenden aus Chemie (Arbeitsgruppe insbesondere gezeigt, dass Cyclooctin selektiv mit seiner Ulrich Koert, Marburg) und Physik (Arbeitsgruppen Mi- Dreifachbindung an die Halbleiteroberfläche anbindet. chael Dürr, Gießen und Ulrich Höfer, Marburg). Über diese erste organische Schicht konnten dann gezielt Als Materialsystem bedeutet die „Organik weitere, funktionale organische Moleküle kovalent mit der auf Halbleitern“ einen Durchbruch: „Es Siliziumoberfläche verankert werden. verbindet die Welt der Computer elektronik mit der funktionellen Diese weiteren Schichten werden dabei in einer Kombi- Prof. Dr. Michael Dürr Gestaltungsvielfalt der orga- nation aus selektiven Reaktionen im Ultrahochvakuum Justus-Liebig-Universität Gießen nischen Chemie und eröffnet und katalysierten Reaktionen in Lösung aufgebracht. „Die Experimentelle Physik so ganz neue Möglichkei- richtige Kombination der unterschiedlichen Reaktionen ist ten“, erklärt Michael Dürr. dabei der Schlüssel zum Erfolg“, erläutert Ulrich Koert. (+49) 641 99-33490 michael.duerr@ap.physik.uni-giessen.de Die Forscherinnen und Forscher können durch die che- mische Synthese die organischen Schichten designen EXPERTISE: und die Schicht- und Grenzflächeneigenschaften z. B. mit Experimentalphysik, Reaktionsdynamik an Halbleiteroberflächen, spektroskopischen Methoden (B2 Chatterjee, Gießen; B11 Rastertunnelmikroskopie, Massenspektrometrie Güdde/Höfer, Marburg) vermessen. Die äußerste Schicht Materialien: Anorganik/Organik, Organik/Organik hätte mit geeigneter Funktionalisierung auch einen aktiven Methoden: Strukturanalyse, Epitaktisches Wachstum Sensorcharakter und könnte in elektronischen Bauteilen eingesetzt werden – doch das ist die Zukunft. 22 SFB 1083 | Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen 23
Entwicklung und Charakterisierung von Modellsystemen Prof. Dr. F. Stefan Tautz Peter Grünberg Institut, Forschungszentrum Jülich Experimentelle Physik A 12 Struktur und Phononen von hetero-epitaktischen (+49) 2461 61-4561 s.tautz@fz-juelich.de Schichtsystemen aus schwach wechselwirkenden EXPERTISE: Quanten Nanowissenschaft, Quantum Materialien, Oberflächenphysik, Rastersondenverfahren, 2D-Materialien und molekularen Schichten Elektronenspektroskopie Materialien: Metall/Organik, Organik/Organik, 2D Grenzflächen Methoden: Strukturanalyse Die Forschenden der Arbeitsgruppe Zwei Methoden der Präparation stehen zur Wahl. Zum Dr. François C. Bocquet Peter Grünberg Institut, Forschungszentrum Jülich von Stefan Tautz am Peter Grün- einen können Schichten per Exfoliation (Tesafilm-Metho- berg-Institut des Forschungszen- de) von einem Kristall abgezogen und in einer speziellen Experimentelle Physik trums Jülich sind Experten der Apparatur auf ein vorgegebenes 2D-Material „twisted“ (+49) 2461 61-3987 Oberflächenmanipulation und übertragen werden. Zum anderen wollen die Physiker per f.bocquet@fz-juelich.de -analyse. Im SFB geht es ihnen Rastersondenmikroskop (STM) an spezielle 2D-Schichten darum, für geschichtete 2D-Ma- mit Henkel (aus dem Projekt A16) andocken, diese von EXPERTISE: terialien den richtigen Dreh zu der Syntheseunterlage abziehen und verdreht auf Gra- Oberflächenphysik, Spektroskopie finden. Werden hauchdünne, nur phen, TMDC oder weiteren 2D-Systemen aufbringen. Die Materialien: 2D Grenzflächen atomlagendicke Schichten von Spitze des STM geht dabei mit dem Henkel eine schaltba- Methoden: Strukturanalyse, Epitaktisches Wachstum Graphen oder TMDCs verdreht (eng- re Verbindung ein. Das erlaubt ganz neue Freiheitsgrade lisch: twisted) aufeinander gestapelt, für verdrehte Schichtsysteme, da etwa mit klassischen so erwarten Stefan Tautz und seine Kol- epitaktischen Abscheideverfahren (eruiert in der 2. För- Die Henkel-Methode: legen François Bocquet und Christian Kumpf derperiode des SFB) nur durch geometrische Gittereigen- Kontrolliertes Stapeln und ganz neue Effekte. Im Jahr 2018 war dies etwa schaften bestimmte fixe Winkel von z.B. 30 Grad möglich Prof. Dr. Christian Kumpf Verdrehen von 2D die Supraleitfähigkeit von Graphen auf Graphen beim waren. „Unser Traum ist, wie mit Legobausteinen neue Peter Grünberg Institut, Forschungszentrum Jülich Schichten im Vakuum. „magischen Winkel“ von 1,1 Grad. „Wir erwarten da Materialien mit vorbestimmten Eigenschaften zusammen Experimentelle Physik jetzt exotische Effekte und ganz neue Eigenschaften, zu stecken“, sagt Physiker Tautz. Die Technik zukünftiger (+49) 2461 61-1452 da wir die Grenzflächen ändern“, sagt Stefan Tautz. So Bauelemente hat auch schon einen Namen: Twistronics. c.kumpf@fz-juelich.de könnten etwa an den Ecken verdrehter Schichten ganz neue quantenphysikalische Zustände entstehen. Und EXPERTISE: diesen sind die Forschenden auf der Spur. Oberflächenphysik, Wechselwirkungsphänomene an Grenzflächen Materialien: Metall/Organik, Organik/Organik, 2D Grenzflächen Methoden: Strukturanalyse, Epitaktisches Wachstum 24 SFB 1083 | Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen 25
Entwicklung und Charakterisierung von Modellsystemen A13 Theorie elektronischer Grenzflächen-Zustände in schwach gebundenen Heterostrukturen „Der SFB ist so weit fortgeschritten, dass ganz neue Festkörper-Schichtsysteme. „Die Monolagen und Grenz- „Damit können wir neben der Struktur beispielsweise die Dinge betrachtet werden können.“ So begründet der flächenphysik des SFB passen da wie maßgeschneidert optischen Eigenschaften von Monolagen und Schicht- theoretische Physiker Michael Rohlfing vom Institut für rein“, sagt Rohlfing. Besonderes Augenmerk richtet das systemen beschreiben“, sagt der Forscher. Wichtiges Ziel Festkörpertheorie der Universität Münster sein Projekt Team auf die Substanzklasse der TMDCs. seiner Arbeit sieht Michael Rohlfing auch darin, den The- innerhalb des SFBs. Der Theoretiker verfügt über orie-Werkzeugkasten weiter auszubauen, um die 2D-Ma- einen ganzen Werkzeugkasten an Model- Zwei Aspekte stehen im Mittelpunkt des theoretischen terialien und -Schichtsysteme besser beschreiben und im len und Beschreibungskonzepten für Interesses: Wie hängen die Oberflächen- und Grenzflä- iterativen Erkenntnisprozess mit den Experimentatoren cheneigenschaften vom Substrat ab und lässt sich das verstehen zu können. entkoppeln? Wie können Moleküle, die auf die Oberfläche gebracht werden, die Materialeigenschaften modifizieren? „Durch diese Moleküle könnten wir die Monolage mani- pulieren und technisch nutzbar machen“, erklärt Rohlfing. Prof. Dr. Michael Rohlfing Der Forscher und sein Team nutzen dazu Methoden der Westfälische Wilhelms-Universität Münster Dichtefunktionaltheorie sowie der um die Beschreibung Festkörpertheorie elektronischer Anregungen erweiterten Vielteilchen-Stö- rungstheorie. (+49) 251 83-33581 michael.rohlfing@wwu.de EXPERTISE: Vielteilchen-Quantenmechanik, optisch angeregte Zustände, Dichtefunktionaltheorie, Vielteilchen-Störungstheorie Materialien: Metall/Organik, 2D Grenzflächen Methoden: Theorie/Modellierung Die Eigenschaften eines atomar dünnen Halbleiters können durch ein darunter liegendes Trägermaterial entscheidend verändert werden. 26 SFB 1083 | Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen 27
Entwicklung und Charakterisierung von Modellsystemen A14 Metallorganische Gasphasen-Abscheidung von zweidimensionalen Heterostrukturen Die Arbeitsgruppe um Kerstin Volz betritt Neuland bei der Mit einem Massenspektrometer lässt sich in-situ beispiels- gezielten Herstellung von Monolagen auf Oberflächen, die weise prüfen, wie sich die Moleküle an der Oberfläche zu 2D-Materialien oder daraus aufgebauten, sogenannten zerlegen. Mit optischen Methoden lässt sich der Verlauf Heterostrukturen führen. der Abscheidung abschätzen. „Wir probieren alles aus und sehen große Unterschiede“, sagt Physikerin Kerstin Bislang werden diese Strukturen mit der, für Forschungs- Volz. Etwa in der Oberflächenmorphologie. So bildet das zwecke ausreichenden, sogenannten ‚scotch tape me- bei Raumtemperatur schon flüssige Gallium auf einer Sa- thod‘ präpariert. Dabei werden z.B. von Graphit kleinste phiroberfläche kleine Tröpfchen, die dort mobil sind und 2D-Flakes an Graphen mittels Tesafilm abgezogen (was sich zu kleinen Drähten vereinen können. Saphiroberfläche vormals auch zu einem Physik-Nobelpreis zur Entdeckung und Tröpfchen sind dabei trotzdem von einer Monolage Prof. Dr. Kerstin Volz des Graphens führte). Doch für eine reproduzierbar tech- Galliumsulfid überzogen. Philipps-Universität Marburg nische oder gar industrielle Herstellung braucht man neue Methoden. Die Arbeitsgruppe von Kerstin Volz zielt darauf Abgesehen davon, dass hier ganz neue Nanostrukturen Struktur- & Technologieforschungslabor In-situ Kontrolle der Abscheidung ab, mit der etablierten chemischen Gasphasenabschei- entstehen, wäre es das Ziel im Sinne des SFBs, das Entste- (+49) 6421 28-22297 dung (MOVPE = Metal Organic Vapour Phase Epitaxy) hen der Tröpfchen zu verstehen und dann zu unterdrücken. kerstin.volz@physik.uni-marburg.de wohldefinierte Schichten herzustellen. Bislang sind die per MOVPE hergestellten Monolagen nämlich nur kleine, wenige Mikrometer messende Inseln EXPERTISE: Die späteren Schichtmaterialien wie Gallium, Molybdän, auf einem 2-Zoll-Wafer. Und den soll eine abgeschiedene Transmissionselektronenmikroskopie, Epitaktisches Wachstum von Halb- Wolfram, Schwefel und Selen sind zunächst in organi- Monolage einmal ganz ausfüllen. leiterstrukturen, strukturelle, optische und Wachstumskorrelation von sche Moleküle eingebettet, treffen in der Gasphase auf funktionalen Materialien ein Substrat wie Saphir, Graphen oder Mica, reagieren Materialien: Anorganik/Anorganik, Anorganik/Organik, dort mit anderen Molekülen und formieren eine zweidi- Beim Wachstum von 2D-Materialien ist 2D Grenzflächen mensionale Struktur. Diesen Wachstumsprozess mitsamt wichtig, dass alle Atome an ihren Methoden: Strukturanalyse, Epitaktisches Wachstum thermodynamischer Parameter und Reaktionskinetiken vorgesehenen Gitterplatz einbauen. gilt es zu verstehen. 28 SFB 1083 | Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen 29
Entwicklung und Charakterisierung von Modellsystemen A15 Ionische 2D Materialien für designbare Dr. Johanna Heine Philipps-Universität Marburg Organik-Anorganik Grenzflächen Anorganische Chemie (+49) 6421 28-25527 johanna.heine@chemie.uni-marburg.de EXPERTISE: Anorganische Synthese und Charakterisierung, Chemie der Bis- mut-Verbindungen, Kristallstrukturanalyse, optische Spektroskopie Auf dem Weg zur Anwendung kennt die Materialfor- „Ionisch“ heißt hier zunächst, dass eine ionische chemi- Materialien: Anorganik/Organik, 2D Grenzflächen schung im Wesentlichen zwei Wege: ein neues Material sche Bindung zwischen zwei Bindungspartnern dominiert. Methoden: Chemische Synthese entwickeln und schauen, auf welche Anwendung das Wie in Zellmembranen, wo Moleküle eine Schicht formen, passt. Oder ein ganzes Materialsystem dermaßen zu ordnen sich die häufig von Metallen abgeleiteten Anionen untersuchen und zu verstehen, dass die Eigenschaften und die organischen Kationen zu einem 2D-Material. auf eine Anwendung maßgeschneidert ausgerichtet wer- „Das Schöne daran: wir haben eine so große Spielwiese“, den können. Letzteren Weg geht das Projekt der sagt Chemikerin Heine. Bei den Anionen steht prinzipiell Forschungsgruppe von Johanna Heine, die das ganze Periodensystem der chemischen Elemente zur ionische 2D-Materialien herstellen, Ei- Verfügung, bei den Kationen der Molekülbaukasten der genschaften charakterisieren und organischen Chemie. Die eigentliche Schicht besteht aus mit anderen Materialien wie einem Tri-Layer der Abfolge Kation-Anion-Kation auf der etwa TMDCs in Verbindung weitere Tri-Layer Platz finden. Die einzelnen Schichten bringen will. sind hier nur durch eine lose van-der-Waals-Bindung verbunden. Hergestellt werden die Schichten entweder durch Exfoliation (Tesafilm-Methode) von einem Kristall oder durch Synthese aus einer Lösung. Viele Vorversuche und ein systematischer Workflow sind nötig, um gezielt Eigenschaften wie Chiralität oder Leit- Mit der Perowskitverbindung Benzylammonium-Bis- fähigkeit im Schichtsystem einzustellen. Andere Arbeits- mutchlorid („BBC“) hat die Gruppe ein vielversprechen- gruppen im SFB charakterisieren dann die optischen und des Modellsystem designt. „Für bessere Solarzellen und elektrischen Eigenschaften. Spannend wird die Kombi- Handydisplays wollen wir neue umweltfreundliche und nation von ionischen 2D-Materialien auf TMDC-Schicht- effiziente Materialien in den Fokus nehmen“, sagt Che- systemen und die opto-elektronischen Eigenschaften der mikerin Johanna Heine. entstandenen Grenzfläche. 30 SFB 1083 | Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen 31
Entwicklung und Charakterisierung von Modellsystemen A16 Synthetische Grenzflächenchemie Prof. Dr. Michael Gottfried Philipps-Universität Marburg Physikalische Chemie (+49) 6421 28-22541 michael.gottfried@chemie.uni-marburg.de EXPERTISE: Oberflächenchemie, Modellkatalyse, organische und organometalli- sche Dünnschichten, Photoelektronenspektroskopie Mit neuartigen Synthesen an und auf Oberflächen wollen Auf die Oberfläche gebracht, will Michael Gottfried neue Materialien: Metall/Organik, 2D Grenzflächen die Forschungsgruppen von Michael Gottfried (Physi- Reaktionsmechanismen entwickeln, um die Moleküle Methoden: Strukturanalyse, Epitaktisches Wachstum kalische Chemie) und Ulrich Koert (Organische Chemie) zu Ketten, Streifen oder größeren 2D-Schichtelementen neue Materialien und Schichtstrukturen herstellen. Bei zu verknüpfen. „Wir wollen nicht nur neue Kohlenstoff- Molekülreaktionen der klassischen Chemie in einer Lösung materialien herstellen, sondern auch die Grundlagen für gibt es im Raum keine Vorzugsrichtung. Das ist an der neue Reaktionstypen legen und so die Toolbox für die Oberfläche anders: Die synthetisierten Materialien Oberflächensynthese erweitern“, sagt Michael Gottfried. werden gewissermaßen in eine 2D-Struktur gezwungen. „Aromatische Verbindun- Der Clou am Projekt: Koert versieht die Vorläufer wie gen mit ihrem -System eignen sich Methanoannulen mit einem „Henkel“ in die dritte Dimen- gut für die spektroskopischen sion. Zu Schichtsystemen reagiert, dienen die „Henkel“ Prof. Dr. Ulrich Koert Untersuchungen der Phy- zum einen als Abstandshalter zur nächsten Schicht in Philipps-Universität Marburg siker“, sagt Ulrich Koert. einem Schichtstapel, zum anderen als Verbindungsglied. Organische Chemie Ein Rastertunnelmikroskop kann sogar mit seiner Son- denspitze an den „Henkel“ andocken, Schichten aktiv (+49) 6421 28-26970 aufeinanderstapeln und auch gezielt verdrehen. Durch koert@chemie.uni-marburg.de das Verdrehen der Schichten gegeneinander versprechen EXPERTISE: sich die Forschenden neue Effekte. Auch erste Charakte- Organische Synthese komplexer Moleküle (Naturstoffe, Funktions- risierungen von Oberflächenmorphologie und opto-elek- stoffe, Ionenkanäle, molekulare Schalter), Entwicklung selektiver und tronischen Eigenschaften unternehmen die Forschenden, effizienter Synthesemethoden stellen ihre Materialien aber auch den anderen Projekten Grenzflächenkontrollierte Synthese eines neuen Kohlenstoff-Allotrops (Biphenylen-Netzwerk) für tiefer gehende Analysen zur Verfügung. Da je nach Materialien: Metall/Organik, 2D Grenzflächen auf einer Au(111)-Oberfläche. (Q.T. Fan, L.H. Yan, M.W. Tripp, O. Krejči, S. Dimosthenous, S.R. Precursor-Struktur auch poröse Schichten entstehen, dürfte Methoden: Chemische Synthese Kachel, M.Y. Chen, A.S. Foster, U. Koert, P. Liljeroth, J.M. Gottfried, Biphenylene Network: A es besonders spannend sein, welche Eigenschaften poröse Nonbenzenoid Carbon Allotrope, Science 372 (2021) 852-856.) 2D-Materialien den Schichtsystemen verleihen. 32 SFB 1083 | Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen 33
Ladungstransfer und Optodynamik B2 Ultrakurzzeitspektroskopie und Kontrolle von Anregungen an inneren Grenzflächen Prof. Dr. Sangam Chatterjee Justus-Liebig-Universität Gießen Das liegt auch daran, dass Bauelemente aufgrund der Das 2D-Material, etwa aus TMDCs (A14) oder sogenann- Spektroskopie • Optik zunehmenden Miniaturisierung in der Halbleitertechnik ten Perowskiten (A15), gilt es in ihren Materialparametern nur aus hauchdünnen Schichten bestehen, Grenzflächen- zu variieren, um systematisch Grenzflächeneffekte zu (+49) 641 99-33100 effekte längs (‚lateral‘) zur Schichtebene also immer pro- studieren. Wie sich die Energiebänder in solchen Hetero- sangam.chatterjee@physik.uni-giessen.de minenter werden. Dazu ist allerdings nur wenig bekannt. Und bei weiterer Miniaturisierung werden Erkenntnisse strukturen verschieben und besetzt sind, ebenso wie sich die Teilchen bei anliegenden Feldgradienten verhalten, ist -EXPERTISE: - - hier zunehmend wichtiger. nahezu unbekannt, und verspricht spannende Forschung. Experimentalphysik, Festkörperphysik, Halbleiter-Optoelektronik, Ultrakurzzeitspektroskopie, Optik Mit der zeitaufgelösten, optischen Spektroskopie unter- Mit zeit- und ortsaufgelöster Pump-Probe-Lasertechnik Materialien: Anorganik/Anorganik, 2D Grenzflächen sucht die Gießener Forschergruppe von Sangam Chatter- jee, wie sich Elektronen oder andere Teilchen an und in und Photolumineszenz-Spektroskopie wollen die Forscher- innen und Forscher nachvollziehen, welchen Weg ein +++ Methoden: Optische Spektroskopie Grenzschichten verhalten. Zu diesen ‚anderen‘ Teilchen Elektron oder ein erzeugtes Ladungsträgerpaar (Exziton) zählen die Physikerinnen und Physiker beispielsweise Ex- in der Energielandschaft der Grenzfläche nehmen. Wo Coherences Carriers zitonen, also gebundene Elektron-Loch-Paare, die sich an befinden sich Teilchen, welche Energie haben sie und Charge-Transfer Excitons Trennschichten bilden. Anders als in früheren Studien un- welcher Richtung folgen sie? In typischen Versuchsan- tersuchen die Forschenden allerdings nicht den Übergang ordnungen befindet sich über einem nanostrukturierten von Ladungsträgern durch die Grenzfläche ‚in die Tiefe‘, Substratmaterial aus Titanoxid und Aluminiumoxid eine sondern längs der Schichtebenen, im Fachjargon ‚lateral‘. 2D-Schicht als exemplarische Grenzfläche. Excitation Time 34 SFB 1083 | Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen 35
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