Fehlerhafte Öffentlichkeitsbeteiligung nur durch Neustart zu beheben? - Bernhard Stüer Münster
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Aufsätze Stüer, Stüer · Fehlerhafte Öffentlichkeitsbeteiligung nur durch Neustart zu beheben? Fehlerhafte Öffentlichkeitsbeteiligung nur durch Neustart zu beheben? von Prof. Dr. Bernhard Stüer und Dr. Eva-Maria Stüer, Münster/Osnabrück* Das Planungsrecht befindet sich alles in allem hin- Fortentwicklung der sichtlich der rechtlichen Anforderungen in einem Öffentlichkeitsbetei- guten Fahrwasser. Die Grundlagen sind durch die ligung im räumlichen Bau-, Fachplanungs- und Umweltgesetze sowie Planungs- und Zu- die Verfahrensregelungen alles in allem auskömm- lassungsrecht befasst. lich gelegt. Die Rechtsprechung hat verschiedent- Er setzt sich darin für lich sogar einzelne Nischen und Winkel geradezu eine Akzeptanzgewin- mit einem juristischen Brenngas ausgeleuchtet. nung durch höherran- Gelegentlich schlagen allerdings vor allem aus giges Recht, der die dem Bereich des europäischen Umweltrechts ei- Durchsetzungskraft nige Wellen über Bord, die das Schiff etwas aus der Öffentlichkeitsbe- dem Gleichgewicht bringen können. Von einem teiligung stärken wür- solchen Vorgang ist hier zu berichten. de, ein. Anschließend befasst sich der Autor Dabei ergeben sich auch im Bereich der Planre- mit den höherrangi- paratur im Recht der Bauleitplanung und dem gen Absicherungen der Fachplanung übergreifende Gemeinsamkei- des Beteiligungsrechts ten – aber vielleicht auch einige Besonderheiten. der Öffentlichkeit. Das schließt eine verfassungs- Denn während die Bauleitplanung der planenden rechtliche Absicherung ein. Erbgut beschreibt ver- Gemeinden im Gewande der Satzung erscheint, schiedene Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung. steht im Fachplanungsrecht traditionell der als Neben die vertikale Öffentlichkeitsbeteiligung Verwaltungsakt erlassene Planfeststellungsbe- tritt die horizontale Öffentlichkeitsbeteiligung, schluss im Mittelpunkt des Interesses. Die Satzung wie sie vor allem für Planungsverfahren und Ge- ist Rechtsnorm, bei der lediglich deren Ungültig- nehmigungsentscheidungen kennzeichnend ist. keit nach § 47 Abs. 5 VwGO, nicht aber deren Gül- Bei der vertikal gestuften Entscheidungsfindung tigkeit vom OVG/VGH mit verbindlicher Wirkung unterscheidet Erbguth zwischen der Öffentlich- gegenüber jedermann festgestellt werden kann. keitsbeteiligung auf planerischer Ebene, die bereits Der Planfeststellungsbeschluss kann in Bestands- höherstufig beginnt, der Öffentlichkeitsbeteiligung kraft erwachsen und gibt dann eine verbindliche auf mittlerer Ebene sowie auf Zulassungsebene, die Grundlage für die Rechtsbetroffenen. ebenfalls nicht vernachlässigt werden darf. Zu den weiteren Rahmenbedingungen für die Akzeptanz Das Europarecht kennt allerdings diese Unter- zählt der Autor eine mögliche Verbesserung der schiede nicht. So kann es geschehen, dass euro- Kommunikation und die Zeitgerechtigkeit der päische Umweltvorgaben durchaus unterschiedli- Öffentlichkeitsbeteiligung und spricht sich für che Auswirkungen haben, ob sie für das Bau- oder eine ergänzende Gesetzgebung aus, die zur Ak- das Fachplanungsrecht gelten. Die UVP-RL mit zeptanzverbesserung beitragen kann. Der Schwer- der danach gebotenen Öffentlichkeitsbeteiligung punkt liegt dabei insbesondere auf der Mediation.1 könnte dafür ein gutes Bespiel sein. Von den Rahmenbedingungen her ist das Feld der Öffentlichkeitsbeteiligung also recht gut bestellt. A. Stellenwert der Öffentlichkeitsbetei- ligung bei Planungs- und Zulassungsent- scheidungen * Die Verfasser sind Rechtsanwälte und Fachanwälte für Verwal- In seinem Beitrag UPR 2018, 121 hat sich Wilfried tungsrecht. Erbguth im vorigen Jahr sehr eingehend mit der 1 Dazu bereits Erbguth, NVwZ 1992, 551. 40 BauR 1 · 2019
Stüer, Stüer · Fehlerhafte Öffentlichkeitsbeteiligung nur durch Neustart zu beheben? Aufsätze Die folgenden Überlegungen konzentrieren sich innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass vor diesem Hintergrund auf die Frage, welche Fol- Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die ein gen eine fehlerhafte Öffentlichkeitsbeteiligung hat, ausreichendes Interesse haben oder eine Rechtsver- wer sich darauf berufen kann und wie dieselben letzung geltend machen, Zugang zu einem Über- repariert werden können. prüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen B. Europarechtliche Vorgaben zur UVP unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, und zu den Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Öffentlichkeit und der an- erkannten Verbände 2 V. 27.06.1985 (85/337/EWG), geändert durch die Richtlinie Aber zunächst zum europarechtlichen Rahmen. Die des Rates v. 03.03.1997 (97/11/EG) – ABl. Nr. L 73, 5 – (UVP- Änderungs-Richtlinie) sowie die Richtlinie des Europäischen Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung Parlaments und des Rates v. 26.05.2003 (2003/35/EG); Erb- bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten guth/Schink, UVPG. (UVP-Richtlinie) ist in ihrer Ursprungsfassung im 3 Erbguth, ZUR 2014, 515; grundlegend bereits Hoppe, Jahre 1985 erlassen und wurde durch die UVP-Änd- VVDStRL 38 (1980), 211; Appold, in: Hoppe (Hrsg.), UVPG 1995; Bartlsperger, DVBl 1987, 1; Battis, NuR 1988, Richtlinie im Jahre 1997, die Öffentlichkeitsbetei- 57; ders., NuR 1995, 448; Beckmann, Verwaltungsgerichtli- ligungs-Richtlinie 2003/35/EG und die Richtlinie cher Rechtsschutz im raumbedeutsamen Umweltrecht, 1987; 2014/52/EU vom 14.04.2014 inzwischen mehrfach ders., in: Hoppe (Hrsg.), UVPG, 1995; Bender/Sparwasser/ geändert.2 Die UVP-Richtlinie schreibt in Art. 4 Engel, Umweltrecht; Blümel, DVBl 1977, 301; Breuer, Ver- fahrens- und Formfehler der Planfeststellung für raum- und Abs. 1 den Mitgliedstaaten für bestimmte Projekte, umweltrelevante Großvorhaben; ders., FS H. Sendler 1991, die in ihrem Anhang I aufgeführt sind, die Durch- 357; ders., Umweltrecht 1995, 433; Burgi, JZ 1994, 654; Di führung einer UVP vor.3 Fabio, DVBl 1994, 1269; Dienes, in: Hoppe (Hrsg.), UVPG, 1995; Erbguth, BayVBl.1983, 129; ders., Raumbedeutsames Dabei werden die allgemeine Öffentlichkeit und Umweltrecht 1986; ders., Rechtssystematische Grundfragen des die betroffene Öffentlichkeit unterschieden. Die Umweltrechts 1987; ders., UPR 1987, 409; ders., VerwArch. 81 allgemeine Öffentlichkeit besteht aus natürlichen (1990), 327; ders., VR 1990, 293; ders., Die Verwaltung 1991, 283; ders., NVwZ 1993, 956; Erbguth/Schink, EuZW 1990, oder juristischen Personen und, in Übereinstim- 531; dies., UVPG, 1996; Erbguth/Schoeneberg, WiVerw. 1985, mung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften 102; Erbguth/Stollmann, NuR 1993, 249; dies., UPR 1994, oder der innerstaatlichen Praxis, deren Vereinigun- 81; Hoppe, FS Scupin 1983, 737; Hoppe/Appold, DVBl 1991, gen, Organisationen oder Gruppen. Der Begriff 1221; Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, 2000; Hoppe/ Püchel, DVBl 1988, 1; Jarass, UVP bei Industrieanlagen, 1987; der allgemeinen Öffentlichkeit hat vor allem für ders., UVP bei Industrievorhaben, 1987; ders., Auslegung und die erstmalige Verfahrensbeteiligung Bedeutung. Umsetzung der UVP-Richtlinie, 1989; Jarass/Kloepfer/Kunig/ Davon unterscheidet Art. 1 Abs. 2 UVP-Richtlinie Papier/Peine/Rehbinder/Salzwedel/Schmidt-Aßmann, UGB- die betroffene Öffentlichkeit. Es handelt sich dabei BT, 1992; Jarass/Neumann, Umweltschutzrecht und EG, 1994; Kloepfer, Umweltrecht, 1989; ders., Umweltrecht, 1992, S. 587; um die von umweltbezogenen Entscheidungsver- ders., Jura 1993, 583; ders., Zur Geschichte des deutschen Um- fahren gem. Art. 2 Abs. 2 UVP-Richtlinie betrof- weltrechts, 1994; Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Ku- fene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit nig, UGB-AT, 1990; Krautzberger, UPR 1992, 1; ders., StuGB oder die (allgemeine) Öffentlichkeit mit einem In- 1989, 111; Lübbe-Wolff (Hrsg.), Umweltschutz durch kommu- nales Satzungsrecht, 1993; Marburger, Gutachten C zum 56. teresse daran. Im Sinne dieser Begriffsbestimmung DJT Berlin 1986; Passlick, in: Hoppe (Hrsg.), UVPG, 1995; haben Nichtregierungsorganisationen, die sich für Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, DVBl 1988, 21; den Umweltschutz einsetzen und allen nach in- Rengeling, Europäisches Umweltrecht und europäische Um- nerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen weltpolitik, 1988; ders., KrW-/AbfG 1994; Salzwedel (Hrsg.), Grundzüge des Umweltrechts, 1982; Schink, NVwZ 1991, 935; erfüllen, ein Interesse. Ist also die betroffene Öf- Schmidt-Aßmann, DÖV 1979, 1; ders., in: Umweltschutz im fentlichkeit zu beteiligen, so sind dies in ihren ab- Recht der Raumplanung, 1982, 117; ders., NVwZ 1987, 265; wägungserheblichen Belangen betroffene Bürger4 ders., DÖV 1990, 169; B. Stüer, DVBl 1988, 181; ders., NuR sowie die anerkannten Naturschutzvereinigungen.5 1988, 182; ders., DVBl 1990, 197; ders., DVBl 1996, 93. 4 BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – IV C 105.66, BVerwGE 34, Zudem sind in der Tendenz die Klagerechte der 301 = DVBl 1970, 414; Urt. v. 14.02.1975 – IV C 21.74, BVerwGE 48, 56 = DVBl 1975, 717 – B 42; Beschl. v. Öffentlichkeit und der Naturschutzvereinigun- 09.11.1979 – 4 N 1.78, BVerwGE 59, 87 = DVBl 1980, 233, gen erweitert worden. Nach Art. 11 UVP-Richt- B. Stüer, DVBl 1985, 466. linie stellen die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer 5 Zur Abwägungsfehlerlehre Erbguth, DVBl 1986, 1230. BauR 1 · 201941
Aufsätze Stüer, Stüer · Fehlerhafte Öffentlichkeitsbeteiligung nur durch Neustart zu beheben? um die materiellrechtliche und verfahrensrechtli- Verwirklichung der Ziele der UVP-RL zwar zwei che Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Hand- verschiedenen Behörden übertragen, muss aber ge- lungen oder Unterlassungen anzufechten, für die währleisten, dass die jeweiligen Befugnisse dieser die Bestimmungen der UVP-Richtlinie über die Behörden eine vollständige und rechtzeitige Prü- Öffentlichkeitsbeteiligung gelten. Die Mitglied- fung vor Erteilung der Genehmigung durchgeführt staaten haben hier einen gewissen Entscheidungs- wird.13 spielraum. Sie legen fest, in welchem Verfahrens- Den Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit stadium die Entscheidungen, Handlungen oder nach Art. 11 der UVP-RL muss ein ausreichender Unterlassungen angefochten werden können. Auch Rechtsschutz eröffnet sein – gleichviel, welche Rol- können sie in einem gewissen Rahmen bestimmen, le sie in dem Verfahren über den Genehmigungs- was als ausreichendes Interesse und als Rechtsver- antrag vor dieser Stelle durch ihre Beteiligung an letzung gilt. Allerdings sind die Mitgliedstaaten und ihre Äußerung an diesem Verfahren spielen zugleich auf das Ziel eines weiten Zugangs der Öf- konnten. Diese Beteiligung hat daher keine Aus- fentlichkeit zu Gericht verpflichtet. wirkungen auf die Voraussetzungen für die Aus- Das Interesse der anerkannten Naturschutzver- übung des Anfechtungsrechts.14 Auch muss die einigungen gilt dabei als ausreichendes Interesse, Möglichkeit eines Eilrechtsschutzes bestehen.15 das zu einer gerichtlichen Prüfung berechtigt.6 Die Die Präklusionsregelungen des deutschen Rechts Verfahren müssen fair, gerecht, zügig und nicht (§ 73 IV 3 VwVfG) sind mit Hinweis auf diese übermäßig teuer durchgeführt werden. Die Mit- Vorschrift inzwischen vom EuGH für nicht an- gliedstaaten müssen der Öffentlichkeit im Sinne wendbar erklärt worden.16 eines effektiven Rechtsschutzes praktische Infor- Auch Verbände müssen einen ausreichenden mationen über den Zugang zu verwaltungsbehörd- Rechtsschutz haben. Art. 11 UVP-RL steht daher lichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahren Rechtsvorschriften entgegen, die anerkannten Um- zur Verfügung stellen. weltverbänden nicht die Möglichkeit zuerkennt, im Zur für Projekte geltenden UVP-RL7 und zur für Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entschei- Pläne und Programme geltenden SUP-RL8 hat der EuGH inzwischen eine umfangreiche Rechtspre- chung entwickelt. Die Begriffe der „Projekte“ oder 6 Schlacke, EurUP 2018, 127. „Pläne und Programme“, die eine UVP- bzw. SUP- 7 Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften v. 27.06.1985 über die UVP bei bestimmten öffentlichen Pflicht auslösen, sind sehr weit9 und erfassen auch und privaten Projekten – 85/337/EWG, ABl. L 175, S. 40; Änderungen von Vorhaben.10 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.12.2011 über die UVP bei bestimmten öffentlichen und Bei Plänen für kleinräumige Gebiete auf nationa- privaten Projekten – 2011/92/EU, ABl. v. 28.01.2012, L 26, ler Ebene hat der Gesetzgeber zwar einen Spiel- S. 1; Erbguth, UPR 2003, 321. raum.11 Art. 3 V i.V.m. Art. 3 Abs. 3 SUP-RL steht 8 Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 27.06.2001 über die Prüfung der Umweltauswirkun- nationalen Regelungen allerdings entgegen, die gen bestimmter Pläne und Programme ABl. v. 21.07.2001, allgemein und ohne Einzelfallprüfung vorsehen, Nr. L 197, S. 30: Erbguth/Schubert, DöV 2005, 533; dies., dass eine Prüfung nach der SUP-RL dann nicht ZUR 2005, 524. durchgeführt werden muss, wenn sich die Pläne, 9 EuGH, Urt. v. 15.10.2009 – C-263/08, NVwZ 2009, 1553 – Stromleitungstunnel. die die Nutzung kleiner Gebiete auf lokaler Ebene 10 EuGH, Urt. v. 28.02.2008 – C-2/07, NuR 2008, 255 – Flug- festlegen, nur auf einen Gegenstand wirtschaft- hafen Lüttich-Bierset. licher Betätigung beziehen. Auch eine nach der 11 EuGH, Urt. v. 18.04.2013 – C-463/11, DVBl 2013, 777 mit UVP-RL für bestimmte öffentliche und private Anm. Stüer/Garbrock. 12 EuGH, Urt. v. 22.09.2011 – C-295/10, NVwZ 2012, 291 – Projekte durchgeführte UVP entbindet nicht von Intensivtierhaltung von Schweinen. der Verpflichtung, eine nach der SUP-RL für Plä- 13 EuGH, Urt. v. 03.03.2011 – C-50/09, NVwZ 2011, 929. ne und Programme erforderliche Umweltprüfung 14 EuGH, Urt. v. 15.10.2009 – C-263/08, NVwZ 2009, 1553 – durchzuführen.12 Die Prüfung der unmittelbaren Stromleitungstunnel. 15 EuGH, Urt. v. 15.01.2013 – C-416/10, NVwZ 2013, 347 – und mittelbaren Wirkungen eines Projektes muss Abfalldeponie zur IVU-RL 96/61/EG. dabei in vollem Umfang vor der Genehmigung 16 EuGH, Urt. v. 15.10.2015 – C-137/14, DVBl 2015, 1514, durchgeführt werden. Der Mitgliedstaat kann die B. Stüer/Buchsteiner 1522. 42 BauR 1 · 2019
Stüer, Stüer · Fehlerhafte Öffentlichkeitsbeteiligung nur durch Neustart zu beheben? Aufsätze dung, mit der Projekte mit möglicherweise erheb- lichkeit geprüft wird, (2) über die Feststellung der lichen Umweltauswirkungen genehmigt werden, UVP-Pflicht des Vorhabens nach § 5 sowie, falls vor Gericht die Verletzung einer Vorschrift geltend erforderlich, über die Durchführung einer grenz- zu machen, die aus dem Unionsrecht hervorgegan- überschreitenden Beteiligung nach den §§ 54 bis gen ist und den Umweltschutz bezweckt, weil die- 56, (3) über die für das Verfahren und für die Zu- se Vorschrift nur die Interessen der Allgemeinheit lassungsentscheidung jeweils zuständigen Behör- und nicht die Rechtsgüter einzelner schützt.17 Die den, bei denen weitere relevante Informationen Öffentlichkeitsbeteiligung und der Zugang zu Ge- erhältlich sind und bei denen Äußerungen oder richten muss auch gewährleistet werden, wenn das Fragen eingereicht werden können, sowie über Projekt durch einen Gesetzgebungsakt genehmigt die festgelegten Fristen zur Übermittlung dieser worden ist. Falls gegen eine solche Maßnahme kein Äußerungen oder Fragen, (4) über die Art einer Rechtsbehelf von der Art und dem Umfang der möglichen Zulassungsentscheidung, (5) darüber, Vorgaben der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL mög- dass ein UVP-Bericht vorgelegt wurde, (6) über lich ist, obliegt es jedem Gericht, die vorgenannte die Bezeichnung der das Vorhaben betreffenden Prüfung durchzuführen und ggf. daraus die Kon- entscheidungserheblichen Berichte und Empfeh- sequenz zu ziehen, indem es diesen Gesetzgebungs- lungen, die der zuständigen Behörde zum Zeit- akt unangewendet lässt.18 punkt des Beginns des Beteiligungsverfahrens vor- liegen, (7) darüber, wo und in welchem Zeitraum Nach dem Urteil des EuGH Delena Wells19 zur Ur- die Unterlagen nach den Nummern 5 und 6 zur sprungsfassung der UVP-Richtlinie 1985 kann sich Einsicht ausgelegt werden sowie (8) über weitere der Einzelne unter Umständen auf Bestimmungen Einzelheiten des Verfahrens der Beteiligung der der UVP-Richtlinie berufen. Ferner sind die zu- Öffentlichkeit. ständigen Behörden verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle allgemeinen oder besonderen (§ 19 Abs. 2 UVPG) Im Rahmen des Beteiligungs- Maßnahmen zu ergreifen, um dem Unterlassen der verfahrens legt die zuständige Behörde zumindest UVP eines Projektes im Sinne der UVP-Richtlinie folgende Unterlagen zur Einsicht für die Öffent- abzuhelfen. Die Einzelheiten des in diesem Zu- lichkeit aus: (1) den UVP-Bericht, (2) die das sammenhang anwendbaren Verfahrens sind nach Vorhaben betreffenden entscheidungserheblichen dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mit- Berichte und Empfehlungen, die der zuständigen gliedstaaten Sache der nationalen Rechtsordnung Behörde zum Zeitpunkt des Beginns des Beteili- eines jeden Mitgliedstaates. Sie dürfen jedoch nicht gungsverfahrens vorgelegen haben. ungünstiger sein als diejenigen, die vergleichbare Für Pläne und Programme, zu denen die Bauleit- Sachverhalte interner Art regeln (Äquivalenzprin- planung gehört, ist nicht die UVP-RL, sondern die zip) und die Ausübung der von der Gemeinschafts- SUP-RL anwendbar. Diese enthält keine Regelun- rechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch gen über die Informationen der Öffentlichkeit bei unmöglich machen oder übermäßig erschweren der Auslegungsbekanntmachung, sondern (ledig- (Effektivitätsprinzip). lich) über den Umweltbericht (Art. 5 SUP-RL) und die Konsultationen (Art. 6 SUP-RL). Nach C. EU-Vorgaben zur Öffentlichkeits Art. 6 SUP-RL werden der Entwurf des Plans oder beteiligung Die UVP-RL, die SUP-RL und die Öffentlich- keitsbeteiligungs-RL enthalten allerdings nach ihrem Wortlaut keine detaillierten Anforderun- 17 EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-115/09, DVBl 2011, 757 – Lünen-Trianel. gen an die Bekanntmachungserfordernisse. § 19 18 EuGH, Urt. v. 18.10.2011 – C-128/09, NVwZ 2011, 1506; UVPG bestimmt dazu. Urt. v. 16.02.2012 – C-182/10, NVwZ 2012, 617 – Flughäfen Lüttich-Bierset und Charleroi-Brüssel Süd und Eisenbahn- (§ 19 Abs. 1 UVPG) Bei der Bekanntmachung zu strecke Brüssel-Carleroi; zu den Heilungsmöglichkeiten Beginn des Beteiligungsverfahrens unterrichtet die einer unterlassenen Öffentlichkeitsbeteiligung EuGH, Urt. zuständige Behörde die Öffentlichkeit (1) über den v. 11.09.2012 – C-43/10, NVwZ-RR 2013, 18 – Umleitung des Flusses Acheloos in den Fluss Pineios. Antrag auf Zulassungsentscheidung oder über eine 19 EuGH, Urt. v. 07.01.2004 – C-201/02, DVBl 2004, sonstige Handlung des Vorhabenträgers zur Einlei- 370 = EurUP 2004, 57 – Delena Wells; B. Stüer/Hönig, DVBl tung eines Verfahrens, in dem die Umweltverträg- 2004, 481. BauR 1 · 201943
Aufsätze Stüer, Stüer · Fehlerhafte Öffentlichkeitsbeteiligung nur durch Neustart zu beheben? Programms und der Umweltbericht den Behörden ortsüblich bekannt zu machen. Das verlange – so sowie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und das BVerwG – zwar keine Auflistung sämtlicher es wird der Öffentlichkeit innerhalb ausreichend Stellungnahmen oder gar deren inhaltliche Wie- bemessener Frist frühzeitig und effektiv Gelegen- dergabe. Da nur Angaben zu den Arten umweltbe- heit gegeben, vor der Annahme des Plans oder Pro- zogener Informationen gefordert würden, reiche es gramms Stellung zu nehmen. An die Auslegungs- aus, die vorhandenen (umweltbezogenen) Unterla- bekanntmachung werden in der SUP-RL keine gen nach Themenblöcken zusammenzufassen und Anforderungen gestellt. diese in einer schlagwortartigen Kurzcharakterisie- rung zu bezeichnen. Zwar wird in Art. 6 Abs. 2 und 3 der UVP-RL ver- langt, dass die Öffentlichkeit durch öffentliche Be- Das Bekanntmachungserfordernis des § 3 Abs. 2 kanntmachung „frühzeitig im Rahmen umweltbe- Satz 2 Halbs. 1 BauGB wurde durch das EAG Bau22 zogener Entscheidungsverfahren“ über „die Anga- auf „Angaben dazu, welche Arten umweltbezoge- ben über die Verfügbarkeit der Informationen, die ner Informationen verfügbar sind“, erweitert. Der gemäß Art. 5 eingeholt wurden“, informiert wird. Gesetzgeber wollte damit die Vorgaben des Art. 6 Diese Vorschrift gilt aber nur für UVP-pflichtige Abs. 2 der Århus-Konvention Übereinkommen Vorhaben, nicht jedoch für Pläne und Programme, über den Zugang zu Informationen, die Öffent- welche die Nutzung kleinerer Gebiete auf lokaler lichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren Ebene festlegen und die der Mitgliedstaat in die und den Zugang zu Gerichten in Umweltangele- Umweltprüfung einbeziehen kann (Art. 3 Abs. 3 genheiten vom 25.06.1998 (Zustimmungsgesetz SUP-RL), worum es in aller Regel in der Bauleit- vom 09.12.2006)23 sowie des Art. 3 Nr. 4 der Öf- planung geht.20 fentlichkeitsbeteiligungs-RL24 umsetzen.25 Auch die Århus-Konvention enthält einen entspre- Andererseits ist das Bekanntmachungserforder- chenden Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten nis nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB auf die Angabe (Art. 6 Abs. 1b) Århus-Konvention).21 der „Arten“ verfügbarer Umweltinformationen be- schränkt. Wie dieser Begriff nahelegt, ist es nicht D. Bauleitplanung erforderlich, den Inhalt der Umweltinformationen Das BVerwG hat allerdings für die Offenlagebe- im Detail wiederzugeben. Es genügt die Angabe von kanntmachung zur förmlichen Öffentlichkeitsbe- Gattungsbegriffen. Geschieht dies allerdings nicht, teiligung recht strenge Anforderungen aufgestellt ist der Bebauungsplan unwirksam. Formalrechtlich und diese aus einer Kombination der europarecht- leitet sich diese Aussage des BVerwG aus den Regeln lichen Vorgaben und dem deutschen Recht der zur Offenlage und zu den Wirksamkeitsanforderun- Bauleitplanung abgeleitet. gen in § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB ab. § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB verpflichtet die Gemein- den, die in den vorhandenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen nach The- 20 Zu den Gestaltungsspielräumen des nationalen Gesetzgebers menblöcken zusammenzufassen und diese in der Stüer/Garbrock zu EuGH, Urt. v. 18.04.2013 – C-463/11, Auslegungsbekanntmachung schlagwortartig zu DVBl 2013, 777. 21 Schlacke, ZUR 2004, 129; zur Verbandsklage dies., NuR charakterisieren. Das Bekanntmachungserforder- 2004, 629. nis erstreckt sich auch auf solche Arten verfügba- 22 Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien rer Umweltinformationen, die in Stellungnahmen (Europarechtsanpassungsgesetz Bau – EAG Bau) v. 24.06.2004 enthalten sind, die die Gemeinde für unwesentlich (BGBl. I, S. 1359, in Kraft getreten am 20.07.2004; Erbguth, Jura 2006, 9. Zum BauROG 1998 und dem dort neu gefassten hält und deshalb nicht auszulegen beabsichtigt. Die Städtebaurecht im Verhältnis zum Umweltrecht Erbguth, VR Hinweisverpflichtungen beziehen sich vielmehr auf 1999, 119; zum Investitions- und Erleichterungs- und Wohn- alle Unterlagen, die der Gemeinde verfügbar sind. baulandgesetz Erbguth, NVwZ 2003, 956. 23 BGBl. II, S. 1251. Denn nach der vorgenannten Vorschrift sind Ort 24 RL 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und Dauer der Auslegung sowie „Angaben dazu, v. 26.05.2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Pro- welche Arten umweltbezogener Informationen ver- gramme, ABl. EU Nr. L 156 S. 17. fügbar sind“, mindestens eine Woche vor der öf- 25 Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. fentlichen Auslegung des Bebauungsplan-Entwurfs 15/2250, 44. 44 BauR 1 · 2019
Stüer, Stüer · Fehlerhafte Öffentlichkeitsbeteiligung nur durch Neustart zu beheben? Aufsätze I. Sinn der Auslegungsbekanntmachung Das gilt vor allem für den Umweltbericht, der als Hinweise in Bekanntmachungen auf den beab- gesonderter Bestandteil der Begründung dem Plan- sichtigten Regelungsgegenstand haben durchaus werk beizufügen ist und der entsprechende Darle- ihren Sinn. So ist es unverzichtbar, durch eine ent- gungen nach Maßgabe der Anlage 1 zum BauGB sprechende Kennzeichnung der Thematik bei den ermittelt, darstellt und bewertet (§ 2a BauGB). Planbetroffenen eine Anstoßwirkung zu erzeugen. Die in dem Umweltbericht darzustellenden The- Die Bekanntmachung der Offenlage eines Bebau- men sind dabei regelmäßig nach dem Konzept der ungsplans darf diesen nicht lediglich etwa mit einer Anlage 1 zum BauGB aufbereitet. Eine Wiederho- Nummer bezeichnen. Vielmehr ist die ungefähre lung dieser Themen in der Bekanntmachung zur Lage des Plangebietes etwa durch eine Kurzbe- Öffentlichkeitsbeteiligung wird daher regelmäßig zeichnung oder einen Lageplan zu kennzeichnen. keine weitergehende Klärung und keine weiteren Ansonsten wird der Öffentlichkeit nicht klar, um Informationen bringen, als sie ohnehin den gesetz- welches Plangebiet es sich handelt.26 lichen Anforderungen entnommen werden kann – vor allem, solange über das Projekt und den Plan § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB will dabei sicherstellen, selbst keine (detailreichen) Informationen bekannt dass die Öffentlichkeitsbeteiligung sich auch auf gemacht werden.27 die wesentlichen umweltbezogenen Stellungnah- men bezieht. Zudem soll auf die Arten der um- III. Begrenzter Erkenntnisgewinn weltbezogenen Stellungnahmen bereits bei der Die Öffentlichkeit weiß zwar durch die Ausle- vorherigen Bekanntmachung hingewiesen werden. gungsbekanntmachung so gut wie nichts über den Inhalt der Planung oder das Projekt, kann sich aber II. Funktion der Auslegungsbekanntma- ein vergleichsweise verlässliches Bild über die be- chung troffenen Umweltbelange erstellen – so wie wenn Die Bekanntmachung hat nach der gesetzlichen ein Seminarteilnehmer von einer Fortbildungsreise Zielrichtung (lediglich) die Funktion, auf die aus den USA zurückkehrt und auf die Frage nach erfolgende Offenlage hinzuweisen und die Be- seinen Erkenntnissen zur Antwort gibt: „I’m still urteilung zu ermöglichen, ob durch die Planung confused, but on a much higher level“ („Ich verste- Belange der allgemeinen und betroffenen Öffent- he zwar immer überhaupt noch nichts von der Sa- lichkeit berührt werden. Dazu können auch Um- che, aber auf einem wesentlich höheren Niveau“). weltbelange gehören. Aber letztlich geht es nicht abstrakt um Umweltinformationen, auf die in der Zudem dürfen an die Ermittlung der Umweltbe- Auslegungsbekanntmachung hingewiesen wird. lange keine überzogenen Anforderungen gestellt Gegenstand der Bekanntmachung sind vielmehr werden. Die Prüfung ist auf Angemessenheit, Zu- die Planung, das Projekt und deren Inhalte, zu mutbarkeit und Verhältnismäßigkeit zu begrenzen. der die Öffentlichkeitsbeteiligung stattfindet. So- Zur UVP nach der UVP-RL hat das BVerwG – lange sich der Inhalt der Planung auch nicht in und damit übertragbar auf die Umweltprüfung – Umrissen aus der Bekanntmachung entnehmen lässt, nutzen auch mehr oder weniger detaillierte Hinweise auf zur Verfügung stehende Umwelt- 26 BVerwG, Urt. v. 26.05.1978 – IV C 9.77, BVerwGE 55, informationen nichts. Die allgemeine oder be- 369 = DVBl 1978, 815 – Harmonieurteil. 27 Zur vorhergehenden Rechtsprechung der Instanzgerichte troffene Öffentlichkeit würde auch durch noch VGH Kassel, Urt. v. 21.02.2013 – 4 C 1431/12.N; OVG so detaillierte Hinweise zu vorliegenden einzelnen Bautzen, Urt. v. 09.03.2012 – 1 C 13/10, LKV 2012, 411; Umweltinformationen keinen zusätzlichen Er- abweichend von OVG Münster, Urt. v. 13.03.2008 – 7 D kenntnisgewinn auf (eigene) betroffene Belange 34/07.NE, NWVBl 2008, 467; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 01.07.2008 – 4 BN 17.08, BauR 2008, 1850; VGH oder die Wechselwirkungen zwischen Planung Mannheim, Urt. v. 20.09.2010 – 8 S 2801/08, DÖV 2011, oder Vorhaben und Umweltbelangen erhalten. 245; Urt. v. 13.12.2012 – 3 S 261/10; VGH München, Urt. Für die Öffentlichkeitsbeteiligung führen daher v. 13.12.2012 – 15 N 08.1561, DVBl 2013, 314 = UPR 2013, detaillierte Hinweise auf ausliegende Unterlagen 159; VGH Kassel, Urt. v. 21.02.2013 – 4 C 1431/12.N; weniger strenge Voraussetzungen OVG Koblenz, Urt. v. 17.04.2013 – nicht daran vorbei, die offenliegende Planung und 8 C 11067/12; zu den notwendigen Angaben über die Arten die ausliegenden Unterlagen zu Umweltinforma- umweltbezogener Informationen in der Auslegungsbekanntma- tionen selbst einzusehen. chung OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.07.2013 – 1 MN 90/13. BauR 1 · 201945
Aufsätze Stüer, Stüer · Fehlerhafte Öffentlichkeitsbeteiligung nur durch Neustart zu beheben? festgestellt: „Die Umweltverträglichkeitsprüfung schrieben haben. Die Hinweise auf umweltrele- ist kein allgemeines Suchverfahren, in dem alle vante Stellungnahmen und Unterlagen in der Be- nur erdenklichen Auswirkungen eines Vorhabens kanntmachung muss sich auf die Benennung der auf Umweltgüter und deren Wertigkeit bis in alle vorliegenden Unterlagen begrenzen. Ansonsten ist Einzelheiten und feinste Verästelungen zu unter- das System kommunaler Bauleitplanung30 wohl suchen wären und gar Antworten auf in der Wis- nicht nur bei Großvorhaben nicht mehr handhab- senschaft bisher noch ungeklärte Fragen gefunden bar und geht an den Möglichkeiten der Praxis vor- werden müssten“.28 „Die UVP-RL gibt keinerlei bei. Das gilt für Bau- und Fachplanung sowie den Aufschlüsse über Untersuchungsverfahren und Immissionsschutz gleichermaßen. Bewertungskriterien. Die Umweltprüfung ersetzt auch nicht fehlende Umweltstandards. Die Tatsa- IV. Fehlerunbeachtlichkeit che, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Pflicht Fehler in der Beteiligung der Öffentlichkeit sind und den rechtlichen Rahmen für die Durchfüh- allerdings nicht unbegrenzt von Bedeutung. Dies rung der Umweltprüfung geschaffen hat, legt gilt zunächst in der Reichweite der Bekanntma- nicht schon den Grundstein für eine verbesserte chung. Nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2, Methodik der Ermittlung und der Bewertung von 2. Alt. BauGB ist ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Umweltauswirkungen. Was auf diesem Felde die Satz 2 BauGB unbeachtlich, wenn bei Anwen- Wissenschaft (noch) nicht hergibt, vermag auch dung dieser Vorschrift einzelne Angaben dazu, eine UVP nicht zu leisten. Von der Behörde kann welche Arten umweltbezogener Informationen nicht mehr verlangt werden, als dass sie die Annah- verfügbar sind, gefehlt haben.31 Ist überhaupt auf men zugrunde legt, die dem allgemeinen Kenntnis- das Vorliegen von Umweltinformationen etwa im stand und den allgemein anerkannten Prüfmetho- Umweltbericht hingewiesen worden, dann müssen den entsprechen. Die Umweltprüfung ist nicht als fehlende weitergehende Angaben zu den jeweili- Suchverfahren konzipiert, das dem Zweck dient, gen Arten von umweltbezogenen Informationen Umweltauswirkungen aufzudecken, die sich der unbeachtlich sein. Anderenfalls würde gefordert, Erfassung mit den herkömmlichen Erkenntnis- dass die Angaben über die vorliegenden Arten von mitteln entziehen“.29 umweltbezogenen Informationen weitgehend voll- ständig sein müssen. Eine zu detaillierte Information kann sogar eher zur Verwirrung als zur Klärung beitragen. Das gilt Die Fehler in der Bekanntmachung der Öffent- natürlich besonders für Großprojekte. Bei einer lichkeitsbeteiligung können auch insgesamt be- Kraftwerksplanung oder der Planung von Ver- deutungslos werden. Da es sich um Verfahrens- kehrsprojekten etwa kann nicht der Inhalt aller zur anforderungen handelt, sind Mängel, die nicht Offenlage vorgesehenen Unterlagen in konzent- innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des rierten Zusammenfassungen bereits in der Aus- Bebauungsplans geltend gemacht worden sind, legungsbekanntmachung wiedergegeben werden. nach § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich. Vielfach sind es zigtausende von Umweltinfor- Danach werden eine nach § 214 Abs. 1 Satz 1 mationen, die gelegentlich schon einmal gut 100 Nr. 1 bis 3 BauGB beachtliche Verletzung der Leitz-Ordner füllen. Auch eine noch so konzent- dort bezeichneten Verfahrens- und Formvorschrif- rierte Zusammenfassung kann die Einsichtnahme ten unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb eines in diese Unterlagen nicht ersetzen. Jahres seit Bekanntmachung der Satzung schrift- Eine zu starke Überfrachtung der Auslegungsbe- kanntmachung nach englischer Gutsherrenart „If the Turkey doesn´t fly, make him bigger“ („Wenn 28 BVerwG, Urt. v. 21.03.1996 – 4 C 19.94, BVerwGE 100, 370 = DVBl 1996, 907 – Münchener Ring. der Truthahn nicht so richtig fliegen will, mach 29 BVerwG, Urt. v. 25.01.1996 – 4 C 5.95, BVerwGE 100, ihn fetter“) kann nicht sinnvoll sein und mündet 238 = DVBl 1996, 677 – Eifelautobahn A 60; für den Be- am Ende in reiner Bürokratie und in das Gegen- bauungsplan sinngemäß auch Urt. v. 18.11.2004 – 4 CN teil dessen, was sich nicht nur die Verwaltungs- 4.03, BVerwGE 122, 207 = DVBl 2005, 386 = NVwZ 2004, 1237 – Diez. rechtler, aber vor allem auch die Politik mit der 30 Zur Verstärkung der Elemente unmittelbarer Bürgerbeteiligung bereits geradezu sprichwörtlichen Forderung nach auf kommunaler Ebene Erbguth, DöV 1995, 793. „unbürokratischem Handeln“ auf ihre Fahnen ge- 31 Erbguth, DVBl 2004, 802. 46 BauR 1 · 2019
Stüer, Stüer · Fehlerhafte Öffentlichkeitsbeteiligung nur durch Neustart zu beheben? Aufsätze lich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des vorzulegen (§ 16 UVPG). Bei der öffentlichen die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend Bekanntmachung zu Beginn des Beteiligungsver- gemacht worden sind. Für Bebauungspläne, deren fahrens nach § 9 Abs. 1 UVPG hat die zuständige Bekanntmachung länger als ein Jahr zurückliegt, ist Behörde über die Antragsunterlagen, die Feststel- der vorgenannte Fehler einer unzureichenden Of- lung der UVP-Pflicht, die zuständigen Behörden, fenlagebekanntmachung daher unbeachtlich, wenn die Art einer möglichen Entscheidung, die Angabe er nicht fristgerecht geltend gemacht worden ist. der Unterlagen nach § 16 UVPG, den Zeitraum der Offenlage und über weitere Einzelheiten zum Dies dürfte auch europarechtlich halten, da es Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung zu unter- gegenteilige Vorschriften in den erwähnten EG- richten (§ 19 UVPG). Die Offenlage selbst bezieht Richtlinien nicht gibt. Insbesondere existiert keine sich auf die Unterlagen nach § 16 UVPG (UVP- europarechtliche Regelung, wonach nach Ablauf Bericht) sowie die der Behörde vorliegenden ent- entsprechender Fristen Bekanntmachungsfehler scheidungserheblichen Berichte und Empfehlun- zur förmlichen Offenlage gleichwohl weiterhin zu gen betreffend das Vorhaben. Nachträglich ein- beachten sind, also sozusagen zu „Ewigkeitsfeh- gehende entscheidungserhebliche Informationen lern“ führen. Die betroffene Öffentlichkeit muss sind der Öffentlichkeit nach den Vorschriften über nach dem europarechtlichen Richtlinienrecht den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich Rechtsschutzmöglichkeiten gegen UVP-pflich- zu machen (§ 19 Abs. 3 UVPG). tige Planungen und Zulassungsentscheidungen haben. Diese Rechtsschutzmöglichkeiten können In der Planfeststellung haben die Gemeinden den aber zeitlich begrenzt sein, sodass nach Ablauf der Plan für die Dauer eines Monats öffentlich auszu- Fristen der Rechtsakt sozusagen „Bestandskraft“ er- legen (§ 73 Abs. 3 VwVfG). Der Plan besteht aus langen kann und nicht „ewig“ beklagt werden kann den Zeichnungen und Erläuterungen, die das Vor- und sozusagen „in der Luft“ hängt. Das BVerwG haben, seinen Anlass und die von dem Vorhaben hatte zwar einen Vorlagebeschluss gefasst, um die betroffenen Grundstücke und Anlagen erkennen Europarechtskonformität des § 215 Abs. 1 Nr. 1 lassen (§ 73 Abs. 2 Satz 2 VwVfG). Die Auslegung BauGB vor dem EuGH klären zu lassen.32 Das Ver- ist vorher ortsüblich bekannt zu machen. In der fahren hat sich jedoch ohne Klärung der Rechts- Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, wo und frage erledigt. in welchem Zeitraum der Plan zur Einsicht aus- liegt, dass Einwendungen fristgemäß vorgebracht Auch muss ein sich abzeichnendes Bröckeln der werden müssen, beim Ausbleiben eines Beteiligten Kausalitätsanforderungen, wonach Verfahrensfeh- im Erörterungstermin auch ohne ihn verhandelt ler nur erheblich sind, wenn sie sich auf das Er- werden kann und die Benachrichtigung über den gebnis der Entscheidung ausgewirkt haben (kön- Erörterungstermin ggf. auch durch öffentliche nen),33 verhindert werden. Bekanntmachung erfolgen kann (§ 73 Abs. 5 Und die aus der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL VwVfG).35 abgeleiteten Überlegungen zu einer Popularklage34 Im Immissionsschutzrecht ist für genehmigungs- könnte am Ende einschneidende Wirkungen ha- bedürftige Anlagen das Vorhaben nach Voll- ben und nicht nur die Planung von Großprojekten ständigkeit der Unterlagen öffentlich bekannt zu vor größere Schwierigkeiten stellen. machen. Der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen sowie die der Behörde vor- E. Anforderungen des UVPG, des liegenden entscheidungserheblichen Berichte und BImSchG und des VwVfG Empfehlungen sind nach der Bekanntmachung Folgerichtig werden bei der Zulassung von UVP- pflichtigen Vorhaben, im Planfeststellungs- und im Immissionsschutzrecht derartige Anforderungen 32 BVerwG, Beschl. v. 14.03.2017 – 4 CN 3.16, DVBl 2017, 767 an die Auslegungsbekanntmachung vom Gesetzge- m. Anm. Stüer. ber auch nicht gestellt. Bei der Beteiligung der Öf- 33 Dazu bereits grundlegend die Nachw. in Fn. 29. 34 B. Stüer/Garbrock zu EuGH, Urt. v. 18.04.2013 – C-463/11, fentlichkeit sind vom Träger eines UVP-pflichtigen DVBl 2013, 777. Vorhabens die entscheidungserheblichen Unterla- 35 Zu verfassungs- und europarechtlichen Aspekten der Deregu- gen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens lierung im Planfeststellungsverfahren Erbguth, UPR 1999, 41. BauR 1 · 201947
Aufsätze Stüer, Stüer · Fehlerhafte Öffentlichkeitsbeteiligung nur durch Neustart zu beheben? einen Monat zur Einsicht auszulegen (§ 10 Abs. 3 der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpoli- BImSchG). In der Bekanntgabe ist auf Ort und tik, zuletzt geändert durch Art. 1 der Richtlinie Zeitraum der Auslegung, die bestehende Einwen- 2014/101/EU des Europäischen Parlaments dungsmöglichkeit und deren Ausschlusswirkung und des Rates vom 30.10.2014 (ABl. Nr. L 311 bei nicht rechtzeitig erhobenen Einwirkungen, den S. 32) – im Folgenden: Wasserrahmenrichtlinie Erörterungstermin und die Bekanntmachung der (WRRL) – dahin auszulegen, dass er nicht nur Entscheidungen über Einwendungen hinzuweisen einen materiellrechtlichen Prüfungsmaßstab, (§ 10 Abs. 4 BImSchV).36 sondern darüber hinaus auch Vorgaben für das Keine dieser Vorschriften verlangt allerdings, dass behördliche Zulassungsverfahren beinhaltet? „die in den vorhandenen Stellungnahmen und b) Falls die Frage a) zu bejahen ist: Muss sich Unterlagen behandelten Umweltthemen nach die Öffentlichkeitsbeteiligung nach Art. 6 UVP- Themenblöcken zusammengefasst und diese in RL stets zwingend auf die Unterlagen zur was- der Auslegungsbekanntmachung schlagwortartig serrechtlichen Prüfung im vorgenannten Sinne charakterisiert“ werden, wie es das BVerwG für die beziehen oder ist eine Differenzierung nach dem Auslegungsbekanntmachung bei der Öffentlich- Zeitpunkt der Erstellung der Unterlage und de- keitsbeteiligung in der Bauleitplanung für erforder- ren Komplexität zulässig? lich hält und auch nicht, dass die Umweltinforma- tionen „in Schubladen gepresst“ oder „auf Flaschen 3. Ist der Begriff der Verschlechterung des Zu- gezogen“ werden, wie es der unvergessene ehema- stands eines Grundwasserkörpers in Art. 4 Abs. 1 lige Präsident des BVerwG Horst Sendler einmal Buchst. b) Ziff. i WRRL dahin auszulegen, dass zum Umgang einiger Planungsrechtler mit dem eine Verschlechterung des chemischen Zustands Abwägungsgebot bewundernd ausgedrückt hat.37 eines Grundwasserkörpers vorliegt, sobald min- destens eine Umweltqualitätsnorm für einen F. Fachplanungsrecht Parameter vorhabenbedingt überschritten wird, Ob die Schutznormtheorie nach dem Urteil des und dass unabhängig davon dann, wenn für EuGH vom 15.10.2015 wirklich aus dem Schnei- einen Schadstoff der maßgebliche Schwellenwert der ist oder doch noch einige Blessuren zu erwarten bereits überschritten ist, jede weitere (messbare) sind, ist wohl noch nicht abschließend geklärt.38 Erhöhung der Konzentration eine Verschlechte- Das alles soll nun durch einen Vorlagebeschluss rung darstellt? des BVerwG39 vom EuGH geklärt werden. Das 4. a) Ist Art. 4 WRRL – unter Berücksichtigung BVerwG hat dazu u.a. Vorlagefragen formuliert: seiner verbindlichen Wirkung (Art. 288 AEUV) 1. Ist Art. 11 Abs. 1 Buchst. b) der Richtli- und der Garantie wirksamen Rechtsschutzes nie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments (Art. 19 EUV) – dahin auszulegen, dass alle und des Rates vom 13.12.2011 über die Um- Mitglieder der von einem Vorhaben betroffenen weltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öf- Öffentlichkeit, die geltend machen, von der Ge- fentlichen und privaten Projekten – im Folgen- nehmigung des Vorhabens in ihren Rechten ver- den: UVP-RL – dahin auszulegen, dass mit ihm letzt zu sein, auch befugt sind, Verstöße gegen eine Vorschrift des nationalen Rechts vereinbar das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot ist, nach der ein Kläger, der keine anerkannte und das Verbesserungsgebot gerichtlich geltend Umweltvereinigung ist, die Aufhebung einer zu machen? Entscheidung wegen eines Verfahrensfehlers nur verlangen kann, wenn der Verfahrensfehler ihm selbst die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehe- 36 Zur Verzahnung von UVP-RL und IVU-RL Erbguth, ZUR nen Beteiligung am Entscheidungsprozess ge- 2000, 379. nommen hat? 37 UPR 1991, 241; Rengeling/B. Stüer, DVBl 2000, 837. 38 EuGH, Urt. v. 15.10.2015 – C -137/14, DVBl 2015, 1514, 2. a) Ist Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) Ziff. i–iii der B. Stüer/Buchsteiner, 1522. Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parla- 39 BVerwG, EuGH-Vorlagebeschluss und Hinweisbeschl. ments und des Rates vom 23.10.2000 zur Schaf- v. 25.04.2018 – 9 A 16.16 (Zubringer A 33/B 61 – Bielefeld- Ummeln); EuGH C-535/18, DVBl 2018, 1419 m. Anm. fung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen B. Stüer/E.-M. Stüer, 1426. 48 BauR 1 · 2019
Stüer, Stüer · Fehlerhafte Öffentlichkeitsbeteiligung nur durch Neustart zu beheben? Aufsätze berufen, die etwa in der nicht ordnungsgemäßen Falls die Frage a) zu verneinen ist: Ist Art. 4 Beteiligung anderer Teile der Öffentlichkeit liegen? WRRL – unter Berücksichtigung seiner Zielset- Das BVerwG hat dies bisher stets verneint42 und es zung – dahin auszulegen, dass jedenfalls solche bleibt auch jetzt bei dieser Ansicht. Aus dem Be- Kläger, die in räumlicher Nähe zur geplanten reich der privaten Kläger können sich nur die von Straßentrasse Hausbrunnen zur privaten Was- enteignungsrechtlichen Vorwirkungen betroffenen serversorgung unterhalten, befugt sind, Verstöße Eigentümer auch auf die Verletzung von öffentli- gegen das wasserrechtliche Verschlechterungs- chen Belangen berufen, soweit die Auswirkungen verbot und das Verbesserungsgebot gerichtlich des Vorhabens sie betreffen.43 Die nur mittelbar be- geltend zu machen? troffene Öffentlichkeit kann sich demgegenüber nur Die Vorlagefragen gehen deutlich über die Frage in der Reichweite der eigenen Rechtsverletzung auf der notwendigen Reichweite der Öffentlichkeits- Fehler der Planfeststellung berufen.44 Das BVerwG beteiligung hinaus und erfassen vor allem auch stellt überzeugend dar, dass diese grundlegenden rechtsgrundsätzliche Fragestellungen des Europa- Strukturelemente des deutschen Verwaltungspro- rechts, die am Luxemburger Kirchberg zu klären zessrechts auch europafest sind. Wenn der EuGH sein wird. Das wird wohl noch einige Zeit in An- im Urteil zum Vertragsverletzungsverfahren gegen spruch nehmen. Ein wichtiger Teilbereich ist dabei die Bundesrepublik Deutschland45 die Schutz- allerdings auch die Frage, welche Bedeutung die normtheorie als europarechtskonform bezeichnet Öffentlichkeitsbeteiligung im Verfahren der Plan- hat, dann muss die Begrenzung auf die jeweils eige- aufstellung hat und von welchen Gruppen derarti- ne Rechtsverletzung auch dann gelten, wenn nicht ge Fehler gerügt werden können. Beteiligungsrechte des betroffenen Klägers, sondern anderer Teile der Öffentlichkeit verletzt sind. An- I. Rechtsschutzpyramide derenfalls würde aus dem Erfordernis einer eigenen Eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ist Rechtsverletzung eine nahezu grenzenlose Popular- nach deutschem Prozessrecht nur zulässig, wenn der klage, die das Europarecht gerade nicht vorschreibt. Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt III. Bestandskraft beendet Klagemöglich- oder seine Ablehnung in eigenen Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO). Eine Anfechtungsklage keiten ist nur begründet, wenn der Verwaltungsakt rechts- Planfeststellungsbeschlüsse wachsen in Bestands- widrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten kraft, soweit sie von den Planbetroffenen nicht verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Soweit die rechtzeitig oder im Ergebnis erfolglos angefoch- Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsak- ten worden sind.46 Rechtsverletzungen des Ver- tes rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht bei Spruch- reife die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, 40 B. Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 2015, Rdnr. 5973. die beantragte Amtshandlung vorzunehmen (§ 113 41 EuGH, Urt. v. 07.11.2013 – C-72/12, DVBl 2013, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Schutznormtheorie be- 1597 m. Anm. B. Stüer/E.-M. Stüer, DVBl 2013, 1601. grenzt die Zulässigkeit auf mögliche eigene Rechts- 42 Urt. v. 31.07.2012 – 4 A 5000.11 u.a., BVerwGE 144, 1 – DVBl betroffenheiten und die Begründetheit auf tatsäch- 2013, 309 = NVwZ 2013, 287 – Flugroutenplanung BBI; Urt. v. 31.07.2012 – 4 A 7001.11 u.a., BVerwGE 144, 44 – DVBl liche eigene Rechtsverletzungen des Klägers. Auch 2012, 309 = NVwZ 2013, 297; Gatz, jurisPR-BVerwG 1/2013 die Beschränkung der Begründetheitsprüfung auf Anm. 3 Flugroutenplanung BBI; Urt. v. 12.11.2014 – 4 C die eigenen Rechte der betroffenen Öffentlichkeit 34.13, BVerwGE 150, 294 = NVwZ 2015, 596 – Wannsee- ist europarechtskonform. Route; Urt. v. 21.11.2013 – 7 A 28.12 – Eisenbahnstrecke Ol- denburg/Wilhelmshaven PFA 2 und 3) m. Anm. E.-M. Stüer, DVBl 2013, 1108. II. Keine Popularklage 43 BVerwG, Urt. v. 18.03.1983 – 4 C 80.79, BVerwGE 67, Die Schutznormtheorie des deutschen Verwaltungs- 74 = DVBl 1983, 899. rechtsschutzes40 hat es im Anschluss an das Altrip- 44 BVerwG, Urt. v. 14.02.1975 – IV C 21.74, BVerwGE 48, 56 = DVBl 1975, 713 – B 42. Urteil41 doch noch einmal geschafft, sollte man 45 EuGH, Urt. v. 15.10.2015 – C-137/14, DVBl 2015, 1514. meinen. Aber ist das wirklich so oder kann sich 46 Zum System der Fachplanungen Erbguth, FS W. Hoppe, die betroffene Öffentlichkeit auf Verfahrensfehler 2000, 631. BauR 1 · 201949
Aufsätze Stüer, Stüer · Fehlerhafte Öffentlichkeitsbeteiligung nur durch Neustart zu beheben? fahrensrechts aber auch des materiellen Rechts lerlehre zurückgenommen würde und größere können von den derart Planbetroffenen nicht behördliche Entscheidungsspielräume einge- mehr erfolgreich geltend gemacht werden. Selbst räumt würden.49 Verbände, denen gegenüber der Planfeststellungs- beschluss bestandskräftig geworden ist, können G. Mängel der Öffentlichkeitsbeteiligung auf den Zug eines gerichtlichen Rechtsschutzes sind keine „Ewigkeitsfehler“ nicht wieder aufspringen. Auch ein Urteil, mit Ist eine Öffentlichkeitsbeteiligung fehlerhaft, so dem feststellt wird, dass ein Planfeststellungsbe- kann diese durch die Fortsetzung des Planungs- schluss wegen eines behebbaren Mangels (§ 17e oder Zulassungsverfahrens beginnend mit dem Abs. 6 Satz 2 FStrG) rechtswidrig ist und nicht Verfahrensschritt, bei dem der Fehler aufgetreten vollzogen werden darf, wirkt nur zwischen den ist, wiederholt werden. Dabei ist – um es mit Beteiligten. Im Verhältnis zu anderen Planbe- einem Bilde auszudrücken – die Weste bis zu troffenen erweist sich der feststellende Ausspruch dem Knopf wieder aufzuknöpfen, an dem der grundsätzlich als bloßer Rechtsreflex, der die ih- Fehler aufgetreten ist. 50 War die erforderliche nen gegenüber eingetretene Bestandskraft unbe- Öffentlichkeitsbeteiligung fehlerhaft, so wäre rührt lässt.47 an dieser Stelle das ergänzende Verfahren an- zusetzen und die Öffentlichkeitsbeteiligung zu IV. Allgemeiner Neustart der Öffentlich- wiederholen. keitsbeteiligung ohne anschließende Klage- rechte? Dieser Grundsatz wird allerdings im Sinne einer Könnte sich der lediglich mittelbar Betroffene stärkeren Verbindlichkeit der Planung sowohl auch auf die Verletzung etwa der Beteiligung der in der Bauleit- als auch in der Fachplanung ein- allgemeinen Öffentlichkeit berufen, obwohl er geschränkt: In der Bauleitplanung ist der Fehler selbst ordnungsgemäß beteiligt worden ist, hätte in der Öffentlichkeitsbeteiligung unbeachtlich, dies zur Folge, dass der Beteiligungsfehler ggf. erst wenn er nicht innerhalb von einem Jahr seit Be- durch eine Wiederholung der gesamten Öffent- kanntmachung des Bauleitplans schriftlich gegen- lichkeitsbeteiligung geheilt werden könnte. Sol- über der Gemeinde gerügt worden ist (§ 215 che Auswirkungen könnten sich bereits jetzt für Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB). Ein Neustart der eine erfolgreiche Rüge der Verbände ergeben (§ 4 Planverfahren ist daher in derartigen Fällen nicht UmwRG).48 Die betroffene Öffentlichkeit hät- erforderlich. te jedoch keine erneuten Klagerechte, soweit ihr In der Planfeststellung kann der Fehler nur gegenüber der Planfeststellungsbeschluss bereits von den Verbänden, die eine zulässige Kla- bestandskräftig geworden ist. Es müsste also eine ge erhoben haben, oder denjenigen gerügt erneute Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden, werden, die durch die Entscheidung in ihren ohne dass dies für die Öffentlichkeit mit sich da- eigenen Rechten betroffen sind. Anderen Teile rauf beziehenden Rechtsschutzmöglichkeiten ver- der Öffentlichkeit, die nicht rechtzeitig einen bunden wäre. Auch eine nach einer erneuten Of- Rechtsschutz gesucht haben, verfügen über sol- fenlage ggf. erforderlich werdende Planreparatur che Möglichkeiten nicht, weil ihnen gegenüber könnte nur von den erfolgreich geklagt habenden der Planfeststellungsbeschluss bestandskräftig Verbänden auf den gerichtlichen Prüfstand gestellt geworden ist. Auch können die Betroffenen werden. jeweils nur die eigene fehlerhafte Beteiligung Wollte man den Klageweg für die betroffene Öffentlichkeit insgesamt erneut eröffnen, wür- de wohl die gesamte, auf die Verletzung eigener 47 BVerwG, Beschl. v. 04.07.2012 – 9 VR 6.12, DVBl 2012, Rechte zugeschnittene Rechtsschutzpyramide 1163, B. Stüer, DVBl 2012, 1164 – A 44 Ratingen/Velbert, zum Einsturz gebracht. Dann könnte wohl nur im Anschluss an Beschl. v. 22.09.2005 – 9 B 13.05, DVBl dadurch gegengesteuert werden, dass die gericht- 2005, 1599. 48 Schlacke, UPR 2016, 478; dies., NVwZ 2017, 905. liche Kontrolle bei der inhaltlichen Überprüfung 49 Überzeugend Hien, DVBl 2018, 1029. der Behördenentscheidungen besonders im Be- 50 B. Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 2015, reich der doch recht verästelten Abwägungsfeh- Rdnr. 1422. 50 BauR 1 · 2019
Stüer, Stüer · Fehlerhafte Öffentlichkeitsbeteiligung nur durch Neustart zu beheben? Aufsätze rügen, nicht aber verlangen, dass andere Teile möglichkeiten, sichern dieselben aber nicht, der betroffenen oder gar der allgemeinen Öf- wenn der Rechtsweg nicht beschritten worden fentlichkeit ordnungsgemäß beteiligt werden. ist oder es sich um Betroffenheiten handelt, die Die europarechtlichen Vorgaben gewähren der nicht zu den eigenen Rechten der Rechtsschutz- betroffenen Öffentlichkeit zwar Rechtsschutz- suchenden gehören. BauR 1 · 2019 51
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